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Nicaragua

Nicaragua

Nicaragua

NICARAGUA liegt mitten im Herzen von Mittelamerika; es ist die größte der fünf mittelamerikanischen Republiken. Der größte Teil seiner Bevölkerung lebt in dem ungefähr parallel zur pazifischen Küste verlaufenden südwestlichen Teil des Landes. Dieser Landesteil besteht hauptsächlich aus Küstenebenen und flachen Seengebieten mit einigen niedrigen Gebirgszügen und eindrucksvollen Vulkanen. Die Vulkanerde ist sehr fruchtbar, und das Klima ist tropisch. Es gibt zwei Jahreszeiten: die warme Trockenzeit von November bis April und die warme Regenzeit von Mai bis Oktober.

Die Eroberung durch die Spanier im frühen sechzehnten Jahrhundert brachte die römisch-katholische Kirche und die spanische Sprache hierher. Die Einwohner sind also meistens Nachkommen der Indianer und der spanischen Eroberer. Sie haben im allgemeinen ein freundliches Wesen und eine tiefe Ehrfurcht vor der Bibel und vor Gott. Sie sind gute Zuhörer. Obwohl ein fröhliches und lustiges Volk, neigen sie doch nicht dazu, die Religion ins Lächerliche zu ziehen. Sogar solche, die zuerst ablehnend eingestellt sind, lassen sich durch Freundlichkeit ansprechen und beteiligen sich dann an einem Gespräch. Mit einem Wort, sie sind warmherzige Menschen.

DIE ANKUNFT DER ERSTEN WACHTTURM-MISSIONARE

Am 28. Juni 1945 kamen Francis Wallace und sein Bruder Fred auf dem Flughafen Las Mercedes an. Es war ein warmer Morgen, als die Räder der zweimotorigen DC-3 auf der schwarzen Asphaltrollbahn aufsetzten. Diesen beiden über 1,80 Meter großen jungen Männern fiel das tiefe Grün des Grases, das die umliegenden Felder umgab, und der angenehme Duft einer leichten Brise auf. Innerhalb einiger Tage konnten sie eine Mietwohnung ausfindig machen, zogen ein und begannen mit ihrer Missionararbeit. Damit war das erste Missionarheim in Managua eingerichtet, der Stadt, die seit 1855 Hauptstadt des Landes ist.

Hättest du dich über diese Arbeit in einem Gebiet, in dem kein einziger Verkündiger berichtete, gefreut? Zwar hatte eine Pionierschwester Nicaragua ungefähr zwei Jahre zuvor besucht und in verschiedenen Landesteilen Literatur zurückgelassen. Auch hatte ein Mann aus dem Bergbaugebiet des Landes einen Karton des Buches Kinder bestellt, um sie zu verteilen. Trotzdem hatten die meisten Leute in Managua noch nie etwas von Jehovas Zeugen gehört.

Diese Brüder hatten ein tragbares Grammophon und einige Schallplatten mitgebracht. Ungefähr zwei Monate lang, bis die Schallplatten abgenutzt waren, gebrauchten sie dieses Hilfsmittel in ihrem Dienst. Es war für die Menschen etwas völlig Neues. So gut wie alle hörten zu — im ersten Monat hörten 705 die Botschaft durch das Grammophon —, und sie nahmen alles, was man ihnen an Schriften anbot. In der ersten Zeit konnten die Brüder nur ein Exemplar des Buches „Die Wahrheit wird euch frei machen“ vorzeigen und Bestellungen aufnehmen oder einige Broschüren, die sie mitgebracht hatten, abgeben. Auf der Baustelle eines neuen Theaters versammelten sich die Arbeiter um das Grammophon und hörten sich die Schallplatte an, und die meisten bestellten auch das Buch. Es war sehr leicht, Bücher abzugeben, aber es war schwierig, immer einen ausreichenden Vorrat zu haben. Im Juli jenes Jahres gab ein Missionar 98 Bücher und 164 Broschüren ab, im August 53 Bücher (der Bestand ging am 13. August aus) und 621 Broschüren; der Rekord war 34 Bücher an einem Tag.

In vielen Wohnungen wurden anhand des Studienhilfsmittels „Die Wahrheit wird euch frei machen“ Heimbibelstudien eingerichtet. Ehrliche Personen erkannten den Klang der Wahrheit in den Schriften der Watch Tower Society. Eine frühere Adventistin erzählte einem Missionar, daß sie als Adventistin nie ein ruhiges Gewissen gehabt hätte; sie wußte, daß sie den Sabbat nicht richtig hielt, und sie wußte, daß andere Adventisten ihn auch nicht hielten; sie war es leid, eine Heuchlerin zu sein. Ein junger Schneider brauchte nur einige Studien, um zu erkennen, daß ihn sein evangelischer Glaube nicht die ganze Wahrheit gelehrt hatte. Dieser Mann namens Juan Beteta wurde später Sonderpionier. Dolores Abaunza, ein junges Mädchen, das auf dem Hauptmarkt Schuhe verkaufte, hörte mit Wertschätzung zu und willigte in ein Studium ein. Sie wurde schließlich Pionier und dient immer noch glücklich in diesem Vollzeitpredigtdienst.

Im Oktober 1945 kamen weitere Missionare an, so daß die Wohnung, die die ersten Missionare über einem Geschäftsunternehmen in der Innenstadt gemietet hatten, vollständig belegt war. Zu dieser zweiten Gruppe von Missionaren gehörten zwei Ehepaare und vier ledige Schwestern, unter ihnen auch Jane Wallace, die leibliche Schwester der ersten Missionare. Das Gebiet wurde passend aufgeteilt, und es begann ein intensiver Zeugnisfeldzug von Haus zu Haus.

Managua war damals eine kleine Stadt mit ungefähr 120 000 Einwohnern (heute, im Jahre 1971, ist sie auf 400 000 Einwohner angewachsen). Nur das Zentrum der Stadt, ein Gebiet von etwa zwölf Häuserblocks, war gepflastert. Die übrigen Straßen waren in der Trockenzeit völlig verstaubt und standen während der wolkenbruchartigen Regengüsse der Regenzeit unter Wasser. Nach einem Regen verdienten sich die Kinder Geld, indem sie Bretter über die Straßen legten und von jedem, der hinüber mußte, eine Gebühr verlangten. Die heiße Sonne und der herumwirbelnde, von den Passatwinden der Trockenperiode herbeigetragene Staub waren eine schwere Qual. Malaria, Typhus, Hepatitis und andere Tropenkrankheiten waren häufig.

