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Kanon

Kanon

(der Bibel).

Ursprünglich diente das Rohr (hebr. qanéh) als Messwerkzeug (Hes 40:3-8; 41:8; 42:16-19). Der Apostel Paulus wandte kanṓn auf das ihm nach Maß zugeteilte „Gebiet“ an sowie auf die „Regel des Benehmens“, die Christen als Maßstab ihrer Handlungsweise dienen sollte (2Ko 10:13-16; Gal 6:16). Unter „Bibelkanon“ verstand man schließlich den Katalog inspirierter Bücher, die sich als Richtschnur oder Maßstab für den Glauben, die Lehre und den Lebenswandel eigneten. (Siehe BIBEL.)

Allein die Niederschrift eines religiösen Buches, seine jahrhundertelange Erhaltung und die Tatsache, dass Millionen ihm Wert beimessen, beweist nicht, dass es göttlichen Ursprungs oder kanonisch ist. Es muss eindeutig zu erkennen sein, dass Gott sein Autor ist und es von ihm inspiriert wurde. Der Apostel Petrus erklärt: „Prophetie wurde niemals durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern Menschen redeten von Gott aus, wie sie von heiligem Geist getrieben wurden“ (2Pe 1:21). Eine Untersuchung des Bibelkanons ergibt, dass sein Inhalt dieses Merkmal in jeder Hinsicht aufweist.

Hebräische Schriften. Die Bibel nahm mit Moses’ Aufzeichnungen 1513 v. u. Z. ihren Anfang. Sie enthalten Gottes Gebote und Anweisungen an Adam, Noah, Abraham, Isaak und Jakob sowie die Bestimmungen des Gesetzesbundes. Der sogenannte Pentateuch umfasst die fünf Bücher Mose. Das Buch Hiob, das anscheinend ebenfalls von Moses niedergeschrieben wurde, ist geschichtlich nach dem Tod Josephs (1657 v. u. Z.) einzuordnen, aber noch vor der Zeit, als sich Moses als ein Diener Gottes erwies, der die Lauterkeit bewahrte, und es ‘keinen wie Hiob auf der Erde’ gab (Hi 1:8; 2:3). Außerdem schrieb Moses den 90. Psalm und möglicherweise auch den 91.

Angesichts der inneren Beweise steht zweifelsfrei fest, dass Moses’ Aufzeichnungen göttlichen Ursprungs, von Gott inspiriert, kanonisch und eine sichere Richtschnur für die reine Anbetung sind. Moses wurde nicht aus eigenem Antrieb Führer und Befehlshaber der Israeliten; anfangs wollte Moses dieses Amt gar nicht übernehmen (2Mo 3:10, 11; 4:10-14). Es war vielmehr Gott, der Moses erhöhte und ihn mit solchen Wunderkräften ausstattete, dass selbst Pharaos Magie treibende Priester gezwungen waren, anzuerkennen, dass die Taten Mose von Gott stammten (2Mo 4:1-9; 8:16-19). Moses’ Aufgaben als Redner und Schreiber waren also nicht seinem persönlichen Ehrgeiz zuzuschreiben. Vielmehr handelte er aus Gehorsam und durch den heiligen Geist ermächtigt, als er zuerst zum Volk sprach und dann einen Teil des Bibelkanons niederschrieb (2Mo 17:14).

Jehova selbst gab das Beispiel, was das Aufzeichnen von Gesetzen und Geboten betrifft. Nachdem er zu Moses am Berg Sinai geredet hatte, „gab er Moses dann zwei Tafeln des ZEUGNISSES, Steintafeln, beschrieben von Gottes Finger“ (2Mo 31:18). Später lesen wir: „Und Jehova sprach weiter zu Moses: ‚Schreibe dir diese Worte auf‘“ (2Mo 34:27). Somit war es Jehova, der sich mit Moses unterhielt und ihn anwies, die ersten fünf Bücher des Bibelkanons aufzuzeichnen. Kein menschliches Konzil erklärte sie für kanonisch; von Anfang an hatten sie Gottes Anerkennung.

