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‘Babylon ist gefallen!’

‘Babylon ist gefallen!’

Kapitel siebzehn

‘Babylon ist gefallen!’

Jesaja 21:1-17

1, 2. (a) Wie lautet das Hauptthema der Bibel, und welches wichtige Nebenthema erscheint in Jesaja? (b) Wie wird in der Bibel das Thema des Sturzes Babylons entwickelt?

 DIE Bibel gleicht einem Musikwerk mit einem Hauptthema und zusätzlichen Nebenthemen, die zur Charakteristik des Ganzen beitragen. Sie hat ein alles überragendes Thema: die Rechtfertigung der Souveränität Jehovas durch die Königreichsregierung des Messias. Sie behandelt auch noch andere wichtige Themen, die wiederholt aufgegriffen werden, wie zum Beispiel der Fall Babylons.

2 Dieses Thema taucht in Jesaja, Kapitel 13 und 14 auf und erneut in Kapitel 21, 44 und 45. Hundert Jahre später entwickelt Jeremia dieses Thema weiter, und im Buch Offenbarung erreicht es seinen absoluten Höhepunkt (Jeremia 51:60-64; Offenbarung 18:1 bis 19:4). Jeder Erforscher der Bibel sollte an diesem wichtigen „Nebenthema“ des Wortes Gottes interessiert sein. Das 21. Kapitel des Buches Jesaja fördert dieses Interesse, denn es enthält faszinierende Einzelheiten des vorausgesagten Falls dieser großen Weltmacht. Wie wir anschließend sehen werden, wird in diesem Kapitel noch ein weiteres wichtiges biblisches Thema betont, eines, das uns hilft, unsere Wachsamkeit als Christen heute richtig zu bewerten.

„Eine harte Vision“

3. Warum wird Babylon als „Meereswildnis“ bezeichnet, und was hat dieser Titel für Babylons Zukunft zu bedeuten?

3 Jesaja, Kapitel 21 beginnt mit einer Bemerkung, die Schlimmes ahnen lässt: „Der prophetische Spruch gegen die Meereswildnis: Wie Sturmwinde im Süden beim Weiterziehen kommt es von der Wildnis her, aus furchteinflößendem Land“ (Jesaja 21:1). Babylon liegt zu beiden Seiten des Euphrat, die östliche Hälfte im Gebiet zwischen den beiden großen Flüssen Euphrat und Tigris. Vom eigentlichen Meer ist es noch ziemlich weit entfernt. Warum wird es dann als „die Meereswildnis“ bezeichnet? Weil die Gegend jedes Jahr überschwemmt wurde, wodurch ein riesiges Sumpf„meer“ entstand. Die Babylonier hielten diese Wasserwüste jedoch unter Kontrolle, indem sie ein umfangreiches System von Deichen, Schleusen und Kanälen schufen. Sie nutzten die Wassermassen auf geniale Weise als einen Teil der Verteidigungsanlagen der Stadt. Menschenwerk wird Babylon aber nicht vor dem göttlichen Strafgericht bewahren. Eine Wildnis ist die Stadt gewesen, eine Wildnis wird sie wieder werden. Das Unheil nimmt seinen Lauf und braut sich ebenso zusammen wie einer der heftigen Stürme, die manchmal aus dem Süden von der furchterregenden Wildnis her über Israel hinwegbrausen. (Vergleiche Sacharja 9:14.)

4. Inwiefern enthält die in der Offenbarung beschriebene Vision von „Babylon der Großen“ die Elemente „Wasser“ und „Wildnis“, und was ist mit den „Wassern“ gemeint?