Obwohl dem Namen nach römisch-katholisch, waren viele keineswegs praktizierende Katholiken. In der „Karwoche“ und bei der „Heimführung des Heiligen“ am 1. August gab es die großen Prozessionen, zu denen aus ganz Nicaragua Tausende in eine kleine Stadt, etwa acht Kilometer außerhalb Managuas, zogen, dort die Nacht mit lärmenden Festlichkeiten, Trinken und Glücksspiel verbrachten und am nächsten Tag das kleine Standbild des „heiligen“ Dominikus, des Schutzpatrons Managuas, nach Managua brachten. Der 8. Dezember, das angebliche Datum der „Unbefleckten Empfängnis“ Marias, war ein weiterer großer Festtag für sie, an dem sich viele Leute rund um einen Altar versammelten und der „Jungfrau“ Lieder sangen und Tausende, die die Straßen füllten, Feuerwerkskörper und Raketen abschossen und schrien. Dieser besonders in Nicaragua geübte katholische Brauch wurde als gritería bekannt, was wörtlich „Geschrei“ bedeutet. Außer daß sie sich an diesen besonderen Anlässen beteiligten, schenkten viele Leute der katholischen Kirche wenig Aufmerksamkeit.

Somit machte das Werk gute Fortschritte. Menschen, die noch nie die Bibel in ihrer Hand gehabt hatten, begannen nun daraus zu lernen und sie zu lieben. Bald nach der Ankunft der zweiten Gruppe von Missionaren wurden im Missionarheim in Managua das wöchentliche Wachtturm-Studium und die Predigtdienst-Zusammenkunft eingerichtet. Im April 1946 waren vierunddreißig Personen donnerstags bei der Predigtdienst-Zusammenkunft anwesend und fünfundvierzig Personen sonntags beim Wachtturm-Studium. Arnoldo Castro, ein junger Zimmermann, war zusammen mit zwei Freunden einer der ersten, die regelmäßig anwesend waren. Als bekanntgegeben wurde, daß im August 1946 in Cleveland (Ohio) ein internationaler Kongreß stattfinden würde, entschloß sich Arnoldo dabeizusein. Er erklärt: „Nun erkenne ich, wie Jehova meine Anstrengung segnete, denn das Geld, das ich gespart hatte, reichte keineswegs für eine Reise von neun- bis elftausend Kilometern aus. Durch Jehovas Führung kam ich mit Personen zusammen, die mir zwar keine finanzielle Hilfe geben konnten, mir aber zeigten, wie mein Vorhaben zu verwirklichen wäre. Die Hilfe dieser freundlichen Menschen, alles Gott hingegebene Zeugen Jehovas, machte mich sogar noch sicherer, Jehovas wahre Organisation gefunden zu haben. So wurde ich auf dem ,Theokratischen Kongreß fröhlicher Nationen‘ in den Wassern des Eriesees getauft.“ Er war der erste Bewohner Nicaraguas, der einen internationalen Kongreß außerhalb des Landes besuchte. Nun sind er und einer seiner Söhne Sonderpioniere.

Das Jahr 1946 war für die Missionare und die neuen Verkündiger, die sich nun an dem Zeugniswerk zu beteiligen begannen, eine sehr glückliche Zeit. Im April besuchten Bruder Knorr und Bruder Franz, der Präsident und der Vizepräsident der Watch Tower Society, Nicaragua. Die Besucher kamen am Donnerstag an und wohnten der Predigtdienst-Zusammenkunft bei, und dann sprach Bruder Knorr, mit Bruder Franz als Übersetzer, zu einer vierunddreißigköpfigen Zuhörerschaft, einschließlich der Missionare. Unter ihnen war der Missionar William E. Call, der erst kürzlich von Costa Rica hierher versetzt worden war. Am Sonntagnachmittag sprach Bruder Knorr in einer Zusammenkunft für die Öffentlichkeit über das Thema: „Seid fröhlich, ihr Nationen!“ Insgesamt 158 Personen füllten den Dachgarten eines der höchsten Gebäude Managuas, um diese Botschaft der Hoffnung zu hören.

Vor seiner Abreise gründete Bruder Knorr ein Zweigbüro der Watch Tower Society in Nicaragua und ernannte Bruder Call zum Zweigdiener. Dieser war damals ein junger Mann von sechsundzwanzig Jahren, dessen schwarzes Haar an den Schläfen frühzeitig grau geworden war. Zwei Jahre später besuchte ein Sonderbeauftragter der Gesellschaft, J. M. Steelman, den nicaraguanischen Zweig — es war etwas Ähnliches wie der Besuch eines Zonendieners. Dies gab dem Werk einen weiteren Aufschwung.

Die Brüder Wallace gingen im Mai 1946 nach León und versuchten einen Bruder zu finden, von dem man wußte, daß er mit der Pionierschwester zusammengearbeitet hatte, die Nicaragua zwei Jahre vor Ankunft der Missionare besucht hatte. Dieser Mann begleitete die beiden Missionare in León und einigen Nachbarstädten im Dienst von Haus zu Haus. Er wurde später mit der Aufgabe betraut, in der Stadt Chinandega Zeugnis zu geben — unser erster Sonderpionier!

Der Zweigdiener, Bruder Call, und zwei andere Missionare unternahmen im Februar 1948 eine Flugreise zur karibischen Küste von Nicaragua, um festzustellen, ob dort Missionare gebraucht würden. Sie stellten auf ihrer einwöchigen Reise, die sie nach Bluefields, Puerto Cabezas und Siuna, einer Goldgräberstadt in den Bergen, brachte, fest, daß viel Interesse vorhanden war, und ließen bei den Leuten Tausende von Schriften zurück.

Als berichtet wurde, daß im Gebiet von Rivas, am Südufer des Nicaraguasees, Interesse vorhanden sei, ging eine Gruppe von Missionaren hin, um es zu überprüfen. Sie stellten fest, daß in San Jorge viele bereit waren zuzuhören. Man kam zu dem Schluß, daß die nahe liegende Stadt Rivas ein guter Ort für Sonderpioniere sein würde, sobald welche zur Verfügung ständen.

Im Juli 1948 wurde in Granada, der drittgrößten Stadt Nicaraguas, eine Grundlage für das Königreichswerk gelegt, als der Sonderpionier José Estrada dorthin gesandt wurde. Granada, eine Stadt von ungefähr 30 000 Einwohnern, war der Haupthafen des Nicaraguasees.

