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Argentinien

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ARGENTINIEN kann man auf einer Amerikakarte leicht finden. Von allen südamerikanischen Ländern reicht es zusammen mit Chile am weitesten nach Süden, zur Antarktis hinab. Etwa 3 694 Kilometer weit erstreckt sich dieses Land von Norden nach Süden, und sein Klima, seine Topographie und sein Pflanzenwuchs sind daher recht unterschiedlich.

Der mittlere Teil Argentiniens besteht vorwiegend aus Präriegelände — den „Pampas“. Lange bewiesen dort die „Gauchos“ ihre Reitkunst, während sie die großen Rinderherden hüteten. Weit im Nordwesten finden wir wüstenartiges Tafelland. Im Nordosten, wo der Besucher von der Pracht der Iguaçufälle überwältigt ist, bedeckt dichter, feuchter Urwald das Land. Weiter im Süden kommt man durch das Tiefland von Entre Ríos buchstäblich: „Zwischen den Flüssen“ [Paraná und Uruguay]) und gelangt dann in fruchtbares, hügeliges Farmgebiet. Südlich der Pampas schließt sich das trockene Land Patagonien an; es reicht vom Río Colorado bis zur Magellanstraße; dieses Gebiet eignet sich gut für die Schafzucht.

Im Norden, entlang den Anden, stoßen wir auf viele Seen. San Carlos de Bariloche ist der Mittelpunkt einer Gegend, die man als die „Schweiz Südamerikas“ bezeichnet. Weiter im Norden liegt Mendoza und die Nachbarprovinz San Juan, Argentiniens Obst- und Weinland.

Solch ein Land mit seiner vielfältigen Schönheit hat eine Menge Einwanderer aus vielen Ländern Europas herbeigelockt; im Jahre 1970 betrachteten bereits 23 364 431 Personen Argentinien als ihre Heimat. So vielen Menschen wollte Jehova Gott seine Verkündigung des Friedens, die gute Botschaft von seinem unter Christus Jesus stehenden Königreich, nicht vorenthalten, und er enthielt sie ihnen auch nicht vor. Im Jahre 1924 wurde damit begonnen, seine Botschaft von den zu erwartenden guten Dingen in diesem riesigen Land zu predigen.

KLEINE ANFÄNGE

Bei diesen Anfängen spielte John Muñiz, ein treuer Christ und tätiger Zeuge Jehovas, eine wichtige Rolle, und er hatte bis zu seinem Tode am 10. September 1967 viel mit den Königreichsinteressen in Argentinien zu tun. Während jener dreiundvierzig Jahre hat er seine Zeit, seine Kraft und seine Mittel eingesetzt, um die wahre Anbetung auszubreiten. Gemäß seinem eigenen Bericht (siehe Wachtturm, 1965, Seite 116—119) lernte er die biblische Wahrheit in Philadelphia (Pennsylvanien, USA) kennen, wo er sein eigenes Geschäft hatte. Das war im Jahre 1916. Im nächsten Jahr begann er die „gute Botschaft“ zu verkünden, und er ließ sich taufen. Im Jahre 1920 verkaufte er dann sein Geschäft, damit er dem Predigtdienst seine ganze Zeit widmen konnte.

J. F. Rutherford, der damalige Präsident der Watch Tower Society, bat ihn, nach Spanien zu gehen und sich dort um das Predigtwerk zu kümmern. Da er in Spanien ständig von der Polizei belästigt wurde, konnte er dort nicht viel ausrichten. Deshalb beauftragte ihn Bruder Rutherford im Jahre 1924, sich des Königreichswerkes in Argentinien anzunehmen. In Argentinien lebte damals bereits ein Mann, der aus den Vereinigten Staaten Literatur erhalten hatte; deshalb besuchte ihn Bruder Muñiz und führte ihn im Gebiet von Misiones, weit im Norden, in den Predigtdienst ein. (Siehe die Karte auf Seite 49.) Es war Bruder Kammerman.

In diesem Land gab es damals schon viele deutsch sprechende Einwohner. Deshalb bat Bruder Muñiz den Präsidenten, Bruder Rutherford, ihm einige deutsch sprechende Brüder zu senden. Daraufhin wurde dann im Jahre 1925 Carlos Ott, ein deutscher Pionier, dort eingesetzt.

Bruder Eduardo Adamson, der viele Jahre zusammen mit Bruder Muñiz gepredigt und mit ihm zusammen im Zweigbüro der Watch Tower Society gearbeitet hat, berichtet, wie vorbildlich Bruder Muñiz und Bruder Ott in unerschütterlicher Ergebenheit Jehova gedient haben. Er erzählt weiter: „Da Bruder Muñiz von niemandem unterstützt wurde, aber finanzielle Hilfe brauchte, schrieb er an die Gesellschaft in Brooklyn und bat um finanzielle Unterstützung. Das Geld wurde ihm auch telegrafisch überwiesen. Danach hat er dann nie wieder um Hilfe gebeten, denn er hatte sich entschlossen, es ohne finanzielle Unterstützung aus dem Ausland zu schaffen. Er hielt sich an seinen Entschluß, selbst wenn er bis spät in die Nacht hinein Armbanduhren, Wanduhren und Nähmaschinen reparieren mußte.“

Groß-Buenos Aires hatte damals knapp 2 000 000 Einwohner. Dies war der gegebene Ausgangspunkt für eine organisierte Tätigkeit, der Mittelpunkt, von dem sich das Königreichswerk bis in die entferntesten Teile des Landes sowie nach Uruguay, nach Paraguay und nach Chile ausdehnte. Bruder Ott erzählt uns, wie man damals vorging: „Schon um 4 Uhr morgens standen wir auf und arbeiteten die Häuser straßenweise durch und schoben Traktate unter die Türen, besonders das Traktat Wo sind die Toten? Etwas später am gleichen Tag sprachen wir dann in diesen Wohnungen vor und boten den Leuten unter anderem folgende Schriften an: Das Photo-Drama der Schöpfung, Der göttliche Plan der Zeitalter, Die Harfe Gottes und die Broschüre Kann man mit den Toten reden? Diese Broschüre war uns eine große Hilfe, denn der Spiritismus war in Buenos Aires weit verbreitet.

Den Personen, die die Zusammenkünfte der verschiedenen evangelischen Gemeinschaften besuchten, wurden, wenn sie aus ihren Andachtshäusern kamen, Traktate überreicht. Bruder Ott erinnert sich noch daran, wie „einer jener protestantischen Prediger herauskam und zu Bruder Muñiz sagte, wir hätten kein Recht, dort zu sein — er und seine Kirche seien zuerst dagewesen. Darauf erwiderte Bruder Muñiz schlagfertig: ,Vor Ihnen sind aber die Katholiken dagewesen und vor den Katholiken die Indianer! Dann haben auch Sie hier kein Recht!‘ “ Die Arbeit mit den Traktaten bewirkte, daß eine evangelische Gruppe zu wahren Bibelforschern wurde; in späteren Jahren bewiesen viele von ihnen, daß sie treue Diener Jehovas waren.

Eine weitere Möglichkeit, die Bevölkerung zu erreichen, war das Radio. Schon vor 1928 benutzte Bruder Muñiz dieses Mittel. Den Stoff lieferte das Büro in Brooklyn, und später enthielt die Zeitschrift Luz y Verdad, die spanische Ausgabe des Goldenen Zeitalters (jetzt Erwachet!), dann Artikel, die besonders für Radiosendungen bearbeitet worden waren. Aufnahmen der Vorträge Bruder Rutherfords verwandte man ebenfalls. In den 1930er Jahren benutzte man Radiostationen in Buenos Aires, Bahía Blanca und Córdoba; diese Radiosendungen bewirkten, daß sich viele Personen der Organisation anschlossen. Aber Anfang der 1940er Jahre schrieb Bruder Muñiz der Radiostation, wir würden diese Predigtmethode wegen der Zensur einstellen. Dem Zensurbüro gehörte nämlich ein Priester an.

ALLEN ARTEN VON MENSCHEN WURDE GEPREDIGT

Vom Jahre 1925 an predigte Bruder Ott der deutsch sprechenden Bevölkerung. Er besuchte deutsche Schulen und erhielt die Anschriften von deutschen Familien. Viele dieser Menschen lernten durch seine Tätigkeit die biblische Wahrheit kennen. „In zwei Monaten“, so berichtet er, „erhielten wir etwa 300 Anschriften; wir konnten viel Literatur abgeben und viele Abonnements für die deutsche Ausgabe des Goldenen Zeitalters aufnehmen. Selbst viele deutsch sprechende Juden nahmen Literatur entgegen.“ Einige Deutsche hatten bereits von Jehovas Vorhaben gehört, bevor sie nach Argentinien kamen, und einige von ihnen wurden in den Dienst eingeführt oder wurden wiederbelebt, als Bruder Muñiz oder Bruder Ott mit ihnen Verbindung aufnahm; zu ihnen gehörte Carlos Schwalm, der aus Ostpreußen stammte, und die Familie Kruger aus Südafrika. Bruder Ricardo Traub und Bruder Paul Hinderlich waren zwei weitere Deutsche, die die Wahrheit in Argentinien kennenlernten.

Da solch ein großer Teil der argentinischen Bevölkerung aus Europa stammt, war sie gegenüber denen, die aus anderen Ländern kamen, stets freundlich eingestellt. Diese ersten Verkündiger des Königreiches trafen aber auch einige sehr fanatische Katholiken an — 88 Prozent der Argentinier bekennen sich nämlich zum Katholizismus. Bruder Ott berichtet jedoch: „Dies ist zwar ein katholisches Land; aber die Geistlichen sind nicht immer hochgeachtet worden. Ich erinnere mich noch — es war, als Alvear Präsident war (1922 bis 1928, Angehöriger der Radikalen Partei) —, daß die Kinder, die auf den Straßen von Buenos Aires spielten, oft riefen, wenn sie einen Priester sahen: ,Klopft schnell auf Holz!‘ Dadurch wollten sie ausdrücken, daß ein Priester Unglück bringe und man, wenn man Glück haben wollte, auf Holz klopfen mußte.“

Bruder Ott erklärte auch warum so viele Einwohner dieses Landes so selbstzufrieden waren: ,Die Argentinier hatten nicht den schrecklichen Weltkrieg miterlebt; deshalb meinten sie, solches Elend könne ihnen nie widerfahren. Während des spanischen Bürgerkrieges hörte man oft, wie die Leute sagten: ,Von mir aus können sich die Spanier ruhig gegenseitig umbringen, das geht uns doch nichts an!‘ Sie waren davon überzeugt, daß ihnen nie solches Leid zustoßen würde.“

Abgesehen von einigem Interesse, das Bruder Muñiz 1925 auf seiner Rückreise von Paraguay in Paraná, Santa Fe und Rosario vorfand, und der Arbeit Bruder Kammermans in der Provinz Misiones, konzentrierte sich das Predigen und die Literaturverbreitung auf Buenos Aires und die umliegenden Städte. Hier wurde 1926 das Zweigbüro eröffnet, und Bruder Muñiz wurde Zweigdiener.

Im Jahre 1929 sandte Bruder Muñiz Bruder Traub nach Chile, damit er sich dort um das Königreichswerk kümmere. Unterwegs unterbrach Bruder Traub seine Fahrt kurz in Mendoza, um etwas zu predigen. Dort lernte dann die Familie Hermán Seegelken die Königreichshoffnung kennen. Hermán hatte anscheinend schon lange die Heuchelei in der katholischen und protestantischen Kirche erkannt; bereitwillig nahm er deshalb jetzt die Königreichsbotschaft an. Seine acht Kinder erhielten daher alle eine gute Grundlage biblischer Erkenntnis. Ihr Onkel, Lucidio Quintana, der oft gesagt hatte, die Seegelkens seien durch ihren neuen Glauben verrückt geworden, nahm später diesen „verrückten“ Glauben selbst an. Er war viele Jahre Aufseher der Versammlung und Pionierprediger und diente treu bis zu seinem Tod. Die Gruppe in Mendoza begann also mit den Seegelkens, den Truneckas und einigen anderen.

Gegen Ende der 1920er Jahre war der Kern der theokratischen Organisation gebildet worden. Gemäß den Informationen, die uns zur Verfügung stehen, gab es im Jahre 1925 in diesem Land e i n e n allgemeinen Pionier, und es wurden 2 681 Schriften abgegeben. Im Jahre 1928 gab es dort drei Pioniere und einunddreißig Versammlungsverkündiger, die ihre Tätigkeit berichteten. Ein großer Wirkungsbereich lag jetzt außerhalb der Weltstadt Buenos Aires vor ihnen — ein Gebiet von 2 776 655 Quadratkilometern, das zweitgrößte Land des südamerikanischen Erdteils!

PIONIERDIENST ENTLANG DER EISENBAHNLINIE

Obwohl das Land so groß war und obwohl es so wenige Arbeiter gab, war Jahre zuvor eine Grundlage gelegt worden, die bei der Ausbreitung des Werkes eine große Hilfe sein würde, besonders in den 1930er Jahren: der Bau von über 40 000 Kilometer Eisenbahnlinien. Dadurch erhielt Argentinien das umfassendste Streckennetz Lateinamerikas. Bereits im Jahre 1857 verkehrte von Buenos Aires aus der erste Zug auf einer kurzen Strecke, und in den nächsten Jahren dehnte sich das Streckennetz immer weiter aus. Diese Eisenbahnlinien dienten unseren Brüdern in dreifacher Hinsicht: Sie konnten selbst mit den Zügen fahren; mit den Zügen erhielten sie ständig neue Literatur, und die Strecken dienten ihnen, wie wir gleich sehen werden, als Gebiet. In den dreißiger Jahren kam es dann zu einer wunderbaren Zeit theokratischer Ausdehnung.

Bruder Adamson erklärt das folgendermaßen: „In jenen ersten Jahren führte man den Pionierdienst auf eine recht eigentümliche Weise durch. Die geographische Lage und das Wirtschaftssystem dieses Landes brachten es mit sich, daß die meisten Eisenbahnlinien von Buenos Aires aus in die verschiedenen Teile des Landes verliefen. Deshalb lagen die Pioniergebiete an diesen Eisenbahnlinien, denn sonst gab es damals kaum irgendwelche anderen Verkehrsmittel. Die Pioniere erhielten lange Streckenabschnitte als Gebiet zugeteilt, und dort mußten sie dann alle kleineren und größeren Städte bearbeiten; vielleicht wurde ihnen sogar die ganze Strecke zugeteilt. Manchmal hatten sie viele hundert Kilometer zurückgelegt, wenn sie ihre Arbeit beendet hatten. Sie reisten, wenn sie Geld hatten, in der zweiten Klasse, die mit harten Holzbänken ausgestattet war, oder aber auf flachen, offenen Güterwagen und nahmen ihre ganze Habe mit: einen Karton Literatur, einen Koffer und vielleicht ein Fahrrad.

Sie hatten es nicht leicht, und deshalb hatten wir Mitgefühl mit ihnen, und viele der Freunde taten ihr möglichstes und halfen ihnen mit Geld und Kleidung aus. Ich werde es nie vergessen, wie uns zumute war, als einer dieser Pioniere in der Stadt Santa Rosa (Provinz La Pampa) ermordet wurde. Bruder Rossi hatte einem Mann gepredigt, der sich dann entschuldigte und ins Haus ging, als ob er etwas Geld holen wollte, um die Literatur zu bezahlen. Aber er kam mit einer Pistole heraus. Bruder Rossi versuchte zu entkommen, wurde aber von hinten erschossen.“

Ein Abonnement auf die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter in Deutsch, das Bruder Ott aufnahm, bereitete José Reindl viel Freude. Er las, daß das Buch Licht in Deutsch erhältlich sei. „Und so kam ich in Argentinien zum erstenmal mit der Gesellschaft in Verbindung“, sagt Bruder Reindl. „Ich besuchte Bruder Muñiz in seiner Wohnung in der Calle Bonpland 1653, um mir dieses Buch zu holen“, fährt Bruder Reindl fort. „Er lud mich zu den Zusammenkünften ein, und im Jahre 1930 wurde ich ein Zeuge Jehovas. Ich wohnte bei Bruder Muñiz, nachdem ich von zu Hause fortgezogen war. Ich ging zum erstenmal in den Dienst, und als das nächste Gedächtnismahl stattfand, ließ ich mich taufen. Anfang 1933 wurde ich nach Mendoza gesandt, um dort als Kolporteur oder Vollzeitprediger die Königreichsbotschaft auszubreiten und um einer Gruppe von Interessierten beizustehen, die Bruder Traub gegründet hatte, als er nach Chile fuhr. Einer der Verkündiger, die Bruder Traub in den Dienst eingeführt hatte, war María Rosa Seegelken; damals war sie achtzehn Jahre alt. Zwei Jahre später heirateten wir, und am nächsten Tag schloß sie sich mir im Kolporteurdienst an.“

Bruder Reindl kann sich noch deutlich an diese Pionierzuteilung im Jahre 1935 erinnern. „Die Gesellschaft teilte uns die westliche Eisenbahnlinie zu, die in San Rafael (Provinz Mendoza) begann und in Suipacha (Provinz Buenos Aires) endete. Diese Strecke war über 1 000 Kilometer lang und durchquerte in gerader Linie den mittleren Teil Argentiniens; sie berührte kleine Ortschaften bis nach La Pampa hin. Damals wurde zum erstenmal in diesem Gebiet gepredigt; die Leute wußten nicht einmal, was eine Bibel ist, deshalb war es nicht leicht. Wir waren Vollzeitprediger, Sonderpioniere in jeder Hinsicht; aber damals gab es noch keine finanzielle Zuwendung, und wir mußten von dem leben, was wir für unsere Literatur erhielten. Doch wir freuten uns, daß wir mithelfen konnten, das Werk an jenen Orten auszubreiten; heute gibt es dort blühende Versammlungen. Ein ganzes Jahr brauchten wir, bis wir diese Eisenbahnlinie bearbeitet hatten.

Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir auf einer Farm im mittleren Teil des Landes vorsprachen und plötzlich ein Bulle hinter uns herjagte; aber wir gaben bei einem Ehepaar ein Buch ab. Viele Jahre später trafen wir dieses Ehepaar wieder, und die Schwester fragte uns: ,Kennt ihr uns noch?‘ Da erinnerten wir uns: Dieses Ehepaar hatten wir draußen auf dem Land, in der Nähe der kleinen Stadt Mercedes (Buenos Aires), getroffen. Jetzt sind sie Verkündiger, und die Freude, sie zu sehen, überzeugte uns, daß es sich gelohnt hatte, jenes erste Jahr in unserer Pionierzuteilung auszuharren. Nein, es war nicht einfach gewesen, in einer Stadt anzukommen und weder eine Schlafstelle noch etwas zu essen zu haben. Und wie oft mußten wir auf dem Fußboden des Bahnhofs oder in einem Schuppen schlafen, mit nur einigen Zeitungen als Matratze und als Decken! Doch als junger Mann von dreiundzwanzig und als junge Frau von zwanzig Jahren lernten wir, mit dem auszukommen, was wir besaßen; wir dienen immer noch als Pioniere, obwohl wir jetzt schon auf die Sechzig zugehen.

Die Arbeit bestand hauptsächlich darin, den Samen auszustreuen und jede Stadt gründlich mit Literatur durchzuarbeiten, dann fuhren wir mit dem Zug zur nächsten Stadt oder Haltestelle weiter. Einmal hatten wir nicht viel Literatur abgeben können. Es war eine kleine Siedlung, und die Leute waren sehr voreingenommen. Es gab dort einen Bahnhof, eine Polizeiwache, eine Gemischtwarenhandlung, eine Ziegenhürde und einige Häuser. Wir hatten nicht genug Geld, um zur nächsten Haltestelle weiterzufahren. Jehova verließ uns nicht; ein gutherziger Mann am Fahrkartenschalter gab uns die Fahrkarten, obwohl wir nicht genug Geld hatten, sie ganz zu bezahlen! Um Mitternacht kamen wir in Alberdi, der nächsten Stadt, an; aber dort hatten wir keine Stelle zum Schlafen, kein Geld, und wir hatten nichts gegessen; dann setzte noch ein Hagelsturm ein — die Lage sah wirklich nicht rosig aus! Wir verbrachten die Nacht in einem Schuppen und warteten auf den Morgen, damit wir Zeugnis geben und etwas abgeben konnten, um uns dann etwas zu essen zu kaufen. Es war nicht leicht, etwas abzugeben, denn damals, in den 1930er Jahren, herrschte in einigen Teilen Argentiniens große Armut.“

Schließlich hatten die Reindls dann im buchstäblichen Sinn des Wortes in Buenos Aires „die Endstation“ erreicht, und sie kehrten wieder nach Mendoza zurück. Bruder Trunecka hatte inzwischen, während Bruder Reindl fort war, die Gruppe geleitet, und die Familie Seegelken hatte weiter zum Wachstum beigetragen. Mary Seegelken erinnert sich an „das Wachtturm-Studium, das zwei Stunden dauerte, und an die heiße Schokolade und die Plätzchen, die es bei Truneckas nach jeder Zusammenkunft gab“. Sie fügt hinzu: „Wie meine Mutter sagte, bin ich sozusagen schon vor meiner Geburt predigen gegangen! Im Jahre 1932 gingen meine Mutter und einige andere aus Mendoza nach Luján de Cuyo, einer Stadt, die achtzehn Kilometer von Mendoza entfernt ist, um dort zu predigen. An diesem Tag legten sie eine große Strecke zu Fuß zurück, und als sie zurückkamen, war Mutter recht müde, denn sie war schließlich nicht allein — sie trug mich; einige Monate später wurde ich geboren. Ich erinnere mich noch daran, wie ich dann neunzehn Jahre später den gleichen Weg nach Luján de Cuyo ging, um mit einer Frau und ihrer Tochter zu studieren; sie sind heute noch treue Prediger.“

Nach der Rückkehr nach Mendoza gebar Schwester Reindl einen Sohn. Bruder Reindl erzählt uns freudig: „Unser Sohn ist in der Wahrheit erzogen worden, er ist Pionier und Kreisdiener gewesen, und jetzt da wir durch ihn Großeltern geworden sind, ist er Aufseher in einer Versammlung in Buenos Aires.“ Drei Monate nach der Geburt von Jorge wurden die Reindls in San Juan eingesetzt, einer Provinz, die an Mendoza grenzt. Das Kind erkrankte schwer, und die Ärzte sagten der Junge dürfe nur Eselsmilch bekommen. Schwester Reindl erinnert sich: „Kurz darauf kam jemand an unsere Tür, er wollte eine Eselin verkaufen — das war wie eine Antwort auf unser Gebet!“ Von San Juan aus reisten sie dann später nach La Rioja und Catamarca; sie streuten etwas Samen aus, aber es war ihnen fast unmöglich, dort zu arbeiten, weil die Polizei sie häufig belästigte. Als sie sich in Catamarca aufhielten, kam Bruder Armando Menazzis Gruppe von Córdoba auf der Durchreise nach Norden dorthin. Dann setzte die Gesellschaft die Reindls in Santa Fe ein. Hier lernten sie die Familie Angel Castagnola kennen, und ein Studium wurde begonnen. Bruder Reindl erzählt uns, was dann geschah: „Von Santa Fe aus gingen wir nach Paraná. Aber wir konnten einfach nicht von dem leben, was wir abgaben — wir brauchten Kleidung, und unser kleiner Junge benötigte passende Nahrung und Pflege. Mit Bedauern kehrten wir deshalb nach Mendoza zurück und gaben den Pionierdienst für vier Jahre auf.“

EIN ZEUGNIS FÜR GRIECHEN UND ANDERE

Anfang des Jahres 1930 kam ein Grieche zu einem Verständnis der biblischen Botschaft — Nicolás Argyrós. Er berichtet uns von seiner Freude und davon, wie er das, was er lernte, anderen weitererzählte: „Im Januar 1930 bekam ich drei Broschüren, Wohlfahrt sicher, Des Volkes Freund und Freiheit für die Völker, verfaßt von J. F. Rutherford. Dies war das erste Mal, daß ich Literatur las, die mich ansprach, weil sie die Wahrheit enthielt. Auf der Rückseite der Broschüren war ein Verzeichnis von Büchern und Broschüren, und so bestellte ich diese. Neunundzwanzig Tage später kam die Literatur an. Das erste, was ich las, war die Broschüre Die Hölle — Was ist sie? Wer ist dort? Können sie herauskommen? Ich schaute die ganze Broschüre durch, um Sünder zu finden, die geröstet wurden, so, wie es in anderen religiösen Büchern gewöhnlich dargestellt wurde, aber ich fand nichts dergleichen. Stellt euch meine Überraschung vor, als ich lernte, daß das Höllenfeuer eine religiöse Lüge war, erfunden, um die Menschen in Schrecken zu versetzen, so, wie sie mich in Schrecken versetzt hatte, als ich gerade fünfzehn Jahre alt war! Damals hütete ich allein die Schafe, und in einem Traum rannte der Teufel mit einer Gabel hinter mir her, geradeso wie er von der falschen Religion beschrieben wird. Ich erwachte zitternd. Die in der Broschüre dargelegten Argumente waren vernünftig und überzeugend. Sofort bat ich um weitere Schriften.

Ungefähr um die gleiche Zeit fiel mir in einer in Buenos Aires herausgegebenen griechischen Zeitung ein Inserat auf, aus dem hervorging, daß sonntags um 15.30 Uhr ,Bibelklassen‘ stattfanden; die angegebene Adresse war Calle Bonpland 1653. Am nächsten Sonntag um 15 Uhr wartete ich dort an der Ecke, und als ich sah, wie andere hineingingen, ging ich hinterher und grüßte jeden auf griechisch, da ich dachte, die Zusammenkunft wäre in griechischer Sprache. Keiner erwiderte meinen Gruß, aber derjenige, der die Zusammenkunft (ein Studium des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter) leitete, lächelte mir zu, als er vorbeiging. Ich setzte mich in die letzte Reihe; ein anderer Mann setzte sich neben mich. Ich verstand keine 5 Prozent von dem, was gesagt wurde. Alles, was ich dabeihatte, war die griechische Zeitung mit der Anzeige. Als die Zusammenkunft zu Ende war und der Mann neben mir feststellte, daß ich ebenfalls ein Grieche war, gab er mir seine Adresse.“ Bruder Argyrós sagt, daß er sich noch am gleichen Abend eine griechische Bibel kaufte; und danach ging er jeden Abend in die Wohnung seines griechischen Freundes. „Er war sehr gut in der Bibel bewandert, und mit Gottes Wort stieß er alle meine griechisch-orthodoxen Anschauungen um. Die Priester, die ich sehr hoch geschätzt hatte, nannte er ,Söhne Satans‘, indem er sagte, daß sie einen Teil des gottlosen Bündnisses ausmachen würden! Ich las die Broschüre Die Hölle ... nochmals durch und las die Broschüre Wo sind die Toten? Beim dritten Besuch im Hause meines Landsmannes war ich überzeugt, daß ich auf dem richtigen Weg war. Ich fragte ihn, was ich tun müsse, um Jehova annehmbar zu sein. Er sagte mir, ich solle zu anderen gehen und ihnen das, was ich aus der Literatur gelernt hatte, verkündigen.“ Bruder Argyrós verlor keine Zeit, diesen guten Ratschlag zu befolgen.

Er erinnert sich: „Am nächsten Sonntag begann ich in Berisso (Provinz Buenos Aires) zu predigen. Dort wohnten viele Griechen, und während unserer Besuche erhielten wir von einem Bankangestellten 600 Adressen von anderen Griechen, die ihr Geld bei dieser Bank einzahlten. Die Brüder in den Vereinigten Staaten ermunterten uns, eine Zusammenkunft in griechischer Sprache zu veranstalten, und so mieteten wir in der Calle Malabia einen Saal und führten diese Zusammenkünfte ein Jahr lang durch. Manchmal kamen sogar zwanzig Personen zusammen. Aus den Vereinigten Staaten erhielten wir 1 000 Bücher und Broschüren, und ich begann damit, bei all den Personen vorzusprechen, deren Adresse ich erhalten hatte. Ich besuchte alle Griechen, die im Gebiet von Buenos Aires lebten und auch die in Montevideo (Uruguay).“ Aber er erzählt uns, daß er nicht damit zufrieden war, „so wenig zu tun“; er hatte noch einige Adressen in Rosario und Santa Fe aufzusuchen; von dort aus wollte er ein Frachtschiff nehmen, das nach seiner griechischen Heimatinsel fuhr, wo er, wie er annahm, ein größeres Gebiet zum Predigen der guten Botschaft finden würde.

In Santa Fe fand Bruder Argyrós Bruder Felix Remón, der in Buenos Aires ein tätiger Königreichsverkündiger geworden und dann später von Bruder Muñiz in das Gebiet von Rosario und Santa Fe gesandt worden war. Ungefähr fünfzehn Personen kamen damals in der Zimmermannswerkstatt von Bruder Castagnola zusammen. Bruder Remón lud Bruder Argyrós ein, bei ihm zu bleiben, und sie vereinbarten, daß sie sich wöchentlich beim Kochen abwechseln würden. Während Bruder Remón predigen ging, arbeitete Bruder Argyrós als Fotograf. Dies war jedoch nichts für jemand mit dem wahren Missionargeist! „Ich fühlte mich nicht wohl“, sagt er, „und ich wollte ebenfalls predigen gehen, aber das einzige, was ich beim Anbieten der Bücher auf spanisch sagen konnte, war, daß sie von Gottes Königreich handeln. Ich wartete nur noch auf die Gelegenheit, nach Griechenland abzureisen, aber während die Tage vergingen, begann sich mein Spanisch zu verbessern. Nachts erzählte ich Bruder Remón meine Erfahrungen, und er lehrte mich Satz für Satz, was ich sagen sollte; dies war eine große Hilfe, so daß ich mich schließlich entschied, nicht nach Griechenland zu gehen.“

Bruder Argyrós’ Entscheidung, in Argentinien zu bleiben, sollte sich nachhaltig auf die Ausdehnung der guten Botschaft in der nördlichen Hälfte von Argentinien auswirken. Von 1932 an führten seine Reisen zum Aussäen des Samens der biblischen Wahrheit in vierzehn der zweiundzwanzig Provinzen, die die Republik Argentinien bilden. Laßt uns ihn nun begleiten und einige Freuden und Nöte seines Dienstes mit ihm teilen.

„1932 kam ich in Córdoba an und mietete mir ein Zimmer in der Calle Salta. Von hier aus begann ich, in der Stadt zu arbeiten. Ich bearbeitete sie in den zwei Jahren, die ich dort war, zweimal. Diejenigen, die Interesse bekundeten, bestellten sämtliche neuen Schriften, und einige besuchten mich zu Hause, unter ihnen ein Richter, C. de los Ríos. Er kam und verbrachte viele Stunden bei mir, und ich beantwortete seine Fragen, wobei ich meine griechische Bibel als Wörterbuch benutzte, da ich kein griechisch-spanisches Wörterbuch besaß. Ich setzte mich mit Natalio Dessilani und Armando Menazzi, die dort unter den ersten Verkündigern waren, in Verbindung; Armando Menazzi wurde später Pionier. Damals dachten wir, daß Harmagedon bevorstünde, und so tat ich, was ich konnte, um überall Literatur zurückzulassen. Wie heute, so sagten auch damals einige: ,Warum Literatur zurücklassen, wenn die Leute gar nicht darauf achten?‘ Aber Bruder Rutherford sagte: ,Ihr laßt die Literatur zurück und überlaßt die Ergebnisse den Händen Jehovas!‘

Zwanzig Kartons mit Literatur waren vorhanden; ich nahm zehn davon und machte mich auf nach Tucumán. Dort erkrankte ich nach einiger Zeit an Malaria. Ich hatte kein Geld, um zu einem Arzt zu gehen. Sobald ich wieder konnte, ging ich nach Catamarca und La Rioja und bearbeitete die Hauptstädte und einige andere Städte. Damals berichtete ich 200, 220 und 240 Stunden im Monat; am meisten berichtete ich im April 1933 — 300 Stunden der Tätigkeit.