4 Wie wir in Kapitel 14 des vorliegenden Buches erfahren haben, gibt es ein neuzeitliches Gegenstück Babylons: „Babylon die Große“, das Weltreich der falschen Religion. In der Offenbarung ist in Verbindung mit Babylon der Großen ebenfalls von einer „Wildnis“ und von „Wassern“ die Rede. Der Apostel Johannes wird in eine Wildnis weggetragen, wo er Babylon die Große erblickt. Ihm wird erklärt, dass sie „auf vielen Wassern sitzt“, die „Volksmengen und Nationen und Zungen“ darstellen (Offenbarung 17:1-3, 5, 15). Die Unterstützung vonseiten des Volkes ist für den Fortbestand der falschen Religion stets unerlässlich gewesen, doch diese „Wasser“ werden ihr letzten Endes keinen Schutz bieten. Wie ihr Gegenstück in alter Zeit wird sie schließlich eine menschenleere, verlassene Einöde sein.

5. Wie hat sich Babylon den Ruf erworben, „treulos“ und ein „Verheerer“ zu sein?

5 In den Tagen Jesajas ist Babylon noch nicht die vorherrschende Weltmacht. Jehova sieht jedoch voraus, dass es, wenn es so weit ist, seine Macht missbrauchen wird. Jesaja führt weiter aus: „Da ist eine harte Vision, die mir mitgeteilt worden ist: Der treulos Handelnde handelt treulos, und der Verheerer verheert“ (Jesaja 21:2a). Babylon wird die Nationen, die es besiegt — auch Juda —, tatsächlich verheeren und ihnen gegenüber treulos, heimtückisch und niederträchtig handeln. Die Babylonier werden Jerusalem plündern, den Tempel ausrauben und die Einwohner der Stadt gefangen nach Babylon wegführen. Dort werden diese hilflosen Gefangenen niederträchtig behandelt und wegen ihres Glaubens verspottet werden, ohne Hoffnung auf eine Rückkehr in ihr Heimatland (2. Chronika 36:17-21; Psalm 137:1-4).

6. (a) Welches Seufzen wird Jehova aufhören lassen? (b) Welche Nationen sollen gemäß der Prophezeiung Babylon angreifen, und wie hat sich das erfüllt?

6 Babylon verdient diese „harte Vision“, die für die Stadt schwere Zeiten bedeuten wird, wirklich voll und ganz. Jesaja sagt weiter: „Steig hinauf, o Elam! Belagere, o Medien! Alles Seufzen ihretwegen habe ich aufhören lassen“ (Jesaja 21:2b). Die von diesem heimtückischen Reich Unterdrückten werden befreit werden. Endlich ein Ende ihres Seufzens! (Psalm 79:11, 12). Wie kommt es zu dieser Befreiung? Jesaja nennt zwei Nationen, die Babylon angreifen werden: Elam und Medien. Zweihundert Jahre später, und zwar 539 v. u. Z., wird Cyrus, der Perser, die vereinten Streitkräfte Persiens und Mediens gegen Babylon führen. Was Elam betrifft, so werden persische Monarchen zumindest einen Teil dieses Landes bereits vor 539 v. u. Z. besitzen. a Deshalb werden den persischen Streitkräften auch Elamiter angehören.

7. Wie wirkt sich Jesajas Vision auf den Propheten aus, und was hat das zu bedeuten?

7 Beachten wir, wie diese Vision nach Jesajas Worten auf ihn wirkt: „Darum sind meine Hüften voll heftiger Schmerzen geworden. Krämpfe haben mich befallen gleich den Krämpfen einer Gebärenden. Ich bin aus der Fassung gebracht, sodass ich nicht höre; ich bin in Bestürzung geraten, sodass ich nicht sehe. Mein Herz ist umhergeirrt; Schauder hat mich erschreckt. Die Dämmerung, zu der es mich hingezogen hatte, ist mir zum Beben gemacht worden“ (Jesaja 21:3, 4). Wie es scheint, schätzt der Prophet die Dämmerstunden als gute Möglichkeit, in aller Ruhe nachzudenken. Doch jetzt hat der Einbruch der Dunkelheit für Jesaja seinen Reiz verloren, denn ihn überkommen Furcht, Schmerzen und Zittern. Krämpfe wie die einer Gebärenden überfallen ihn, und sein Herz „ist umhergeirrt“. Ein Gelehrter wählt dafür die Wiedergabe „Wild schlägt mein Herz“ und spricht in seiner Erläuterung von „unregelmäßigem fieberhaftem Pulsschlag“. Warum diese Erregung? Was Jesaja empfindet, hat offenbar prophetische Bedeutung. Ein ebensolcher Schrecken wird die Babylonier in der Nacht vom 5./6. Oktober 539 v. u. Z. befallen.

