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Energie aus der Erde

Energie aus der Erde

Energie aus der Erde

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER AUF DEN PHILIPPINEN

Unter der Erdoberfläche befindet sich ein gewaltiger Schatz. Er besteht aber weder aus Gold oder Silber noch aus Edelsteinen. Dort unten ist vielmehr eine riesige Wärmemenge gespeichert, die so genannte geothermische Energie.

DIE Wärme ist zum Großteil in unterirdischen Schichten aus geschmolzenem Gestein gespeichert, dem Magma. Die Erdwärme ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schatz, denn als eine saubere Energiequelle bietet sie gegenüber Öl, Kohle, Erdgas und Atomenergie deutliche Vorteile.

Tief im Erdinnern herrschen Temperaturen von mehreren 100 oder sogar 1 000 Grad. Die Wärmeenergie, die jedes Jahr aus der Tiefe an die Erdoberfläche dringt, beträgt vermutlich ungefähr 100 Milliarden Megawattstunden — ein Vielfaches der weltweit verbrauchten elektrischen Energie. Wahrhaftig eine unermessliche Energiemenge! Allerdings lässt sich dieser Schatz nicht ohne weiteres nutzbar machen.

Den Schatz erschließen

Ein Teil der Erdwärme ist sogar nahe der Erdoberfläche im Boden gespeichert. Diese Wärme kann mithilfe von Wärmepumpen genutzt werden, die an Ringleitungen im Boden angeschlossen sind. Die auf diese Weise gewonnene Energie kann im Winter zum Beheizen von Wohnungen oder für andere Zwecke verwendet werden. Und für diejenigen, die in der Nähe von heißen Quellen oder in anderen geologisch aktiven Gebieten leben, gibt es noch mehr Möglichkeiten, von der verfügbaren Erdwärme zu profitieren. So haben beispielsweise schon die alten Römer heiße Quellen für ihre Badehäuser genutzt.

Der größere Teil der Wärme konzentriert sich in einer Schicht unterhalb der Erdkruste, im so genannten Erdmantel. Die Erdkruste reicht durchschnittlich 35 Kilometer in die Tiefe — viel tiefer, als man mit der heute verfügbaren Technik bohren kann. Allerdings setzt sich die Erdkruste aus verschiedenen Platten zusammen und ist an bestimmten Stellen dünner, vor allem dort, wo die Platten aufeinander treffen. In diesen Bereichen dringt das aufsteigende Magma näher an die Erdoberfläche und erwärmt das in den Gesteinsschichten eingeschlossene Wasser. Dieses Wasser befindet sich in der Regel nur 2 bis 3 Kilometer unter der Erdoberfläche, also durchaus in Reichweite moderner Bohrtechniken. Man kann es fördern und sinnvoll verwenden. Auf welche Weise?

Die Erdwärme nutzen

Auf Meereshöhe erreicht Wasser den Siedepunkt bei 100 Grad Celsius. Tief in der Erde herrschen jedoch weit größere Drücke, wodurch das Wasser auch bei höheren Temperaturen flüssig bleibt. * Wenn es gelingt, mit einer Bohrung bis zu mindestens 175 Grad Celsius heißem Wasser vorzudringen, kann man damit Generatoren zur Stromerzeugung antreiben.

Heißes Wasser ist normalerweise in vulkanisch aktiven Regionen zu finden, wie zum Beispiel im Pazifischen Feuerring, wo es sowohl aktive als auch ruhende Vulkane gibt. Die Philippinen liegen im Bereich dieses Rings. Hier gab es vor allem in den letzten Jahren deutliche Fortschritte in der geothermischen Stromerzeugung. Interessanterweise zählt dieses Land mittlerweile zu einem der weltgrößten Erzeuger von Strom aus geothermischer Energie. Mehr als 20 Prozent des Stromverbrauchs auf den Philippinen werden aus dieser Quelle gedeckt.

Um mehr darüber zu erfahren, wie aus Erdwärme Strom gewonnen wird, besuchten Erwachet!-Mitarbeiter das große geothermische Kraftwerk Mak-Ban in der Provinz Laguna auf den Philippinen. Diese Anlage kann bis zu 426 Megawatt Strom produzieren. Wir wollen uns einmal kurz ansehen, wie das vor sich geht.

