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Die Suche nach dem Unbekannten durch Magie und Spiritismus

Die Suche nach dem Unbekannten durch Magie und Spiritismus

Kapitel 4

Die Suche nach dem Unbekannten durch Magie und Spiritismus

1. Was sagte Paulus zu den auf dem Areopag versammelten Athenern, und warum?

„MÄNNER von Athen! Ich sehe, daß ihr in allen Dingen mehr als andere der Furcht vor Gottheiten hingegeben zu sein scheint“ (Apostelgeschichte 17:22). Diese Worte sprach der christliche Apostel Paulus zu einer auf dem Areopag oder Marshügel versammelten Volksmenge im alten Athen. Paulus machte diese Äußerung, weil er vorher gesehen hatte, daß „die Stadt voll Götzen war“ (Apostelgeschichte 17:16). Was hatte er gesehen?

2. Was zeigte, daß die Athener die Gottheiten fürchteten?

2 Zweifellos hatte Paulus in der Weltstadt Athen die verschiedensten griechischen und römischen Götter gesehen, und es war offensichtlich, daß die Athener eifrige Verehrer von Göttern waren. Weil sie befürchteten, aus Versehen eine wichtige oder mächtige Gottheit außer acht zu lassen, die deshalb zornig werden könnte, verehrten sie sogar einen „unbekannten Gott“ (Apostelgeschichte 17:23). Das ist ein deutlicher Beweis für ihre Furcht vor Gottheiten.

3. Beschränkt sich die Furcht vor Gottheiten auf die Athener?

3 Die Furcht vor Gottheiten, besonders vor unbekannten, beschränkt sich aber nicht auf die Athener des ersten Jahrhunderts. Sie beherrscht seit Jahrtausenden fast die ganze Menschheit. Vielerorts in der Welt steht sozusagen das ganze Leben der Menschen direkt oder indirekt in enger Beziehung zu Gottheiten oder Geistern. Wie aus dem vorhergehenden Kapitel hervorgeht, wurzeln die Mythologien der alten Ägypter, Griechen, Römer, Chinesen und anderer Völker in Vorstellungen von Göttern und Geistern, die im Leben des einzelnen und des ganzen Volkes eine wichtige Rolle spielten. Im Mittelalter kursierten zahllose Geschichten über Alchimisten, Zauberer und Hexen im ganzen Gebiet der Christenheit. Und heute ist es nicht viel anders.

Riten und abergläubische Vorstellungen heute

4. Welches sind einige der volkstümlichen Gebräuche, die offenbar mit Gottheiten oder Geistern zu tun haben?

4 Vieles, was die Leute tun — bewußt oder unbewußt —, steht mit abergläubischen Gebräuchen oder Vorstellungen in Verbindung, einige davon haben sogar mit Gottheiten oder Geistern zu tun. Wußtest du zum Beispiel, daß die Geburtstagsfeier ihren Ursprung in der Astrologie hat, die dem genauen Geburtsdatum große Bedeutung beimißt? Wie steht es mit dem Geburtstagskuchen? Der Brauch geht offenbar auf die griechische Göttin Artemis zurück, deren Geburtstag mit mondförmigen Honigkuchen, die mit Kerzen besteckt waren, gefeiert wurde. Oder wußtest du, daß das Tragen schwarzer Trauerkleidung bei Begräbnissen ursprünglich ein Trick war, um der Aufmerksamkeit böser Geister zu entgehen, die bei solchen Anlässen angeblich auf der Lauer lagen. Manche schwarze Afrikaner bemalen sich mit weißer Farbe, und Trauernde in anderen Ländern tragen ungewöhnliche Farben, um zu verhindern, daß die Geister sie erkennen.

5. Welches sind einige der dir bekannten abergläubischen Bräuche?

5 Die Menschen halten sich aber nicht nur an diese volkstümlichen Bräuche, sondern sie werden auch überall von abergläubischen Vorstellungen und Ängsten beherrscht. In westlichen Ländern denkt man, daß es Unglück bringt, wenn man einen Spiegel zerbricht, einer schwarzen Katze begegnet oder unter einer Leiter durchgeht, und — je nachdem wo man wohnt — gilt der Dienstag oder Freitag, der 13., als ein Unglückstag. In östlichen Ländern, z. B. in Japan, tragen die Leute ihren Kimono, indem sie ihn vorn von links nach rechts übereinanderschlagen, denn umgekehrt macht man es bei Leichen. Ihre Häuser haben auf der Nordostseite niemals Fenster oder Türen, damit die Dämonen, die aus jener Himmelsrichtung kommen sollen, keinen Eingang finden. Auf den Philippinen ziehen die Leute den Toten, bevor sie sie begraben, die Schuhe aus und stellen sie neben die Beine, damit „Sankt Petrus“ sie willkommen heißt. Die älteren Leute sagen den Kindern, daß sie artig sein sollen, denn der Mann im Mond sei „Sankt Michael“, der alles, was sie tun würden, beobachte und aufschreibe.

6. In welchem Maße beschäftigen sich die Menschen heute mit Spiritismus?

6 Der Geister- und Götterglaube beschränkt sich jedoch nicht auf anscheinend harmlose Sitten und abergläubische Vorstellungen. Sowohl in „primitiven“ als auch in modernen Gesellschaften wendet man die verschiedensten Mittel an, um die furchteinflößenden Geister zu beherrschen oder zu besänftigen und die wohlwollenden günstig zu stimmen. Natürlich denken wir vielleicht zuerst an die Menschen in den abgelegenen Dschungelgebieten und den Bergen, die Geistermedien, Medizinmänner und Schamanen (Zauberpriester) befragen, wenn sie krank oder in großer Not sind. Aber auch die Bewohner der Groß- und Kleinstädte suchen Astrologen, Chiromanten, Wahrsagerinnen und Wahrsager auf, um sich über ihr Schicksal zu erkundigen oder um Hilfe zu bekommen, wenn sie vor einer wichtigen Entscheidung stehen. Manche tun das mit Begeisterung, obwohl sie der einen oder andern Religionsgemeinschaft angehören. Viele weitere haben Spiritismus, Schwarze Magie und andere okkulte Praktiken zu ihrer Religion gemacht.

