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Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Seit jeher besitzt der Mensch, der im Bilde des Gottes des Rechts gemacht ist (1Mo 1:26; Ps 37:28; Mal 2:17), ein Rechtsempfinden (Jes 58:2; Rö 2:13-15). Jehovas erster Urteilsspruch zur Durchsetzung des Rechts erging an das erste Menschenpaar und an die Schlange, durch die der Teufel sprach. Die Strafe für den Ungehorsam gegenüber Gott, der einer Rebellion gegen die Souveränität des Herrschers des Universums gleichkam, war der Tod (1Mo 2:17). Später erkannte Kain, der wusste, dass der Mensch ein Rechtsempfinden besitzt, dass man versuchen würde, ihn zu töten, um den Mord an seinem Bruder Abel zu rächen. Aber Jehova gab niemandem die Anweisung oder die Befugnis, Kain hinzurichten, sondern behielt sich das Recht vor, die Strafe selbst zu vollstrecken. Das tat er auch, als er Kains Geschlechtslinie bei der Sintflut beendete (1Mo 4:14, 15). Etwa 700 Jahre vor der Sintflut verkündete Henoch Gottes bevorstehendes Gericht an denen, die gottlose Taten begangen hatten (1Mo 5:21-24; Jud 14, 15).

Nach der Flut. Nach der Flut erließ Gott weitere Gesetze; u. a. erlaubte er dem Menschen zum ersten Mal, die Strafe für Mord zu vollstrecken (1Mo 9:3-6). Später sagte Jehova von Abraham: „Denn ich bin mit ihm bekannt und vertraut geworden, damit er seinen Söhnen und seinen Hausgenossen nach ihm gebiete, auf dass sie Jehovas Weg einhalten, um Gerechtigkeit und Recht zu üben“ (1Mo 18:19). Daraus ist ersichtlich, dass die patriarchalische Gesellschaft unter dem ihr bekannten Gesetz Gottes stand.

Jehova offenbarte seine Ansicht über Ehebruch und die Strafe dafür, als er zu Abimelech sagte, er sei so gut wie tot, weil er Sara genommen habe und sie zu seiner Frau machen wolle (Abimelech wusste allerdings nicht, dass sie Abraham gehörte) (1Mo 20:2-7). Da auf Hurerei das Todesurteil stand, verurteilte Juda Tamar zum Tode (1Mo 38:24).

Gottes Gesetz für Israel. Als die Israeliten als Nation organisiert wurden, wurde Gott ihr König, Gesetzgeber und Richter (Jes 33:22). Er gab ihnen die „Zehn Worte“ oder „Zehn Gebote“, wie sie häufig genannt werden, in denen er die Grundsätze darlegte, auf die sich die Sammlung von ungefähr 600 anderen Gesetzen stützte. Er begann die „Zehn Worte“ mit dem Ausspruch: „Ich bin Jehova, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten ... herausgeführt habe“ (2Mo 20:2). Das ist der Hauptgrund, weshalb die Israeliten dem ganzen Gesetz gehorchen sollten. Ungehorsam war nicht nur eine Verletzung des Gesetzes des Staatsoberhauptes, sondern auch eine Beleidigung des religiösen Oberhauptes, ihres Gottes, und Gotteslästerung war Majestätsbeleidigung, Hochverrat.

Unter dem mosaischen Gesetz fanden die gleichen Grundsätze Anwendung, die auch für die patriarchalische Gesellschaft bestimmend gewesen waren. Das mosaische Gesetz war allerdings viel ausführlicher und behandelte alle Bereiche des menschlichen Lebens. Das gesamte im Pentateuch enthaltene Gesetz war ein so hoher Sittenmaßstab, dass jeder Mensch, der sich bemühte, das ganze Gesetz zu halten, feststellen musste, dass es ihn der Sünde und Unvollkommenheit überführte. Der Apostel Paulus schreibt: „Das Gebot ist heilig und gerecht und gut.“ „Das GESETZ [ist] geistig.“ „Es wurde hinzugefügt, um Übertretungen offenbar zu machen“ (Rö 7:12, 14; Gal 3:19). Im ganzen Gesetz Gottes für Israel waren die Grundsätze und offiziellen Entscheidungen Jehovas verankert; dabei handelte es sich nicht lediglich um eine Sammlung von Rechtsfällen, die hätten entstehen können oder die bereits entstanden waren.