THEOKRATISCHE AUSDEHNUNG

Inzwischen, im Dezember 1946, zogen die Missionare in ein neues Heim, das sie mieteten. Das zweistöckige Gebäude mit den Fließenfußböden hatte einen ausgezeichneten großen Raum für einen Königreichssaal und Räumlichkeiten für das Büro der Gesellschaft. Dieses Haus wurde für fünf Jahre der Mittelpunkt des theokratischen Werkes in Nicaragua.

Anfang 1947 wurde Francis Wallace dazu ernannt, zeitweise als Kreisdiener zu arbeiten. Damals gab es eine Versammlung in Managua und interessierte Personen in Chinandega und der pazifischen Hafenstadt Corinto. Es führte keine Straße zu diesen westlichen Städten Nicaraguas, aber sie waren durch eine Schmalspurbahn mit der Hauptstadt verbunden. Er erinnert sich noch an eine der Eisenbahnfahrten, die er nach Chinandega unternahm, um dort eine Woche zu dienen:

„Der Zug verließ Managua um 5 Uhr morgens. Es war unmöglich, um diese Zeit ein Taxi oder eine coche (eine in Managua damals allgemein übliche Pferdedroschke) zu bekommen. So ging ich mit meinem schweren Koffer die zehn Häuserblocks weit zum Bahnhof. Es war ein Güter- und Personenzug mit Wagen dritter Klasse, in die der Wind blies; viele Fahrgäste waren Marktfrauen mit ihren Warenkörben. Es war schön, hier zu sitzen und den ruhigen Xolotlánsee (Managunsee) zu beobachten, während der Zug an seinen Ufern entlangratterte und die Morgendämmerung den Himmel mit rosigem Licht färbte. Aber es war nicht mehr so angenehm, als wir das Seeufer verließen, die Sonne heiß wurde und der durch den Zug aufgewirbelte Staub hochstieg. Wegen der Hitze mußten wir die Fenster meistens offenlassen. Auf den Bahnhöfen an der Strecke kamen Leute in den Zug, um gebratenen Fisch und quesillo zu verkaufen, einen Leckerbissen aus Käse, serviert auf einem Bananenblatt.

Während der Reise las ich das neue Buch ,Gott bleibt wahrhaftig‘, und einige meiner Platznachbarn interessierten sich dafür. Bei einer freundlichen Dame gab ich ein Buch ab, und ich ließ mir ihren Namen und ihre Adresse für einen Nachbesuch geben. Mittags kam der Zug in Chinandega an. Da es mir heiß war und ich müde und verstaubt war, mietete ich eine coche, fuhr in eine pensión und nahm ein erfrischendes Brausebad. Nach dem Mittagessen und einem kurzen Nickerchen ging ich dann zu dem Haus des Bruders, und wir sprachen bei interessierten Personen vor. Einige von ihnen waren Glieder der Pfingstgemeinde, und sie wünschten, daß ich an diesem Abend in der Kirche einen Vortrag hielt. Sie lag an der letzten Straße, und es gab dort keine Straßenlaternen. Ochsenkarren mit ihren schweren Holzrädern hatten diese Straße benutzt, und der Staub lag zentimeterdick. In der Dunkelheit trat ich geradewegs in ein Loch hinein und fiel der Länge nach hin. Bald kam ich zu der Kirche, die von einer im Wind zischenden und flackernden Karbidlampe beleuchtet wurde. Ungefähr fünfzig Personen hörten gespannt zu und unterbrachen gelegentlich den Vortrag mit einem Amen. Es gab noch einige Fragen und Antworten, und dann baten sie mich zu beten. Der Bruder und mehrere Interessierte gingen mit mir zusammen zur pensión zurück, und wir setzten unsere Unterhaltung bis fast um Mitternacht fort. Ich wußte einfach, daß diese Interessierten bald Brüder sein würden.“

Das Wasser war in den kleinen Städten häufig verseucht, und in die Hotels drangen Fliegen und Stechmücken ein, so daß die Kreisdiener oft mit Malaria oder Ruhr zurückkamen. Aber Medikamente standen zur Verfügung, und nachdem sie sich erholt hatten, waren sie bereit, wieder ihren Dienst zu verrichten.

Im Juli 1947 wurde in Managua bei einer Anwesendenzahl von fünfzig Personen der erste Kreiskongreß abgehalten; drei Personen wurden getauft. Die einzelnen Veranstaltungen fanden im Missionarheim statt, und der öffentliche Vortrag wurde in dem Trebol-Theater („Klee“-Theater), einem etwa zwei Häuserblocks entfernten großen Freilichttheater, gehalten.

Im Jahr 1949 erlebten wir den ersten außerhalb Managuas abgehaltenen Kreiskongreß. Er wurde in Corinto geplant, wo eine rund um den Musikpavillon des Zentralparks versammelte stattliche Zuhörerschaft dem öffentlichen Vortrag zuhörte. In jenem Jahr kamen im Dezember auch Bruder Knorr und Robert Morgan zu Besuch, und dies war der Anlaß für den bis dahin größten Kongreß. Sechs große Stofftransparente, die den öffentlichen Vortrag ankündigten, wurden über die wichtigsten Straßen gespannt, und es wurden 50 000 Handzettel sowie Schaufensterplakate verwandt und Plakatträger eingesetzt. Der Vortrag „Freiheit für die Gefangenen“ mit seiner erregenden Enthüllung der Inquisition gab zu vielen Kommentaren Anlaß. Bruder Knorrs Besuch ist vor allem wegen des Rates in Erinnerung geblieben, den er den Brüdern in der Ansprache „Predige das Wort“ gab. Er freute sich darüber, daß sich das Werk auch auf andere Teile Nicaraguas ausdehnte, so daß es zu jener Zeit vier Versammlungen und fünf alleinstehende Verkündigergruppen gab. Er traf Vorkehrungen für eine weitere Ausdehnung des Werkes durch Missionarheime.

WEITERE MISSIONARHEIME

Im Juli 1949 wurden Bruder Sydney Porter, seine Frau Phyllis und zwei ledige Schwestern einem Missionarheim in Jinotepe zugeteilt, einer Stadt mitten im Kaffeeanbaugebiet, achtundvierzig Kilometer südlich Managuas. Obwohl viel Mühe aufgewandt wurde, um ein gründliches Zeugnis zu geben, schien es, als ob der buchstäbliche Boden fruchtbarer wäre als der geistige. Fünf Jahre vergingen, und es berichtete nur eine Handvoll Verkündiger. Es schien praktischer, das Heim in ein ergiebigeres Gebiet zu verlegen, und so wurde das Heim in Jinotepe geschlossen. Jedoch war der vortreffliche Same gesät worden. 1969 entzündete sich der Funken Interesse und wurde zur Flamme, und im April 1971 berichtete die Versammlung vierundvierzig Verkündiger und drei Sonderpioniere. Später wurde ein Grundstück erworben, und die Brüder haben nun den Bau ihres eigenen Königreichssaales beendet.

