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Bestimmte Zeiten der Nationen

Bestimmte Zeiten der Nationen

Nachdem Jesus über die Zerstörung gesprochen hatte, die über die Stadt Jerusalem kommen sollte, machte er folgende Äußerung: „Und Jerusalem wird von den Nationen zertreten werden, bis die bestimmten Zeiten der Nationen [„Zeiten der Heiden“, EÜ; Lu, 1984] erfüllt sind“ (Luk 21:24). Die Bedeutung und der tiefere Sinn des durch den Ausdruck „bestimmte Zeiten der Nationen [gr. kairói ethnṓn]“ bezeichneten Zeitabschnitts sind schon häufig erörtert worden.

Bedeutung des Begriffs „bestimmte Zeiten“. Der an dieser Stelle verwendete Begriff „bestimmte Zeiten“ leitet sich von dem griechischen Begriff kairós (Pl. kairói) her, der gemäß dem Theologischen Begriffslexikon zum Neuen Testament (1986, Bd. 2, S. 1465, 1462) „eine bestimmte Zeit“, „eine ... Zeitspanne“, „die geeignete Zeit“, „einen günstigen Augenblick“ bezeichnet. Im Handwörterbuch der griechischen Sprache (Nachdruck: Darmstadt 1983, Bd. I/2, S. 1544) von Franz Passow wird darüber hinaus die Definition „die rechte ... Zeit“ angeführt. Somit wird kairós gebraucht mit Bezug auf die „Erntezeit“, „die Zeit der Früchte“ und „die Zeit der Feigen“ (Mat 13:30; 21:34; Mar 11:13); ‘die rechte Zeit’, um Speise auszuteilen (Mat 24:45; Luk 12:42); „die bestimmte Zeit“ für den Beginn des Dienstes Jesu und die gelegene Zeit, die sein Dienst mit sich brachte (Mar 1:15; Mat 16:3; Luk 12:56; 19:44), und die „bestimmte Zeit“ seines Todes (Mat 26:18). Die Dämonen, die Jesus aus einem gewissen Mann austreiben wollte, schrien: „Bist du hierhergekommen, um uns vor der bestimmten Zeit zu quälen?“ (Mat 8:29).

kairós wird auch mit Bezug auf künftige Zeiten oder Gelegenheiten in Gottes Vorkehrung oder Zeitplan gebraucht, vor allem in Beziehung zu Christi Gegenwart und seinem Königreich (Apg 1:7; 3:19; 1Th 5:1). Daher spricht der Apostel Paulus von dem ‘heiligen Geheimnis’, das Gott geoffenbart hat, „für eine Verwaltung an der Grenze der Fülle der bestimmten Zeiten [kairṓn], nämlich in dem Christus wieder alle Dinge zusammenzubringen, die Dinge in den Himmeln und die Dinge auf der Erde“ (Eph 1:9, 10). Angesichts der Bedeutung des Wortes kairós, wie es im Bibeltext gebraucht wird, kann man richtigerweise erwarten, dass sich der Ausdruck die „bestimmten Zeiten der Nationen“ nicht auf etwas Unbestimmtes oder Ungenaues bezieht, sondern vielmehr auf eine „bestimmte Zeit“ oder „Zeitspanne“, auf „die rechte Zeit“, die einen festgesetzten Anfang und ein festgesetztes Ende hat.

„Die Nationen“ und „Jerusalem“. Die Bedeutung der Äußerung Jesu ist zwangsläufig mit seinem Hinweis auf das ‘Zertreten Jerusalems’ verknüpft, das gemäß seinen Worten bis zur Erfüllung der „bestimmten Zeiten der Nationen“ andauern sollte. Der Begriff „Nationen“ oder „Heiden“ ist eine Übersetzung des griechischen Wortes éthnē, das „Völker“ oder „Nationen“ bedeutet und von den Bibelschreibern vor allem als Bezeichnung der nichtjüdischen Nationen verwendet wurde. Auf dieser Grundlage meinen einige, die Prophezeiung sei auf die Zeitspanne anzuwenden, in der das Gebiet der alten Stadt Jerusalem unter heidnischer Herrschaft und Macht stünde.