Die Strafen unter dem mosaischen Gesetz bewirkten somit, dass Sünde als „weit sündhafter“ aufgezeigt wurde (Rö 7:13). Das Gesetz der Vergeltung, bei dem Gleiches mit Gleichem vergolten wurde, stellte einen absolut gerechten Maßstab dar. Das mosaische Gesetz förderte den Frieden und die Ruhe der Nation, bewahrte die Israeliten vor Unglück, wenn sie gehorchten, und schützte den Einzelnen vor Straftätern, denn wenn jemandes Eigentum gestohlen oder zerstört worden war, erhielt er eine Entschädigung.

In den in 2. Mose 20 und 5. Mose 5 aufgezeichneten Zehn Geboten wird nicht die Strafe für jeden Rechtsbruch ausdrücklich erwähnt. Doch die Strafen sind an anderen Stellen genau dargelegt. Auf einen Verstoß gegen die ersten sieben Gebote stand die Todesstrafe. Die Strafe für Diebstahl bestand darin, dass dem Bestohlenen Ersatz geleistet werden musste; wer als falscher Zeuge auftrat, wurde mit Vergeltung bestraft. Dem letzten Gebot, dem Verbot gegen habsüchtige oder sündhafte Begierde, konnten die Richter keine Geltung verschaffen. Es übertraf von Menschen gemachte Gesetze insofern, als es jeden Menschen zu seinem eigenen geistigen Polizisten machte und die Ursachen für die Verletzung aller Gebote aufzeigte. Wenn jemand eine sündhafte Begierde hegte, äußerte sich das schließlich in einer Verletzung eines der anderen neun Gebote.

Schwere Verbrechen unter dem Gesetz. Kapitalverbrechen. Unter dem mosaischen Gesetz war für folgende Verbrechen die Todesstrafe vorgeschrieben: 1. Gotteslästerung (3Mo 24:14, 16, 23); 2. Anbetung irgendeines anderen Gottes als Jehova, jede Form des Götzendienstes (3Mo 20:2; 5Mo 13:6, 10, 13-15; 17:2-7; 4Mo 25:1-9); 3. Zauberei, Spiritismus (2Mo 22:18; 3Mo 20:27); 4. falsches Prophezeien (5Mo 13:5; 18:20); 5. Brechen des Sabbats (4Mo 15:32-36; 2Mo 31:14; 35:2); 6. Mord (4Mo 35:30, 31); 7. Ehebruch (3Mo 20:10; 5Mo 22:22); 8. wenn eine Frau fälschlicherweise behauptete, zur Zeit der Eheschließung eine Jungfrau gewesen zu sein (5Mo 22:21); 9. Geschlechtsbeziehungen mit einem verlobten Mädchen (5Mo 22:23-27); 10. Blutschande (3Mo 18:6-17, 29; 20:11, 12, 14); 11. Homosexualität (3Mo 18:22; 20:13); 12. Sodomie (3Mo 18:23; 20:15, 16); 13. Menschenraub (2Mo 21:16; 5Mo 24:7); 14. Schlagen oder Beschimpfen eines Elternteils (2Mo 21:15, 17); 15. falsches Zeugnis ablegen in einem Fall, in dem die Strafe für den Angeklagten der Tod wäre (5Mo 19:16-21); 16. wenn sich ein Unbefugter der Stiftshütte näherte (4Mo 17:13; 18:7).

In vielen Fällen lautete die Strafe ‘Abschneidung’, die gewöhnlich durch Steinigung vollzogen wurde. Diese Strafe war nicht nur für willentliches Sündigen und schimpfliches, respektloses Reden über Jehova vorgeschrieben (4Mo 15:30, 31), sondern auch für viele andere Vergehen, beispielsweise für das Versäumnis, sich beschneiden zu lassen (1Mo 17:14; 2Mo 4:24); die willentliche Nichtbeachtung der Passahfeier (4Mo 9:13); die Missachtung des Sühnetages (3Mo 23:29, 30); die Verwendung des heiligen Salböls für gewöhnliche Zwecke (2Mo 30:31-33, 38); das Essen von Blut (3Mo 17:10, 14); das Essen eines Schlachtopfers, wenn man unrein war (3Mo 7:20, 21; 22:3, 4, 9); das Essen von gesäuertem Brot beim Fest der ungesäuerten Brote (2Mo 12:15, 19); die Darbringung eines Opfers an einem anderen Ort als in der Stiftshütte (3Mo 17:8, 9); das Essen von einem Gemeinschaftsschlachtopfer noch am dritten Tag, nachdem es dargebracht worden war (3Mo 19:7, 8); das Versäumnis, sich zu reinigen (4Mo 19:13-20); das unberechtigte Anrühren heiliger Dinge (4Mo 4:15, 18, 20); Intimverkehr mit einer menstruierenden Frau (3Mo 20:18); das Essen des Fettes der Opfertiere (3Mo 7:25; siehe ABSCHNEIDUNG).

