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Dominikanische Republik

Dominikanische Republik

Dominikanische Republik

Ein Land, reich an Bodenschätzen wie Gold, Eisen, Bauxit, Marmor und Bernstein; ein Land mit guter Bewässerung, das seine Bevölkerung mit seinen landwirtschaftlichen Erzeugnissen ernähren kann; ein Land mit unterschiedlichen klimatischen Zonen, vom heißen, feuchten Küstengebiet bis zu den erfrischend kühlen Bergen; ein Land der Palmen mit blauem Himmel: das ist die Dominikanische Republik. Ihr Gebiet von 49 000 Quadratkilometern macht zwei Drittel der zweitgrößten Insel der Antillen aus, einer Inselkette, die sich von der Spitze der Halbinsel Florida in einem Bogen nach Venezuela hin erstreckt. Ihr höchster Berg, der Pico Duarte, ist 3 266 m hoch und erhebt sich wie ein Wächter, der den äußeren Rand des Karibischen Meeres bewacht.

Die frühesten bekannten Bewohner, indianische Jäger, Fischer und Bauern, sind längst vom Schauplatz verschwunden; sie fielen der Gier, der Grausamkeit und dem religiösen Fanatismus der katholischen „Konquistadoren“ aus Spanien zum Opfer. Kolumbus kam 1492 hierher und gab dieser Insel, die als Quisqueya bekannt war, den neuen Namen „La Española“. Die von seinem Bruder Bartolomeo gegründete Hauptstadt, Santo Domingo, soll die älteste Stadt in Amerika sein, das heißt abgesehen von den Städten der Ureinwohner.

Die Grausamkeiten, der Haß, die Eifersüchteleien und die Verletzung aller christlichen Grundsätze, die zur Ausrottung der Indianer führten, sind noch lange inmitten eines Volkes bestehengeblieben, das von der römisch-katholischen Kirche in Unwissenheit gehalten worden ist und dem jede Gelegenheit, aus Gottes Wort, der Bibel, Erkenntnis zu erlangen, versagt worden ist. Über vierhundert Jahre lang bestand die Geschichte dieses Gebietes aus einer Folge von Intrigen, Revolutionen und Kriegen. Selbst in neuerer Zeit war kaum eine Verbesserung festzustellen. Zum Beispiel fanden von 1844 bis 1916 sechsundfünfzig Bürgerkriege statt. Im Jahre 1916 kam es zu einer amerikanischen Intervention, die bis 1924 dauerte und „den Frieden im Lande aufrechterhalten“ sollte. Als nächstes folgten unter der sogenannten „dritten Republik“ sechs Jahre der Wirren, und dann kam die lange Zeit der Diktatur, die als „die Ära Trujillos“ bezeichnet wird.

Die römisch-katholische Kirche hat stets einen großen Einfluß ausgeübt. Bis 1950 galt das Land zu 98 Prozent als katholisch. Mitglieder religiöser Orden haben als Gouverneure geamtet. Bischöfe und Geistliche niedrigeren Ranges waren in fast jede politische Bewegung verwickelt. Über Bischof Meriño, der wegen umstürzlerischer Umtriebe ausgewiesen wurde und später zurückkehrte und Präsident der Republik wurde, schrieb der jetzige Präsident, Joaquín Balaguer, er hätte nicht gezögert, die Rebellen im Blut zu ertränken, so, wie die Mitglieder des Heiligen Offiziums (der Inquisition) nicht gezögert hätten, verdächtige Ketzer auf den Scheiterhaufen zu bringen. Später wurde er zum Erzbischof erhoben.

Unter den Trujilloismus, einen absoluten persönlichen Despotismus, kam die Bevölkerung der Dominikanischen Republik am 16. August 1930. Von da an hatte Rafael Leonidas Trujillo das Volk dreißig Jahre in seinem eisernen Griff. Was Trujillo gefiel, hatte Gedeihen. Was ihm nicht gefiel, mußte ausgemerzt werden. Er war Katholik, und daher wurde die Kirche während des größten Teils seines Regimes begünstigt; sie erhielt Schulen, und sie wurde mit politischen Stellungen und der Verwaltung von Institutionen betraut. Die engen Bande zwischen der Kirche und dem Diktator und ihre herzlose Gleichgültigkeit gegenüber der Notlage des gewöhnlichen Bürgers öffneten vielen die Augen. Zum Beispiel sagte nicht nur e i n Priester dem Volk, daß der große Hurrikan des Jahres 1930, der 4 000 Tote und 20 000 Verwundete zurückließ, eine Gottesstrafe dafür sei, daß die Menschen nicht zur Kirche gegangen seien und nicht genug Geld gespendet hätten. Ein Überlebender, der eine Schwester, einen Neffen und eine Freundin verloren hatte und von dem neun Familienangehörige schwer verwundet waren und der nur deshalb überlebt hatte, weil er in einer anderen Stadt gewesen war und mit seinen Freunden getrunken hatte, erklärte: „Ich fing an, den Gott zu hassen, der die Menschen so hinmordete und der an Geld interessiert war, einen Gott, der eine ganze Familie vernichtete und einen schamlosen Betrunkenen unversehrt ließ. Ich machte im Hof unseres zerstörten Hauses ein Feuer mit den religiösen Bildern, die im Zimmer meiner toten Schwester an der Wand gehangen hatten.“

DIE ERSTEN WACHTTURM-MISSIONARE

Die ersten Missionare der Watch Tower Society kamen am 1. April 1945 auf dem Flughafen General Andrews in Ciudad Trujillo (jetzt Santo Domingo) an. Jene Missionare fragten sich zweifellos, wie es wohl sein würde, den Predigtdienst, den Gott ihnen aufgetragen hatte, unter einer katholischen Diktatur durchzuführen. Hier folgt der Bericht von Lennart und Virginia Johnson über jene denkwürdigen Tage:

„Der Fahrer des Wagens brachte uns zum Victoria-Hotel an der Straße des 19 de Marzo, nicht weit von El Conde. Die Zimmer für uns beide kosteten einschließlich guter Mahlzeiten fünf Dollar pro Tag. Nachdem wir uns niedergelassen hatten, wollten wir gern mit Menschen vom Ort zusammenkommen. Zwei Dominikanerinnen, mit denen wir in Brooklyn studiert hatten, hatten uns den Namen ihrer Verwandten und Bekannten in der Dominikanischen Republik angegeben. Zuerst begaben wir uns in eine Straße, die Luis C. de Castillo hieß, um einen gewissen Dr. Green aufzusuchen. Da wir nicht wußten, wo das sein könnte, nahmen wir einen Wagen; wie glücklich waren wir doch, ihn und auch seinen Nachbarn, Moses Rollins, zu Hause anzutreffen!

Wir wurden sogleich in das saubere, ordentliche Holzhaus hereingebeten. Das Wohnzimmer, das vielleicht drei mal vier Meter groß war, war mit Mahagonistühlen ausgestattet, deren Rückenlehnen und Sitze aus Rohr sehr kühl waren. Dr. Green, etwa vierzig Jahre alt, und auch Moses Rollins, etwas älter, schenkten uns ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Virginia und ich erklärten, woher wir ihren Namen und ihre Anschrift hatten und warum wir in die Dominikanische Republik gekommen waren. Wir waren ja gerade an diesem Tag angekommen. An jenem Nachmittag begannen wir ein Studium anhand des Buches ,Die Wahrheit wird euch frei machen‘.“

Moses Rollins wurde der erste Königreichsverkündiger des Landes, und später war er eine große Hilfe, indem er die richtigen dominikanischen Ausdrücke für die spanische Übersetzung des englischen Informators (später als Königreichsdienst bekannt) angab. Er diente vom April 1961 bis zu seinem Tode im Oktober 1970 als Pionier. Dr. Green ließ sich schließlich 1963, kurz vor seinem Tode, taufen. Drei Töchter und ein Sohn sind Jehova hingegebene Diener, und der Sohn, Francisco Green, dient jetzt als Aufseher einer der Versammlungen, die im jetzigen Gebäude des Zweigbüros in Santo Domingo zusammenkommen.

Bruder Johnson fährt fort: „Nach jenem ersten Studium nahm uns Dr. Green mit, um vom oberen Stock eines zweistöckigen Busses aus nach einer Wohnung Ausschau zu halten. Wir fuhren die ganze Busstrecke ab, und schließlich mieteten wir am westlichen Ende der Stadt ein kleines Betonhaus und sorgten für einige Möbelstücke.

Als unsere Literatur und unsere persönlichen Sachen eintrafen, kam auch der Regen. Es regnete und regnete und regnete in Strömen — jeden Tag. Wir schrieben dieserhalb an die Gesellschaft, und sie antwortete, wenn das Wetter so sei, sollten wir uns daran gewöhnen, bei diesem Wetter zu predigen. Unsere Arbeit in jenem Gebiet zeitigte nur spärliche Früchte.

Im Juni schlossen sich uns die Missionare Zene und Maryl Caryk, Rhudelle Baxley und Rachel Bippus an, und wir machten einen Vorstoß in ein weiteres Gebiet.“

„SCHAFE“ SIND EMPFÄNGLICH

Die ,Schafe‘ erkennen den Klang der Wahrheit, wie zum Beispiel Palé. Pablo Bruzaud, allen als Palé bekannt, war ein gesunder, kräftiger Mann, etwa fünfundfünfzig Jahre alt, der zwischen Santiago und Ciudad Trujillo (jetzt Santo Domingo), auf einer Strecke von 175 Kilometern, eine Buslinie betrieb. Er mußte häufig zum Rationierungsamt in die Hauptstadt fahren, um Reifen für seine Busse zu bekommen. Eines Tages besuchte er Freunde, und als er eine Schallplatte anhörte, die die Missionarschwestern Johnson und Caryk abspielten, weinte er. Er nahm das Buch ,Die Wahrheit wird euch frei machen’ entgegen, und es wurden Vereinbarungen getroffen, damit er täglich studieren konnte, während er in der Stadt war. Bis dahin gab es noch keine Missionare in Santiago, wo Palé nicht weit vom Zentrum der Stadt mit Kindern, Kindern und nochmals Kindern — insgesamt 108 — in einem Holzhaus wohnte. Nein, es waren nicht seine eigenen Kinder. Es waren Waisen und Kinder, deren Eltern zu arm waren, um ihnen gutes Essen geben und sie gut unterbringen zu können. Die Vorkehrung wurde durch die Buslinie finanziert, und die Kinder wurden von Palés gütiger und freundlicher Frau bemuttert.“

Palé begleitete Bruder Johnson auf einer Reise von Ciudad Trujillo nach Santiago und weiter über die Berge in die im Norden gelegene Stadt Puerto Plata an der Seeküste, um eine Gruppe Interessierter zu erreichen. Diese Leute hatten an die Gesellschaft in Brooklyn geschrieben, um Aufschluß zu erhalten. Die Gesellschaft hatte ihnen brieflich geholfen und sie außerdem auf die nächste Versammlung verwiesen. Dies war jedoch keine große Hilfe, da es sich um eine Versammlung französischer Sprache in Port-au-Prince (Haiti) handelte. Wie glücklich waren sie, von den Vertretern der Gesellschaft besucht zu werden!

Im Oktober 1945 wurde die zweite Etage des Hauses Padre Billini Nr. 87 zu einem Missionarheim und einem Königreichssaal. Nicht weniger als vierzig Personen besuchten die Zusammenkünfte, einige aus Neugier, aber andere, weil sie die Wahrheit suchten. Das Programm der Zusammenkünfte wurde entsprechend den örtlichen Verhältnissen aufgestellt, um für die Bedürfnisse der Neuen zu sorgen. Der Königreichsdienst und weiterer Stoff wurden aus dem Englischen übersetzt. Etwa drei Jahre später kam der spanische Königreichsdienst erstmalig von Kuba.

Dieses Grundstück an der Padre Billini zog bald die Menschen von nah und fern an. Sie kamen, um eine fünf Meter über der Straße angebrachte Schrift zu sehen, die das Gespräch der Stadt war. Fünfundzwanzig Zentimeter hohe schwarze Buchstaben, die sich von einem leuchtend weißen Hintergrund abhoben, lauteten „Salón del Reino“ (Königreichssaal). Unterhalb und etwas vor den fünfundzwanzig Zentimeter hohen Buchstaben stand in kleinerer Schrift: „Los Testigos de Jehová“ (Jehovas Zeugen). Unter den Leuten, die 1945 auf dieses Schild aufmerksam wurden, war Luis Eduardo Montás, Apotheker und Zahnarzt, Mitglied des zentralen Direktivausschusses und Schatzmeister der Dominikanischen Partei, der einzigen politischen Partei in der Republik. Er blieb stehen, schaute das Schild erstaunt an und dachte darüber nach, was diese seltsamen Worte wohl bedeuten mochten.