Dann ging ich weiter nach San Juan, wo ich viel Interesse fand; am meisten Interesse zeigte José Cercós. An dem Morgen, an dem ich ihn fand, fühlte ich mich so niedergeschlagen, daß ich daran dachte, nach Hause zu gehen. Aber als ich weiterging, erinnerte ich mich an die Worte aus Offenbarung 21:8, und ich wollte doch nicht beschuldigt werden, ein Feigling zu sein. Dabei kam mir José Cercós entgegen; ich hielt ihn an und bot ihm das Buch Regierung an, in dem die Broschüre Was ist Wahrheit? lag. Er war Methodist und sagte: ,Was soll gerade ich aus dieser Broschüre lernen? Ich lese die Bibel seit zwanzig Jahren!‘ Ich führte 1. Thessalonicher 5:21 an, und er nahm die Broschüre. Am gleichen Abend kam er zu mir und sagte mir, daß er die Broschüre sehr interessant gefunden hätte, und er nahm die Bücher Die Harfe Gottes, Rechtfertigung und einige Zeitschriften mit. Während meines Aufenthaltes in San Juan kam er jeden Abend in meine Wohnung. Kurz bevor ich ihn kennengelernt hatte, war der Prediger seiner Kirche nach Mendoza gegangen, um zu heiraten, und als dieser nach San Juan zurückkam, wurde eine bestimmte Gruppe beauftragt, eine Sammlung für ein Hochzeitsgeschenk durchzuführen. Als sie zu Cercós’ Lebensmittelgeschäft kamen, erklärte er entschlossen und nachdrücklich: ,Cercós gibt Leuten, die das wilde Tier reiten, keinen Pfennig mehr!‘ (Siehe Offenbarung 17:3.) Ihr könnt euch vorstellen, wie überrascht die Abordnung war, als sie diese Worte aus dem Munde eines Mannes hörte, der noch kurze Zeit vorher eines der eifrigsten Mitglieder der Kirche gewesen war.“

MIT DER GUTEN BOTSCHAFT KREUZ UND QUER DURCH ARGENTINIEN

Bruder Argyrós’ Reisen zu folgen, als er kreuz und quer durch sein selbstzugeteiltes Gebiet zog, bedeutet, die Landkarte von Nordargentinien gut kennenzulernen. Nachdem er San Juan verlassen hatte, verbrachte er einen Monat mit der Gruppe in Mendoza, dann ging es weiter nach San Luis und Villa Mercedes, wo er mit den Familien Juan Balcarce und Estrada in Verbindung kam — später war Ofelia Estrada die erste argentinische Schwester, die die Gileadschule besuchte. Nachdem Bruder Argyrós in einigen anderen Städten in der Provinz San Luis gearbeitet hatte, kam er nach San Rafael (Mendoza). Er wandte sich südwärts, ging in die Provinz La Pampa und fand, wie er sagt, in Intendente Alvear schon Literatur der Gesellschaft vor; Bruder Leonardo Vandefeldi, ein holländischer Pionier, war durch diesen Landesteil gekommen. So machte unser Reisender wieder kehrt und nahm den Zug zurück in die Provinz Córdoba, und von dort ging er weiter in die Städte der Provinz Santa Fe. Dante Dobboletta hatte ein Geschäft in Las Rosas (Santa Fe), und eines Tages sagte ihm ein Angestellter, daß ein „Bibelmann“ vorgesprochen hätte; er sandte sofort jemand hinaus auf die Straße, um Bruder Argyrós zu suchen und in seinen Laden zurückzubringen, da er noch mehr Aufschluß wollte, wie er ihn in Broschüren, die er bereits besaß, gefunden hatte. Bruder Dobboletta wurde später Pionier und dient nun mit seiner Frau im Kreisdienst. Nachdem Bruder Argyrós seine Arbeit in der Provinz Santa Fe beendet hatte, überquerte er den Paraná und zog weiter nach Norden durch die Provinz Entre Ríos zur Hauptstadt von Corrientes und dann nach Resistencia (Chaco). In Villa Angela (Chaco) kam er mit einem Mann namens Juan Murillo in Verbindung; zur großen Überraschung von Bruder Argyrós war der Name dieses Mannes vier Monate später auf der Pionierliste.

In Charata (Chaco) kam es, wie Bruder Argyrós berichtet, zu einer fröhlichen Begegnung mit Bruder Menazzi und den Brüdern aus Córdoba: „Sie kamen in ihrem Bus und waren auf dem Weg nach Formosa. Wir überquerten mit dem Floß den Bermejo und bearbeiteten dann die Stadt Formosa. Die Gruppe kehrte nach Córdoba zurück, während ich nordwärts bis nach Yacuiba (Bolivien) reiste. Auf dem Rückweg nach Süden kam ich durch die Provinzen Jujuy und Salta und ging dann in südöstlicher Richtung weiter nach Roque Saenz Peña (Chaco). Unterwegs bearbeitete ich nicht nur die Städte, sondern genauso auch die kleinen Siedlungen in all diesen Provinzen.“ Nun ging er wieder nach Süden, in die Provinz Santa Fe, wo er den Städten Rafaela, Casilda, Firmat und Venado Tuerto seine Aufmerksamkeit schenkte.

Bruder Argyrós’ Anpassungsfähigkeit und Bereitwilligkeit, sich mit allem abzufinden, komme, was da wolle, seine persönliche Aufopferung — alles um der guten Botschaft willen — fallen uns auf, wenn wir seine Erinnerungen an seinen vierzigjährigen Pionierdienst betrachten.

„Während meiner Reisen gab es viele Schwierigkeiten: Kam man abends in Städten an, in denen es kein Licht gab, fand man nur selten eine Unterkunft; außerdem war das Problem, sich an die Sprache zu gewöhnen, und der Mangel an Geldmitteln. In den ersten Jahren des Pionierdienstes konnte ich mit dem Geld auskommen, das ich während meiner weltlichen Arbeit gespart hatte. So war ich in diesen ersten Jahren gut angezogen, und wenn ich in eine der Ortschaften kam, liefen die Kinder zu ihren Müttern, um zu erzählen, daß der Doktor gekommen wäre! Wenn ich an die Tür kam, öffneten die Frauen zaghaft, aber nachdem sie die Botschaft gehört hatten, verloren sie ihre Schüchternheit. Später, als ich ungefähr zehn Jahre lang in Landstädten Zeugnis gab, trug ich bombachas, die typische Bekleidung des Landbewohners, und ich fand, daß ich bereitwilliger aufgenommen wurde.

Manchmal luden mich Personen, die ich zum erstenmal getroffen hatte, ein, die Nacht bei ihnen zu verbringen. Bei anderen Gelegenheiten schlief ich draußen im Freien, einmal in einem Dickicht voll Dornen — ich sah sie nicht, weil es so dunkel war. Aber Jehova belohnte mich am nächsten Tag. Ich gab in einer kleinen Stadt Zeugnis und traf nachmittags ein Ehepaar, das der Botschaft zuhörte und mich einlud zurückzukehren, um die Nacht dort zu verbringen. Als ich mit dem Zeugnisgeben fertig war, kehrte ich zurück. Nach dem Abendessen luden sie einige Nachbarn zu sich ein, um dieser seltsamen Botschaft der Zeugen Jehovas zuzuhören. Ich unterhielt mich bis etwa um Mitternacht mit ihnen. Dann führte mich die Dame des Hauses zu meinem Zimmer; darin stand ein Bett mit bestickten Decken darauf! Als ich am nächsten Morgen aufstand, sagte meine Gastgeberin: ,Mein Mann und ich befürchteten, daß Sie in dem fremden Bett nicht gut schlafen könnten.‘ Ich versicherte ihr, daß ich wirklich sehr gut geschlafen hätte. Ich dachte: ,Wenn Sie nur wüßten, wo ich einige Nächte zuvor geschlafen habe!‘

Eines Nachts schlief ich bei einem Esel! Es war in einer kleinen Stadt, in der es nur eine kleine Pension mit einem Gastzimmer gab, und dieses war belegt. Es war eine regnerische Nacht, in der man sich ein Dach über dem Kopf wünschte. So sagte ich dem Mann, daß es keine Nacht wäre, draußen bei den Naturelementen zu bleiben; er erwiderte mir, daß der einzige Platz, den er noch hätte, der Stall wäre, in dem er die Tiere halte, und er führte mich dorthin. Er stellte mir auf der einen Seite ein Bett auf; auf der anderen Seite war die Eselin mit ihrem Jungen — getrennt durch Bretter, um die Tiere von dem Futter fernzuhalten. Nun, ich schlief wie ein König! Am nächsten Tag mußte ich um 6 Uhr morgens weiter nach San Cristobal. Ich brauchte keinen Wecker: Mein ,Gastgeber‘, der Esel, begann zu schreien! Schwierigkeiten können wirklich auch ihren Reiz haben.“

Aber es gab auch Erlebnisse, die nicht so reizend waren: „Als ich frühmorgens in Eusebia ankam, fragte ich, ob dort eine Pension wäre; mir wurde gesagt, daß es eine gäbe, so daß ich damit fortfuhr, die Stadt zu bearbeiten. Als ich fertig war, um zum Essen und zum Schlafen in die Pension zu gehen, fand ich sie geschlossen vor. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Nacht unter den Sternen zu verbringen. Es war Anfang Herbst, aber es war nicht kalt, und so ging ich ein Stück Weges zur Stadt hinaus und legte mich hin. Nein, ich hatte nichts zu essen, aber ich fühlte mich auch nicht hungrig. Mein Magen war gut trainiert; ich konnte zu jeder Zeit essen, und wenn ich nichts hatte, machte ich mir auch nichts daraus. Diese Gewohnheit entwickelte sich bei mir 1935 in Tucumán. Während der Zuckerrohrernte war ich drei Monate lang früh am Morgen hinausgegangen und spätabends zurückgekehrt, und dies oft, ohne dazwischen etwas gegessen zu haben. Als ich in Eusebia schlafen wollte, gab es dort alle Arten von Stechmücken. Ich schnitt einen Zweig ab und dachte, ich könnte sie damit vertreiben, aber je mehr ich um mich schlug, um so mehr griffen sie mich an. Ich beschloß, zum Bahnhof zu gehen, weil ich dachte, daß ich den Warteraum offen finden würde, trotz der Tatsache, daß dauernd Züge vorbeifuhren, war er geschlossen. Dann fand ich ein großes Stück Segeltuch, das benutzt wurde, um Getreide zu trocknen; mit diesem deckte ich mich zu und verbrachte den Rest der Nacht.“

Zwar war die Eisenbahn eine große Hilfe für die ersten Pioniere, aber manchmal mußten sie auch auf primitivere Art reisen. Bruder Argyrós kann uns darüber erzählen: „Die längste Strecke, die ich zu Fuß zurücklegte, war von Villa Valeria (Córdoba) nach Cañada Verde, eine Entfernung von ungefähr fünfundsiebzig Kilometern. Ich ging um 1 Uhr nachmittags fort und kam am nächsten Tag um 3 Uhr nachmittags an. Eine andere unvergeßliche Wanderung ging von Laprida nach Loreto in der Provinz Santiago del Estero — eine Entfernung von fünfunddreißig Kilometern. Es war am Tag des Carnaval, und ich ging etwa um 12 Uhr mittags weg und kam ungefähr um 11 Uhr an jenem Abend an. Auf diesem Weg gibt es weder Wasser noch eine Siedlung. Ich war durstig; es hatte geregnet, und es gab Wasserpfützen entlang der Straße, aber das Wasser war warm von der brennenden Sonne; ich konnte es nicht trinken. Hier gibt es Quebrachowälder, die so dicht sind, daß man kein Tageslicht sieht, wenn man sie betritt. So verließ ich die Straße und ging in den Wald, in der Hoffnung, im Schatten einen Wassertümpel zu finden. Als ich einen entdeckte, ging ich glücklich darauf zu, aber als ich näher kam, sah ich, daß mir ein Krokodil zuvorgekommen war. Als das Krokodil mich sah, verzog es sich, wühlte aber das ganze Wasser dabei auf. Ich ging zur Straße zurück und setzte meinen Weg fort. Einige Kilometer weiter traf ich einen Santiagueño (einen Einheimischen dieser Provinz), der eine Herde Ziegen hütete. Als ich sah, daß er ein Faß Wasser hatte, bat ich ihn um einen Trunk, und der gute Mann ließ mich so viel trinken, wie ich wollte. Als ich fertig war mit Trinken, kam er mit einer großen Blechdose voll Kaktusfeigen; er stellte sie vor mich und sagte, ich sollte so viel essen, wie ich wollte. Als ich satt war, gab ich ihm ein Geschenk von einigen Broschüren und ging dann weiter.“

Bruder Argyrós verrichtete das Werk des Aussäens in ausgedehntem Maße, und die Aufgabe, die er übernommen hatte, war groß — und welche Schulung hatte er gehabt? Er selbst sagt: „Keiner brachte mir die Wahrheit, keiner machte einen Nachbesuch bei mir oder hielt mir eine Predigt. Ich möchte damit sagen, daß ich so etwas wie ein selbstgemachter Verkündiger bin.“

FRÜHE ERFAHRUNGEN IM PIONIERDIENST

Etwa zur gleichen Zeit, als Bruder Argyrós seine Predigttätigkeit im Norden des Landes begann, wurde ein Pole, Juan Rebacz, Zeuge Jehovas, und im Jahre 1932 nahm er zusammen mit einem anderen polnischen Bruder, Pablo Pawlosek, den Pionierdienst auf. Bruder Rebacz gibt uns eine ausgezeichnete Schilderung darüber, wie er und seine Partner damals das Werk im Süden Argentiniens durchführten.

Zuerst schulten sie sich im Zeugnisgeben von Haus zu Haus in Groß-Buenos Aires; was dann folgte, erzählt Bruder Rebacz: „Bruder Muñiz gab mir die Zuteilung, mit den Brüdern Onésimo Gavrov und Pablo Pawlosek zusammenzuarbeiten, die sich schon in der Provinz Río Negro befanden. Dank der Hilfe Jehovas hatten wir drei bei der Arbeit viel Freude und guten Erfolg. Kurze Zeit später schloß sich uns Bruder Basilio Miedziak an, und wir wurden angewiesen, jeweils zu zweit verschiedene Routen einzuschlagen. Die Brüder Gavrov und Miedziak folgten der Küste zwischen Bahía Blanca und Mar del Plata, während Bruder Pawlosek und ich den Weg durch das Landesinnere über Tres Arroyos nach Mar del Plata nahmen. Wir erzielten ausgezeichnete Ergebnisse; ich kann mich daran erinnern, daß wir in einigen Monaten nicht weniger als 600 Schriften abgaben. Wir begannen in den Landgebieten gewöhnlich frühmorgens, und wenn die Leute aufstanden, um ihrem Tagewerk nachzugehen, waren wir da, um unseres zu beginnen!

Bruder Pawlosek und ich waren gute Partner, und wir hatten in unserem Dienst sehr viel Freude. Im Mai 1934 erreichten wir Mar del Plata, und von dort aus fuhren wir dann mit der Eisenbahn in andere Städte und kehrten jeder auf einer anderen Straße, zu Fuß zurück. Wir hatten immer eine Menge Literatur bei uns und gaben gewöhnlich alles ab. Damals gab es nicht viele Schwierigkeiten mit den Behörden; manchmal wurden wir aufgrund falscher Anklagen der Geistlichen, wir seien verkappte Agenten für die Kommunisten, festgenommen. Nach der Untersuchung stellte die Polizei jeweils fest, daß dies nicht stimmte, und ließ uns sofort gehen.“

Später im Jahre 1934 wurde Bruder Rebacz dazu bestimmt, das Werk im Innern Paraguays durchzuführen. Da er dort während des Chacokrieges (einer Grenzstreitigkeit zwischen Paraguay und Bolivien) auf Schwierigkeiten stieß, kam er für kurze Zeit nach Argentinien zurück und konzentrierte seine Tätigkeit auf das Gebiet von Corrientes und Resistencia. Sobald der Krieg beendet war, nahm er seine Tätigkeit in Paraguay wieder auf. Nach einigen Jahren kehrte er, da das tropische Klima Paraguays seine Gesundheit sehr angegriffen hatte, wieder nach Argentinien zurück und begann im nordöstlichen Landesteil zu arbeiten. Hier folgt sein Bericht:

„Ich begann meine Tätigkeit in Posadas (Misiones), ging dann nach Corrientes und anderen wichtigen Städten in den Provinzen Corrientes und Entre Ríos und erreichte gegen Ende 1938 Paraná; dann ging ich weiter in die Städte im Innern der Provinz Entre Ríos, die noch nie zuvor bearbeitet worden waren. Die Ergebnisse waren gut, und das Werk ging friedlich voran. Doch dann brach der Zweite Weltkrieg aus, und die Geistlichkeit und die Katholische Aktion beschuldigten mich, ein Kommunist zu sein. In fast allen Städten wurde ich mehrmals zur Polizeiwache gebracht. In Concepción del Uruguay (Provinz Entre Ríos) wurde ich mehrmals verhaftet und schließlich aus der Stadt hinausgeworfen. Schwester Fanny Plouchou, die dort wohnte, bearbeitete den Teil weiter, der noch nicht bearbeitet worden war. Danach wurde mir die Route von San Pedro (Buenos Aires) nach Santiago del Estero zugeteilt. Als ich bis Rafaela (Provinz Santa Fe) gekommen war, wurde ich schwer krank, und die Ärzte sagten mir, daß ich eine gründliche Behandlung benötigte. Es wurde vereinbart, daß ich diese Behandlung in Concepción del Uruguay erhalten sollte, und so kehrte ich in die gleiche Stadt zurück, aus der ich mehrere Monate zuvor hinausgeworfen worden war, und ließ mich dort nieder!“

Unser Interesse wendet sich nun wieder Mittelargentinien und der wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Stadt Córdoba zu, deren Universität die zweitälteste in der südlichen Hemisphäre ist. Córdoba ist auch eine berühmte Hochburg des Katholizismus und wird das „Rom“ Argentiniens genannt. Die Tätigkeit von Bruder Argyrós erregte das Interesse von Armando Menazzi und Natalio Dessilani. Bruder Menazzi hatte viel mit der Ausdehnung des Werkes im Norden des Landes zu tun, während Bruder Dessilani fortfuhr, die gute Botschaft in dem Gebiet um Córdoba zu verkünden. Laßt uns zu den Jahren 1932/33 zurückkommen und ihre Berichte verfolgen.

Armando Menazzi stammte aus einer streng katholischen Familie, aber er stellte fest, daß sich die „Hirten der Herde“ als falsch erwiesen. Er besaß eine guteingerichtete Autoreparaturwerkstatt, als er seine ersten Broschüren, Die Hölle ... und Wo sind die Toten?, las. Der Besitzer des Lebensmittelgeschäftes an der Ecke, Natalio Dessilani, hatte schon einige Schriften gelesen und weitere bestellt. Beide Männer kamen zu dem Entschluß, daß das, was sie gelesen hatten, in Übereinstimmung mit Gottes Wort war, so daß sie brieflich weitere Bibeln und Literatur bestellten. Aufgrund dieser Bestellung kam Bruder Muñiz persönlich, um zu sehen, was dort vor sich ging. Der erste Vortrag wurde in dem Büro der Werkstatt von Bruder Menazzi gehalten, und acht Personen waren anwesend.

Der Eifer und die Überzeugung von Bruder Argyrós veranlaßten Bruder Menazzi, seine Werkstatt zu verkaufen und seine Zeit dem Pionierdienst zu widmen. Auch Bruder Dessilani verkaufte seinen Lebensmittelladen — doch zuvor schrieben Spötter noch mit Kreide an die Tür: „Der Laden des Propheten“. Er suchte sich woanders eine Beschäftigung, da auch er der Predigttätigkeit mehr Zeit widmen wollte. Bruder Menazzi berichtet uns, daß er mit dem Erlös aus dem Verkauf des Geschäftes und dem Verkauf anderen Eigentums „Radiosendezeit für einige Vorträge, die uns Bruder Muñiz schickte, bezahlen konnte. Ich mietete auch eine kleine Wohnung, und dort begannen wir, die ersten Zusammenkünfte abzuhalten.“ Bruder Dessilani erweckte das Interesse eines seiner Arbeitskollegen, Horacio Sabatini, der wiederum mit seinem Bruder Arístides und dessen ganzer Familie sprach. Bruder Dessilani berichtet uns von dem Nachbesuch bei dieser Familie: „Sie fingen sofort mit einer Flut von Fragen an, und um sie alle zu beantworten, blieben Bruder Menazzi und ich an jenem Abend etwa vier Stunden dort. Schließlich waren sie davon überzeugt, daß sie den wahren ,Weg‘ gefunden hatten. Ein paar Tage später boten sie ihr Haus für die Zusammenkünfte an, und das war direkt in der Innenstadt.“ Im Jahre 1938 sprach Natalio Dessilanis Bruder, Emilio, mit Alfredo Torcigliani, einem Arbeitskollegen. Er besuchte einen Vortrag von Bruder Muñiz und wurde durch die Erklärung des Gebetes des Herrn überzeugt.

FÜR DAS KÖNIGREICHSWERK MOTORISIERT

Diese Brüder hatten den Wunsch, daß sich die Verkündigung des Königreiches schnell ausbreitete, und in den 1940er Jahren setzten sie ihre Bemühungen mit Hilfe von Fahrzeugen fort. Bruder Horacio Sabatini half, indem er ein altes Auto kaufte, das Bruder Menazzi wiederherrichten konnte; später wurde ein kleinerer Chevrolet gekauft, und mit Hilfe der beiden Autos führten sie das Zeugniswerk in den Städten außerhalb Córdobas durch. Um Benzin zu sparen, nahm der größere Wagen den kleineren bis zum Gebiet ins Schlepptau; und Bruder Menazzi sagt, daß sie sich gegenseitig mit Glocken Zeichen für das Anfahren und Anhalten gaben. „Später“, so berichtet Bruder Menazzi, „verkauften wir die Autos und kauften einen alten Bus. Mit der Hilfe der Brüder richteten wir ihn so her, daß wir innen aus den Sitzen sechs Betten machen konnten, und auf dem Dach hatten wir unter einem Stück Segeltuch vier Faltbetten. So konnten zehn Verkündiger reisen und hatten eine Unterkunft.“ Dies setzte eine lebhafte Tätigkeit in Verbindung mit der Verbreitung der guten Botschaft im Norden Argentiniens in Gang.

Zuerst dauerten die Fahrten gewöhnlich eine Woche, dann vierzehn Tage, dann einen ganzen Monat. Nach jedem Ausflug kehrte der Bus nach Córdoba zurück, um überprüft und repariert zu werden, während sich die Brüder auf das nächste Unternehmen vorbereiteten, und verschiedenen Brüdern und Schwestern wurde die Gelegenheit geboten mitzufahren. Die letzte Fahrt dauerte drei Monate und war eine richtige Odyssee! Alles in allem besuchten Bruder Menazzi und die Gruppe aus Córdoba bis zum Verkauf des Busses im Jahre 1944 zehn oder mehr Provinzen, gaben in den Städten von Haus zu Haus Zeugnis und besuchten die verstreut liegenden Farmen und Siedlungen in den Landgebieten. In jedem Ort und jeder Stadt gingen sie auf die gleiche Weise vor, wie Bruder Menazzi uns erklärt: „Zuerst gingen wir immer zur örtlichen Polizeiwache und unterrichteten die Beamten über unseren Auftrag, und ich ließ sie als Beweis dafür, daß ich bei ihnen erschienen war, in ein Notizbuch ihre Unterschrift geben. Das half, später Auseinandersetzungen mit der Polizei zu vermeiden, die versuchen mochte, uns zu behindern; und in jedem Ort sah dann der Leiter der Polizeibehörde, daß die Polizei in den Nachbarorten die Erlaubnis sozusagen erteilt hatte, und so ließ man uns arbeiten.“ Bei diesen Fahrten wurde bei den Menschen viel Literatur zurückgelassen, aber er fügt hinzu, daß „es ein Werk war, das darin bestand, die Menschen zu informieren, den Samen zu säen, da wir nur gelegentlich zurückkehrten, um jemand zu besuchen, der außergewöhnliches Interesse bekundet hatte“.

Das Leben im Bus und die Erfahrungen, deren sie sich erfreuten, bilden ein unvergeßliches Kapitel in dem Leben der Brüder, aus denen diese Gruppe bestand. Bruder Menazzi gibt uns eine lebendige Beschreibung: „Wir waren gut organisiert, und wie in einem Bienenstock hatte jeder seine zugeteilte Arbeit — der eine kochte, andere machten sauber, andere kümmerten sich um die Betten, und wieder andere gingen einkaufen. Gewöhnlich predigten wir bis in den späten Nachmittag hinein, und manchmal mußten wir mit dem Scheinwerferlicht des Busses nach den Verkündigern suchen. Wir parkten den Bus immer an einer abseits gelegenen Stelle, vorzugsweise neben dem Friedhof, wo uns niemand störte. Abends, nachdem wir unser Abendbrot gegessen und alles weggeräumt hatten, erzählten wir uns unsere Erfahrungen; wir waren müde, aber glücklich! Wir lernten es, sparsam zu sein und alles zu essen.“ Bruder Torcigliani ergänzt, was zu diesem alles umfassenden Menü gehörte: „Wir jagten und fischten unsere Nahrung — alles wanderte in den Kochtopf: Frösche, Bergkaninchen, chuña (aus der Familie der Störche), Tauben, Papageien, Wachteln, vizcacha (aus der Familie der Nagetiere), Hasen, Gürteltiere und Landschildkröten, von denen wir Suppe kochten. Und wir tauschten Literatur gegen Ziegen, Hühnchen, Hähne, Ferkel, Eier, Gemüse, Bananen und Früchte aller Art ein. Wie ihr sehen könnt, mußten wir nie Hunger leiden!“

Während Bruder Menazzis Abwesenheit arbeitete Bruder Natalio Dessilani mit einer ständig wachsenden Verkündigergruppe in Córdoba weiter. „Bis zum Jahre 1944 war die Versammlung so gewachsen, daß unser Saal in der Stadt nicht mehr genügend Platz bot, aber wir wußten nicht, wohin wir sonst hätten gehen sollen. Bruder Menazzi sprach mit einer Tante, die dem Werk günstig gesinnt war, und sie schenkte uns ein Grundstück, das sie an der Calle Roma besaß. Nun wurde beschlossen, daß wir den Bus verkauften — der Benzinmangel zu jener Zeit brachte es mit sich, daß wir den Bus nicht sehr oft benutzen konnten —, und das Geld wurde für den Bau des dringend benötigten Königreichssaales verwendet.“

DIE AUSBREITUNG DER WAHRHEIT VON SAN JUAN AUS

Auch der Same, den Bruder Argyrós 1936 in San Juan gesät hatte, trug Frucht. Bruder José Cercós und ein paar andere beteiligten sich aktiv an der Verbreitung der Botschaft. Im Jahre 1940 nahm Bruder Cercós mit der Familie Rodriguez Verbindung auf, die früher von den Reindls Zeugnis erhalten hatte. Das Buch Kinder wurde abgegeben, und es wurde ein Nachbesuch gemacht, um auf einem Grammophon einige Schallplatten vorzuspielen, die ein weiteres Zeugnis gaben. Die Ergebnisse waren erfreulich. Salvador Rodriguez wird uns erzählen, was eigentlich geschah: „An jenem Abend war José Cercós ungefähr zwei Stunden oder länger bei uns. Mein Vater hatte die Bibel schon zehn Jahre lang gelesen, aber ohne eine Erklärung zu erhalten, so daß er die Königreichswahrheit sofort und mit großer Freude annahm. Der Bruder sagte ihm, daß er, um ein Zeuge Jehovas werden zu können, das Rauchen aufgeben und all diese ,lächerlichen Puppen‘, wie er die katholischen Bilder meiner Mutter nannte, beseitigen müsse. Sofort nahm mein Vater die Zigarre aus dem Mund und zerbrach sie und die anderen, die er in seiner Tasche hatte, in Gegenwart des Bruders. Am folgenden Sonntag ging mein Vater mit einigen der älteren Kinder zum Saal, und als er zurückkam, suchte er alle Bilder zusammen, stapelte sie im Hof auf und steckte sie alle in Brand — ohne den wütenden Einwänden meiner Mutter, Gott werde ihn dafür bestrafen, auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken!

In der folgenden Woche wurde eine Ankündigung für den Dienst gemacht, und so waren an dem festgesetzten Tag mein Vater, mein älterer Bruder und ich eine halbe Stunde vor der angekündigten Zeit zur Stelle. Wir hatten noch nie beim Zeugnisgeben zugesehen, und so ging jeder von uns mit einem anderen Verkündiger an die erste Tür. An der zweiten Tür wurden wir gebeten, das Zeugnis zu geben. Wir konnten nichts weiter, als einiges von dem zu wiederholen, was der Verkündiger gerade an der ersten Tür geäußert hatte, wie: ,Wir bringen Ihnen die gute Botschaft vom Königreich‘, und dann die Broschüren anzubieten.

Später wurde unsere Mutter interessiert, und obwohl sie nicht lesen konnte, hörte sie sehr aufmerksam zu und wiederholte das, was sie hörte. Bald nahm sie Verbindung mit interessierten Personen auf, mit denen wir Kinder Studien durchführen konnten. Nach weniger als zwei Monaten verkündigten wir alle sieben regelmäßig. Wir ließen uns 1941 taufen, als uns Bruder Muñiz besuchte; zwei Monate später, als Bruder Trunecka aus Mendoza kam, wurden etwa fünfzehn in einem Wasserloch auf unserer Farm getauft. Damals benutzten Verkündiger, die Schwierigkeiten hatten, sich auszudrücken, eine gedruckte Zeugniskarte, und wir bearbeiteten im allgemeinen Landgebiet, wo die Menschen zugänglicher waren.

Auf dem Land, wo es keine Gebietsgrenzen gab, wählten wir jeweils ein departamento (Verwaltungsbezirk) aus und versuchten, es gründlich durchzuarbeiten, wobei wir früh hinausgingen und bei Einbruch der Nacht nach San Juan zurückkehrten. Zur Essenszeit tauschten wir Literatur gegen einen Teller Essen ein.“

Unser Bruder erinnert sich an die Zeit, als er und sein Bruder ein Gebiet in den Bergen hatten. Eines Tages rief ihr Vater, sie sollten aufstehen und frühstücken; danach gingen sie dreißig Häuserblocks weit zum Bahnhof, mußten aber erfahren, daß der Zug in vier Stunden eintreffen werde, da es erst 1 Uhr früh war! Als dann der Zug eintraf und die Jungen zu der angegebenen Station kamen, war es immer noch dunkel; und sie mußten elf Kilometer weit zu Fuß gehen, um in ihr Gebiet zu gelangen. Wir waren mit dem Zeugnisgeben in dieser Ortschaft vor Mittag fertig, und so gingen wir weiter, immer bergauf, zur nächsten, die neun Kilometer entfernt war. Auch mit dieser Ortschaft wurden wir fertig; und nun mußten wir zwanzig Kilometer zum Bahnhof zurückgehen — aber wir hatten unsere Last erleichtert; denn wir hatten zwanzig Bücher und achtzig Broschüren abgegeben! Wir erreichten den Bahnhof gerade, als die Scheinwerfer des Zuges sichtbar wurden; es war jetzt 21 Uhr. Zwei Stunden später kamen wir in San Juan an; wie freudig wir doch waren, als wir die dreißig Häuserblocks weit nach Hause gingen!“

Im Jahre 1944 machte ein Erdbeben San Juan dem Erdboden gleich; damals gab es dort etwa dreißig Verkündiger, aber nicht einer von ihnen wurde verletzt. Am nächsten Tag kamen Brüder aus Mendoza mit Lebensmitteln. Bruder Rodriguez berichtet uns über das Zeugnisgeben nach dem Erdbeben: „Einige Leute sagten uns, wir seien an dem Erdbeben schuld, und jagten uns fort. Andere hörten aufmerksam zu und sagten: ,Wie wahr doch Ihre biblischen Lehren sind!‘ Infolgedessen nahmen viele die Wahrheit an und wurden Verkündiger. Zu jener Zeit kamen wir in einem kleinen Saal zusammen, den die Brüder gebaut hatten.“

Der Glaube und Eifer der ersten Verkündiger dienten allen beständig als Beispiel, und Bruder Rodriguez äußert sich über den einundachtzigjährigen Bruder Cercós wie folgt: „Er war weiterhin als Pionier tätig und ging bis zu sechzig Häuserblocks weit, um seiner Zeitschriftenroute nachzugehen. Er behielt einen Durchschnitt von monatlich mehr als siebzig Stunden bei und leitete sieben Studien. Und auf dem Heimweg von einem seiner Studien geschah es, daß er auf dem Bürgersteig ausrutschte und stürzte und sich dabei die Hüfte brach. Dadurch wurde er Invalide, und er weinte, weil er sich nicht mehr um seine Studien und Nachbesuche kümmern konnte. Aber es tröstete ihn, wenn wir ihn besuchten und ihm von unserer Tätigkeit im Gebiet erzählten.“

ZEUGNISTÄTIGKEIT BIS ZUM FERNEN SÜDEN

Was ging inzwischen im Süden vor? Die Brüder Gavrov und Miedziak bereisten jenes Gebiet; soweit wir wissen, waren sie in dem fernen Süden bis nach Feuerland gekommen und danach nordwärts durch Patagonien bis zur Provinz Río Negro. In den 1930er Jahren war auch Carlos Firnkorn in Colonia Sarmiento (Provinz Chubut) ein Zeuge Jehovas geworden. Er hatte seine Schaf-Ranch verkauft, um mehr Zeit im Predigtwerk zu verbringen. Was ihn betrifft, so konnte man sagen, daß er Schafe einer Art verließ, um sich Schafen einer anderen Art anzunehmen — einer wichtigeren Art von „Schafen“!