León, die zweitgrößte Stadt Nicaraguas, ungefähr achtzig Kilometer westlich der Hauptstadt, ist ein Universitätszentrum und Mittelpunkt der Landwirtschaft. Es ist eine sehr alte, im Jahre 1523 von Francisco Hernández de Córdoba gegründete Stadt. Seine sieben Jahre später begonnene römisch-katholische Kathedrale kostete, wie berichtet wird, fünf Millionen Dollar. Westlich der Stadt erstrecken sich fruchtbare Ebenen bis zur pazifischen Küste. Im Osten verdecken Berge und Dschungel eine Kette tätiger Vulkane. Die Baumwolle ist in dieser ganzen Gegend König. Aber die Ernten haben durch mehrere Vulkanausbrüche in neuerer Zeit großen Schaden erlitten. Im Dezember 1968 brach der Cerro Negro (Schwarzer Berg) aus und bedeckte die bereits für die Baumwollernte weißen Felder mit schwarzem Sand und Vulkanasche. Dann spie im Februar 1971 ein heftigerer Ausbruch Millionen Tonnen Sand und Asche über León und das umliegende Gebiet aus. Viele Dächer stürzten, bevor der Sand entfernt werden konnte, unter dessen Gewicht ein.

Nach der Ankunft weiterer Gileadabsolventen wurde am 1. September 1952 das dritte Missionarheim eröffnet, und zwar in León. León war eine katholische Hochburg, und es war für die sechs Schwestern schwierig, eine Wohnung zu mieten. Das Werk war fälschlich als kommunistisch dargestellt worden, und den Hausbesitzern wurde mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht, falls sie an uns vermieten würden. Die Missionarinnen mußten viel Geduld zeigen, um mit der weitverbreiteten Unwahrheit fertig zu werden, Jehovas Zeugen seien Kommunisten und würden jeden Monat einen Scheck aus Rußland erhalten. Aber schließlich wurde ein Heim gefunden, und das Werk ging weiter. Fünf Jahre später wurde eine Versammlung mit fünfzehn Verkündigern gegründet. Im April 1971 gab es zwei Teilversammlungen mit insgesamt 120 Verkündigern, die in und um León tätig waren.

Eine großzügige Spende machte es der Versammlung 1963 möglich, ein Grundstück zu erwerben und ihren eigenen Königreichssaal zu bauen. Einige Jahre später wurde auf dem hinteren Teil des Grundstückes ein Missionarheim hinzugefügt. Zwar sind die ersten sechs Missionarschwestern nicht mehr im Heim, doch haben andere ihren Platz eingenommen; aber jetzt haben sie nicht mehr die Sorge, daß sie wegen des auf die Hausbesitzer ausgeübten Druckes umziehen müssen. Jedoch gibt es andere Probleme, die mit der Hilfe Jehovas überwunden werden müssen. León ist ein von Malaria heimgesuchtes Gebiet, und nur wenige Missionare sind dieser Geißel entgangen. Aber es wurden in der Ausrottung der Malaria und ihrer Bekämpfung durch Heilmittel Fortschritte gemacht, so daß sie nicht mehr ein so großes Problem ist.

Die wiederholten Ausbrüche des Cerro Negro waren ebenfalls eine große Last. Ein Missionar berichtet: „Während des Ausbruches fühlten wir uns tagelang schmutzig, voller Sand. Bei den Bibelstudien rieselte, selbst wenn der Wind nur leicht wehte, die Vulkanasche und der Sand von den Ziegeldächern über unseren ganzen Hals und Rücken und über unsere Literatur, so daß wir alles fortblasen und wieder von vorn beginnen mußten — bis zum nächsten Windstoß. Die Brüder hatten sehr viel Mühe, ihre Wohnung sauberzuhalten. Sogar wenn man vier- oder fünfmal am Tag kehrte, reichte dies nicht aus, den Sand und das Knirschen zu beseitigen, das Knirschen unter den Füßen. Aber während der ganzen Zeit gaben es die Brüder nicht auf, sich zu versammeln oder am Dienst teilzunehmen. Sie harrten aus und hatten Freude im Predigtdienst.“

Auch der Regen kann zu den Schwierigkeiten in diesem Land beitragen. Ein starker zehntägiger Regen löste im November 1960 im ganzen Gebiet eine Überschwemmung aus. Die Wasservorräte wurden verschmutzt. In den ländlichen Gegenden wurden Häuser fortgeschwemmt. Einige Brüder verloren alles und brauchten dringend Hilfe. Missionare und andere Brüder gingen in die überfluteten Gebiete, wobei sie Flüsse überquerten, indem sie sich fest an Seile klammerten, um nicht stromabwärts mitgerissen zu werden. Sie behandelten an Malaria erkrankte Brüder und halfen ihnen, in ein höher gelegenes Gebiet zu gelangen. Geistige Ermunterung wurde gegeben, und dann kam im Januar materielle Unterstützung von freigebigen Brüdern aus den Vereinigten Staaten an, die Kleidung gespendet hatten, um für die Bedürfnisse der notleidenden Brüder zu sorgen. Über 1 300 Kleidungsstücke wurden von elf verschiedenen Königreichssälen aus an über 535 Verkündiger und solche, die mit ihnen die Bibel studierten, verteilt.

Als die Missionare von Jinotepe nach Granada, achtundvierzig Kilometer südöstlich von Managua, versetzt wurden, richtete man ein viertes Missionarheim ein. Dieses Heim wurde im Januar 1955 eröffnet. Granada ist die drittgrößte Stadt, und ihre Geschichte geht bis auf das Jahr 1523 zurück; sie wurde von Francisco Hernández de Córdoba gegründet, der auch León gründete. Dieser Binnenhafen liegt am westlichen Ufer des Nicaraguasees, eines der zehn größten Seen der Welt. Granada rühmte sich, gut katholisch zu sein, aber zufolge der inneren Uneinigkeit und der Korruption und Heuchelei der Geistlichkeit schwindet der Einfluß der Kirche.