8. Wie verhalten sich die Babylonier entsprechend der Prophezeiung, obwohl ihre Feinde vor den Mauern stehen?

8 Wenn an jenem verhängnisvollen Tag die Dunkelheit hereinbricht, ist der Sinn der Babylonier mit allem anderen als mit Schreckensvorstellungen erfüllt. Etwa 200 Jahre im Voraus prophezeit Jesaja: „Man richte den Tisch her, man stelle die Sitze zurecht, Essen, Trinken!“ (Jesaja 21:5a). Ja, der arrogante König Belsazar gibt ein Festmahl. Sitze für tausend seiner Großen sowie für zahlreiche Frauen und Konkubinen werden aufgestellt (Daniel 5:1, 2). Wie die Feiernden wohl wissen, steht ein Heer vor den Mauern, doch sie halten ihre Stadt für uneinnehmbar. Dank der massiven Mauern und der tiefen Festungsgräben scheint eine Eroberung unmöglich zu sein — ja angesichts der vielen Götter der Stadt einfach unvorstellbar! Man esse also und trinke! Belsazar spricht dem Alkohol tüchtig zu, und wahrscheinlich nicht nur er allein. Berauscht sind auch die hohen Beamten, was daran zu erkennen ist, dass sie aufgerüttelt werden müssen, wie die nächsten Worte der Prophezeiung Jesajas zeigen.

9. Warum wird es nötig, den ‘Schild zu salben’?

9 „Steht auf, ihr Fürsten, salbt den Schild“ (Jesaja 21:5b). Urplötzlich ist das Fest zu Ende. Die Fürsten müssen aufwachen! Man hat den betagten Propheten Daniel gerufen, und er erlebt, wie Jehova den babylonischen König Belsazar in Angst und Schrecken versetzt, vergleichbar mit dem Schrecken, den Jesaja beschrieben hat. Die Großen des Königs geraten in Verwirrung, als die vereinten Streitkräfte der Meder, Perser und Elamiter die Verteidigungsanlagen der Stadt überwinden. Babylon fällt im Handumdrehen! Was ist aber damit gemeint, ‘den Schild zu salben’? In der Bibel wird der König einer Nation mitunter als ihr Schild bezeichnet, weil er der Verteidiger und Beschützer des Landes ist (Psalm 89:18). b Folglich wird in diesem Vers des Buches Jesaja wahrscheinlich vorausgesagt, dass ein neuer König benötigt wird. Warum? Weil Belsazar noch „in derselben Nacht“ getötet wird. So muss man ‘den Schild salben’, das heißt einen neuen König einsetzen (Daniel 5:1-9, 30).

10. Welchen Trost können Anbeter Jehovas aus der Erfüllung der Prophezeiung Jesajas über den treulos Handelnden schöpfen?

10 Alle, die die wahre Anbetung lieben, schöpfen aus diesem Bericht Trost. Das neuzeitliche Babylon, Babylon die Große, ist ebenso ein großer „treulos Handelnder“ und „Verheerer“ wie sein Gegenstück in alter Zeit. Auch heute verschwören sich religiöse Führer, um zu bewirken, dass Jehovas Zeugen verboten, verfolgt oder extrem hoch besteuert werden. Doch wie uns diese Prophezeiung zeigt, entgeht Jehova dieses heimtückische Handeln nicht, und er wird es auch nicht ungestraft lassen. Er wird das Ende aller Religionen herbeiführen, die ihn falsch darstellen und sein Volk schlecht behandeln (Offenbarung 18:8). Ist so etwas möglich? Um unseren Glauben daran zu stärken, brauchen wir uns lediglich einmal damit zu beschäftigen, wie sich seine Warnungen in Bezug auf den Sturz des alten Babylon und den Sturz seines neuzeitlichen Gegenstücks bereits erfüllt haben.