AUSDEHNUNGSPLÄNE

Das Eßzimmer und das angrenzende Wohnzimmer im Missionarheim mußten umgeräumt werden, damit am Abend des 22. März 1946 ein größerer Raum zur Verfügung stand. Der Anlaß dafür war der erste Besuch von N. H. Knorr und F. W. Franz, dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Watch Tower Bible and Tract Society, in der Dominikanischen Republik. Bei jener Zusammenkunft hob Bruder Knorr die Notwendigkeit hervor, gemäß den Organisationsanweisungen im Gebiet tätig zu sein. Es wurden Vorkehrungen getroffen, das Werk durch die Gründung eines Zweigbüros auszudehnen. Bruder Caryk sollte bis zur Ernennung eines Zweigdieners die Verantwortung haben.

Entsprechend diesen Ausdehnungsplänen wurde ein zweites Missionarheim eröffnet. Es befand sich in Santiago, der zweitgrößten Stadt des Landes, und eine weitere Gruppe von Missionaren, Absolventen der Wachtturm-Bibelschule Gilead — die Droges und Messicks sowie Alma Parsons —, zogen in dieses neue Heim, das auch Platz für einen Königreichssaal bot. Es trafen weitere Missionare ein, die dem Zeugnis, das gegeben wurde, ihre Stimme hinzufügten. Zuerst kamen Maxine Boyd, Edith Morgan und Lorraine Marquardt und dann Helen Miller und noch später Vera Stewart und Kathleen Graham.

Damit das Gebiet wirksam und systematisch bearbeitet werden konnte, benötigte man Stadtpläne. Und so kam es, daß man die Missionare abends oft bei der Arbeit an Stadtplänen fand, und allmählich kamen andere, die interessiert waren, hinzu. Einige der Interessierten waren nicht bekannt, und sie verschwanden dann immer, wenn man sie um ihre Anschrift bat, um ein Bibelstudium mit ihnen zu beginnen. Es stellte sich heraus, daß es Spitzel von der Regierung waren, die gekommen waren, um zu sehen, was dort vor sich ging.

Die Ausdehnung erforderte einen weiteren Umzug. Die Trujillo-Regierung hatte den Verlag der Zeitung „El Listín Diario“ geschlossen, und aus der zweiten Etage des Verlagsgebäudes wurde ein Königreichssaal. Nebenan war das Gebäude, in dem der dominikanische Senat tagte. Auf der anderen Straßenseite wohnten die Priester, die den Gottesdienst in der Kathedrale von Santo Domingo leiteten, und gleich um die Ecke befanden sich die wichtigsten Militärbüros, die an ein altes Fort und Gefängnis angrenzten. Das war schon eine Umgebung! Zuerst benötigte man nur ein Viertel der Etage für den Königreichssaal. Die Missionare zogen in ein anderes, größeres Heim an der Estrelleta 37. Bis zum Ende des Dienstjahres wurde eine Höchstzahl von achtundzwanzig Verkündigern erreicht.

FORTSCHRITT, WENN AUCH LANGSAM

Furcht und Aberglaube, die den Menschen eingepflanzt sind, sind nicht leicht zu überwinden. Aber wenn Personen das rechte Herz haben, zeigt sich das, und mit Jehovas Hilfe machen sie Fortschritte. Im September 1946 trafen die Missionare Hugh George und Raymond Johnson ein, von denen der erstere als Zweigdiener dienen sollte. An dem Abend, an dem Bruder George ankam, wohnte er mit Lennart Johnson einem Studium in der Wohnung von Manuel und Consuelo Arcas bei. Dieses Ehepaar ließ sich im Mai 1947 taufen. Bruder Arcas starb im darauffolgenden Jahr, aber Schwester Arcas ist immer noch als Sonderpionierin im Vollzeitpredigtdienst tätig.

Bruder George erinnert sich an ein anderes Studium, das gute Früchte zeitigte. Er sagt: „Ich freute mich jeden Sonntagnachmittag darauf, von der Estrelleta 37 zum Ozama zu gehen, dort mit dem Ruderboot überzusetzen, die Anhöhe hinaufzusteigen, wo John Gilbert wohnte, und draußen im Hof unter dem Schatten eines Baumes ein Studium durchzuführen, wonach es jedesmal abschließend ein Stück Kuchen und ein Glas ,Pepsi‘ gab.“ Dieser Mann, John Gilbert, stammte von St. Kitts und war 1916 auf der Suche nach Arbeit in die Dominikanische Republik gekommen. Als Schmied fand er Arbeit auf Zuckergütern, aber gleichzeitig suchte er nach etwas anderem. Durch die Verbindung mit verschiedenen religiösen Gruppen kam er auf den Gedanken, sie seien alle heuchlerisch. Er wollte die Wahrheit kennenlernen. Im Jahre 1946 nahm er von zwei Missionarinnen ein Exemplar des Buches „Die Wahrheit wird euch frei machen“ entgegen, mußte aber später feststellen, daß es in Spanisch war, was er nicht lesen konnte. Er wußte nicht, wo er die Missionarinnen finden könnte, wollte aber wissen, was in dem Buch stand. Er betete dieserhalb, und fast unmittelbar darauf traf er dieselben zwei Mädchen auf der Straße. Er konnte nicht nur das Buch in Englisch erhalten, sondern es wurde auch ein Studium vereinbart, und bald begleitete er Bruder George in den Felddienst. Er ließ sich taufen und nahm im selben Jahr den Vollzeitpredigtdienst als Pionier auf.

Etwa zur selben Zeit führte eine Reihe von Ereignissen dazu, daß sich der Mann, der 1945 staunend die seltsame Schrift angeschaut hatte, wieder auf die Suche danach machte. Er wurde immer unzufriedener mit der Politik, und er bekam einen richtigen Abscheu vor Kirchen, die an Politik, Geld und Aberglauben interessiert waren, statt an der Erkenntnis Gottes und am geistigen Wohlergehen der Menschen. In dem Gedanken, den an seinen zwei Brüdern verübten politischen Mord zu rächen, suchte Montás Spiritisten auf. In einem Haus, das als Zentrum für die Ausübung des Spiritismus diente, sah er auf einem Tisch ein Buch mit dem Titel „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Er begann darin zu lesen, und es interessierte ihn so sehr, daß er bat, man möge es ihm leihen. Man gab es ihm, da man es nur der Beharrlichkeit eines Verkündigers wegen und nicht aus Interesse gekauft hatte.

Später bewirkte eine politische Versammlung, daß Herr Montás entrüstet, traurig und enttäuscht war und sich fehl am Platze vorkam. Er verließ die Versammlung und machte einen kurzen Besuch bei einem Freund. Auf dem Tisch bemerkte er ein Exemplar der Zeitschrift Selecciones (Reader’s Digest). Es war die Ausgabe, die den Artikel Agentes Viajeros de Jehová (Jehovas Reisevertreter) enthielt, in dem über den Kongreß von Cleveland berichtet wurde. Montás sagt: „Ich las ihn und sagte mir: ,Das ist die Religion, die ich suche.‘ “ Dies erforderte eine Reise nach Santo Domingo, die Suche nach einer seltsamen Schrift, eine Zusammenkunft, das Lesen der im Saal erhaltenen Bücher und Zeitschriften bis zum Morgengrauen und einen weiteren Besuch im Königreichssaal wegen eines Bibelstudiums. Das war im April 1947, und am 5. Oktober 1947 ließ er sich taufen.

Die Ausdehnung des Predigtwerkes wurde 1947 weiter gefördert, als Edith Morgan sich einen Wagen kaufte. In Gruppen von vier oder fünf fuhren die Missionare zusammen mit einigen Verkündigern des Landes nach Andrés, Boca Chica, Guerra, Bayaguana, Monte Plata, Los Llanos und in andere Städte außerhalb der Hauptstadt. Unter Verwendung des Buches „Die Wahrheit wird euch frei machen“ wurden viele Bibelstudien begonnen.

Im Norden, im Cibao, hatte Pablo González etwa 1935 angefangen, die Bibel zu lesen. Er schloß sich eine kurze Zeit einer Gruppe von Protestanten an, sah aber bald, daß sich ihre Lehre und ihr Verhalten von dem unterschieden, was er in der Bibel las. Ihm mißfiel der Unterschied, der zwischen Reichen und Armen gemacht wurde, und die Schmeichelei gegenüber den Geistlichen. Er verbrachte nun viel Zeit damit, die Bibel zu studieren und das, was er lernte, zu predigen, und zwar zuerst seiner Familie und seinen Nachbarn und dann weiter in anderen Gemeinden. 1942 hielt er schon regelmäßig Zusammenkünfte ab. Als er 1948 auf einer Reise war, um eine interessierte Familie zu besuchen, kam er durch Santiago und erhielt von jemandem, der auf der Straße die Zeitschriften anbot, ein Exemplar des Wachtturms. Später nahm er die Bücher Die Rettung und „Das Königreich ist herbeigekommen“, und man lud ihn zum Gedächtnismahl ein. Der Besuch dieser Zusammenkunft überzeugte ihn davon, daß er die Wahrheit gefunden hatte, und er verlor keine Zeit, es denen zu sagen, denen er gepredigt hatte. Er sandte der Gesellschaft die Namen von 150 Interessierten ein. Er und eine Reihe derer, die seiner Gruppe angehört hatten, ließen sich 1950 taufen.

Zwei interessante Erlebnisse machten die Behörden darauf aufmerksam, welcher Art das Werk war, und es zeigte sich dabei, wie gut das damals bestehende Spitzelsystem funktionierte. Bruder L. Johnson wurde in einem Jeep der Regierung zum Polizeipalast geholt und darüber befragt, zu welchem Zweck er in ein gewisses Haus ginge, in dem ein Mann wohnte, der der Trujillo-Regierung „nicht paßte“. Das Bibelstudienwerk wurde erklärt. Bruder Johnson hatte den betreffenden Mann nur einmal kurz gesehen, da das Studium mit einem anderen Glied der Familie durchgeführt wurde.

Kurz danach wurden Bruder und Schwester Johnson aufgefordert, den Armeegeneral Federico Fiallo in der Nähe des Königreichssaales aufzusuchen. Sie wurden darüber befragt, was sie in einem anderen Haus täten. Wieder wurde erklärt, was es mit dem Heimbibelstudienwerk auf sich habe. Da nie über Politik gesprochen wurde, konnten sie gar nicht wissen, daß es sich um eine bedenkliche Anschrift handelte. Die Vernehmung wurde fortgesetzt. Wußten sie nicht, daß dort Flugblätter gegen die Regierung gedruckt wurden? Hatten sie nicht die Druckerpressen gehört? Manchmal hatten sie im Hintergrund ein ratterndes Geräusch gehört. Es hätte eine Druckerpresse oder es hätten Bäckereimaschinen sein können. Das Geräusch hätte aus jenem Haus, aus einer anderen Wohnung in demselben Gebäude oder aus dem rückwärtig gelegenen Haus kommen können. Schließlich war General Fiallo davon überzeugt, daß sie nichts von irgendwelchen heimlichen Druckarbeiten wußten, und bald danach wurde die eine Zeitlang zurückgehaltene Erlaubnis für die Einreise weiterer Missionare erteilt.

Zu der nächsten Gruppe von Missionaren, die hierherkamen, gehörten Roy und Juanita Brandt, Jetha Adams, Mary Aniol, Sophie Soviak und Rose Billings. Ihnen folgten Dorothy Lawrence und Wanda Mazur. Sie alle waren erfahrene Missionare, die auf Kuba gedient hatten.

Roy Brandt wurde zum Zweigdiener ernannt, und die Johnsons, Maxine Boyd und Lorraine Marquardt zogen 1949 in ein neues Missionarheim nach Puerto Plata. In San Francisco de Macoris wurde ein weiteres Heim eröffnet, dem Edith Morgan, Sophie Soviak, Jetha Adams und Mary Aniol zugeteilt wurden. Die drei Messicks zogen in ein Heim nach La Romana.

Das Werk in diesen kleineren Städten war sehr erfolgreich. Zum Beispiel wurde Jerry und Mary Stolfi, die am 3. Januar 1948 ankamen, San Pedro de Macoris, eine kleine Stadt östlich der Hauptstadt, zugeteilt. Dort war es für sie ein begeisterndes Erlebnis, in jede Wohnung hereingebeten zu werden, um in ihrem beschränkten Spanisch „die gute Botschaft“ darzulegen. Da San Pedro eine kleine Stadt ist, konnten die Menschen die Tätigkeit der Missionare beobachten, und sie sahen, daß sie ihr Predigtwerk bei jedem Wetter verrichteten. Demzufolge achteten sie sie und vertrauten ihnen, und oft kamen sie ins Missionarheim, um sich Literatur zu holen oder um biblische Fragen zu stellen.