Drei Schwestern wurden diesem Heim zugeteilt. Sie hatten eine schwierige Aufgabe. Hier fand im Januar 1951 zu Beginn eines öffentlichen Vortrags in einem Park eine gelenkte Pöbelaktion statt. Die Stadt war von Menschenfurcht erfüllt. Es war schwierig, Heimbibelstudien zu beginnen. Aber regelmäßige freundliche Besuche und die Abgabe von Zeitschriften lockerten das Gebiet auf und ermöglichten es, interessierte Personen zu finden. Bevor das Missionarheim gegründet wurde, war 1949 eine Versammlung gebildet worden, aber sie war recht schwach. Es gab kein überwältigendes Wachstum; nur ein spärliches Interesse war während all der Jahre festzustellen. Vielleicht war dies zum Teil der Tatsache zuzuschreiben, daß sich das Heim und der Königreichssaal elf Jahre lang im buchstäblichen Schatten einer gerade gegenüber liegenden katholischen Kirche und Schule befanden. Die Brüder entschlossen sich, ihren eigenen Saal zu bauen, und im September 1966 wurde das Vorhaben schließlich verwirklicht. Es wurde ein großer, geräumiger Saal mit Wohnräumen für Pioniere errichtet. Brüder am Orte bewiesen, daß sie imstande waren, sich um das Werk zu kümmern. Im April 1971 freuten sich vierundvierzig Verkündiger, 174 Anwesende beim Gedächtnismahl zu sehen — fast das Vierfache ihrer eigenen Zahl!

Auf halbem Weg zwischen den Städten Managua und Granada liegt Masaya. Diese an einem großen, tiefen Kratersee gelegene Stadt könnte ohne weiteres die „Souvenir“-Stadt genannt werden, da sie das Zentrum der Herstellung kleiner Artikel für Touristen ist — von Gegenständen aus Seemuscheln, Schildpatt, verschiedenen Hölzern, Strohhalmen, Bambus, Baumwolle und Leder. Bruder Francis Wallace, einer der ersten beiden Missionare, hatte eine Missionarschwester geheiratet. Man beschloß, ihnen Masaya zuzuteilen und dort ein Heim zu eröffnen, da dort reichliches Interesse und Aussichten auf eine Versammlung vorhanden zu sein schienen. Im August 1952 wurde das Heim eingerichtet. Zwei Jahre lang wurde die Missionararbeit in der Stadt durchgeführt. Wie León und Granada war sie vom Katholizismus beherrscht. Viel Same wurde ausgesät und gute Arbeit getan, aber mit sehr geringem Widerhall. So wurde das Heim geschlossen. Aber eine Grundlage war gelegt worden, und im Februar 1965 wurden zwei einheimische Verkündiger, ein Bruder und seine leibliche Schwester, direkt aus den Reihen der Verkündiger zu Sonderpionieren ernannt. Das Gebiet erwies sich als reif, und die Versammlung wuchs. Vier Jahre später wurde es wegen der steigenden Anwesendenzahl bei den Zusammenkünften notwendig, eine Teilversammlung zu gründen. Um Vorbereitungen für diese neue Teilversammlung zu treffen, wurde auf einem geschenkten Grundstück ein Königreichssaal gebaut. Jetzt, erst sechs Jahre nachdem Sonderpioniere Masaya zugeteilt worden sind, gibt es in jeder Teilversammlung über achtzig Verkündiger.

Die kühle Stadt Matagalpa, die sich im gebirgigen Kaffeeanbaugebiet des nördlichen Nicaraguas befindet, wurde im September 1957 der Sitz unseres sechsten Missionarheimes. Ein Ehepaar und zwei Schwestern wurden dieser Stadt zugeteilt. Die Leute hier neigen zur Geselligkeit und legen auf gesellschaftliche Stellungen großen Wert. Die Missionare arbeiteten fünf Jahre lang hart und gaben ein gutes Zeugnis, aber zum Schluß gab es nur einen Verkündiger, der Felddienst berichtete. Wie im Fall von Masaya wurde beschlossen, das Heim aufzulösen und einheimische Sonderpioniere einzusetzen. Es konnte sein, daß sie besser aufgenommen würden als die Nordamerikaner. Nachdem das Missionarheim geschlossen worden war, wurden vier Sonderpioniere zugeteilt. Von 1963 bis 1971 haben die Sonderpioniere fleißig gearbeitet, aber bis jetzt berichten nur sechs Verkündiger, und es schien nicht ratsam, eine Versammlung zu gründen. Das Zeugnis wird jedoch gegeben, und wir sind im ganzen Gebiet gut bekannt.

ARBEIT AN DER OSTKÜSTE

Dschungel und Wälder, von Flüssen durchzogen, bedecken den östlichen Teil Nicaraguas. Zelaya, eines der sechzehn Departamentos Nicaraguas, erstreckt sich nahezu von der Grenze Costa Ricas im Süden bis fast zur Grenze von Honduras im Norden und ist nicht nur das größte Departamento, sondern gebietsmäßig so groß wie die anderen fünfzehn Departamentos zusammengenommen. In diesem gewaltigen Gebiet mit einigen verstreuten Gold- und Silberbergwerken leben nur 6 Prozent der Bevölkerung Nicaraguas, und zwar hauptsächlich an der karibischen Küste.

Viele der kleinen Siedlungen tragen seltsam klingende Namen, was auf den Einfluß der Miskito-Indianer zurückzuführen ist, die diesen Teil des Landes bewohnen. Sie sind nicht wild, und die meisten bekennen sich als Christen, und zwar zufolge der Arbeit von Missionaren der Herrnhuter Brüdergemeine, die sich vor mehr ab hundert Jahren in dieser Gegend niederließen. So überwiegt hier auf religiösem Gebiet die Herrnhuter Brüdergemeine. Später ließen sich die römisch-katholische Kirche und andere Glaubensgemeinschaften nieder.

Die beiden bedeutendsten Städte sind Bluefields und Puerto Cabezas, einst Bragman’s Bluff (Prahlhans’ Bluff) genannt. Auf den Teil der Küste zwischen den beiden Städten — seit 1655 unter britischer Kontrolle — wird manchmal auch als auf die „Moskitoküste“ Bezug genommen. 1860 wurde ein Vertrag unterzeichnet, in dem England alle seine Ansprüche in Nicaragua aufgab, aber Nicaragua übernahm die volle Macht nicht vor 1893. Der Name Bragman’s Bluff wurde dann in Puerto Cabezas umgeändert. Das Gebiet von Bluefields ist durch seine schweren tropischen Regen bekannt geworden; tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn in einem Jahr 500 Zentimeter Regen fallen.

