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Pharisäer

Pharisäer

(Pharisạ̈er).

Eine bedeutende religiöse Sekte des Judentums im ersten Jahrhundert u. Z. Nach einigen Gelehrten bedeutet der Name wörtlich „Abgesonderte“, „Separatisten“, was möglicherweise auf das Vermeiden von zeremonieller Unreinheit oder das Sichabsondern von Nichtjuden hinweist. Wann die Sekte der Pharisäer entstand, ist nicht genau bekannt. Aus den Schriften des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus geht hervor, dass die Pharisäer schon zur Zeit des Johannes Hyrkanos I. (zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts v. u. Z.) eine einflussreiche Sekte bildeten. Josephus schreibt: „Sie stehen beim Volke in solchem Ansehen, dass sie stets Glauben finden, selbst wenn sie etwas gegen den König oder den Hohepriester vorbringen“ (Jüdische Altertümer, übersetzt von H. Clementz, 13. Buch, Kap. 10, Abs. 5, S. 177).

Josephus führt außerdem Einzelheiten über die Lehren der Pharisäer an. Er erklärt: „[Die Pharisäer] glauben auch, dass die Seelen unsterblich sind und dass dieselben, je nachdem der Mensch tugendhaft oder lasterhaft gewesen, unter der Erde Lohn oder Strafe erhalten, sodass die Lasterhaften in ewiger Kerkerhaft schmachten müssen, während die Tugendhaften die Macht erhalten, ins Leben zurückzukehren“ (Jüdische Altertümer, 18. Buch, Kap. 1, Abs. 3, S. 506). „Die Seelen sind nach ihrer Ansicht alle unsterblich, aber die der Guten gehen nach dem Tode in einen anderen Leib über, während die der Bösen ewiger Strafe anheimfallen.“ Über ihren Glauben an das Schicksal oder die Vorsehung berichtet Josephus: „Sie ... machen alles vom Gott und dem Schicksal [oder der Vorsehung] abhängig und lehren, dass Recht- und Unrechttun zwar größtenteils den Menschen freistehe, daß aber bei jeder Handlung auch das Schicksal mitwirke“ (Geschichte des Jüdischen Krieges, übersetzt von H. Clementz, 1984, 2. Buch, Kap. 8, Abs. 14, S. 148).

Aus den Christlichen Griechischen Schriften geht hervor, dass die Pharisäer zweimal in der Woche fasteten, peinlich genau den Zehnten bezahlten (Mat 9:14; Mar 2:18; Luk 5:33; 11:42; 18:11, 12) und mit der Ansicht der Sadduzäer nicht übereinstimmten, die sagten, „es gebe weder eine Auferstehung noch Engel, noch Geist“ (Apg 23:8). Sie brüsteten sich damit, gerecht zu sein (in Wirklichkeit waren sie selbstgerecht), und blickten auf das allgemeine Volk herab (Luk 18:11, 12; Joh 7:47-49). Um andere mit ihrer Gerechtigkeit zu beeindrucken, vergrößerten sie die Kapseln, die Schrifttexte enthielten und die sie zum Schutz trugen, und verlängerten die Fransen ihrer Kleidung (Mat 23:5). Sie waren geldliebend (Luk 16:14) und strebten nach Ansehen und schmeichelhaften Titeln (Mat 23:6, 7; Luk 11:43). Sie waren so extrem in der Anwendung des Gesetzes, dass sie dieses für das Volk zu einer Last machten, denn sie verlangten, dass es nach ihren Vorstellungen und gemäß ihren Überlieferungen gehalten wurde (Mat 23:4). Die wichtigeren Dinge – das Recht, die Barmherzigkeit, die Treue und die Liebe zu Gott – ließen sie außer Acht (Mat 23:23; Luk 11:41-44). Die Pharisäer unternahmen weite Reisen, um Proselyten zu machen (Mat 23:15).

