Einschnitte
Sich in Zeiten der Trauer Einschnitte an seinem Körper zu machen oder sich Arme und Hände sowie das Gesicht zu ritzen war bei den alten Völkern offenbar allgemein üblich (Jer 47:5; 48:37). Man wollte dadurch wahrscheinlich die Gottheiten, die angeblich über die Toten herrschten, besänftigen oder gnädig stimmen. Über diese von den Skythen beim Tod ihres Königs geübte Sitte berichtet der griechische Geschichtsschreiber Herodot: „Jeder schneidet ein Stück von seinem Ohr ab, schert seine Haare, macht einen Schnitt rund um den Oberarm, ritzt sich Stirn und Nase auf und stößt sich Pfeile durch die linke Hand“ (Historien, übersetzt von J. Feix, 1963, IV, 71, S. 553).
Man brachte sich aber Schnittwunden nicht nur als Kundgebung der Trauer bei. In der Hoffnung, von ihrem Gott erhört zu werden, begannen die Baalspropheten, „sich nach ihrem Brauch mit Dolchen und mit Lanzen zu schneiden, bis sie Blut über sich herabfließen ließen“ (1Kö 18:28). Ähnliche Riten waren auch bei anderen alten Völkern bekannt. Herodot erwähnt zum Beispiel, dass sich die in Ägypten ansässigen Karer beim Isisfest mit Messern die Stirn zerschnitten (Historien, II, 61).
Gottes Gesetz verbot den Israeliten ausdrücklich, sich wegen ihrer Verstorbenen Einschnitte an ihrem Körper zu machen (3Mo 19:28; 21:5; 5Mo 14:1). Der Grund für dieses Verbot bestand darin, dass Israel ein heiliges Volk für Jehova, ein besonderes Eigentum, sein sollte (5Mo 14:2). Als solches musste es götzendienerische Bräuche meiden. Außerdem wären solche übertriebenen Äußerungen der Trauer, verbunden mit Selbstverwundung, für ein Volk, das über den tatsächlichen Zustand der Toten und die Auferstehungshoffnung genau Bescheid wusste, sehr unpassend gewesen (Da 12:13; Heb 11:19). Das Verbot der Selbstverstümmelung flößte den Israeliten auch die richtige Achtung vor Gottes Schöpfung, dem menschlichen Körper, ein.
Offenbar missachteten aber die Israeliten gelegentlich Gottes Gesetz, das ihnen verbot, sich Einschnitte an ihrem Körper zu machen (Jer 41:5; vgl. Mi 5:1).