Fragen von Lesern

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In der Bibel werden Trinksprüche nicht erwähnt. Warum vermeiden es Jehovas Zeugen dennoch, Trinksprüche auszubringen oder zu erwidern?

Zu einem Trinkspruch ein Glas Wein (oder ein anderes alkoholisches Getränk) zu erheben ist ein alter und weitverbreiteter Brauch, dessen Details von Land zu Land variieren. Manchmal stoßen die Beteiligten dabei mit ihren Gläsern an. In der Regel wird ein Trinkspruch (Toast) ausgebracht, um jemandem Glück, Gesundheit, ein langes Leben oder dergleichen zu wünschen, wonach die Beteiligten dem Gesagten hörbar beipflichten oder ihre Gläser erheben und etwas Wein trinken. Für viele ist das nichts weiter als ein harmloser Brauch oder eine Höflichkeitsgeste. Doch Jehovas Zeugen haben gute Gründe, Trinksprüche weder auszubringen noch zu erwidern.

Das liegt nicht daran, dass Christen jemandem nicht Glück und Gesundheit wünschen würden. Im ersten Jahrhundert schloss die leitende Körperschaft einen Brief an die Versammlungen mit einem Wort, das als „bleibt gesund“ oder „lebt wohl“ wiedergegeben werden kann (Apostelgeschichte 15:29). Zudem richteten einige Anbeter des wahren Gottes an Könige Worte wie: „Es lebe mein Herr . . . auf unabsehbare Zeit!“, oder: „Es lebe der König auf unabsehbare Zeit!“ (1. Könige 1:31; Nehemia 2:3).

Doch welchen Hintergrund haben Trinksprüche? Der Wachtturm vom 15. Mai 1973 zitierte die Encyclopædia Britannica (1910), Band 13, Seite 121 wie folgt: „Der Brauch, den Lebenden ‚Gesundheit‘ zuzutrinken, ist höchstwahrscheinlich auf den alten religiösen Ritus, den Göttern und den Toten zuzutrinken, zurückzuführen. Die Griechen und Römer gossen ihren Göttern bei Mahlzeiten Trankopfer aus, und bei feierlichen Trinkgelagen tranken sie ihnen und den Toten zu.“ In dem Werk heißt es weiter: „Eng mit diesen opferähnlichen Trinkbräuchen muss das Trinken auf die Gesundheit lebender Menschen verbunden gewesen sein.“

Ist diese Einschätzung heute noch gültig? Ein Handbuch von 1995 erklärt: „[Trinksprüche] sind wahrscheinlich die weltlichen Überbleibsel früherer Trankopfer, bei denen den Göttern eine geheiligte Flüssigkeit dargebracht wurde: Blut oder Wein gegen einen Wunsch; ein Gebet, zusammengefasst in den Worten ‚Langes Leben!‘ oder ‚Auf deine Gesundheit!‘ “ (International Handbook on Alcohol and Culture).

Gewiss ist ein Gegenstand, ein Motiv oder ein Brauch für wahre Christen nicht automatisch tabu, weil er auf frühere falsche Religionen zurückgeht oder Parallelen zu diesen aufweist. Ein Beispiel ist der Granatapfel. Ein renommiertes Bibellexikon erklärt dazu: „Offenbar wurde der Granatapfel auch in heidnischen Religionen als heiliges Symbol verwendet.“ Dennoch sollte der Saum des hohepriesterlichen Gewands nach Gottes Wunsch mit zwirnenen Granatäpfeln verziert werden; auch die kupfernen Säulen im Tempel Salomos waren mit Granatäpfeln dekoriert (2. Mose 28:33; 2. Könige 25:17). Selbst Eheringe hatten ursprünglich religiöse Bedeutung. Das ist den meisten heute allerdings nicht bewusst. Sie betrachten einen Ehering einfach als Zeichen des Verheiratetseins.

