Wie komme ich mit dem Tod von Mama oder Papa klar?
KAPITEL 16
Wie komme ich mit dem Tod von Mama oder Papa klar?
Selbst wenn in diesem Kapitel hauptsächlich von Vater oder Mutter die Rede ist, treffen die Aussagen auch zu, wenn ein naher Angehöriger oder guter Freund gestorben ist.
„Als meine Mama gestorben ist, hab ich mich total alleingelassen und leer gefühlt. Sie war immer diejenige, die unsere Familie zusammengehalten hat“ (Karyn).
ES GIBT wohl kaum etwas Schlimmeres, als seinen Vater oder seine Mutter durch den Tod zu verlieren. Wahrscheinlich wirst du von Gefühlen hin- und hergeworfen, wie du sie noch nie hattest. Brian war 13, als sein Vater an einem Herzinfarkt starb. Er
sagt: „An dem Abend haben wir die ganze Zeit nur geweint und uns in den Armen gelegen.“ Natalie war erst 10, als ihr Vater an Krebs starb. Sie erzählt: „Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Eigentlich hab ich gar nichts gefühlt. Ich war einfach nur leer.“Jeder reagiert anders auf den Tod. In der Bibel steht, dass jeder „seine eigene Plage und seinen eigenen Schmerz“ hat (2. Chronika 6:29). Denk einmal kurz darüber nach, welche Reaktionen der Tod bei dir ausgelöst hat. Hier kannst du aufschreiben, 1. wie du dich gefühlt hast, als die traurige Nachricht kam, und 2. wie es dir jetzt geht. *
1. ․․․․․․
2. ․․․․․․
An dem, was du geschrieben hast, erkennst du möglicherweise, dass du bis zu einem gewissen Grad dein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hast. Das ist auch ganz normal so. Es bedeutet nicht, dass du deine Mutter oder deinen Vater vergessen hast. Oder aber an deinen
Gefühlen hat sich nichts geändert und sie sind sogar noch intensiver geworden. Empfindest du deine Trauer wie Wellen, die rauf- und runtergehen und dann plötzlich ans Ufer krachen? Auch das ist normal — selbst wenn es noch Jahre später so ist. Wie kannst du mit solchen oder ähnlichen Gefühlen klarkommen?Die Tränen nicht unterdrücken. Weinen macht die Trauer und den Schmerz erträglicher. Aber vielleicht geht es dir wie Alicia. Sie hat mit 19 ihre Mutter verloren und erzählt: „Ich hatte Angst, die anderen könnten denken, ich habe zu wenig Glauben, wenn ich andauernd weine.“ Jesus Christus war ein vollkommener Mensch mit einem starken Glauben. Trotzdem „brach [er] in Tränen aus“, als er nach dem Tod seines lieben Freundes Lazarus die Trauernden sah (Johannes 11:35). Hab also keine Angst, deinen Tränen freien Lauf zu lassen. Es bedeutet nicht, dass du zu wenig Glauben hast. Alicia sagt: „Irgendwann hab ich dann doch geweint. Viel geweint. Jeden Tag.“ *
Sich mit Schuldgefühlen auseinandersetzen. Karyn war 13, als ihre Mutter starb. Sie erzählt: „Ich bin jeden Abend zu meiner Mama hochgegangen und hab ihr einen Gutenachtkuss gegeben. Einmal hab ich es nicht gemacht. Am nächsten Morgen war sie tot. Es klingt vielleicht komisch, aber ich fühle mich schuldig, weil ich an dem Abend vorher und auch am nächsten Morgen nicht nach ihr geschaut hab. Mein Papa ist auf Geschäftsreise gegangen und hat meiner Schwester und mir gesagt, wir sollen nach Mama schauen. Aber wir haben länger geschlafen. Als ich ins Schlafzimmer gegangen bin, hat sie nicht mehr geatmet. Ich hab mich so schrecklich gefühlt, weil ja noch alles in Ordnung war, als mein Papa weggefahren ist.“
Plagen dich auch Schuldgefühle, weil du denkst, du hast irgendetwas zu tun versäumt? Machst du dir das Leben schwer, weil du dir ständig vorwirfst: „Hätte ich doch nur ...“? „Hätte ich meinen Papa doch nur überredet, zum Arzt zu gehen!“ „Hätte ich doch nur eher nach Mama geschaut!“ Es ist ganz normal, sich Vorwürfe zu machen, wenn man das Gefühl hat, etwas versäumt zu haben. Tatsache ist: Wenn du gewusst hättest, was passieren wird, hättest du es anders gemacht. Aber du hast es nicht gewusst. Deswegen brauchst du keine Schuldgefühle zu haben. Du kannst nichts für den Tod deines Vaters oder deiner Mutter! *
Sprüche 12:25 steht: „Das gute Wort erfreut.“ Wer sich in seine eigene Welt verkriecht, kann die Trauer nur schwer verarbeiten. Sprich deshalb mit jemandem, dem du vertraust, über deine Gefühle. Vielleicht hat er gerade dann, wenn du es am meisten brauchst, ein „gutes Wort“ für dich.