Im Jahre 1934 kam Francisco Callejo, ein Eisenbahnangestellter, der in Allen (Provinz Río Negro) wohnte, zum erstenmal mit Verkündigern des Königreiches in Berührung. Er erinnert sich, daß „ein Mann mit einer Aktentasche auf die Station kam, um sich über die Größe der Stadt usw. zu erkundigen“. Das Flugblatt, das dieser Mann zurückließ und außerdem eine Anzahl Broschüren, die er bei einigen der Freunde Francisco Callejos abgab, beeindruckten diesen sehr. Er hatte nämlich viel gelesen, da er stets auf der Suche nach Erkenntnis war, die sein Verlangen nach biblischer Wahrheit befriedigen würde. Als er die Broschüren Die Krise, Wo sind die Toten?, Schlüssel des Himmels, Himmel und Fegefeuer, Universeller Krieg nahe und andere anhand der Bibel durchgelesen hatte, war er überzeugt, daß sein Suchen belohnt worden war. Unverzüglich wollte er seine Erkenntnis mit anderen teilen, aber er erhielt keinen Kontakt bis zum folgenden Jahr, als er nach Ingeniero Huergo versetzt wurde. „Dort traf ich einen polnischen Schuhmacher, Pablo Teisar, der ein Wachtturm-Abonnent war, er gab mir die Adresse von Bruder Muñiz. Ich schrieb sogleich und bat um ein Abonnement beider Zeitschriften, ferner um die Bibel und die Bücher Die Harfe Gottes, Befreiung, Regierung und Prophezeiung.

Die Zeitschriften berichteten so viel über die Tätigkeit und Erfahrungen von Verkündigern in vielen Teilen der Erde, daß ich die Notwendigkeit spürte und auch erkannte, einen tätigen Anteil zu haben.“ Er schrieb an Bruder Muñiz und drückte diesen Wunsch aus; die Antwort war, daß dieselben Brüder Gavrov und Miedziak, die 1934 die Provinz besucht hatten, sie nun von neuem besuchen würden. Bruder Callejo beschreibt, was er damals empfand: „Mit sehnlichem Verlangen wartete ich auf ihr Kommen, und als sie nicht kamen, schrieb ich von neuem und wiederholte meinen Wunsch, am Predigen teilzunehmen. Die Antwort war, daß die Brüder sich nun im Río-Negro-Tal befänden und daß sie bald eintreffen würden. Ich ging jeden Tag ins Haus des polnischen Schuhmachers, da ich wußte, daß sie zuerst dorthin kommen würden. Ich war traurig und enttäuscht, denn ihre Ankunft schien sich so lange zu verzögern. Schließlich ging ich eines Morgens zu Pedro Teisar — und da waren sie! Wie groß war doch meine Freude, endlich mit ihnen zusammen zu sein! Ich nahm sie mit in meine Wohnung, und sie versahen mich mit weiterer Literatur und erklärten mir kurz, wie ich zu den Leuten sprechen und die Bücher und Broschüren anbieten sollte.“ Das war im Jahre 1936.

Diese kurze „Schulung“ genügte. Am ersten Tag, da Bruder Callejo von der Arbeit frei war, begann er die gute Botschaft zu verkündigen. Obwohl er fand, daß die Menschen der Königreichsbotschaft ganz feindlich gegenüberstanden, ließ sein Eifer nicht nach, und er fuhr fort, im Hinblick auf künftige Ausdehnung „den harten Boden zu lockern“. Wenn er seinen Literaturvorrat abgesetzt hatte, berichtete er dies dem Büro in Buenos Aires und bat um weitere Schriften. Er sagt uns, wie er seine weltliche Arbeit zur Förderung der Königreichsinteressen in den Provinzen Río Negro und Neuquén benutzte: „Ich wurde nach Cervantes (Río Negro) versetzt; dort predigte ich, und an meinem freien Tag fuhr ich mit der Lokalbahn nach General Roca. Ich konnte mein erstes Abonnement bei einem Farmer, Antonio Vicente Inestal, in Mainque aufnehmen, und er wurde der erste Verkündiger als Ergebnis meiner Predigttätigkeit.

Im Jahre 1939 wurde ich nach Neuquén versetzt, wo ich noch heute wohne. Und hier begann ich meinen Dienst in der Bahn; infolgedessen benutzte ich einen Teil meiner langen Aufenthalte in jeder Stadt zum Zeugnisgeben. Auf diese Weise konnte ich das Gebiet von Choele Choel bis nach Zapala (welches der Knotenpunkt ist) durcharbeiten — eine Strecke von etwa 400 Kilometern. Und von Neuquén aus arbeitete ich das Gebiet von Cipoletti, Allen und bis hinauf zum Dique de Riego (zum Bewässerungsdamm der Zone) durch und arbeitete so in Cinco Saltos und Barda del Medio. All dies tat ich jede Woche an meinen freien Tagen und während meiner jährlichen Ferien. Um das Jahr 1941 fanden wir uns zum Studium in Neuquén zusammen; Interessierte aus Cipoletti waren ebenfalls zugegen. Später wurde Bruder Carlos Firnkorn, der in Chubut gearbeitet hatte, Neuquén zugeteilt, und dies war eine große Hilfe.“

Ja, die Tätigkeit nahm in der Tat zu! Laßt uns einen Blick auf den Jahresbericht 1938 werfen: 128 Verkündiger der guten Botschaft und 4 Versammlungen; die Verkündiger widmeten dem Dienst 44 712 Stunden, setzten 131 375 Schriften ab und erlangten 238 Abonnements. Es wurden 375 Nachbesuche gemacht, und insgesamt 138 Personen waren beim Gedächtnismahl anwesend.

Das Werk der Aussaat reichte bis zu den äußersten Grenzen Argentiniens, und das war der Grund zu künftiger Ausdehnung in Form von Versammlungen, Kreisen und Bezirken.

Im Jahre 1942 kamen Gwaenydd Hughes und Ieuan Davies, zwei junge Männer von walisischer Abstammung, in der Provinz Chubut zur Erkenntnis der Wahrheit. Beide stammten aus Familien, die die Bibel lasen und zu der Unabhängigen Walisischen Evangelischen Kirche gehörten. Gwaenydd Hughes erinnert sich, daß ihm jemand in den 1930er Jahren Schriften angeboten hatte, und im Jahre 1938 hatte sein Vater den Wachtturm (damals La Torre del Vigía) durch einen Mann namens Firnkorn in Sarmiento (Chubut) abonniert — und man sagte, dieser Mann „habe seine Schafe verkauft und sei hingegangen, um eine neue Religion zu predigen“. Die Stadt Sarmiento liegt mehr als 400 Kilometer südlich von Rawson, doch im Jahre 1942 schrieb Bruder Muñiz an Bruder Firnkorn und wies ihn an, für einige Wochen nach Rawson zu gehen. So kam es, daß, nach den Worten von Bruder Hughes, „Firnkorn kam, um Milch von mir zu kaufen. Er predigte das Ende der Welt. Dann bot er mir einige Schriften an. Dies brachte mich auf den Gedanken, er sei einfach ein Bücherverkäufer, aber ich nahm das Buch Feinde entgegen. Ich las es in drei Nächten durch und erinnere mich, daß ich, als ich damit fertig war, völlig davon überzeugt war, daß dies die richtige Erklärung der Bibel ist. Nun mußte ich mich nach Firnkorn umsehen. Er wohnte in einer kleinen Hütte auf der ,linken‘ Stadtseite der Nachbarstadt Trelew. Er bot mir den Wachtturm an, der in Spanisch nun La Atalaya hieß; dies verwirrte mich etwas, weil es eine adventistische Publikation El Atalaya gab. Bruder Firnkorn versicherte mir, daß Der Wachtturm keine adventistische Publikation ist.

In der Nähe hatte Bruder Basilio Miedziak gearbeitet und hatte Schriften in Comodoro Rivadavia, Trelew, Guiman und in den umliegenden Gegenden verbreitet. Ieuan Davies berichtet: „Dieser Pionier arbeitete wie ein freigelassener Bulle, das heißt, er sprach in jedem Haus vor, das an seinem Weg zu sehen war. Er gab sieben Broschüren bei einem Farmer ab, der einer unserer Nachbarn und ebenfalls Waliser war. Dieser interessierte sich nicht für die Broschüren, daher gab er sie mir aus Dankbarkeit, weil ich ihm an einem Sonntagmorgen geholfen hatte, seine Kühe zu melken. Er hatte sich nämlich verschlafen und wollte nicht zu spät in die Kapelle gehen, da er Diakon war. Als ich nach Hause kam und sah, daß es religiöse Broschüren waren, war ich nicht allzu begeistert, doch begann ich die Broschüre Gesundheit und Leben zu lesen. Unsere Bibel war in der walisischen Sprache abgefaßt, so borgte ich mir eine spanische Bibel, um mich zu vergewissern, ob das, was in den Broschüren stand, genau dem entspreche, was in der Bibel zu lesen war. Ich erkannte bald, daß dies die Wahrheit war, und mein geistiger Hunger wurde größer als zu der Zeit, da ich mit Lesen begonnen hatte. Die Broschüren empfahlen einige Bücher und gaben die Adressen der Gesellschaft von den Vereinigten Staaten und von Mexiko an; somit schrieb ich nach Mexiko, daß man mir die Bücher sende. Etwa zwei Monate vergingen, ehe ich die Bücher erhielt. Dies war, weil mein Ansuchen an das Büro nach Buenos Aires gesandt worden war. Da ich nun wußte, daß es in Buenos Aires Zeugen Jehovas gab, bestellte ich fünf weitere Bücher und abonnierte den Wachtturm.“

Bruder Muñiz sandte Bruder Firnkorn den Namen von Ieuan Davies, und Gwaenydd Hughes bot sich an, den Interessierten zu suchen, da es in dieser Gegend viele mit diesem Namen gab. Als der junge Davies erfuhr, daß Bruder Firnkorn Zusammenkünfte in Trelew leitete, war er bereit, seinen Freund Hughes am folgenden Sonntag dorthin zu begleiten. Er beschreibt dies folgendermaßen: „Als wir am Ort der Zusammenkunft ankamen, fanden wir, daß es eine kleine Hütte war, die im Begriff stand zusammenzubrechen, und ich glaube, das geschah auch beim nächsten Stumm. Wir beide, Hughes und ich, trugen die beste Kleidung, die wir hatten — Anzug, weißes Hemd, Krawatte usw. —, doch als wir eintraten, fanden wir, daß jeder in der typischen Tracht der Gegend erschienen war, und selbst der leitende Bruder war nicht dem Anlaß entsprechend gekleidet. Dies überraschte mich, dämpfte aber meine Begeisterung nicht. Nach mehreren Zusammenkünften sagte der Bruder, er werde abwesend sein, und einer von uns sollte in seiner Abwesenheit die Zusammenkünfte leiten. Als der ältere von uns beiden wurde Hughes dazu gewählt.“

GELEGENHEITEN FÜR JUNGE MÄNNER

Später in jenem Jahr machte Bruder Muñiz auf seiner Rückreise von Comodoro Rivadavia in Trelew halt, und da er hörte, daß hier Interesse vorhanden sei, benutzte er die Unterbrechung der Reise, um eine Ansprache zu halten. „Wir waren so sehr interessiert, daß er seinen Aufenthalt um drei weitere Tage verlängerte und jeden Abend zwei bis drei Stunden lang sprach. Diese Ansprachen“, sagt Bruder Hughes, „fesselten meine Aufmerksamkeit dermaßen, daß ich, obwohl ich hörte, wie mein Pferd am Zaum nagte und sich loszureißen suchte, es mir nicht leisten konnte, ein einziges Wort der biblischen Ansprache zu versäumen — eher wollte ich mein Pferd verlieren! Als daher die Ansprache zu Ende war, war ich tatsächlich mein Pferd los. Es war Mitternacht, und das war nicht die Zeit, es zu suchen. Am folgenden Tag mußte ich arbeiten, und abends wollte ich die Ansprachen nicht verpassen, daher gab ich das Pferd einfach verloren.“ Bruder Hughes fügt hinzu, daß das Pferd mehrere Tage später wiederauftauchte.

Nach seiner Rückkehr, in Buenos Aires, schrieb Bruder Muñiz an Bruder Firnkorn ungefähr folgendes: „Wenn dieser junge Davies nicht jemand ist, der seine Angehörigen unterstützt, so kann er, wenn er das will, in das Zweigbüro kommen, da wir hier junge Männer, wie er einer ist, benötigen.“ Somit reiste Ieuan Davies am letzten Tag des Monats Dezember 1942 nach Buenos Aires; im Februar 1943 wurde er getauft.

Gwaenydd Hughes war ebenfalls emsig dabei, seine Angelegenheiten zu regeln, damit er sich ausschließlich dem Werke widmen könnte. Um dieselbe Zeit las er alle Publikationen der Gesellschaft. Bis März 1943 war er bereit, von zu Hause fortzugehen. Er sagt uns: „Ich ging nach Bahía Blanca, wo Bruder Schwalm eine Gruppe leitete, und dort wurde ich getauft. Bruder Schwalm begab sich nach Buenos Aires, und ich wurde mit der Führung des Werkes betraut. Ich zitterte vor Furcht, und ich konnte nur e i n e s denken: ,Es müssen wirklich wenig Arbeiter dasein, wenn sie mich gebrauchen müssen‘, doch war ich bereit, gebraucht zu werden. Ein anderer Pionier schloß sich mir an, und indem wir Bahía Blanca als Hauptquartier benutzten, arbeiteten wir auswärts, den Städten in der Provinz La Pampa entgegen, wie auch im Süden der Provinz Buenos Aires, welches Gebiet einige jüdische Kolonien einschloß.

Gegen Ende 1943 kam Bruder Muñiz nach Bahía Blanca und sprach mit mir darüber, daß ich nach Paraguay gehen und die Leitung des Werkes dort übernehmen sollte. Da ich nicht antwortete, sagte er später: ,Du hast mir noch nicht geantwortet‘, worauf ich erwiderte: ,Was soll ich denn sagen? Es versteht sich von selbst, daß ich bereit bin, dort zu dienen, wo immer man mich hinsendet!‘ “ Bruder Davies dagegen wurde von Buenos Aires nach Bahía Blanca gesandt, um sich der Gruppe dort anzunehmen, und er erinnert sich gern an sein Zusammentreffen mit Bruder Hughes: „In der Nacht, in der ich in Bahía Blanca ankam, schliefen Hughes und ich überhaupt nicht; wir verbrachten die ganze Nacht damit, uns über alles auszusprechen, was in der kurzen Zeit geschehen war, und wir dankten Gott, daß er uns von diesem alten System der Dinge befreit hatte.“

Das Werk der Aussaat in den zwanziger und dreißiger Jahren erfolgte auf den weiten Strecken des Gebietes von Argentinien, und Hunderttausende von Schriften, die unzähligen Traktate nicht zu erwähnen, wurden dabei verbreitet. Groß war die Zahl der Interessierten, die Schriften erhalten hatten und ihre Erkenntnis mit anderen teilten, ohne vorher mit der Zweigorganisation der Gesellschaft Kontakt gehabt zu haben.

Als Zentrale der Tätigkeit wuchs der kleine Kern in Buenos Aires beständig. Wie wir erwarten konnten, brachte die Ausdehnung Veränderungen mit sich und auch zunehmende Schmerzen. Ein Ansporn für das Werk in Argentinien war im Jahre 1932 der Besuch von Bruder Roberto Montero, der in Mexiko diente. Er wurde von Bruder Rutherford gesandt, um den Feldzug mit der neuen Zeitschrift Luz y Verdad (Das Goldene Zeitalter in Spanisch) einzuführen. Viele Abonnements wurden aufgenommen, da die Zeitschrift äußerst interessant und nicht teuer war. Um die Zeit, da Bruder Montero auf Besuch kam, kaufte die Gesellschaft ein Haus an der Calle Cramer 4555, das als Zweigbüro und Literaturdepot dienen sollte. Dieses diente dann als Bethelheim, bis das gegenwärtige Besitztum an der Calle Honduras 5646 im Jahre 1940 gekauft wurde. Da sich das Zweigbüro damals etwas außerhalb der Stadt befand und für viele Brüder zu abgelegen war, entsandte Bruder Miguel Razquin seine Frau Juanita, damit sie einen zentraler gelegenen Zusammenkunftsort suche; der Saal an der Calle Fitzroy 1544 wurde gefunden, nur wenige Blocks vom gegenwärtigen Zweigbüro entfernt.

Um für die wachsende Gruppe Platz zu schaffen, mußte der Eigentümer des Hauses bald eine Trennwand abreißen, damit er einen weiteren Raum für die Zusammenkünfte freigeben konnte. Auf das inständige Verlangen von Bruder Razquin, der Invalide war, begab sich seine Frau, Schwester Razquin, erneut auf die Suche. Ein leerstehendes Haus, das für den Weingroßhandel benutzt worden war, wurde gefunden, und der Eigentümer war bereit, es zu verkaufen, wobei er das Haus an der Calle Cramer als Teilzahlung übernahm. Außerdem mußte der Betrag von 27 000 Pesos während einer längeren Zeitspanne mit 7 % Zins eingezahlt werden (er wurde in weniger als zwei Jahren abbezahlt). Bruder Muñiz dachte, das Besitztum sei zu teuer, aber Bruder Razquin war, den Worten seiner Frau gemäß, „ein starrköpfiger Baske, und er überzeugte Bruder Muñiz davon, daß das Besitztum an der Calle Honduras für unsere Bedürfnisse am geeignetsten sei — zentraler gelegen, nahe beim Postamt usw. Im Jahre 1940 wurde der Kaufbrief hier auf meinem Eßzimmertisch unterzeichnet.“

Die Brüder rissen den Teil des alten Lagerhauses, der zur Aufbewahrung von Wein benutzt worden war, ab, und unter der Leitung eines außenstehenden Unternehmers ging das neue Gebäude in die Höhe. Dieser Saal mißt 10 Meter mal 20 Meter, und es können über 350 Personen bequem darin Platz finden. Er wurde bis zum Jahre 1950 als Königreichssaal benutzt und später für Büros, die Druckerei, die Versandabteilung und das Literaturlager gebraucht. Im Jahre 1941 wurde auf dem Dach ein kleines Zimmer für Bruder Muñiz gebaut; die Materialien und die Arbeit dafür bezahlten die Brüder Razquin, Schwalm und Martonfi. Trotz der modernen Vergrößerungen des Zweigbüros ist dieses Zimmer immer noch dort.

Die ersten „Schmerzen“ in der Entwicklung des Werkes in Argentinien kamen in den frühen dreißiger Jahren: Streitigkeiten um Persönlichkeiten und Menschenverehrung traten zutage. Als der „neue Name“, Jehovas Zeugen, angenommen und das „Wahlältesten-System“ aufgegeben wurde, fielen einige ab und verließen die Organisation. Einmal wurden Unterschriften gesammelt, um Bruder Rutherford zu ersuchen, Bruder Muñiz als Zweigdiener abzusetzen. Einige, die unterschrieben hatten, kehrten später um und anerkannten die Ernennungen der theokratischen Organisation. Die Gruppen in Mendoza und Rosario erlitten zu verschiedenen Zeiten ähnliche Rückschläge.

In den frühen vierziger Jahren gab es wieder Unruhe, doch diesmal von anderer Art: Es war die Ruhelosigkeit zufolge des Wunsches, mehr Fortschritt und eine Verteilung der Verantwortlichkeiten zu sehen. Bruder Adamson erinnert sich an jene Augenblicke der Spannung: „Bruder Schwalm, der damals ein Glied der Bethelfamilie war, wandte sich an Bruder Muñiz mit der Bitte, einen Versuch zu machen, die Versammlung in Buenos Aires zu reorganisieren, damit sie sich der Arbeit besser annehmen könnte. Bruder Muñiz verstand zuerst den Geist nicht, der zu diesem Schritt antrieb, und dachte, es sei Rebellion. So ersuchte er alle Brüder, nach dem Wachtturm-Studium dazubleiben, und er ließ mich mit Papier und Feder auf die Bühne kommen, um alles aufzuschreiben, was erwogen würde.“ Im Laufe der Zeit wurde dann das große Gebiet, das die Versammlung Buenos Aires betreute, in sieben verschiedene Teile geteilt, wobei in jedem Teil ein Bruder sein sollte, der das Werk in jenem Gebiet zu leiten hatte.

Wie das Werk in den 1940er Jahren dann getan wurde, können wir uns wie folgt veranschaulichen: Kräftige und eifrige Brüder und Schwestern zogen in die fernen Gegenden von Argentinien und konzentrierten ihre Anstrengungen auf die Abgabe von biblischen Schriften, während andere Alleinstehende dem Zweigbüro schrieben, es sollte ihnen Literatur senden, damit sie diese in den Zonen, wo sie wohnten, verbreiten könnten. In den Städten, wo eine Versammlung oder eine Gruppe gegründet war, wurde die Zeugnistätigkeit regelmäßig durchgeführt, wobei man unter Benutzung einer Zeugniskarte hauptsächlich Bücher und Broschüren anbot. Das Grammophon wurde in einigen Städten im Nachbesuchswerk benutzt, doch nicht beim Zeugnisgeben von Haus zu Haus. Von 1942 an erhielten wir den Informator, in dem die gemeinsamen Feldzüge wie auch die Schriften angezeigt wurden, die man dabei benutzen sollte.

Von den Pionieren, alleinstehenden Verkündigern und denen, die mit den wenigen Versammlungen verbunden waren, gingen Berichte im Büro in Buenos Aires ein. Bruder Muñiz erstellte eine Liste mit dem Namen eines jeden einzelnen und mit den Angaben, wo jeder arbeitete und was jeder während des Monats getan hatte, und dieser Bogen wurde an alle gesandt.

Von seiner Ankunft in Argentinien an hielt Bruder Muñiz in Buenos Aires und anderen Städten, wo sich Interesse zeigte, biblische Vorträge, ebenso in den Nachbarländern, die ihm zur Betreuung unterstellt waren. Das Wachtturm-Studium wurde schon sehr früh eingeführt, es dauerte gewöhnlich zwei Stunden oder noch länger. Irma Albricot beschreibt jene frühen Studien: „Eine Woche im voraus teilte Bruder Muñiz ein oder zwei Abschnitte jedem Bruder zu, damit jeder eine Frage für den ihm zugeteilten Abschnitt vorbereite; dann, vor dem Studium, wurden die Fragen auf das Rednerpult gelegt, jemand ordnete sie der Reihe nach, und darauf las sie Bruder Muñiz vor — sofern er die Schrift lesen konnte (damals hatte noch niemand eine Schreibmaschine) —, und die Anwesenden konnten sich freiwillig zur Antwort melden. Alle Bibeltexte wurden nachgeschlagen und gelesen, dazu die Texte, die Bruder Muñiz noch hinzufügte, und so ging das Studium auf unbestimmte Zeit weiter, bis man zu Ende war. Die sonntäglichen Zusammenkünfte in Buenos Aires wurden von Brüdern und Interessierten aus dem Gebiet von Groß-Buenos Aires besucht. Am Abend eines Wochentages, gewöhnlich am Dienstag, besuchten die dazu ernannten Brüder die außerhalb liegende Zone, die dem Betreffenden zugeteilt war, und hier wurde ein Versammlungsbuchstudium abgehalten.

Eine andere wöchentliche Zusammenkunft fand am Donnerstag in Buenos Aires statt und wurde „del comentario“ genannt, was buchstäblich „vom Kommentar“ bedeutet, und man behandelte den Kommentar, der für jeden Tag im Jahrbuch angeführt war. Bruder Muñiz führte den Vorsitz bei dieser Zusammenkunft und übersetzte den Tagestext vom englischen Jahrbuch, ferner den Kommentar und einige Erfahrungen und fügte seinen eigenen Kommentar hinzu.

DIE ERSTE HAUPTVERSAMMLUNG

Wenn schon die zwei Jahrzehnte von 1924 bis 1944 Zeugen eines so großen Aussaatwerkes gewesen waren, so brachten die späteren vierziger Jahre noch größere Zunahmen. Das erforderte bessere Organisierung des Werkes. Viele Brüder erkannten dies und fühlten ein Bedürfnis diesbezüglich, doch was konnten sie tun? Bruder Ott erinnert sich daran, wie er und Bruder Schwalm oft darüber sprachen, während sie zusammen im Zweigbüro arbeiteten: „Bruder Knorr reist überallhin — warum senden sie ihn nicht einmal nach Argentinien?“

Der lang ersehnte Besuch kam im Jahre 1945 und damit in Verbindung Änderungen, die den Grund legten für eine wirklich theokratische Organisation und Ausdehnung. Die Brüder Knorr und Franz landeten am 28. Februar 1945 in Buenos Aires, als sie auf ihrer ersten Südamerika-Tour von Chile her kamen. Zu jener Zeit gab es im Lande 19 Versammlungen und 320 Verkündiger. Der Wachtturm vom 15. April 1945 (engl.) gibt einen Bericht über diesen Anlaß:

„Am Samstag, dem 3. März, fand die Eröffnung der ersten Hauptversammlung der Zeugen Jehovas in Argentinien statt. Etwa 395 Personen waren zur Zeit der Willkommensansprache des Zweigdieners zugegen. Dann wurden die amerikanischen Brüder eingeführt, und unter Beifall betrat Bruder Knorr die Bühne. Die Anwesenden stellten die Frucht von etwa zwanzig Jahren Tätigkeit der hiesigen Zeugen Jehovas dar, die in der Tat von einem ganz kleinen Anfang ausgegangen war. Es schien höchst passend zu sein, der Versammlung eine direkte Dienst- und Organisationsansprache zu halten, und das tat Bruder Knorr durch seinen Gefährten und Dolmetscher, Bruder Franz. Zu Anfang, als er die Bitte stellte, man möge die Hand erheben, damit man sehen könne, wie viele der Anwesenden römisch-katholisch gewesen seien, bevor sie sich Jehova Gott hingegeben hätten, ging die Hand von fast allen hoch.

Bruder Knorr betonte dann die Wichtigkeit des wöchentlichen Wachtturm-Studiums in den Versammlungen und darauf der wöchentlichen Predigtdienst-Zusammenkunft, die mindestens eine Stunde dauern und zu einer Zeit stattfinden sollte, die den meisten Brüdern passen würde. Darüber befragt, erhoben alle Anwesenden die Hand, um ihren Wunsch anzuzeigen, daß eine solche Predigtdienst-Zusammenkunft in ihren verschiedenen Versammlungen stattfinde. Sie sollte richtig organisiert werden, und man sollte eine monatliche Diensttabelle benutzen und Demonstrationen von fähigen Verkündigern vorführen lassen und andere Besprechungen über den Dienst führen. Im Geist der Wertschätzung nahmen die Brüder Bruder Knorrs wiederholten ernsten Hinweis entgegen, daß die Schlüsselstellung in der Versammlung diejenige des Verkündigers im Felde ist und daß jeder und alle die Verantwortung haben, als solche zu dienen. Sie wurden durch die Ermahnung, Nachbesuche zu machen und Buchstudien zu beginnen, sehr angespornt. Die Ankündigung, daß die Gesellschaft ein neues Buch in Spanisch herausgebe, betitelt ,Die Wahrheit wird euch frei machen‘, begrüßten sie mit herzlichem Beifall.

Das Abendprogramm wurde von zwei argentinischen Brüdern mit Darbietungen über das Thema ,Suchet zuerst das Königreich‘ in Spanisch eröffnet. Danach ergriffen Bruder Knorr und sein Dolmetscher das Wort, diesmal um besonders im Interesse des Pionierdienstes in diesem Teil Südamerikas zu sprechen. Die Anforderungen, die an die allgemeinen Pioniere und an die Sonderverkündiger gestellt werden, wurden deutlich dargelegt, und die Einladung erging, daß alle, die sich dafür interessierten, in diesen oder jenen Dienst einzutreten, sich am Schluß bei ihm einfinden möchten.

Am Sonntag, dem 4. März, morgens 8 Uhr fand die Taufansprache statt, und danach wurden acht Taufbewerber im Wasser untergetaucht. Die Ereignisse wickelten sich dann fortlaufend ab. Um 9 Uhr kamen alle Diener, die anwesend waren, nämlich 55, zu einer besonderen Besprechung mit Bruder Knorr zusammen, und er verwandte mehr als zwei Stunden darauf, ihre Fragen über den Felddienst und die Wachtturm- und Buchstudien zu beantworten. Gleich danach versammelten sich die deutsch sprechenden Brüder, und der neue ,Diener für die Brüder‘ (jetzt Kreisdiener genannt) sprach zu ihnen, besonders im Interesse einiger Anwesenden, die nur Deutsch verstanden und die daher keinen direkten Nutzen aus den spanischen Veranstaltungen zogen. Diese lieben Brüder freuten sich, in ihrer eigenen Sprache etwas über das zu erfahren, was bis dahin auf der Hauptversammlung gesagt worden war.

Für den Sonntagnachmittag war keine Zusammenkunft für die Öffentlichkeit angesagt worden. Für Argentinien ist der Ausnahmezustand angeordnet, weshalb eine solche Zusammenkunft nicht erlaubt ist. Dennoch erschienen am Nachmittag viele Interessierte zur Zusammenkunft, und die Anwesendenzahl stieg auf 476. Zwei Stunden lang saßen sie da und lauschten gespannt der Botschaft, die Bruder Knorr, übersetzt von Bruder Franz, über das Thema ,Jehovas universelle Souveränität gerechtfertigt‘ übermittelte. Eine Wandkarte, die hierzu besonders gezeichnet worden war, half mit, die Ansprache besser zu veranschaulichen. ... Die Ansprache führte auf spannende Weise zu der Ankündigung der neuen spanischen Broschüre Die Religion erntet Sturm, und die Brüder freuten sich sehr darüber.

Die meisten Brüder konnten bis zur Schlußansprache des Kongresses, die um 19 Uhr begann, dableiben. Zuerst gab es eine Darbietung in Spanisch über das Thema ,Des Königs Hochzeitsfest‘ ... Dann ergriff Bruder Knorr wieder das Wort, wobei einer der jungen Brüder vom Ort als Dolmetscher diente. Er erzählte den Versammelten etwas von den Kongressen und seinen Dienstvorrechten auf seiner Reise hierher ... Die Herzen der Brüder waren überströmend vor Freude, als er bekanntgab, daß ein besonderer argentinischer Informator von nun an monatlich herauskäme und daß der neuernannte ,Diener für die Brüder‘ damit beginnen werde, allen Versammlungen zu dienen, und daß außerdem binnen kurzem der Kurs im theokratischen Dienstamt in Spanisch in allen Versammlungen eingeführt werde.

Nach einem feurigen Lied des Dankes gegenüber Jehova durch Christus Jesus folgte ein Gebet, und dann endete die Veranstaltung gegen 22 Uhr. Wahrlich, die Brüder waren überzeugt, daß es ihnen gutgetan hatte, diese Hauptversammlung besucht zu haben.“

Wie sehr die argentinischen Brüder sich „über die geistige Speise gefreut hatten, besonders was die praktischen Dienstanweisungen betraf“, können wir ihren eigenen Worten entnehmen:

„Die Neugierde packte mich“, so erinnert sich Francisco Alvarez, „was denn ein Kongreß sei und was gesagt werden würde. Natürlich hatte ich eine unbestimmte Vorstellung, da ich an der Wand des Königreichssaales die Fotografie eines Kongresses gesehen hatte, der 1928 in den Vereinigten Staaten stattgefunden hatte, und man konnte auf dem Bild Bruder Rutherford und auch den damals noch jungen Bruder Knorr sehen, der uns nun bald besuchen würde. Diese erste Hauptversammlung ist etwas, was ich heute noch nicht vergessen kann, obwohl ich damals erst sechzehn Jahre zählte. Sie stärkte meinen Glauben und Eifer hinsichtlich der Anbetung Jehovas, ja meine unbedingte Überzeugung, daß er dieses Volk, seine Zeugen, gebraucht.“

„Bei dieser Gelegenheit wurde ich mit der Organisation vertraut und traf Brüder aus vielen Teilen des Landes“, schreibt Francisco Callejo. „Ich konnte da, wo ich arbeitete, nicht freibekommen, aber ich reiste dennoch ab. Bisher hatte ich nur von Kongressen gelesen; jetzt, da ich die Gelegenheit hatte, einem solchen beizuwohnen, war es undenkbar, daß ich nicht hingehen sollte! So konnte ich nach neun Jahren des Zeugnisgebens als alleinstehender Verkündiger aus erster Hand erfahren, wie die Organisation funktioniert; und auf dieser Hauptversammlung wurde ich getauft.“

Irma Albricot kann Bruder Knorrs Ansprache über den Pionierdienst nicht vergessen: „Wenn bis zu dieser Zeit vom Pionierdienst die Rede war, stellten wir uns nur reife Brüder, Männer, mit ihren Koffern vor, die in unwirtliche Zonen auszogen. Bruder Knorr half uns zu sehen, warum weitere jüngere Brüder und Schwestern dem Rufe Folge leisten und ihren Blick auf die noch umfassendere Schulung in der Gileadschule richten sollten. Seine Rede veranlaßte mehrere von uns zur Tat, und am 1. April nahmen wir unsere neue Arbeit auf.“ Es könnte hinzugefügt werden, daß Irma Albricot später Gilead besuchte und bis zu diesem Tag mit ihrem Mann, Mario Segal, einem Kreisdiener, im Vollzeitdienst geblieben ist.