Wie verhielt es sich mit Wein in Verbindung mit religiösen Handlungen? Beispielsweise heißt es in der Bibel über Baalsanbeter in Sichem, dass sie „in das Haus ihres Gottes gingen und aßen und tranken und Übles auf [Gideons Sohn] Abimelech herabriefen“ (Richter 9:22-28). Hätte ein treuer Diener Jehovas mit ihnen getrunken und dabei womöglich noch eine Gottheit gebeten, gegen Abimelech vorzugehen? Über eine Zeit, in der sich viele Israeliten gegen Jehova stellten, sagte Amos: „Sie [strecken] sich neben jedem Altar aus; und den Wein derer, denen eine Geldbuße auferlegt worden ist, trinken sie im Haus ihrer Götter“ (Amos 2:8). Hätten sich Anbeter des wahren Gottes an so etwas beteiligt, ganz gleich, ob der Wein als Trankopfer für die Götter ausgegossen oder bei dieser Gelegenheit selbst getrunken worden wäre? (Jeremia 7:18). Hätte ein Anbeter des wahren Gottes ein Glas Wein erhoben und eine Gottheit gebeten, jemanden zu schädigen oder ihm eine glückliche Zukunft zu schenken?

Interessanterweise erhoben auch Anbeter Jehovas gelegentlich ihre Hände und baten um gutes Gelingen. Allerdings erhoben sie ihre Hände zu dem wahren Gott. Wir lesen: „Salomo begann vor dem Altar Jehovas . . . zu stehen, und er breitete nun seine Handflächen gegen die Himmel hin aus; und er sagte weiter: ‚O Jehova, du Gott Israels, da ist kein Gott wie du . . .; und mögest du deinerseits an der Stätte deiner Wohnung, in den Himmeln, hören, und du wollest hören und vergeben‘ “ (1. Könige 8:22, 23, 30). Ähnlich wird von Esra gesagt: „Dann segnete Esra Jehova, . . . worauf das ganze Volk antwortete: ‚Amen! Amen!‘, wobei sie ihre Hände erhoben. Dann verneigten sie sich und warfen sich vor Jehova nieder, mit ihrem Angesicht zur Erde“ (Nehemia 8:6; 1. Timotheus 2:8). Diese Treuen erhoben ihre Hände eindeutig nicht, um von einem Gott des Glücks Segen zu erbitten (Jesaja 65:11).

Viele, die heute einen Trinkspruch ausbringen oder erwidern, beabsichtigen wohl nicht, damit eine Gottheit um Antwort oder Segen zu bitten; sie können aber auch nicht erklären, warum sie ihre Weingläser in die Höhe heben. Dennoch brauchen sich wahre Christen nicht gezwungen fühlen, die Gesten von Personen nachzuahmen, die die Angelegenheit nicht durchdacht haben.

Es ist allgemein bekannt, dass Jehovas Zeugen auch bestimmte andere Gesten vermeiden, die für die meisten normal sind. Beispielsweise machen viele vor nationalen Symbolen oder vor Fahnen bestimmte Gesten, ohne das als religiöse Handlung zu betrachten. Wahre Christen hindern andere nicht an solchen Gesten, verhalten sich selbst jedoch passiv. Wenn derartige Zeremonien absehbar sind, gehen viele Zeugen Jehovas der Situation taktvoll aus dem Weg, um niemanden zu verletzen. Auf keinen Fall machen sie patriotische Gesten, die im Widerspruch zur Bibel stehen (2. Mose 20:4, 5; 1. Johannes 5:21). Das Glas zu einem Trinkspruch zu erheben wird heute vielleicht nicht von vielen als religiöse Geste verstanden. Dennoch haben Christen gute Gründe, weder Trinksprüche auszubringen noch zu erwidern. Diese haben einen religiösen Hintergrund und können selbst heute noch als eine an den „Himmel“ oder an eine übermenschliche Gewalt gerichtete Bitte um Hilfe verstanden werden (2. Mose 23:2).