„Sie ist gefallen!“

11. (a) Worin besteht die Verantwortung eines Wächters, und wer ist heute als Wächter tätig? (b) Was wird durch den Kriegswagen mit Eseln und den mit Kamelen dargestellt?

11 Nun redet Jehova mit dem Propheten. Jesaja berichtet: „Dies hat Jehova zu mir gesprochen: ‚Geh, stell jemand auf, der Ausschau hält, damit er genau das mitteilt, was er sieht‘ “ (Jesaja 21:6). Mit diesen Worten wird ein weiteres wichtiges Thema dieses Kapitels eingeführt: der Wächter, der Ausschau hält. Das ist für alle wahren Christen heute von Interesse, denn Jesus forderte seine Nachfolger auf, ‘beharrlich zu wachen’. Der „treue und verständige Sklave“ teilt unablässig mit, was er hinsichtlich der Nähe des Gerichtstages Gottes und der Gefahren in der heutigen korrupten Welt sieht (Matthäus 24:42, 45-47). Was sieht der Wächter in der Vision Jesajas? „Er sah einen Kriegswagen mit einem Pferdegespann, einen Kriegswagen mit Eseln, einen Kriegswagen mit Kamelen. Und er gab genau Acht, mit viel Aufmerksamkeit“ (Jesaja 21:7). Diese einzelnen Kriegswagen stellen wahrscheinlich ganze Wagenkolonnen dar, die in Schlachtordnung mit der Geschwindigkeit abgerichteter Rosse vorrücken. Der Kriegswagen mit Eseln und der mit Kamelen stellen passenderweise die beiden Mächte Medien und Persien dar, die sich zu diesem Angriff vereinen. Wie die Geschichte bestätigt, setzte das persische Heer im Krieg sowohl Esel als auch Kamele ein.

12. Welche Eigenschaften lässt der Wächter in Jesajas Vision erkennen, und wer benötigt heute diese Eigenschaften?

12 Der Wächter sieht sich gezwungen, Meldung zu machen. „Er ging daran, wie ein Löwe auszurufen: ‚Auf dem Wachtturm, o Jehova, stehe ich beständig bei Tag, und auf meinem Wachtposten bin ich aufgestellt alle Nächte. Und siehe nun, da kommt ein Kriegswagen mit Männern, mit einem Pferdegespann!‘ “ (Jesaja 21:8, 9a). Der Wächter in der Vision ruft mutig, „wie ein Löwe“. Eine Gerichtsbotschaft gegen eine solch beeindruckende Nation wie Babylon auszurufen erfordert Mut. Aber auch Ausharren ist nötig. Der Wächter bleibt Tag und Nacht auf seinem Posten und lässt in seiner Wachsamkeit nicht nach. Ebenso mutig und ausdauernd muss die Wächterklasse in den gegenwärtigen letzten Tagen sein (Offenbarung 14:12). Ja, alle wahren Christen benötigen diese Eigenschaften.

13, 14. (a) Wie erging es dem alten Babylon, und in welchem Sinne wurden die Götzen dieser Stadt zerschmettert? (b) Inwiefern und wann fiel auf ähnliche Weise Babylon die Große?

13 In Jesajas Vision sieht der Wächter einen Kriegswagen vorrücken. Was meldet er? „Er hob an und sprach: ‚Sie ist gefallen! Babylon ist gefallen, und all die gehauenen Bilder ihrer Götter hat er zur Erde geschmettert!‘ “ (Jesaja 21:9b). Welch aufregende Nachricht! Endlich ist dieser treulose, heimtückische Verheerer des Volkes Gottes gefallen! c In welchem Sinne werden jedoch Babylons gehauene Bilder und Götter zerschmettert? Werden die medo-persischen Invasoren in die Tempel Babylons eindringen und die unzähligen Götzen zertrümmern? Nein, nichts dergleichen muss geschehen. Babylons Götzen werden insofern zerschmettert, als sie als machtlose Beschützer der Stadt entlarvt werden. Und wenn Babylon fällt, wird es Gottes Volk nicht mehr unterdrücken können.