Die Missionare arbeiteten gern auf Gütern des Zuckerrohranbaus, wie zum Beispiel auf dem Gut Consuelo. Die Betriebsleitung sorgte freundlicherweise dafür, daß die Zeugen Jehovas mit dem Reparaturwagen der Schmalspurbahn bis zum Ende der Bahnlinie fahren konnten. Dann ging es mit dem Ruderboot flußabwärts bis zur nächsten Bahnlinie, wo sie mit einem anderen Reparaturwagen zu ihrem Bestimmungsort fuhren. Mehrere Kartons Bücher waren ihnen eine Hilfe, und so hatten sie das Vorrecht, in wirklich unberührtem Gebiet zu predigen.

Um die Brüder besser mit der Organisation in Verbindung zu bringen und entsprechend den theokratischen Einrichtungen an anderen Orten, wurde 1950 mit dem Kreisdienst begonnen. Bruder Stolfi wurde als Kreisdiener ausgesandt, um acht bestehende Versammlungen zu besuchen und mit verschiedenen alleinstehenden Verkündigergruppen Verbindung aufzunehmen. Eine solche Gruppe befand sich in der Nähe von Santiago. Um dorthin zu kommen, nahmen die Stolfis bis zum Ende der Straße einen Bus und gingen dann zu Fuß bis zu einem Bergbach, der nur zu Pferde überquert werden konnte. Selbst dann mußte man sehr vorsichtig sein, damit man nicht herunterfiel und von der schnellen Strömung fortgerissen wurde. Auf der anderen Seite gingen sie dann zu Fuß weiter und erreichten ein kleines Dorf, wo sie von etwa fünfzig Personen erwartet wurden. Diese Menschen waren materiell arm. Ihre Wohnungen bestanden aus vier Wänden und einem Strohdach; es gab darin keinen Fußboden und nur wenig, wenn überhaupt irgendwelche Möbel, aber was ihnen materiell fehlte, machten sie in geistiger Hinsicht wett.

Überall, wohin die Stolfis in ihrem Kreis kamen, folgten ihnen Spitzel. So erging es auch den meisten Brüdern während der ganzen „Ära Trujillos“. Es hieß, es gäbe „Spitzel, um den Spitzeln zu folgen, die den Spitzeln nachgingen“.

„TRUJILLO WIRD DAS NICHT GEFALLEN“

Inzwischen sprach Bruder Montás so viel über das, was er lernte, daß die Wahrheit in der Gegend von San Cristobal als die Religion von Luis Eduardo bekannt wurde, und sehr bald hielt er neben der Apotheke Zusammenkünfte ab, in denen das, was er in den Zusammenkünften in der Hauptstadt sah und hörte, wiederholt wurde. Als er 1948 vor dem Vorsitzenden der politischen Partei erscheinen mußte, um diese neue Religion zu erklären, wurde ihm gesagt: „Trujillo wird das nicht gefallen.“ Als die öffentlichen Vorträge hundert oder noch mehr Zuhörer anzogen und viel Literatur verbreitet wurde, ließ ihn der Vorsitzende wieder kommen und sagte: „Dr. Montás, den Zusammenkünften der Zeugen Jehovas, die Sie organisieren, wohnen mehr Leute bei als den Tagungen der Partei.“ Bruder Montás erklärte, daß das nicht an ihm liege, da es nicht seine Sache sei, für Parteitagungen zu werben. Wenn die Mitglieder der Partei dieselben Beweggründe hätten, würden sie dasselbe erreichen. Es wurde ihm gesagt, diese Religion gefalle Trujillo nicht, er solle die Zusammenkünfte einstellen und alle verbreiteten Schriften wieder einsammeln. Bruder Montás antwortete, dies sei die wahre Religion und daher könne er sie nicht aufgeben; sie sei keineswegs regierungs- oder volksfeindlich. Und die Schriften einzusammeln, das sei nicht möglich.

Einige Tage später fand im Provinzpalast eine Sitzung statt, der der Gouverneur, Dr. José Benjamin Uribe, der Senator, Abgeordnete, der Vorsitzende der Ortspartei und andere beiwohnten. Man vernahm Personen, die bei sich daheim die Bibel studiert hatten, und solche, die die Zusammenkünfte besucht hatten. Sie bestritten, Zeugen Jehovas zu sein. Bruder Montás erzählt: „Ich wurde beschuldigt, eine staatsgefährdende Bewegung zu leiten. Schließlich sprach ich, um das Werk der Zeugen Jehovas zu erklären. Man hätte gehört, daß in San Cristobal niemand ein Zeuge für Jehova sei, da alle bestritten hätten, welche zu sein; es gebe jedoch einen und ich würde nicht aufhören, einer zu sein. Inzwischen war es dunkel, und da sie sahen, daß ich nicht aufhören würde zu reden, ließen sie das Licht ausgeschaltet. Ich bot mich an, mit ihnen bei sich daheim oder in meiner Wohnung die Bibel zu studieren, wann immer sie es wünschten.“

Der katholische Priester Marcos, den die öffentlichen Zusammenkünfte sehr aufgeregt hatten, warnte die Leute von der Kanzel aus davor, in die Apotheke zu gehen, da die Geheimpolizei den Namen aller notieren würde, die dorthin gingen. Die Leute mieden nun die Apotheke und auch die Zahnklinik.

Bruder Montás fährt fort: „In diesem kritischen Augenblick meines Lebens kam Lennart Johnson, der in der Hauptstadt mit mir studiert hatte, zu uns ins Haus. Er kam mit seiner Bibel und seinem Buch, um wie gewöhnlich mit mir zu studieren. Das war eine Rettungsleine, wie sie einem Ertrinkenden zugeworfen wird, ein gutes Stärkungsmittel für ein versagendes Herz. Es brachte mich wieder auf die Beine.“

Oberst Alberto Mota warnte Bruder Montás davor, nach Santiago zu fahren, um die Gedächtnismahlansprache zu halten, doch erklärte dieser, er müsse hinfahren. Er fuhr auch und blieb sechs Monate — im Gefängnis. Als Bruder Montás wieder frei war, wurde er ständig bespitzelt, und es wurden mehrere Anschläge auf sein Leben verübt. Er konnte jedoch die Zusammenkünfte wieder organisieren, wenn auch heimlich. „Pater“ Marcos setzte seine Angriffe fort. Bruder Montás kam wieder für drei Monate ins Gefängnis, diesmal, weil man ihn beschuldigte, auf den Straßen von San Cristobal gepredigt zu haben. Er berichtet uns: „Ich kämpfte wie ein Löwe, um meinen Glauben zu verteidigen, und ich denke noch mit Freuden daran. Vor dem Berufungsgericht schien es, wie einige nachher sagten, so zu sein, als wäre ich der Richter und als wären die fünf Richter die Angeklagten. Ich mahnte die Richter zur Vorsicht, da ich gerichtet würde, weil ich ein Zeuge Jehovas sei, und Jehova gesagt habe, daß derjenige, der einen seiner Zeugen antaste, die Pupille seines Auges antaste. Nicht lange danach starb der Gerichtsvorsitzende an Krebs.“

Aufs neue verfolgt, hielt sich Bruder Montás neun Tage zwischen der Decke und dem dünnen Dach seines Hauses verborgen. Seine Frau war am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Das Haus war von Wachen umgeben. Er betete unablässig zu Jehova. Ein wolkenbruchartiger Regen setzte ein. Er betete weiter. Die Wachen gingen alle in die Apotheke hinein, um Schutz vor dem Regen zu suchen. Auf diesen Augenblick hatte Bruder Montás gewartet. Er ging hinaus und winkte einem vorüberfahrenden Taxi. Es erschienen zwei Wachen. Montás’ ältere Tochter schlüpfte in den Wagen und setzte sich neben ihn. Die Wachen schauten sie gefesselt an, ohne Bruder Montás einen Blick zu schenken, der weiter zu Jehova Gott betete. An Kontrollpunkten notierten sich die Posten die Zulassungsnummer und den Namen des Fahrers. Niemand bemerkte Montás. Er erreichte sicher die Wohnung von Raymond Johnson in der Hauptstadt, wo er einige Monate blieb. Als er wieder nach Hause zurückkehrte, geriet er zwei Beamten in die Hände und verbrachte die nächsten zwei Jahre und neun Monate im Gefängnis La Victoria.

DER WIDERSTAND WÄCHST

Der allererste Kreiskongreß, der in der Dominikanischen Republik durchgeführt wurde, war ein erfreuliches Ereignis. Er fand im September 1949 in einem großen Tabaklagerhaus in Santiago statt. Obwohl am ersten Abend das Licht ausging und das Programm ohne Licht und Lautsprecheranlage dargeboten wurde, waren die Brüder von ihrem ersten Kongreß begeistert. Zum öffentlichen Vortrag am Sonntag kamen 260 Personen. Achtundzwanzig ließen sich taufen.

Der zweite Kongreß wurde im Dezember in der Hauptstadt durchgeführt. J. M. Steelman, der vorher schon mehrmals auf die Insel gekommen war, besuchte diesen Kongreß als reisender Vertreter der Gesellschaft. John Gilbert erinnert sich, daß die Geheimpolizei auf jenem Kongreß Brüder über ihre Einstellung zur Regierung, zum Zahlen von Steuern und zum Militärdienst ausfragte.

Dies war ein Hinweis auf das, was folgen sollte, und für unsere Gott hingegebenen Brüder begann wirklich eine Zeit der Schwierigkeiten. Die Invasion von Luperón, der erste größere Versuch, der Herrschaft Trujillos ein Ende zu setzen, war rasch unterdrückt worden, aber nun begann Trujillos Regierung damit, diejenigen, die den Militärdienst verweigerten, und jeden, der nicht als linientreu galt, ohne weiteres ins Gefängnis zu werfen. Bei der Verhandlung erhielten sie Gefängnisstrafen. Hier folgt ein Beispiel dessen, was sich ereignete.

León Glass und Francisco Madera waren in einem Unternehmen beschäftigt, das von einem Schwager Trujillos, Ramón Savinón Lluberes, verwaltet wurde. Als Zeugen Jehovas begingen sie die „schwere Sünde“, nicht zu politischen Tagungen zu erscheinen. Nach der mißlungenen Invasion von Luperón mußten die beim Staat Angestellten Telegramme schicken, in denen sie Trujillo ihre Loyalität erklärten. Savinón Lluberes befahl allen, die ihm unterstanden, dies ebenfalls zu tun. Die Brüder verweigerten die Unterschrift. Der Rechnungsprüfer, Rafael Chávez, sagte: “Aqui el que manda es Trulillo y hasta Jehová que baje del cielo se tiene que someter.” („Wer hier zu bestimmen hat, ist Trujillo, und selbst Jehova müßte sich, wenn er vom Himmel herabkäme, unterwerfen.“) Bruder Glass erwiderte: „Wenn ich unterschriebe, so würde ich damit sagen, daß diese Lästerung, die Sie gerade ausgesprochen haben, wahr wäre.“

Am darauffolgenden Dienstag wurden diese beiden Brüder verhaftet und von Oberst Ludovino Fernández, dem Standortkommandanten (Fort Ozama), und García Oliva, dem Leiter des Nachrichtendienstes, verhört. Sie wollten wissen, wieviel Zeugen Jehovas es gebe, warum die Zeitschriften Erwachet! und Der Wachtturm verbreitet würden und welches die Namen von Männern im Wehrdienstalter seien. Die Auskunft, die sie erhielten, führte zur Verhaftung von Enrique Glass, Demetrio Basset und Santiago Piña. Sie wurden wieder freigelassen und dann direkt zum Militärdienst einberufen, obwohl die Auswahl normalerweise durch Auslosung erfolgte. Eine Strafe von fünf Tagen wurde auf acht Tage ausgedehnt, damit darin ein Wochenende enthalten war und so der Name der Besucher, die am Sonntag kamen, notiert werden konnte. Am Tag nach ihrer Entlassung wurden sie wieder verhaftet und zu eineinhalb Jahren verurteilt. Diesmal war Rafael Glass unter ihnen. Häftlinge und Wärter verhöhnten sie Tag und Nacht, um ihre Loyalität gegenüber Trujillo zu beweisen. Oberst Fernández sagte: „Ihr Zeugen Jehovas, wenn ihr Zeugen des Teufels werdet, so sagt mir Bescheid, damit ich euch freilasse.“ Andere höhnten: „Jehova soll euch doch herausholen!“

Einen Monat und zwanzig Tage nach Verbüßung ihrer Strafe wurden sie wieder verhaftet; es wurde ihnen zur Last gelegt, während eines Notstandes keinen Militärdienst zu leisten, einen Staatsbeamten beleidigt zu haben, einer aufgelösten Sekte, den sogenannten Zeugen Jehovas, anzugehören und unter Verletzung des Verbotes des Werkes gepredigt zu haben. Diesmal lautete das Urteil auf fünf Jahre.

