Unabsehbare Zeit
Das hebräische Wort ʽōlám vermittelt den Gedanken von unabsehbarer oder unbestimmter Zeit. Der Lexikograf W. Gesenius definiert die Bedeutung des Wortes mit „verborgene, dunkele, ... sehr ferne, lang währende Zeit, deren Anfang oder Ende ... im Dunkeln ist“ (Hebräisches und chaldäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 5. Auflage, 2. Teil, Leipzig 1857, S. 99). Demgemäß vermitteln Wendungen wie ‘unabsehbare Zeit’ (Ps 25:6), ‘auf unabsehbare Zeit dauernd’ (Hab 3:6), „vor alters“ (1Mo 6:4), „vor langer Zeit“, „aus alter Zeit“ (Jos 24:2; Spr 22:28; 23:10) und ‘lang während’ (Pr 12:5) treffend den Gedanken des ursprachlichen Begriffs.
Das Wort ʽōlám wird bisweilen mit etwas Ewigem in Zusammenhang gebracht (1Kö 2:45, Fn.). Der Prophet Jesaja schrieb: „Jehova, der Schöpfer der äußersten Enden der Erde, ist ein Gott auf unabsehbare Zeit“ (Jes 40:28). Jehova existiert „von unabsehbarer Zeit bis auf unabsehbare Zeit“ (Ps 90:2). Da Jehova unvergänglich ist und nicht stirbt, wird er weiterhin bis in alle Ewigkeit Gott sein (Hab 1:12; 1Ti 1:17). Doch der hebräische Ausdruck ʽōlám bedeutet an sich nicht „für immer“. Er bezieht sich häufig auf Dinge, die ein Ende haben, aber man kann sagen, dass sie „auf unabsehbare Zeit“ existieren, weil die Zeit ihres Endes nicht bestimmt ist. Zum Beispiel endete der ‘auf unabsehbare Zeit dauernde’ Gesetzesbund mit Jesu Tod und der Einführung eines neuen Bundes (2Mo 31:16, 17; Rö 10:4; Gal 5:18; Kol 2:16, 17; Heb 9:15). Desgleichen hörte die ‘auf unabsehbare Zeit dauernde’ aaronitische Priesterschaft auf zu bestehen (2Mo 40:15; Heb 7:11-24; 10:1).
Ein anderer hebräischer Begriff, ʽadh, bezeichnet die unbegrenzte zukünftige Zeit, die Unendlichkeit oder Ewigkeit (1Ch 28:9; Ps 19:9; Jes 9:6; 45:17; Hab 3:6). Manchmal, wie beispielsweise in Psalm 45:6, erscheinen die Wörter ʽōlám und ʽadh zusammen und können folgendermaßen wiedergegeben werden: „ewiglich und immerdar“ (RSt), „in Zeit und Ewigkeit“ (Buber) und „auf unabsehbare Zeit, ja für immer“ (NW). Bezüglich der Erde erklärte der Psalmist: „Sie wird auf unabsehbare Zeit oder für immer nicht zum Wanken gebracht werden“ (Ps 104:5).
Der hebräische Begriff nézach kann ebenfalls Unendlichkeit bezeichnen. Es ist möglich, ihn zum Beispiel mit „für immer“ (Hi 4:20; 14:20; Jes 57:16) und „immer“ (Ps 9:18) zu übersetzen. Zuweilen werden nézach und ʽōlám parallel gebraucht (Ps 49:8, 9), oder die Ausdrücke nézach und ʽadh erscheinen zusammen (Am 1:11). Alle drei Wörter kommen in Psalm 9:5, 6 vor: „Du hast Nationen gescholten ... Ihren Namen hast du ausgetilgt auf unabsehbare Zeit [leʽōlám], ja für immer [waʽédh]. O du Feind, deine Verödungen sind für immer [lanézach] zu Ende gekommen.“
In den Christlichen Griechischen Schriften kann das Wort aiṓn eine Zeitperiode von unabsehbarer oder unbestimmter Länge bezeichnen, eine ferne, aber nicht endlose Zeitperiode. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, den Ausdruck aiṓn in Lukas 1:70 und Apostelgeschichte 3:21 mit „von alters her“, „seit alters“ oder „vor langer Zeit“ (EÜ, NW, NT68) wiederzugeben. Häufig deutet jedoch der Zusammenhang darauf hin, dass sich aiṓn auf eine Zeitperiode von unbegrenzter Länge bezieht, weil solch eine Periode von endloser Dauer ist (Luk 1:55; Joh 6:50, 51; 12:34; 1Jo 2:17). Desgleichen kann das Adjektiv aiṓnios (das sich von aiṓn herleitet), wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, sowohl den Sinn von ‘lang während’ (Rö 16:25; 2Ti 1:9; Tit 1:2) als auch ‘ewig’ haben (Mat 18:8; 19:16, 29). Ein anderes griechisches Adjektiv, aídios, bedeutet im Wesentlichen ‘ewigwährend’ oder „ewig“ (Rö 1:20; Jud 6, EÜ, JB, NW; zur weiteren Betrachtung von aiṓn siehe SYSTEME DER DINGE; ZEITALTER).