Im Gesetz vorgeschriebene Strafen. Durch Strafen unter dem Gesetz, das Jehova durch Moses gegeben hatte, sollte das Land in Gottes Augen rein erhalten und vor Verunreinigung geschützt werden; diejenigen, die abscheuliche Dinge verübten, wurden aus dem Volk entfernt. Die Strafen dienten außerdem als Abschreckung vor Verbrechen, förderten den Respekt vor der Heiligkeit des Lebens, vor dem Gesetz des Landes, dem Gesetzgeber, Gott, und vor dem Nächsten. Wenn die Nation dem Gesetz gehorchte, blieb sie vor wirtschaftlichen Fehlschlägen und dem moralischen Verfall mit seinen widerlichen Krankheiten sowie der damit verbundenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewahrt.

Das mosaische Gesetz schrieb keine barbarischen Bestrafungen vor. Niemand konnte wegen des Unrechts eines anderen bestraft werden. Die Grundsätze waren klar und deutlich dargelegt. Den Richtern wurde die Freiheit eingeräumt, jeden Fall aufgrund des vorliegenden Tatbestandes zu behandeln und die Umstände sowie die Motive und die Einstellung des Angeklagten zu prüfen. Es musste ganz genau nach dem Recht verfahren werden (Heb 2:2). Ein willentlicher Mörder hatte keine Möglichkeit, der Todesstrafe durch irgendeine Geldzahlung zu entgehen (4Mo 35:31). Ein unabsichtlicher Totschläger konnte in eine der vorgesehenen Zufluchtsstädte fliehen. Da er sich nur innerhalb der Grenzen der Stadt aufhalten durfte, war er gezwungen, zu erkennen, dass das Leben heilig ist und dass sogar unabsichtlicher Totschlag nicht leichtgenommen werden durfte, sondern man einen gewissen Ersatz dafür leisten musste. Doch da er in der Zufluchtsstadt produktive Arbeit verrichtete, war er für die Allgemeinheit keine finanzielle Bürde (4Mo 35:26-28).

Die Strafmaßnahmen für Vergehen hatten den Zweck, dem Bestohlenen oder jemandem, dessen Eigentum beschädigt worden war, eine Entschädigung und einen Schadenersatz zukommen zu lassen. Wenn der Dieb nicht in der Lage war, den festgesetzten Betrag zu bezahlen, konnte er entweder an das Opfer oder an eine andere Person als Sklave verkauft werden; auf diese Weise wurde das Opfer entschädigt, und der Verbrecher musste für seinen Unterhalt aufkommen, sodass er dem Staat nicht zur Last fiel, wie es bei Gefängnisstrafen der Fall ist. Diese Gesetze waren gerecht und dienten dazu, den Verbrecher zu rehabilitieren (2Mo 22:1-6).

Unter dem mosaischen Gesetz wurde die Todesstrafe durch Steinigen vollzogen (3Mo 20:2, 27). Gelegentlich gebrauchte man das Schwert, besonders bei der Hinrichtung einer großen Anzahl von Personen (2Mo 32:27; 1Kö 2:25, 31, 32, 34). Wurde eine Stadt abtrünnig, mussten alle in der Stadt durch das Schwert der Vernichtung geweiht werden (5Mo 13:15). In 2. Mose 19:13 wird angedeutet, dass man die Todesstrafe zuweilen durch Speer, Lanze oder möglicherweise Pfeile vollstreckte. (Siehe 4. Mose 25:7, 8.) Es ist zwar auch vom Enthaupten die Rede, aber es könnte sein, dass man die Hinrichtung auf andere Weise durchführte und die Leiche dann enthauptete (2Sa 20:21, 22; 2Kö 10:6-8). Bei besonders abscheulichen Verbrechen schrieb das mosaische Gesetz Verbrennen und Aufhängen vor (3Mo 20:14; 21:9; Jos 7:25; 4Mo 25:4, 5; 5Mo 21:22, 23). Diese Urteilssprüche wurden erst vollzogen, nachdem eine Person zu Tode gebracht worden war, wie aus den zitierten Schriftstellen deutlich hervorgeht.