„Sobald Moses damit zu Ende war, die Worte dieses Gesetzes bis zu ihrer Vollendung in ein Buch zu schreiben“, gebot er den Leviten, indem er sprach: „Dieses Gesetzbuch nehmend, sollt ihr es zur Seite der Bundeslade Jehovas, eures Gottes, legen, und es soll dort als Zeuge gegen dich dienen“ (5Mo 31:9, 24-26). Bemerkenswerterweise anerkannte Israel diesen Bericht über Gottes Handlungsweise und bestritt nicht die darin beschriebenen Tatsachen. Da der Inhalt der Bücher die Nation als Gesamtheit des Öfteren in einem ungünstigen Licht erscheinen ließ, hätte man sehr wohl erwarten können, dass das Volk ihn wenn möglich ablehnte, aber dies scheint nie der Fall gewesen zu sein.

Wie Moses, so wurde auch die Priesterschaft von Gott dazu gebraucht, diese schriftlichen Gebote zu bewahren und das Volk darin zu unterweisen. Als man, nahezu 500 Jahre nachdem Moses begonnen hatte, den Pentateuch aufzuzeichnen, die Bundeslade in Salomos Tempel brachte (1026 v. u. Z.), befanden sich die beiden Steintafeln noch immer in der Lade (1Kö 8:9), und 384 Jahre später, als im 18. Jahr Josias (642 v. u. Z.) „das Buch des Gesetzes“ im Haus Jehovas gefunden wurde, stand es immer noch in demselben hohen Ansehen (2Kö 22:3, 8-20). Desgleichen herrschte „große Freude“, als nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil Esra bei einer achttägigen Zusammenkunft aus dem Buch des Gesetzes vorlas (Ne 8:5-18).

Nach dem Tod Mose fügte man die Aufzeichnungen Josuas, Samuels, Gads und Nathans (Josua, Richter, Ruth, 1. und 2. Samuel) hinzu. König David und König Salomo lieferten ebenfalls Beiträge zu dem wachsenden Kanon der heiligen Schriften. Dann folgten die Propheten Jona bis Maleachi, von denen jeder etwas zum Bibelkanon beitrug und von Gott mit der Wundergabe des Prophezeiens ausgestattet worden war sowie die von Jehova aufgestellten Erfordernisse eines wahren Propheten erfüllte. Denn sie redeten im Namen Jehovas, ihre Prophezeiung bewahrheitete sich, und sie wandten das Volk Gott zu (5Mo 13:1-3; 18:20-22). Als Hananja und Jeremia bezüglich der beiden letzten Punkte auf die Probe gestellt wurden (beide redeten im Namen Jehovas), erfüllten sich nur die Worte Jeremias. Auf diese Weise wurde bewiesen, dass Jeremia ein Prophet Jehovas war (Jer 28:10-17).

Da Jehova Männer beim Schreiben inspirierte, folgt daraus logischerweise, dass er auch die Sammlung und Erhaltung dieser inspirierten Schriften beaufsichtigte, damit die Menschheit über eine bleibende kanonische Richtschnur für die wahre Anbetung verfügen würde. Gemäß der jüdischen Überlieferung beteiligte sich Esra an dieser Arbeit nach der Wiederansiedlung der Juden in Juda. Sicherlich eignete er sich für diese Aufgabe, denn er war ein inspirierter Bibelschreiber, ein Priester und außerdem „ein geschickter Abschreiber im Gesetz Mose“ (Esr 7:1-11). Nur die Bücher Nehemia und Maleachi mussten noch hinzugefügt werden. Der Kanon der Hebräischen Schriften war demnach gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. u. Z. bereits festgelegt und enthielt die gleichen Aufzeichnungen, die wir heute besitzen.