Über seine Gefühle reden. InRede mit Gott. Schütte Jehova dein Herz aus; danach wirst du dich wahrscheinlich viel besser fühlen (Psalm 62:8). Das Gebet ist nicht einfach eine „Bewältigungsstrategie“, sondern du wendest dich dabei an den „Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Drangsal“ (2. Korinther 1:3, 4). Gott gibt uns zum Beispiel Trost aus seinem Wort, der Bibel (Römer 15:4). Vielleicht könntest du ja eine Liste mit tröstenden Bibelstellen griffbereit haben. *
Die Trauer verschwindet nicht über Nacht. Aber wenn du intensiv über das nachdenkst, was Gott uns verspricht, wirst du merken, dass du deine Trauer besser verarbeiten kannst. Jehova sichert uns nämlich zu, dass in der neuen Welt „der Tod ... nicht mehr sein [wird], noch wird Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein“ (Offenbarung 21:3, 4).
[Fußnoten]
^ Abs. 6 Falls dir das im Moment noch zu schwerfällt, kannst du es zu einem späteren Zeitpunkt versuchen.
^ Abs. 10 Du brauchst aber auch nicht zu denken, du musst weinen. Jeder trauert anders. Doch wenn du das Gefühl hast, dass dir die Tränen kommen, dann ist wahrscheinlich „eine Zeit zum Weinen“ da (Prediger 3:4).
^ Abs. 12 Falls du diese Gedanken nicht loswirst, solltest du mit dem noch lebenden Elternteil oder einem anderen Erwachsenen darüber reden. Mit der Zeit wirst du die Dinge ausgeglichener sehen.
^ Abs. 14 Hier eine Auswahl von Bibelstellen, die schon vielen Trost gegeben haben: Psalm 34:18; 102:17; 147:3; Jesaja 25:8; Johannes 5:28, 29.
BIBELTEXT
„[Gott] wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen“ (Offenbarung 21:4)
TIPP
Führe ein Tagebuch. Du kannst deine Trauer wahrscheinlich besser verarbeiten, wenn du deine Gedanken und Gefühle aufschreibst.
HAST DU GEWUSST ...?
Weinen ist kein Zeichen von Schwäche. Selbst gestandene Männer wie Abraham, Joseph und David weinten, als sie um jemanden trauerten (1. Mose 23:2; 50:1; 2. Samuel 1:11, 12; 18:33).
DAS HABE ICH FEST VOR!
Wenn ich mich von meiner Trauer erdrückt fühle, werde ich ․․․․․․
Meinen Vater oder meine Mutter möchte ich dazu fragen: ․․․․․․
WAS DENKST DU?
● Warum ist es gut, schöne Erinnerungen wachzuhalten?
● Warum kann es dir helfen, deine Gefühle aufzuschreiben?