In Jesu Beschreibung der Zerstörung Jerusalems, die im Jahr 70 u. Z. kommen sollte und auch kam, als die Römer Jerusalem schleiften, nahm er offensichtlich auf die buchstäbliche Stadt Jerusalem Bezug. Seine Äußerung über die „bestimmten Zeiten der Nationen“ verlagert jedoch die Prophezeiung weit über diesen Punkt hinaus, wie viele Kommentatoren bemerkt haben. So heißt es zum Beispiel in dem bekannten Commentary von F. C. Cook in Bezug auf Lukas 21:24: „Dies dient dazu, den streng eschatologischen Anteil [nämlich den Teil, der sich auf die letzten Tage bezieht] der großen Prophezeiung von dem Teil zu trennen, der richtigerweise zu der Zerstörung Jerusalems gehört.“ So wird es unerlässlich, zu bestimmen, welche Bedeutung die inspirierten Schriften „Jerusalem“ zuordnen, um zu ermitteln, ob die „bestimmten Zeiten der Nationen“ sich nur auf die buchstäbliche Stadt Jerusalem beziehen oder auf etwas Zusätzliches und Größeres.

Jerusalem war die Hauptstadt der Nation Israel, und von ihren Königen aus der Linie Davids hieß es, dass sie ‘auf dem Thron Jehovas saßen’ (1Ch 29:23). Insofern stellte die Stadt den Sitz der von Gott eingesetzten Regierung oder des Vorbildkönigreiches Gottes dar, das seine Herrschaft durch das Haus Davids ausübte. Mit seinem Berg Zion war Jerusalem „die Stadt des großen Königs“ (Ps 48:1, 2). Somit stand Jerusalem für das Königreich der Dynastie König Davids, ebenso wie Washington, London, Paris und Moskau die jeweiligen Regierungen der heutigen Nationen repräsentieren und in diesem Sinn in Nachrichtenmeldungen bezeichnet werden. Nachdem Jerusalem von den Babyloniern niedergetreten worden war, wurde sein König ins Exil geführt, und das Land wurde verödet. Kein Angehöriger der davidischen Dynastie regierte je wieder in Jerusalem. Die Heilige Schrift zeigt jedoch, dass Jesus, der Messias, der in der Linie Davids geboren wurde, vom himmlischen Berg Zion, dem himmlischen Jerusalem, aus regieren würde (Ps 2:6, 7; Heb 5:5; Off 14:1, 3).

Beginn des ‘Zertretens’. Das ‘Zertreten’ des Königreiches der Dynastie der davidischen Herrscher begann nicht erst, als die Römer die Stadt Jerusalem im Jahr 70 u. Z. verwüsteten. Es begann Jahrhunderte zuvor mit dem Sturz dieser Dynastie im Jahr 607 v. u. Z. durch die Babylonier, als Nebukadnezar Jerusalem zerstörte und den entthronten König Zedekia gefangen nahm, worauf das Land verödet dalag (2Kö 25:1-26; siehe CHRONOLOGIE). Dies stimmte mit den prophetischen Worten an Zedekia in Hesekiel 21:25-27 überein: „Entfern den Turban, und heb ab die Krone. Dies wird nicht dasselbe sein. ... In Trümmer, Trümmer, Trümmer werde ich es legen. Auch was dies betrifft, es wird gewiss niemandes werden, bis der kommt, der das gesetzliche Recht hat, und ihm will ich es geben.“ Aus den Christlichen Griechischen Schriften geht hervor, dass derjenige, der das „gesetzliche Recht“ auf die durch Zedekia verloren gegangene davidische Krone hat, Jesus Christus ist, von dem der Engel, der seine Geburt ankündigte, sagte: „Jehova Gott wird ihm den Thron Davids, seines Vaters, geben, und er wird für immer als König über das Haus Jakob regieren, und sein Königreich wird kein Ende haben“ (Luk 1:32, 33).