7. Welche Fragen müssen wir erwägen?

7 Woher stammen alle diese Gebräuche und abergläubischen Vorstellungen? Sind es nur verschiedene Wege, sich Gott zu nahen? Und was am wichtigsten ist: Was bewirken sie für die, die diese Gebräuche praktizieren oder solche Vorstellungen haben? Um die Antwort auf diese Fragen zu erhalten, müssen wir das Rad der Geschichte des Menschen zurückdrehen und Einblick in die Anfänge seines religiösen Verhaltens nehmen.

Das Streben nach dem Unbekannten

8. Welche einzigartige Fähigkeit unterscheidet den Menschen vom Tier?

8 Im Gegensatz zu dem, was die Evolutionisten behaupten, hat der Mensch eine geistig-religiöse Dimension, durch die er sich vom Tier unterscheidet und ihm überlegen ist. Er hat den angeborenen Drang, das Unbekannte zu erforschen. Ihn beschäftigen stets Fragen wie: Was ist der Sinn des Lebens? Was geschieht nach dem Tod? In welcher Beziehung steht der Mensch zur materiellen Welt oder zum ganzen Universum? Ferner strebt er nach etwas, was höher oder mächtiger ist als er selbst, um eine gewisse Herrschaft über seine Umwelt und sein Leben zu erlangen (Psalm 8:3, 4; Prediger 3:11; Apostelgeschichte 17:26-28).

9. Wie beschreibt ein Gelehrter die „Geistigkeit“ oder „Spiritualität“?

9 Ivar Lissner drückt dies in seinem Buch Aber Gott war da wie folgt aus: „Mit einer geradezu erstaunlichen Kraft suchte das eigentümliche Wesen, das wir als Mensch bezeichnen ..., zu allen Zeiten über sich hinaus zu wachsen. Nie waren seine Anstrengungen nur auf das gerichtet, was er gerade zum Leben brauchte. Er suchte, er tastete, er griff über sich hinaus, er strebte zum Unerreichbaren. Dieses merkwürdige, dem Menschen innewohnende Streben, das ist seine Geistigkeit.“

10. Was zeigt, daß der Mensch einen angeborenen Drang hat, Gott zu suchen?

10 Menschen, die nicht an Gott glauben, sehen die Sache natürlich etwas anders. Sie schreiben diesen menschlichen Zug, wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, psychischen oder anderen Bedürfnissen des Menschen zu. Ist jedoch nicht allgemein zu beobachten, daß die Menschen, wenn sie in Gefahr oder in einer verzweifelten Lage sind, als erstes Gott oder irgendeine höhere Macht um Hilfe anrufen? Das war früher so, und das ist heute noch so. Lissner fährt daher fort: „Jeder, der bei den ältesten Naturvölkern forschte, wird ein Erlebnis nie vergessen: Das Wissen dieser Menschen von Gott, ihre ganz lebendige Erinnerung an ein höchstes Wesen.“

11. Wozu haben die Bemühungen des Menschen geführt, nach dem Unbekannten zu streben? (Vergleiche Römer 1:19-23.)

11 Eine ganz andere Sache ist es, in welcher Weise sich der Mensch bemühte, dieses angeborene Verlangen, nach dem Unbekannten zu streben, zu befriedigen. Die nomadisierenden Jäger und Viehzüchter zitterten vor der Kraft der wilden Tiere. Die Bauern mußten sich besonders auf das Wetter und die Jahreszeiten einstellen. Die Dschungelbewohner reagierten ganz anders als die Wüsten- und Bergbewohner. Angesichts der verschiedenen Ängste und Bedürfnisse entwickelten die Menschen eine verwirrende Vielfalt religiöser Gebräuche, durch die sie hofften, bei wohlwollenden Göttern Gehör zu finden und die furchterregenden zu besänftigen.

12. Welche Gemeinsamkeiten kann man in den religiösen Praktiken der Menschen überall erkennen?

12 In diesen religiösen Gebräuchen kann man gewisse Gemeinsamkeiten erkennen, obschon die Vielfalt groß ist. Da sind zum Beispiel die Verehrung von heiligen Geistern und übernatürlichen Gewalten und die Furcht vor ihnen, der Gebrauch von Magie, das Prophezeien der Zukunft aus Zeichen und Omen, die Astrologie und verschiedene andere Methoden der Weissagung. Wenn wir diesen Dingen nachgehen, werden wir feststellen, daß sie eine wichtige Rolle bei der Formung des religiösen Denkens der Menschen über die Jahrhunderte hinweg und überall in der Welt gespielt haben und auch heute noch spielen.

Heilige Geister und übernatürliche Mächte

13. Was konnten die Menschen in früheren Zeiten vermutlich nicht verstehen?

13 In alter Zeit scheint das Leben der Menschen voller Geheimnisse gewesen zu sein. Unerklärliches und Verwirrendes ereignete sich um sie her. Zum Beispiel konnten sie nicht verstehen, warum eine kraftstrotzende Person plötzlich krank wurde; warum es nicht regnete, wenn es regnen sollte, oder warum ein kahler, scheinbar abgestorbener Baum zu einer bestimmten Zeit im Jahr wieder grünte und blühte. Selbst der eigene Schatten, Herzschlag und Atem waren Geheimnisse.

14, 15. Wem schrieb der Mensch, weil ihm die richtige Anleitung und das richtige Verständnis fehlten, das Unerklärliche zu? (Vergleiche 1. Samuel 28:3-7.)

14 Da der Mensch eine angeborene Neigung zum Spirituellen hat, war es nur natürlich, daß er diese geheimnisvollen Dinge und Geschehnisse einer übernatürlichen Macht zuschrieb. Weil ihm jedoch die richtige Anleitung und das richtige Verständnis fehlte, wurde seine Welt bald mit Seelen, Geistern und Dämonen bevölkert. Die Algonkin zum Beispiel, ein Indianerstamm in Nordamerika, bezeichnen die Seele eines Menschen als otahchuk, was „sein Schatten“ bedeutet, und die Malaien Südostasiens glauben, wenn der Mensch sterbe, entweiche seine Seele durch die Nase. Heute ist der Glaube an Geister und abgeschiedene Seelen — und Bemühungen, mit ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung zu treten — fast überall verbreitet.

