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Der „Liebesapfel“ — Sein Siegeszug um die Welt

Der „Liebesapfel“ — Sein Siegeszug um die Welt

Der „Liebesapfel“ — Sein Siegeszug um die Welt

Von einem Erwachet!-Mitarbeiter in Spanien

VOR vielen Jahrhunderten wuchs der „Liebesapfel“ als Wildpflanze in den Anden Südamerikas. Die Beeren dieser Pflanze schmeckten nicht schlecht, doch die indianische Bevölkerung hielt offenbar nichts davon, sie anzubauen. Irgendwie gelangte diese außergewöhnliche Frucht nach Mexiko, wo die Azteken ihr den Namen xitomatl gaben. Mit tomatl bezeichnete man mehrere ähnliche, meist saftige Früchte. Schon bald wurde Tomatensoße oder Salsa ein fester Bestandteil der aztekischen Küche, und die Tomate war auf dem Weg zu internationaler Anerkennung.

Auch den spanischen Eroberern schmeckte die Tomatensoße recht gut. Im Jahr 1590 erwähnte ein Jesuit, der die meiste Zeit seines Lebens in Mexiko verbrachte, dass Tomaten sehr bekömmlich, zur Ernährung geeignet und sehr saftig seien, und außerdem würden sie Soßen eine besondere Note verleihen. Von Mexiko versandten die Spanier Tomatensamen nach Spanien und in ihre Kolonien in der Karibik und auf den Philippinen. Trotz des verheißungsvollen Beginns vergingen über dreihundert Jahre, bis die Tomate in die Küchen der ganzen Welt Einzug hielt.

Einen unangenehmen „Beigeschmack“ überwinden

Kulinarische Vorurteile sind — ebenso wie alle anderen — nur schwer zu überwinden. Ungeachtet der Beliebtheit in Mexiko erwarb sich die Tomate in ganz Europa bald einen schlechten Ruf. Das Dilemma begann, als europäische Botaniker die Tomate unter die Nachtschattengewächse einreihten, das heißt sie zur gleichen Gattung zählten wie die giftige Schwarze Tollkirsche. Zudem verbreiteten die Blätter einen unangenehmen Geruch, und sie waren giftig. Was das Ganze noch verschlimmerte, war die Behauptung einiger Herbalisten, die Tomate habe erotisierende Kräfte. Manche glauben, dies sei der Grund dafür gewesen, weshalb die Franzosen die Tomate als pomme d’amour oder Liebesapfel bezeichneten.

Dieser unangenehme „Beigeschmack“ der Tomate verbreitete sich auch in Nordamerika. Noch in den 1820er Jahren bemerkte ein amerikanischer Gärtner in Massachusetts: „Tomaten kamen mir so widerlich vor, dass ich dachte, ich müsste schon fast vor Hunger vergehen, bevor ich eine probieren würde.“ Er war nicht der Einzige, der so dachte. Ein Mann aus Pennsylvanien nannte sie „saures Zeug“, und ein britischer Zeitgenosse, ein Gartenbauexperte, bezeichnete die Tomate als „stinkenden goldenen Apfel“.

Glücklicherweise waren die Italiener, die der Tomate im 16. Jahrhundert den Namen pomodoro (goldener Apfel) gegeben hatten, praktischer veranlagt. * Anfang des 17. Jahrhunderts waren Tomaten in Italien, wo das sonnige Klima ihren Anbau begünstigte, zu einem beliebten Nahrungsmittel geworden. Doch bei den Gärtnern in Nordeuropa hielt sich die Skepsis noch fast zwei Jahrhunderte. Sie zogen Tomaten lediglich als Zierpflanzen oder zu medizinischen Zwecken.

Erst viel geschmäht, dann viel geliebt

Als die Menschen erst einmal auf den Geschmack gekommen waren, verschwanden die Bedenken, und der Tomatenanbau florierte. In den 1870er Jahren wurden — dank der transkontinentalen Eisenbahn — in New York frische kalifornische Tomaten angeboten. Einige Jahrzehnte zuvor öffnete die erste Pizzeria in Neapel (Italien) ihre Tore, was die Nachfrage nach Tomaten ankurbelte. Und im 20. Jahrhundert führte ein steigender Bedarf an Tomatensuppe, -saft, -soße und -ketschup — ganz zu schweigen von der beliebten Pizza — dazu, dass aus der viel geschmähten Tomate die begehrteste Gemüsepflanze der Welt wurde. (Siehe nebenstehenden Kasten.) Außer bei den kommerziellen Züchtern erfreut sich die Tomate auch bei Gärtnern in den Wüstengegenden des Nahen Ostens bis an die windgepeitschte Nordsee besonderer Gunst.