León Glass berichtet: „Wir hatten stets von Jehova die Kraft auszuharren, und wir konnten auch in kleinen Einzelheiten sehen, daß er für uns eintrat. Selbst wenn wir mit Stöcken, Peitschen und Gewehren geschlagen wurden, ertrugen wir das gut, da Jehova uns genügend Kraft gab, um diese und weitere Prüfungen zu erdulden.“ Das Verhalten der Brüder im Gefängnis trug ihnen mit der Zeit die Achtung und das Vertrauen der Wärter und Gefängnisbeamten ein. Roy Brandt, der damalige Zweigdiener, berichtet, daß diese Brüder im Gefängnis später mit Arbeiten betraut wurden, für die nicht einmal Soldaten gebraucht wurden. Zum Beispiel durften die Häftlinge, die Zeugen Jehovas waren, die Nachrichtenzentrale betreten, in der Trujillo eine Funkausrüstung sowie Aufnahmegeräte zum Abhören anderer lateinamerikanischer Rundfunkstationen hatte, um zu erfahren, was man in anderen Nationen über ihn und seine Regierung dachte. León und Enrique Glass, Francisco Madera und Demetrio Basset waren einige der Brüder, die für diese Arbeit gebraucht wurden.

Im Frühjahr 1950 bat der Minister des Innern und der Polizei Bruder Brandt, ein offizielles Schreiben einzureichen, aus dem der Standpunkt der Zeugen Jehovas zum Militärdienst, zum Fahnengruß und zum Zahlen von Steuern hervorging. Der in dem Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ enthaltene Aufschluß wurde ihm in Briefform übermittelt. Es verging etwa ein Monat, und in dieser Zeit verstärkte die katholische Kirche ihren Feldzug gegen die Organisation. Priester schrieben sehr lange Artikel, in denen Jehovas Zeugen angeklagt und mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht wurden. Sie wurden in der Presse des Landes veröffentlicht. Nachrichtensendungen der offiziellen Rundfunkstation La Voz Dominica unterstützten den Feldzug gegen Jehovas Zeugen. Journalisten des Landes wie Ramón Emilio Jiménez, Marrero Aristy und Horacio Ortiz Alvarez leisteten ihren Beitrag zu dem mündlichen Feldzug gegen Jehovas Volk. „Pater“ Robles Toledano fügte seine Stimme hinzu, indem er gegen „die Zeugen Jehovas mit ihrem schlechten Ruf“ und gegen „die Mitglieder des Jehovaismus“ sprach.

Am 21. Juni 1950 kam ein Bote ins Missionarheim, um Bruder Brandt mitzuteilen, daß ihn der Minister des Innern und der Polizei zu sprechen wünschte. Er ging sogleich hin, und hier folgt sein Bericht über das, was geschah: „Als ich ankam, sah ich dort den Pressejeep mit Fotografen, und ich dachte, es würde eine wichtige Persönlichkeit eintreffen oder weggehen. Ich sollte jedoch sehr bald den Grund für die Aufregung erfahren. Ich sah zwei katholische Jesuitenpriester in ihrer weißen Tracht ins Büro des Ministers hineingehen und herauskommen, während ich wartete. Nachdem ich gerufen worden war, ging ich hinein und wies mich als ein Zeuge Jehovas aus. Mir wurde gesagt, ich solle mir den Erlaß anhören, den dann ein sehr nervöser Minister des Innern und der Polizei, Herr Antonio Hungaría, verlas. Nachdem er den Beschluß verlesen hatte, durch den die Tätigkeit der Zeugen Jehovas in Lande verboten wurde, fragte ich, ob das bedeute, daß wir Missionare gehen müßten. Er versicherte mir, daß wir so lange bleiben könnten, wie wir wollten, wenn wir die Gesetze befolgten und nicht predigten oder mit den Menschen über unsere Religion sprächen, und daß der Leiter der Polizei, Ludovino Fernández, dafür sorgen würde, daß wir diesem Erlaß entsprächen. Am nächsten Tag brachten die Zeitungen ein Bild von mir, auf dem zu sehen war, wie mir der Erlaß überreicht wurde, durch den die Tätigkeit der Zeugen Jehovas in der Dominikanischen Republik verboten wurde.“

Der Grund für das Verbot bestand gemäß dem Erlaß darin, daß Jehovas Zeugen ihren Anhängern verbieten würden, sich an der Politik zu beteiligen, und ihnen gebieten würden, das Gesetz nur dann zu achten, wenn es mit gerechten Grundsätzen in Übereinstimmung sei, so daß der Anarchie und Unordnung Tür und Tor geöffnet würden. Es hieß, den Anhängern werde verboten, in die bewaffneten Streitkräfte einzutreten und der Flagge Verehrung zu zollen. Es wurde erwähnt, das langjährige Bestehen anderer Religionsgemeinschaften im Lande zeige, daß man einen religiösen Glauben beibehalten und dabei die Gesetze gebührend respektieren könne und somit tätig sein könne, ohne behindert zu werden oder Schwierigkeiten mit der Regierung zu bekommen.

Was war nun zu tun? Gemäß dem Erlaß der Regierung sollte das Predigtwerk aufhören, aber gemäß dem Erlaß Gottes sollte das Predigen der „guten Botschaft“ fortgesetzt werden, ob es den Menschen gefallen würde oder nicht. Denen, die die Bibel studierten, wurde gesagt, sie kämen ins Gefängnis, wenn sie sich von den Zeugen daheim besuchen ließen. Königreichssäle wurden geschlossen. Den Brüdern sagte man, jegliche Betätigung müsse aufhören, und die Missionarheime wurden ständig bewacht. Immer wenn die Missionare hinausgingen, folgte ihnen jemand, und jeder, der sich dem Hause näherte, wurde verwarnt.

Ende 1950, als Bruder Knorr und Bruder Henschel das Land besuchten, erhielten einige Missionare eine neue Zuteilung; sie kamen nach Puerto Rico, Guatemala und Argentinien. Andere nahmen eine weltliche Arbeit auf, indem sie Englischunterricht erteilten, und einige fanden eine Beschäftigung bei der Elektrizitätsgesellschaft. Dort arbeitete Roy Brandt zum Beispiel als Zeitprüfer und hatte Zugang zu allen Generatoren, Schaltern und Dampfkesseln; die Regierung war also anscheinend nicht allzusehr wegen seiner angeblichen Beziehungen zu den Kommunisten besorgt! Durch diese weltliche Arbeit konnten die Brüder zu den Ausgaben für Wohnungen beisteuern, die als Versammlungsstätten benutzt werden konnten. Ja, die Zusammenkünfte wurden trotz jener Umstände durchgeführt. In einer dieser Wohnungen waren die Möbel im hinteren Schlafzimmer mit Rädern versehen und ließen sich leicht ins Zimmer nebenan rollen, so daß man an ihrer Stelle fünfzehn bis zwanzig Stühle aufstellen konnte, um ein Wachtturm-Studium in Verbindung mit einer Predigtdienst-Zusammenkunft und einer Theokratischen Predigtdienstschule durchzuführen.

Das Gedächtnismahl wurde in kleinen Gruppen gefeiert, und oft hielt ein Redner an einem Abend drei Ansprachen an drei verschiedenen Stellen. Sehr oft regnete es an solchen Abenden heftig — Regengüsse des Segens, da sie die Spitzel von der Straße fernhielten. Wir haben bereits gesehen, daß ein solcher Regen Bruder Luis Montás half, aus San Cristobal zu entkommen. Bruder Raymond Johnson hatte ähnliche Erlebnisse, als er in seiner Zuteilung in Santiago scharf bewacht wurde. Wenn er das Haus verließ, um zu einem Studium zu gehen, folgte ihm immer jemand. Er ging dann einfach los, wechselte oft die Richtung, ging hin und her und um Häuserblocks herum, bis es dem Spitzel, der ihm folgte, leid war und er es aufgab. Aber nicht selten setzte schnell ein Schauer ein, und während der Spitzel irgendwo Schutz vor dem Regen suchte, ging Bruder Johnson weiter zu seinem Nachbesuch.

Bruder Julio Ditren ließ sich 1955 taufen und kam so zur Zeit der heftigen Verfolgung mit der Organisation in Verbindung. Seine Wohnung wurde als Versammlungsstätte benutzt, und er hatte eigentlich nie irgendwelche großen Schwierigkeiten. Es war so, daß er einen Freund hatte, der kein Zeuge Jehovas, aber wirklich ein Freund war; er arbeitete für die Regierung, wobei er enge Verbindung mit dem Polizeiministerium hatte. Gelegentlich sagte dieser Freund zu Bruder Ditren: „Haltet eure Zusammenkunft diese Woche nicht ab.“ Und richtig, in der betreffenden Woche hielten sich um das Haus herum einige Spitzel auf oder kamen sogar herein. Dann sagte der Freund einige Zeit später: „Jetzt ist alles in Ordnung. Ihr könnt wieder eure Zusammenkünfte durchführen.“ Offensichtlich waren die Beamten zu dem Schluß gekommen, daß jenes Haus keine Versammlungsstätte war.

ARBEIT UNTER DEM VERBOT

In jener Zeit war die Versorgung mit geistiger Nahrung von großer Wichtigkeit. Und Jehovas liebende Fürsorge kam wunderbar dadurch zum Ausdruck, daß wir den Wachtturm gewöhnlich durch die Post, durch einen persönlichen Boten oder sonstwie erhielten. Als die Zensur strenger wurde, war die einzige sichere Möglichkeit die, daß ihn jemand persönlich überbrachte. Einer dieser Boten berichtet, was damit verbunden sein konnte:

„Wenn auf dem Flughafen in Ciudad Trujillo (Santo Domingo) ein Reisender durch den Zoll ging, forderten ihn die Beamten auf, sich an eine gewisse Stelle hinzustellen und dort ein Schild an der Wand zu lesen. Dies war ein Trick, denn hinter der Wand befand sich ein Durchleuchtungsapparat, der dazu diente, festzustellen, ob der Reisende Waffen bei sich trug. Ich habe mich oft gefragt, wie die Heftklammern der Zeitschriften wohl in dem Apparat aussehen mochten. Aber im Laufe der Jahre wurde nie Literatur entdeckt. Manchmal schien Jehova die Beamten so zu blenden, wie die Männer Sodoms und auch die Männer des syrischen Heeres, die den Propheten Elisa gefangennehmen wollten, offensichtlich geblendet wurden. [1. Mose 19:4-11; 2. Kö. 6:15, 18-20]. Waren die Zeitschriften erst einmal in den Händen der Brüder, so konnten die Studienartikel vervielfältigt und überall im Lande verteilt werden.“

Der Felddienst wurde mit Vorsicht verrichtet. Bücher nahm man auseinander, so daß man einige zusammengefaltete Seiten in einer Hemdtasche oder in einer Lebensmitteltüte mitnehmen konnte, ohne zu sehr die Aufmerksamkeit zu erregen. Studienexemplare der Bücher ließ man in der Wohnung des Studierenden, so daß man sich auf der Straße bewegen konnte, ohne irgendwelche Publikationen bei sich zu haben. Es wurden Berichtszettel ausgefüllt, aber sie sahen wie Einkaufslisten aus, denn die Verkündiger berichteten lechosa, frijoles, huevos, repollo und espinaca (Papayafrüchte, Bohnen, Eier, Kohl und Spinat) für Bücher, Broschüren, Stunden usw. Vervielfältigte Exemplare der Zeitschrift La Atalaya (Der Wachtturm) nannte man yucca, eine stärkehaltige eßbare Wurzel.