14 Wie verhält es sich mit Babylon der Großen? Dadurch, dass sie im Ersten Weltkrieg die Unterdrückung des Volkes Gottes geschickt in die Wege leitete, konnte sie es eine Zeit lang sozusagen im Exil halten. Das Predigtwerk kam praktisch zum Erliegen. Aufgrund von Falschanklagen wurden der Präsident der Watch Tower Society und weitere Vorstandsmitglieder inhaftiert. Doch 1919 kam es zu einer erstaunlichen Wende. Die Vorstandsmitglieder wurden aus dem Gefängnis freigelassen, das Hauptbüro wurde wieder eröffnet und das Predigtwerk wieder aufgenommen. So fiel Babylon die Große in dem Sinne, dass sie Gottes Volk nicht mehr gefangen halten konnte. d In der Offenbarung wird dieser Fall zweimal von einem Engel verkündet, der den Wortlaut der Meldung aus Jesaja 21:9 verwendet (Offenbarung 14:8; 18:2).

15, 16. In welchem Sinne sind Jesajas Landsleute „Gedroschene“, und was können wir daraus lernen, wie Jesaja zu ihnen eingestellt ist?

15 Zum Abschluss dieser prophetischen Botschaft richtet Jesaja ein mitfühlendes Wort an sein eigenes Volk, indem er sagt: „O meine Gedroschenen und du, Sohn meiner Dreschtenne, was ich von Jehova der Heerscharen, dem Gott Israels, gehört habe, habe ich euch berichtet“ (Jesaja 21:10). In der Bibel dient das Dreschen oft als ein Sinnbild für das Züchtigen und Läutern des Volkes Gottes. Gottes Bundesvolk wird zu ‘Söhnen der Dreschtenne’ — ein Ort, wo Weizen durch Krafteinwirkung aus den Ähren gelöst wird und nach dem Trennen von der Spreu nur noch das begehrte Getreide übrig bleibt. Jesaja freut sich nicht über diese Zuchtmaßnahme, sondern hat Mitleid mit diesen künftigen ‘Söhnen der Dreschtenne’, von denen einige ihr ganzes Leben als Gefangene in einem fremden Land verbringen werden.

16 Das mag uns allen als eine nützliche Mahnung dienen. Manch einer in der Christenversammlung ist vielleicht heute geneigt, mit Missetätern kein Mitleid mehr zu haben. Und nicht selten ist jemand, der in Zucht genommen wird, verärgert. Denken wir aber daran, dass Jehova sein Volk in Zucht nimmt, um es zu läutern. Deshalb sollten wir weder die Zuchtmaßnahme gering achten noch diejenigen, die sich ihr demütig unterziehen, noch sollten wir uns ihr widersetzen. Nehmen wir eine Zuchtmaßnahme von Gott stets als einen Ausdruck seiner Liebe an (Hebräer 12:6).

Den Wächter befragen

17. Warum wird Edom passenderweise als „Duma“ bezeichnet?

17 In der zweiten prophetischen Botschaft in Jesaja, Kapitel 21 wird das Bild des Wächters in den Vordergrund gerückt. Sie beginnt mit den Worten: „Der prophetische Spruch gegen Duma: Da ist einer, der mir aus Seir zuruft: ‚Wächter, wie steht es mit der Nacht? Wächter, wie steht es mit der Nacht?‘ “ (Jesaja 21:11). Wo liegt dieses Duma? Offenbar gab es in biblischer Zeit mehrere Städte mit diesem Namen, doch hier ist keine dieser Städte gemeint. Duma ist nicht in Seir zu suchen, was ein anderer Name für Edom ist. „Duma“ bedeutet „Schweigen“. Der Name, der dem Gebiet gegeben wird, lässt anscheinend auf die Zukunft schließen, wie es auch bei dem vorherigen prophetischen Spruch der Fall war. Edom, über lange Zeit ein rachsüchtiger Feind des Volkes Gottes, wird im Schweigen enden, in Totenstille. Bevor das allerdings geschieht, werden sich einige besorgt über die Zukunft erkundigen.