Wenn sie mit Christus Jesus disputierten, ging es hauptsächlich um das Halten des Sabbats (Mat 12:1, 2; Mar 2:23, 24; Luk 6:1, 2), das Festhalten an Traditionen (Mat 15:1, 2; Mar 7:1-5) und den Umgang mit Sündern und Steuereinnehmern (Mat 9:11; Mar 2:16; Luk 5:30). Die Pharisäer glaubten offensichtlich, dass der Umgang mit Personen, die das Gesetz nicht entsprechend ihrer Auffassung hielten, verunreinige (Luk 7:36-39). Sie erhoben daher Einspruch, als sie sahen, dass Christus Jesus mit Sündern und Steuereinnehmern verkehrte und sogar mit ihnen aß (Luk 15:1, 2). Die Pharisäer bemängelten, dass sich Jesus und seine Jünger nicht gemäß der Überlieferung die Hände wuschen (Mat 15:1, 2; Mar 7:1-5; Luk 11:37, 38). Jesus stellte jedoch ihre verkehrten Schlussfolgerungen bloß und zeigte ihnen, dass sie um menschlicher Traditionen willen Gottes Gesetz übertraten (Mat 15:3-11; Mar 7:6-15; Luk 11:39-44). Statt sich über die Wunderheilungen zu freuen, die Christus Jesus am Sabbat vollbrachte, und Gott zu verherrlichen, wurden die Pharisäer von Zorn erfüllt über das, was sie für eine Übertretung des Sabbatgesetzes hielten, und planten deshalb, Jesus umzubringen (Mat 12:9-14; Mar 3:1-6; Luk 6:7-11; 14:1-6). Zu einem Blinden, den Jesus am Sabbat geheilt hatte, sagten sie über Jesus: „Dieser Mensch ist nicht von Gott, denn er hält den Sabbat nicht“ (Joh 9:16).

Durch ihre Einstellung verrieten die Pharisäer, dass sie in ihrem Innern weder gerecht noch rein waren (Mat 5:20; 23:26). Sie bedurften genauso der Reue wie die übrigen Juden. (Vgl. Mat 3:7, 8; Luk 7:30.) Die meisten von ihnen zogen es jedoch vor, in geistigem Sinn blind zu bleiben (Joh 9:40), und bekämpften den Sohn Gottes noch heftiger (Mat 21:45, 46; Joh 7:32; 11:43-53, 57). Einige Pharisäer beschuldigten Jesus fälschlicherweise, Dämonen durch den Herrscher der Dämonen auszutreiben (Mat 9:34; 12:24) und ein falscher Zeuge zu sein (Joh 8:13). Andere wollten den Sohn Gottes einschüchtern (Luk 13:31), verlangten von ihm ein Zeichen (Mat 12:38; 16:1; Mar 8:11), versuchten, ihn in seiner Rede zu fangen (Mat 22:15; Mar 12:13; Luk 11:53, 54) und ihn durch bestimmte Fragen auf die Probe zu stellen (Mat 19:3; 22:34-36; Mar 10:2; Luk 17:20). Jesus brachte sie schließlich zum Schweigen, indem er sie fragte, wie es möglich sei, dass Davids Herr gleichzeitig Davids Sohn sei (Mat 22:41-46). Sowohl unter der Menge, die Jesus im Garten Gethsemane ergriff, befanden sich Pharisäer (Joh 18:3-5, 12, 13) als auch unter denen, die Pilatus baten, das Grab Jesu zu sichern, damit der Leib nicht gestohlen werden könne (Mat 27:62-64).

Zur Zeit des Dienstes Jesu Christi auf der Erde übten die Pharisäer einen so großen Einfluss aus, dass sich angesehene Leute fürchteten, sich öffentlich zu Jesus zu bekennen (Joh 12:42, 43). Einer von ihnen war offensichtlich Nikodemus, der selbst Pharisäer war (Joh 3:1, 2; 7:47-52; 19:39). Zweifellos gab es auch Pharisäer, die keine offenkundigen Gegner Jesu waren oder die später Christen wurden. Zum Beispiel riet der Pharisäer Gamaliel davon ab, das Werk der Christen zu behindern (Apg 5:34-39), und der Pharisäer Saulus (Paulus) von Tarsus wurde ein Apostel Jesu Christi (Apg 26:5; Php 3:5).