15 Auch andere Dinge in der Umwelt des Menschen — Sonne, Mond, Sterne, Meere, Flüsse, Berge — schienen zu leben und sich unmittelbar auf das Tun des Menschen auszuwirken. Da diese Dinge einer eigenen Welt anzugehören schienen, wurden sie als Geister und Gottheiten personifiziert, einige als wohlwollend und hilfswillig, andere als böse und schadenstiftend. Die Verehrung von geschaffenen Dingen begann in fast allen Religionen eine wichtige Rolle zu spielen.

16. Wie kam die Verehrung von Geistern, Gottheiten und heiligen Gegenständen zum Ausdruck?

16 Solche Glaubensansichten trifft man in der Religion fast aller alten Kulturen. Die Babylonier und die Ägypter verehrten ihre Sonnengottheit, ihre Mondgottheit und die Götter der Sternbilder. Ebenfalls verehrt wurden von ihnen Haustiere und wildlebende Tiere. Die Inder sind bekannt für ihre Götter, deren Zahl in die Millionen geht. Die Chinesen hatten stets ihre heiligen Berge und ihre Flußgötter und brachten ihre kindliche Pietät durch die Ahnenverehrung zum Ausdruck. Den alten Druiden der Britischen Inseln war die Eiche heilig, und sie verehrten besonders die auf einer Eiche gewachsenen Misteln. Später kam auch das Glaubensgut der Griechen und Römer dazu; und der Glaube an Geister, Gottheiten, Seelen, Dämonen und alle möglichen Gegenstände, die man als heilig betrachtete, wurde fest verwurzelt.

17. Woran sieht man, daß auch heute noch die geschaffenen Dinge verehrt werden?

17 Obwohl solche Anschauungen heute oft für Aberglauben gehalten werden, sind sie immer noch in den religiösen Gebräuchen vieler Leute überall vorhanden. Manche glauben immer noch, daß bestimmte Berge heilig sind sowie Flüsse, merkwürdig geformte Felsen, alte Bäume und vieles andere, und sie verehren sie. Sie bauen an diesen Orten Altäre, Heiligtümer und Tempel. Der Ganges ist zum Beispiel den Hindus heilig, und es ist ihr sehnlichster Wunsch, darin zu baden und daß man nach ihrem Tod ihre Asche hineinstreue. Die Buddhisten erachten es als ein außergewöhnliches Erlebnis, im Heiligtum in Bodh Gaya (Indien) ihre Andacht zu verrichten, wo Buddha unter einem Feigenbaum erleuchtet worden sein soll. Katholiken rutschen auf den Knien zur Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko oder baden in dem „heiligen“ Wasser im Wallfahrtsort Lourdes (Frankreich), um auf übernatürliche Weise geheilt zu werden. Heute ist es immer noch allgemein üblich, nicht den Schöpfer zu verehren, sondern das, was er geschaffen hat. (Römer 1:25.)

Das Aufkommen der Magie

18. Wozu hat der Glaube an Geister und Gottheiten geführt?

18 Nachdem der Glaube, daß die unbelebte Welt voller guter und böser Geister war, Fuß gefaßt hatte, kam der nächste Schritt: Bemühungen, mit den guten Geistern Verbindung aufzunehmen, um sich von ihnen leiten zu lassen und gesegnet zu werden, und die bösen zu besänftigen. Das führte zur Ausübung von Magie, die sozusagen in allen Völkern heimisch war und es auch heute noch ist (1. Mose 41:8; 2. Mose 7:11, 12; 5. Mose 18:9-11, 14; Jesaja 47:12-15; Apostelgeschichte 8:5, 9-13; 13:6-11; 19:18, 19).

19. (a) Was ist Magie? (b) Warum erscheint die Magie vielen glaubwürdig?

19 Eigentlich ist die Magie das Bemühen, die Naturkräfte und die übernatürlichen Mächte zu beherrschen oder sie dazu zu bringen, das zu tun, was der Mensch sie zu tun heißt. Da sich die Menschen in den früheren Gesellschaften vieles, was ihnen tagtäglich widerfuhr, nicht erklären konnten, glaubten sie, daß das Wiederholen gewisser Zauberworte oder Zauberformeln oder das Ausführen gewisser Rituale die gewünschte Wirkung hätte. Da gewisse dieser Rituale tatsächlich eine Wirkung zeigten, glaubten die Menschen an diese Art von Magie. Von den Medizinmännern — im wesentlichen Magier oder Zauberer — auf den westlich von Sumatra gelegenen Mentawaiinseln wird zum Beispiel berichtet, daß sie Diarrhöe überraschend gut heilen konnten. Ihre Zauberformel bestand darin, daß die Kranken sich am Rand einer Klippe auf den Bauch legen und von Zeit zu Zeit am Boden lecken mußten. Wieso funktionierte das? Der Boden der Klippe enthielt Kaolin, weißen Ton, der auch heute allgemein in Arzneimitteln gegen Diarrhöe enthalten ist.

20. Wie kam es, daß die Magie das Leben der Menschen beherrschte?

20 Ein paar solche Erfolge ließen alle Mißerfolge vergessen und trugen den Magiern einen guten Ruf ein. Bald wurden sie mit ehrfürchtiger Scheu und großem Respekt behandelt — Priester, Häuptlinge, Schamanen, Medizinmänner, Zauberer, Geistermedien. Die Leute gingen mit ihren Problemen zu ihnen, zum Beispiel, wenn sie krank waren oder um einer Krankheit vorzubeugen, wenn sie etwas verloren hatten oder um einen Dieb zu identifizieren, um einen bösen Einfluß abzuwehren oder um Vergeltung an jemand zu üben. Schließlich entwickelten die Menschen bezüglich dieser Dinge sowie besonderer Ereignisse im Leben wie Geburt, Volljährigkeit, Verlobung, Heirat, Tod und Begräbnis eine Menge abergläubischer Praktiken und Rituale. Macht und Geheimnis der Magie beherrschten bald jeden Aspekt des Lebens der Menschen.

Regentänze und -zauber

21, 22. Was ist unter „analogischer“ oder „imitativer Magie“ zu verstehen? Veranschauliche es.