Ein Besuch in einem geothermischen Kraftwerk

Von der Hauptstraße führt eine zweispurige Straße zu einem geothermischen Feld. Auf dem Weg zum Kraftwerk passieren wir ein Gebiet, in dem uns zahlreiche große Dampfleitungen auffallen, die die geothermischen Bohrlöcher mit den Generatoren verbinden. Außerdem sind Dampfleitungen zu sehen, die von den Bohrlöchern auf nahe gelegenen Hügeln hierherführen. Die Leitungen sind in regelmäßigen Abständen wie eine Spirale geformt. Wir erfahren, dass die Spiralen das Ausdehnen und Zusammenziehen der Leitungen ermöglichen, wenn diese sich erhitzen und wieder abkühlen.

In der Nähe des Dorfes befinden sich die Büros der Philippine Geothermal, Inc., wo uns der Produktionsleiter herzlich willkommen heißt. Er stellt sich als Roman Santa Maria vor und ist gern bereit, uns die Anlage zu zeigen.

In der Nähe der Büros befinden sich einige Förderbohrungen. „Wir arbeiten im Grunde mit derselben Technik, mit der auch Ölbohrungen vorgenommen werden“, erläutert Roman, „nur mit dem Unterschied, dass unsere Bohrlöcher einen größeren Durchmesser haben. Das Wasser und der Dampf stehen ja unter Druck und gelangen durch diese Bohrungen an die Oberfläche. Der Dampf ist das Produkt, das wir an das Kraftwerk liefern.“ In der Nähe sehen wir zwei Bohrlöcher dicht nebeneinander. Auf unsere Frage erklärt Roman: „Die beiden sind nur an der Oberfläche dicht beisammen. Unter der Erde geht das eine Bohrloch direkt in die Tiefe. Bei dem anderen können wir die Richtung beeinflussen. Das ist angesichts der Grundstückspreise wichtig. Wenn wir Bohrungen nahe beieinander durchführen, sparen wir Geld.“

Weil uns das Verfahren interessiert, fragen wir nach: „Man hat uns erzählt, dass diese Anlage mit dem Flash-Steam-Verfahren arbeitet. Was bedeutet das eigentlich?“ Roman erklärt es uns: „Das tiefste Bohrloch hier reicht fast 3 700 Meter tief. In großen Tiefen steht das heiße Wasser unter Hochdruck. Holt man es jedoch an die Oberfläche, sinkt der Druck ab, wobei ein Großteil des Wassers blitzartig verdampft — daher der Name Flash-Steam-Verfahren.“

Anschließend führt die Pipeline in den so genannten Separator. Dort wird der Wasserdampf von dem heißen Wasser oder der geothermischen Lauge geschieden. Damit ist der Wasserdampf allerdings noch nicht zur Stromerzeugung geeignet. Roman erläutert, was als Nächstes passiert: „Der Wasserdampf enthält immer noch winzige Wassertröpfchen. Diese Tröpfchen transportieren Minerale, die sich in der Turbine ansammeln und sie beschädigen könnten. Deshalb geht der Wasserdampf vom Separator erst noch zum Gasreiniger, wo diese Tröpfchen entfernt werden.“

Unser Begleiter macht uns auf große isolierte Rohrleitungen aufmerksam, durch die der gereinigte Wasserdampf in das etwa einen Kilometer entfernte Kraftwerk gelangt. Da der Dampf auf dieser Strecke teilweise kondensieren kann, wird er nochmals gereinigt, bevor er in die Turbine geleitet wird, die den Generator antreibt.

Mittlerweile stehen wir auf einem Hügel, der einen guten Ausblick auf die ganze geothermische Anlage bietet. „Dieses geothermische Feld ist etwa 7 Quadratkilometer groß“, erklärt Roman. „Wir haben hier insgesamt 102 Bohrlöcher, von denen 63 Förderbohrungen sind. Die restlichen sind zum großen Teil Reinjektionsbohrungen.“ Wir wollen natürlich wissen, was Reinjektionsbohrungen sind. Die Antwort: „Wir fördern stündlich so viel heißes Wasser und Wasserdampf, dass wir das abgetrennte Wasser wieder in das Bodenreservoir zurückpressen müssen, um Umweltschäden zu vermeiden. Bei uns wird die ausdringende Flüssigkeit zu 100 Prozent zurückgeführt.“ Wie wir erfahren, trägt dieses Zurückpressen auch dazu bei, das geothermische Feld zu regenerieren.