Der Kanon der Hebräischen Schriften wurde traditionsgemäß in drei Teile unterteilt: das Gesetz, die Propheten und die Schriften oder Hagiografa. Wie aus der Aufstellung hervorgeht, bestehen diese Teile aus 24 Büchern. Manche jüdische Gelehrte verbinden Ruth mit Richter und Klagelieder mit Jeremia, weshalb sie auf 22 Bücher kommen, was der Anzahl der Buchstaben im hebräischen Alphabet entspricht. Hieronymus, der zwar anscheinend die Zählweise von 22 Büchern vorzog, erklärte aber in seinem Vorwort zu den Büchern Samuel und Könige: „Einige rechnen sowohl Ruth als auch Klagelieder zu den Hagiografen ... und erhalten so vierundzwanzig Bücher.“

Der jüdische Historiker Josephus, der sich um das Jahr 100 u. Z. in seinem Werk Gegen Apion (1. Buch, Abs. 8, übersetzt von H. Paret, Stuttgart 1856, S. 756, 757) vor Gegnern verteidigte, bestätigte, dass damals der Kanon der Hebräischen Schriften schon lange Zeit festgelegt war. Er schrieb: „Bei uns gibt es nicht unzählige widersprechende und sich gegenseitig widerlegende Bücher, sondern nur zweiundzwanzig, welche die ganze Vergangenheit schildern und mit Recht für göttlich gehalten werden. Fünf derselben sind von Moses; sie enthalten die Gesetze und die Geschichte vom Ursprung des Menschengeschlechts bis zu Moses Tode. ... Von Moses Tode an bis zur Herrschaft des Perserköniges Artaxerxes, des Nachfolgers von Xerxes, haben die auf Moses gefolgten Propheten das zu ihrer Zeit Geschehene in 13 Büchern beschrieben; die übrigen vier enthalten Loblieder auf Gott und Ermahnungen für das Leben der Menschen.“

Die Kanonizität eines Buches hängt also weder ganz noch teilweise von der Anerkennung oder Ablehnung durch irgendein Konzil, Komitee oder irgendeine Gemeinschaft ab. Die Stimme solcher nicht inspirierten Männer bestätigt lediglich das, was Gott selbst schon durch seine bevollmächtigten Vertreter getan hat.

Die genaue Anzahl der Bücher in den Hebräischen Schriften (ob zwei verbunden werden oder nicht) ist genauso wenig ausschlaggebend wie eine bestimmte Reihenfolge, in der sie angeordnet sind, denn die Bücher wurden noch lange, nachdem der Kanon abgeschlossen war, als getrennte Buchrollen aufbewahrt. Alte Kataloge variieren, was die Reihenfolge betrifft, in der die Bücher aufgeführt sind. Eine Aufzählung beispielsweise nennt Jesaja nach dem Buch Hesekiel. Am wichtigsten ist jedoch, welche Bücher dazugehören. Tatsächlich können nur die Bücher, die jetzt zum Kanon gehören, rechtmäßigerweise als kanonisch bezeichnet werden. Schon immer ist Bemühungen, andere Schriften einzufügen, widerstanden worden. Zwei jüdische Konzile, die um 90 und 118 u. Z. in Yavne oder Jamnia, etwas s. von Joppe, stattfanden, besprachen die Hebräischen Schriften und schlossen ausdrücklich alle apokryphen Schriften aus.

Josephus bezeugte diese allgemeine jüdische Einstellung zu den Apokryphen, wenn er sagte: „Die Zeiten von Artaxerxes an bis auf unsere Tage sind im Einzelnen beschrieben; die betreffenden Bücher aber genießen nicht das gleiche Ansehen wie die früheren, weil es da an der genauen Aufeinanderfolge der Propheten fehlte. Ein thatsächlicher Beweis für das Vertrauen welches jene volksthümlichen Schriften bei uns genießen, liegt in Folgendem. Im Verlauf dieser vielen Jahrhunderte hat noch Niemand gewagt, an jenen Büchern durch Zusätze, Auslassungen oder anderweitige Aenderungen sich zu vergreifen. Alle Juden saugen vielmehr gleichsam mit der Muttermilch den Glauben an deren göttlichen Ursprung und den Vorsatz ein, ihnen treu zu bleiben und, wenn es sein muss, mit Freuden für sie in den Tod zu gehen“ (Gegen Apion, 1. Buch, Abs. 8, übersetzt von H. Paret, Stuttgart 1856, S. 757).