Man brauchte natürlich nicht mit Literatur angetroffen zu werden, um verhaftet zu werden, wie man im Fall von Lucía Pozo sieht. Nach dem Besuch des Kongresses in New York im Jahre 1950 kam die Polizei auf sie zu und verhaftete sie. Sie trug eine Handtasche, in der sich Seife, ein Handtuch und Kosmetikartikel befanden. Zur Zeit ihrer Verhandlung verwandelten sich diese Dinge irgendwie in Exemplare des Wachtturms und in eine Bibel. Als sie auf der Polizeiwache ankam, schimpfte sie der verantwortliche Polizeibeamte aus, indem er sie als Kommunistin, schamloses Weib, Luder und Feindin der Regierung bezeichnete. Sie wurde ins Frauengefängnis eingeliefert und kam dann nach San Cristobal. Als sie vernommen wurde, fragte man sie, ob sie nicht wisse, daß das Werk der Zeugen Jehovas verboten sei. Lucía antwortete: „Jehova anzubeten ist mir nicht verboten.“ Man erinnerte sie: „In diesem Land muß man Trujillo gehorchen.“

Schwester Pozo wurde hinten auf einem Lastwagen — sie sagt: „Wie ein Sack Kartoffeln“ — nach Pedernales, in die Nähe der haitischen Grenze, gebracht. In Pedernales wurde sie von den meisten Wärtern gut behandelt. Sie ließen ihre Zelle offen und ließen sie in einem Bach unter den Bäumen Wäsche waschen, sagten ihr aber, sie solle schnell hineingehen, wenn Hauptmann Almanzar in der Nähe sei, da alle in Furcht vor diesem Mann lebten. Als einer der Wärter sexuelle Annäherungsversuche machte, hörte dies der Arzt und setzte sich für sie ein. Schwester Pozo war entschlossen, zu beweisen, daß der verantwortliche Polizeibeamte, der ihr so viele Schimpfnamen beigelegt hatte, ein Lügner war, und nichts zu tun, was Jehova Unehre bereiten würde. Nach ihrer Entlassung ist sie weiter treu geblieben, und jetzt steht sie in Santo Domingo im Sonderpionierdienst.

Ein wichtiger Teil im Leben der Brüder während jener Zeit war der wöchentliche Besuch in den Gefängnissen, bei dem den eingesperrten Brüdern Essen und andere notwendige Dinge mitgebracht wurden. Sonntags stellten sich die Besucher schon vor 14 Uhr der Reihe nach auf der Straße auf, Männer und Frauen in getrennten Reihen. Name und Nummer der Cédula (Ausweiskarte) jedes Besuchers und derjenige, den er besuchen wollte, wurden von einem Soldaten notiert. Männliche Besucher wurden durchsucht. Es wurde nicht nur gewöhnliche Nahrung mitgebracht, sondern die Brüder empfingen auch geistige Nahrung. Ihre Besucher durften verschiedenerlei Lebensmittel mitbringen. Manchmal konnte man eine Papiertüte in eine andere stecken, dazwischen einige Seiten der Zeitschriften oder Broschüren legen und dann die innere Tüte mit Obst füllen. Wenn der Wärter das Obst gründlich untersuchte, dachte er oft nicht daran, zwischen die Tüten zu schauen, da er annahm, daß es zwei Tüten waren, damit das Ganze besser hielt und nicht durch den Obstsaft aufgelöst wurde. Die Schwestern verbargen einige Seiten der Literatur in ihrer Kleidung. Auf diese Weise wurde dafür gesorgt, daß unsere Brüder im Gefängnis geistig stark blieben.

Innerhalb dieser Grenzen hatten die Gefangenen Dienstvorrechte. León Glass erzählt, daß ihnen als Häftlingen Arbeit in der Nähe militärischer Anlagen in der Hauptstadt und im Landesinneren zugeteilt wurde, und allen, denen sie begegneten, brachten sie die „gute Botschaft“. Einige Leute vom Militär waren freundlich und halfen ihnen sogar, Literatur zu bekommen. Mehrere Monate lang mußten sie entlang der Landstraße nach Mella Gras mähen. Einer dieser Häftlinge schreibt: „Wir bearbeiteten in Begleitung der Wachen siebenundvierzig Kilometer der Landstraße von Haus zu Haus. Welch schöne Tage!“

Im Gefängnis selbst arbeiteten sie von Zelle zu Zelle und von Bett zu Bett. Einige derer, denen Zeugnis gegeben wurde, bekleiden jetzt in den Versammlungen Dienerstellungen, zum Beispiel Manuel Tamayo und Manuel Rincon. Zwei, die im Gefängnis Zeugen Jehovas wurden, wurden ermordet; einer von ihnen, Guarionex Vargas, deshalb, weil sich sein Neffe an einer Verschwörung gegen Trujillo beteiligt hatte. Ramón Alberto Ferreras, ein politischer Häftling, bestätigt in seinem Buch „Preso“ („Gefangen“) die grausame Behandlung der Zeugen Jehovas und erklärt dann auf Seite 140: „Das Harmagedon des Schlußgerichtes, die ausgezeichneten Dinge im Jenseits, auf die die Gerechten hoffen, die Katastrophen, die die Menschheit gemäß der Offenbarung erwarten, und weitere biblische oder theologische Themen waren in den Zellen der Sektoren A und B zu hören, als die von einem Mann namens Montás aus San Cristobal geleitete Zeugengruppe dort war.“ Während Herr Ferreras gemäß seinem Buch anscheinend dachte, Jehovas Zeugen seien in jener Zeit völlig beseitigt worden, nahmen sie in Wirklichkeit zahlenmäßig zu. Bei dem Predigen, auf das er sich bezog, handelte es sich um eine Vorkehrung der Brüder im Gefängnis, jeden Tag direkt aus der Zelle einen „öffentlichen Vortrag“ zu halten. Da das Gefängnis wie ein Verlies war, reichte die Stimme mehrere Zellenblocks weit und war sogar im Frauensektor zu hören, von wo manchmal die Frage kam: „Gibt es heute keine Predigt?“

EINE UNTERBRECHUNG — UND DANN NOCH MEHR WOLKEN

Am 16. Juni 1954 unterzeichnete Trujillo ein Konkordat mit Rom, in dem eine Sonderbehandlung der römisch-katholischen Geistlichen zugesichert wurde. 1955 wurde er „Padre de la Patria Nueva“ (Vater des neuen Vaterlandes), und in Ciudad Trujillo wurde die Ausstellung des Friedens und der Brüderschaft der freien Welt veranstaltet. In dieser „freien Welt“ war das Verbot seit fünf Jahren in Kraft. Wie das Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1956 zeigt, hatten die meisten Verkündiger noch nie ein Originalexemplar des Wachtturms oder einen Informator (jetzt Königreichsdienst) gesehen. Viele hatten noch nie von Tür zu Tür Schriften angeboten. Der Durchschnittsverkündiger war noch nie in einer Zusammenkunft für die Öffentlichkeit oder auf einem Kongreß gewesen. Er sang keine Königreichslieder und kannte sie auch nicht, aber die Verkündiger hatten den Geist Jehovas, und das war und ist das Geheimnis ihrer Kraft.

Raymond Franz, ein Missionar auf Puerto Rico, wurde nun gebeten, dem Diktator Trujillo persönlich eine Petition zu überbringen, in der um die Aufhebung des Verbots ersucht wurde. Er setzte sich mit den Brüdern in Verbindung, und man sagte ihm, um Trujillo persönlich zu erreichen, sei es am besten, telegrafisch um ein Interview zu bitten. „Bitte höflich um kurzes Interview mit Eurer Exzellenz. Ein amerikanischer Lehrer auf 11 000 Kilometer langer Reise. Habe sehr wichtige Mitteilung für Sie und Ihr Land.“ So lautete das Telegramm, und hier folgt Bruder Franz’ Bericht über das, was sich abspielte:

„Am darauffolgenden Tag erhielt ich im Hotel telefonisch die Nachricht, ich solle am nächsten Morgen um acht Uhr im Nationalpalast erscheinen. An jenem Morgen ging ich zu den Toren des Palastes, und nachdem ich hatte warten müssen, während die Kapelle die Nationalhymne spielte, wobei das ganze Personal der Regierung auf den vielen Balkonen des Palastes stand, durfte ich das Schilderhaus am Tor passieren und die vielen breiten Stufen zum Palast hinaufgehen.

Nachdem man mich in verschiedene Zimmer gebracht und dort nahezu eine Stunde lang allein gelassen hatte und nach einer anschließenden kurzen Unterhaltung mit einem dominikanischen General wurde ich durch eine Halle und durch einen Raum geführt, in dem vier Offiziere standen, und dann wurde ich durch einen Wink aufgefordert, durch einen ziemlich engen Durchgang zu gehen, der in einen großen Raum mündete. Erst als ich in den großen Raum gelangte, sah ich den Diktator, der neben einem großen Schreibtisch stand. Ich hatte kaum erwartet, ihn so leicht zu erreichen.

Nachdem wir uns begrüßt hatten und ich einige günstige Bemerkungen über das Land gemacht hatte, erklärte ich auf spanisch meinen Auftrag, nämlich eine internationale Organisation als deren Abgesandter zu vertreten, um ihm eine Petition zu überreichen. Ich gab ihm zuerst einen Empfehlungsbrief und händigte ihm dann die Petition aus. Trujillo hatte nach der einleitenden Begrüßung nichts gesagt, so daß er den Eindruck erweckte, er sei nervös, weil er nicht wüßte, was er zu erwarten habe. Er fing an, die Petition zu lesen, hielt aber bald inne und schaute mich nur an. Ich sagte ihm, unsere Gesellschaft wolle ihm mitteilen, daß wir es bedauerten, daß wir die einzige religiöse Organisation sein sollten, über die in seinem Land ein Verbot verhängt worden sei, und daß Jehovas Zeugen in der ganzen Welt als friedliche, ehrerbietige, fleißige Bürger bekannt seien. Dies war die erste Erwähnung der Bezeichnung ,Jehovas Zeugen‘, und offensichtlich hatte er in der Petition den Namen noch nicht gesehen. Nun ,explodierte‘ er und sagte, Jehovas Zeugen verweigerten den Militärdienst und würden auch nicht das Symbol des Landes grüßen. Ich wies darauf hin, daß der Grund dafür in der Petition erklärt würde und daß hierbei keine politischen, sondern ausschließlich religiöse Beweggründe und Gewissensgründe eine Rolle spielten. Nach einigen weiteren kurzen Äußerungen beiderseits stand er auf, womit das Interview beendet war. Zu meiner Überraschung reichte er mir die Hand. Ich nahm sie, versicherte ihm, daß ich bereit sei, irgendwelche Fragen zu beantworten, die er vielleicht nach dem Lesen der Petition hätte, und ging.“

Im Jahre 1956 wurde das Verbot aufgehoben. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Der Kultusminister wurde angerufen, und er versicherte den Brüdern: „Ja, Sie sind frei und können Ihren Glauben absolut frei ausüben, so, wie Sie es früher getan haben.“ Ein Bruder wischte den Staub von seiner Büchertasche, steckte eine Bibel und mehrere Bücher hinein, schwang sich mit der Zeitung in der Hand auf sein Fahrrad und fuhr durch die kleine Stadt, in der er wohnte, indem er rief: „Das Werk der Zeugen Jehovas ist frei, das Werk ist frei!“ Seine Frau lief zur Hintertür hinaus und rief den Nachbarn dasselbe zu. Es herrschte große Freude.

Sogleich begann die Reorganisierung. Königreichssäle wurden ausfindig gemacht, Gebietskarten und Versammlungsablagen wurden neu angefertigt. Man bestellte Literatur und Zeitschriften und erhielt sie ohne weitere Schwierigkeiten. Vor dem Verbot hatten 261 Verkündiger berichtet. Als das Verbot im August aufgehoben wurde, waren es 522, und im November berichteten 612!

Etwa sieben Monate nach der Aufhebung des Verbotes kamen keine Zeitschriften mehr, und in der Presse erschienen Leitartikel, in denen die Zeugen als „Kommunisten“ bezeichnet wurden. Der Zweigdiener, Roy Brandt, ging wegen der Zeitschriften und der Situation zum Postamtsvorsteher. Dieser Mann, ein Oberst der Armee, befragte ihn über die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas, unter anderem auch darüber, wer die „Fürsten“ seien, die in der neuen Ordnung herrschen würden. Länger als eine Stunde wurden die Segnungen der Königreichsherrschaft besprochen. Der Oberst sagte, er hätte einen ganzen Raum voll Zeitschriften, hätte aber von Trujillo Befehl erhalten, sie nicht herauszugeben. Sie wurden auf Kosten der dominikanischen Regierung an den puertoricanischen Zweig geschickt.

Am 30. Juni 1957 zeigte der Jesuitenpriester Vásquez Sanz in einer Rundfunkrede klar die Haltung der katholischen Kirche gegenüber der erneuten Tätigkeit des Volkes Jehovas. Er bezeichnete Jehovas Zeugen als Kommunisten und als solche, die jede Ordnung haßten, und erhob weitere falsche Beschuldigungen, die alle in der Presse öffentlich wiederholt wurden. Ähnliche Artikel folgten täglich. Der römisch-katholische Priester Robles Toledano sagte, Jehovas Zeugen seien ein krebsartiges Gewächs und müßten in der Dominikanischen Republik ausgerottet werden. Am 3. Juli hieß es in der (im Lande erscheinenden) Zeitung El Caribe unter der Überschrift „Zeugen Moskaus“: „Schon durch das Wesen ihrer Lehrsätze ähneln Jehovas Zeugen einer schlauen Vorhut des Kommunismus.“ Am 8. Juli hieß es in derselben Zeitung: „Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß die jehovaistische Bewegung ein gefährlicher Stoßkeil ist, der den Weg zu einer kommunistischen Katastrophe bereitet.“ Die Angriffe wurden fortgesetzt. Jehovas Zeugen wurden zu Gesetzesübertretern und zu solchen gestempelt, die die Flagge und die Nationalhymne beleidigten, und es kam zu einer schrecklichen Verfolgungswelle.