Nach dem Fall Jerusalems im Jahr 607 v. u. Z. übten die heidnischen Mächte die Weltherrschaft aus. Die davidische Dynastie und Herrschaft wurde unterbrochen. Jerusalem, oder das, wofür es stand, würde somit so lange „zertreten“ werden, wie Gottes Königreich, dessen Herrschaft durch Davids Linie ausgeübt wurde, von heidnischen Mächten in einem untätigen Zustand gehalten werden würde. In Unger’s Bible Dictionary (1965, S. 398) heißt es in Bezug auf diese Verbindung zur Herrschaft: „Demzufolge gehen die Heiden als ,die Nationen‘ dem Ende ihres Verwalteramtes als Herrscher der Erde entgegen. Die Beendigung dieser Periode wird das Ende der ,Zeiten der Heiden‘ sein (Luk. 21:24; Dan. 2:36-44).“ (Vgl. Hes 17:12-21; auch die Beschreibung des Untergangs von Medo-Persien in Da 8:7, 20.)

Beziehung zu Daniels Prophezeiungen. In der Prophezeiung über die Zeit des Endes bezog sich Jesus mindestens zwei Mal auf den Inhalt des Buches des Propheten Daniel. (Vgl. Mat 24:15, 21 mit Da 11:31; 12:1.) Das Buch Daniel schildert die Weltherrschaft der heidnischen Mächte während ihrer „bestimmten Zeiten“. Das zweite Kapitel von Daniel enthält die prophetische Vision (die König Nebukadnezar empfing) von dem großen Bild, das gemäß Daniels inspirierter Erklärung den Aufmarsch der heidnischen Weltmächte darstellt, der mit ihrer Vernichtung durch das vom „Gott des Himmels“ aufgerichtete Königreich endet, worauf dann dieses Königreich über die ganze Erde regieren wird (Da 2:31-45). Bemerkenswert ist, dass das Bild mit dem Babylonischen Reich beginnt, der ersten Weltmacht, die ‘Jerusalem zertrat’, indem sie die davidische Dynastie stürzte und den „Thron Jehovas“ in Jerusalem unbesetzt ließ. Dies bestätigt ebenfalls, dass die „bestimmten Zeiten der Nationen“ in dem Jahr begannen, in dem Jerusalem zerstört wurde, nämlich 607 v. u. Z.

Traumvision von dem Baum in Daniel, Kapitel 4. Ebenfalls im Buch Daniel ist eine enge Parallele zu Jesu Gebrauch des Wortes „Zeiten“ mit Bezug auf die „Nationen“ oder heidnischen Mächte enthalten. Und wieder ist es Nebukadnezar, der Entthroner Zedekias, des Nachkommen Davids, der eine weitere Vision empfing, die Daniel deutete, und gemäß Daniels Erklärung ging es um ein von Gott eingesetztes Königtum. Die symbolische Vision handelte von einem riesenhaften Baum, der gemäß dem Befehl eines Engels, der vom Himmel herabkam, umgehauen werden sollte. Sein Stumpf wurde dann mit einem Band von Eisen und Kupfer versehen und musste in diesem Zustand im Gras des Feldes bleiben, bis „sieben Zeiten“ über ihm vergingen. „Sein Herz verändere sich von dem eines Menschen, und es werde ihm das Herz eines Tieres gegeben, und sieben Zeiten sollen über ihm vergehen. ... damit die Lebenden erkennen, dass der Höchste der Herrscher ist im Königreich der Menschheit und dass er es gibt, wem er will, und er darüber sogar den niedrigsten der Menschen setzt“ (Da 4:10-17; siehe 4:16, Fn.).