21 Trotz der unglaublichen Vielfalt der Zauberpraktiken unter den Völkern bleibt doch die Grundidee davon erstaunlich ähnlich. Als erstes sei die Auffassung erwähnt, daß Ähnliches Ähnliches erzeuge, daß eine gewünschte Wirkung durch Nachahmung erreicht werde. Das wird gelegentlich analogische oder imitative Magie genannt. Wenn zum Beispiel bei den Omaha, einem Indianerstamm Nordamerikas, Regenmangel herrschte und die Ernte in Gefahr war, tanzten sie um ein großes Gefäß mit Wasser. Dann trank einer von dem Wasser und spritzte es in einem feinen Sprühregen in die Luft, um Nebel oder feinen Regen nachzuahmen. Oder diejenigen, die auf Bärenjagd gingen, wälzten sich wie ein verwundeter Bär am Boden, um sich das Jagdglück zu sichern.

22 Andere Völker hatten kompliziertere Rituale, zu denen auch eintönige Gesänge und Opfer gehörten. Die Chinesen verfertigten einen großen Drachen aus Papier oder Holz, der den Regengott darstellen sollte, und trugen ihn in einer Prozession umher, oder sie holten das Bild ihrer Gottheit aus dem Tempel und stellten es in die Sonne, damit es die Hitze spüren konnte und vielleicht Regen sandte. Bei einem Ritual der Ngoni Ostafrikas wird unter anderem Bier in einen Topf gegossen, den man in den Boden eines Regentempels eingräbt. Dabei beten sie: „Meister Chauta, du hast dein Herz gegen uns verhärtet. Was willst du, daß wir tun sollen? Wir müssen in der Tat umkommen. Gib deinen Kindern den Regen. Hier ist das Bier, das wir dir geschenkt haben.“ Dann trinken alle von dem übriggebliebenen Bier. Darauf singen und tanzen sie, tauchen Zweige ins Wasser und schwenken sie umher.

23. Wie haben sich Hexerei und das Verhexen entwickelt? (Vergleiche 3. Mose 19:31; 20:6, 27; 5. Mose 18:10-13.)

23 Ein anderer Gedanke hinter den magischen Praktiken ist der, daß Dinge einer Person diese noch beeinflussen, wenn sie von ihr getrennt sind. Das führte zu der Praktik, Personen zu behexen, indem auf das, was ihnen gehört hatte, Zauber angewandt wurde. Selbst im England und auf dem europäischen Festland des 16. und 17. Jahrhunderts glaubte man, daß Hexen und Hexenmeister den Menschen durch diese Macht Schaden zufügen könnten. Eine der Methoden bestand darin, von einer Person ein Bild aus Wachs anzufertigen und es dann mit Stecknadeln zu durchlöchern, ihren Namen auf ein Stück Papier zu schreiben und dieses dann zu verbrennen, ein Stück von ihrer Kleidung zu vergraben oder etwas anderes mit ihrem Haar, ihren abgeschnittenen Fingernägeln, ihrem Schweiß oder sogar mit ihren Exkrementen zu machen. Das Ausmaß dieser und anderer Praktiken geht aus der Tatsache hervor, daß das englische Parlament im Jahre 1542, 1563 und 1604 Gesetze erließ, nach denen Hexerei ein Kapitalverbrechen war. Diese Form von Magie ist von den Angehörigen fast jeden Volkes im Laufe der Jahrhunderte in der einen oder anderen Weise geübt worden.

Die Zukunft in Zeichen und Omen

24. (a) Was sind Weissagungskünste oder Divination? (b) Wie haben die Babylonier Wahrsagung praktiziert?

24 Magie wird häufig angewandt, um Geheimnisse aufzudecken oder die Zukunft aus Zeichen und Omen zu deuten. Man bezeichnet das als Weissagungskünste oder Divination, und die Babylonier waren besonders kundig darin. So heißt es in dem Buch Das Weltreich der Magie: „Diese Priester waren Meister der Wahrsagung; sie prophezeiten die Zukunft aus der Leber und anderen Eingeweiden geschlachteter Tiere, aus Feuer und Rauch und aus dem Glanze der Edelsteine und weissagten künftige Ereignisse aus dem Gemurmel der Quellen und aus den Formen der Pflanzen. ... Naturerscheinungen — Regen, Wolken, Wind und Blitz — wurden als Zeichen verstanden, und auch das Knarren von Möbeln und Holztafeln zeigte künftige Ereignisse an. ... Auch Fliegen und andere Insekten sowie Hunde waren die Träger geheimer Botschaften.“

25. Was haben Hesekiel und Daniel über die Wahrsagungskünste der alten Babylonier gesagt?

25 In dem Bibelbuch Hesekiel wird berichtet, daß der König von Babylon auf einem seiner Feldzüge „am Kreuzweg“ stehenblieb, „am Eingang der beiden Wege, um zu Wahrsagung Zuflucht zu nehmen. Er hat die Pfeile geschüttelt. Er hat mit Hilfe der Teraphim gefragt; er hat die Leber beschaut“ (Hesekiel 21:21). Am babylonischen Königshof hielten sich auch immer Beschwörer, Zauberer und Magie treibende Priester auf (Daniel 2:1-3, 27, 28).

26. Welche Weissagungskünste waren bei den Griechen populär?

26 Andere Völker, östliche und westliche, befaßten sich ebenfalls mit vielerlei Weissagungskünsten. Die Griechen befragten ihre Orakel über große politische Ereignisse sowie über Privates wie Heirat, Reisen und Kinder. Das berühmteste Orakel war das in Delphi. Antworten, angeblich von Apollon, erhielt man von der Priesterin oder Pythia in unverständlichen Lauten, die die Priester in schwerverständliche Verse umsetzten. Ein klassisches Beispiel war die Antwort, die Krösus, der König von Lydien, erhielt. Sie lautete: „Wenn Kroisos den Halys überquert, wird er ein mächtiges Reich zerstören.“ Er zerstörte eines — aber es war sein eigenes. Krösus wurde von Cyrus, dem Perser, geschlagen, als er den Halys überquerte, um in Kappadokien einzufallen.

27. In welchem Maße haben sich die Römer mit Weissagungskünsten beschäftigt?

27 Im Westen blühten die Weissagungskünste besonders unter den Römern, die sich bei fast allem, was sie taten, nach Omen oder Vorzeichen richteten. Angehörige aller Gesellschaftsschichten vertrauten der Astrologie, der Zauberei, Talismanen, der Wahrsagerei und vielen anderen Weissagungskünsten. Edward Gibbon, eine Autorität auf dem Gebiet der römischen Geschichte, schreibt: „Die verschiedenen Religionen, welche in der römischen Welt herrschten, wurden sämmtlich von dem Volk als gleich wahr ... angesehen.“ Der berühmte Staatsmann und Redner Cicero verstand sich ausgezeichnet darauf, Omen aus dem Vogelflug zu lesen. Der römische Schriftsteller Petronius schrieb, nach der Menge der Religionen und Kulte in einigen römischen Städten zu urteilen, müßte es in ihnen mehr Götter als Einwohner geben.