VERBESSERUNGEN DES PREDIGTDIENSTES

Bruder Ott erzählt uns, wie „Bruder Knorr besonders hervorhob, daß das Wachtturm-Studium nur eine Stunde dauern sollte. Die Brüder Muñiz und Menazzi waren dagegen der festen Überzeugung, daß dies unmöglich sei.“ Bruder Davies aber berichtet: „Als ich nach Bahía Blanca zurückkehrte, setzte ich die Anregungen von Bruder Knorr in die Tat um. Und siehe da! Er hatte recht: Der Wachtturm kann in einer Stunde studiert und auch die Abschnitte können gelesen werden.“

Die Ergebnisse waren in der Tat weitreichend, und ein Bruder faßt dies wie folgt zusammen: „Trotz der Tatsache, daß viele keinen optimistischen Fernblick hatten, war es anspornend, sogleich geistige Fortschritte zu sehen. Es nahmen nun mehr Brüder an den Zusammenkünften teil, es wurden mehr Kommentare gegeben, es war lebhafter — es war einfach anders! Nun, da mein Herz mir nicht mehr fast zersprang, wenn ich es wagte, eine Antwort auf eine Frage zu geben, war ich zuversichtlicher; jetzt antworteten alle, und unser Fortschritt zeigte sich in vielen Beziehungen: im besseren Wortschatz, in der besseren Aussprache, in vermehrter Erkenntnis und, was uns am glücklichsten machte, in der Erkenntnis, daß unsere Lobpreisungen Gottes Jehovas von bester Art sein würden, so, wie er es verdient.“

Die Theokratische Predigtdienstschule war eine weitere sehr benötigte Neuerung, und Bruder Ott war höchst begeistert über die Aussichten. Bruder Muñiz aber war nicht derselben Meinung. Wie sich Bruder Ott erinnert, „sagte er, daß all dies nicht vorhanden gewesen sei, als er in die Organisation hineingekommen sei; somit sei die Schule nicht für ihn. Er sagte mir, ich könnte mit der Schule beginnen, wenn ich das wolle. Das tat ich auch, und später teilte ich Bruder Muñiz die Aufgabe für eine Ansprache von sieben Minuten zu. ,Was kann ich denn in nur sieben Minuten sagen?‘ fragte er. Er nahm die Aufgabe zwar an, doch unnötig zu sagen, daß er die Zeit überschritt.“

Eine andere glückliche Folge jenes Besuches von Bruder Knorr im Jahre 1945 wird von einem beschrieben, der mit dabei war, von Gwaenydd Hughes: „Ich kam zum Besuch Bruder Knorrs von Paraguay nach Argentinien zurück, und da ich dachte, es werde nur ein kurzer Besuch sein, ließ ich meine ganze Habe in Asunción. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, mir vorzustellen, was mir bevorstand und welch große Segnungen ich empfangen sollte! Eines Tages rief mich Bruder Knorr privat beiseite und fragte mich, ob ich nach Gilead gehen möchte; ich sollte es mir überlegen. Was sollte ich sagen? Die Sprache war für mich kein Problem, denn ich kannte die englische Sprache gut; aber der Gileadkurs — darüber wußte ich nichts. Als man mich zur Antwort drängte, sagte ich, daß ich nicht wisse, was ich sagen sollte, da ich nicht wüßte, was mit dem Gileadkurs verbunden wäre, daß ich aber gewillt sei zu gehen, wenn er dächte, ich würde den Erfordernissen entsprechen. Ich erinnere mich noch an Bruder Knorrs Antwort: ,So komm denn!‘ Später fügte er hinzu: ,Wenn du nach Gilead gehst, benötigen sie dich hier in Argentinien.‘ ,Wie aber steht es dann mit dem Werk in Paraguay?‘ fragte ich. Bruder Knorrs Antwort war: ,Der Herr wird dafür Sorge tragen!‘

Schon gleich in dem Monat nach Bruder Knorrs Besuch, am 12. April, waren Schwester Ofelia Estrada und ich unterwegs nach den Vereinigten Staaten — die ersten Argentinier, die die Gileadschule besuchen und zu ihren ersten ausländischen Studenten gehören sollten.“

Um diese Zeit diente José Bahner, der von Deutschland gekommen war, als der erste „Diener für die Brüder“ (jetzt „Kreisdiener“ genannt) in Argentinien. Zuvor hatten er und seine Frau zusammen mit Bruder und Schwester Niklasch in dem Gebiet von Santa Fe, Rosario und Paraná Pionierdienst geleistet. Bruder Knorrs Besuch hatte das Werk umgekrempelt, und dies bedeutete Neuorganisation in den Versammlungen, neue Dienstformulare und neue Anweisungen, das Werk, die Brüder zu lehren und ihnen liebevoll Hilfe zu bieten, damit sie mit der voranschreitenden Organisation in Übereinstimmung kämen, das war die Aufgabe, die zu erfüllen man von einem „Diener für die Brüder“ erwartete. Es ist bedauerlich, daß der neuernannte Bruder diese Aufgabe nicht immer erfüllte.

Bruder Armando Menazzi, der mit der Verkündigung der guten Botschaft im nördlichen Argentinien so viel zu tun hatte, erinnert sich an diese traurige und entmutigende Erfahrung: „Meine Frau und ich waren als Sonderpioniere in Córdoba eingesetzt. Etwa um diese Zeit kam ein Glaubensbruder José Bahner, nach Córdoba; er war scharf und auf dem laufenden, was die neuen Regeln und Anordnungen betraf, von denen ich nichts wußte. So schob er mich nach und nach beiseite und veranlaßte, daß ich meine Vorrechte hinsichtlich der Leitung des Werkes in Córdoba verlor. Dadurch fiel es mir schwer, als Sonderpionier in Córdoba zu bleiben, da man auf mich als auf denjenigen hinwies, der dafür verantwortlich sei, daß man die neuen Anweisungen nicht angewandt habe usw. Nun begann in meinem Leben eine sehr kritische Zeit: Da ich alles, was ich hatte, für den Fortschritt des Werkes eingesetzt hatte und ich mir nun ausgeschaltet vorkam, fühlte ich mich geistig erschöpft und litt an Schlaflosigkeit. Nach mehreren schlaflosen Tagen und Nächten fing ich an zu phantasieren und wurde in eine Heilanstalt geschickt, wo man mich elektrischen Schockbehandlungen aussetzte. Satan benutzte die Gelegenheit, mich wie Weizen zu sichten, aber nach zwei Tagen begann ich mich besser zu fühlen und spürte von neuem den Drang vorwärtszugehen. Nachdem unsere erste Tochter geboren worden war, begaben wir uns in ein nichtzugeteiltes Gebiet in San Francisco (Córdoba).“ Bruder Menazzis Äußerung, daß Satan die Gelegenheit benutzte, wird von anderen Brüdern aus dem Gebiet von Córdoba bestätigt, die erwähnen, daß es offensichtlich ein Versuch der Dämonen war, die Einheit und den Fortschritt der Versammlung zu stören.

Bruder Knorr hatte zu der Teilung der bestehenden Versammlung in Buenos Aires ermuntert, in der Überzeugung, daß noch mehr Personen durch die Predigttätigkeit erreicht würden und daß man zugleich den Interessierten Hilfe bieten und sie wirksam unterweisen könnte. Dies wurde getan; die neuen Versammlungen wurden aus den Gruppen gebildet, die zuvor mitten in der Woche als Buchstudiengruppen zusammengekommen waren. Bald wurde auch die Versammlung Córdoba das erste Mal geteilt, und jede Teilung erwies sich als ein Trittbrett zu noch größeren Zunahmen. An Zahl gab es 8 Versammlungen im Jahre 1940 und 58 Versammlungen um das Jahr 1950.

Die Tatsache, daß viele Brüder die Einladung Bruder Knorrs, den Pionierdienst aufzunehmen, zu Herzen nahmen, geht aus folgenden Zahlen hervor: Im Jahre 1940 gab es im ganzen Land 20 Pioniere; um das Jahr 1950 war diese Zahl auf 74 angewachsen, 13 Sonderpioniere und 61 allgemeine Pioniere. Bruder Rodolfo Bock berichtet uns: „Meine Frau und ich waren entschlossen, Pionier zu werden, und wir begannen unsere Angelegenheiten zu ordnen. Im Oktober 1945 reichte ich meine Kündigung bei meiner weltlichen Arbeitsstelle ein. Der Leiter, ein Sohn des Fabrikbesitzers, sagte mir, es sei nicht praktisch gedacht, wenn ich meine Stelle verlasse; er erinnerte mich an den Fortschritt, den ich gemacht hätte, und sprach von künftigen Fortschritten und Beförderungen. Als er aber sah, daß mein Entschluß gefaßt war, war er sehr freundlich und sagte, sie alle hätten sich während dieser zehn Jahre über mein Benehmen und meine Arbeit gefreut und wenn es mir in meiner neuen Tätigkeit nicht gutgehe, sollte ich daran denken, daß die Türen dieser Fabrik mir stets offenstehen würden. Das ganze Büropersonal tat sich zusammen, um mir ein Geschenk zu kaufen, und um meine Wertschätzung dafür zu zeigen, schenkte ich jedem ein Exemplar des Buches ,Die Wahrheit wird euch frei machen‘. Alle nahmen es gern entgegen.“

Es wurde größerer Nachdruck auf das Nachbesuchs- und Bibelstudienwerk gelegt. „Die Wahrheit wird euch frei machen“, zusammen mit der Fragebroschüre, war das Hauptmittel, das in dieser Tätigkeit benutzt wurde. Ein Pionier schreibt: „Die Studien anhand dieser Publikation dauerten mindestens ein Jahr, wenn sie regelmäßig durchgeführt wurden. Die falschen Glaubensansichten wie die unsterbliche Seele, das Höllenfeuer und die Dreieinigkeit waren im Sinn der meisten Leute fest verankert, und es erforderte viel Takt und Geduld, ihnen zu helfen, die Wahrheit zu verstehen und sie anzunehmen. Als unsere Heimbibelstudien zunahmen, nahm auch die Zahl der Anwesenden bei den Zusammenkünften im Königreichssaal zu und nach und nach auch die Zahl der Verkündiger. Es erforderte Mühe, all unsere Studien gut zu planen, ja einige mußten spätabends durchgeführt werden.“

Eine andere Tätigkeit, an der sich die Brüder beteiligten, war der Zeitschriftendienst auf der Straße. Bruder Alvarez sagt uns, daß auf „den wichtigen Straßen und Hauptstraßen der Stadt Buenos Aires und in anderen Städten, wo es Versammlungen gab, Der Wachtturm und Trost (später Erwachet!) der argentinischen Bevölkerung gut bekannt wurden, und viele kamen durch diese Tätigkeit zur Erkenntnis der Wahrheit. Ich erfreute mich dieses Dienstes auf den Hauptstraßen des Geschäftsviertels, wenn ich nach meiner weltlichen Arbeit frei war; dort erkannten mich frühere Schulkameraden wieder, die ich seit unseren Schultagen nicht mehr gesehen hatte, und ich hatte die ausgezeichnete Gelegenheit, ihnen ein Zeugnis von der Wahrheit des Wortes Gottes zu geben.“ Schwester Mary Seegelken spricht von einer Erfahrung aus Mendoza: „Wir betätigten uns im Zeitschriftendienst nicht nur auf der Hauptstraße in Mendoza, der Avenida San Martín, sondern auch auf dem Godoy-Cruz-Platz, wo viele Menschen am Sonntagnachmittag spazierengingen. Meine Schwester Elba und ich standen gewöhnlich nahe beisammen. Eines Tages kam ein junger Schullehrer auf uns zu und sagte: ,Arme Dinger, diese zwei Blondinen, die Zeitschriften verkaufen!‘ Er nahm die zwei Zeitschriften, und heute ist dieser frühere Schullehrer, Bruder Pedro Maza, ein Bezirksdiener, und er hatte das Vorrecht, Gileads zehnmonatigen Kurs zu besuchen.“ Der Dienst mit den Zeitschriften auf der Straße mußte im Jahre 1950 aufgegeben werden, als das Werk der Zeugen Jehovas für ungesetzlich erklärt wurde.

HILFSMITTEL FÜR EINEN PRODUKTIVEN PREDIGTDIENST

Zufolge der Einführung des Kurses im Theokratischen Dienstamt bereiteten sich mehr Brüder auf öffentliche Vorträge vor und hielten solche; ihre Eindrücke interessieren uns: „Ein großer Antrieb zum Besuch der Zusammenkünfte war die Veranstaltung von Zusammenkünften für die Öffentlichkeit, wobei die Redepläne benutzt wurden, die die Gesellschaft zu den einschlägigen Themen lieferte“, wie Bruder Bock schreibt. „Ich war verpflichtet, an diesem Programm öffentlicher Vorträge teilzunehmen, da ich Versammlungsdiener in Rosario war, und wir sollten nicht den Besuch des Kreisdieners abwarten, bevor wir unsere Aktion öffentlicher Vorträge in Gang setzten. Daher lernten wir, öffentliche Ansprachen zu halten; ich begann zuerst, und dann schloß sich mir Bruder Niklasch an. Wir spürten eine angenehme Befriedigung über dieses zusätzliche Dienstvorrecht, und dies besonders, wenn wir die Wertschätzung auf seiten der Brüder und der Interessierten bemerkten. Die Anwesendenzahl im Königreichssaal stieg beträchtlich. Später hielten wir, übereinstimmend mit dem Rat der Gesellschaft, überall Ansprachen, selbst in den Wohnungen der Brüder, wo dies möglich war; auf diese Weise konnten viel mehr Personen den Ansprachen in verschiedenen Teilen dieser großen Stadt beiwohnen. Wir kündigten diese Ansprachen durch Handzettel an.“ Für die meisten Brüder, die einen öffentlichen Vortrag halten mußten, war dies eine wirkliche Prüfung, und mehr als einer hoffte wie ich, „daß an diesem verhängnisvollen Tag niemand erscheine, wenn ich, schneeweiß, an das Rednerpult treten würde“. Ein anderer Bruder erinnert sich an folgendes: „Ich habe sehr wenig Schulunterricht gehabt, so daß ich hoffte, als ich meine erste einstündige Ansprache zu halten hatte, es würde mich unterwegs zum Saal ein Bus überfahren — eine solche Furcht hatte mich erfaßt! Seither aber habe ich viele Ansprachen gehalten, und jedesmal ging es besser. Ohne Fleiß kein Preis.“

Im Spätjahr 1946 kehrte Bruder Hughes aus den Vereinigten Staaten zurück. Nach einem Anfangsbesuch in Paraguay, wobei er Bruder Knorr vertrat, begann er seinen Kreisdienst im nördlichen Teil von Argentinien. Nun wurden Kreiskongresse veranstaltet; der erste davon fand im Mai 1947 in Córdoba statt, und Bruder Muñiz diente in der Eigenschaft als Bezirksdiener. Im Juni wurde ein Kreiskongreß im Süden, in Bahía Blanca, abgehalten; hier diente Bruder Hughes als Bezirksdiener. Bei diesem Anlaß vollzog Bruder Hughes seine erste Taufe, und dies in dem Teich, wo er selbst gerade vier Jahre vorher getauft worden war. „Es war nach dem Kreiskongreß in Bahía Blanca“, erzählt Bruder Hughes, „daß ich meine Heimat in Chubut das erstemal besuchte, nachdem ich sie viereinhalb Jahre zuvor verlassen hatte. Ich wurde eingeladen, eine Ansprache in der walisischen Kirche zu halten, und ich hielt sie in Walisisch. Es ist traurig, zu sagen, daß das Werk, obwohl die Arbeit von den frühen Pionieren und noch von manchen Brüdern seither getan wurde, unter den Walisern keinen fruchtbaren Boden gefunden hat. Ich erinnere mich, wie ein walisischer Verwandter, dem ich Schriften der Gesellschaft anbot, ausrief: ,Was, ich dachte, diese Religion bestehe nicht mehr — ich dachte, sie sei zusammengebrochen!‘ “

Jene frühen Kreiskongresse trugen bald den Charakter von nationalen Veranstaltungen, da die Brüder aus allen Teilen Argentiniens herbeikamen. Irma Albricot erklärt: „Um jene Zeit gewährte die Eisenbahn einen beträchtlichen Rabatt für Gruppen von über zehn Personen; daher wurden mehr als einmal ein oder zwei ganze Eisenbahnwagen mit Brüdern angefüllt. Unterwegs vertrieben wir uns die Langeweile mit Liedern und Erfahrungen, und so begann die Versammlung tatsächlich schon im Zuge. Wenn wir in der Versammlungsstadt ankamen, erwartete uns ein Bruder am Zug mit Adressen von Hotels und deren Preisen usw., und wir konnten das wählen, was unserem Budget angemessen war. Dann traf ein jeder, einzeln oder in Gruppen, für die Versammlungstage Vorkehrung zum Essen, da es noch keine Cafeteria gab.“

Das Kreiskongreßprogramm ging weiter, und es wurden Versammlungen für eine Stadt nach der anderen geplant. Jede Versammlung war in der Stadt, wo sie abgehalten wurde, die „erste“, und die Brüder machten überall mit Überströmender Freude und Begeisterung dabei mit. Mary Seegelken bemerkt über den ersten Kreiskongreß in Mendoza: „In der Unterkunftsabteilung arbeiteten wir hart, da Brüder aus Buenos Aires, Córdoba, Santa Fe und aus anderen Provinzen erwartet wurden. Wenige Tage ehe die Versammlung beginnen sollte, begannen die Busfahrer zu streiken, so mußten wir die Arbeit zu Fuß machen, bis wir für alle Zimmer gefunden hatten. Wir dankten Jehova, daß wir ein neues, noch nicht eröffnetes Hotel fanden, und der Eigentümer gewährte uns vernünftige Preise, so daß unser Problem gelöst war. Dieser Kreiskongreß bereitete wirklich Freude.“

Im Oktober 1948 kamen sechs Gileadabsolventen in Buenos Aires an: Charles und Lorene Eisenhower, Viola Eisenhower, Helen Nichols, Helen Wilson und Roberta Miller. Fünf hatten die erste Gileadklasse absolviert, und alle hatten als Missionare auf Kuba gedient, bevor sie Argentinien zugeteilt wurden. Die meisten dieser Missionare stehen immer noch im Vollzeitdienst in Argentinien.

Buenos Aires, wie mit den Augen einer neueingetroffenen Missionarin, Helen Nichols’, angesehen wird, interessiert uns: „Von dem Tage an, da wir landeten, konnten wir sehen, daß dies eine ganz andere Zuteilung war. Wie beeindruckten mich doch die hübschen Babys mit den rosigen Wangen, die von Kopf bis Fuß in mollige Wollsachen eingehüllt waren! Es ging nicht lange, so bemerkten wir, wie die Arbeiter, die auf den Straßen oder auf dem Bau arbeiteten, die Arbeit einstellten und ihr Mittagsmahl neben der Straße zubereiteten. Ein Beefsteak, über einem Kohlenfeuer gebraten, ein Pariser Brot und eine Flasche Wein bildeten die Verpflegung. Jeder schien eine Menge zum Essen zu haben, eine Menge zum Anziehen und was immer er sich sonst wünschte. Diese Note des Wohlstandes ließ mich erkennen, daß wir wachsam sein mußten, um die Menschen von der Wichtigkeit der Königreichsbotschaft überzeugen zu können; wir müßten ihnen zeigen, daß die Segnungen des Königreiches größer sind als irgend etwas, was sie schon gehabt oder gekannt haben.“ Die Missionare fanden auch, daß sich die „Siestastunde“ im allgemeinen bis um 15 Uhr erstreckt, und das Abendessen wird zwischen 21 und 22 Uhr serviert. So mußten sie ihren Zeitplan demjenigen der Wohnungsinhaber anpassen.

DIE HAUPTVERSAMMLUNG 1949

Im April 1949 besuchten Bruder Knorr und Bruder Henschel Argentinien, und es wurde eine Versammlung in dem sehr schönen Saal „Les Ambassadeurs“ anberaumt. Kurz bevor die Versammlung eröffnet werden sollte, wurde dem Zweigbüro mitgeteilt, daß die polizeiliche Erlaubnis, die Versammlung abzuhalten, widerrufen worden sei. Die Sache wurde einem prominenten Anwalt übergeben, der selbst zur Polizei ging. Man sagte ihm, er müsse sich an das Außen- und Kultusministerium wenden. Den Brüdern wurde von der Polizei gesagt, sie könnten ihre Versammlung in ihrem eigenen Saal abhalten, wo während der Woche und sonntags regelmäßig Zusammenkünfte stattfanden. Zu keiner Zeit in den acht Jahren, da der Saal an der Calle Honduras benutzt worden war, waren die Brüder auf irgendwelche Schwierigkeiten gestoßen. Dort begann die Versammlung am Freitagabend, dem 8. April, mit etwa 672 Anwesenden. Am Sonnabendmorgen fand eine Taufe statt; 76 Taufbewerber wurden im La Plata getauft. Am Sonntagnachmittag waren 1 200 anwesend; der Saal war übervoll, der Patio war bis zum Tor angefüllt, und Hunderte befanden sich auf dem Terrassendach. Lautsprecher bedienten die ganze Zuhörerschaft. Bruder Knorr begann seinen geplanten Vortrag „Es ist später, als du denkst“, wobei Bruder Hughes als Dolmetscher diente. Um 16.40 Uhr drängten sich ein Polizist und ein Mann in Zivil durch die Menge auf die Bühne. Sie sagten, der Vortrag müsse sogleich abgebrochen werden; bald stand ein Dutzend Polizisten draußen vor dem Gebäude, und dreißig weitere trafen in einem offenen Polizeilastwagen ein. Sie zogen ihre Pistolen und hatten Tränengasbomben bei sich! Etwa 200 Brüder, unter ihnen die Brüder Knorr, Hughes und Muñiz, wurden auf die Polizeiwache geführt. Helen Nichols erwähnt dies wie folgt: „Das war für mich das erstemal, daß ich eingesperrt war, und auch für Bruder Knorr!“ Die meisten Brüder wurden im Lastwagen auf die Polizeiwache gebracht, je dreißig auf einmal.

Schließlich erkannte die Polizei, daß es bestimmt eine endlose Aufgabe sei; auch ging dem Polizeilastwagen das Benzin aus. So wurden die übrigen Brüder im Saal unter polizeilicher Bewachung gehalten. Diejenigen, die auf die Polizeiwache geführt wurden, waren gezwungen, in einem großen offenen Hof stundenlang zu stehen. Es war kühl und feucht, und die meisten hatten seit dem Mittagessen, ja einige seit dem Frühstück, nichts gegessen. Nachdem man alle aufgeschrieben und routinemäßig abgefertigt hatte, ließ man sie schließlich in den frühen Stunden des Montagmorgens frei. Weder dem Anwalt noch den Brüdern wurde jemals eine befriedigende Antwort gegeben, warum die Zusammenkunft unterbrochen worden war, aber eine höchst interessante Einzelheit zeigte sich. Der Polizeichef, der Bruder Muñiz zur Polizeiwache mitnahm, hielt unterwegs bei der katholischen Kirche an. Er sagte, er wolle hineingehen und den padre sehen. Zehn Minuten später kehrte er zurück und nahm Bruder Muñiz auf die Polizeiwache mit, um ihn dort aufzuschreiben.

Bruder Henschel befand sich gegenüber dem Königreichssaal auf der anderen Seite der Straße und nahm Bilder auf, als die Schwierigkeiten begannen, und so konnte er die Lage überblicken. Später sprach er mit Bruder Knorr durch das Telefon und erhielt Anweisung, sich gemäß dem Reiseplan am nächsten Tag nach Asunción (Paraguay) zu begeben, falls Bruder Knorr nicht freigelassen würde. Bei der Ankunft Bruder Knorrs im Hotel schlief Bruder Henschel; als er aufstand und die Tür öffnete, fragte er Bruder Knorr, wie die Dinge stünden. Bruder Knorr antwortete: „Es ist später, als du denkst.“ Es war 5 Uhr morgens. Es war gerade noch Zeit zum Packen und um etwas Frühstück einzunehmen und dann hinab zum Wasserflughafen zu gehen, wo er und Bruder Henschel zusammen mit Bruder Hughes das Flugzeug für die Reise nach Paraguay fahrplanmäßig bestiegen.

Warum aber diese Störung der Versammlung in Buenos Aires und bei verschiedenen Kreiskongressen? Nach vielen Monaten angestrengter Bemühungen war La Torre de Vigía schon im Jahre 1948 von der Regierung als eine religiöse Organisation anerkannt worden. Die Mitglieder dieser gesetzlichen Organisation, deren Präsident Bruder Muñiz war, waren gewählt worden. Im Jahre 1946 hatte die Perón-Regierung unter dem Einfluß der römisch-katholischen Kirche ein Kultus- oder Religionsdepartement innerhalb des Außenministeriums gebildet. Der Zweck war, zu verlangen, daß sich alle Religionsgemeinschaften, mit Ausnahme der katholischen Kirche, eintragen ließen. Der Kongreß stimmte um jene Zeit dieser Maßnahme nicht zu. Im Jahre 1949 jedoch wurde die Gesetzesvorlage erneut vorgebracht, und zufolge des Drucks von einflußreicher katholischer Seite wurde sie angenommen. Es war nun erforderlich, daß sich sämtliche Konfessionen beim Kultusdepartement des Außenministeriums eintrugen. Von dieser Zeit an hatten die Verkündiger des Königreiches Schwierigkeiten.

Schließlich, im August 1950, wurde das Werk der Zeugen Jehovas offiziell verboten. Aus Resolution 351 des ministeriellen Erlasses wird als Grund angegeben, daß „die Organisation [der Zeugen Jehovas] gegen die geheiligten Prinzipien der Magna Charta sei, indem sie Lehren verbreite, die gegen die bewaffneten Streitkräfte und gegen den Respekt seien, der dem nationalen Symbol gezollt werden sollte“. Immer und immer wieder haben Jehovas Zeugen durch ihre Vertretung im Lande um ihre Anerkennung nachgesucht, damit sie die gute Botschaft vom Königreich ungehindert predigen könnten, wie dies von der argentinischen Verfassung gewährleistet wird, doch bisher ohne Erfolg.

Ächtung, Verbote und Verfolgung sind für Jehovas Diener nichts Neues. Wie sie diesen Hindernissen begegneten und wie das Werk in Argentinien unter diesen Umständen durchgeführt wurde, ist ein wichtiges und interessantes Kapitel in der Entwicklung des hiesigen Werkes. Kurz vor dem Verbot des Werkes reisten fünfzehn argentinische Brüder zum Besuch des internationalen Kongresses nach New York. Während sie dort waren, hörten sie die Nachricht, daß das Werk offiziell verboten worden sei. Wie würden sie in Argentinien Zeugnis geben können, und was wäre der wirkliche Zustand des Werkes nach ihrer Rückkehr? Bruder Hughes war bei jenem Kongreß einer der Delegierten, und er erzählt uns seine persönlichen Erfahrungen.

TROTZ DER PROBLEME PREDIGEN

„Als ich in New York war, ernannte mich Bruder Knorr zum Zweigdiener für Argentinien. Aber als ich nach Buenos Aires zurückkehrte, mußte ich zuerst das Zweigbüro suchen. O ja, das Besitztum an der Calle Honduras 5646 war immer noch dort; da es auf den Namen von Bruder Muñiz eingetragen war, gab es hierin kein Problem. Aber die Karteien und alles, was ein Zweigbüro ausmacht, waren hier und dort in den Wohnungen der Brüder verstreut. Eine Zeitlang war es nötig, daß ein Bruder am Ende jeden Monats durchs ganze Land reiste, um die Berichte von jeder Versammlung oder Gruppe zu holen; andere Brüder brachten ihre Berichte persönlich nach Buenos Aires. Nachdem dann der Bericht zusammengestellt worden war, reiste der Zweigdiener oder ein anderer Bruder nach Uruguay, um den Bericht nach Brooklyn abzusenden. Man kann sich vorstellen, welche Aufgabe es war, jeden Monatsbericht zusammenzustellen.“

Das Jahrzehnt von 1940 bis 1950 war beglückend gewesen, denn es hatte Wachstum und Neuerungen im theokratischen Aufbau gebracht. Welche Freude hatten doch die Brüder, als sie die Ergebnisse betrachteten, die im Jahresbericht von 1950 angegeben wurden: 58 Versammlungen, 13 Sonderpioniere, 61 allgemeine Pioniere und 1 218 Versammlungsverkündiger! Zufolge von Schwierigkeiten bei der Einfuhr von Druckschriften wurden nur 60 870 Bücher und Broschüren abgegeben aber 112 693 Nachbesuche wurden gemacht und 973 Heimbibelstudien geleitet. Die Arbeit mit den Zeitschriften war fruchtbar, und man hatte 3 495 neue Abonnements erlangt und 153 320 Einzelexemplare der Zeitschriften abgegeben. Beim Gedächtnismahl waren in jenem Jahr 1 747 Personen anwesend; und während des Jahres wurden 979 öffentliche Vorträge gehalten.

Die größte Sorge der Brüder war, ob das Werk unter dem Verbot gedeihen würde. Etwas, was für uns günstig war, war der Umstand, daß die Zeitschriften und andere Literatur, obwohl wir unter eingeschränkten Verhältnissen wirkten, durch die Post ins Land kam, nämlich in die Wohnung verschiedener Brüder. Wir wollen einmal Bruder Hughes fragen, wie es dem Werk unter dem Verbot erging. „Eine hervorragende Tatsache ist, daß das offizielle Verbot des Werkes zum größten Segen gereichte, was die Ausdehnung des Werkes betrifft. Die kleinen Gruppen oder Dienstzentren gediehen und wurden stark, und dies bildete später die Grundlage für die Gründung so vieler Versammlungen.“

Die Gesellschaft erkannte die Notwendigkeit vermehrter Besuche aller Versammlungen im Lande durch die Kreisdiener, um die Brüder zu unterweisen, wie sie die Arbeit durchführen sollten. Bruder Eisenhower, der von 1949 an als Kreisdiener im nördlichen Teil des Landes diente, erzählt uns von seinem Besuch in der Versammlung Rosario. Hier wurde vorgeführt, wie man predigen könnte, ohne die Zeitschrift Der Wachtturm oder die Literatur der Gesellschaft vorzuzeigen. Bruder Eisenhower und seine Frau gingen mit den einzelnen Verkündigern von Haus zu Haus. Sie benutzten nur die Bibel, indem sie drei oder vier Bibeltexte in Form einer Predigt vorlasen. Den Dienern in der Versammlung und anderen Verkündigern wurde gezeigt, wie dies getan werden sollte, und sie waren ihrerseits imstande, andere zu lehren. Bruder Eisenhower sagt uns: „Wenn wir Leute fanden, die den Wunsch hatten, mehr über Gott und sein Königreich und das neue System der Dinge zu hören, so notierten wir ihren Namen und ihre Adresse und trafen Vorkehrungen, wieder hinzugehen, ihnen biblische Schriften zu bringen und zugleich ein Bibelstudium zu beginnen.“ In der Zeit von nur zwei Wochen arbeitete Bruder Eisenhower seinen Kreis durch, indem er alle Versammlungen besuchte. Er berichtet, daß die Brüder von dieser Art, die gute Botschaft vom Königreich zu verkünden, sehr begeistert waren.

Es wurden Zusammenkünfte in Gruppen von sechs, acht, zehn oder zwölf Personen durchgeführt. Der Kreisdiener pflegte diese Gruppen zu besuchen, wobei er bei jeder drei Tage verbrachte: Sonntag, Montag und Dienstag in einer Gruppe; Donnerstag bis Samstag in einer anderen. Auf diese Weise konnte er seine Dienstansprache in jeder Gruppe halten, und wo es möglich war, hielt er jeweils auch einen öffentlichen Vortrag. Das Werk gedieh, und neue sowie größere Gruppen wurden organisiert.