Auf die „bestimmten Zeiten der Nationen“ bezogen. Zweifellos erfüllte sich die Vision an Nebukadnezar selbst. (Siehe Da 4:31-35.) Deshalb sind einige der Ansicht, die direkte prophetische Anwendung betreffe nur ihn, und sie sehen in dieser Vision lediglich die Darstellung der ewigen Wahrheit von Gottes Oberhoheit über alle anderen menschlichen oder angeblich göttlichen Mächte. Sie erkennen an, dass diese Wahrheit oder dieser Grundsatz nicht nur auf Nebukadnezars Fall Anwendung findet, sehen aber keine Beziehung zu irgendeinem besonderen Zeitabschnitt oder einem göttlichen Plan. Doch eine Untersuchung des ganzen Buches Daniel offenbart, dass überall in den geschilderten Visionen und Prophezeiungen das Zeitelement auffallend ist; die in jeder Vision beschriebenen Weltmächte werden nicht isoliert betrachtet und die Ereignisse nicht als Zufall dargestellt, wobei das Zeitelement unklar bliebe, sondern vielmehr so, dass sie in einen historischen Rahmen oder Zeitablauf passen. (Vgl. Da 2:36-45; 7:3-12, 17-26; 8:3-14, 20-25; 9:2, 24-27; 11:2-45; 12:7-13.) Außerdem weist das Buch wiederholt auf den Abschluss hin, der das Thema der Prophezeiungen bildet: die Aufrichtung eines universellen und ewigen Königreiches Gottes, dessen Herrschaft vom „Menschensohn“ ausgeübt wird (Da 2:35, 44, 45; 4:17, 25, 32; 7:9-14, 18, 22, 27; 12:1). Das Buch sticht auch durch seine Bezugnahmen auf die „Zeit des Endes“ unter den anderen Büchern der Hebräischen Schriften hervor (Da 8:19; 11:35, 40; 12:4, 9).

Angesichts der obigen Ausführungen scheint es nicht logisch zu sein, die Vision von dem symbolischen „Baum“ und seine Beziehung zu den „sieben Zeiten“ so einzuschätzen, als sei sie nur auf die sieben Jahre des Wahnsinns, die darauf folgende Genesung und die Wiedereinsetzung eines babylonischen Herrschers anzuwenden, ganz besonders, wenn man die Vision im Licht der prophetischen Bezugnahme Jesu auf die „bestimmten Zeiten der Nationen“ sieht. Die Zeit, in der die Vision gegeben wurde – an dem kritischen Punkt der Geschichte, als Gott, der universelle Souverän, zugelassen hatte, dass das von ihm unter seinem Bundesvolk errichtete Königreich gestürzt wurde –, die Person, der die Vision offenbart wurde – der Herrscher, den Gott gebrauchte, um diesen Sturz herbeizuführen, und der dadurch mit göttlicher Erlaubnis die Weltherrschaft empfing, d. h. ohne Einmischung irgendeines Vorbildkönigreiches Jehovas –, das Gesamtthema der Vision – „damit die Lebenden erkennen, dass der Höchste der Herrscher ist im Königreich der Menschheit und dass er es gibt, wem er will, und er darüber sogar den niedrigsten der Menschen setzt“ (Da 4:17): Dies sind stichhaltige Gründe, zu glauben, dass die sehr umfangreiche Vision und ihre Deutung in das Buch Daniel aufgenommen wurden, um die Dauer der „bestimmten Zeiten der Nationen“ zu offenbaren und die Zeit der Aufrichtung des Königreiches Gottes durch Christus.