[Herausgestellter Text auf Seite 112]
„Ich hab alle meine Gefühle für mich behalten. Es wäre viel besser gewesen, wenn ich mehr darüber geredet hätte. Dann wäre ich besser damit klargekommen.” David
[Kasten/Bild auf Seite 113]
CHANTELLE
„Mein Papa war ungefähr fünf Jahre lang krank. Mit seiner Gesundheit ging es immer mehr bergab. Schließlich nahm er sich das Leben. Damals war ich 16. Über alles, was dann auf uns zukam, hielt Mama mich und meinen älteren Bruder auf dem Laufenden. Sogar bei den Vorbereitungen für die Beerdigung ließ sie uns mitentscheiden. Das hat es uns leichter gemacht. Ich denke, Kinder möchten nicht, dass man alles von ihnen fernhält — schon gar nicht so wichtige Angelegenheiten. Mit der Zeit konnte ich offener über den Tod von Papa reden. Jedes Mal wenn ich mit den Tränen zu kämpfen hatte, ging ich zu einer Freundin oder irgendwo anders hin und weinte. Ich kann nur sagen: Wenn du reden musst, dann geh zu deiner Familie oder zu deinen Freunden. Tu alles, was dir hilft, deine Trauer zu verarbeiten.”
[Kasten/Bild auf Seite 113, 114]
LEAH
„Mama hatte einen schweren Schlaganfall, als ich 19 war, und drei Jahre später starb sie. Danach hatte ich das Gefühl, dass ich stark sein muss. Das Letzte, was mein Papa jetzt gebrauchen konnte, war, dass ich zusammenbreche. Meine Mama war immer da, wenn ich krank war oder mich nicht wohlfühlte. Ich spüre immer noch, wie sie Johannes 5:28, 29). Wenn ich mir vorstelle, meine Mama wiederzusehen, und wenn ich mich auf das konzentriere, was ich tun muss, um das zu erleben, dann lässt der Schmerz etwas nach.”
mir die Hand auf die Stirn legt, um zu fühlen, ob ich Fieber habe. Oft werde ich schmerzlich daran erinnert, dass sie nicht mehr da ist. Eigentlich unterdrück ich meine Gefühle eher, aber das ist nicht gut. Also schau ich mir ab und zu Fotos an, damit ich weinen kann. Es hilft mir auch, mit Freunden zu sprechen und darüber nachzudenken, dass die Toten im Paradies ja wieder auferweckt werden ([Kasten/Bild auf Seite 114]
BETHANY
„Leider weiß ich nicht mehr, ob ich irgendwann mal zu Papa gesagt hab: ‚Ich hab dich lieb.‘ Bestimmt habe ich das gesagt, aber ich kann mich einfach nicht erinnern, und ich würde es doch so gern. Ich war erst 5, als er starb. Mein Papa bekam nachts einen Schlaganfall und wurde Hals über Kopf ins Krankenhaus gebracht. Als ich morgens aufwachte, erfuhr ich, dass er gestorben war. Für mich war es danach ganz schlimm, wenn von meinem Papa geredet wurde. Aber später hab ich gern zugehört, wenn Geschichten über ihn erzählt wurden. So konnte ich ihn wenigstens etwas besser kennenlernen. Jedem, der seine Mama oder seinen Papa verloren hat, kann ich nur empfehlen: Behalte die kostbaren Momente, die ihr zusammen hattet, immer in Erinnerung und schreib sie auf, damit sie lebendig bleiben. Und tu alles dafür, deinen Glauben zu stärken, damit du in Gottes neuer Welt dabei bist, wenn deine Mama oder dein Papa auferweckt wird.”
[Kasten auf Seite 116]
Arbeitsblatt
Schreib es auf
Halte einige schöne Erinnerungen an deinen Vater oder deine Mutter fest. ․․․․․․
Notiere dir, was du deiner Mutter oder deinem Vater noch gern gesagt hättest. ․․․․․․
Stell dir vor, du hättest jüngere Geschwister, die sich am Tod deines Vaters oder deiner Mutter mitschuldig fühlen. Schreib auf, wie du sie trösten könntest. (Das kann auch für dich eine Hilfe sein, mit den eigenen Schuldgefühlen fertigzuwerden.) ․․․․․․
Schreib zwei oder drei Fragen auf, die du deinem Vater oder deiner Mutter noch gern gestellt hättest. Versuch dann, mit dem noch lebenden Elternteil darüber zu sprechen. ․․․․․․
Lies Apostelgeschichte 24:15. Wie hilft dir die darin erwähnte Hoffnung, mit dem Tod von deiner Mutter oder deinem Vater klarzukommen? ․․․․․․
[Bild auf Seite 115]
Die Trauer kann dich plötzlich überkommen, wie eine Welle, die ans Ufer kracht