Schreiben
Das Aufzeichnen von Buchstaben oder Zeichen, die Worte bilden oder einen Sinn vermitteln, auf ein Material. Der erste Mensch, Adam, wurde mit der Fähigkeit ausgestattet, eine Sprache zu sprechen. Anfänglich bestand für ihn jedoch kaum, wenn überhaupt, die Notwendigkeit zu schreiben. Er konnte alles noch mündlich erledigen, und als vollkommener Mensch war er nicht darauf angewiesen, etwas niederzuschreiben, um ein unvollkommenes Gedächtnis zu unterstützen. Trotzdem muss Adam die Fähigkeit besessen haben, etwas zu erfinden, was es ihm ermöglicht hätte, etwas schriftlich festzuhalten. Aus der Bibel geht jedoch nicht direkt hervor, ob er vor oder nach seiner Verfehlung überhaupt geschrieben hat.
Man hat die Ansicht vertreten, die Worte: „Dies ist das Buch der Geschichte Adams“ könnten andeuten, dass Adam der Schreiber dieses ‘Buchs’ war (1Mo 5:1). In einem Kommentar zu dem Ausdruck „dies ist die Geschichte“, der in 1. Mose häufig vorkommt, bemerkt P. J. Wiseman: „Er bildet die Schlussbemerkung eines Abschnitts und weist damit zurück auf den vorhergehenden Bericht. ... Aller Wahrscheinlichkeit nach bezeichnet der Name in der Formel den Schreiber des Berichtes oder den Eigentümer des Täfelchens“ (Die Entstehung der Genesis, 1968, S. 57).
Eine Untersuchung des Inhalts dieser Geschichten lässt erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von Wiseman vertretenen Ansicht aufkommen. Seiner Meinung nach würde beispielsweise der Abschnitt, der in 1. Mose, Kapitel 36, Vers 10 beginnt, mit den Worten aus 1. Mose 37:2 abschließen: „Dies ist die Geschichte Jakobs.“ Doch nahezu der gesamte Bericht handelt von den Nachkommen Esaus, und Jakob wird nur gelegentlich erwähnt. Andererseits enthält der nachfolgende Bericht ausführliche Angaben über Jakob und seine Familie. Wäre die Theorie richtig, so würde das außerdem bedeuten, dass Ismael und Esau die Schreiber oder Besitzer der ausführlichsten Dokumente über Gottes Handlungsweise mit Abraham, Isaak und Jakob waren. Dies erscheint nicht vernünftig, denn danach würden diejenigen das größte Interesse am abrahamischen Bund gehabt haben, die keinen Anteil an diesem Bund hatten. Es wäre nur schwer vorstellbar, dass Ismael so sehr an den Ereignissen in Verbindung mit der Hausgemeinschaft Abrahams interessiert gewesen wäre, dass er sich bemüht hätte, einen ausführlichen Bericht davon anzufertigen, einen Bericht, der sich über viele Jahre nach der Vertreibung seiner selbst und seiner Mutter Hagar erstreckt (1Mo 11:27b bis 25:12).
Desgleichen hätte es für Esau, der heilige Dinge nicht schätzte (Heb 12:16), keinen Grund gegeben, einen ausführlichen Bericht über Ereignisse im Leben Jakobs niederzuschreiben oder zu besitzen, Ereignisse, von denen Esau kein Augenzeuge war (1Mo 25:19 bis 36:1). Genauso wenig wäre es logisch, zu schlussfolgern, dass Isaak und Jakob Gottes Handlungsweise mit ihnen größtenteils außer Acht gelassen und sich damit begnügt hätten, lediglich kurze Berichte über das Geschlechtsregister anderer zu haben (1Mo 25:13-19a; 36:10 bis 37:2a).
Vor der Sintflut. Ob einige der in 1. Mose erwähnten Chroniken vor der Sintflut niedergeschrieben wurden, kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Die Bibel enthält keine Hinweise auf vorsintflutliches Schreiben. Es gilt jedoch zu beachten, dass schon lange vor der Flut Städte gebaut, Musikinstrumente entwickelt sowie Eisen- und Kupferwerkzeuge geschmiedet wurden (1Mo 4:17, 21, 22). Folglich hätte es den Menschen nicht schwerfallen dürfen, auch eine Schreibmethode zu entwickeln. Ursprünglich gab es nur eine Sprache (die später als Hebräisch bekannt wurde; siehe HEBRÄISCH), und diejenigen, die diese Sprache beibehielten (die Israeliten), benutzten bekanntlich ein Alphabet, was darauf schließen lässt, dass es möglicherweise schon vor der Flut eine Alphabetschrift gab.
Der assyrische König Assurbanipal behauptete, „Inschriften auf Stein aus der Zeit vor der Flut“ gelesen zu haben (J. Finegan, Light From the Ancient Past, 1959, S. 216, 217). Aber diese Inschriften mögen einfach aus der Zeit vor einer größeren örtlichen Flut gestammt haben, oder es könnten Berichte gewesen sein, die nur angeblich von Ereignissen vor der Sintflut handelten. In der Urkunde, die als „Sumerische Königsliste“ bekannt ist, heißt es beispielsweise, nachdem erwähnt wird, dass acht Könige 241 000 Jahre geherrscht hätten: „Die Sturmflut fuhr [dann] darüber [über die Erde] hinweg“ (Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, herausgegeben von O. Kaiser, Bd. I/4, 1984, S. 330; vgl. Ancient Near Eastern Texts, herausgegeben von J. Pritchard, 1974, S. 265). Dieser Bericht ist offensichtlich nicht authentisch.