Die Symbolik des Baumes und Gottes Souveränität. Die in dieser prophetischen Vision gebrauchte Symbolik ist keinesfalls ungewöhnlich. An anderen Stellen werden Bäume verwendet, um Regierungen darzustellen, einschließlich der Regierung des Vorbildkönigreiches Gottes in Jerusalem. (Vgl. Ri 9:6-15; Hes 17:1-24; 31:2-18.) Mehrere Male ist von einem Stumpf die Rede, der veranlasst wird zu sprossen, und von einem symbolischen „Reis“ oder „Spross“, was die Erneuerung der Herrschaft in einer gewissen Abstammungs- oder Geschlechtslinie darstellt – besonders in den messianischen Prophezeiungen (Jes 10:33 bis 11:10; 53:2-7; Jer 23:5; Hes 17:22-24; Sach 6:12, 13; vgl. Hi 14:7-9). Jesus sagte von sich selbst, er sei „die Wurzel und der Spross Davids“ (Off 5:5; 22:16).

Der Hauptgedanke der Vision ist ganz offensichtlich Jehovas Ausübung der unumschränkten Souveränität im „Königreich der Menschheit“, und dies erschließt die volle Bedeutung der Vision. Es wird gezeigt, dass der Baum auf Nebukadnezar Anwendung findet, der zu jener Zeit in der Geschichte das Haupt der Weltmacht Babylon war. Doch bevor Nebukadnezar Jerusalem eroberte, war das Vorbildkönigreich Gottes, das von dieser Stadt aus regierte, das Mittel, durch das Jehova seine rechtmäßige Souveränität über die Erde zum Ausdruck brachte. Es bildete somit für Nebukadnezar ein göttliches Hemmnis oder Hindernis, sein Ziel, die Weltherrschaft, zu erreichen. Indem Jehova zuließ, dass das Vorbildkönigreich in Jerusalem gestürzt wurde, gestattete er, dass sein eigener sichtbarer Ausdruck der Souveränität, vertreten durch die davidische Königsdynastie, „umgehauen“ wurde. Der Ausdruck und die Ausübung der Weltherrschaft im „Königreich der Menschheit“ gelangte nun, von keinem Vorbildkönigreich Gottes verhindert, in die Hände der heidnischen Nationen (Klg 1:5; 2:2, 16, 17). Im Licht dieser Tatsachen erkennt man, dass der „Baum“, neben seiner Anwendung auf Nebukadnezar, die Weltsouveränität oder -herrschaft, ausgeübt durch Gottes Einrichtung, darstellt.

Erneuerung der Weltherrschaft. Gott macht hier jedoch deutlich, dass er diese Weltherrschaft nicht für immer den heidnischen Mächten überlässt. Die Vision zeigt, dass Gottes Selbstbeschränkung (veranschaulicht durch die Bänder aus Eisen und Kupfer um den „Stumpf“ des Baumes herum) andauern würde, bis „sieben Zeiten ... über ihm [dem Stumpf] vergehen“ (Da 4:16, 23, 25). Da „der Höchste der Herrscher ist im Königreich der Menschheit“, würde Gott dann die Weltherrschaft geben, „wem er will“ (Da 4:17). Aus dem prophetischen Buch Daniel selbst geht hervor, dass es der „Menschensohn“ ist, dem „Herrschaft und Würde und Königtum gegeben [wird], damit die Völker, Völkerschaften und Sprachen alle ihm dienen sollten“ (Da 7:13, 14). Jesu eigene Prophezeiung, in der auf die „bestimmten Zeiten der Nationen“ Bezug genommen wird, weist unmissverständlich auf Christi Jesu Ausübung dieser Weltherrschaft als Gottes erwählter König, der Erbe der davidischen Dynastie, hin (Mat 24:30, 31; Luk 21:27-31, 36). Somit sollte der symbolische „Stumpf“, der Gottes Zurückhaltung des souveränen Rechts, im „Königreich der Menschheit“ die Weltherrschaft auszuüben, darstellt, im Königreich seines Sohnes erneut sprossen (Ps 89:27, 35-37).