18. Wie hat sich der prophetische Spruch „Der Morgen muss kommen und auch die Nacht“ in alter Zeit an Edom erfüllt?

18 Zur Zeit der Niederschrift des Buches Jesaja liegt Edom auf der Marschroute des mächtigen assyrischen Heeres. In Edom möchten einige unbedingt wissen, wann für sie die Nacht der Unterdrückung enden wird. Wie lautet die Antwort? „Der Wächter sagte: ‚Der Morgen muss kommen und auch die Nacht‘ “ (Jesaja 21:12a). Edom hat nichts Gutes zu erwarten. Zwar wird am Horizont der Morgen dämmern, doch nur für kurze Zeit; es ist lediglich eine Illusion. Die Nacht — eine weitere finstere Zeit der Unterdrückung — wird dem Morgen auf dem Fuße folgen. Welch treffendes Bild der Zukunft Edoms! Die assyrische Unterdrückung wird ein Ende nehmen, doch Babylon wird Assyrien als Weltmacht ablösen und Edom gewaltig dezimieren (Jeremia 25:17, 21; 27:2-8). Und so wird es weitergehen. Auf die babylonische Unterdrückung wird die persische folgen und anschließend die griechische. Ein kurzer „Morgen“ wird zur Zeit der Römer anbrechen, wenn die Herodäer — ursprüngliche Edomiter — in Jerusalem die Macht erlangen. Dieser „Morgen“ wird aber nicht von Dauer sein. Edom wird schließlich für immer ins Schweigen hinabsteigen, aus der Geschichte verschwinden. Der Name Duma wird letztendlich eine passende Bezeichnung für Edom sein.

19. Was bedeutet es, wenn der Wächter sagt: „Wenn ihr euch erkundigen wollt, erkundigt euch. Kommt wieder!“?

19 In seiner kurzen Botschaft sagt der Wächter abschließend: „Wenn ihr euch erkundigen wollt, erkundigt euch. Kommt wieder!“ (Jesaja 21:12b). Der Ausdruck „Kommt wieder!“ kann auf die endlose Folge von ‘Nächten’ hindeuten, die Edom bevorstehen. Da er aber auch mit „Kehrt um!“ übersetzt werden kann, mag der Prophet alle Edomiter, die der nationalen Katastrophe entgehen wollen, auffordern, zu bereuen und zu Jehova umzukehren. Jedenfalls lädt der Wächter zu weiteren Erkundigungen ein.

20. Warum ist der in Jesaja 21:11, 12 festgehaltene prophetische Spruch für Jehovas Volk heute von Bedeutung?

20 Diesem kurzen prophetischen Spruch hat Jehovas Volk in der Neuzeit stets große Bedeutung beigemessen. e Nach unserem Verständnis ist die Nacht der geistigen Blindheit und Entfremdung von Gott, in der die Menschheit lebt und die zur Vernichtung des gegenwärtigen Systems der Dinge führen wird, weit fortgeschritten (Römer 13:12; 2. Korinther 4:4). In der gegenwärtigen Nachtzeit gleicht jeder Hoffnungsschimmer, der andeutet, die Menschheit könne irgendwie für Frieden und Sicherheit sorgen, jener illusorischen Morgendämmerung, auf die lediglich eine Zeit noch größerer Finsternis folgt. Und doch steht eine echte Morgendämmerung bevor — der Anbruch der Millenniumsherrschaft Christi über die Erde. Aber solange die Nacht noch andauert, müssen wir der Führung der Wächterklasse folgen, indem wir geistig wach bleiben und mutig das nahe Ende des gegenwärtigen gottlosen Systems der Dinge ankündigen (1. Thessalonicher 5:6).