Vom Sinai bis zu einer Bohrinsel

Eine Bohrinsel mitten in der Nordsee scheint für den Anbau von Obst und Gemüse nicht gerade ideal zu sein. Aber die Tomate ist nicht anspruchsvoll. Ausreichend Wasser und ein passender, mit allen erforderlichen Nährstoffen versehener Plastiksack lässt die Samen sogar ohne Erde sprossen. Daher kamen Tomaten bei den Arbeitern auf der Bohrinsel gut an, denn sie freuten sich über etwas Grünes inmitten der nüchternen Rohre und Maschinen. Außerdem konnten sie ihrem Speisezettel selbst gezogene Früchte hinzufügen.

Wird besondere Sorgfalt und Pflege aufgeboten, lassen sich sogar dem Wüstenboden Tomaten entlocken. Verstreut in den Bergen des Sinai (Ägypten), haben Beduinen des Stammes Jabaliyyah Terrassen ausgehauen und darauf Gärten angelegt, die mit Quell- und Brunnenwasser und durch gelegentliche Regenfälle bewässert werden. Diese sorgfältig bewässerten Gärten der Beduinen produzieren eine Rekordernte ungewöhnlich großer Tomaten, die auch als Vorrat für den Winter in der Sonne getrocknet werden.

Die fast universelle Beliebtheit der Tomate ist allerdings auf weit mehr als auf ihre Fähigkeit zurückzuführen, sich unterschiedlichen Bodenarten und Klimazonen anzupassen. Die meisten Pflanzen werden durch Selbstbestäubung befruchtet, sodass ohne Schwierigkeiten verschiedene Arten mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen gezüchtet werden können. Zurzeit können die Gärtner unter etwa 4 000 Arten wählen. Die kleine, saftige Kirschtomate bereichert durch ihre Farbe und ihr Aroma Salate, und die süße, längliche Eiertomate wird oft in Dosen verkauft. Die große Fleischtomate — in der spanischen Küche nicht wegzudenken — eignet sich hervorragend sowohl für Salate als auch zum Kochen.

Es war natürlich der Geschmack, der der Tomate schließlich zum Siegeszug verhalf, ein Geschmack, der einem bei einer Pizza, einem garnierten Salat, einer Soße oder einem Saft das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Wenngleich die Tomate kein „Liebesapfel“ ist, wird sie heute doch von der ganzen Welt geliebt.

[Fußnote]

^ Abs. 8 Man nimmt an, dass die Tomate diesen Namen deshalb erhielt, weil die ersten von den Italienern angebauten Tomaten gelb waren.

[Kasten/Bilder auf Seite 26]

Gazpacho — eine erfrischende Vorspeise aus Tomaten

Wie wäre es mit einer erfrischenden kalten Suppe? Genau das Richtige an heißen Sommertagen! In Andalusien (Spanien) wird Gazpacho praktisch täglich zur Hauptmahlzeit serviert. Die Zubereitung ist einfach, erfordert keine kostspieligen Zutaten und wird von der Familie als gesunde, appetitanregende Vorspeise bestimmt begrüßt. Hier ist ein typisch spanisches Rezept für fünf Personen:

Zutaten

600 g reife Tomaten

350 g Gurke

250 g roter Gemüsepaprika

2 Scheiben trockenes Brot

30 ml Essig

30 ml Olivenöl

Salz

1 Knoblauchzehe

1 Prise Kreuzkümmel

Zubereitung Paprika entkernen, Gurke schälen und Tomaten häuten. Alles in kleine Stücke schneiden, zusammen mit Brot, Knoblauch, Gewürzen, Essig und Öl in eine Schüssel geben und mit einem Liter Wasser bedecken. Das Ganze über Nacht stehen lassen und am nächsten Tag mit einem Mixer zerkleinern und durch ein Sieb streichen. Falls nötig nachwürzen. Gazpacho sollte bis zum Servieren im Kühlschrank bleiben. Die Suppe kann mit Tomate, Gurke und rotem Paprika (alles klein gewürfelt) gereicht werden.

[Kasten auf Seite 27]

Die Tomate — Fakten und Zahlen

Die Tomate zählt weltweit zu den beliebtesten Früchten. Nahezu 100 Millionen Tonnen werden jährlich geerntet, weit mehr als andere bedeutende Früchte der Welt wie Äpfel, Bananen, Trauben und Orangen.

Wenn auch die Tomate manchmal als Gemüse bezeichnet wird, ist sie botanisch gesehen eine Frucht, denn der essbare Teil der Pflanze enthält die Samen (bei Gemüsepflanzen isst man gewöhnlich die Stiele, Blätter und Wurzeln).

Gemäß dem Guinness Buch der Rekorde wog die größte Tomate 3,5 Kilogramm und wurde in Oklahoma (USA) geerntet.

Hat man Tabak geraucht, bevor man mit den Pflanzen in Berührung kommt, oder raucht man in ihrer Nähe, kann dies den Pflanzen schaden. Tabak überträgt nämlich ein Virus, das sich auf die Tomate negativ auswirkt.

Außer Vitamin A und C enthalten Tomaten Lycopin, ein Antioxidans. Gemäß Studien soll eine tomatenreiche Ernährung das Krebsrisiko verringern.