In der Regel richtete man Kriegsgefangene durch das Schwert hin, wenn sie zu denen gehörten, die auf Gottes Befehl hin der Vernichtung geweiht werden sollten (1Sa 15:2, 3, 33). Andere, die sich ergaben, wurden Zwangsarbeiter (5Mo 20:10, 11). Ältere Übersetzungen geben 2. Samuel 12:31 so wieder, dass es den Anschein hat, David habe die Bewohner Rabbas von Ammon gequält, aber aus heutigen Übersetzungen geht hervor, dass er sie lediglich zu Zwangsarbeitern machte. (Siehe EÜ, Lu, NW.)

Das Gesetz schrieb nicht vor, jemanden von einem Felsen oder einer Höhe hinunterzustürzen, aber König Amazja von Juda verhängte diese Strafe über 10 000 Männer von Seir (2Ch 25:12). Dasselbe wollten die Bewohner Nazareths mit Jesus tun (Luk 4:29).

Wenn jemand absichtlich verletzt worden war, wurde durch das Gesetz der Vergeltung, bei dem Gleiches mit Gleichem vergolten wurde, der Gerechtigkeit völlig entsprochen (5Mo 19:21). Es wird mindestens von einem Fall berichtet, bei dem man diese Bestrafung anwandte (Ri 1:6, 7). Aber die Richter mussten aufgrund des Beweismaterials entscheiden, ob das Verbrechen absichtlich, aus Fahrlässigkeit, unabsichtlich oder aus einem anderen Grund begangen worden war. Eine Ausnahme in dem Gesetz der Vergeltung bildete das Gesetz, das eine Situation behandelte, in der eine Frau versuchte, ihrem Mann während eines Streites zu helfen, indem sie die Geschlechtsteile des anderen Mannes ergriff. In diesem Fall wurden nicht ihre Fortpflanzungsorgane zerstört, sondern wurde ihre Hand abgehauen (5Mo 25:11, 12). Dieses Gesetz zeigt deutlich Gottes Achtung vor den Fortpflanzungsorganen. Da die Frau außerdem das Eigentum eines Mannes war, berücksichtigte dieses Gesetz barmherzigerweise das Recht des Mannes, von seiner Frau Kinder zu haben.

Die Mischna erwähnt vier gerichtliche Todesstrafen: Steinigung, Verbrennung, Enthauptung und Erdrosselung. Doch die letzten drei wurden vom Gesetz weder gebilligt noch geboten. Die in der Mischna vorgeschriebenen Todesstrafen gehören zu den Überlieferungen, die hinzugefügt worden waren, wodurch das Gebot Gottes übertreten wurde (Mat 15:3, 9). Hier ein Beispiel, das zeigt, zu welch grausamen Methoden sich die Juden beim Vollzug der Todesstrafe durch Verbrennung hinreißen ließen: „Verfahren in Bezug auf die Verbrannten: Man versenkte ihn in Mist bis zu den Knien und legte ein hartes Tuch in ein weiches und wickelt es ihm um den Hals. Der eine [Zeuge] zieht es an sich und der andere zieht es an sich, bis er seinen Mund öffnet, und man macht das Blei [wtl. „Docht“. Nach Gemara (52a): „eine Bleistange“] heiß, gießt es ihm in den Mund, sodass es ihm in die Gedärme fährt und ihm die Gedärme versengt“ (Die Mischna, Sanhedrin 7:2, übersetzt von S. Krauß, 1933, S. 209, 211).

Da das Leben des Menschen schon immer durch Gesetze geregelt worden ist – sei es durch göttliche Gesetze oder durch das von Gott eingepflanzte Gesetz des Gewissens –, kann man sagen, je enger sich Menschen an die wahre Anbetung hielten, desto vernünftiger und humaner waren die in ihren Gesetzen vorgeschriebenen Strafen, und je weiter sie von der wahren Anbetung abwichen, desto mehr wurde ihr Gerechtigkeitssinn verdorben. Das wird deutlich, wenn man die Gesetze der Völker des Altertums mit denen der Israeliten vergleicht.