Die Nacht bricht über die Wüstenebene herein

21. (a) Welches Wortspiel ist vielleicht in dem „prophetischen Spruch gegen die Wüstenebene“ beabsichtigt? (b) Was sind die „Karawanen der Dedaniter“?

21 Der abschließende prophetische Spruch im 21. Kapitel des Buches Jesaja richtet sich gegen die „Wüstenebene“ und beginnt folgendermaßen: „Der prophetische Spruch gegen die Wüstenebene: Im Wald in der Wüstenebene werdet ihr übernachten, o Karawanen der Dedaniter“ (Jesaja 21:13). Mit der erwähnten Wüstenebene ist offensichtlich Arabien gemeint, denn der prophetische Spruch richtet sich an mehrere arabische Stämme. Das Wort für „Wüstenebene“ wird manchmal mit „Abend“ wiedergegeben, da sich die beiden hebräischen Wörter gleichen. Einige vermuten dahinter ein Wortspiel, durch das so viel zum Ausdruck kommen soll, als breche über dieses Gebiet gerade ein dunkler Abend — eine schwierige Zeit — herein. In dem prophetischen Spruch wird zu Beginn kurz eine nächtliche Szene erwähnt: Karawanen der Dedaniter (ein bekannter arabischer Stamm) ziehen mit ihrer Ladung von Gewürzen, Perlen und sonstigen Schätzen auf Wüstenstraßen von einer Oase zur nächsten. Doch wie wir hier sehen, sind sie gezwungen, die belebten Straßen zu verlassen, um die Nächte in Verstecken zu verbringen. Weshalb?

22, 23. (a) Was soll für die arabischen Stämme eine schwere Last sein, und wie wird sich das auf sie auswirken? (b) Wann soll sich dieses Unglück bereits ereignen, und durch wen?

22 Jesaja erklärt: „Bringt dem Durstigen Wasser entgegen. O ihr Bewohner des Landes Tema, tretet dem Fliehenden entgegen mit Brot für ihn. Denn vor den Schwertern sind sie geflohen, vor dem gezückten Schwert und vor dem gespannten Bogen und vor der Schwere des Krieges“ (Jesaja 21:14, 15). Ja, der Krieg wird für diese arabischen Stämme eine schwere Last sein. In Tema, einer der wasserreichsten Oasen der Region, sieht man sich gezwungen, den unglückseligen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, Wasser und Brot zu bringen. Wann kommt es zu diesen Schwierigkeiten?

23 Jesaja sagt weiter: „Dies hat Jehova zu mir gesprochen: ‚Noch innerhalb eines Jahres, gemäß den Jahren eines Lohnarbeiters, soll die ganze Herrlichkeit Kedars selbst zu ihrem Ende kommen. Und der Übriggebliebenen von der Zahl der Bogenschützen, der starken Männer der Söhne Kedars, werden es wenige werden, denn Jehova selbst, der Gott Israels, hat es geredet‘ “ (Jesaja 21:16, 17). Kedar ist ein so bekannter Stamm, dass er mitunter für ganz Arabien steht. Jehova hat beschlossen, dass die Bogenschützen und starken Männer dieses Stammes bis auf einen kleinen Rest dahinschwinden. Wann soll das geschehen? „Noch innerhalb eines Jahres“; mehr Zeit soll nicht verstreichen — genauso wenig wie ein Lohnarbeiter länger arbeiten würde als die Zeit, für die er bezahlt wird. Wie sich alles genau erfüllt hat, ist ungewiss. Die Ehre, Arabien unterworfen zu haben, nehmen zwei assyrische Herrscher — Sargon II. und Sanherib — für sich in Anspruch. Jeder von ihnen könnte durchaus jene stolzen arabischen Stämme wie vorausgesagt dezimiert haben.