In der Gegend von Salcedo wurden die gesamten Versammlungen Los Cacaos, Blanco Arriba und Monte Adentro verhaftet, und die Brüder wurden aufgefordert, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie ihrem Glauben abschworen und versprachen, zur römisch-katholischen Kirche zurückzukehren. Die Brüder wurden geschlagen und getreten, und man schlug ihnen mit Gewehrkolben ins Gesicht; und dann wurden sie in eine überfüllte Zelle geworfen. Die Schwestern, die sich in einer getrennten Zelle befanden, konnten die ganze Nacht ihr Stöhnen hören.

Am nächsten Morgen wurden die Diener dieser Versammlungen einzeln in ein Büro geholt. José Jiménez (65) wurde blutend und bewußtlos herausgeschleppt. Pedro German (35) kam blutend heraus. Angel Angel (60) war bewußtlos und blutete aus Mund und Nase. Pedro González (60) kam mit völlig geschwollenen Augen heraus, und sein Sohn Porfirio (25) war bewußtlos und blutete aus dem Ohr. Sein Trommelfell war zerrissen.

In Santiago erhielten Miguel Angel Fernández und Maximo López je fünfundzwanzig Peitschenhiebe. Im Gefängnis La Victoria in der Hauptstadt waren einige acht Tage lang bei Maismehl und Wasser eingesperrt. In einem anderen Gefängnis lebte ein Bruder drei Tage lang von etwas Kandis. Die fünfzehnjährige Cordelia Marte wurde in Salcedo vor General Ludovino Fernández gebracht. Er fing an, gegen Jehovas Zeugen zu sprechen, indem er sagte, es sei leicht zu sehen, daß sie von Moskau wären, da sie immer umherzögen und nicht einmal eine Kirche hätten. Das junge Mädchen fragte ihn, ob er wisse, was das Wort „Kirche“ bedeute. Er wurde wütend und sagte, er wisse, daß man „sie in Stücke schneiden, an die Wand werfen, so daß ihr Hirn herausspringen würde, und dann irgendwo vergraben sollte, wo sie nicht stinken“ würde. Er schrie den Soldaten zu: „Bringt sie weg, und sperrt sie ohne Erbarmen ein.“ Später kam sie ins Fort von Santiago und dann in die Besserungsanstalt für Frauen in der Hauptstadt. Dort teilte sie die Zelle mit Ramonita, einer zwölfjährigen Zeugin Jehovas.

Insgesamt wurden etwa 150 Brüder verhaftet, viele von ihnen noch ehe das offizielle Verbot am 24. Juli bekanntgemacht wurde. Dieses Verbot war insofern ernsterer Art, als es durch einen Erlaß des Präsidenten zustande kam und durch ein Gesetz des Kongresses ratifiziert wurde, während das erste Verbot auf Anordnung des Innenministers erfolgt war. Zu diesem zweiten Verbot kam es auf Betreiben von Senator Monsignore Sanabia und einem anderen Abgeordneten, der ebenfalls Priester war. Darin hieß es, die Lehren der Zeugen Jehovas bedeuteten eine Verletzung der Prinzipien, auf denen die Gründung der Dominikanischen Republik beruht habe. Als der Senat dieses Gesetz billigte, sagte Monsignore Pérez Sánchez, ebenfalls ein Senator, es sei ein „frohes Ereignis“, daß der Senat dies tue.

Oberst Arturo Espaillat von der Militärpolizei rief Bruder Brandt an und sagte ihm, die Missionare sollten sich darauf einrichten, das Land in dreißig Tagen zu verlassen. Sie begannen ihre Möbel zu verkaufen, und der Vervielfältigungsapparat wurde an einen anderen Ort gebracht, wo Donald Nowills und León Glass gezeigt wurde, wie er zu handhaben war. Bruder Brandt fährt fort: „Etwa zehn Tage bevor wir gehen sollten, mußten alle zehn Missionare zum Nachrichtendienst kommen, wo wir über unseren Umzug befragt wurden. Oberst Espaillat dachte, wir würden uns unsere Flugkarten kaufen und einfach abreisen, ohne daß er irgendwelche Schwierigkeiten hätte. Aber ich erklärte ihm, unser Abreisedatum hänge von ihm ab, da wir keine Flugkarten kaufen würden, denn wir wollten dort bleiben. Da wurde ihm klar, daß man uns abschieben müßte, und er sagte: ,In Ordnung, wenn Sie Märtyrer sein wollen, werden wir Sie aus dem Land schicken.‘ Ich sagte ihm, er solle offiziell jemand beauftragen, der uns zum Flughafen bringen würde. Er schickte zwei Taxis mit einem bekannten ,Waffenhelden‘ der Regierung, Cholo Villeta, und einem weiteren Offizier, und wir drängten uns alle zehn mit unseren Koffern in die zwei Taxis und fuhren zum Flughafen, wo uns Karten für den Flug nach Puerto Rico gekauft wurden. Eine Schwester kam, um uns zum Flugzeug zu bringen, aber ein freundlicher Polizist sagte zu Schwester Johnson, sie solle sie schnell fortschicken, da sie Befehl erhalten hätten, jeden zu töten, der uns Freundschaft erwiese.

Wir kamen auf Puerto Rico an, wo wir von Pressefotografen und Zeitungsreportern empfangen wurden. Die Zeitungen auf Puerto Rico brachten Bilder von uns zehn und den Bericht über unsere Ausweisung. Dadurch wurde ein ausgedehntes Zeugnis gegeben.“ Dies war am 3. August 1957.

In der Dominikanischen Republik blieb das Werk den Händen eines jungen, zwanzigjährigen Bruders überlassen, der erst vier Jahre vorher getauft worden war. Als Donald Nowills 1956 zum Hilfsversammlungsdiener ernannt wurde, hörte er zum erstenmal etwas von einer solchen Stellung. Ehe er Zeit hatte, mit seinen Verpflichtungen vertraut zu werden, wurde er zum Aufseher ernannt. Dann, im März 1957, wurde er Kreisdiener. Während jener Zeit schien er immer gerade eine Versammlung weiter zu sein als dort, wo die Behörden ihn suchten. Einmal war er in das kleine Dorf Monte Adentro zurückgekehrt, um einige seiner persönlichen Sachen abzuholen. Gabriel Almanzar schlug vor, mit ihm die vier Kilometer nach Salcedo zurückzugehen. Bruder Nowills sagte, das sei nicht nötig, er könne den Weg leicht finden, und er ging allein los. Am selben Nachmittag wurde Bruder Almanzar, als er in die Stadt ging, schnell erkannt, es bildete sieb ein Pöbelhaufen um ihn, und die Leute schrien: „Ein Zeuge! Er ist ein Zeuge!“ Die Polizisten erschienen und nahmen ihn mit. Er war von der Gruppe im Gebiet von Salcedo der erste, der verhaftet und geschlagen wurde. Wäre Bruder Nowills bei ihm gewesen, wäre ihm zweifellos dasselbe widerfahren.

Als sich Bruder Nowills nach der Ausweisung der Missionare um den Zweig kümmerte, war für ihn alles neu; alles mußte erlernt werden. Er schätzte sehr die Besuche von Bruder Bivens, der als Zonendiener kam, und von Raymond Franz; sie halfen ihm, die vielen organisatorischen Probleme zu lösen und die Schwierigkeiten zu beseitigen, die Personen hervorriefen, welche ehrgeizig nach Stellungen in der Organisation strebten. Nach und nach wurde das Werk besser organisiert. Den Brüdern wurde gezeigt, wie das Werk von Haus zu Haus trotz des Verbotes durchgeführt werden konnte. In einigen ländlichen Gegenden hatten es die Brüder nach der heftigen Verfolgungswelle nicht gewagt, Zusammenkünfte abzuhalten. Dann begannen einige, in abgelegenen kleinen Kaffeepflanzungen gemeinsam zu studieren. Zwei Jahre lang glaubten sie, daß kein Kreisdiener sie erreichen könnte, ohne verhaftet zu werden, aber schließlich wurde ein Versuch unternommen. Felix Marte begab sich nach Einbruch der Dunkelheit in jenes Gebiet, wobei ihm ein anderer Bruder als Führer diente. Der ersten Zusammenkunft wohnten einundzwanzig Personen bei, die sich vorher wegen der Verfolgung alle von dem Werk losgesagt hatten. Am zweiten Abend kam er mit einer Gruppe von dreißig Personen zusammen. Am folgenden Abend gingen Bruder Marte und sein Begleiter elf Kilometer weit, manchmal bis zu den Knien im Schlamm, um mit einer weiteren Gruppe zusammenzukommen. Es dauerte drei Stunden, bis sie zur Versammlungsstätte kamen. Als ihnen siebzehn Brüder entgegenliefen, um sie zu begrüßen und zu umarmen, vergaßen sie ihre Müdigkeit, und die Zusammenkunft begann um 22.15 Uhr. Auf dieser Tour konnte Bruder Marte etwa sechzig Brüdern helfen und Rat erteilen.

WENN DIEBE SICH ENTZWEIEN

Komplicen stellen meistens fest, daß keine starken Bande zwischen ihnen bestehen. Selbstsucht bringt sie auseinander. So war es in der Dominikanischen Republik. Es war nun bald offensichtlich, daß die Gegner des Regimes mutiger wurden, und für Trujillo gab es unruhige Momente. Zwar hatten seine Truppen die Invasion von Constanza, Maimon und Ester Hondo am 14. Juni 1957 niedergeschlagen, doch hatten die Feinde der Regierung nun das Gefühl, daß das Regime nicht unverwundbar sei.

Die sechziger Jahre begannen auf aufsehenerregende Weise damit, daß in allen katholischen Kirchen in der Messe ein Hirtenbrief verlesen wurde. Darin hieß es, die Kirche könne nicht gleichgültig gegen den tiefen Schmerz sein, der so viele dominikanische Familien heimsuche. Es wurden darin gewisse Rechte dargelegt, die alle genießen sollten, und dann hieß es: „Wir haben ein offizielles Schreiben an die höchste Stelle im Lande gerichtet, damit Ausschreitungen vermieden werden, die denen, die sie begehen, nur schaden.“ Als Erwiderung wurde den Geistlichen gesagt, sie sollten von politischer Betätigung und allem abstehen, was die öffentliche Ordnung ändern würde. Dies bereitete den Weg zu Feindseligkeiten der Regierung gegen die Kirche. Eine der Vergeltungsmaßnahmen war die Aufhebung des Verbotes der Zeugen Jehovas im Frühjahr 1960.

Bruder Anton Körber erkundigte sich bei der dominikanischen Botschaft in Washington, und es wurde ihm gesagt, daß das Werk nun frei sei und die Missionare wieder ins Land geschickt werden könnten. Es war gewiß ein Segen von Jehova, daß einige derer, die aus dem Land ausgewiesen worden waren, wieder als Missionare dorthin gesandt wurden. Am 7. Juli 1960 wurden Bruder und Schwester Roy Brandt wieder willkommen geheißen. Sie begannen als Missionare zu arbeiten und ließen die Organisation des Zweiges so, wie sie damals bestand. Es wurden Zusammenkünfte durchgeführt, aber in kleinen Gruppen. Niemand wußte, wie weitreichend die Befreiung sein würde.

Inzwischen nahmen für Trujillo die Schwierigkeiten zu. Am 24. Juni 1960 war ein Anschlag auf das Leben Betancourts, des Präsidenten von Venezuela, verübt worden, und dem Trujillo-Regime wurde jene Verschwörung zur Last gelegt. Das führte zu Sanktionen durch die Organisation der Amerikanischen Staaten. Der brutale politische Mord an den drei Schwestern Mirabal, die an der Bewegung des 14. Juni beteiligt waren, löste überall im Lande die Empörung der Öffentlichkeit aus.