Die meisten Leute hier sind dunkelhäutig; viele sind ursprünglich aus Westindien, von Jamaika, den Caymaninseln und Barbados, ausgewandert, um auf den Bananenplantagen zu arbeiten. Es wurden auch Sägewerke gebaut, um die reichlich vorhandenen Mahagoni-, Kiefern- und Zedernhölzer der Wälder sägen und ausführen zu können. Aber nach und nach erschöpften sich die Wälder oder waren für eine gewinnbringende Verwertung zu weit vom Küstengebiet entfernt. Die Bananenpflanzungen wurden von Seuchen und Trockenfäule so sehr befallen, daß heutzutage von der Ostküste aus keine Bananen mehr exportiert werden. Die Aufmerksamkeit wurde als nächstes dem Anbau von Reis und Bohnen und den Reichtümern des Meeres zugewandt. Eine große Flotte von Garnelen- und Hummerfangbooten arbeitet nun vor Bluefields, und dies wurde zum wichtigsten Wirtschaftszweig; jährlich werden Tonnen an Nahrung, die aus dem Meer kommt, versandt.

Wie vorher erwähnt, besuchten schon im Oktober 1946 einige Missionare die Ostküste, um sie zu erkunden. Das Reisen zu Lande war sehr primitiv, aber die staatliche Flugverkehrsgesellschaft stellte eine Verbindung her. Es wurden Berichte zurückgebracht, die auf sehr viel Interesse hinwiesen. Sogar an den Straßenecken wurden kartonweise Bücher abgegeben. Bruder Knorr machte in einem Brief vom 22. September 1947 an das Zweigbüro den Vorschlag, daß Bluefields zwei Missionaren zugeteilt werden sollte; aber erst fünf Jahre später standen zwei Brüder zur Verfügung, um dorthin zu gehen und ein Missionarheim zu eröffnen. Zu dieser Zeit merkten Casimir Garbinski und Edwin Statland kaum, daß sie das Ziel des Zornes der katholischen Geistlichkeit sein würden, der ein vorläufiges Verbot unseres Werkes bewirkte.

Innerhalb von sechs Jahren wurde eine kleine Versammlung aufgebaut, aber die Brüder benötigten mehr Schulung. Als jedoch einer der Missionare heiratete und fortzog, glaubte man, daß sich Sonderpioniere um das Werk in Bluefields kümmern könnten, und so wurde das Heim im Juli 1958 geschlossen. Einige Sonderpionierschwestern erhielten die Zuteilung, mit der Versammlung zusammenzuarbeiten, aber sie konnten in organisatorischen Dingen nicht die Führung übernehmen. Später wurde ein Bruder zum Aufseher und Sonderpionier ernannt, aber das Werk stand fast still. Es ist jedoch interessant festzustellen, daß die Leute in fast jedem Haus eine Bibel und viele unserer Bücher haben. Sie nehmen die Zeitschriften regelmäßig. Die Brüder waren anscheinend nicht erfahren genug, um andere zur Reife zu bringen. Das Werk gewann tatsächlich an Schwung, als eine Familie aus den Vereinigten Staaten zuzog, um zu dienen, wo Hilfe dringender benötigt wurde. Später kamen noch andere, und nun wächst die Versammlung, und die Zusammenkünfte werden sowohl in Spanisch als auch in Englisch durchgeführt. Fast dreißig Verkündiger berichten nun, und am 15. Mai 1971 war es eine große Freude, 107 Personen zu sehen, die dem Programm zur Bestimmungsübergabe ihres neuen Königreichssaales beiwohnten!

Die zweite bedeutendere Stadt an der Ostküste, Puerto Cabezas, liegt ungefähr 225 Kilometer nördlicher. Diese Stadt von 8 000 Einwohnern wurde im November 1957 ebenfalls Sitz eines Missionarheimes. Casimir Garbinski wurde hierher versetzt, als das Heim in Bluefields 1958 geschlossen wurde. Er trug dazu bei, daß eine Versammlung entstand, und er wurde an der ganzen Ostküste und besonders in Puerto Cabezas bekannt, wo er überall mit dem Fahrrad gewesen war. Im April 1961 wurde er durch Berührung mit DDT teilweise gelähmt und wäre beinahe gestorben. Da er nicht gehen und nicht einmal selbst essen konnte, wurde er ins Zweigbüro nach Managua gebracht, wo die Missionare für ihn sorgten und er ärztlich betreut wurde. Als es klar wurde, daß ihn sein Zustand hindern würde, weiter im Missionardienst fortzufahren, wurde er ins New Yorker Bethel gebracht. Dort besserte sich sein Zustand, und er wurde ein fröhlicher Mitarbeiter der Bethelfamilie. Er arbeitete bis zu seinem Tod im August 1970 mit ganzer Seele an seinen Aufgaben. Viele Leute in Puerto Cabezas erkundigen sich noch nach ihm und sprechen liebevoll von „Bruder Charlie“, wie sie ihn nannten.

Es sind in diesem Gebiet buchstäblich Tonnen von Literatur abgegeben worden. Jeder nimmt sich Zeit, um zuzuhören und über die Bibel zu sprechen. Aber die Herrnhuter Brüdergemeine hat noch einen starken Einfluß auf die Leute; trotzdem ist es nicht so sehr die Furcht vor dem Verlassen der Kirche, die es schwermacht, Neue in Jehovas Organisation zu bringen, sondern vielmehr sind es die gesellschaftlichen Verhältnisse, an die die Menschen gewöhnt sind und von denen sie beherrscht werden. Viele Bibelstudien können begonnen werden, und es ist nichts Ungewöhnliches, 1 000 Zeitschriften in einem Monat abzugeben, aber die meisten Menschen trennen sich nicht von ihrer falschen Religion. Jeder kennt jeden, und sie finden es schwierig, sich von Personen, die ihnen nahestehen, zu trennen. Aber das Werk hat Fortschritte gemacht, und im November 1959 wurde eine Versammlung gegründet. Nachdem das Heim im Dezember 1963 geschlossen worden war, haben die Brüder am Ort die Verantwortung des Predigtwerkes getragen. Wegen der örtlichen wirtschaftlichen Verhältnisse sind einige Brüder fortgezogen, so daß es jetzt weniger Verkündiger gibt als vor zehn Jahren. Aber viele mögen noch empfänglich sein, falls sie richtig belehrt werden. Wir hoffen, daß einige Familien dasein werden, um hier zu dienen und unseren demütigen Brüdern zu helfen, die um mehr Schulung bitten, damit sie anderen beistehen können.