Diese lange Zeit geschichtlich belegte Haltung der Juden gegenüber dem Kanon der Hebräischen Schriften ist angesichts dessen, was Paulus an die Römer schrieb, sehr bedeutungsvoll. Den Juden, sagte der Apostel, „[wurden] die heiligen Aussprüche Gottes anvertraut“, was das Schreiben und Schützen des Bibelkanons einschloss (Rö 3:1, 2).

Frühe Konzile (Laodicea, 367 u. Z.; Chalkedon, 451 u. Z.) und sogenannte Kirchenväter anerkannten den durch Gottes heiligen Geist autorisierten Bibelkanon, erstellten ihn aber keinesfalls. Im Wesentlichen waren sie sich darin einig, den bestehenden jüdischen Kanon zu akzeptieren und die apokryphen Bücher abzulehnen. Zu diesen Männern gehörten: Justinus der Märtyrer, ein christlicher Apologet (starb ca. 165 u. Z.); Melito, „Bischof“ von Sardes (2. Jahrhundert u. Z.); Origenes, Bibelgelehrter (185 [?] bis 254 [?] u. Z.); Hilarius, „Bischof“ von Poitiers (starb 367 [?] u. Z.); Epiphanius, „Bischof“ von Constantia (von 367 u. Z. an); Gregor von Nazianz (330 [?] bis 389 [?] u. Z.); Rufinus von Aquileia, „der gelehrte Übersetzer des Origenes“ (345 [?] bis 410 u. Z.); Hieronymus (340 [?] bis 420 u. Z.), ein Bibelgelehrter der römisch-katholischen Kirche und der Kompilator der Vulgata. In seinem Prolog zu den Büchern Samuel und Könige zählt Hieronymus zuerst die 22 Bücher der Hebräischen Schriften auf und stellt dann fest: „Was immer über dieses hinausgeht, [muss] in die Apokryphen verlegt werden.“

Den schlüssigsten Beweis für die Kanonizität der Hebräischen Schriften liefern die unanfechtbaren Äußerungen Jesu Christi und der Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften. Sie geben zwar nirgendwo eine genaue Zahl der Bücher an, aber aus dem, was sie gesagt haben, kann man die zwingende Schlussfolgerung ziehen, dass der Kanon der Hebräischen Schriften die Apokryphen nicht enthielt.

Hätte es keine festgelegte Sammlung heiliger Schriften gegeben, die sie und diejenigen, zu denen sie sprachen und an die sie schrieben, kannten und anerkannten, hätten Jesus und die Schreiber nicht Ausdrücke verwendet wie „die Schriften“ (Mat 22:29; Apg 18:24); die „heiligen Schriften“ (Rö 1:2; 2Ti 3:15); das „GESETZ“, oft als Bezeichnung der ganzen Schrift (Joh 10:34; 12:34; 15:25); „das GESETZ und die PROPHETEN“, als Oberbegriff für die gesamten Hebräischen Schriften und nicht lediglich für den ersten und zweiten Teil dieser Schriften (Mat 5:17; 7:12; 22:40; Luk 16:16). Paulus’ Bezugnahme auf das „GESETZ“ ist ein Zitat aus Jesaja (1Ko 14:21; Jes 28:11).