Im Januar 1961 besuchte Bruder Milton Henschel vom Büro des Präsidenten den Zweig. Er half den Brüdern, ihr Gebiet kartographisch zu erfassen und damit anzufangen, alles zu reorganisieren. Bald wurden die Gruppen regelmäßig von zwei Kreisdienern besucht. Diese wiederhergestellte Verbindung zwischen der Organisation und den Brüdern brachte Liebe zum Ausdruck und trug dazu bei, daß sie in geistiger Hinsicht gesund blieben. Die Begeisterung war groß, und die Brüder fingen an, die Zeitschriften auf der Straße anzubieten. Davor warnte Bruder Knorr aber, da dies bei Gegnern Feindschaft auslösen würde und das Werk auch ohne diese Tätigkeit verrichtet werden könnte. Wichtig war es, die „gute Botschaft“ zu verkündigen — wenn nötig, unauffällig —, indem man die Leute daheim besuchte und mit den Interessierten Studien durchführte.

Im Frühjahr 1961 kam weitere Hilfe. Bruder und Schwester Salvino Ferrari, die eine langjährige Erfahrung als Missionare auf Kuba hatten, trafen ein. Und das Werk wuchs. Um für die zwanzig Versammlungen und vielen alleinstehenden Verkündigergruppen zu sorgen, wurden drei Kreisdiener eingesetzt — die Brüder E. Glass, D. Nowills und H. Nicholas.

Am 30. Mai 1961 wurde Trujillo ermordet, und die Geheimpolizei unternahm eine intensive Suche nach allen, die damit zu tun hatten. Nur zwei Männern gelang es, zu entkommen und sich zu verbergen, bis ihnen eine Amnestie gewährt wurde. Eine Reihe Missionare wurden von Puerto Rico in die Dominikanische Republik versetzt, unter ihnen Bruder und Schwester Raymond Franz. Bruder Franz berichtet: „Obwohl das Werk nun frei war und Königreichssäle benutzt wurden, waren die Menschen im allgemeinen noch recht furchtsam und zögerten, mit uns zu sprechen, wenn wir von Tür zu Tür tätig waren. Trujillos Name und Bild waren immer noch in fast jeder Wohnung zu sehen, an Fabriken standen riesige Wahlsprüche wie ,Gott und Trujillo‘ und ,Gelobt sei Trujillo‘, und ähnliche Wahlsprüche standen selbst auf den kleinen Kisten, die die Schuhputzer auf den öffentlichen Plätzen bei sich hatten.“

Nun kam eine politische Krise. Glieder der Familie Trujillos versuchten, die Macht zu ergreifen, waren aber unter dem Druck des Volkswiderstandes gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Überall gab es Streiks, Gewalttat, Schüsse, Explosionen und Soldaten. Personen, die noch wenige Monate zuvor Trujillo angebetet hatten, fingen nun an, fanatisch alle Plastiken und Bilder von ihm zu zerstören. Wohnungen und Farmen der Angehörigen und Teilhaber Trujillos wurden geplündert. Personen, die im politischen Exil lebten, wurde Amnestie gewährt. Man bildete einen Staatsrat, der das Land regieren sollte. Joaquín Balaguer, der unter Trujillo Präsident gewesen war, wurde zum Präsidenten des Rates ernannt. Nachdem mehrere Personen mit Maschinengewehren erschossen worden waren, ergriff eine Militärjunta die Macht. Balaguer suchte Zuflucht im Büro des päpstlichen Nuntius und erhielt sicheres Geleit nach Puerto Rico. Der Chef der Armee, Echavarría, wurde unter einem Proteststurm derer, die meinten, er hätte sich wegen politischen Mordes vor Gericht verantworten sollen, ins Exil geschickt.

In jener Zeit politischer Umwälzungen und Wirren war der Geist Jehovas weiter bei seinen Treuen, so daß am Ende des Dienstjahres dreiunddreißig Personen als Sonderpioniere dienten. In jenem Jahr hatte Bruder Nowills auch das Vorrecht, den zehnmonatigen Kurs in der Gileadschule in Brooklyn (New York) mitzumachen. Da er während der Verbotszeit eine gewisse Erfahrung in der Arbeit in Verbindung mit dem Zweig erlangt hatte, schätzte er die Gelegenheit, in der Zentrale der Gesellschaft zu studieren und geistig an Größe zuzunehmen. Er kehrte im Dezember zurück und trug durch seine Besuche in den Versammlungen viel dazu bei, das Werk zu festigen.

ERFOLG IN UNRUHIGEN ZEITEN

Bruder Knorr besuchte die Dominikanische Republik im April 1962 und gab den nötigen Ansporn zu vermehrter Tätigkeit. Zwar war das Werk während des Verbotes gut vorangegangen, doch hatte es hauptsächlich in der Fortsetzung der Heimbibelstudientätigkeit bestanden, auf die in jener Zeit Nachdruck gelegt worden war. Nun war eine vermehrte Tätigkeit von Haus zu Haus wünschenswert. Es wurde ein weiterer Kreis gebildet, und die Kreisdiener wurden angewiesen, der Tätigkeit von Haus zu Haus besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Einstellung änderte sich bald. Um „das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist“, erhöhte Bruder Knorr die bewilligte Zahl der Sonderpioniere auf 100. Jehovas Volk verspürte die Dringlichkeit der Zeit. Die Menschen, die so lange unterdrückt worden waren, sollten nun eine Gelegenheit erhalten, die gute Botschaft vom Königreich zu hören. Bei einer durchschnittlichen Verkündigerzahl von nur 790 im Jahre 1962 stieg die Zahl der beim Gedächtnismahl Anwesenden auf 2 315. Es stand offensichtlich viel Arbeit bevor. Die Brüder Ferrari und Dingman wurden im Kreisdienst, in dem sie beide Erfahrung hatten, eingesetzt, um den jungen Versammlungen und kleinen Sonderpioniergruppen zu helfen, sich zu organisieren und sich enger mit der Organisation zu verbinden. Raymond Franz wurde zum Zweigdiener ernannt. Missionare, die in Mexiko, Bolivien und anderswo Erfahrungen gesammelt hatten, wurden in die Dominikanische Republik versetzt, und gegen Ende des Jahres wurde mit dem Bau eines neuen Zweigbüros und Missionarheimes begonnen.

Mit der Hilfe Jehovas wuchs das Werk weiter — im Jahre 1963 predigten jeden Monat durchschnittlich 1 035 Personen, einschließlich 75 Sonderpionieren. Das Jahr begann mit einem sehr nützlichen Besuch von Bruder Bivens, dem vom Präsidenten der Gesellschaft ernannten Zonendiener. Bruder Duffield, der im kubanischen Zweig Erfahrungen gesammelt hatte, kam, um die Verantwortung für die Zeit zu übernehmen, in der Bruder Franz den zehnmonatigen Schulungskurs in Gilead mitmachte. Unterdessen besuchte Bruder R. Wallen aus dem Büro des Präsidenten den Zweig und half bei der Einrichtung der Klassen für den Unterricht im Lesen und im Schreiben. Diejenigen, die nicht lesen konnten, kamen während des letzten Teils der Theokratischen Predigtdienstschule zusammen, um Unterricht im Lesen zu erhalten und so ihren Glauben erweitern zu können. Nachdem Bruder Franz Gilead absolviert hatte, diente er als Zonendiener und war dann weiter als Zweigdiener in der Dominikanischen Republik tätig. Im Dezember gab es eine 18prozentige Zunahme der Verkündiger; die Gesamtzahl belief sich auf 1 540. Achtundzwanzig Versammlungen und über fünfundzwanzig Gruppen wurden regelmäßig von reisenden Predigern der Gesellschaft besucht. 1964 wohnten dem Gedächtnismahl 4 064 Personen bei. Die Aussichten auf Zunahme waren erstaunlich.

Auf politischem Gebiet hatte während jener Zeit Anarchie geherrscht. Im Dezember 1962 wurde Juan Bosch zum Präsidenten gewählt. Kurz danach wurde er aus dem Amt entfernt, und an seine Stelle trat eine Militärjunta, die von 1963 bis 1965 herrschte. Besteuerung und Strenge lösten im April 1965 eine Volksrevolution aus. Viele behaupten, die Intervention der Amerikaner habe den Erfolg jener Revolution verhindert. Nun wurde Santo Domingo zu einem Schlachtfeld, da revolutionäre und Regierungsstreitkräfte um die Macht rangen. Die Luft war voll von Kriegstumult, Gewehrschüssen, Maschinengewehrfeuer und dem Brummen der Flugzeuge, die ihre Ziele bombardierten. Elektrizität, Telefon und Postdienst sowie die öffentlichen Verkehrsmittel fielen aus. Bald fand man heraus, daß die Schießereien zwischen 5 und 11 Uhr morgens nachließen, und so wurde diese Zeit ausgenutzt, um für Lebensmittel zu sorgen und um zu predigen. Das Leben wurde nicht nur aufs Spiel gesetzt, um notwendige materielle Dinge zu bekommen, sondern auch, um die Zusammenkünfte zu besuchen. Die Insel war von der übrigen Welt abgeschnitten, aber nicht von der Liebe der Organisation Jehovas. Am 19. Mai sandte Bruder Knorr ein Telegramm: „WIE GEHT ES ALLEN? TELEGRAFIERT BITTE ZURÜCK.“ Brooklyn wurde telegrafisch und brieflich benachrichtigt; der Brief wurde mit der Diplomatenpost versandt, was die einzige Möglichkeit war, Post zu versenden oder zu empfangen. Das Büro des Präsidenten setzte die Angehörigen aller Missionare davon in Kenntnis, daß alle wohlauf waren, und so gab es keine unnötige Besorgnis.

Der Zweigdiener, Raymond Franz, schildert, wie es war, inmitten einer Revolution zu leben: „Die Hauptstadt war das Zentrum der Auseinandersetzungen. Wir schliefen monatelang auf dem Fußboden, weil es gefährlich war, in Fensterhöhe zu schlafen. Doch schlugen nur wenige Kugeln auf dem Grundstück des Zweigbüros ein. In der Hauptstadt fiel der elektrische Strom fast sogleich aus, und das bedeutete, daß wir unseren elektrischen Ofen und Kühlschrank nicht benutzen konnten und uns auch nicht auf unsere elektrische Pumpe verlassen konnten, um Wasser in den ersten Stock des Gebäudes zu bekommen. Ich machte aus einigen großen Dosen ein paar Holzkohlenbrenner. Abends lasen wir bei Kerzenlicht (später wurden wir moderner, indem wir uns einige Petroleumlampen besorgten), aber da dies die Augen sehr anstrengte und es abends mit den Schießereien immer sehr schlimm wurde, spielten wir Missionare, nachdem wir ein Weilchen studiert hatten, oft ein chinesisches Damespiel oder andere Spiele, um uns von den Kämpfen, die draußen stattfanden, abzulenken und uns etwas zu entspannen. Nach einiger Zeit war es so, daß uns die Schießerei nicht mehr daran hinderte, mehr oder weniger normal zu schlafen. Oft kam es mittags, während wir aßen, zu Schießereien, und wir rutschten auf den Fußboden, stellten unseren Teller auf den Stuhl und aßen weiter. Ich fand daß wir Missionare dadurch, daß wir solche Erlebnisse hatten, einander um so mehr schätzten. So war es auch mit allen Brüdern. Wenn man sie trotz der Hindernisse und Gefahren zu den Zusammenkünften (die nun in kleinen Gruppen durchgeführt wurden) kommen sah, waren sie einem um so kostbarer.“

In der Stadt herrschte Gesetzlosigkeit und Durcheinander. Es entstanden Probleme, die das christliche Gewissen auf die Probe stellten. Die Neutralität mußte bewahrt werden. Not und Ungerechtigkeiten konnten jemand beeinflussen, hierhin oder dorthin zu neigen. Es war eine Zeit, in der man daran denken mußte, daß beide Seiten zu diesem System der Dinge gehörten und beide von Jehova verurteilt wurden. Die amerikanische Marine besetzte gewisse Häuser oder stellte auf Dächern oder Balkonen Maschinengewehre auf. Mindestens ein Bruder mußte zu den amerikanischen Beamten gehen, um sie zu ersuchen, die Marineinfanteristen und ihre Waffen von seinem Grundstück abzuziehen. Arme Leute nutzten die bestehende Gesetzlosigkeit aus und eigneten sich freie Grundstücke an, auf denen sie dann bauten. Ob unsere christlichen Brüder das tun würden? Lagerhäuser, die zum Teil abgebrannt waren, wurden von den Revolutionären geöffnet, und man erlaubte den Leuten, sie zu plündern, ja man forderte sie sogar dazu auf. Dies war eine Prüfung. Ob die Brüder so etwas wohl mitmachen würden? Inwieweit würden sie sich von christlicher Neutralität leiten lassen?