Bei den Ägyptern. Über die Strafen, die die Ägypter verhängten, ist nur wenig bekannt. Sie wandten Schlagen an (2Mo 5:14, 16), Ertränken (2Mo 1:22), Enthaupten, worauf der Leichnam an einen Stamm gehängt wurde (1Mo 40:19, 22), Hinrichtung durch das Schwert, auch Gefängnisstrafe (1Mo 39:20).

Bei den Assyrern. Im Assyrischen Reich fielen die Strafen sehr hart aus. Zu den Strafformen gehörten die Todesstrafe, die Verstümmelung (z. B. durch das Abschneiden der Ohren, der Nase, der Lippen oder durch Kastration), die Aufpfählung, die Verweigerung des Begräbnisses, Stockschläge, das Zahlen einer gewissen Menge Blei und das Leisten von Fronarbeit für den König. Unter dem assyrischen Gesetz wurde ein Mörder dem nächsten Verwandten des Ermordeten ausgeliefert, und er durfte entscheiden, ob er den Mörder zu Tode bringen oder seinen Besitz nehmen wollte. Das konnte zu tödlichen Fehden führen, denn diese Angelegenheit wurde kaum überwacht, und es gab keine Zufluchtsstädte wie in Israel. Die Bestrafung für Ehebruch wurde dem Ehemann überlassen. Er konnte seine Frau töten, verstümmeln oder sonst wie nach eigenem Ermessen bestrafen, oder er konnte sie straffrei lassen. Mit dem Ehebrecher musste er genauso verfahren wie mit ihr. Vielen Kriegsgefangenen wurde bei lebendigem Leib die Haut abgezogen, die Zunge herausgerissen, oder sie wurden geblendet; man pfählte oder verbrannte sie, oder man tötete sie auf andere Weise.

Bei den Babyloniern. Der Kodex Hammurabi (so genannt, aber kein Kodex, wie ihn heutige Rechtsgelehrte definieren) beruht anerkanntermaßen auf einer älteren Gesetzgebung und ist eine „Fallsammlung“ oder eine Sammlung von Rechtssätzen auf Tontafeln, die später (vielleicht in einer anderen Schreibweise) auf eine Stele, die im Marduktempel in Babylon stand, kopiert wurden. Wahrscheinlich waren auch noch in anderen Städten Kopien vorhanden. Später nahm ein Eroberer diese Stele mit nach Susa, wo man sie 1902 entdeckte.

War der Kodex Hammurabi ein Vorläufer des mosaischen Gesetzes?

Im Gegensatz zum mosaischen Gesetz versucht der Kodex nicht, Grundsätze festzulegen. Stattdessen diente er anscheinend dem Zweck, den Richtern eine Hilfe beim Entscheiden gewisser Fälle zu bieten, indem er Präzedenzfälle beschreibt oder frühere Entscheidungen abändert, um zu zeigen, wie in künftigen Fällen vorgegangen werden sollte. Er setzt z. B. keine Strafe für Mord fest, weil es dafür und zweifellos auch für andere übliche Verbrechen bereits eine anerkannte Strafe gab. Hammurabi versuchte nicht, alle Bereiche des Gesetzes zu erfassen. Die Regeln des „Kodexes“ beginnen meistens mit der Formel „Gesetzt, ein Mann hat ...“ Weil sich der Kodex auf spezielle Fälle bezieht, statt Grundsätze aufzustellen, zeigt er nur, welches Urteil bei einem bestimmten Sachverhalt gefällt werden muss. Er beruht hauptsächlich auf bereits existierenden Gesetzen und geht lediglich auf Einzelheiten ein, um bestimmte schwierige Situationen zu behandeln, die in der babylonischen Gesellschaftsordnung der damaligen Zeit häufig vorkamen.