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Septuaginta ursprünglich die apokryphen Bücher beinhaltete. (Siehe APOKRYPHEN.) Doch selbst wenn einige dieser Schriften zweifelhaften Ursprungs in spätere Abschriften der Septuaginta, die in den Tagen Jesu in Umlauf waren, Eingang fanden, zitierten weder Jesus noch die Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften daraus, wenngleich sie die Septuaginta benutzten; niemals bezeichneten sie irgendein apokryphes Buch als „Schrift“ oder Produkt des heiligen Geistes. Den Apokryphen fehlt es daher nicht nur an inneren Beweisen für die göttliche Inspiration und die Anerkennung durch die inspirierten Schreiber der Hebräischen Schriften des Altertums, sondern sie tragen auch nicht den Stempel der Billigung Jesu und seiner von Gott bevollmächtigten Apostel. Allerdings anerkannte Jesus den hebräischen Kanon, denn er nahm auf die gesamten Hebräischen Schriften Bezug, als er „alles, was im Gesetz Mose und in den PROPHETEN und Psalmen ... geschrieben steht“, erwähnte; die Psalmen sind das erste und längste Buch in dem als Hagiografa oder heilige Schriften bekannten Teil (Luk 24:44).

Jesu Worte in Matthäus 23:35 (und in Lukas 11:50, 51) sind ebenfalls äußerst bedeutsam: „Damit alles gerechte Blut über euch komme, das auf der Erde vergossen worden ist, vom Blut des gerechten Abel an bis zum Blut Sacharjas, Barachias’ Sohn, den ihr zwischen dem Heiligtum und dem Altar ermordet habt.“ Den Propheten Urija tötete man während der Regierung Jojakims, also über zwei Jahrhunderte nach dem Mord an Sacharja, der gegen Ende der Herrschaft des Joas verübt wurde (Jer 26:20-23). Wollte also Jesus die ganze Liste der Märtyrer aufzählen, warum sagte er nicht „von Abel bis Urija“? Offensichtlich deshalb, weil der Vorfall in Verbindung mit Sacharja in 2. Chronika 24:20, 21 zu finden ist und folglich ziemlich am Ende des traditionellen hebräischen Kanons steht. In diesem Sinn umfasste somit Jesu Feststellung alle ermordeten Zeugen Jehovas, von denen in den Hebräischen Schriften die Rede ist, angefangen von Abel, der im ersten Buch (1. Mose) genannt wird, bis zu Sacharja, der im letzten Buch (Chronika) erwähnt wird. Das wäre ungefähr so, als würden wir sagen: „Von 1. Mose bis Offenbarung.“

Christliche Griechische Schriften. Sowohl die Niederschrift als auch die Zusammenstellung der 27 Bücher, aus denen der Kanon der Christlichen Griechischen Schriften besteht, gingen so ähnlich vor sich wie bei den Hebräischen Schriften. Christus „gab Gaben in Form von Menschen“, ja, „er gab einige als Apostel, einige als Propheten, einige als Evangeliumsverkündiger, einige als Hirten und Lehrer“ (Eph 4:8, 11-13). Mit der Hilfe des heiligen Geistes Gottes erläuterten sie der Christenversammlung die gesunde Lehre, und „durch Erinnerung“ wiederholten sie vieles, was bereits in den Schriften geschrieben stand (2Pe 1:12, 13; 3:1; Rö 15:15).

Es gibt aber auch außerbiblische Beweise, die zeigen, dass schon 90–100 u. Z. mindestens zehn Paulusbriefe zusammengestellt worden waren. Fest steht, dass die Christen die inspirierten christlichen Schriften früh sammelten.

In einem Werk ist zu lesen, dass „gegen Ende des 1. Jahrhunderts Klemens, der Bischof von Rom, mit den Briefen vertraut war, die Paulus an die Kirche in Korinth geschrieben hatte. Später bestätigten sowohl die Briefe von Ignatius, dem Bischof von Antiochia, als auch die von Polykarp, dem Bischof von Smyrna, dass die Paulinischen Briefe im zweiten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts in Umlauf waren“ (The International Standard Bible Encyclopedia, herausgegeben von G. W. Bromiley, 1979, Bd. 1, S. 603). Sie alle waren frühchristliche Schriftsteller – Klemens von Rom (30 [?] bis 100 [?] u. Z.), Polykarp (69 [?] bis 155 [?] u. Z.) und Ignatius von Antiochia (spätes 1. Jahrhundert und frühes 2. Jahrhundert u. Z.) –, die Zitate und Auszüge aus verschiedenen Büchern der Christlichen Griechischen Schriften in ihre Werke einflochten und so erkennen ließen, dass sie mit diesen kanonischen Schriften vertraut waren.