Bald war die Hauptstadt in drei Sektoren aufgeteilt. Die dominikanische Armee beherrschte den Norden und den Westen, die Marine der Vereinigten Staaten einen Streifen, in dem sich das Zweigbüro befand, und der südliche Sektor mit dem Hauptgeschäftsviertel, dem Hafen und dem Postamt war in den Händen der Revolutionäre. Wegen der anerkannten Neutralität der Zeugen Jehovas durfte Bruder Franz unbehelligt von einem Sektor in den anderen gehen. Kreiskongresse wurden außerhalb der Stadt durchgeführt, und es wurden besondere Vorkehrungen für die Brüder aus der Stadt getroffen, damit sie bis zur Sperrstunde wieder daheim sein konnten.

Raymond Franz äußert sich wie folgt: „Zwar brachte der Krieg Härten und Gefahren mit sich, besonders solche geistiger Art, doch hatten wir alle das Gefühl, daß wir dadurch viel lernten, und wir erkannten noch besser, daß Gottes Wort richtig ist und daß es weise ist, seine Grundsätze zu befolgen. Wir fühlten uns durch diese Erfahrung bereichert und in Liebe innig mit denen verbunden, die all dies in Treue mit uns durchgemacht hatten.“

Bruder Franz wurde gebeten, in der Zentrale der Gesellschaft in Brooklyn zu dienen, und so wurde dafür gesorgt, daß Bruder Keith Stebbins, der auf Hawaii als Zweigdiener gedient und soeben den zehnmonatigen Kurs in Gilead beendet hatte, in die Dominikanische Republik kam, Spanisch lernte und weiter als Zweigdiener tätig war. Bruder und Schwester Stebbins kamen am 11. Juni 1965 an, und einige Monate später kamen erfahrene Missionarinnen, die Schwestern Juryne Schock und Edith White, von Jamaika ins Land. Man bemühte sich auch, Dominikanern die englische Sprache zu lehren, um sie auf eine eventuelle Schulung in Gilead vorzubereiten.

Obwohl die Revolution niedergeschlagen und Balaguer zum Präsidenten gewählt worden war, hielten Gewalttat und Terror weiter an. Überall und jederzeit kam es auf den Straßen zu Schießereien. Die Nachtruhe wurde immer durch eine Bombenexplosion oder durch Schüsse gestört. Unbeherrschte, zerstörerische Pöbelhaufen bewirkten, daß die Menschen Angst hatten, auf die Straße zu gehen. Diese Zustände bereiteten den Brüdern viele Unannehmlichkeiten, aber dank der Leitung des Geistes Jehovas durch seine Organisation gab es Fortschritte. Es wurde Nachdruck auf geistiges Wachstum gelegt. Dies war sehr nötig, um die Brüder darauf vorzubereiten, ähnlichen und anderen Problemen zu begegnen, die in Zukunft aufkommen würden.

Die Besuche der Brüder Henschel (1966), Greenlees (1967), Wallen (1968) und Tracy (1969) trugen alle dazu bei, die Zweigorganisation und den Dienst, der den Brüdern überall im Lande erwiesen wurde, zu verbessern. Im Jahre 1966 stieg die Zahl der Verkündiger auf durchschnittlich 2 040 in fünf Kreisen an, und es gab achtundsiebzig Sonderpioniere. In jenem Jahre wohnten 6 156 Personen dem Gedächtnismahl bei.

Versuche, die Dominikanische Republik mit in die Reihe der internationalen Kongresse „Gottes Söhne der Freiheit“ einzubeziehen, waren erfolglos. Es konnten keine Vorkehrungen für Beförderung und Unterkünfte getroffen werden. Weder Fluggesellschaften noch Hotels waren bereit, uns entgegenzukommen und Reservierungen für die ausländischen Delegierten vorzunehmen. Es schien nicht der Wille Jehovas zu sein, zu jener Zeit Besucher in dieses Land zu bringen, in dem es so turbulent zuging. Aber im Januar 1967 wurde ein Landeskongreß veranstaltet, so daß den Brüdern doch dasselbe Programm zugute kam.

Auch die Anwesenheit einiger Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft gab den Brüdern des Landes die Gewißheit, daß sie zu der großen Familie der Gesellschaft der neuen Ordnung gehörten. Eine Anzahl Brüder konnten von Puerto Rico kommen, und die örtliche Bevölkerung wurde durch einen ausgedehnten Bekanntmachungsfeldzug eingeladen. In einer fünfzehnminutigen Fernsehsendung mit Bruder Knorr, Bruder Stebbins und Bruder González, dem Bezirksdiener, wurde der Zweck unseres Werkes und des Kongresses hervorgehoben. Es waren 5 154 Personen zugegen.

Die Segnungen hielten auch 1967 an und führten zu weiterem Wachstum. Es berichteten regelmäßig 2 453 Verkündiger, die 47 Versammlungen in 5 Kreisen angehörten. 6 939 Personen wohnten dem Gedächtnismahl bei, und die Zahl der Sonderpioniere stieg auf 142 an. Es wurde weitere liebevolle Hilfe geleistet: Der spanische Königreichsdienst wurde von nun an frühzeitig an den Zweig gesandt. Dort wurde er überarbeitet, um den Bedürfnissen der Brüder in der Dominikanischen Republik zu entsprechen. Die Brüder schätzten dies und reagierten darauf mit vermehrtem Dienst. Es gab 1968 monatlich durchschnittlich 2 715 Verkündiger, und 9 843 Personen wohnten dem Gedächtnismahl bei. Wie wunderbar war doch all das in unseren Augen!

Da die 141 Sonderpioniere, 254 allgemeinen Pioniere und 2 156 Versammlungsverkündiger im Jahre 1969 ausgezeichnete Hirtenarbeit leisteten, dehnte sich die Organisation weiter aus. In jenem Jahr wurde eine Höchstzahl von 3 144 Verkündigern erreicht, und aus weiteren Gruppen wurden Versammlungen gebildet, so daß sich deren Zahl auf insgesamt 58 belief. Während jenes Jahres wurden 106 633 Schriften abgegeben. Der Zweigdiener wurde zu einer besonderen Zusammenkunft nach Brooklyn gerufen. Alles wies darauf hin, daß es in diesem Teil des Feldes noch viel zu tun gab.

Streiks, Hunger und Unzufriedenheit nahmen im Lande zu, aber Jehovas Volk hatte in geistiger Hinsicht weiter Erfolg. Es war nötig, das Gebäude des Zweigbüros für die Lagerung und den Versand der Literatur zu erweitern. Immer mehr Menschen nahmen bei Jehova und seiner Organisation Zuflucht. 1970 gab es 3 378 Verkündiger in 63 Versammlungen; mehr als die Hälfte der Brüder war während der vorangegangenen fünf Jahre in die Organisation gekommen. Und Jehova beschafft das, was nötig ist. Sie kamen aus allen Schichten: Autoschlosser, Bauern, Fahrer, Buchhalter, Bauunternehmer, Zimmerleute, Rechtsanwälte, Zahnärzte, ja auch ehemalige Politiker — alle durch Liebe zur Wahrheit und Liebe zu Jehova miteinander vereinigt. Sie sind jetzt eine Familie und sind frei von dem Hader des alten Systems.

Ende 1969 und Anfang 1970 versuchte Satan, in dieser schnell wachsenden Organisation Probleme zu verursachen, indem er Unstimmigkeiten unter einigen der führenden Diener förderte. Aber wie immer reichte Jehovas Geist ohne weiteres aus, um mit der Situation fertig zu werden. Ja, viele Verkündiger merkten kaum, daß ein Problem aufgetaucht war. Andere, die die theokratische Einrichtung anerkannten, gingen voran und ließen nicht zu, daß ihr Dienst für Jehova um irgendwelcher Persönlichkeiten willen unterbrochen wurde. Ende Februar 1970 trafen Bruder und Schwester Jesse Cantwell aus Kolumbien ein, und Bruder Cantwell wurde zum Zweigdiener ernannt. Im Zweigbüro wurden fünf Lehrgänge der Königreichsdienstschule durchgeführt, um die Aufseher dazu auszurüsten, ihren Hirtendienst zu verbessern. Es wurden besondere Zusammenkünfte mit allen Kreis- und Bezirksdienern abgehalten. Der Zweigdiener besuchte alle Kreiskongresse und die vier Bezirkskongresse in dem Bemühen, die Verkündiger und das Zweigbüro enger miteinander in Verbindung zu bringen. Auch mit den allgemeinen und den Sonderpionieren wurden Zusammenkünfte durchgeführt. Es wurde ein Plan verwirklicht, gemäß dem der Zweigdiener oder ein anderer Bruder aus dem Büro die Versammlungen an den Wochenenden als „Bethelredner“ besuchte, indem er am Sonnabendabend eine Dienstansprache hielt, am Sonntag an der Predigttätigkeit teilnahm und dann am Nachmittag den öffentlichen Vortrag hielt. All dies trug dazu bei, die Verkündiger und das Zweigbüro durch engere Bande der Liebe miteinander zu verbinden.

Geistiges Wachstum war das Hauptziel, auf das alle reifen Brüder überall im Lande während des Jahres hingearbeitet haben. Reife ist erforderlich, um der gegenwärtigen Taktik Satans zu begegnen. Vor einigen Jahren versuchte er es mit grausamer Verfolgung und hatte keinen Erfolg. Das Werk wuchs. Jetzt greift er dadurch an, daß er Zwietracht zu säen sucht, durch Unsittlichkeit und durch Materialismus. Im Jahre 1971 mußte vierundfünfzig Personen die Gemeinschaft entzogen werden. In einer Stadt gab es zu Beginn des Jahres 350 Verkündiger. Während des Jahres wurde über 4 Prozent die Gemeinschaft entzogen. So traurig dies auch zu sein scheint, bewirkte es doch Vertrauen zur Organisation und öffnete den Weg, damit der Geist Jehovas ungehindert strömen konnte. In demselben Zeitraum nahm die Zahl der Verkündiger trotz des 4prozentigen Verlustes um 18,3 Prozent zu.

Wenn gewaltsame Methoden fehlschlagen, versucht Satan es auf andere Weise. Neben den zuvor erwähnten Schwierigkeiten zwischen Brüdern, denen Jehova durch das rasche Handeln seiner Organisation ein Ende bereitete, ist immer die Anziehungskraft sinnlicher Begierden da. Der Materialismus und die Unsittlichkeit strecken weiter ihre häßlichen Köpfe empor und tragen beide dazu bei, daß einige der Brüder, die in Zeiten der Verfolgung so treu geblieben sind, zu Fall kommen. Drei Personen, die viele Monate im Gefängnis verbracht hatten, mußte die Gemeinschaft entzogen werden. Eine von ihnen ist immer noch ausgeschlossen. Ja, in einer Stadt mußte im letzten Jahr achtzehn Personen die Gemeinschaft entzogen werden. Jehovas Versammlung muß rein erhalten werden, damit sein Geist ungehindert strömen kann.

Die stetige Wirksamkeit des Geistes Jehovas brachte den treuen Brüdern jedoch große Segnungen, so daß Ende des Dienstjahres 1971 4 106 Verkündiger berichtet hatten. Jehovas Liebe und die christliche Liebe zueinander bewirkten, daß die Verkündiger weiter freudig vorangingen und überall im Lande im Felddienst tätig waren, und 13 778 wohnten dem Gedächtnismahl bei.

Im Laufe der Jahre hat sich die Einstellung der Menschen merklich verändert. Die Kirche wird nicht mehr als die Macht angesehen, die sie einst war. Die Priester genießen nicht mehr eine so hohe Achtung. Die Unzufriedenheit zeigt sich in den Studentenunruhen, Protestdemonstrationen, häufigen Terrorausbrüchen und der Anwesenheit bewaffneter Streifen auf den Straßen. Dagegen hat sich die Wirksamkeit des Geistes Jehovas gezeigt, und Jehovas Zeugen werden geachtet. Immer mehr Menschen nehmen die Einladung an, zu kommen und zu beweisen, daß Jehova gut ist. Dies geht daraus hervor, daß wöchentlich 6 596 Heimbibelstudien durchgeführt werden und daß 1971 im ganzen Land 105 916 Bibeln, Bücher und Broschüren sowie 830 340 Exemplare der Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! verbreitet wurden. Dem Predigen der guten Botschaft wurden über 1 125 000 Stunden gewidmet.

Trotz der Tatsache, daß den Erfahrungen des Volkes Jehovas in der Dominikanischen Republik ein „Thema“ der Unruhen und der Gewalttat zugrunde zu liegen scheint, haben die Brüder eine positive Einstellung. Sie sind glücklich und opfern sich auf. Sie folgen der Einladung Jehovas. Sie sagen: „Hier sind wir! Sende uns!“ Und wir sind sicher, daß Jehova sie weiter in alle Teile des Landes senden wird, damit sie predigen und lehren, bis er sagt, es sei genug.