Im Januar 1951 wurde Bruder Rogelio Del Pino mit seiner Frau Dora dem Kreisdienst zugeteilt. Bruder Del Pino erinnert sich an ihre Besuche in den verschiedenen Versammlungen in der Bundeshauptstadt und in Gebieten ihrer Umgebung: „Es war eine interessante Arbeit, und sie wurde mit Weisheit und Mut durchgeführt. Obwohl wir nicht direkt feurige Verfolgung erlitten, standen wir doch unter dem Verbot und erfreuten uns keiner vollständigen Freiheit. Wir waren uns dieser Tatsache stets bewußt, und dieser Gedanke leitete uns in unserer Tätigkeit und bei den Schritten, die wir unternahmen. Das Zweigbüro gab uns genauen Rat und auch Anregungen, die, wenn sie treulich befolgt wurden, uns davor bewahrten, in ernstere Schwierigkeiten zu geraten, und dadurch pulsierte das Werk weiter und blieb lebendig. Als wir dann mehr Freiheit erhielten, kamen wir gut organisiert aus diesen Verhältnissen heraus, und das Werk hatte in keinem größeren Maße gelitten. Wir ließen Vorsicht walten, aber die ,Schafe‘ wurden nie vernachlässigt. Das Zweigbüro versah uns stets gut mit den neusten Anweisungen, und der Kreisdiener setzte seine Arbeit fort, indem er die Versammlungen in gleicher Weise besuchte und nährte, wie er es heute tut. Nur in einem Punkt war es anders, nämlich in bezug auf die Orte, wo diese Zusammenkünfte abgehalten wurden. Damals war es ein kleiner Wohnraum, ein Eßzimmer oder eine Küche — wir hatten nie genügend Sitzgelegenheiten, auch wenn wir auf Betten saßen oder auf einem Tisch oder auf einer Nähmaschine. Groß war die Verantwortung der Brüder, die diese Gruppen leiteten.“

Hinsichtlich der Verantwortung, eine solche Gruppe zu leiten, verschafft uns Bruder Fernando Fanin, der die Wahrheit 1947 in Córdoba annahm, sozusagen in einer Nahaufnahme ein Bild: „In diesen kleinen Gruppen konnte den Brüdern und den Interessierten mehr persönliche Aufmerksamkeit geschenkt werden, als es in einer größeren Versammlung möglich gewesen wäre. Diese Betreuung und beständige Gemeinschaft weckte einen Familiengeist unter uns, und dieser trug sehr zum geistigen Wachstum bei. Außerdem hatten diejenigen von uns, die damit beauftragt waren, sich dieser Gruppen anzunehmen, die Gelegenheit, geistig erwachsen zu werden, da uns die Verantwortung oblag, die Zusammenkünfte zu leiten und die Arbeit jedes Dieners so zu tun, als ob wir Aufseher einer Versammlung gewesen wären. Wir leiteten das Wachtturm-Studium, amteten als Schuldiener und leiteten auch die Predigtdienst-Zusammenkunft.“ Es ist verständlich, daß diese kleinen Gruppen zur eifrigen Förderung des Werkes eng miteinander verbunden wurden.

Da es unmöglich war, uns zu größeren Zusammenkünften zu versammeln, zum Beispiel zu Kreis- und Bezirkskongressen, wurden kleinere Zusammenkünfte im Lande, draußen im Walde oder in den Bergen, organisiert. Bruder Eisenhower erzählt uns, daß die Aufseher, Hilfsversammlungsdiener und die Bibelstudiendiener zusammen mit Buchstudienleitern zu diesen eintägigen Versammlungen eingeladen wurden. „Sie waren wie ein Picknick oder ein Familientreffen und waren für die Brüder sehr von Nutzen und von großer Hilfe, um das Werk im Lande in Gang zu halten.“

Helen Wilson, eine der Missionarinnen, die in jenen Jahren in Buenos Aires Dienst taten, spricht von der Freude, die sie empfand: „Meine Partnerin, Helen Nichols, und ich wurden eingeladen, bei einer dieser Tagesversammlungen zugegen zu sein, da wir vorübergehend Studienleiter waren. Wie uns dies freute! Es war eine solche Ermunterung, mit anderen Brüdern als nur mit denen von unserer kleinen Gruppe zusammen zu sein. Manchmal schätzen wir Kongresse nicht so sehr, wenn sie in Freiheit und öffentlich abgehalten werden können. Die Cafeteria war anders als bei irgendeinem Kongreß, den ich je besucht hatte: Das Essen bestand aus einem ganzen Lamm, das an Spießen, die im Winkel standen, über einem Kohlenfeuer gebraten wurde. Wenn der asado bereit war, kamen wir alle rings darum zusammen, und jeder bediente sich von demselben Schneidebrett und aus den großen Salatschüsseln, da wir alles gemeinsam hatten.“

Selbst zufolge dieser kleineren Zusammenkünfte traten manchmal Schwierigkeiten auf. In Córdoba wurde auf der Farm eines Bruders eine Zusammenkunft veranstaltet. Die Polizei stellte dies fest, kam her, löste die Versammlung auf und nahm die Brüder Natalio Dessilani, Ermelindo Goffi und Charles Eisenhower auf das Polizeirevier des Ortes mit und hielt sie dort vierundzwanzig Stunden fest. Danach wurden sie freigelassen und verwarnt, weitere illegale Zusammenkünfte abzuhalten.

Bisweilen taucht die Frage auf, wie die neueren, unreifen Brüder die Botschaft annehmen und beginnen könnten, sie zu predigen, wenn sie wissen, daß sie von der Polizei festgenommen werden könnten. Trotzdem waren sozusagen alle von denen, die sich mit den Brüdern verbanden, im Dienst mutig und ließen sich durch das, was mit ihnen geschehen könnte, in keiner Weise einschüchtern. Ein junger Verkündiger sagte, er habe die Königreichsbotschaft deswegen angenommen, weil er gewußt habe, daß er kämpfen müßte. Im Laufe der Zeit wurde dieser Bruder, Amado Ceirano, Pionier, dann Kreisdiener und Bezirksdiener. Bruder Fanin erzählt, wie er eine neuinteressierte Person zum ersten Mal in den Dienst von Tür zu Tür mitnahm: „Wir sprachen in einer Wohnung vor, wo ein Kongreßmitglied der Regierungspartei wohnte. Der Mann hörte zu und lud uns ein einzutreten. Ich war glücklich, denn ich dachte, er sei vielleicht interessiert. Aber als wir einmal drinnen waren, sagte er, wir sollten uns darauf gefaßt machen, ins Gefängnis zu gehen, denn er habe eine gesetzliche Maßnahme vorbereitet, um sie dem Kongreß vorzulegen, wodurch Jehovas Zeugen aus dem Dasein gefegt würden, und diese Maßnahme werde bald genehmigt werden. Darauf suchte er die Polizei anzurufen, während ich die Bibel hervornahm und ihm Daniel 2:44 und Psalm 2 vorlas. Da er sehr aufgeregt war, konnte er nicht die rechte Nummer wählen, um mit der Polizei in Verbindung zu treten. Nachdem ich die Texte gelesen hatte, sagte ich zu der Verkündigerin: ,Wir wollen von hier weggehen!‘ Wie würde meine junge Gefährtin auf all dies reagieren? Ich war ganz überrascht, zu sehen, daß sie, als wir an der nächsten Tür ankamen, unerschrocken klingelte und sich absolut nicht fürchtete. Bald danach gab sich Myriam Ossman Jehova hin und trat in die Reihen der Vollzeitverkündiger ein.“

ARGENTINIEN ERLEBT DIE FREUDE NATIONALER VERSAMMLUNGEN

Das waren die Umstände, unter denen die Brüder in Argentinien wirkten, als Bruder Knorr sie das nächste Mal, nämlich im Dezember 1953, besuchte. Während er von Santiago (Chile) nach Mendoza (Argentinien) über die Andenkette flog, warteten schon viele Freunde aus Mendoza am Versammlungsort. Von dort aus konnten sie das Flugzeug sehen, das von Chile kam, als es sich von den Gipfeln der Anden niederließ und dann, gegen den Flughafen hin, außer Sicht kam. Bruder Eisenhower, der jetzt Zweigdiener war, und seine Frau holten Bruder Knorr ab und begaben sich zusammen zum Obstgarten der Familie Giandinotto. Es blieb noch etwas Zeit vor der geplanten Ansprache, und so lud Bruder Giandinotto Bruder Knorr und einige andere in die Kirschplantage ein. Dort hatte er einen ganzen Zweig, vollbeladen mit großen, reifen Kirschen, roten und gelben, für sie aufgespart. Umgeben von Weinreben und Obstbäumen — was für ein idealer Ort für Bruder Knorrs Ansprache! Danach erfreute man sich eines Lunches, zu dem reife und grüne Oliven und viel Früchte gehörten, was alles auf der Farm dieses Bruders gewachsen war. Dann kam die Fahrt zurück in die Stadt, wo die Nacht im Heim der Familie Seegelken verbracht wurde; zu dieser Zeit waren gerade zwei ihrer Kinder, German und Mary, Studenten der 22. Klasse Gileads.

Wenn der erste Tag dieser Tour schon schön und denkwürdig war, waren es die folgenden Tage nicht weniger. Der Wachtturm gibt uns aus erster Hand einen Bericht darüber: „Nach der Nachtruhe und nachdem wir um 5 Uhr früh aufgestanden waren, waren fünf von uns bereit, mit der Taxe zu einer anderen Versammlung, nach San Juan, 178 Kilometer nördlich von Mendoza, entlang den Vorbergen der Kordilleren zu fahren. Die Gruppe fuhr durch die Stadt und den Bergen zu und gelangte in ein enges Tal, wo zerklüftete, felsige Höhen beide Seiten des Weges überragten. Dort, gerade hinter dieser ersten Bergreihe, verriet der aufsteigende, sich kräuselnde Rauch am Fuße der Berge den gewählten Picknickplatz. Der muntere Bergbach in der Nähe murmelte für alle ein fröhliches Willkommen; ... und die herankommende Menge begann, jeden mit einem herzlichen Händedruck zu begrüßen. Im Nu war die Gruppe bei einer Lichtung am Bach versammelt, und die Ansprache begann, wobei die Bäume die Schar von 135 Brüdern überschatteten. Es war weit über Mittag, als die Zusammenkunft mit Gebet beendet wurde. Nun war es Essenszeit, und bald war der asado im Gange.

Ein Kohlenfeuer und brutzelndes Roastbeef — wie das duftete! Das ist typisch argentinisch, und der Gaucho lebt vom asado. Und wer würde das nicht? — Der asodor ruft aus: ‘Está lista.’ (,Es ist bereit.‘) Da heißt es keine Zeit verlieren; denn das Fleisch ist gerade richtig zum Essen.

Mit Gabeln wurden die mächtigen Fleischstücke von dem Rost einige Fuß weit zum sauberen Metall,tisch‘ getragen. Es geht auch ohne Teller! ... Es ist einfach köstlich und macht mehr Spaß, den asado mit den Fingern zu essen, so, wie es die Argentinier tun. Hier ist eine Gabel für alle in der großen Zinnschüssel, die mit gemischtem Salat aus Zwiebeln, Lattich und Tomaten gefüllt ist. Er paßt herrlich zum Fleisch.“

Nach einem persönlichen Abschied von jedem kam nun die Rückfahrt nach Mendoza. Am nächsten Morgen mußten die drei Reisenden, Bruder Knorr und Bruder und Schwester Eisenhower, früh aufstehen, da sie nach Córdoba fliegen sollten, das 700 Kilometer entfernt liegt. Es waren Anstalten getroffen worden, daß Bruder Martín Barrena von Buenos Aires sie dort treffen und sie den Rest ihrer langen Reise mit seinem Wagen von Ort zu Ort fahren sollte. In Córdoba hatten die Brüder von vier Versammlungen eine Zusammenkunft außerhalb der Stadt auf der Farm der Familie Goffi veranstaltet. Zweieinhalb Stunden wurden auf das Geben von Ratschlägen verwendet. Sitzgelegenheiten gab es keine, somit standen alle. Danach hatten die dortigen Brüder viele Fragen, und einige, die etwas Englisch sprechen konnten, waren in der Lage, sich mit Bruder Knorr zu unterhalten. Nur ungern ließen die Brüder die Besucher wieder gehen, doch schließlich nahm man Abschied, und der Wagen setzte sich für die dreistündige Fahrt nach San Francisco in Bewegung.

Als sich der Wagen dem Ort der Zusammenkunft näherte, war alles ganz still — nur e i n Bruder saß am Straßenrand und wartete auf die Ankunft der Besucher, um ihnen den Ort der Zusammenkunft zu zeigen. Drinnen warteten etwa fünfunddreißig Personen auf Bruder Knorrs Ansprache. Jene Nacht verbrachten die Reisenden in Santa Fe; am nächsten Morgen fuhren sie mit dem Motorboot über den Paraná und gingen von da direkt an den Zusammenkunftsort. Später kehrte Bruder Knorr nach Santa Fe zurück und besuchte vier Gruppen in dieser Stadt; da hieß es, sich von einem Ort zum anderen zu beeilen. Darauf ging es von Santa Fe nach Rosario, wo in den Abendstunden eine Gruppe besucht wurde. Am nächsten Tag wurden in Rosario vier weitere Gruppen besucht.

Am Nachmittag fuhr die Autogruppe nach Ciudad Evita (Cañada de Gómez). Hier traf man den Versammlungsdiener, wie dies den ganzen Weg entlang der Fall gewesen war, so daß er die Besucher an den Ort der Zusammenkunft geleiten konnte. Diesmal lag dieser etwa sechs Kilometer von der Stadt entfernt auf der Farm eines Bruders. Drei Versammlungen waren anwesend, und die Brüder hatten aus dem Anlaß ein wirkliches Picknick gemacht. Als man den Wagen erspähte, wurde es den Brüdern mitgeteilt. So saßen, als die Besucher eintrafen, schon alle im Hinterhof, wo eine Bühne aufgestellt und der Jahrestext aufgehängt worden war. Überall sah man Blumensträuße. Bruder Knorr machte eine Bemerkung darüber, daß „alle Brüder auf seiner ganzen Reise aus allen Teilen des Landes von weit her gekommen seien und sich mitten in der Woche von der Arbeit freigemacht hätten, nur um mit ihren Brüdern vom gleich kostbaren Glauben zusammen zu sein und die guten Worte aus dem Mund eines Dieners Jehovas zu hören. Es wäre schwierig, genau zu beschreiben, was sie empfanden und was Bruder Knorr dabei empfand. Aber Liebe muß sich äußern. Hier war es Liebe in Tätigkeit.“ Da man nicht die Zeit hatte, mit den Brüdern zusammen zu essen, wurde den Besuchern ein riesiger Kuchen und ein gebratenes Huhn mitgegeben. Als sie fortgingen, sangen die Brüder des Ortes mit Akkordeonbegleitung theokratische Lieder.

Der Wachtturm beschreibt den nächsten Halt, und dies in Bell Ville, in der Wohnung einer der Schwestern in einer Vorstadt: „... sie hatten einen Platz neben dem Haus bereitet. Wo die Bäume und das Gebüsch nicht genügend Deckung boten, waren Bettdecken und Stoffe aufgehängt worden, um die Aufmerksamkeit Vorübergehender abzulenken. Hier fanden sich 75 Personen aus drei Versammlungen ein.“

Um 1.40 Uhr morgens kam die Gruppe an ihrem nächsten Bestimmungsort, in Río Cuarto, an. Die Ansprache war auf 9 Uhr angesetzt worden, und dies an einer abgelegenen Stelle auf einer kleinen Farm. Bruder Knorr hielt eine sehr ernste, eindringliche Ansprache über den Dienst. Etwa dreißig Verkündiger und vier Pioniere in dieser Versammlung hatten eine Spaltung unter den Brüdern verursacht und erkannten die gegenwärtige Versammlung nicht an; aber dennoch kamen sie und verlangten Literatur und Gebiet. Bruder Knorr beantwortete Fragen hinsichtlich des richtigen Vorgehens, wenn man Personen, die Spaltungen verursachen, die Gemeinschaft entzieht. Es war überraschend, zu sehen, wie organisiert diese Gruppe war, so daß die Untreuen den Ort der Zusammenkunft nicht finden konnten. Der Versammlungsdiener hatte den Brüdern eine gewisse Stelle am Rande der Stadt bezeichnet, wo ein Bruder sie erwarten und ihnen den genauen Ort angeben würde. Auf diese Weise konnten sich unerwünschte Personen nicht einschleichen.

Da keine Zeit verlorengehen durfte, nahmen die Brüder Früchte mit für die sechsstündige Fahrt nach Pergamino, wo sich zwei Gruppen für die Ansprache von Bruder Knorr eingefunden hatten. Dann weiter zum letzten Halt vor Buenos Aires, zur Stadt Salto! Die dortigen Brüder hatten im voraus schriftlich gebeten, daß die Reisenden nach Bruder Knorrs Ansprache zum Essen dablieben. Als somit die Besucher eintrafen, erblickten sie zwei Lämmer, die zum Braten an sich neigenden Spießen ausgestreckt waren. Drei Stunden langsamen Bratens waren dazu erforderlich. Bruder Knorr teilte mehr als eine Stunde die geistige Speise aus, und dann wurden die Tische gedeckt. Die Brüder äußerten ihre Freude, daß es nicht geregnet hatte, denn hätte es gegossen, so wäre es unmöglich gewesen, im Schlamm des Weges zu fahren. Nachdem die Brüder weggegangen waren, kam der Wolkenbruch!

Bruder Knorr und Bruder und Schwester Eisenhower kamen mit ihrem Fahrer, Bruder Barrena, um 2 Uhr morgens in Buenos Aires an. Während all dieser Tage hatten sie auf einer Reise von rund 2 400 Kilometern, einem gedrängt vollen Reiseplan folgend, im ganzen in nur sechs Tagen 19 Gruppen besucht und mit 1 232 Brüdern gesprochen. Wie schätzten sie doch ihr Dienstvorrecht und die Art und Weise, wie die Brüder die Anweisungen treu ausgeführt hatten! Und sie schätzten auch den ausgezeichneten Dienst, den Bruder Barrena geleistet hatte, indem er sie in seinem Wagen fuhr.

Während Bruder Knorr Argentinien von Westen her betreten hatte, kam Bruder Milton Henschel vom Norden her, von Paraguay. In Buenos Aires hatte er seinen Reisegefährten, Bruder Hughes, abgeholt, und zusammen flogen sie über eine Strecke von mehr als 1 000 Kilometern südwärts nach Neuquén, das unter dem 38. Breitengrad in dem reichen Río-Negro-Tal liegt, in dem Obstbau betrieben wird. Hier, auf der Farm eines Bruders, hatten sich 115 Freunde aus vier Versammlungen des Gebietes zusammengefunden. Für diese beinahe alleinstehenden Brüder war dies das größte Ereignis in ihrer Geschichte.

Direkt östlich von Neuquén, an der atlantischen Küste, liegt die Stadt Bahía Blanca, und die Personenzüge halten in jeder Stadt, die auf dieser Tagereise am Wege liegt. In vielen dieser Städte warteten Brüder, um die Reisenden zu begrüßen. Am folgenden Morgen sprach Bruder Henschel zu zwei Gruppen in Bahía Blanca. Ein Bruder des Ortes, der einen Wagen besaß, bot seine Dienste an, und so begann eine Autoreise von 1 245 Kilometern. Nordwärts, die atlantische Küste entlang, war der nächste Halt der berühmte Meereskurort Mar del Plata. Wegen einer späten Abreise von Bahía Blanca fragten sie sich, ob die Gruppe in Mar del Plata wohl noch auf sie wartete. Das tat sie, und nach 22 Uhr wurde sie dann mit der lang ersehnten Ansprache eines Sondervertreters der Organisation Jehovas belohnt.

In der Morgendämmerung des nächsten Tages besuchten unsere Brüder Balcarce, wo sich 22 Brüder in einem Farmhaus in der Nähe der Stadt versammelt hatten. Als nächstes auf dieser Route kam Tandil, wo von einem Pionierbruder eine kleine Versammlung gegründet worden war. In einem Häuschen am Rande der Stadt kamen etwa 33 Personen zu der Ansprache zusammen. Spätabends trafen die reisenden Brüder in Buenos Aires ein.

Die Versammlungen in der Umgebung der Bundeshauptstadt waren nun an der Reihe, besucht zu werden: Eva Perón (nun La Plata; viele Städte, die während des Perón-Regimes umbenannt worden waren, nahmen nach der Revolution des Jahres 1955 wieder die früheren Namen an), Berisso, Ensenada und Bernal. Am 25. Dezember befanden sich Bruder Knorr und Bruder Henschel in Buenos Aires. Für diesen Tag waren keine Zusammenkünfte der Versammlung geplant, am Abend jedoch trafen sich alle Gileadabsolventen im Missionarheim von Buenos Aires zum Abendessen und zu einer Besprechung.

Mit dem nächsten Tag beginnend, waren drei Tage dem Besuch von Gruppen in Buenos Aires gewidmet. In jeder Gruppe wurde ein volles zweistündiges Programm durchgeführt: Zuerst sprach Bruder Knorr durch seinen Dolmetscher etwa 40 Minuten; nachdem er fertig war, führte er Bruder Henschel ein, der eine 40 Minuten dauernde Ansprache in Spanisch vorlas. Dann wurde Bruder Hughes eingeführt, und er hielt in Spanisch eine Ansprache über die theokratische Organisation. Ein sehr genauer Zeitplan war gemacht worden, und er nahm seinen unentwegten Verlauf gleich einem Uhrwerk. Wenn die Brüder in einer Etagenwohnung oder in einem kleinen Haus am Stadtrand ankamen oder in einen Patio, eine Küche oder ein Wohnzimmer gingen, saßen alle schon da, und frohen Angesichts warteten sie begierig. Wie hätten sie doch gern geklatscht — aber sie wagten es nicht, die Aufmerksamkeit auf ihren Zusammenkunftsort zu lenken! An einem Tag wurden neun solcher zweistündigen Zusammenkünfte abgehalten, und am folgenden Tag, am Sonntag, wurden elf Gruppen besucht.

Bei diesem Besuch in Argentinien richtete Bruder Knorr das Wort an insgesamt 43 Gruppen, bei denen 2 053 Personen zugegen waren. Bruder Henschel hatte in Buenos Aires zu denselben Gruppen gesprochen und außerdem zu 13 anderen Versammlungen im Süden und Westen, wobei 452 Personen zugegen gewesen waren, so daß die Zahl der auf diesem so ganz anderen Kongreß auf insgesamt 2 505 Besucher anstieg. Nicht ohne Grund war der Bericht über Bruder Knorrs Reisen im Wachtturm vom 1. Juli 1954 „Ein Neue-Welt-Gesellschaft-Kongreß im ganzen Lande Argentinien“ betitelt worden!

KREISDIENER TRAGEN ZUR AUSDEHNUNG BEI

Der Kreisdienst trug weiterhin in ausgezeichneter Weise zu der vermehrten Tätigkeit in den Versammlungen und in abgelegenen Gruppen bei. Bruder Del Pino beschreibt lebhaft die Hindernisse und Freuden dieses Dienstes: „In unserer Arbeit bei den Brüdern befaßten wir uns nicht immer nur damit, den Sinn biblischer Prophezeiungen und ihre Erfüllung zu erklären, sondern bisweilen gab es dabei hinsichtlich des Alltagslebens etwas zu erledigen — Ordnung zu bringen in das, was das Familienleben und die Kinder betraf, und auch hinsichtlich eines anständigen Benehmens ,außerhalb des Hauses‘. Es galt, Versammlungskarteien zu ordnen, ihre Benutzung zu erklären, um schließlich, wenn man nach etwa einem Jahr wiederkam, festzustellen, daß nichts getan worden war. Dann fing man wieder ganz von vorn an. Dasselbe galt mit Bezug auf Anweisungen hinsichtlich des Felddienstes und der Zusammenkünfte; wichtig war, daß man sich nicht entmutigen ließ und daß man das benutzte, was zur Verfügung, was vorhanden war. Wieviel Freude haben wir heute, wenn wir sehen, daß dieselben Brüder jetzt Diener sind und viel Verantwortung in Gottes Organisation tragen und ihr in geschickter Weise mit Wertschätzung nachkommen!

Als wir abgelegene kleine Gruppen und Versammlungen besuchten, die wenig Verkündiger hatten und sich an Orten befanden, wo das Werk gut bekannt war, trafen wir Vorkehrungen, andere Niederlassungen in deren Nähe zu besuchen. Dadurch war es nötig, daß wir frühmorgens aufstanden, manchmal schon um 3 Uhr, um auf einen kleinen Bus zu warten, der nur zu dieser frühen Stunde fuhr und erst bei Sonnenuntergang zurückkehrte. Während der kalten Jahreszeit schauderten wir manchmal alle vor Kälte. An unserem Bestimmungsort etwa um 5 Uhr morgens angekommen, stiegen wir, bevor wir in der Stadt ankamen, aus dem Bus aus, weil die Polizei die Passagiere an der Haltestelle zu kontrollieren pflegte und denen, die in der Gemeinde unbekannt waren, Fragen stellte. Wir behielten im Sinn, daß das Werk verboten war. Sobald die Hähne zu krähen begannen und wir Leute hin und her gehen sahen oder wenn die Lichter angedreht wurden, begannen wir die Wohnungen mit der guten und frühen Botschaft vom Königreich zu besuchen. Wir bearbeiteten gewöhnlich den ländlichen Teil bis zum Mittag und kamen dann ins Zentrum oder in die Nähe der Polizeiwache zu der Zeit, da die Leute aßen. Wir hörten eine Weile auf zu arbeiten, aßen das mitgenommene Mittagsbrot und setzten die Tätigkeit dann fort, bis der Bus für die Heimfahrt eintraf.

Der Kreisdienst in der Provinz Chaco wird euch auch mit dem vertraut machen, was unser Werk des Jüngermachens einschloß. Die große Hitze, der Mangel an Transportmöglichkeiten in jenen Jahren, der häufige Mangel an Wasser und auf der Straße die Berge von Staub — das alles machte die Besuche schwer und ermüdend. Oft mußten wir das Fahrrad benutzen, um lange, anstrengende Strecken zurückzulegen, und da die meisten Brüder jünger waren und es mehr gewohnt waren, ein Fahrrad zu benutzen, als wir, war es für uns schwer, das Tempo einzuhalten, das sie auf diesen gewundenen Wegen und Pfaden einschlugen. Manchmal kehrten wir abends auf schmalen Pfaden heim, an denen Unkraut und Dornen wuchsen, und wenn man nur ein wenig vom schmalen Weg abkam, war einem schließlich die Kleidung zerrissen und die Haut zerkratzt. Zu Hause angekommen, fanden wir am Körper gewöhnlich Kratzwunden. Heute erinnern wir uns an jene Tage und daran, wie Jehova seine eifrigen Diener segnete. Diese Wege und Nebenwege entlang gibt es nun in Chaco Gruppen und Versammlungen, die Jehova lobpreisen.

Eine weitere interessante Seite des Werkes in der Provinz Chaco war das Halten öffentlicher Vorträge in den Lagern der Holzfäller, die nicht zu verwechseln sind mit den Holzlagern in Nordamerika. Diese Lager befinden sich mitten in einer dschungelartigen Umgebung und bestehen aus baufälligen Hütten und Schuppen, in denen die Holzfäller wohnen. Einige errichten bescheidene Zelte oder hängen Hängematten auf, und so leben sie. Wir besuchten diese Lager, um die Leute zu einem kostenlosen biblischen Vortrag für einen bestimmten Tag und eine bestimmte Stunde einzuladen, dies natürlich stets nach den Arbeitsstunden, bei Einbruch der Nacht. Das gab ihnen Zeit, von der Arbeit heimzukommen, sich etwas sauberzumachen und Matetee zu trinken (yerba mate, das Nationalgetränk in Argentinien). Der Gang von der Wohnung des Bruders, bei dem wir uns aufhielten, war ein weiteres Erlebnis: Wir nahmen eine Petroleumlampe für die Zusammenkunft am Abend mit und kamen, manchmal einer hinter dem anderen, an Stacheldrahtzäunen vorbei, die das Land in Parzellen aufteilten. Kaum einer von uns überstand unversehrt dieses Abenteuer, unsere Hemden und Körper zeigten an, daß wir an Stacheldraht vorbeigekommen waren. Dies war aber nicht das einzige Hindernis. Um diese Stunde des Nachmittags kamen gewöhnlich die Schlangen hervor und dehnten sich lässig den Weg entlang; es konnte verhängnisvoll werden, den Fehler zu machen, auf eine Schlange zu treten. Unsere Ankunft an dem Ort der Zusammenkunft war eigentümlich: keine Zeremonie hier, nur einige wenige Begrüßungen, einige Händedrücke von Händen, die durch Arbeit und Wetter zerfurcht waren. Dann galt es, einen Baum zu suchen, an dem man die Laterne aufhängen konnte. Kein Rednerpult, weder eine Bühne noch einen Ventilator! Jeder setzte sich, wo es ihm gerade gefiel, oder hockte sich auf den Boden oder auf eine Kiste oder lehnte sich an einen Baum. Einmal machte ich den Fehler, mich unter die Petroleumlampe zu stellen, um besseres Licht zu haben. Da besuchten mich Hunderte von Insekten, die zwar nicht an mir interessiert waren, wohl aber am Licht. Während wir sprachen, war es wunderbar, die Gesichter der Männer zu beobachten, die von der Sonne und den Naturelementen gegerbt waren wie Leder und unsägliche Müdigkeit verrieten; dennoch rafften sie sich zu einem glücklichen Lächeln auf, wenn sie von der verheißenen neuen Ordnung der Dinge hörten. War die Ansprache zu Ende und hatten wir jedem wieder den Gruß entboten, so pflegten wir unter dem Sternenhimmel heimzuwandern, voll Freude darüber, am Erfüllen des Gebotes Jesu: ,Geht hin und macht Jünger‘ teilgehabt zu haben.

Die Provinz Misiones stellte ebenfalls eine Herausforderung an den Kreisdiener dar. Als meine Frau Dora und ich dort auf Besuch waren, gab es wenig Straßen und noch weniger Verkehrsmittel. Öfter reisten wir in den kleinen Schnellbussen die diese Gegend bedienten; da ging es bergab und dann wieder keuchend den nächsten Hügel hinauf, um wieder den nächsten Abhang hinabzufahren. Manchmal überraschte uns plötzlich ein heftiger Regenguß. Das Wasser fiel in Strömen, so daß man nichts mehr sehen konnte und der kleine Bus von einer Seite der glitschigen Straße auf die andere rutschte; nur die Erfahrung des Fahrers verhinderte ernste Unfälle. Plötzlich hielt der Bus am Rand eines Grabens, und der unmißverständliche Befehl ertönte: ,Alle Männer aussteigen und schieben!‘ Niemand fragte, ob man dem Anlaß entsprechend gekleidet sei. Sogleich zogen die Passagiere ihre Schuhe aus, krempelten ihre Hosenbeine hoch und schoben mit aller Kraft, während Frauen, Kinder und Pakete an Bord blieben. Ja, auch der Kreisdiener half schieben. Nach Ankunft an seinem Bestimmungsort war er nicht sehr sauber, aber in diesem Teil des Landes ist der rote Schlamm etwas Wohlbekanntes; er gehört zum dortigen Leben; so macht man sich keine Sorgen um Flecken, die es davon gibt. Ein Trost, zu wissen, daß wir selbst vom gleichen Material sind — von Erde.“

Der Norden der Provinz Misiones ist ein dichter, unbebauter Dschungel; doch gibt es hier auch menschliches Leben, und diese Leute müssen mit der Königreichsbotschaft erreicht werden. Bruder Del Pino erzählt, wie er am 25. Mai diese Zone und die Versammlung besuchte: „Die Brüder hier wohnen auf dem Lande, und nur in kurzer Entfernung beginnt der Dschungel selbst; er ist gleichsam ein Niemandsland. Personen, die wegen politischer Verfolgung ausgerissen sind, und andere, die aus persönlichen Gründen von allem wegkommen wollen, kommen von Paraguay und Brasilien herüber, um sich hier zu verstecken. Man braucht nur in den Dschungel zu gehen, einige Bäume umzubauen eine Lichtung zu schaffen und ein primitives Obdach zu erstellen. Ein Paraguayer mit seiner Frau und drei Kindern war hierhergekommen, um da zu wohnen, und mit Hilfe der Brüder war er nun ein Königreichsverkündiger. Mein Besuch in diesem Gebiet hatte einen besonderen Zweck: Ich sollte nämlich die Taufansprache halten und dann diesen neuen Verkündiger untertauchen. Zur Erkenntnis der Wahrheit über Gottes Vorhaben zu kommen fiel diesem Bruder nicht leicht. Gleich von dem ersten Besuch an, den die Brüder bei ihm machten, traf er Vorkehrungen, die Zusammenkünfte der Versammlung zu besuchen. Das erforderte, daß er trotz schlechten Wetters und trotz der Gefahren durch wilde Tiere und Schlangen den dunklen Dschungel durchquerte.

Der Kreis gegen Süden brachte andere Erfahrungen und bot ein anderes Panorama dar. Wie im Norden sind die Entfernungen groß und die Reisen ermüdend. Oft dauert die Bahnfahrt von Buenos Aires bis zum Ende der Linie, bis San Antonio del Oeste, über 28 Stunden, aber das ist erst der Anfang. Dann muß man warten, bis man für die lange Reise in der dürren Wüste durch Patagonien in kleine Busse umsteigen kann. Aber der Klang der Königreichsbotschaft wird durch Patagonien hin vernommen, und die schafähnlichen Menschen hören die Stimme des vortrefflichen Hirten; in der Stadt Comodoro Rivadavia, wo es vor einigen Jahren nur fünf Verkündiger gab, gibt es jetzt zwei starke Versammlungen mit über 150 Verkündigern, und sie haben einen schönen, geräumigen Königreichssaal gebaut.“

Im Jahre 1953 haben die argentinischen Kreisdiener insgesamt 33 261 Kilometer zurückgelegt. Solch liebevolle Aufmerksamkeit und persönliche Opfer von seiten der Kreisdiener und ihrer Frauen wurden von den Brüdern sehr geschätzt und trugen viel dazu bei, vereinte Anstrengungen zu machen und zur Ausdehnung anzuspornen. Daß der Kreisdiener die Brüder in abgelegenen Versammlungen und isolierten Gruppen alle vier Monate besuchte, hat ihnen die Gewißheit gegeben, daß sich die Gesellschaft für sie und das Werk, das sie getan haben, interessiert, und hat die Verkündiger auf dem laufenden darüber gehalten, wie sie die Königreichsbotschaft am wirkungsvollsten predigen können.

