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Hölle

Hölle

Mit diesem Wort wird in der Lutherbibel von 1545 (sowie in der katholischen Allioli- Bibel und in den meisten älteren Übersetzungen) das hebräische scheʼṓl und das griechische háidēs (sprich: hádēs) wiedergegeben. In der Lutherbibel von 1912 ist „Hölle“ 45-mal die Wiedergabe von scheʼṓl und 5-mal von háidēs. (In der revidierten Lutherbibel von 1956/64 wird das hebräische Wort nur einmal mit „Hölle“ übersetzt, das griechische wieder 5-mal.) Diese Übersetzung ist jedoch nicht konsequent in ihrer Wiedergabe, da scheʼṓl auch 7-mal mit „Grube“, 6-mal mit „Tod“, 4-mal mit „die Toten“ und 3-mal mit „Grab“ übersetzt wird. (Zum Vergleich: Die revidierte Ausgabe hat 30-mal „die Toten“, 18-mal „Totenreich“, 11-mal „Tod“, 2-mal „Unterwelt“ und jeweils einmal „Hölle“, „Tiefe“, „unter der Erde“ und „Reich des Todes“.) In der Allioli-Bibel findet man scheʼṓl 51-mal mit „Hölle“ übersetzt sowie 4-mal mit „Unterwelt“, 3-mal mit „unter der Erde“, je 2-mal mit „Totenreich“ und „Grube“ und je einmal mit „Grab“, „Abgrund“ und „Tod“.

In der im Jahr 1968 erschienenen Jerusalemer Bibel wird das hebräische Wort scheʼṓl an 37 Stellen transliteriert wiedergegeben (d. h. mit „Scheol“), 15-mal wird es mit „Unterwelt“, 5-mal mit „Totenreich“, 4-mal mit „Abgrund“, 2-mal mit „Hölle“ und einmal mit „Reich des Todes“ übersetzt; an einer Stelle wurde der hebräische Text „korrigiert“ und statt scheʼṓl ein anderes Wort gelesen. Auch die Schlachter-Bibel gibt das hebräische Wort an einigen Stellen mit „Scheol“ wieder (13-mal in der älteren Ausgabe und 8-mal in der revidierten Ausgabe von 1975), meist aber mit „Totenreich“. Dagegen verwendet die Elberfelder Bibel von 1967 an allen 65 Stellen, an denen scheʼṓl vorkommt, die transliterierte Form „Scheol“; in den Christlichen Griechischen Schriften wird das griechische Wort háidēs an allen 10 Stellen, an denen es vorkommt, transkribiert („Hades“). (Auch in der revidierten Ausgabe des „Neuen Testaments“ wird dieses griechische Wort transkribiert.) Das griechische Wort géenna (deutsch „Gehenna“) wird in dieser Übersetzung sowie in vielen anderen modernen Übersetzungen allerdings mit „Hölle“ wiedergegeben.

Hinsichtlich der Verwendung des Wortes „Hölle“ als Wiedergabe von hebräisch scheʼṓl und griechisch háidēs heißt es in dem Werk Vine’s Expository Dictionary of Old and New Testament Words (1981, Bd. 2, S. 187): „HADES ... entspricht ‚Scheol‘ im A. T. [Alten Testament]. In der A. V. [Authorized Version] ist das Wort im A. T. [Alten Testament] und im N. T. [Neuen Testament] unglücklicherweise mit ‚Hölle‘ wiedergegeben worden.“

In dem englischsprachigen Lexikon Collier’s Encyclopedia kann man über das Wort „Hölle“ Folgendes lesen (1986, Bd. 12, S. 28): „In erster Linie steht es für das hebräische Wort Scheol im Alten Testament und für das griechische Wort Hades in der Septuaginta und im Neuen Testament. Da Scheol in alttestamentlichen Zeiten einfach den Aufenthaltsort der Toten meinte, ohne zwischen den Guten und den Bösen zu unterscheiden, ist das Wort ‚Hölle‘, wie man es heute versteht, keine glückliche Übersetzung.“