28. Wie praktizierten die alten Chinesen Wahrsagung?

28 In China hat man über 100 000 Orakelknochen und -muscheln aus dem 2. Jahrtausend v. u. Z. (Shangdynastie) ausgegraben. Sie wurden von den Shangpriestern gebraucht, um den göttlichen Willen in bezug auf alles, angefangen vom Wetter bis zu den Truppenbewegungen, zu erforschen. Die Priester ritzten Fragen in einer alten Schrift in diese Knochen ein. Darauf erhitzten sie sie und untersuchten dann die Sprünge, mit denen die Knochen überzogen worden waren, und ritzten die Antworten auf dieselben Knochen ein. Einige Gelehrte glauben, daß sich aus diesen alten Schriftzeichen die chinesische Schrift entwickelt habe.

29. Welches Wahrsagungsprinzip wird im I-ching dargelegt?

29 Das bekannteste alte chinesische Orakelbuch heißt I-ching (Das Buch der Wandlungen). Es soll von den ersten beiden Chouherrschern Wen Wang und Chou Kung im 12. Jahrhundert v. u. Z. verfaßt worden sein. Das Buch enthält genaue Erklärungen über die Wechselwirkung der beiden gegensätzlichen Kräfte Yin und Yang (dunkel — hell; negativ — positiv; weiblich — männlich; Mond — Sonne; Erde — Himmel usw.), und viele Chinesen sind immer noch davon überzeugt, daß dies die beherrschenden Prinzipien hinter allen Angelegenheiten des Lebens sind. Es wird das Bild vermittelt, daß sich alles ewig verändere, daß nichts von Dauer sei. Um bei einem Unternehmen erfolgreich sein zu können, müsse man sich all der Wandlungen des Augenblicks bewußt sein und im Einklang damit handeln. Die Leute stellen daher Fragen oder werfen das Los und wenden sich dann an den I-ching, um eine Antwort zu erhalten. Der I-ching ist in China jahrhundertelang die Grundlage für alle möglichen Weissagungskünste wie Geomantik gewesen.

Von der Astronomie zur Astrologie

30. Beschreibe die Entwicklung der alten Astronomie.

30 Die geordnete und regelmäßige Bewegung von Sonne, Mond und Sternen hat die Menschen schon immer fasziniert. In Mesopotamien hat man Sternkataloge aus der Zeit von 1800 v. u. Z. gefunden. Aufgrund solcher Informationen konnten die Babylonier astronomische Ereignisse wie Mondfinsternisse, den Aufgang und Untergang der Sternbilder sowie bestimmte Planetenbewegungen voraussagen. Die Ägypter, Assyrer, Chinesen, Inder, Griechen und Römer sowie andere alte Völker beobachteten ebenfalls den Himmel und führten genaue Aufzeichnungen über ihre Beobachtungen. Diese Aufzeichnungen dienten ihnen dazu, ihre Kalender zu erstellen und ihre jährlich wiederkehrenden Arbeiten zu ordnen.

31. Wie entwickelte sich die Astrologie aus der Astronomie?

31 Bei ihren astronomischen Beobachtungen fiel ihnen auf, daß gewisse Ereignisse auf der Erde anscheinend mit gewissen Ereignissen am Himmel zusammentrafen. Zum Beispiel ändern sich die Jahreszeiten entsprechend der Bewegung der Sonne, bei den Gezeiten ist Ebbe und Flut phasengleich mit dem Mond, die alljährliche Nilüberschwemmung folgt immer auf das Sichtbarwerden des Sirius, des hellsten Sterns. Man kam natürlich zu dem Schluß, daß die Himmelskörper eine bedeutende Rolle beim Hervorrufen dieser und anderer Ereignisse auf der Erde spielen. Die Ägypter nannten sogar den Sirius den Nilbringer. Von der Auffassung, daß die Sterne Ereignisse auf der Erde beeinflussen, war es nicht mehr weit zu dem Gedanken, daß man aus den Himmelskörpern die Zukunft lesen könne. So entstand aus der Astronomie die Astrologie. Bald hielten sich Könige und Kaiser Hofastrologen, die die Sterne über wichtige Angelegenheiten des Staates befragen mußten. Auch das gewöhnliche Volk schaute nach den Sternen, um sein Schicksal zu erkunden.

32. Wie praktizierten die Babylonier Astrologie?

32 Hier kommen wir wieder auf die Babylonier zurück. Sie sahen in den Sternen den himmlischen Aufenthaltsort der Götter, so wie sie die Tempel als deren irdischen Aufenthaltsort betrachteten. Das führte dazu, daß man die Sterne zu Sternbildern gruppierte und daß man glaubte, Himmelserscheinungen wie Finsternisse oder das Auftauchen eines gewissen hellen Sterns oder Kometen bedeute Unglück und Krieg für die Erde. In Mesopotamien hat man unter den ausgegrabenen Artefakten Hunderte von Astrologenberichten für Könige gefunden. In einigen dieser Berichte hieß es beispielsweise, eine bevorstehende Mondfinsternis zeige an, daß ein gewisser Feind geschlagen werde, oder die Erscheinung eines bestimmten Planeten in einem gewissen Sternbild bedeute für die Erde „großen Zorn“.

33. Was sagte Jesaja über die babylonischen „Sternebeschauer“?

33 Wie sehr sich die Babylonier auf diese Form der Wahrsagung verließen, geht aus den spöttischen Worten hervor, die der Prophet Jesaja an sie richtete, als er die Vernichtung Babylons voraussagte: „Stell dich nun hin mit deinen Bannsprüchen und mit der Menge deiner Zaubereien, mit denen du dich seit deiner Jugend abgemüht hast ... Laß sie nun aufstehen und dich retten, die Anbeter der Himmel, die Sternebeschauer, diejenigen, die an den Neumonden Kenntnis vermitteln von den Dingen, die über dich kommen werden“ (Jesaja 47:​12, 13).