Wie wirkt sich ein geothermisches Kraftwerk auf das Landschaftsbild aus? Hier deutet vor allem der aufsteigende Dampf auf ein Kraftwerk hin. Ansonsten erblicken wir vor allem Kokospalmen und andere Vegetation. In dem Tal zu unseren Füßen sind etliche Wohnhäuser zu sehen. Bei sorgfältiger Planung lässt sich die geothermische Stromerzeugung offenbar gut mit Mensch und Umwelt in Einklang bringen.

In Anlagen, wie der von uns besuchten, wird nur sehr heißer Wasserdampf zur Stromerzeugung genutzt. Doch in jüngerer Zeit versucht man auch mithilfe von Flüssigkeiten, deren Temperatur deutlich unter 200 Grad Celsius liegt, Strom zu erzeugen. Das führte zur Entwicklung der so genannten Zweikreistechnologie. Bei diesem Verfahren wird eine relativ heiße Flüssigkeit gefördert, um eine zweite Flüssigkeit zu verdampfen, wodurch wiederum eine Turbine mit einem Generator angetrieben wird.

Vorteile und Nachteile

Geothermische Energie bietet zahlreiche Vorteile. Länder, die auf diese Weise Strom erzeugen, sind weniger auf Öl angewiesen. Durch die Produktion von 10 Megawatt Strom lassen sich jährlich 140 000 Barrel Rohöl einsparen. Außerdem sind die Ressourcen an geothermischer Energie gewaltig. Die Gefahr, sie zu erschöpfen, ist weit geringer als bei anderen Energiequellen, und die Belastung für die Umwelt ist deutlich reduziert. Zusätzlich lässt sich geothermische Energie im Vergleich zu vielen anderen Stromerzeugungsverfahren relativ günstig gewinnen.

Die Nachteile betreffen gewisse Bedenken hinsichtlich der Umweltverträglichkeit. Normalerweise enthält geothermischer Dampf Schwefelwasserstoff. Schon bei kleineren Mengen entsteht ein unangenehmer Schwefelgeruch, große Mengen sind sogar giftig. Allerdings gibt es wirksame Verfahren, den Schwefelwasserstoff zu entfernen. Diese sind sogar effektiver als die Schadstoffbegrenzungsverfahren beispielsweise in Kohlekraftwerken. Ein weiterer Nachteil sind geringe Mengen Arsen oder andere Giftstoffe, die im Abwasser enthalten sein können. Das Risiko lässt sich jedoch dadurch minimieren, dass man diese Stoffe in den Boden zurückführt. Werden die geothermischen Bohrlöcher nicht bis in große Tiefen mit Stahlmänteln und Beton versiegelt, kann außerdem die Grundwasserbelastung problematisch werden.

Die Erde ist eine Gabe unseres Schöpfers, die die verschiedensten Schätze birgt. Die geothermische Energie ist nur einer davon. Wir beginnen jedoch erst zu verstehen, wie diese Energiequelle genutzt werden kann. Zweifellos werden uns künftige Entwicklungen erkennen helfen, wie wir die Schätze der Erde effektiver nutzen und gleichzeitig für den großartigen Planeten, der uns Menschen anvertraut worden ist, Sorge tragen können (Psalm 115:16).

[Fußnote]

^ Abs. 10 In 300, 1 500 und 3 000 Meter Tiefe liegt der Siedepunkt des Wassers jeweils bei etwa 230, 315 und 600 Grad Celsius.

[Diagramm/Bilder auf Seite 15]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Geothermisches Kraftwerk Mak-Ban (Philippinen) (Schematische Darstellung)

Bohrturm

Geothermisches Reservoir

Stromleitungen

Transformator

Generator

Förderbohrung → Separator → Wasserdampf → Gasreiniger → Gasreiniger → Turbine

↓ ↓

↑ Lauge → Reinjektionsbohrung ← Wasser ← Kühlturm

↑ ↓

Geothermisches Reservoir

[Bilder]

FÖRDERBOHRUNG

DAMPFLEITUNG

GENERATORENHAUS

[Bildnachweis]

Seite 13: Männer beim Öffnen eines Ventils: Courtesy Philippine National Oil Corporation; Pipeline auf Seite 13 sowie Luftaufnahme und Generatorenhaus (kleines Bild) auf Seite 15: Courtesy of National Power Corporation (Philippines); Förderbohrung und Dampfleitung auf Seite 15: Courtesy of Philippine Geothermal, Inc.