Andere Gegenden dieses riesigen Departamentos sind noch fast unberührt. Im Januar 1966 besuchten sechs Missionare ein Gebiet, in dem die Botschaft niemals zuvor gehört worden war. Sie reisten mit Kombiwagen und Flußboot durch dichten Dschungel, die Heimat von Abgottschlangen, Affen und Alligatoren, bis Bluefields an der atlantischen Küste. Dort konnten sie sich verschiedenen Booten anschließen, die in nördlicher Richtung die „Moskitoküste“ entlangfuhren. In Prinzapolca, an der Mündung des gleichnamigen Flusses, stiegen sie für die Fahrt flußaufwärts durch ein weiteres, gefährlicheres Gebiet nach Siuna auf einen Erzlastkahn um. Von dort aus hatten sie die Möglichkeit, nach Managua zurückzufliegen. Während ihrer Reise führten sie mindestens einmal den Film der Gesellschaft vor und gaben 823 gebundene Bücher und Bibeln sowie gewaltige Mengen Zeitschriften und Broschüren ab. Sie fanden in diesem Gebiet, in dem auf religiösem Gebiet die Herrnhuter Brüdergemeine vorherrscht, viele, die wirklich an der Bibel interessiert waren. (Siehe „Wenn das Predigen zu einem Abenteuer wird“, Erwachet! vom 8. November 1966.) Aber bis heute konnten wir uns nicht auf diese Gebiete konzentrieren, da sie zu sehr zerstreut liegen.

DAS PREDIGEN ENTLANG DEM NICARAGUASEE

Anfang des Jahres 1950 besuchte eine sehr auffallende Persönlichkeit das Zweigbüro in Managua. Es war Abraham Downs, der Sohn eines Adventistenpredigers; er lebte damals in San Carlos, am südöstlichen Ende des Nicaraguasees. Da Herr Downs einen Vollbart trug, wurde er von einigen „Vater Abraham“ genannt. Er wurde als Kenner des Nicaraguasees und seiner Tierwelt angesehen. Nachdem er einige unserer Schriften erhalten hatte, stellte er fest, daß sie Fragen klärten, die die Religion seines Vaters nie beantworten konnte. Da in San Carlos kein Zeuge Jehovas wohnte und auch keiner die Stadt besuchte, beschloß er, uns in Managua zu besuchen, um ein klareres Verständnis der Wahrheit zu erlangen. Und er kam! Wir erfreuten uns alle an seiner Ausdrucksweise, die sich wie das Englisch der Zeit König Jakobs anhörte, und an seinem scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Einzelheiten über den Nicaraguasee. Herr Downs war davon überzeugt, daß Jehovas Zeugen die Wahrheit hatten, und er bat darum, getauft zu werden.

Im März 1950 besuchte der Kreisdiener diesen Bruder und die Gruppe von Personen, die er für die Wahrheit interessiert hatte. Die Reise führte mit dem Bus nach Rivas, mit der coche nach San Jorge am Seeufer und dann mit der alten „Victoria“, einem auf dem See verkehrenden Schiff, das zwei Decks hatte, nach San Carlos — eine sechzehnstündige Schiffsreise.

REINIGUNG DER ORGANISATION

In Nicaragua herrscht im allgemeinen eine schlechte Moral. Viele Männer und Frauen leben ganz offen in wilder Ehe zusammen, und viele Männer haben noch neben ihrer gesetzlichen Ehefrau Mätressen. Ungefähr 53 Prozent der Kinder werden unehelich geboren. Man kann beobachten, daß viele Leute jung heiraten und sich später trennen; da eine Ehescheidung teuer und nur schwer zu erlangen ist, kommt es zu lockeren Verhältnissen nach Übereinkunft. Einige dieser Leute sind für die Botschaft der Bibel empfänglich und studieren mit Jehovas Zeugen.

Von 1945 bis August 1951 waren einige Personen, die ihre Eheangelegenheiten nicht in Ordnung gebracht hatten, in den Zusammenkünften der Zeugen Jehovas zugegen, und einige beteiligten sich am Felddienst. Ein Schneider, der unregelmäßig im Dienst tätig war, lebte mit einer Frau zusammen, die nicht seine Ehefrau war. Später verließ er sie und ließ sich mit einer anderen ein. Als das zweite Übereinkommen nicht gutging, kam er zu der ersten Frau zurück. Ein anderer getaufter Bruder, der im Pionierdienst stand, lud eine Frau ein, mit ihm zu leben, ohne daß er sie heiratete. Im August 1951 stimmten bei 133 Verkündigern in schätzungsweise fünfunddreißig oder vierzig Fällen die Eheverhältnisse nicht mit dem biblischen Maßstab überein. Das Werk hatte jedes Jahr eine Zunahme an Verkündigern aufgewiesen, aber wie stand es mit den Verkündigern, die Unsittlichkeit verübten? Weder ihre Hingabe noch ihr Dienst konnte Jehova annehmbar sein, der sagt: „Und ihr sollt euch mir als heilig erweisen, denn ich, Jehova, bin heilig.“ Auch würde Jehova nicht fortfahren, seine „Schafe“ in eine unreine Organisation hineinzubringen.

Am 31. Oktober 1951 gab Bruder Knorr Anweisungen, alle Unregelmäßigkeiten in Ordnung zu bringen und die Organisation in Nicaragua zu reinigen. Er führte aus, daß wir nicht lediglich versuchten, eine zahlenmäßige Zunahme zu erreichen; das wichtigste wäre eine reine Organisation. Im folgenden Januar sprach dann ein Sonderbeauftragter der Gesellschaft, T. H. Siebenlist, zu den versammelten Brüdern auf einem Kongreß und erläuterte den Maßstab der Bibel hinsichtlich Moral und Ehe. Er erklärte ihnen, daß solchen, die nicht gewillt wären, für Reinheit zu sorgen, die Gemeinschaft entzogen würde und daß keine Berichte von Neuinteressierten mehr angenommen würden, bis ihr Leben dem Maßstab der Bibel entspräche.