34. Wer waren die „Magier“, die zum Jesuskind kamen?

34 Von Babylon aus verbreitete sich die Astrologie nach Ägypten, Assyrien, Persien, Griechenland, Rom und Arabien. Auch die Inder und die Chinesen hatten ihre kunstvollen Systeme der Sterndeutung. Die „Magier“, die nach dem Bericht des Evangelisten Matthäus zum Jesuskind kamen, waren „Astrologen aus östlichen Gegenden“ (Matthäus 2:1, 2). Einige Gelehrte sind der Ansicht, dies seien vielleicht Astrologen der chaldäischen und medo-persischen Schule für Astrologie aus Parthien gewesen, einer persischen Provinz, aus der später das unabhängige Partherreich hervorging.

35. Was kam auf dem Gebiet der Astrologie zur Zeit der Griechen auf?

35 Es waren indessen die Griechen, die der Astrologie die Form gaben, in der sie noch heute praktiziert wird. Im 2. Jahrhundert u. Z. trug Claudius Ptolemäus, ein griechischer Astronom, der in Alexandria (Ägypten) wirkte, alle vorhandenen astrologischen Kenntnisse zusammen und veröffentlichte sie in vier Büchern, dem Tetrabiblos, und dieser hat der Astrologie bis jetzt als Regelwerk gedient. Daraus entwickelte sich die sogenannte Geburtsastrologie, ein Verfahren, die Zukunft eines Menschen vorherzusagen, indem sein Kosmogramm oder Horoskop aufgestellt wird — eine Aufzeichnung der Stern- und Planetenkonstellation zum Zeitpunkt seiner Geburt.

36. Was beweist, daß die Astrologie einen guten Ruf erlangte?

36 Im 14. und 15. Jahrhundert war die Astrologie auch im Abendland weit verbreitet. Auf den Universitäten, die ausreichende Kenntnisse in Sprachen und Mathematik verlangten, gab es Lehrstühle dafür. Astrologen galten als Gelehrte. Die Werke Shakespeares sind voll von Anspielungen auf astrologische Einflüsse auf die Angelegenheiten der Menschen. Jeder König und viele Adelige hielten sich ihren Astrologen, damit er ihnen jederzeit zur Verfügung stand. Kaum etwas wurde begonnen — sei es ein Kriegszug, ein Hausbau, ein Geschäft oder eine Reise —, ohne erst die Sterne zu befragen. Die Astrologie hatte einen guten Ruf erlangt.

37. Wie hat der wissenschaftliche Fortschritt die Astrologie beeinflußt?

37 Obschon durch die Arbeit von Astronomen wie Kopernikus und Galilei sowie durch den Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung die Astrologie immer mehr als Pseudowissenschaft entlarvt wurde, hat sie bis auf den heutigen Tag überlebt. (Siehe Kasten, Seite 85.) Diese geheimnisvolle Kunst, aufgebracht von den Babyloniern, entwickelt von den Griechen und weiter ausgebaut von den Arabern, übt immer noch einen großen Einfluß auf Staatsoberhäupter sowie auf den Mann auf der Straße in Industrienationen und in abgelegenen Dörfern von Entwicklungsländern aus.

Geschick in Gesicht und Hand geschrieben

38. Was führte zu weiteren Weissagungskünsten in Verbindung mit der menschlichen Hand und dem menschlichen Gesicht?

38 Wem das Erforschen der Zukunft durch das Beobachten von Zeichen und Omen am Himmel zu weitab erschien, der konnte sich anderen, unmittelbareren und leichter erreichbaren Möglichkeiten zuwenden, wenn er sich in Weissagungskünsten versuchen wollte. Der Sohar oder Sefer ha-sohar (hebräisch: Buch des Glanzes), ein Text der jüdischen Geheimlehre aus dem 13. Jahrhundert, erklärt: „Am Firmament, das das Universum umhüllt, sehen wir viele von den Sternen und Planeten gebildete Figuren. Sie offenbaren uns verborgene Dinge und tiefe Mysterien. Ebenso gibt es auf der Haut, die den menschlichen Körper umhüllt, Formen und Zeichen; sie sind die Sterne unseres Leibes.“ Diese Philosophie führte zu weiteren Weissagungskünsten, indem Gesichtszüge und Handlinien auf prophetische Zeichen untersucht wurden. In östlichen und in westlichen Ländern sind diese Praktiken immer noch weit verbreitet. Es ist jedoch klar, daß sie in der Astrologie und der Magie wurzeln.

39. Was versteht man unter Physiognomik, und wie wurde sie angewandt?

39 Die Physiognomik liest das Schicksal eines Menschen aus dessen Gesicht, z. B. aus der Form der Augen, der Nase, der Zähne und der Ohren. 1531 veröffentlichte Johannes de Indagine (oder Jäger) in Straßburg ein Buch über dieses Thema. Es enthielt Bilder von Gesichtern mit verschieden geformten Augen, Nasen, Ohren usw. zusammen mit seiner Deutung. Interessanterweise zitierte er die Worte Jesu Christi aus Matthäus 6:22: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ als Grundlage für seine Behauptung, daß große, glänzende und runde Augen auf Rechtschaffenheit und Gesundheit hindeuten würden, während eingefallene und kleine Augen ein Zeichen von Neid, Bosheit und Mißtrauen seien. 1533 veröffentlichte jedoch Bartolommeo Coclè (oder della Rocca) sein Kompendium der Physiognomik, in dem er behauptete, daß große, runde Augen auf eine wankelmütige und faule Person schließen ließen.

40. (a) Was ist Chiromantie? (b) Wie versuchte man, die Chiromantie mit der Bibel zu stützen?

40 Gemäß den Wahrsagern spiegelt außer dem Kopf die Hand die Kräfte von oben besser wider als die übrigen Körperteile. Das Lesen der Handlinien, um den Charakter und das Schicksal einer Person zu erforschen, ist eine weitere volkstümliche Form der Wahrsagung — die Chiromantie, gewöhnlich Handlesekunst genannt. Die Chiromanten des Mittelalters durchsuchten die Bibel nach Texten, die ihre Kunst bestätigen konnten. Sie führten Texte an, wie: „Aller Menschen Hand hält er verschlossen, daß die Leute lernen, was er tun kann“ und: „Langes Leben ist zu ihrer rechten Hand; zu ihrer Linken ist Reichtum und Ehre“ (Hiob 37:7; Sprüche 3:16, Lu, 1914). Auch die sogenannten „Berge“ auf der Hand waren für den Chiromanten wichtig, denn man nahm an, daß sie die Planeten darstellten und daher etwas über den Charakter und das Schicksal des Menschen verrieten.