Gemäß der biblischen Zeitrechnung ereignete sich die weltweite Flut der Tage Noahs im Jahr 2370 v. u. Z. Archäologen haben für viele ihrer ausgegrabenen Tontafeln eine frühere Entstehungszeit angegeben. Aber diese Tontafeln sind keine datierten Dokumente. Folglich sind die Daten, die ihnen zugeschrieben worden sind, bloße Vermutungen und liefern keine solide Grundlage dafür, sie in Verbindung mit der Sintflut zeitlich einzuordnen. Es sind keine Artefakte ausgegraben worden, von denen mit Bestimmtheit gesagt werden könnte, sie stammten aus der Zeit vor der Sintflut. Archäologen, die gewisse Gegenstände in die vorsintflutliche Zeit datierten, haben dies aufgrund von Funden getan, die bestenfalls als Beweis für eine große örtliche Überschwemmung interpretiert werden können.
Nach der Sintflut. Nach der Verwirrung der ursprünglichen Sprache des Menschen in Babel entstanden verschiedene Schriftsysteme. Bei den Babyloniern und Assyrern sowie bei anderen Völkern war die Keilschrift in Gebrauch, die angeblich von den Sumerern aus ihrer Bilderschrift entwickelt wurde. Erwiesenermaßen war zur gleichen Zeit mehr als ein Schriftsystem in Gebrauch. Auf einem assyrischen Wandgemälde sind z. B. zwei Schreiber dargestellt, von denen der eine mit einem Griffel auf eine Tafel Keilschrifteindrücke macht (wahrscheinlich in Akkadisch) und der andere mit einem Pinsel auf ein Stück Tierhaut oder Papyrus schreibt (möglicherweise in Aramäisch). Die ägyptische Hieroglyphenschrift bestand aus einzelnen Bildzeichen und geometrischen Formen. Mit der Zeit kamen zwar zwei andere Schriftarten auf, zuerst die hieratische und dann die demotische, aber für Inschriften auf Monumenten und Wandgemälden verwendete man nach wie vor die Hieroglyphenschrift. (Siehe ÄGYPTEN, ÄGYPTER.) In nichtalphabetischen Schriftsystemen konnte das Bildzeichen (oder seine spätere, oft nicht mehr erkennbare Linear- oder Kursivform) für das dargestellte Objekt stehen, für einen durch das Objekt vermittelten Begriff oder für ein anderes Wort oder eine andere Silbe, die gleich ausgesprochen wurde. So konnte z. B. die Skizze eines Auges für das Hauptwort „Auge“ und für das Verb „sehen“ stehen.
Das von den Israeliten benutzte Alphabet war phonetisch, d. h., jedes Konsonantenzeichen stellte einen bestimmten Mitlaut dar. Die Vokallaute hingegen musste der Leser selbst hinzufügen. Bei Ausdrücken mit gleicher Schreibweise, aber verschiedenen Vokallauten entschied der Kontext, welches Wort gemeint war. Das Fehlen der Vokallaute bildete kein echtes Problem. Das zeigt sich darin, dass in hebräischen Zeitschriften, Zeitungen und Büchern auch heute die Vokalpunkte fast vollständig fehlen.
Die Israeliten konnten lesen und schreiben. Die Priester Israels (4Mo 5:23) und prominente Persönlichkeiten wie Moses (2Mo 24:4), Josua (Jos 24:26), Samuel (1Sa 10:25), David (2Sa 11:14, 15) und Jehu (2Kö 10:1, 6) konnten lesen und schreiben und – abgesehen von einigen Ausnahmen – auch das gewöhnliche Volk. (Vgl. Ri 8:14; Jes 10:19; 29:12.) Das den Israeliten auferlegte Gebot, auf die Türpfosten ihres Hauses zu schreiben, ist zwar offenbar bildlich zu verstehen, aber es lässt doch erkennen, dass sie lesen und schreiben konnten (5Mo 6:8, 9). Auch war der König gesetzlich verpflichtet, sich nach dem Regierungsantritt eine Abschrift des Gesetzes zu machen und täglich darin zu lesen (5Mo 17:18, 19; siehe BUCH).
Obwohl unter den Hebräern offensichtlich ziemlich viel geschrieben wurde, hat man nicht viele israelitische Inschriften gefunden. Das kann darauf zurückzuführen sein, dass die Israeliten kaum Denkmäler errichteten, um ihre Ruhmestaten zu verewigen. Die meisten Schriften, auch die Bücher der Bibel, bestanden höchstwahrscheinlich aus mit Tinte beschriebenem Papyrus oder Pergament, aber diese blieben wegen der feuchten Bodenverhältnisse in Palästina nicht lange erhalten. Die Botschaft der Bibel überdauerte jedoch all die Jahrhunderte, weil sie immer wieder sorgfältig abgeschrieben wurde. (Siehe ABSCHREIBER; BIBELHANDSCHRIFTEN; SCHRIFTGELEHRTER, SCHREIBER.) Nur der Bibelbericht geht bis auf den Ursprung des Menschen und sogar noch weiter zurück (1Mo, Kap. 1 und 2). Einige der in Stein eingehauenen oder auf Tontafeln, Prismen und Zylinder eingedrückten Inschriften mögen zwar viel älter sein als die ältesten vorhandenen Bibelhandschriften, aber jene Berichte – von denen viele nicht den Tatsachen entsprechen (wie die „Sumerische Königsliste“) – beeinflussen das Leben der Menschen heute keineswegs. Die Bibel zeichnet sich daher durch ihre bedeutungsvolle Botschaft, die weit mehr als nur ein flüchtiges Interesse verdient, vor allen anderen Schriften des Altertums als einmaliges Werk aus.