Sieben symbolische Zeiten. Als sich die Vision an Nebukadnezar persönlich erfüllte, handelte es sich bei den „sieben Zeiten“ offensichtlich um sieben Jahre, in denen er wahnsinnig war, wobei sich bei ihm Symptome ähnlich denen der Lykanthropie zeigten und er seinen Thron verließ, um wie ein Tier auf dem Feld Gras zu essen (Da 4:31-36). Bemerkenswerterweise wird in der biblischen Beschreibung die Ausübung der Weltherrschaft durch die heidnischen Mächte mit symbolischen Tieren veranschaulicht, die dem heiligen Volk Gottes und seinem „Fürsten der Fürsten“ Widerstand leisten. (Vgl. Da 7:2-8, 12, 17-26; 8:3-12, 20-25; Off 11:7; 13:1-11; 17:7-14.) Gemäß der Erklärung von Lexikografen bedeutet das in Daniels Prophezeiung verwendete Wort „Zeiten“ (von dem aramäischen Ausdruck ʽiddán) „Jahre“. (Siehe L. Koehler, W. Baumgartner, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, 2. Auflage, Leiden 1958, S. 1106; W. Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 17. Auflage, unveränderter Nachdruck 1962, S. 918, 919; Lexicon Linguae Aramaicae Veteris Testamenti, herausgegeben von E. Vogt, Rom 1971, S. 124.) Die Dauer eines Jahres, wie es in der Bibel verwendet wird, wird mit 360 Tagen angegeben, denn aus Offenbarung 12:6, 14 geht hervor, dass dreiundeinhalb Zeiten „tausendzweihundertsechzig Tagen“ entsprechen. (Vgl. auch Off 11:2, 3.) Gemäß dieser Rechnung entsprechen „sieben Zeiten“ 2520 Tagen. Dass im Bibelbericht manchmal eine bestimmte Anzahl von Tagen verwendet wird, um eine entsprechende Anzahl von Jahren prophetisch zu veranschaulichen, zeigen die Berichte in 4. Mose 14:34 und Hesekiel 4:6. Nur wenn man die dort erwähnte Formel „Ein Tag für ein Jahr“ auf die „sieben Zeiten“ dieser Prophezeiung anwendet, kann die Vision aus Daniel, Kapitel 4 eine wichtige Erfüllung haben, die über die Tage des längst verstorbenen Nebukadnezars hinausgeht, was man aufgrund der bis jetzt dargelegten Beweise erwarten kann. Demnach stellen die „sieben Zeiten“ 2520 Jahre dar.

Es ist eine beachtenswerte historische Tatsache, dass das Jahr 1914 aufgrund der oben dargelegten Punkte und Beweise in der Ausgabe der Zeitschrift The Watch Tower vom März 1880 als die Zeit identifiziert wurde, in der die „bestimmten Zeiten der Nationen“ (und die den heidnischen Herrschern gewährte Macht) endeten. Das war 34 Jahre vor diesem Jahr und den bedeutsamen Ereignissen, die es einleitete. In der Ausgabe vom 30. August 1914 der damals führenden New Yorker Zeitung The World erschien in der Sonntagsbeilage ein Sonderartikel, in dem es u. a. hieß: „Durch den entsetzlichen Kriegsausbruch in Europa ist eine außergewöhnliche Prophezeiung in Erfüllung gegangen. Während des vergangenen Vierteljahrhunderts haben die ‚Internationalen Bibelforscher‘ ... der Welt durch ihre Prediger und durch die Presse angezeigt, dass der Tag der Rache, der in der Bibel prophezeit wird, im Jahr 1914 anbrechen werde.“

Die Ereignisse, die sich von 1914 u. Z. an zugetragen haben, sind allgemein bekannte Geschichte, angefangen mit dem Ausbruch des großen Krieges, des ersten Weltkrieges in der Menschheitsgeschichte, bei dem es zum ersten Mal nicht um die Vorherrschaft in Europa, Afrika oder in Asien ging, sondern um die Vormachtstellung in der Welt (Luk 21:7-24, 29-33; Off 11:15-18; siehe GEGENWART; LETZTE TAGE).