24. Wieso dürfen wir davon überzeugt sein, dass sich Jesajas Prophezeiung über Arabien erfüllt hat?

24 Wir dürfen davon überzeugt sein, dass sich diese Prophezeiung aufs Wort erfüllt hat. Das kommt durch nichts nachdrücklicher zum Ausdruck als durch die Schlussworte des prophetischen Spruches: „Jehova selbst, der Gott Israels, hat es geredet.“ Menschen der Tage Jesajas halten es vielleicht für unwahrscheinlich, dass sich Babylon einmal über Assyrien erhebt und schließlich während eines ausschweifenden Festes in einer einzigen Nacht aus seiner Machtposition gestürzt wird. Ebenso unwahrscheinlich erscheint es womöglich, dass in dem mächtigen Edom einmal Totenstille herrschen soll oder über die wohlhabenden arabischen Stämme eine Nacht der Not und Entbehrungen hereinbrechen wird. Aber wenn Jehova es sagt, geschieht es auch. In unserer Zeit wird das Weltreich der falschen Religion völlig verschwinden, wie uns Jehova wissen lässt. Und das wird nicht nur vielleicht geschehen, sondern ganz bestimmt. Jehova selbst hat es gesagt!

25. Wie können wir das Beispiel des Wächters nachahmen?

25 Verhalten wir uns daher wie der Wächter. Bleiben wir wachsam, als seien wir auf einem hohen Wachtturm postiert, um den Horizont nach irgendwelchen Anzeichen für eine drohende Gefahr abzusuchen. Verbünden wir uns eng mit der treuen Wächterklasse, mit den heute auf der Erde noch übrig gebliebenen gesalbten Christen. Rufen wir mit ihnen zusammen mutig das aus, was wir sehen: die überwältigenden Beweise dafür, dass Christus im Himmel regiert, dass er die lange finstere Nacht, in der die Menschheit von Gott entfremdet gewesen ist, in kurzem beenden und anschließend die wahre Morgendämmerung herbeiführen wird, den Beginn der Millenniumsherrschaft über eine paradiesische Erde!

[Fußnoten]

a Den persischen König Cyrus nannte man bisweilen „König von Anschan“, wobei es sich bei Anschan entweder um ein Gebiet oder eine Stadt in Elam handelte. Persien war den Israeliten der Tage Jesajas — im 8. Jahrhundert v. u. Z. — möglicherweise unbekannt, Elam dagegen war für sie ein Begriff. Das erklärt vielleicht, warum Jesaja hier Elam anstelle von Persien anführt.

b Viele Bibelkommentatoren vertreten die Auffassung, die Worte „Salbt den Schild“ seien ein Hinweis darauf, dass in alter Zeit Krieger vor einer Schlacht Lederschilde einzuölen pflegten, damit die meisten Hiebe davon abglitten. Das ist zwar eine mögliche Interpretation, doch sollte man berücksichtigen, dass die Babylonier in der Nacht, in der die Stadt fiel, kaum die Zeit für ein Gefecht hatten, ganz zu schweigen von dem Einfetten ihrer Schilde, um sich auf eine Schlacht vorzubereiten!

c Jesajas Prophezeiung über den Fall Babylons ist so genau, dass einige Bibelkritiker die Theorie aufgestellt haben, sie müsse nach dem Ereignis aufgezeichnet worden sein. Doch der Hebraist F. Delitzsch bemerkt, eine solche Vermutung erübrige sich, wenn wir es akzeptieren, dass ein Prophet dazu inspiriert werden kann, Ereignisse Hunderte von Jahren im Voraus vorherzusagen.

d Siehe Die Offenbarung — Ihr großartiger Höhepunkt ist nahe!, Seite 164—169, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.

e In den ersten 59 Jahren ihres Erscheinens hob die Zeitschrift Der Wachtturm auf ihrer Titelseite Jesaja 21:11 hervor. Diese Schriftstelle lieferte das Thema der letzten Predigt, die Charles T. Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, verfasste. (Siehe die Illustration auf der vorigen Seite.)

[Studienfragen]

[Bild auf Seite 219]

„Man richte den Tisch her ..., Essen, Trinken!“

[Bild auf Seite 220]

Der Wächter „ging daran, wie ein Löwe auszurufen“

[Bild auf Seite 222]

‘Ich stehe beständig bei Tag und alle Nächte’