VERSAMMLUNGEN ENTSTEHEN

Bruder Argyrós hatte im späteren Teil der 1930er Jahre die im fernen Nordwesten liegende Provinz Salta durchreist, und eine Busgruppe von Córdoba gab dort in den 1940er Jahren von neuem Zeugnis. Im Jahre 1950 besuchte Bruder Eisenhower als Kreisdiener Salta. Die erste Ortsansässige, Schwester Louisa Anachurí, wurde im Jahre 1955 getauft. Bis 1957 besuchten dann über 20 Personen die Zusammenkünfte.

Etwa 330 Kilometer südlich von Salta, am Fuß der mit üppiger Vegetation bewachsenen grünen Hügel und umgeben von Zuckerrohrfeldern liegt Tucumán. Bruder Argyrós und die Gruppe von Córdoba, der Bruder Menazzi vorstand, hatten in diesem Gebiet Druckschriften verbreitet. Im Jahre 1947 kam Schwester Lunkenheimer mit ihren zwei Söhnen, Hatto und Ortwin, von La Plata (Buenos Aires) nach Tucumán. In der Wohnung von María Ester Aldazabal und ihrer Mutter wurde ein Studium begonnen, und diese beiden waren die ersten Bewohner des Ortes, die getauft wurden. Als dann Bruder und Schwester Reindl im Jahre 1954 eintrafen, wurde die Versammlung Tucumán richtig organisiert. Damals gab es dort nur acht Verkündiger. Bruder Reindl erinnert sich besonders an zwei von ihnen: „Ein deutsches Ehepaar, die Kaselowskis, waren hergekommen, um in der Nähe eines verheirateten Sohnes, der kein Zeuge war, in Tucumán zu wohnen. Sie waren die Eltern eines Jungen, der unter dem Hitler-Regime seine Lauterkeit bis in den Tod bewahrt hatte; und mir wurde die Freude zuteil, den Brief zu lesen, den er seinen Eltern gesandt hatte, bevor er getötet wurde, und in dem er ihnen sagte, daß er, wenn sie diesen Brief erhielten, tot wäre, daß sie aber nicht bekümmert sein sollten, denn: ,Mama und Papa, wir werden wieder beisammen sein!‘ Obwohl es nicht viel Spanisch sprechen konnte, gab dieses treue Ehepaar Zeugnis, und es verbreitete viele Schriften, solange es in der Gegend wohnte.“ Der erste Kreiskongreß fand im Jahre 1957 in Tucumán statt; etwa 70 Personen waren aus allen nordwestlichen Provinzen zugegen. Heute hat schon die e i n e der zwei Versammlungen von Tucumán ebenso viele Verkündiger.

Wenn man die grüne Pflanzenwelt von Tucumán hinter sich läßt, geht der Weg südwärts durch die dürre Wüstengegend, die für das Gebiet von Santiago del Estero charakteristisch ist. Auch hier war durch die Predigttätigkeit von Bruder Argyrós und Bruder Menazzi und seiner Gruppe der Same ausgesät worden. Aber im Jahre 1954, als Bruder Fernando Fanin und seine Frau als Sonderpioniere in Santiago del Estero eingesetzt wurden, kam eine wirkliche Organisation in Gang. Bruder Fanin beschreibt, was sie vorfanden und außerdem seine Eindrücke: „Da war eine kleine Gruppe, die mit einem Bruder (Demetrio Cevilán) zusammenkam, der mit den Brüdern in Rosario (Santa Fe) verbunden war. Im ganzen versammelten sich etwa fünf oder sechs Personen. Wir fanden sehr gastfreundliche Leute, aber im Sommer herrschte eine überaus große Hitze. Wir, meine Frau und ich, predigten jeweils den Menschen, die im Eingang ihrer Wohnung saßen, schon um 7 Uhr früh, während andere Glieder der Familie im Patio noch schliefen; sie hatten ihre Matratzen direkt auf den Fußboden gelegt. Um 10 Uhr morgens kehrten wir jeweils heim, um das Mittagessen zuzubereiten. Nach einer langen Siesta nahmen wir unsere Tätigkeit am Nachmittag nach 16 Uhr wieder auf und blieben dann bis 21 oder 22 Uhr draußen. Das Hauptproblem, das in diesem Gebiet zu überwinden war, bestand nicht in der Abgabe von Schriften oder im Finden Interessierter, die ein Studium wünschten; es bestand vielmehr darin, die Interessierten so weit zu bringen, daß sie ihre religiösen Traditionen aufgaben, die mit volkstümlichen Bräuchen und Riten vermischt waren, und auch ihre unsittlichen Handlungen, damit sie zur Reife voranschreiten konnten.“

Eifrige Verkündiger und Pioniere setzten ihre Predigttätigkeit in abgelegenen und unzugänglichen Teilen des Landes fort. Einer dieser Verkündiger war Rosendo Ojeda, der die Botschaft vom Königreich im Jahre 1951 zum erstenmal gehört hatte, als Bruder Eisenhower bei ihnen vorsprach. Er erzählt uns über seine Zeugnistätigkeit in den 1950er Jahren: „Stell dir vor, du seiest mit mir auf einer Reise, wie ich sie oftmals zu machen hatte. Wir sind in General San Martín (Chaco), früher El Zapallar genannt, und wir müssen mit dem Fahrrad zu Kilometer 213 fahren, in die Provinz Formosa, das ist eine Strecke von etwa sechzig Kilometern. Bereite dich darauf vor, einige dieser Kilometer zu Fuß zu gehen, und denke daran, daß wir während des größten Teils der Reise keinerlei Fahrzeugen begegnen, nicht einmal solchen, die von Pferden gezogen werden, da einige Zonen bis über die am Straßenrand stehenden Pfosten überschwemmt sind. Dies ist die Folge des unaufhörlichen Regens und der Überschwemmung durch den Río Colorado. Da sind einige Stellen, an denen man nur weiterkommen kann, wenn man bis zu den Achselhöhlen im Wasser geht. Bei solchen Stellen angekommen, gehen wir zuerst mit unserem Fahrrad über dem Kopf hinüber. Nachdem wir es auf einem trockenen Platz abgestellt haben, kehren wir zurück, um die Literaturkartons und unsere Kleider zu holen, sofern wir Vorrat für eine Woche mitnehmen. Es stimmt schon, daß man unter diesen Umständen körperlich erschöpft wird, und bisweilen denkt man, es gehe nicht mehr weiter. Aber niemand kann leugnen, daß tief im Innern, im Herzen und Sinn, ein ungewöhnliches, aber wunderbares Gefühl des Glücks und eine erquickende Freude erwacht. Und was verursacht dieses Gefühl? Etwa der klebrige Schlamm, der dir anhaftet, so daß du kaum gehen kannst? Etwa die sengende Hitze, die mit 40 Grad Celsius herniederbrennt? Oder könnte es die majestätische Szenerie sein, die dich umgibt, die Vögel und Enten, die in Scharen vorüberziehen, die riesigen Quebracho- und Johannisbrotbäume, die vom Wegesrand her über uns wachen? Wohl stimmt es, daß all dies uns an Jehovas Schöpferwerk erinnert und es uns schätzen läßt, wie Paulus in Römer 1:20 sagt, aber mehr als all dies schätzen wir die dynamische Kraft, mit der unser Schöpfer seine Knechte anspornt und zur Tätigkeit antreibt.

Bis jetzt sind wir etwa zehn Stunden unter solchen Umständen gewandert. Schau! Dort in der Ferne sind die ersten Häuser der Stadt zu sehen. Nun sinkt die Sonne unter den Horizont und malt uns ein noch schöneres Bild vor Augen. Doch sind wir nicht etwas müde? Keine Sorge, wir kommen zu dem Hause eines Interessierten, von Señor Alejandro Sozoñiuk. Was nun? Werden wir ruhen? Nein, noch nicht! Wir haben nur Zeit, ein Bad zu nehmen und etwas zu essen, denn denkt daran, wir haben bis 23 Uhr eine Zusammenkunft. Am selben Abend ruft ein Neuinteressierter aus: ,Ich kann es einfach nicht glauben, daß jemand den ganzen Weg von General San Martín kommen würde, um eine Zusammenkunft zu leiten!‘ Diesen Mann kennen wir jetzt als unseren Bruder Carballo; heute versteht auch er, warum ein Zeuge Jehovas irgendwohin geht, wenn es sich darum handelt, die ,Schafe‘ zu weiden.

Diese Reise und viele andere wurden während einer Zeitspanne von fünf Jahren einmal monatlich wiederholt. Aber die Frage erhebt sich: War es vergeblich? Als Antwort ertönt ein nachdrückliches NEIN! Heute, nach etwa fünfzehn Jahren, gibt es dort eine blühende Versammlung von sechsundzwanzig glücklichen Lobpreisern Jehovas. Wenn ihr diese Brüder besuchen möchtet, müßtet ihr nicht mehr bis zur Achselhöhle durch das Wasser gehen, es gibt dort jetzt gepflasterte Straßen, und man kann die Reise im Auto in einer Stunde machen. Der Versammlungsaufseher ist Bruder Sozoñiuk.“

„Es war rührend zu sehen, wie sich die Brüder anstrengten, in die Zusammenkünfte zu gehen“, schreibt ein Kreisdiener. „Sie wanderten über die Inseln, die nicht selten bis zu den Knien oder noch höher mit Wasser überflutet waren und wo die hohen, laubreichen Baumwipfel sich zusammenschlossen, um fast alles Tageslicht fernzuhalten, während nachts totale Finsternis herrschte. Nach ihrer Ankunft am Ort der Zusammenkunft wechselten die Brüder ihre nassen Kleider gegen trockene aus, die sie in Bündeln mitgebracht und hoch über dem Wasser getragen hatten. Wenn die Zusammenkunft zu Ende war, wechselten sie die Kleider wieder, sie legten ihre nassen Kleider für den mehrere Kilometer weiten Nachhauseweg an. Es war überaus ermutigend, zu sehen, wie die Neuinteressierten dasselbe taten, indem sie mit den Verkündigern zu den Zusammenkünften kamen. Im Laufe der Zeit beschaffte sich die Versammlung ein Motorboot, und ein Bruder trat um 13 Uhr die Reise an und holte die Brüder von den verschiedenen Inseln ab, um sie zur Zusammenkunft zu bringen, die um 16 Uhr stattfand. Wenn die Zusammenkunft zu Ende war, wurden die Brüder wieder nach Hause gebracht; der Bruder beendete seinen Transportdienst um 23 oder 24 Uhr.“

Die Zeugnistätigkeit auf den Inseln wurde zuerst von einem ungarischen Bruder, Alejandro Beckfy, durchgeführt; später schloß sich ihm Carlos Ortner und die Familie von José Schemmel an. Der Sohn der Familie Schemmel, Nicolás José, trat in die Reihen der Pioniere ein und diente später als Kreis- und Bezirksdiener; nach dem zehnmonatigen Gileadkurs wurden Bruder Schemmel und seine Frau, die frühere Mary Seegelken, zum Dienst in das Zweigbüro in Buenos Aires berufen.

Bei der Erwähnung der Inseln im Deltagebiet des Paraná werde ich an zwei Anlässe erinnert, bei denen als Hilfsaktion Lebensmittel, Kleider, Geld usw. an unsere Brüder gesandt wurden, welche Opfer der Überschwemmung in dieser Zone wie auch in Gebieten von Chaco, Formosa und Corrientes geworden waren. Derart reichlich waren die Liebeserweisungen von seiten der Brüder in den Versammlungen Buenos Aires, Rosario und Córdoba, daß sich im Literaturlager des Zweigbüros die geschenkten Sachen stauten; und die Opfer der Überschwemmung baten die Gesellschaft, nichts mehr zu senden, da ihre Bedürfnisse mehr als gestillt worden waren. Einer dieser Anlässe war derjenige vom April und Mai 1959, als Tausende von Kilogramm Nahrungsmittel und Kleider beigesteuert wurden. An einen einzigen Ort hatte man 1 260 Kilogramm Ware gesandt. Die Brüder, die diese Hilfe erhielten, bemerkten: „Welche Einheit!“ „Welche Liebe in der Gesellschaft der neuen Ordnung!“

Bruder Ojeda erinnert sich noch an eine weitere Hilfsaktion: „Im Jahre 1965 erlebte die Stadt General San Martín Schweres. Sie wurde von einem heftigen Tornado betroffen, der viele gutgebaute Häuser umriß und auf seinem Wege quer durch die Stadt in einer Breite von etwa 200 Metern Verheerungen anrichtete. Die katholische Kirche erlitt beträchtlichen Schaden, ja sogar der Schutzheilige der Stadt, St. Antonius, blieb unter freiem Himmel. Dies veranlaßte viele Katholiken zu der Frage: ,Wenn das der Tempel Gottes ist, warum hat er dies zugelassen?‘ Unser Königreichssaal wurde ebenfalls zerstört, da er auf dem Wege des Tornados lag. Weil wir aber wissen, daß Jehova nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand errichtet sind, ging die wahre Anbetung Jehovas ebenso weiter wie vor dem Tornado. Bald erhielten wir Hilfe von unseren anderswo wohnenden Brüdern, und ein neuer Saal wurde gebaut.“

MISSIONARE IN BUENOS AIRES

Seit der Ankunft der ersten sechs ausländischen Missionare im Jahre 1948 floß in den nachfolgenden Jahren ein kleiner Strom von Gileadabsolventen ins Land; einige von ihnen waren Vollzeitdiener aus Argentinien, während andere aus anderen Ländern kamen. Zuerst konzentrierte sich ihre Arbeit auf Buenos Aires, wo das erste Missionarheim errichtet worden war; später richtete man ein Missionarheim in Rosario ein.

Mary Seegelken, die von Gilead zurückgekommen und einer der Versammlungen von Buenos Aires zugeteilt worden war, berichtet eine ihrer interessanten Erfahrungen: „Ich fing von neuem ein Studium mit einer jungen Frau an, die Viola Eisenhower besucht hatte. Da Sara Bujduds Familie gegnerisch eingestellt war, pflegte ich in die Fabrik zu gehen, wo sie arbeitete, und zusammen gingen wir dann zum Plaza zu unserem Studium. Als sie an Erkenntnis zunahm, wechselte sie ihre Arbeit, um mehr Zeit für das Studium und den Predigtdienst zu haben. Obwohl sie mündig war, war sie nicht frei, zu tun, was ihr beliebte; diese Strenge herrscht in vielen arabischen Familien. Sara sagte es den Angehörigen nicht, als sie die Arbeit wechselte; sie arbeitete halbe Tage und den anderen Teil des Tages war sie frei, ihre Zeit dem Dienst zu widmen. Viele Monate lang nahm ich jeweils eine extra Aktentasche zu unserem Zusammenkunftsort mit und nahm sie dann am Abend wieder mit zurück ins Missionarheim. Damit Sara die Zusammenkünfte besuchen konnte, mußte ich manchmal Kinokarten besorgen, und wenn ich hinging, um Sara abzuholen, zeigte ich die Karten ihrer Mutter. Wir besuchten die Zusammenkunft und gingen danach zum Film. Auf diese Weise hatte Sara Zeit, im Glauben stark zu werden. Dann, eines Tages, verließ sie das Zuhause, um Sonderpionier zu werden. Später sagte sie mir, daß die Angehörigen geschrien hätten, als ob sie gestorben wäre, so ernst erschien ihnen der Wechsel von der Religion der Moslems zum wahren Christenglauben. Sara ist nun schon etwa vierzehn Jahre Sonderpionier; damals, im Jahre 1957, hatten sie und ihre Partnerin das Vorrecht, in La Rioja zu wirken, wo sie eine Versammlung organisieren halfen.“

Im Jahre 1954 kamen Sophie Soviak von der zweiten Klasse Gileads und Edith Morgan von der vierten Klasse zusammen mit Bruder und Schwester Eduardo Adamson und ihrem kleinen Jungen Eduardito in Buenos Aires an. Die Adamsons hatten eben den Gileadkurs beendet und kehrten in ihr Geburtsland Argentinien zurück. Die Schwestern Soviak und Morgan geben uns ihren Eindruck über ihre neue Zuteilung wieder: „Während wir in das Gebäude der Endstation hineingingen, fühlten wir uns irgendwie zu Hause. Die Umgebung war kalt und schweigsam, und die Wände waren mit Bildern des Präsidenten Perón und seiner Frau Eva bedeckt. Wir hatten mehrere Jahre in der Dominikanischen Republik unter der Diktatur Trujillos gewirkt, und so erkannten wir nun, daß wir gerade von einem Polizeistaat in einen anderen übergewechselt waren. Aber da wir es gewohnt waren, unter Verbot zu arbeiten, konnten wir unser Haupt hoch erheben und dem entgegenblicken, was immer des Weges käme.“

Diese zwei Missionarinnen wurden der Versammlung im Herzen der Stadt zugeteilt, und sie wohnten in einem kleinen Apartment in demselben Gebiet. Bald wurde jede damit betraut, eine jener kleinen Dienstgruppen zu bedienen, die wie eine kleine Versammlung funktionierten. Schwester Morgan erinnert sich gern an ihre Arbeit mit der Gruppe: „Da waren mehrere ältere spanische Schwestern, die stets an der Straßenecke warteten, um von Tür zu Tür predigen zu gehen. Die eine sah schlecht, doch gelang es ihr irgendwie, die Hausnummer zu sehen und sie aufzuschreiben, wenn sie etwas abgegeben hatte. Eine andere hatte schlechte Beine und konnte nicht Treppen steigen, aber mit der Hilfe der jüngeren Schwestern konnten wir das Gebiet durcharbeiten und die würdigen Personen darin finden. Ich erinnere mich an einen überaus heißen Sommernachmittag. Als die Stunde kam, da sich unsere Gruppe treffen sollte, dachte ich bei mir selbst, es werde gewiß niemand kommen. Aber ich ging an die Ecke, um sicher zu sein. Da waren die drei kleinen älteren Schwestern und warteten auf mich. Wie ermutigend war es doch, mit ihnen zusammen zu sein und ihren Eifer zu sehen!“

Die Schwestern berichten uns: „Es war interessant, in Buenos Aires unter Leuten von verschiedener Nationalität und bei Menschen von guter Bildung zu arbeiten.“ Ein Problem bestand darin, die Erlaubnis des Pförtners oder Portiers der großen Apartmenthäuser zu erlangen. Manchmal gab er sie uns nicht, und so hieß es abwarten, bis er nicht mehr da war, damit man im Gebäude arbeiten konnte. Schwester Soviak erzählt uns, daß sie in einem solchen Fall, als der Pförtner nicht da war, eine Frau fand, die etwas Interesse zeigte. „Bei dem Rückbesuch sah mich der Pförtner das Gebäude betreten, und er folgte mir im Fahrstuhl des Dienstpersonals nach. Die Frau, die ich besuchte, erkannte, daß man mich aus dem Gebäude weisen würde, wenn sie mich nicht hereinließe; so lud sie mich ein einzutreten, und dies zu ihrem eigenen Segen. Im Laufe der Zeit wurden sie, ihr Mann und die beiden Töchter Gott hingegebene Zeugen.“

In vielen Gebäuden gab es keinen Fahrstuhl, und dadurch wurde unsere Liebe auf die Probe gestellt. Wie oft sollte man wieder hingehen, um jemand aufzusuchen, besonders wenn man in einem oberen Stockwerk etwas abgegeben hatte? Nun, Schwester Soviak erinnert sich an einen solchen Besuch: „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich wieder hinging, nachdem ich eine Zeitschrift abgegeben hatte. ,Ich reise viel, Sie treffen mich vielleicht nicht zu Hause an‘, hatte die Frau warnend zu mir gesagt. Eines Tages traf ich sie doch an. Eben von einer Reise zurückgekehrt, stand sie da, den Koffer noch in der Hand. Ich konnte bei ihr ein Studienbuch zurücklassen. Sie sagte mir, sie sei katholisch und ihre Onkel seien Bischöfe. Nachdem ich wohl etwa zehnmal hingegangen war, traf ich sie wieder. Sie hatte nicht nur das Buch gelesen, sondern erzählte mir von all den wunderbaren Dingen, die sie gelernt hatte. So erkannte ich, daß all meine Geduld und mein Treppensteigen nicht umsonst gewesen waren. Sie sagte, sie reise jetzt nicht mehr, und daher verabredete ich ein Studium mit ihr. Zur bestimmten Zeit stieg ich erwartungsvoll die Treppen hoch, nur um festzustellen, daß niemand da war. Ich versuchte sie anzurufen, aber ohne Erfolg. Es mußte etwas geschehen sein, dachte ich, daher versuchte ich eines Morgens ganz früh, sie wieder anzurufen. Diesmal antwortete eine müde Stimme; sie hatte ihre Mutter im Krankenhaus betreut und war heimgekommen, um sich zu baden und ihre Kleider zu wechseln. Sie sagte, sie habe gebetet, daß ich doch die Geduld nicht verlieren, sondern wiederkommen möge. Nach dem Tode ihrer Mutter hatten wir wunderbare Studien zusammen, und nach kurzer Zeit wurde Elena Rubio eine eifrige, Gott hingegebene Lobpreiserin Jehovas, die sehr fleißig dabei ist, Rückbesuche zu machen — diese Lektion hat sie aus eigener Erfahrung gelernt.“

DIE FILME DER GESELLSCHAFT ERWECKEN INTERESSE

Etwas weiteres Hervorragendes, was viel zur Förderung des Werkes in Argentinien beitrug, war die Vorführung des Films der Gesellschaft „Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit“ und auch diejenige von zwei späteren Filmen. Bruder Eisenhower und Bruder Adamson bemerkten mehrmals, daß man in Jehovas Organisation lernt, viele Dinge zu tun. Als im Jahre 1954 der Film ins Land kam, wurde daher ein Projektor gekauft, und die Brüder Adamson und Eisenhower führten den Film in der Umgebung von Buenos Aires jeden freien Abend in der Woche vor. Die Zeit kam, da der Film dem Bezirksdiener übergeben wurde, und er zeigte ihn auf den Kreiskongressen und in den Versammlungen, die er auf seiner Reiseroute besuchte. Bruder Del Pino erzählt eine sehr interessante Erfahrung, die er in Verbindung mit dem Film machte.

„Ich begab mich mit dem Zug von der Stadt Roque Saenz Peña (Chaco) aus auf eine Reise zum Besuch einer kleinen Stadt, wo es mehrere Verkündiger und einige Interessierte gab; der Name des Ortes war Pampa del Infierno (Höllenebene), und was ich erlebte, ehe ich dort ankam, machte den Namen noch bedeutungsvoller. Der Zug war kaum in Fahrt, als ein gewaltiger Regensturm unter betäubendem Donner einsetzte. Die Aussichten waren nicht sehr ermutigend. Ich war nie zuvor dort gewesen, auch gab es an jenem Ort keine Versammlung. Oft hatte ich mich gefragt, was ich tun würde, wenn ich in solche Umstände geraten sollte. Gott hatte die Antwort bereit. Ich ging in den Speisewagen, und ein deutscher Herr setzte sich an meinen Tisch. Wie es verständlich ist, sprachen wir miteinander, und ich erfuhr, daß dieser Mann der Verwalter einer Fabrikanlage war, in der das berühmte Mittel zum Gerben von Leder, der Quebracho-Extrakt, hergestellt wird. Die kleine Siedlung, die ich besuchen sollte, war hauptsächlich von dieser Fabrik abhängig. Als ich ihm den Zweck meines Besuches sowie den Namen desjenigen mitteilte, der vermutlich auf der Bahnstation um 3 Uhr morgens auf mich warten würde, wurde mir gesagt, daß dieser höchstwahrscheinlich zu meiner Ankunft nicht dort wäre, da er ein Angestellter in der Fabrik sei und Nachtschicht arbeite. Als der Verwalter meine Besorgnis bemerkte, versicherte er mir, daß ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, er werde mich im Gästezimmer des Geschäfts unterbringen, in dem Raum, den der Gouverneur bewohnt, wenn er dieses Gebiet besucht. So war ich, trotz des Sturmes und der Tatsache, daß mich zu jener Stunde niemand abholte, in einem prächtigen Zimmer höchst komfortabel untergebracht, und ein Angestellter kam und fragte, ob ich etwas zu trinken wünsche. Am nächsten Tag unterrichtete der Verwalter den Bruder von meiner Ankunft und bot den geräumigen Saal des Betriebes für die Filmvorführung an. Er befahl auch, dafür zu sorgen, daß das Kraftwerk einen gleichmäßigen Strom zur besseren Vorführung liefere. Eine Bekanntmachungsstelle des Ortes, die über Lautsprecher verfügte, die strategisch in der ganzen Stadt verteilt waren, kündete die Filmvorführung an und gab auch bekannt, daß sie kostenlos sei. Wieder einmal erfüllten sich Jesu Worte: ‘Was Menschen unmöglich ist, ist Gott möglich.’ “

Bruder Eldon Deane, der später im Bezirksdienst tätig war, spricht von seiner Freude beim Vorführen eines Films der Gesellschaft in Almafuerte (Misiones): „In unserem Dienst mit den Brüdern mußten wir den ganzen Tag durch Bananenplantagen über eine malerische, wellige Hügellandschaft wandern; und den ganzen Tag predigten wir in nur acht Häusern, weil die Entfernungen zwischen den Häusern so groß waren und uns bei jedem Besuch die demütigen Menschen zwanzig bis dreißig Minuten zuhörten. Ich dachte: Wer wird wohl heute abend zum Film kommen? Bestimmt nur eine Handvoll. Aber an jenem Abend kamen die Landleute aus allen Richtungen und in allen nur erdenklichen Fahrzeugen herbei. Es waren etwa 160 Personen anwesend, wiewohl die Versammlung des Ortes nur etwa 15 bis 20 Verkündiger zählte! Während der Filmvorführung machten sie so viel Lärm, daß ich dachte: ,Meine Güte! Was für eine unbändige Gesellschaft habe ich hier!‘ Aber bald erkannte ich, daß viele Zuhörer noch nie ein Schiff, hohe Gebäude oder riesige Flugzeuge gesehen hatten. Die Filme machten einen ausgezeichneten Eindruck auf sie, da sie ihnen zeigten, wie und in welchem Ausmaß das Werk getan wird.“

UNRUHIGE ZEITEN

Mittlerweile wurden die politischen Unruhen immer ernster. Die Zustände waren sehr unsicher, und es gingen Gerüchte von einer Revolution um. Im September 1955 wurde die Perón-Regierung gestürzt. Als Gruppe wandten Jehovas Diener praktische Weisheit und den Geist eines gesunden Sinnes an, indem sie sich nicht unnötig der Gefahr aussetzten von Bomben getroffen oder in Straßenkämpfe verwickelt zu werden usw. Und als ordnungsliebende Christen respektierten sie das Ausgehverbot und die Vorschriften über Verdunkelung sowie andere Einschränkungsmaßnahmen. Schwester Helen Nichols wohnte in dem Missionarheim, das außerhalb des Geschäftsviertels der Innenstadt lag. Sie erzählt, daß schon früher im selben Jahr, als die Unruhen begonnen hatten und die Absicht vorhanden gewesen war, das Regime zu stürzen „wir abends nicht ausgehen konnten, um Nachbesuche zu machen oder Buchstudien durchzuführen. Vom Dach aus konnten wir hören, wie man am Stadtrand, etwa fünf oder zehn Blocks weiter weg, kämpfte. Am Tage begaben wir uns in den Zeugnisdienst, und wenn ich einen Polizisten auf der Straße entdeckte, ging ich zu ihm hin und unterrichtete ihn über den Grund, weshalb unsere fünf- oder sechsköpfige Gruppe von Tür zu Tür ging. Dadurch erfuhr er, daß wir mit der Revolution nichts zu tun hatten, und so wurden wir nicht behelligt.

Helen Wilson und ich hatten für die Reise nach Dallas (Texas) zum Kongreß jenes Jahres schon alle unsere Papiere bereit. Da kam der erste Versuch zur Revolution, und vor der Abreise mußten wir uns von der Bundespolizei neue Leumundszeugnisse beschaffen, um zu beweisen, daß wir in keiner Weise in den Aufstand verwickelt waren. Wir besuchten den Kongreß und waren wieder zurück in unserem Missionargebiet, bevor es im September 1955 durch die erfolgreiche Revolution zu einem Regierungswechsel kam.“

Bruder Circuelos Martín, der im Jahre 1941 ein Zeuge Jehovas geworden war, mag der einzige der unsrigen gewesen sein, der zufolge der Revolution verletzt wurde. Er war der Hausmeister eines großen Apartmenthauses in Buenos Aires, und zweimal wurde er, als Bomben auf die Straße fielen, von einem Schrapnell getroffen. Er berichtet uns: „Ich wurde ins deutsche Krankenhaus gebracht und blieb zwei Tage lang bewußtlos. Hier mußte meine Frau einen energischen Kampf gegen eine Bluttransfusion führen, und dies ungeachtet anderer Familienglieder, die darauf bestanden, ja sich anerboten, Blut zu spenden.“

Nach dem Regierungswechsel erhob sich im Sinn der Brüder die brennende Frage: „Können wir größere Versammlungen abhalten und in Königreichssälen zusammenkommen?“ Wie sehr sich doch die Brüder danach sehnten! „Im Jahre 1956 wurde beschlossen, daß wir von neuem versuchen sollten, unsere Kreiskongresse abzuhalten“, so erinnert sich Bruder Eisenhower. „Die erste Versammlung fand in La Plata (Provinz Buenos Aires) statt. Das Hervorragendste an dieser Versammlung war ein Lied, das alle gemeinsam sangen, nämlich das Lied ,Seid fröhlich, ihr Nationen, mit seinem Volke‘, und viele Brüder konnten das Lied nicht zu Ende singen, weil ihre Gefühle sie überwältigten. Die Versammlung ging sehr gut vonstatten und endete mit einem vollständigen Erfolg. Das war für uns ein Ansporn, in anderen Teilen des Landes größere Versammlungen zu organisieren, was wir auch taten.

Gegen Ende desselben Jahres besuchte uns Bruder Milton Henschel vom Büro des Präsidenten, und Bruder Grant Miller von Uruguay diente Argentinien wieder als Zonendiener. Eine größere, nationale Versammlung wurde in der ,Sociedad Rural‘ im Zentrum von Buenos Aires organisiert. Das war eine unserer größten Versammlungen, denn mehr als 5 000 Personen waren anwesend.“ Sie begann am ersten Tag sehr gut, und auch am zweiten und dritten Tag ging es noch gut. Aber am Sonntagmorgen, als die Brüder Eisenhower und Adamson am Versammlungsort ankamen, fanden sie die Tore verschlossen, und die Polizei bewachte den Ort. Das war dem katholischen Priester zuzuschreiben, dessen Kirche direkt gegenüber diesem Saal stand; er hatte die Polizeibehörde beeinflußt, Maßnahmen zu ergreifen.

Bruder Eisenhower berichtet weiter: „Da gab es nur e i n e s zu tun: Wir mußten zur Polizeibehörde gehen und sehen, ob man das Versammlungsgelände öffnen würde, damit wir unsere Versammlung zu Ende führen könnten. Gerade um diese Zeit war ein Beamter der zentralen Polizeibehörde mit den Zeugen in Berührung gekommen, und er handelte sehr freundlich und besonnen. Er hatte in anderen Teilen des Landes schon etwas über das Werk der Zeugen Jehovas gehört. Er fragte, ob wir etwas Schriftliches in der Hand hätten, um zu zeigen daß wir die Erlaubnis besäßen, die Zusammenkunft abzuhalten. Wir sagten zu ihm: ,Jawohl, das haben wir: die Erlaubnis von der Stadtbehörde.‘ Daher sprach er mit seinen Vorgesetzten und sagte ihnen, es müßte Befehl gegeben werden, die Fortsetzung der Versammlung zu gestatten, daß aber die Polizei auf dem Gelände bleiben und dem Programm zuhören sollte. Die Ansprachen, die damals gehalten wurden, behandelten das Thema ,Ehe‘. Daher blieben die Polizisten nur kurze Zeit dort und meldeten sich dann wieder im Hauptquartier; von dort wurden sie in ihre lokalen Standorte der Umgebung gesandt, und die Versammlung konnte ohne weitere Störung zu Ende geführt werden.“

AUSDEHNUNG IM ZWEIGBÜRO

Das Jahr 1956 war auch für das Zweigbüro ein Jahr der Ausdehnung, da wir die Notwendigkeit erkannten, den Königreichsdienst sowie Dienstformulare für das Land selbst zu drucken. Von der Gesellschaft wurde die Erlaubnis eingeholt, einen kleinen Tiegel zu kaufen, und wir fingen mit Drucken an, doch ging es nicht ohne Schwierigkeiten. Bruder Eisenhower berichtet uns, daß er und Bruder Adamson tagsüber im Zweigbüro tätig waren, und nachts pflegten sie bis zwei oder drei Uhr morgens in der Druckerei zu arbeiten, weil der Bruder, der am Tiegel arbeitete, unmöglich mit der Arbeit Schritt halten konnte. Natürlich wurden die Druckarbeiten mit viel Freude verrichtet, auch wenn beide, Bruder Eisenhower und Bruder Adamson, das Drucken erst lernen mußten.