In keiner Weise war der Kodex Hammurabi der Vorläufer des mosaischen Gesetzes. Zum Beispiel gab es im Kodex Hammurabi eine „milde“ Strafe. Eine Regel lautet: „Gesetzt, ein Baumeister hat für einen Mann ein Haus gebaut, hat sein Werk (aber) nicht festgemacht, und das Haus, das er gemacht hat, ist eingefallen und hat ... ein Kind des Eigentümers des Hauses getötet, so wird man ein Kind jenes Baumeisters töten.“ Demgegenüber heißt es in dem Gesetz, das Gott durch Moses übermittelte: „Väter sollten nicht wegen der Kinder zu Tode gebracht werden, und Kinder sollten nicht wegen der Väter zu Tode gebracht werden“ (5Mo 24:16). Die Strafe für den Diebstahl von Wertgegenständen war im Allgemeinen nicht Schadenersatz, wie im mosaischen Gesetz, sondern Tod. In gewissen Fällen verlangte man, dass der Dieb bis zu 30-fachen Ersatz leistete. War er zahlungsunfähig, brachte man ihn zu Tode. Nebukadnezar ließ manche in Stücke hauen oder auch verbrennen, wie im Fall der drei jungen Hebräer, die er lebendig in einen überhitzten Ofen werfen ließ (Da 2:5; 3:19, 21, 29; Jer 29:22).

Bei den Persern. Unter Darius, dem Meder, wurde Daniel verurteilt, in eine Löwengrube geworfen zu werden, und seinen Falschanklägern wurde dadurch vergolten, dass sie, ihre Söhne und ihre Frauen auf diese Weise sterben mussten (Da 6:24). In späterer Zeit teilte König Artaxerxes von Persien Esra mit, dass er an jedem, der nicht ein Täter des Gesetzes seines Gottes oder des Königs sei, Gericht üben könne, „es sei zum Tode oder zur Verbannung oder zur Geldbuße oder zum Gefängnis“ (Esr 7:26). Ahasverus ließ Haman an einen 50 Ellen (22 m) hohen Stamm hängen. Auch die beiden Türhüter, die dem König nach dem Leben trachteten, wurden gehängt (Est 7:9, 10; 2:21-23).

Es sind einige Tafeln mit Gesetzen gefunden worden, die von Darius I. von Persien erlassen wurden. Darin waren für jemand, der einen anderen mit einer Waffe angegriffen und ihn verletzt oder getötet hatte, 5 bis 200 Peitschenhiebe als Strafe vorgeschrieben. Manchmal wurde auch jemand mit Pfählung bestraft. Gemäß dem, was griechische Schriftsteller über das persische Recht schrieben, zogen Vergehen gegen den Staat, den König, seine Familie oder seinen Besitz in der Regel die Todesstrafe nach sich. Dieser Strafvollzug war oft grausam. Über die Ahndung gewöhnlicher Straftaten weiß man nicht sehr viel, aber die Verstümmelung der Hände oder der Füße und die Blendung schienen eine häufige Strafform gewesen zu sein.

Bei anderen Völkern in und um Palästina. Abgesehen von Israel, wandten die Völker im Land der Verheißung und die umliegenden Nationen die Gefängnisstrafe an, banden Straftäter mit Fesseln, verstümmelten oder blendeten sie, Kriegsgefangene töteten sie mit dem Schwert, Schwangere schlitzten sie auf, und ihre Kinder zerschmetterten sie an einer Mauer oder an einem Stein (Ri 1:7; 16:21; 1Sa 11:1, 2; 2Kö 8:12).

Bei den Römern. Außer der Hinrichtung durch das Schwert, wozu auch das Enthaupten gehörte (Mat 14:10), waren folgende Strafen üblich: Schläge; Geißelung mit einer Peitsche, an der manchmal Knochen, schwere Metallstücke oder Haken befestigt waren; Erhängen; Hinunterwerfen von einem hohen Felsen; Ertränken; jemanden wilden Tieren in der Arena aussetzen oder zum Gladiatorenkampf zwingen; Verbrennung. Gefangene wurden häufig in den Stock geschlossen (Apg 16:24) oder an einen Wachtposten gekettet (Apg 12:6; 28:20). Aufgrund der Lex Valeria und der Lex Porcia konnten römische Bürger einer Auspeitschung entgehen – nach der Lex Valeria durch Berufung auf das Volk, nach der Lex Porcia auch ohne eine solche Berufung.

Bei den Griechen. Die Griechen wandten in vielen Fällen dieselben Strafen an wie die Römer. Verbrecher wurden von einem Felsen in einen Schacht hinabgestürzt, zu Tode geprügelt, ertränkt, vergiftet oder mit dem Schwert getötet.

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