41. Wie praktizieren die Menschen im Orient Wahrsagung?

41 Wahrsagen durch das Erforschen des Gesichts und der Hand ist im Orient außerordentlich populär. Außer den Physiognomen und Chiromanten, die ihre Dienste anbieten, gibt es zahllose Amateure, weil überall Bücher und andere Veröffentlichungen jeglichen Niveaus erhältlich sind. Die Leute vergnügen sich oft mit Handlesen, viele nehmen die Sache jedoch ernst. Im allgemeinen begnügt man sich selten mit nur einer Methode der Weissagung. Bei großen Problemen oder wichtigen Entscheidungen suchen Buddhisten, Taoisten, Schintoisten und andere ihren Tempel auf, um die Götter zu befragen, darauf gehen sie zu einem Astrologen, um zu erfahren, was die Sterne sagen, dann zu einem Wahrsager, der aus der Hand liest und ihr Gesicht beurteilt, und nach alldem gehen sie nach Hause und befragen ihre verstorbenen Ahnen. Sie hoffen, irgendwo eine Antwort zu erhalten, die ihnen passend erscheint.

Nur harmloser Spaß?

42. Wozu hat das natürliche Verlangen der Menschen, die Zukunft zu kennen, geführt?

42 Es ist nur natürlich, daß jeder gern wissen möchte, was die Zukunft bringt. Jedermann hat den Wunsch, ein glückliches Geschick zu haben und Unglück abzuwehren. Deshalb waren die Menschen durch die Jahrhunderte hindurch bestrebt, von Geistern und Gottheiten geleitet zu werden. Dabei wurden sie in Spiritismus, Magie, Astrologie und andere abergläubische Praktiken verstrickt. Früher trugen die Leute Amulette und Talismane, die sie schützen sollten, und sie wandten sich an Medizinmänner und Schamanen, um sich von ihnen heilen zu lassen. Heute trägt man Christophorus-Medaillen oder „Glücksbringer“ und hat seine Séancen, Alphabettafeln, Kristallkugeln, Horoskope und Tarockkarten. In bezug auf Spiritismus und Aberglauben hat sich die Menschheit offenbar wenig verändert.

43. (a) Wie denken viele über Spiritismus, Magie und Weissagungskünste? (b) Welche Fragen über abergläubische Praktiken erfordern eine Antwort?

43 Viele Menschen sehen ein, daß das alles purer Aberglaube ist und daß es dafür keine echte Grundlage gibt. Und sie mögen erklären, daß sie das nur aus Spaß an der Sache tun. Andere behaupten, daß Magie und Weissagungskünste nützlich seien, weil dadurch Leute, die sich sonst durch die Probleme des Lebens einschüchtern ließen, Selbstvertrauen erlangten. Ist alles jedoch nur harmloser Spaß oder eine psychologische Spritze? Wo haben die spiritistischen und magischen Praktiken, von denen in diesem Kapitel die Rede ist, und auch die Praktiken, die unerwähnt geblieben sind, ihre Wurzel?

44. Worauf beruhen alle diese Praktiken?

44 Bei der Betrachtung der verschiedenen Aspekte des Spiritismus, der Magie und der Wahrsagerei fällt auf, daß sie eng mit dem Seelenglauben und dem Geisterglauben — dem Glauben an gute und böse Geister — verbunden sind. Somit beruht der Glaube an Geister, Magie und Weissagungskünste im Grunde auf einer Form des Polytheismus, der wiederum in der Lehre von der Unsterblichkeit der Menschenseele wurzelt. Ist das eine gute Grundlage, auf der man seine Religion aufbauen kann? Ist eine Religion, die diese Grundlage hat, annehmbar?

45. Vor welcher Frage standen die Christen des ersten Jahrhunderts in Verbindung mit Speisen, die Götzen geopfert wurden?

45 Die Christen des ersten Jahrhunderts wurden mit denselben Fragen konfrontiert. Sie lebten inmitten von Griechen und Römern mit ihren vielen Göttern und Gottheiten sowie ihren abergläubischen Ritualen. Ein Ritual bestand darin, den Götzen Speisen zu opfern und diese anschließend zu essen. Durfte jemand, der den wahren Gott liebte und ihm gefallen wollte, sich an solchen Ritualen beteiligen? Man beachte, wie der Apostel Paulus diese Frage beantwortet.

46. Was glaubten Paulus und die ersten Christen in bezug auf Gott?

46 „Was nun das Essen von Speisen betrifft, die Götzen dargebracht worden sind, so wissen wir, daß ein Götze nichts ist in der Welt und daß es keinen GOTT gibt außer e i n e m. Denn wenn es auch solche gibt, die ‚Götter‘ genannt werden, ob im Himmel oder auf der Erde, wie es ja viele ‚Götter‘ und viele ‚Herren‘ gibt, so gibt es für uns tatsächlich e i n e n GOTT, den Vater, aus dem alle Dinge sind und wir für ihn“ (1. Korinther 8:4-6). Für Paulus und die anderen Christen des ersten Jahrhunderts bestand die wahre Religion nicht in der Verehrung vieler Götter, nicht im Polytheismus, sondern in der Verehrung nur ‘eines Gottes, des Vaters’, dessen Name die Bibel offenbart, wenn sie sagt: „Damit man erkenne, daß du, dessen Name Jehova ist, du allein, der Höchste bist über die ganze Erde“ (Psalm 83:18).

47. Wie zeigte Paulus, wer die ‘Götter und Herren im Himmel und auf der Erde’ in Wirklichkeit sind?

47 Es gilt jedoch zu beachten, daß Paulus, obschon er sagte, ‘ein Götze sei nichts’, nicht sagte, daß es die „Götter“ und „Herren“, an die sich die Menschen mit ihrer Magie, ihren Weissagungskünsten und Opfern wenden, nicht gebe. Was ist denn der springende Punkt? Paulus machte dies in dem gleichen Brief klar, als er schrieb: „Sondern ich sage, daß die Dinge, die die Nationen opfern, sie Dämonen opfern und nicht Gott“ (1. Korinther 10:20). Jawohl, durch ihre Götter und ihre Herren beteten die Nationen in Wirklichkeit die Dämonen an — Engel oder Geistgeschöpfe, die sich gegen den wahren Gott aufgelehnt und sich ihrem Anführer, Satan, dem Teufel, angeschlossen hatten (2. Petrus 2:4; Judas 6; Offenbarung 12:7-9).