Es ist tatsächlich auf das heutige Verständnis dieses Wortes zurückzuführen, dass „Hölle“ eine derart unglückliche Wiedergabe jener Wörter im Urtext der Bibel ist. Im Großen Wörterbuch der deutschen Sprache (Dudenverlag), Bd. 3, 1977 kann man unter „Hölle“ über die Herkunft des Wortes Folgendes lesen: „1: mhd. [mittelhochdeutsch] helle, ahd. [althochdeutsch] hell(i)a; in der germ. [germanischen] Mythologie Benennung des Totenreiches, personifiziert im Namen der Todesgöttin Hel; wahrsch. urspr. = die Bergende; vgl. hehlen; 2: veraltete Bez. für einen Raum, in dem man etw. ‚bergen‘ kann.“ Unter dem Stichwort „hehlen“ erfährt man im gleichen Werk, dass dieses Wort von dem mittelhochdeutschen Ausdruck heln und vom althochdeutschen helan komme, was „bedecken, verbergen, verstecken“ bedeute. (Im Deutschen Wörterbuch von Brockhaus/Wahrig, Bd. 3, 1981 steht sinngemäß das Gleiche.) In Trübners Deutschem Wörterbuch, Bd. 3, 1939 kann man unter „Hölle“ u. a. Folgendes nachlesen: „Das Wort bezeichnet ursprünglich den unterirdischen Aufenthaltsort der Toten ... Bei den Germanen war aber die H. [Hölle] keineswegs ein Ort der Qual, sondern nur das Totenreich.“

Die heutige Bedeutung des Wortes „Hölle“ wird in Dantes Göttlicher Komödie und in dem Verlorenen Paradies des englischen Dichters Milton (17. Jahrhundert) anschaulich dargestellt, doch sie hat nicht das Geringste mit dem ursprünglichen Sinn des Wortes gemeinsam. Die Vorstellung von einer „Hölle“ als einem Ort feuriger Qual reicht indes viel weiter zurück als bis in die Zeit Dantes oder Miltons. In dem Werk Grolier Universal Encyclopedia wird unter „Hölle“ gesagt (1971, Bd. 9, S. 205): „Hindus und Buddhisten betrachten die Hölle als einen Ort geistiger Läuterung und endgültiger Wiederherstellung. Die islamische Überlieferung sieht darin einen Ort ewiger Bestrafung.“ Im Altertum gehörte die Vorstellung von den Leiden nach dem Tod auch zu den heidnischen Lehren Babylons und Ägyptens. Gemäß babylonischen und assyrischen Glaubensansichten war die „Unterwelt ... ein Ort voller Schrecken, ... über den äußerst starke und grausame Götter und Dämonen herrschten“. In altägyptischen Texten wird zwar nicht gelehrt, dass irgendjemand ewig im Feuer gequält wird, aber sie schildern das „Jenseits“ als einen Ort mit „Feuergruben“ für „die Verdammten“ (Morris Jastrow jr., The Religion of Babylonia and Assyria, 1898, S. 581; The Book of the Dead mit einer Einleitung von E. Wallis Budge, 1960, S. 135, 144, 149, 151, 153, 161, 200).

Die Vorstellung von einem „Höllenfeuer“ ist seit vielen Jahrhunderten eine Grundlehre der Christenheit. Daher kann man verstehen, weshalb es in dem Werk The Encyclopedia Americana (1956, Bd. 14, S. 81) heißt: „Viel Verwirrung und Missverständnisse sind durch die frühen Bibelübersetzer hervorgerufen worden, die das hebräische Wort Scheol und die griechischen Wörter Hades und Gehenna durchweg mit dem Wort Hölle wiedergaben. Dass diese Wörter von den Übersetzern der revidierten Bibelausgaben einfach transliteriert worden sind, hat nicht ausgereicht, diese Verwirrung und falsche Auffassung merklich zu klären.“ Dessen ungeachtet versetzen eine solche Transliteration und konsequente Wiedergabe den Erforscher der Bibel in die Lage, die Texte, in denen jene Wörter aus der Originalsprache stehen, sorgfältig miteinander zu vergleichen und so vorurteilsfrei das richtige Verständnis ihrer wahren Bedeutung zu gewinnen. (Siehe GEHENNA; GRAB; HADES; SCHEOL; TARTARUS.)