Im März 1958 kam Bruder Eldon Deane mit drei weiteren Gileadabsolventen in Argentinien an. Bruder Albert Schroeder, Sekretär der Gileadschule, hatte sich vor der Abschlußfeier an Bruder Deane gewandt und ihm gesagt, Bruder Knorr möchte wissen, ob er eine Zuteilung in der Druckerei des Zweigbüros in Buenos Aires annehmen würde. Bruder Deane berichtet uns, daß ihm dies einen ziemlichen Schreck eingejagt habe, denn er hatte sich für Gilead mit dem Gedanken an den Missionardienst gemeldet und nicht mit dem Gedanken an ein Leben in einer „Institution“. Er bekennt indes heute: „Ich bin nun soweit, eine gewisse Vorliebe für das Bethelleben zu haben.“ Bruder Deane schildert uns seine Arbeit in der Druckerei und gibt uns einen sehr menschlichen und lebendigen Einblick in das, was damit verbunden war: „Die Druckerei in Argentinien war nicht sehr lange in Betrieb gewesen, als ich eintraf. Ich erfuhr, daß ein Bruder, der dort arbeiten sollte, eines Tages einfach auf und davon lief, um nie wieder zurückzukehren! Der Bezirksdiener German Seegelken, war zu Anfang jenes Jahres hereingerufen worden, doch war er begierig, in den Bezirksdienst zurückzukehren.

In diesem kritischen Augenblick traf ich ein, nachdem ich eine verlängerte Schulung von zwei ganzen Wochen in der Flachpressenabteilung in Brooklyn erhalten hatte. Die Druckmaschine war neu; obschon wir sie sehr sauberhielten, bereitete sie uns fortwährend Kopfzerbrechen. Mit der Zeit lernten wir, daß viele Schwierigkeiten durch uns selbst kamen — wir wußten einfach nicht ganz richtig, wie wir sie bedienen sollten. Wenn wir den Königreichsdienst druckten, arbeiteten sich die Spaltenlinien hoch und zerschnitten entweder das Papier oder druckten zu stark aus. All das wurde schließlich durch mehr Übung überwunden, doch nicht, ohne daß wir vorher gewünscht hatten, daß die Amerikaner oder Russen das Metall, das zum Herstellen jener Druckmaschine verwendet worden war, benutzt hätten, als sie die Apparate bauten, die sie in den Weltraum schossen. Bruder Seegelken hatte mir gesagt, daß er sich manchmal mit Tränen in den Augen ins Bett gelegt habe, weil er den ganzen Tag mit der Druckmaschine zu kämpfen gehabt hätte. Das schien mir kaum glaubhaft, aber nicht lange. Mehr als einmal lag auch ich deswegen mit nassen Augen im Bett!

Da war auch die ,Dicke Berta‘. Das war ein Papierschneider — gleichsam eine Guillotine —, der erste, den wir hatten. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, wies die Angabe seines Herstellungsjahres auf den Anfang dieses Jahrhunderts hin. Er erinnerte mich an die andere Art einer Guillotine, diejenige, mit der Köpfe abgehauen wurden, da er von französischer Herkunft war! Es war eine große Maschine mit Handbetrieb. Sie hatte ein Schwungrad von fast einem Meter Durchmesser mit einer Kurbel daran, und wenn wir 500 Bogen Papier schneiden wollten, mußten wir dieses Rad mit unserer ganzen Kraft bewegen, damit der Stapel Papier ganz — oder wenigstens fast ganz — durchgeschnitten wurde. Wie schwer war es doch immer, das Papier im Quadrat zu schneiden! Wenn man einen Tag lang an dem Riesenschwungrad gearbeitet hatte, fiel man nachts in tiefen Schlaf, das heißt, sofern man davon keine Alpträume hatte. Wegen des Wechsels der Bediener dieser Maschinen und zufolge mangelnder Erfahrung hatte sich eine Menge Arbeit in der Druckerei angehäuft. Mit der Zeit fingen wir an, unsere Arbeit zu koordinieren, und dachten, daß wir früher oder später aufholen würden. Doch hält es schwer, mit der Arbeit im Bethel auf dem laufenden zu bleiben, was erst, wenn neue Aufgaben, die Zunahme des Werkes usw. noch dazukommen! Das trägt zu einem sehr geschäftigen Leben bei und macht es uns äußerst schwierig, uns je zu langweilen!

Im Jahre 1958 druckten wir etwa 5 000 Exemplare vom Königreichsdienst. Das schien damals ein gewaltiger Stapel zu sein, doch jetzt ist die Zahl ein Vielfaches davon: 25 000 Exemplare des Königreichsdienstes für Argentinien und 20 000 für Bolivien, Chile, Paraguay und Uruguay. Außerdem werden in Argentinien Dienstformulare und Briefe usw. für die vier obenerwähnten Länder gedruckt. Die ,Dicke Berta‘ ist nicht mehr im Bethel — sie ist in den Ruhestand getreten. Ein moderner Papierschneider nimmt ihren Platz ein. Der kleine Tiegel arbeitet immer noch treulich und wird meistens für den Druck von Handzetteln gebraucht. An seiner Seite haben wir eine größere, automatische Schnellpresse von italienischer Herkunft. Auch haben wir unsere eigene Linotype-Setzmaschine.“

In enger Beziehung zur Druckerei steht die Versandabteilung, wo Bruder Carlos Ott von 1940 an gedient hat. In den frühen Jahren gehörte zu dieser Arbeit sowohl der Versand von Literatur nach Orten im Lande selbst als auch die Erledigung der Abonnements für Argentinien, Uruguay, Paraguay und Chile. „Das Zweigbüro hatte damals noch kein Fahrzeug“, erklärt Bruder Ott. Viele Jahre lang machte ich meine täglichen Gänge mit Hilfe eines selbstgebauten Dreirades, auf dem ich Literaturpakete und Zeitschriften zu der nächsten Poststelle brachte. Selbst nachdem das Zweigbüro ein Motorfahrzeug gekauft hatte, benutzte ich mein Dreirad weiterhin, und dies bis zum Jahre 1960, als ich zufolge einer Bruchoperation gezwungen war, dies aufzugeben.“ Bruder Ott ist jetzt in seinen Achtzigerjahren, doch findet man ihn zu verschiedenen Tages- und Nachtstunden beim Lesen seiner Bibel in Deutsch oder in Spanisch. Er ist in seinem Geist nicht abgestumpft, was das Licht des Verständnisses der Bibel betrifft; er bleibt auf dem laufenden, wie es seine regelmäßigen Kommentare bei der morgendlichen Anbetung im Bethel und im wöchentlichen Wachtturm-Studium wie auch in den Zusammenkünften der Versammlung zeigen — bestimmt ein wunderbares Beispiel für die jüngeren Glieder der Bethelfamilie und für alle übrigen. Er hat sich Gottes Wort wahrhaftig zu eigen gemacht!

Das Jahr 1957 brachte die Ankunft von sechs Missionaren, die der im Westen liegenden Stadt Mendoza zugeteilt wurden, von Gordon und Lillian Kammerud, Ruth Holien, Ethel Tischhauser und Mary Helmbrecht, die alle als Missionare auf Puerto Rico gedient hatten. Einen Monat später schloß sich ihnen Kathryn Hyams, eine neue Missionarin aus der Gileadschule, an.

Es könnte erwähnt werden, daß die Gesellschaft eine neue Methode zum Erlernen einer Sprache, die im Gebiet einer Zuteilung gesprochen wird, eingeführt hat, und die Absolventen der 29. Gileadklasse waren die ersten, die aus diesem Kurs Nutzen zogen. Wohl waren in Gilead mehrere Stunden in der Woche auf das Sprachstudium verwandt worden, „aber“, erklärt Schwester Hyams, „die neue Methode kann tatsächlich als eine beschleunigte bezeichnet werden. Wir sollten im ersten Monat, da wir in unserem Gebiet wären, elf Stunden am Tag die Sprache studieren und im zweiten Monat fünf Stunden am Tag und dann die übrige Zeit des Tages dem Dienst von Tür zu Tür und anderer Predigttätigkeit widmen. Ich erinnere mich, wie Bruder Henschel, als er uns den Kurs erklärte, bevor wir Gilead verließen, auch erwähnte, wir würden bei elf Stunden des Sprachstudiums am Tag schließlich in der Sprache des Landes essen, schlafen und träumen. Ich dachte, er habe etwas übertrieben, um sich humoristisch auszudrücken; aber nachdem ich ein paar Wochen bei meinem Unterweiser, Bruder Kammerud, Spanisch studiert hatte, träumte ich tatsächlich in Spanisch. Die Schwierigkeit war nur, daß das Spanisch meiner Träume stets viel besser war als dasjenige, das ich in meinen wachen Stunden sprach.“

Wie die Missionare, die in früheren Jahren nach Argentinien gekommen waren, so wurden diese Missionare beauftragt, mit bestehenden Versammlungen zusammenzuarbeiten und sie zu stärken. Und was für eine schöne Zuteilung diese Gruppe bekam! Man höre darüber einmal die Beschreibung von einer Missionarin: „Die mit Bäumen bestandenen Straßen von Mendoza sind von erfrischender Kühle, und die Stadt ist tadellos sauber. Die Hausfrauen setzen ihren besonderen Stolz darein, die mit glasierten Kacheln bedeckten Gehwege vor ihren Häusern blank zu machen. Zwischen dem Gehweg und dem Bordstein läuft ein schmaler Kanal, eine Wasserrinne, die es ermöglicht, Bäume an einem Ort zu haben, wo der Niederschlag gering ist. Und die Leute schöpfen Wasser aus dem Kanal und begießen damit die Straßen. Mendoza hat den Pulsschlag einer modernen, emsigen Stadt und hat fleißige Bewohner von guter Bildung. Wenn sich Leute von diesem Schlag Jehova Gott hingeben, bekunden sie denselben Fleiß im christlichen Predigtdienst.“

Da die Zahl der Missionare, die in Argentinien dienen, im Vergleich zu der Größe und Weite des Landes so klein ist, waren viele Verkündiger und Kreisdiener nie mit ihnen in Berührung gekommen. Bruder Ernesto Ots, der Kreisdiener des Gebiets von Mendoza, war ein solcher. Er hatte niemals eine Versammlung bedient, in der sich Missionare befanden, so wußte er nicht recht, was er tun sollte. Er folgerte, daß diese Missionare, weil sie Gileadschulung und dazu mehrjährige Erfahrung im Dienst gehabt hatten, die Zusammenkunft des Kreisdieners mit den Pionieren nicht benötigen würden. Bruder Kammerud versicherte ihm jedoch, daß die Missionare keine „Super“-Pioniere seien, und Bruder Ots sollte die Pionierzusammenkunft mit ihnen in der von der Gesellschaft vorgesehenen, normalen Weise durchführen.

DER KAMPF UM DIE GESETZLICHE ANERKENNUNG

Als das Kalenderjahr 1957 zu Ende ging, hegte man große Erwartungen. Für Dezember war eine weitere nationale Versammlung in Buenos Aires geplant und ein Vertrag für die Benutzung des Saales „Les Ambassadeurs“ unterzeichnet worden. Groß war die Zahl der Delegierten, die früh an dem betreffenden Tage am Versammlungsort eintrafen. Man stelle sich ihre Bestürzung vor, als sie um die Mittagsstunde fanden, daß der Versammlungssaal von der Polizei geschlossen worden war. Viele Brüder hatten weite Strecken zurückgelegt und dabei große persönliche Auslagen gehabt; doch diese Erfahrung diente nur dazu, sie zu noch größerer Tätigkeit anzuspornen. Sie erkannten, daß, selbst wenn die Verhältnisse für das Werk günstiger wären, sie doch nie allzu zuversichtlich werden dürften noch es als selbstverständlich hinnehmen sollten.

Bei diesem Anlaß wurden vier unserer Brüder von der Polizei festgenommen. Es wurde ihnen eine Buße auferlegt, und sie wurden zu einem Jahr Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Warum aber? Sie wurden angeklagt, eine ungesetzliche Zusammenkunft abzuhalten, weil sie nicht die gebührende polizeiliche Bewilligung eingeholt hätten. Das war aber nicht wahr. Das Gesuch, unsere Versammlung zu bewilligen, war am 20. November 1957 eingereicht worden. Da die Auflösung der Versammlung und die Festnahme der Brüder eine offene Verletzung der in der Verfassung Argentiniens garantierten Religions- und Versammlungsfreiheit war, wurde der Fall vor das Gericht gebracht. Es war ein Anlaß zu wahrer Freude, als dann am 14. März 1958 der Richter seinen Entscheid fällte. Die Brüder wurden freigesprochen und freigelassen, und acht Artikel des Ediktes über öffentliche Zusammenkünfte wurden als illegal erklärt. Das war der erste Sieg für Jehovas Volk vor den Gerichten Argentiniens, und er wurde in vielen großen Tageszeitungen reichlich bekanntgemacht.

Im Jahre 1958 gab es einen Regierungswechsel, und es schien, daß wir größere Freiheit bekommen konnten. Mit der Ermächtigung Bruder Knorrs wurde beschlossen, eine konzentrierte Anstrengung zu machen, um die benötigte gesetzliche Anerkennung zu erlangen. Es wurde ein besonderer Brief aufgesetzt, der eine Übersicht gab über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas wie auch über die Bildung des Ministeriums der Kultgemeinschaften und darüber, wie uns im Jahre 1950 gemäß Resolution 351 der gesetzmäßige Status aberkannt wurde. Eine Kopie dieses siebenseitigen Briefes wurde an alle Gesetzgeber, Redakteure und Deputierte wie auch an Richter in Argentinien gesandt. Als Folge davon empfing das Zweigbüro ausgezeichnete Zuschriften, und einige Vertreter der Regierung äußerten ihren Wunsch, Hilfe zu bieten. Aber stets war die katholische Kirche als Drahtzieher im Hintergrund.

Im folgenden Jahr wurde beschlossen, daß wir uns in Form einer Petition für Religionsfreiheit an die Regierung wenden sollten. Unsere Brüder in Chile, Bolivien, Paraguay und Uruguay halfen bei dieser Aktion mit, und insgesamt wurden etwa 322 636 Unterschriften gesammelt. Als alle Petitionsbogen eingegangen waren, wurden sie zu Paketen zusammengebunden, und Bruder Adamson, Bruder Eisenhower und Bruder Guillermo Fernandez luden sie in den Lieferwagen, den das Zweigbüro damals besaß, und lieferten sie im Regierungsgebäude ab. Bruder Eisenhower erzählt uns darüber: „Damals hatten wir beim Präsidenten Arturo Frondizi um eine Audienz gebeten. Diese wurde abgelehnt, und auf die Petition erhielten wir nie eine offizielle Antwort. Wir blieben weiterhin eine Religionsorganisation, der die gesetzliche Anerkennung versagt war.“

Als nächstes schrieben die Brüder in allen Teilen der Erde an die argentinische Regierung, um den Mangel an Gottesdienstfreiheit bloßzustellen und zu bitten, daß den Zeugen Jehovas Religionsfreiheit gewährt werde. Es war wunderbar, wie die Brüder darauf reagierten. In Argentinien schrieben sie mehr als 2 500 Briefe an Regierungsbeamte und Kongreßmitglieder; und ein Regierungsbeamter deutete an, daß sie mehr als 7 000 Briefe aus der ganzen Welt bekommen hätten.

Bruder Eisenhower erzählt davon, wie er den Sekretär des Ministeriums für Außenpolitik und Kultgemeinschaften mehrmals besucht habe: „Wir baten, daß er unseren Fall erwägen möge, da die Verfassung Argentiniens Religionsfreiheit gewährleiste. Bei einem dieser Besuche führte er uns in ein Zimmer, wo mehrere Bücherregale mit Tausenden dieser Briefe angefüllt waren. Sie stammten aus aller Welt und enthielten die Bitte um Religionsfreiheit für Jehovas Zeugen in Argentinien. Die Kommentare des Sekretärs lauteten dahingehend, daß ,es unmöglich sei, all die Briefe zu öffnen und zu lesen, daß er aber tatsächlich höchst überrascht sei, daß jemand aus so weiter Ferne, wie es die Fidschiinseln seien, in bezug auf Gottesdienstfreiheit nach Argentinien schreibe‘. Obwohl der Standpunkt der Regierung negativ blieb, indem sie sich auf den Erlaß 416 vom Jahre 1959 bezog, der den früheren Erlaß 351 vom Jahre 1950 stützte, wurde doch den Männern, die in Argentinien an der Macht sind, ein ganz vorzügliches Zeugnis gegeben.“

MISSIONARE ZIEHEN IN ENTLEGENE GEBIETE

Das Jahr 1958 war auch bemerkenswert, da noch zwei andere hervorragende Ereignisse, jedes auf seine Art, zur Förderung des Königreichswerkes in Argentinien beitrugen. Das eine war der internationale Kongreß in New York, den zu besuchen 94 Brüder und Schwestern aus diesem Land das Vorrecht hatten und von dem sie, mit erquickender geistiger Speise beladen, zurückkamen, um davon denen mitzuteilen, die nicht anwesend sein konnten. Ferner wurden einige unserer Missionare, die bisher im Gebiet von Buenos Aires, der Metropole, gedient hatten, in entlegene kleinere und größere Städte des Landes gesandt. Dort sollten sie eine große Hilfe sein, indem sie die Versammlungen stärken und neueren Verkündigern helfen würden, ihren Dienst zu verbessern.

Sophie Soviak schreibt über ihre ersten Eindrücke in ihrem neuen Gebiet in Villa María (Córdoba) folgendes: „Im Geschäftsviertel von Buenos Aires wußten viele nicht einmal, wer ihre Nachbarn waren, aber hier schien jeder zu wissen, was der andere tat. Sie schienen uns zu mißtrauen und beobachteten jeden unserer Schritte. Wenn die Leute uns kommen sahen, gingen sie ins Haus hinein und gaben keine Antwort an der Tür. Es dauerte Monate, bis die Leute ihre Vorurteile aufgaben, so daß sie uns wenigstens anhörten.“ Schwester Morgan fügt hinzu: „Die Missionare und die Verkündiger des Ortes arbeiteten das Gebiet zusammen schnell durch. Da es keine städtischen Verkehrsmittel gab, kauften Sophie und ich uns ein Motorrad. Auf diese Weise konnten wir in unser entlegenes Gebiet fahren und unsere Nachbesuche machen. Wir pflegten am Morgen ins Gebiet zu fahren, das Motorrad mit einer Kette an einem Baum zu befestigen, dann zurückzukehren und mittags heimzufahren. Es war sehr windig, und manchmal wirbelte bis zum Mittag so viel Staub auf, daß es schwerhielt, die Bibel zu benutzen und an der Tür die Schriften anzubieten. Die Leute waren der Botschaft gegenüber ziemlich gleichgültig. Viele waren unerschütterliche Peronisten und auch Katholiken gewesen. Doch nachdem die Kirche ihren Einfluß dazu benutzt hatte, Perón abzusetzen, hatten die meisten keine große Liebe mehr zur Kirche. Viele gingen nur während der Karwoche in die Kirche oder zur Prozession der Jungfrau. Bisweilen sandte man Kinder vor uns her, um alle Hausfrauen vor unserem Kommen zu warnen. Manchmal begaben wir uns dann in eine andere Straße und kehrten an einem anderen Tag in die erste Straße zurück. Trotz dieser Umstände wurde etwas Same ausgestreut, und einige nahmen für die Wahrheit Stellung.“

Die Missionarinnen, die Salta zugeteilt waren, die Schwestern Wilson und Hyams, kamen dort nach einer vierzigstündigen Bahnfahrt an. Sie begannen ihren Dienst mitten in den Wohnungen des Geschäftsviertels, und sie ermunterten die Verkündiger, ebenfalls die Innenstadt durchzuarbeiten. „Natürlich“ — berichtet eine der Schwestern — „trafen wir einige Personen an, die sich sehr an Traditionen klammerten. Die religiösen Überlieferungen und der gesellschaftliche Rang sind in Salta untrennbar miteinander verbunden. Die alten Familien, die ihren Familiennamen bis in die Zeit der spanischen Eroberung zurückverfolgen können, setzen großen Stolz darein, mehrere Familiennamen zu benutzen, um mit ihrer Abstammung auf andere Leute Eindruck zu machen, und außerdem rühmen sie sich damit, daß wenigstens e i n Glied der Familie Priester oder Nonne ist.

Während wir im Gebiet der vornehmen Gesellschaft arbeiteten, wohnten wir im Hinterzimmer eines alten Bürogebäudes, wo eine Schwester Hausmeisterin war. Unser Zimmer hatte ein Strohdach, verputzte Lehmwände und einen Backsteinboden — es war möglicherweise von den Tagen der Kolonisten an so gewesen. Wir kochten unsere Speisen auf einem Petroleumkocher mit einem Brenner, wuschen uns in einem Emaille-Waschbecken, und bei all unserem Tun schauten uns vier Augen schweigend zu: Schwester Ahmeds zwei Kinder, die eine nie endende Neugierde bekundeten für das, was die zwei Missionarinnen taten, ungeachtet zu welcher Tages- oder Nachtstunde. Schließlich fanden wir eine behagliche Wohnung in einem Apartmenthaus.“

Helen Wilson erinnert sich gern an die Arbeit in nichtzugeteilten Städten außerhalb von Salta: „Oft gingen wir vor Tagesanbruch von zu Hause fort, um einen Zug in eine kleine Stadt, wo wir arbeiten sollten, zu nehmen, und manchmal nahmen wir das Mittagsbrot mit und blieben den ganzen Tag draußen. Ein andermal nahmen wir einen Bus in ein kleines Dorf, und wenn wir es durchgearbeitet hatten, gingen wir zu Fuß in die Stadt zurück, wobei wir unterwegs verstreuten Familien Zeugnis gaben. Literatur gegen Ware umzutauschen war etwas, was die Verkündiger des Ortes nie getan hatten. Wie lachten sie doch zuerst, als die Missionarinnen mit frischen Eiern, die sie in ihren Büchertaschen gut verstaut hatten, zurückkehrten oder mit einer Einkaufstasche aus Bast, gefüllt mit Kürbis und anderem Gemüse! Bald lernten auch die Verkündiger, Schriften gegen Ware umzutauschen.“

Unter der ärmeren Klasse herrschen andere Traditionen. Salta ist die Wiege der misachico, einer Prozession armer Leute, die von den Hügeln herkommen und die Statue einer Jungfrau tragen, die inmitten von Blumen auf einer Art Liege auf den Schultern von zwei oder vier Personen getragen wird. Prozessionsmitglieder schlagen eine tamburinartige Trommel aus ungegerbtem Leder, fiedeln auf einer Geige, spielen auf einer quena (Bambusflöte) und einem anderen Instrument, das dem Alphorn ähnelt, wobei die anderen Landleute eintönig singen. Während die kleine Gruppe langsam vorwärts geht, kommen Kinder und andere heraus, um der „Jungfrau“ einige Münzen als Opfergabe zu spenden. Später werden die Opfergaben oft „verzehrt“, indem sie gegen Wein umgetauscht werden.

Andere Prozessionen sind viel komplizierter und stehen unter dem Patronat der örtlichen Kirchen. Jede Kirche hat ihren Schutzheiligen, und an seinem Jahrestag werden besondere Andachten in Form einer Novene (Neuntägigen) abgehalten. Am letzten Tag wird die Statue des Schutzheiligen aus der Kirche geholt und in einer langen Prozession der Anbeter in der Stadt herumgetragen, bevor sie zu ihrem Altar oder in ihre Nische in der Kirche zurückgebracht wird. Bei diesen Gelegenheiten wird eine wohlbekannte Hymne an die „Jungfrau“ gesungen. Sie enthält folgende Worte: „... die Himmel, die Erde und Jehova selbst ... verehren dich ...“ Wenn die Verkündiger und Missionare in den nördlichen Provinzen Zeugnis geben, wo die Erwähnung des Namens Jehovas vielen Katholiken fremd und neu klingt, lenken sie die Aufmerksamkeit oft auf die Tatsache, daß der Name des wahren Gottes in diesem Liede benutzt wird.

Von ihrer Ankunft in Salta im September 1958 an, bis sie etwa drei Jahre später ihre Zuteilung nach Tucumán erhielten, freuten sich die Missionarinnen, zu sehen, wie die Versammlung von 26 auf 71 Verkündiger anwuchs. Salta hat nun zwei Versammlungen, jede mit einem eigenen Königreichssaal, den die Brüder des Ortes gebaut haben.

Die Zuteilung zum Dienst in Tucumán, der fünftgrößten Stadt Argentiniens, die über 300 000 Einwohner zählt, bedeutete eine große Umstellung. Dort ist die Heimat der argentinischen Zuckerindustrie, und in der Nähe der Stadt gibt es viele Raffinerien oder Mühlen. Sie ist ferner der Sitz einer der wichtigen Universitäten des Landes. Das Klima ist heiß und feucht. In diesem Gebiet wohnen auch Gebildete, Universitätsprofessoren, Studenten, Besitzer von Industriebetrieben und Handelshäusern, außerdem ärmere Fabrikarbeiter und Zuckerrohrschneider. Tucumán ist auch berühmt als der „Garten der Republik“.

Schwester Wilson schreibt über diese Missionarzuteilung: „Obwohl Tucumán eine große Stadt ist, sind die Leute gewöhnlich nicht in Eile und hören sich die Botschaft an. Studien können leicht begonnen werden. Doch gibt es Probleme: Der allgemeine Mangel an einer geregelten Lebensweise und an Organisation zu Hause und im persönlichen Leben erschwert es den Menschen, Verantwortung zu übernehmen.“ Ebenso wie im Norden sind viele Menschen, obwohl sie sich zur katholischen Religion bekennen, in spiritistische Bräuche verwickelt. Sie glauben, daß man von den Geistern der Toten besondere Gunsterweisungen erlangen könne, ungeachtet, was für eine Person der Betreffende vor seinem Tod gewesen ist. Wahrsagerei und damit verbundene Bräuche florieren, da Reiche und Arme, Gebildete und Analphabeten dadurch finanzielle Probleme zu lösen hoffen oder Probleme in der Familie zu beheben suchen, oder sie suchen sich den Erfolg für ein Liebesabenteuer oder für ein besonderes Schulexamen zu sichern. Es wird auch auf alle mögliche Weise gespielt: in Verbindung mit Lotterien, Pferderennen, Hahnenkämpfen, im Kasino, durch Verlosungen und Zahlenlottos. Das Spielen ist eng verquickt mit Spiritismus, und dies zufolge der abergläubischen Ansichten, die mit gewissen „Glücks“spielen oder mit dem „Buckel“-Spiel (wobei man, um „Glück“ zu haben, den Rücken eines Buckeligen berührt) zusammenhängen. Ledige Personen, die ohne den Segen der Ehe zusammen leben, Ehemänner, die eine oder noch mehr zusätzliche Frauen haben, Homosexuelle, all dies und noch viele andere Beweise einer mangelnden biblischen Erziehung sind an der Tagesordnung.

Wenn man also Schriften abgibt und mit Interessierten Bibelstudien beginnt und ihnen so hilft, sich von der falschen Religion zu trennen, so ist das erst der Anfang des Dienstes eines Missionars. Es gibt in diesem System der Dinge viele unchristliche Bräuche, die man aufgeben muß. Die fleißigen Anstrengungen im Dienst und im Lehren biblischer Grundsätze haben aber Zunahmen bewirkt. Gegenwärtig hat Tucumán zwei Versammlungen mit insgesamt über 150 Verkündigern.

Die Missionare leisteten in der Tat einen großen Beitrag zur Ausdehnung des Königreichswerkes in Argentinien. Ein Bezirksdiener beschreibt es folgendermaßen: „Die biblische Erkenntnis, die durch jahrelanges Studium erworben wird, die besondere Schulung in der Gileadschule für den Dienst und Jahre enger Zusammenarbeit mit Jehovas sichtbarer Organisation versetzen den Missionar in eine einzigartige Stellung. In dieser kann er den ortsansässigen Verkündigern helfen, die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern, kann ihnen einen umfassenderen Einblick in die Organisation Jehovas vermitteln und ihnen die Notwendigkeit absoluter Loyalität ihr gegenüber zeigen.“

Ein Kreisdiener fand, daß der Zeitplan im Missionarheim und das Arbeitsprogramm im Heim den Verkündigern und besonders den Pionieren als ein Beispiel dienten, weil dadurch für eine besondere Organisation im Heim und für eine völligere Teilnahme am Königreichsdienst gesorgt wird. Er erwähnte auch, daß die Missionare dadurch, daß sie ihre Heimat und ihre Angehörigen verließen und eine Zuteilung in einem fremden Land annahmen, das eine andere Sprache und andere Bräuche hat, und dann treulich in ihrem Gebiet blieben und es zu ihrer Heimat machten, anderen, die den Pionierdienst, den Sonderpionierdienst oder den Besuch der Gileadschule im Gedanken an den Missionardienst ins Auge fassen, ein vorzügliches Beispiel gegeben haben.

SICH ZU GRÖSSERER TÄTIGKEIT GÜRTEN

Der Aufschwung und die Ausdehnung des Werkes innerhalb des Bereiches des argentinischen Zweigbüros wurde — wie wir schon gesehen haben — öfter durch die Besuche von Bruder Knorr und Bruder Henschel begünstigt und gefördert. Im Dezember 1959 besuchten diese zwei Brüder Argentinien von neuem, und es wurden zwei Versammlungen abgehalten, die eine in Córdoba und die andere in Buenos Aires. Dieser Besuch bedeutete eine Hilfe für die Organisation des Werkes im Land und auch für den Beginn des Bauprogramms im Zweigbüro in Buenos Aires. Bruder Knorr hatte versuchsweise den Entwurf für ein neues Zweigbüro vorbereitet, der später überarbeitet wurde, um ihn den städtischen Bauvorschriften anzupassen. Als diese Pläne von der städtischen Behörde in Buenos Aires und von Bruder Knorr schließlich genehmigt wurden, begann die Arbeit am neuen Gebäude. Das war im Oktober 1961. Bis zum Oktober des folgenden Jahres, konnte es bezogen werden.

Als die Arbeit am neuen Zweigbüro begann, mußte alles in den Teil hinübergebracht werden, der in dem 1940er Bau als Lagerraum und Versandabteilung gedient hatte; das Haus an der Calle Honduras 5646 mußte abgerissen werden. Bruder Eisenhower beschreibt dies wie folgt: „Die Büros wurden in einen Teil des Lagerraums verlegt; ein anderer Teil wurde unterteilt, das heißt in Schlafzimmer eingeteilt; gleichzeitig wurde die Druckmaschine in einem anderen Teil in Betrieb genommen. Wenn man aufstand, um das Frühstück zu bereiten, brauchte man nicht zu schellen, um die Familie herbeizurufen; wir wurden durch den Duft der Speisen, die hinten im selben Saal zubereitet wurden, herbeigelockt. Wir nannten unser Wohnquartier ,Villa Carton‘ (,Villa Karton‘), und dies war wahrhaftig ein unvergeßliches Erlebnis! Nur e i n Problem gab es damals: Wenn man denen, die in verschiedenen Tonarten schnarchten, zuhören mußte, konnte man manchmal nachts nicht schlafen.

Wie glücklich waren wir doch, als der Neubau fertig war! Nun gab es viel mehr Raum für das Büro, den Versand und auch für die Wohnräume der Familie. Und als dann der Bau vollendet worden war, wurde die Königreichsdienstschule in das Gebäude des Zweigbüros verlegt. Es war ein Segen, die Versammlungsaufseher bei uns haben zu können, denn sie wiederum konnten uns bei der Arbeit im Zweigbüro helfen.“

Die Königreichsdienstschule für Argentinien wurde im Jahre 1961 eingeführt, und im ersten Jahr fand sie im Zentrum von Buenos Aires in einem der Königreichssäle statt. Die Brüder, die an dem Monatskurs teilnahmen, wurden in vielen Wohnungen der Brüder liebevoll aufgenommen. Die Schüler wurden zur Mitarbeit den verschiedenen Versammlungen in Buenos Aires zugeteilt; so konnten viele Brüder mit ihnen Gemeinschaft haben. Die Klasse bestand zuerst aus Bezirks- und Kreisdienern wie auch aus Versammlungsdienern, die viele Jahre im Dienst gestanden hatten. Aus diesen ersten Klassen wurden einige Brüder zu künftigen Kreisdienern ernannt. Bruder Rogelio Del Pino war vom Bezirksdienst hereingerufen worden; und zusammen mit Brüdern von zwölf anderen lateinamerikanischen Ländern hatte er einen Monat Sonderschulung in Gilead, South Lansing (New York), erhalten, um ihn auf den Dienst als Unterweiser der Königreichsdienstschule vorzubereiten. Er diente auch in Uruguay in dieser Eigenschaft. Die Schule hat ohne Zweifel eine überaus wichtige Rolle in der Organisation Jehovas gespielt, um die darin tätigen Diener zu schulen und für die ihnen übertragenen Aufgaben auszubilden.