48. Welche Gefahr ist noch heute mit dem Okkulten verbunden, und wie kann man sie meiden?

48 Häufig werden die „primitiven“ Völker bemitleidet, die von Aberglauben und Furcht versklavt waren. Man sagt, ihre blutigen Opfer und barbarischen Riten seien abstoßend gewesen. Und das stimmt. Aber noch heute hört man von Wodu, Satanskulten, ja sogar von Menschenopfern. Obschon das Extremfälle sein mögen, zeigt es doch, daß das Interesse am Okkulten immer noch recht lebendig ist. Es mag als harmloser Spaß beginnen, oder Neugierde mag die Triebfeder sein; oft endet es aber tragisch und mit dem Tod. Wie weise ist es, die Warnung der Bibel zu beherzigen: „Bleibt besonnen, seid wachsam. Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht jemand zu verschlingen.“ (1. Petrus 5:8; Jesaja 8:19, 20)!

49. Welche Themen werden in den nachfolgenden Kapiteln dieses Buches behandelt werden?

49 Nach der Besprechung der Frage, wie die Religion ihren Anfang nahm, und der Behandlung der verschiedenen alten Mythologien und unterschiedlichen Formen von Spiritismus, Magie und Aberglauben soll nun die Aufmerksamkeit den Weltreligionen gelten — dem Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, Schintoismus, Judaismus, den Kirchen der Christenheit und dem Islam. Was ist ihr Ursprung? Was lehren sie? Welchen Einfluß haben sie auf ihre Gläubigen? Diese und weitere Fragen werden in den folgenden Kapiteln besprochen.

[Studienfragen]

[Herausgestellter Text auf Seite 76]

Eine gewisse Magie war anscheinend erfolgreich

[Kasten auf Seite 85]

Ist die Astrologie wissenschaftlich?

Die Astrologen behaupten, daß Sonne, Mond, Sterne und Planeten die Angelegenheiten auf der Erde beeinflussen könnten und daß die Stellung dieser Himmelskörper zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen für sein Schicksal entscheidend sei. Wissenschaftliche Entdeckungen haben indessen die Astrologie in schwere Bedrängnis gebracht:

▪ Die Arbeiten von Astronomen wie Kopernikus, Galilei und Kepler haben deutlich gezeigt, daß die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist. Ferner weiß man heute, daß die Sterne, die scheinbar zu einem Sternbild gehören, oft nicht in einer Gruppe vereinigt sind. Einige von ihnen sind vielleicht tief im Weltall, andere dagegen relativ nahe. Somit ist die den verschiedenen Tierkreiszeichen zugeschriebene Wirkung ein reines Phantasieprodukt.

▪ Die alten Astrologen kannten die Planeten Uranus, Neptun und Pluto nicht, weil man sie erst nach der Erfindung des Fernrohrs entdeckte. Wie wurde denn ihr „Einfluß“ bei den astrologischen Tafeln, die Jahrhunderte früher angefertigt wurden, mit einberechnet? Warum sollte ferner der „Einfluß“ des einen Planeten „gut“ sein und der eines anderen „schlecht“, da man heute doch weiß, daß alle aus leblosem Gestein oder aus Gasen bestehen, die durch den Weltraum fliegen?

▪ Gemäß der Vererbungslehre werden unsere Persönlichkeitsmerkmale nicht bei der Geburt bestimmt, sondern bei der Empfängnis, bei der sich eine der Millionen Samenzellen des Vaters mit einer Eizelle der Mutter vereinigt. Doch der Astrologe richtet das Horoskop nach dem Zeitpunkt der Geburt eines Menschen aus. Dieser Unterschied von etwa neun Monaten würde diesen astrologisch gesehen zu einer völlig anderen Persönlichkeit machen.

▪ Die Bewegung der Sonne durch die Sternbilder, wie sie von dem irdischen Beobachter gesehen wird, „hinkt“ etwa um einen Monat hinter dem her, was vor 2 000 Jahren zu sehen war, als die astrologischen Karten und Tabellen erstellt wurden. So würden die Astrologen jemanden, der Ende Juni oder Anfang Juli geboren wurde, als Krebs einordnen — sehr sensibel, launisch und reserviert —, weil nach ihren Tafeln die Sonne zu dieser Zeit im Krebs steht. Doch in Wirklichkeit steht die Sonne in der Konstellation Zwillinge, so daß der Betreffende eigentlich „kontaktfreudig, geistreich und gesprächig“ sein müßte.

Das zeigt deutlich, daß die Astrologie weder eine vernünftige noch eine wissenschaftliche Basis hat.

[Bilder auf Seite 71]

Das Zerbrechen eines Spiegels, schwarze Katzen und gewisse Zahlen sind mit abergläubischen Vorstellungen verbunden. Das chinesische Schriftzeichen für „vier“ klingt, wenn es auf chinesisch oder japanisch ausgesprochen wird, wie „Tod“.

[Bilder auf Seite 74]

Links: Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe (Mexiko), wo Katholiken um Heilung beten

Rechts: Stonehenge (England), wo die alten Druiden den Sonnenkult gepflegt haben sollen

[Bild auf Seite 80]

Manche Menschen befragen Schamanen und Medizinmänner

[Bilder auf Seite 81]

Andere haben ihre Séancen, Alphabettafeln, Kristallkugeln, Tarockkarten oder gehen zu Wahrsagern

[Bilder auf Seite 82]

In östlichen Ländern haben die Weissagungskünste, der Gebrauch von Zeichnungen auf dem Rückenschild von Schildkröten und das Yin- und Yang-Prinzip eine lange Geschichte

[Bilder auf Seite 87]

Viele Leute lassen sich das Horoskop stellen, weil sie glauben, daß sich die Stellung der Sonne, des Mondes, der Planeten und der Sterne zur Zeit ihrer Geburt auf ihr Schicksal auswirkt

[Bilder auf Seite 90]

Aus einem Behältnis wird ein Stab geschüttelt, und der Ratsuchende erhält eine Botschaft und eine Auslegung