Justinus der Märtyrer (starb ca. 165 u. Z.) gebrauchte in seinem „Dialog mit dem Juden Tryphon“ (XLIX) (Bibliothek der Kirchenväter, übersetzt von P. Häuser, Bd. 33, S. 75) die Wendung „es ist geschrieben“, wenn er Matthäus anführte, ebenso wie es die Evangelienschreiber bei einer Bezugnahme auf die Hebräischen Schriften taten. Das Gleiche trifft auch auf ein früheres Werk eines unbekannten Autors zu, „Den Barnabasbrief“ (IV) (K. Thieme, Kirche und Synagoge, 1945). Justinus der Märtyrer bezeichnet in der „Ersten Apologie“ (LXVI, LXVII) (Bibliothek der Kirchenväter, 1871, S. 109, 110) die „denkwürdigen Berichte“ oder „die Aufzeichnungen der Apostel“ als „Evangelien“.

Theophilus von Antiochia (2. Jahrhundert u. Z.) erklärte: „Über die Gerechtigkeit ferner, die das Gesetz vorgeschrieben, finden sich auch die gleichen Bestimmungen bei den Propheten und in den Evangelien, weil diese alle als Träger des einen Geistes Gottes durch diesen geredet haben.“ Theophilus benutzt dann Ausdrücke wie „die Stimme des Evangeliums ... sagt“, „das Evangelium ... sagt“ (zitiert Mat 5:28, 32, 44, 46; 6:3) und „befiehlt uns das göttliche Wort“ (zitiert 1Ti 2:2 und Rö 13:7, 8) (Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 14, 1913, An Autolykus, III, 12, 13, 14, S. 87–90).

Gegen Ende des 2. Jahrhunderts stand zweifelsfrei fest, dass der Kanon der Christlichen Griechischen Schriften abgeschlossen war, und Männer wie Irenäus, Klemens von Alexandria und Tertullian maßen den Schriften, aus denen die Christlichen Schriften bestehen, die gleiche Autorität bei wie den Hebräischen Schriften. Irenäus zitiert bei seinen Verweisen auf die Schriften nicht weniger als 200-mal aus den Paulusbriefen. Klemens bemerkt, er werde seinen Gegnern „bei der Heiligen Schrift, auf der unser Glaube beruht, auf Grund ihrer verbürgten Herkunft von dem Allmächtigen nachweisen, dass sie unbedingten Glauben verdient“, nämlich „durch das Gesetz und die Propheten und dazu auch durch das selige Evangelium“ (Bibliothek der Kirchenväter, 1937, Stromateis, 4. Buch, Kap. 1, Abs. 2, 2, S. 12).

Einige haben die Kanonizität bestimmter einzelner Bücher der Christlichen Griechischen Schriften angefochten, aber ihre Argumente sind nicht stichhaltig. Kritiker, die beispielsweise den Hebräerbrief ablehnen, nur weil er nicht den Namen des Paulus trägt und im Stil ein wenig von seinen anderen Briefen abweicht, sind in ihrer Beweisführung oberflächlich. B. F. Westcott stellte fest, dass „die kanonische Autorität des Briefes nicht davon abhängt, ob Paulus sein Schreiber ist“ (The Epistle to the Hebrews, 1892, S. lxxi). Einwände, die erhoben werden, weil der Schreiber nicht genannt wird, werden bei Weitem dadurch aufgewogen, dass der Hebräerbrief zusammen mit acht anderen Paulusbriefen im Chester-Beatty-Papyrus Nr. 2 (P46) (das ungefähr 150 Jahre nach Paulus’ Tod entstand) zu finden ist.