Ein Jahrzehnt Arbeit unter Verbot war verflossen; die 1960er Jahre verhießen bereits eine größere Ausdehnung des Königreichswerkes in Argentinien. Die Brüder hatten sich gefragt, welchen Einfluß das Verbot auf das Werk haben werde. Der Bericht über das Dienstjahr 1960 möge für sich sprechen: 205 Versammlungen mit einer Höchstzahl von 7 204 Verkündigern, zu denen 227 allgemeine Pioniere und 155 Sonderpioniere gehörten, berichteten eine Gesamtzahl von 1 327 294 Stunden. Sie hatten 128 126 Bücher und Broschüren und 1 116 751 Zeitschriften abgegeben; 14 766 Abonnements waren aufgenommen worden. Unsere Brüder machten 588 443 Nachbesuche und leiteten im Durchschnitt 6 600 Heimbibelstudien. In jenem Jahr waren zum Gedächtnismahl 13 937 Personen anwesend, und es wurden ferner 5 443 öffentliche Vorträge gehalten. Wahrlich, das Verbot hatte die Ausdehnung der Predigttätigkeit in diesem Lande nicht verhindert.

Außer der Einführung der Königreichsdienstschule war von 1960 an eine weitere besondere Schulung und Hilfe für Argentinien vorgesehen. In diesem Jahr wurde Bruder Eisenhower zum Zonendiener für Südamerika ernannt, für Chile, Paraguay, Uruguay, Argentinien und Brasilien. Im Jahre 1963 diente er diesen Zweigbüros und hatte dann das Vorrecht, den zehnmonatigen Gileadkurs zu besuchen. Dadurch, daß Bruder Eisenhower vermehrte Verantwortung auferlegt wurde, wurde auch den Brüdern am Ort mehr Verantwortung übertragen. Bruder Eisenhower erwähnt, daß „sich dies als höchst segensreich erwiesen hat, weil wir jetzt gutgeschulte Brüder im Lande haben, die befähigt sind, sich des Werkes anzunehmen.

Im Jahre 1961 wurde einer unserer argentinischen Brüder, Edgar Iribar, zur besonderen Schulung nach Gilead eingeladen. Nach seiner Rückkehr diente er einige Zeit im Zweigbüro und bei Übersetzungsarbeiten. Dann, im Jahre 1962, besuchten zwei weitere Argentinier, Bruder Ortwin Lunkenheimer und Bruder Nicolás Schemmel, ebenfalls den zehnmonatigen Gileadkurs.“

Bezirkskongresse spielten weiterhin eine große Rolle bei der besseren Ausbildung des Personals der Predigerorganisation in diesem Land. Doch weitere, ja größere Überraschungen standen bevor! Im Jahre 1966 stattete Bruder Knorr den südamerikanischen Zweigbüros, darunter auch dem Argentiniens, einen Blitzbesuch ab, um internationale Kongresse für Lateinamerika zu organisieren, die Ende 1966 beginnen und bis in die ersten Wochen des Jahres 1967 hineinreichen sollten. Während des kurzen Besuches von Bruder Knorr bemerkte Bruder Eisenhower, daß er hoffe, nie wieder mit weiterer Bautätigkeit zu tun zu haben. Bruder Knorrs Antwort war: „Nun, ihr habt erst e i n Gebäude erstellt; wir bauen die ganze Zeit!“ Bruder Eisenhower erzählt weiter: „Als Bruder Knorrs kurzer Besuch endete, hatte er beschlossen, daß wir unser gegenwärtiges Zweigbüro aufstocken sollten, wodurch wir Raum für sechs weitere Schlafzimmer erhalten würden, so daß wir insgesamt achtzehn hätten. Die Arbeit wurde sozusagen gleich in Angriff genommen, und Ende 1966 stand unser gegenwärtiges 4stöckiges Zweigbürogebäude fertig da und hatte außerdem auf dem Dach einen weiteren Raum für die Königreichsdienstschule. Dies hat sich als von großem Nutzen erwiesen, nicht nur für die Brüder, die in die Schule kommen, sondern auch für die zunehmende Familie des Zweigbüros, die jetzt 22 Glieder zählt.“

Es ist verständlich, daß Bruder Muñiz, während das Werk wuchs und ständige Zunahmen verzeichnet wurden, große Befriedigung empfand. Er erlebte es noch, nicht nur diese Gebäude zu sehen, sondern auch die Tatsache, daß die Zahl der Verkündiger das Ziel von 13 000 übertraf. Um seine Freude auszudrücken und sie mit den Gliedern der Bethelfamilie zu teilen, hatte er sich angewöhnt, jedesmal, wenn eine Höchstzahl von einem weiteren Tausend erreicht war, der Familie ein besonderes Abendessen geben zu lassen. Das Menü wurde von Bruder Muñiz geplant und vorbereitet, und es enthielt stets besondere Köstlichkeiten. Dies waren förmliche Bankette, und Bruder Muñiz bezahlte alles mit seinem eigenen Geld. Bei jedem dieser besonderen Abendessen wurde ein Tischchen extra mit Früchten und anderen Speisen gedeckt, die nicht als Teil der Mahlzeit benutzt oder gegessen wurden; Bruder Muñiz erklärte, dies stelle die Hülle und Fülle in Jehovas Organisation dar.

ENDLICH EIN INTERNATIONALER KONGRESS!

Große Städte in den Vereinigten Staaten und Europa sind oft der Schauplatz internationaler Kongresse des Volkes gewesen, das Jehovas Namen trägt. Viele unserer argentinischen Brüder haben das Hindernis großer Entfernungen und hoher Reisekosten überwunden, um zu den Scharen glücklicher Besucher dieser unvergeßlichen geistigen fiestas zu gehören. Doch wie oft wurde von ihnen und von der Mehrheit der Brüder, die bei solchen Gelegenheiten zurückblieben, die Frage geäußert: „Warum veranstaltet die Gesellschaft keine internationalen Kongresse in Lateinamerika?“ „Wann wird die Zeit kommen, da Brüder aus anderen Ländern uns besuchen?“

Welche Äußerungen der Freude und Erregung flossen doch von den Lippen der argentinischen Brüder, als sie erfuhren, daß sich endlich ihre innigste Hoffnung verwirklichen sollte! Buenos Aires wurde das südlichste Glied in der Kette der lateinamerikanischen Kongresse, die für das Spätjahr 1966 und den Beginn des Jahres 1967 geplant waren. Weit über 400 Brüder aus anderen Ländern der beiden Amerikas und aus Europa bildeten die internationale Delegation; einige kamen über Santiago (Chile), andere direkt von La Paz (Bolivien), während eine Anzahl von ihnen in Asunción (Paraguay) haltmachten, ehe sie in Buenos Aires mit den anderen zusammentrafen. Unvergeßlich waren diese Tage christlicher Gemeinschaft vom 11. bis zum 15. Januar 1967!

Unvergeßlich war auch das besondere Vorrecht, den Besuch von sechs unserer „älteren Brüder“ vom Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn zu erhalten, von Bruder Knorr, Franz, Suiter, Henschel, Larson und Couch — Namen, die die meisten argentinischen Brüder nur kannten, weil sie sie im Jahrbuch gelesen hatten.

Wie bedeutungsvoll es war, diese Brüder bei uns zu haben, wurde von Schwester Lira Berrueta treffend beschrieben, die seit 1950 als Missionarin in Argentinien dient. Schwester Berrueta ist von Geburt Südamerikanerin, und in der besonderen englischen Versammlung, die auf dem Kongreß in Buenos Aires für die ausländischen Delegierten veranstaltet worden war, erzählte sie den Zuhörern folgendes: „Bei der Zusammenkunft der Missionare im Jahre 1958 in New York sagte Bruder Franz in seinem Kommentar über den Kongreßvortrag, der sich auf Jesaja 8:18 stützte: ,Nun könnt ihr in die euch zugeteilten Gebiete zurückkehren und den Brüdern sagen, daß ihr den Überrest gesehen habt. Der Überrest ist zu Zeichen und Wundern geworden, wie es Jesajas Söhne zu ihrer Zeit waren.‘ Damals dachte ich: ,Wie wünschte ich doch, daß alle unsere Brüder in Südamerika den Überrest sehen und das mitempfinden könnten, was wir bei diesem historischen Anlaß empfinden!‘

Nun hat sich dieser Wunsch bei diesem wunderbaren Kongreß verwirklicht. Als ich die Verkündiger ermunterte, ihn zu besuchen, bezog ich mich auf die Worte von Bruder Franz und sagte zu ihnen: ,Ihr sollt diesen Kongreß nicht verpassen, denn wenn die neue Ordnung kommt, werdet auch ihr den neuen Generationen sagen können, daß ihr den Teil des Überrestes gesehen habt, der ihn hauptsächlich vertreten hat!‘ Für diesen Kongreß und dafür, daß ihr alle hier seid, sind wir sehr dankbar.“

Eine hervorragende Besonderheit des englischen Programms war es, Bruder Juan Muñiz zu hören, ihn, der mit Jehovas Hilfe das Predigtwerk in diesem und anderen südamerikanischen Ländern etwa dreiundvierzig Jahre zuvor organisiert hatte. Passenderweise war er der erste Redner, den der Zweigdiener, Bruder Charles Eisenhower, einführte. Und — ob passend oder nicht — Bruder Muñiz entsprach seinem Ruf, über die Zeit hinauszugehen. Bruder Eisenhower erinnert sich noch an die Worte von Bruder Muñiz: „Wie kann ich in fünfzehn Minuten sagen, was ich in drei oder vier Stunden sagen sollte? Wie kann ich all das zusammenfassen, was ich sagen möchte? Nur fünfzehn Minuten zu sprechen — das ist nichts für mich!“

Die Glieder der Bethelfamilie und andere, die ihn gut kannten, schätzen das vortreffliche Beispiel sehr, das Bruder Muñiz nicht nur im Lehren der Bibel gegeben hat, sondern auch, indem er Gottes Wort sein Leben lang studierte. Während einiger Jahre vor seinem Tode tat er Dienst in der Anmeldung im Zweigbüro in Buenos Aires. Wenn nichts anderes seine Aufmerksamkeit erforderte, sah man ihn meistens hinter dem Pult in der Bibel lesen. Wie oft er sie durchgelesen hat, wissen wir nicht. Aber eines ist sicher: Selbst in seinen vorgerückten Jahren verfehlte er niemals, sich von den reichen Tagesportionen der göttlichen Wahrheit zu nähren. Sein fester Glaube an dieses Wort wird gut durch einen Vorfall veranschaulicht, an den sich Bruder Adamson erinnert: „Eines Morgens im Januar 1942 las ich im Herald von Buenos Aires, daß J. F. Rutherford gestorben sei. Es war nur ein kurzer Artikel, aber er versetzte uns einen wirklichen Schock. Was nun? Wieder war uns die Einstellung von Bruder Muñiz entschieden eine Hilfe. ,Nicht Bruder Rutherford hat uns geheißen, auszuziehen und zu predigen, oder? Diese Anweisung kommt von Jehova durch sein Wort. So laßt uns weiterhin das tun, was uns zu tun geboten worden ist, und Jehova wird sich der Dinge in seiner Organisation annehmen‘, so lautete die glaubensstärkende Bemerkung von Bruder Muñiz.“

Das Programm an jenem Sonnabendmorgen, dem 14. Januar, sah vor, daß die Missionare in Gruppen von je sechs oder acht auf der Bühne erscheinen sollten, und jeder sollte etwas über das Thema „Die Freuden des Missionardienstes“ sagen. Zwischen diesen Darbietungen der verschiedenen Gruppen sprach je einer der sechs Sondervertreter vom Hauptbüro der Gesellschaft. Passenderweise wurden die ersten Berichte aus dem Missionardienst von drei Schwestern erstattet, die alle Absolventen der ersten Gileadklasse waren. Über ihre Erfahrungen äußerte sich später Bruder Knorr, als er zu den Versammelten sprach. Er erinnerte die Zuhörerschaft daran, daß diese und andere frühe Missionare die Freude gehabt hatten, „Mütter“ von Versammlungsdienern, Kreisdienern, Bezirksdienern und von Gileadabsolventen zu sein. Es brachte Bruder Knorr auch zum Lachen, daß die Missionare so nervös wurden, weil sie Englisch sprechen mußten.

Wenn es schon den Missionaren warm ums Herz wurde, weil die Direktoren der Gesellschaft da waren, was werden da die Direktoren empfunden haben? Einer von ihnen sagte: „Ihr Missionare habt uns etwas gegeben, und wir fühlen uns ermuntert und auferbaut, weil wir das Vorrecht hatten, mit euch zusammen zu sein.“ Ein anderer Direktor, der sich an die Reisenden wandte, die aus anderen Ländern gekommen waren, äußerte sich wie folgt: „Der wichtigste Teil eurer Reise ist nicht der Besuch neuer und so ganz anderer Länder gewesen, der Anblick der majestätischen Werke der Schöpfung Jehovas und interessanter historischer Wahrzeichen. Der wichtigste Teil der Reise ist der Besuch der Missionare gewesen, indem ihr ihren Erfahrungen zugehört und ihre Freude gesehen habt, daß sie Jehova so viele Jahre in diesen Ländern dienen konnten. Wir hoffen, daß ihr heimkehren und eure Söhne und Töchter zum Missionardienst anspornen werdet und daß ihr die Verkündiger zu Hause, in euren Versammlungen, ermutigen werdet, ihre Angelegenheiten so zu ordnen, daß sie in andere Länder ziehen können, in denen Hilfe not tut.“

Die Gileadabsolventen werden sich noch lange an ihre besondere Zusammenkunft und ihr Abendessen mit Bruder Knorr und einigen der Direktoren der Gesellschaft erinnern, die bei diesem Anlaß zugegen waren. Es war ein klarer, linder Sommerabend, als sich am Freitagabend die glückliche Schar von Missionaren aus allen Teilen Argentiniens mit den Gliedern der Bethelfamilie in Buenos Aires auf der Terrasse des Bethelheimes versammelte. Nach einer köstlichen Mahlzeit wandte sich Bruder Knorr an die Gruppe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte eine unbeschwerte, heitere Stimmung geherrscht. Dann blickte Bruder Knorr auf seine Uhr; sie zeigte an, daß ein neuer Tag angebrochen war. Es war der 14. Januar 1967. Die Stimme, die nun zu uns sprach, erklang ernst, und es gab Augenblicke, da man merkte, daß es Bruder Knorr schwerfiel, seine Gemütsbewegung zu meistern und weiterzusprechen. Es waren genau fünfundzwanzig Jahre her, daß er am 13. Januar 1942 zum Präsidenten der Gesellschaft ernannt worden war. Er sagte uns, wie er seit den Tagen, da er als Fabrikdiener in Brooklyn tätig gewesen sei, unablässig den sehnlichen Wunsch gehabt hätte, Missionare in alle Teile der bewohnten Erde ausziehen zu sehen. Wohl hatte er dies Bruder Rutherford gegenüber geäußert, doch wurde ihm gesagt, es wäre nicht mehr genügend Zeit für ein solches Werk übrig. Als jedoch vor fünfundzwanzig Jahren Bruder Knorr Präsident geworden war, hatte er dem Direktorium, von dem mehrere Brüder an diesem Abend zugegen waren, den Antrag unterbreitet, eine Missionarschule zu gründen, und hatte seine Zustimmung erhalten. Bald war die Wachtturm-Bibelschule Gilead eine Wirklichkeit. Als Absolventen von jener ersten Klasse und von anderen frühen Klassen in ihre Auslandsgebiete gesandt wurden, verbrachte Bruder Knorr manche sorgenvolle, schlaflose Nacht im Gebet, da er sich fragte, wie es diesen lieben Brüdern und Schwestern wohl ergehe. Jetzt, fünfundzwanzig Jahre später, schien es am Platze zu sein, daß Bruder Knorr unter den Missionaren weilte. Daß es ihnen gut ergangen war, trat deutlich zutage; hier in Argentinien stehen immer noch vier von dieser ursprünglichen, ersten Klasse Gileads treu im Dienst.

Außer dem größeren Kongreß in Buenos Aires fand ein anderer Kongreß gleichzeitig in der Innenstadt von Córdoba statt, und die Brüder von Brooklyn beteiligten sich auch dort am Programm. Man stelle sich die Freude aller, der einheimischen Verkündiger wie auch der ausländischen Besucher, vor, als sie erfuhren, daß insgesamt 15 238 Personen auf den beiden Kongressen anwesend waren, davon 11 000 allein in Buenos Aires! Insgesamt 692 Personen hatten ihre Hingabe an Gott symbolisiert. Diese Zahlen werden für uns noch bedeutungsvoller, wenn wir daran denken, daß es im Jahre 1947, nur zwanzig Jahre zuvor, erst 679 Verkündiger in ganz Argentinien gegeben hatte — nicht einmal soviel wie die Zahl der auf diesem Kongreß Getauften. In diesem Jahre, dem Jahr 1967, hatten 13 317 Personen am Felddienst teilgenommen.

Ein überaus interessanter Reiseplan war für die Delegierten, die auf Besuch weilten, aufgestellt worden, der Touren zu vielen historischen Stätten dieser Metropole vorsah, wo die Verkündigung des Königreiches in Argentinien ihren Anfang genommen hatte. Besondere Vorkehrungen waren für die Reisenden getroffen worden, einen typischen asado auf dem Lande zu genießen. Autobusse, für die je ein Missionar als Führer diente, holten die Brüder in ihrem Hotel für die angenehme Fahrt zu einem Ranch-Restaurant auf dem Lande ab. Die ländliche Umgebung, dazu die Nahansicht eines asado in Vorbereitung — riesige niedrige Roste über glühenden Kohlen, bedeckt mit einer guten Auswahl von chorizos und langen, schmalen Rindsrippenstücken, außerdem ganze Rinderhälften, durchstochen mit Spießen, deren eines Ende in der Erde steckte, während das andere das Fleisch im Winkel über den Kohlen hielt —, all das gab den Brüdern eine Gelegenheit, das argentinische Lagerleben von seiner besten Seite zu „kosten“. Doch war dies noch nicht alles! Als das Mittagsmahl zu Ende war, stellten argentinische und paraguayische volkstümliche Gruppen von Musikanten und Tänzern in typischer Aufmachung auf interessante Weise ihre Talente zur Schau.

Nur zu schnell reisten die Brüder, die zu Besuch waren, nach Uruguay und Brasilien zu den dortigen Kongressen weiter, doch hinterließen ihr echtes Interesse und ihre christliche Liebe, die keine Landesgrenzen kennt, bei ihren argentinischen Brüdern einen bleibenden Eindruck. Daß diese Kongresse auf unsere Verkündiger wirklich eine günstige Wirkung ausübten, geht daraus hervor, daß sich das Dienstjahr 1966/67 in der Geschichte des Königreichswerkes hier als das beste erwies.

WEITERE VERGRÖSSERUNG DES ZWEIGBÜROS

Im Dezember 1968 machten Bruder und Schwester Knorr während einer Südamerikareise einen zweitägigen Besuch in Argentinien. Um diese Zeit war es, daß Bruder Knorr und Bruder Eisenhower die Notwendigkeit erwogen, das argentinische Zweigbüro zu vergrößern. „Daher schauten wir uns die angrenzenden Grundstücke an, um zu sehen, ob es möglich wäre, etwas zu bekommen“, erzählt Bruder Eisenhower. „Nachdem wir der Sache bei unseren Nachbarn nachgegangen waren, konnten wir ein schönes Stück Land kaufen, das hinten an unser gegenwärtiges Besitztum grenzt und sich bis zur nächsten Straße erstreckt. Dieses Stück Land mißt 9 Meter mal 51 Meter. Die Unterzeichnung der Urkunden hinsichtlich des neuen Besitztums wurde gegen Ende 1969 vollzogen. Zu Beginn des Jahres 1970 wurden Pläne für den Neubau entworfen. Für diese erhielten wir die Genehmigung von der städtischen Behörde und auch von Bruder Knorr. Dadurch erhielten wir 740 Quadratmeter mehr Platz für das Erdgeschoß, für den Versand, das Lager und auch für die Anmeldung. Das zweite Stockwerk bot Raum für Büros und der dritte Stock für drei Schlafzimmer.

Es wurde beschlossen, daß der Bau, wenn immer möglich, von Brüdern errichtet werden sollte. Wir traten mit dem Unternehmer in Verbindung, der unsere Gebäude an der Calle Honduras gebaut hatte, und er war bereit, die Pläne zu machen, sie der städtischen Behörde zu unterbreiten und die notwendigen Baubewilligungen zu beschaffen. Dies wurde im Oktober 1970 getan, und sogleich begann man mit dem Abreißen der Gebäude. Wir sind froh, Brüder gehabt zu haben, die während der Woche am Bau arbeiteten; einige wurden von der Gesellschaft bezahlt, da sie für ihre Familie zu sorgen hatten; andere, unter ihnen auch Sonderpioniere, die herkamen und mithalfen, wohnten im Gebäude der Gesellschaft. Eine besondere Tätigkeit wurde jeweils für das Wochenende organisiert, wenn Brüder aus den Versammlungen von Buenos Aires und dessen Umgebung am Bau mitarbeiten konnten. Die Begeisterung der Brüder war groß. Schwestern wie Brüder halfen mit. Unsere Brüder legten einen auffallenden Eifer an den Tag, da sie den Wunsch hatten, die weitere Ausdehnung des Werkes hier in Argentinien zu erleben.

Eine fröhliche Abwechslung in dieser Wochenendtätigkeit bot das Mittagsmahl. Es bestand gewöhnlich aus einem argentinischen asado. Wir aßen jeweils alle zusammen (80, 90, 100 Personen oder noch mehr) an den langen Brettertischen, die für den Anlaß im Lagerraum unseres Gebäudes oder oben im neuen Gebäude, das im Bau begriffen war, aufgestellt wurden. Für eine kurze Weile nach dem Mittagessen sorgte ein Bruder oder eine Schwester, die Gitarre oder ein anderes Instrument spielen konnte, für etwas Musik, während andere der Anwesenden öfter mitsangen. Auf diese Weise verschafften die Mannigfaltigkeit der einheimischen Musik wie auch die Königreichslieder den Brüdern etwas Entspannung und verliehen dem Anlaß Begeisterung. An einem Sonntag waren 114 Brüder und Schwestern da, um am Bau mitzuhelfen.“

Im allgemeinen zieht sich in Argentinien die Arbeit an Gebäuden dermaßen in die Länge, daß das, was in einem Jahr fertig sein soll, zur Vollendung zwei Jahre erfordert. Bruder Eisenhower versichert uns, daß „dies bei unserem Gebäude nicht der Fall gewesen ist. Wir waren auf eine Weise organisiert, daß unsere Brüder, sobald die Leute, die das Betonfundament gelegt hatten, weggingen, einzogen und mit der Errichtung der Mauern begannen. Nach nur sechs Monaten hatten wir die Freude, zu sehen, daß das neue Gebäude fertig war. Wir zogen im August 1971 ein. Die Malerarbeiten wie auch die Elektro-Installation und die Klempnerarbeiten waren alle getan. Diese ganze Tätigkeit erforderte, daß eine Anzahl Bethelbrüder am Wochenende jeweils mitarbeiteten, doch wurde die Arbeit fröhlich verrichtet, weil wir wissen, was das neue Gebäude für das Werk in Argentinien bedeuten wird. Ein großer Teil des Geldes für diesen Neubau ist von den Brüdern beigesteuert worden, und andere haben durch zinsfreie Darlehen mitgeholfen. Wir danken Jehova dafür, daß er sein Volk zu so willigem Geben angespornt hat.“

Der Bericht vom Jahre 1971 zeigt, wie notwendig diese vergrößerten Räumlichkeiten sind, damit den Brüdern im Felde besser gedient werden kann: Eine Höchstzahl von 20 750 Verkündigern hat Bericht erstattet; darin eingeschlossen sind 408 Sonderpioniere und 1 019 allgemeine Pioniere; insgesamt sind 466 301 Druckschriften und außerdem 3 698 032 Zeitschriften abgegeben worden, und 29 865 Abonnements wurden aufgenommen; 2 253 005 Nachbesuche sind gemacht und 21 177 Bibelstudien durchgeführt worden. Offensichtlich war viel Zeit für diese ganze Tätigkeit nötig, und unsere Brüder berichteten 4 215 406 Stunden. Dem Gedächtnismahl wohnten 45 337 Personen bei, und es wurden während des Jahres 15 341 öffentliche Vorträge gehalten.

Außer über die Felddiensttätigkeit berichtet der Zweigdiener über folgendes: „Unsere Druckmaschinen laufen den ganzen Tag, da wir für Bolivien, Chile, Paraguay, Uruguay und Argentinien drucken. Wir werden auch die Druckerei bald vergrößern müssen, indem wir unserer gegenwärtigen Druckereiausrüstung eine neue Druckmaschine hinzufügen.“

Ein weiteres, sehr deutliches Zeichen der Königreichsausdehnung hier in Argentinien ist die Errichtung vieler schöner Königreichssäle. Oft haben Brüder Grundstücke für solche Bauten geschenkt, oder es ist ein Teil eines Hauses abgetreten worden, damit er in einen Königreichssaal umgewandelt werden konnte. In anderen Fällen sind es Interessierte gewesen, die den Wunsch hatten, den Brüdern zu passenden Zusammenkunftsstätten zu verhelfen.

AN UNSEREN SEGNUNGEN ANDERE TEILHABEN LASSEN

Die Organisation des Volkes Jehovas in Argentinien hat das glückliche Vorrecht gehabt, nicht nur Helfer, nämlich Gott hingegebene Missionare, zu erhalten, sondern auch an der sich daraus ergebenden Wohlfahrt andere Zweigbüros teilhaben zu lassen. Als im Jahre 1963 Bruder Eisenhower als Zonendiener Chile besuchte, wurde erkannt, daß mehr qualifizierte Brüder in diesem Lande benötigt wurden. Daher empfahl man dem Hauptbüro der Gesellschaft, einige unserer argentinischen Brüder nach Chile zu versetzen. Dies wurde genehmigt, und Bruder Ernesto Ots und seine Frau begaben sich nach Chile, um im Kreisdienst zu wirken. Später wurden die Brüder Pedro Lovato und Fernando Fanin, beide Gileadabsolventen, und ihre Frauen Chile zugeteilt. Auch erhielten im Jahre 1965 ein argentinischer Gileadabsolvent, Raúl Vazquez, und seine Frau als Missionare eine Zuteilung nach Spanien.

Im Jahre 1970 wurde erkannt, daß weitere Hilfe in Paraguay benötigt wurde. Daher ermächtigte uns das Büro des Präsidenten, zehn Sonderpioniere von Argentinien hinzusenden, um unseren Brüdern dort zu helfen. Diese Brüder leisten ausgezeichnete Arbeit, indem sie die Interessierten in jenem Land aufsuchen und ihnen Hilfe bieten. Daher hat das Zweigbüro in Paraguay gebeten, sechs weitere Sonderpioniere zu senden.

Ein anderer Nachbar, das Zweigbüro in Bolivien, bat um zehn Sonderpioniere von Argentinien. Drei arbeiten bereits dort, und zwei weitere sind auf dem Wege dorthin. So werden wir bis Ende des Jahres in der Lage sein, die volle Quote der für Bolivien und Paraguay erbetenen Sonderpioniere zu erreichen. Bruder Eisenhower freut sich zu sagen, daß „sich die argentinischen Brüder sehr glücklich fühlen, in andere Länder zu gehen, um im Predigtwerk Hilfe zu bieten, indem sie den aufrichtigen Menschen helfen, von Babylon der Großen frei zu werden“.

Eines der Mittel, die geholfen haben, viele weitere Personen in die tätige Gemeinschaft mit Jehovas Organisation hineinzuführen, ist das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. „Wir haben 490 611 dieser Bücher empfangen und aus dem Zweigbüro verschickt“, berichtet uns Bruder Eisenhower, „und die meisten davon sind bereits in die Hände der Menschen gelegt worden. Dieses wunderbare Mittel, das viele ,la bomba azul‘ (,die blaue Bombe‘) nennen, hat unermeßlich viel dazu beigetragen, den Menschen die gute Botschaft vom Königreich mitzuteilen. Und durch regelmäßige Bibelstudien, die anhand dieser Publikation durchgeführt werden, ist die echte Wahrheit der Bibel in das Herz Tausender hinabgetönt worden, und so sind sie nun soweit, Jehova zu lieben und den Wunsch zu haben, ihm zu dienen.“

Gemäß den Worten von Bruder Eisenhower „wird ein weiteres vortreffliches Zeugnis von unseren Brüdern gegeben, die eine Zeit von drei Jahren in Militärgefängnissen zu verbringen haben, weil sie ihre neutrale Stellung in bezug auf die Dinge dieser Welt und den Militärdienst bewahrten. Etwa fünfunddreißig Brüder verbüßen ständig Gefängnisstrafen, und sie freuen sich, daß sie die Gelegenheit gehabt haben, den Militärbehörden ein Zeugnis zu geben.“

Wenn wir also das Werk überblicken, das während der vergangenen siebenundvierzig Jahre von unseren Brüdern und von der theokratischen Organisation, die jetzt in Funktion ist, getan wurde, so ergibt sich ohne Zweifel, daß Jehova das Werk der Hände seiner treuen Diener, die ihre Lauterkeit bewahrt haben, reich gesegnet hat. Wir möchten besonders die vielen Gileadabsolventen erwähnen, die hier gedient haben, sowohl die einheimischen, argentinischen Brüder und Schwestern wie auch andere, die dem Werk in Argentinien zugeteilt worden sind. Viele dieser Treuen sind immer noch emsig im Vollzeitdienst hier oder in anderen Ländern tätig. Andere sind zufolge schlechter Gesundheit oder weil die Aufgabe, die sie als Eltern haben, ihre ganze Zeit in Anspruch nimmt und weil sie andere biblische Verpflichtungen zu erfüllen haben, weggezogen. Wir empfinden ebenso wie Paulus, der in Hebräer, Kapitel 11 über die Treuen der alten Zeit berichtet, und ‘die Zeit fehlt uns, von der Tätigkeit all derer zu erzählen, die in Argentinien gedient haben’.

Wenn wir die Karte von Argentinien betrachten, können wir nun rückblickend erkennen, daß das, was zu Anfang der 1920er Jahre eine überwältigende Aufgabe und eine fast erschreckende Herausforderung an jene kleine Handvoll Gott hingegebener Diener zu sein schien, jetzt eine lebensprühende Wirklichkeit ist. Laß deine Augen wiederum von Norden nach Süden schweifen, während du dir bewußt wirst, daß verstreut in all den 22 Provinzen und in der Hauptstadt, von den Bereichen des Nordens bis zur Südspitze von Südamerika, zum Gebiet von Feuerland, jetzt 361 Versammlungen zu finden sind und 110 alleinstehende Gruppen von Zeugen Jehovas. Mit diesen arbeiten eifrig — außer den Kreis- und Bezirksdienern — über 400 Sonderpioniere zusammen. Wiederum arbeiten unsere Pioniere in diesem Jahrzehnt entlang den Eisenbahnlinien in drei Provinzen des Nordens: Salta, Formosa und Chaco. Diesmal aber ist es ganz anders — diesmal ziehen unsere Brüder nicht einfach aus, um Druckschriften abzugeben; sie kehren zurück, um mit Interessierten Studien durchzuführen und schafähnliche Menschen in Jehovas Organisation zu bringen.

Ja, Überall, wohin man in Argentinien heute gehen mag, findet man Jehovas christliche Zeugen bei der Arbeit, geistige Speise und Freude zu verbreiten, während sie tatkräftig den Befehl Jesu befolgen, der in Apostelgeschichte, Kapitel 1, Vers 8 aufgezeichnet ist: „... ihr werdet Zeugen von mir sein ... bis zum entferntesten Teil der Erde.“

[Karte auf Seite 49]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

ARGENTINIEN mit PROVINZEN (ROT) und STÄDTEN (SCHWARZ)

BOLIVIEN

PARAGUAY

JUJUY

SALTA

FORMOSA

CHACO

CATAMARCA

TUCUMÁN

SANTIAGO DEL ESTERO

Resistencia

MISIONES

LA RIOJA

CÓRDOBA

SANTA FE

CORRIENTES

BRASILIEN

SAN JUAN

SAN LUIS

ENTRE RÍOS

Rosario

URUGUAY

Mendoza

CHILE

MENDOZA

LA PAMPA

BUENOS AIRES

Buenos Aires

La Plata

Bahía Blanca

Mar del Plata

NEUQUÉN

RÍO NEGRO

CHUBUT

Rawson

Atlantischer Ozean

SANTA CRUZ

Río Gallegos

TIERRA DEL FUEGO

Ushuaia