Zuweilen wird die Kanonizität kleiner Bücher, wie Jakobus, Judas, 2. und 3. Johannes sowie 2. Petrus infrage gestellt, weil sie nur sehr selten von frühchristlichen Schriftstellern angeführt werden. Doch machen sie lediglich ein Sechsunddreißigstel der Christlichen Griechischen Schriften aus und wurden wahrscheinlich deshalb weniger häufig zitiert. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass 2. Petrus von Irenäus angeführt wird, der den Brief demnach als genauso kanonisch betrachtete wie die übrigen Griechischen Schriften. Dasselbe trifft auf 2. Johannes zu (Bibliothek der Kirchenväter, 1912, Gegen die Häresien, I, 16, 3; III, 11, 8; V, 23, 2; 28, 2, 3). Auch die Offenbarung, die einige ablehnen, ist von zahlreichen frühchristlichen Kommentatoren, u. a. Papias, Justinus dem Märtyrer, Melito und Irenäus, anerkannt worden.

Ob ein gewisses Buch allerdings wirklich kanonisch ist, hängt nicht davon ab, wie oft oder von welchem nicht apostolischen Schriftsteller es zitiert worden ist. Der Inhalt des Buches muss den Beweis erbringen, dass es ein Produkt des heiligen Geistes ist. Infolgedessen darf es weder abergläubische oder dämonische Ansichten enthalten noch zur Verehrung irgendwelcher Geschöpfe ermuntern. Es muss völlig mit dem übrigen Teil der Bibel in Übereinstimmung sein und Jehova Gott als Autor hervorheben. Jedes Buch muss dem göttlichen „Muster gesunder Worte“ entsprechen und mit den Lehren und Taten Christi Jesu übereinstimmen (2Ti 1:13; 1Ko 4:17). Die Apostel hatten eindeutig Gottes Anerkennung, und durch das, was sie äußerten, bestätigten sie andere Schreiber, wie Lukas und Jakobus, den Halbbruder Jesu. Mithilfe des heiligen Geistes hatten die Apostel „Unterscheidung inspirierter Äußerungen“, d. h., sie konnten feststellen, ob diese von Gott stammten oder nicht (1Ko 12:4, 10). Mit dem Tod von Johannes, dem letzten Apostel, endete diese Reihe zuverlässiger, von Gott inspirierter Männer, und mit der Offenbarung, dem Johannesevangelium und den Briefen des Johannes war der Bibelkanon abgeschlossen.

Die 66 kanonischen Bücher unserer Bibel bezeugen durch ihre Harmonie und Übereinstimmung die Einheit und Vollständigkeit der Bibel und empfehlen sie uns als Jehovas Wort inspirierter Wahrheit, die trotz all ihrer Feinde bis jetzt erhalten geblieben ist (1Pe 1:25). Eine umfassende Aufzählung der 66 Bücher, die den gesamten Bibelkanon ausmachen, der Schreiber, des Zeitpunkts der Vollendung der Niederschrift sowie der Zeit, die jedes Buch umfasst, ist unter dem Stichwort BIBEL (Verzeichnis der Bibelbücher in der Reihenfolge ihrer Niederschrift) zu finden. (Siehe auch unter den einzelnen Stichwörtern zu jedem Bibelbuch.)

[Übersicht auf Seite 32]

JÜDISCHER KANON DER SCHRIFTEN

Das Gesetz

1. 1. Mose

2. 2. Mose

3. 3. Mose

4. 4. Mose

5. 5. Mose

Die Propheten

6. Josua

7. Richter

8. 1., 2. Samuel

9. 1., 2. Könige

10. Jesaja

11. Jeremia

12. Hesekiel

13. Die zwölf Propheten (Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja, Haggai, Sacharja, Maleachi)

Die Schriften (Hagiografa)

14. Psalmen

15. Sprüche

16. Hiob

17. Das Hohe Lied

18. Ruth

19. Klagelieder

20. Prediger

21. Esther

22. Daniel

23. Esra, Nehemia

24. 1., 2. Chronika