Diese Reinigung vollzog sich natürlich nicht an einem Tag oder auch nur in einigen Monaten. Eine Schwierigkeit war am Anfang, daß einige dachten, es wäre nur Gerede und es würden keine Maßnahmen unternommen, um Übeltäter zu entfernen. Aber sie stellten fest, daß sie, obwohl sie freundlich behandelt wurden, hinausgetan würden, wenn sie ihren Lebenswandel nicht in Ordnung brächten. Als Ergebnis sank die Verkündigerzahl 1951 um 7 Prozent, 1952 um 7 Prozent und 1953 um 4 Prozent. Mit einer reinen, gestärkten Organisation und dem erneuten Beweis des Segens Jehovas ging das Werk dann 1954 mit einer 20prozentigen Zunahme der Verkündiger vorwärts. Was die verschiedenen Reaktionen betraf, stellten die Verkündiger fest, daß ein reines Gewissen Freude brachte. Einer berichtete, daß er viele Schwierigkeiten in finanzieller und anderer Hinsicht hatte und zu dem Schluß kam, daß die Ursache sein Leben in Hurerei sei. Nach der Heirat liefen die Dinge viel besser für ihn. Andere, die ihre Ehe legalisierten, waren glücklich darüber.

In Nicaragua besteht auch weiterhin ein niedriges sittliches Niveau; tatsächlich hat es sich noch verschlimmert, wie das weltweit der Fall ist. Aber unter Jehovas Volk besteht ein guter geistiger Zustand, und viele Leute nehmen dies wahr. Ein junger Mann sagte zu einem Missionar: „Ich könnte niemals ein Zeuge Jehovas werden; ich bin viel zu weltlich eingestellt.“ Aber innerhalb eines Monats wurde ein Studium mit ihm begannen, und heute, etwa vier Jahre später, ist er ein sehr aktiver Versammlungsdiener.

WIDERSTAND

Vom Beginn unseres Werkes in Nicaragua an zeigten sich die meisten Leute, obwohl dem Namen nach katholisch, tolerant. Viele Regierungsbeamte standen unserem Werk wohlwollend gegenüber und waren Abonnenten der Zeitschriften. José Frixione, Minister des Distrito Nacional, gab uns die Erlaubnis, die Stadtparks für öffentliche Vorträge zu benutzen, und an mehreren Sonntagnachmittagen wurden im Zentralpark von Managua, der vor dem Nationalpalast und der römisch-katholischen Kathedrale liegt, ohne irgendwelchen Widerstand Vorträge gehalten. Aber als gut angekündigte öffentliche Vorträge in den Haupttheatern der Stadt gehalten wurden, veranlaßten die Androhungen eines Boykotts von katholischer Seite einen Besitzer, Jehovas Zeugen sein Theater für eine weitere Benutzung zu verweigern.

Missionare, die die Gileadschule absolvieren, sind geschult, unter schwierigen Bedingungen zu sprechen, und diese Schulung wurde am 2. Februar 1947, an dem Wahltag, einem schwierigen Test unterzogen, als sich mehrere hundert Leute aus unbekannten Gründen die Straße aussuchten, an der der Königreichssaal liegt, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Es kamen Lastwagen mit bewaffneten Gardeeinheiten, um die Demonstranten zu zerstreuen, und während des ganzen öffentlichen Vortrages wurde direkt vor der Tür randaliert und geschossen, aber die Anwesenden drinnen hörten den Wahrheiten der Bibel aufmerksam zu. In der nächsten Woche war von einem bewaffneten Aufstand die Rede, und zufällig verteilten Jehovas Zeugen Einladungen zu einem Vortrag mit dem Thema „Bewaffne dich zur Verteidigung“. Viele Personen kamen, um dies zu hören, aber die „Waffen“, über die sie etwas lernten, waren geistiger Art.

Unsere eifrige Tätigkeit und das ständige Wachstum des Werkes begannen den Haß der Geistlichkeit zu entflammen. Sie verteilte einige Broschüren und Flugblätter, die unser Werk verleumdeten. Im Januar 1951 kam dann ein offener Angriff auf das Werk und die Brüder. Dies geschah während eines Kreiskongresses in Granada. Als abschließender Höhepunkt sollte im Columbus-Park ein öffentlicher Vortrag gehalten werden. Wir ersuchten den Bürgermeister und den örtlichen Militärkommandanten um Erlaubnis und erhielten sie. Alles war ruhig, als die Brüder in den Park kamen, aber sobald der Redner einige einleitende Worte sprach, ließen die Autos rund um den Park herum ihre Hupen ertönen, und einige katholische Prozessionen, die von Priestern angeführt wurden und Bilder mit sich führten, näherten sich dem Kreis der Zeugen Jehovas und Zuhörer. Der Lärm steigerte sich unter dem Schreien und Kreischen der katholischen Fanatiker so sehr, als wäre man in einem Irrenhaus. Es flogen Steine, und der Redner wurde angespuckt. Jehovas Zeugen hielten es für klüger, sich zurückzuziehen.

La Noticia vom 30. Januar 1951 trug die Schlagzeile „Katholiken haben einen Religionskrieg gegen Protestanten in Granada entfesselt“. In dem Artikel hieß es: „In dieser Stadt herrschte gestern ein totales Durcheinander ..., die Ursache dazu war der öffentliche Vortrag, den Herr W. E. Call um 16 Uhr im Columbus-Park halten sollte. Die Katholiken, ... die im Columbus-Park ankamen, als der Redner begann, ließen nicht zu, daß er seinen Vortrag hielt, denn ein großer Spektakel, Beschimpfungen, Drohungen, Spott und sogar ein Hupkonzert der Autos, mit denen die Katholiken gekommen waren, ging gegen den Redner los. Die Protestanten protestierten ..., aber glücklicherweise beruhigte sieb alles. Die Obrigkeit kam, als alles vorbei war.“

Die Zeitung Flecha vom 6. Februar 1951 druckte Wort für Wort einen langen Brief von Jehovas Zeugen ab, der die Tatsachen darlegte und wie folgt schloß: „Aufrichtige und ehrliche Menschen sind wegen dieses Geschehens empört, gerade wenn Freiheit und Kultur am höchsten stehen sollten. Jehovas Zeugen werden in kommunistisch beherrschten Ländern eingesperrt, geschlagen und getötet ..., aber warum erleiden sie die gleiche schlimme und rohe Behandlung in einer christlichen Stadt, deren Einwohner ausgesprochene Gegner des gottlosen Kommunismus sind?“

Vielleicht hatte die katholische Kirche nicht mit den vielen Stimmen empörten Protestes gerechnet. Auf jeden Fall wurden Jehovas Zeugen in Granada nicht wieder belästigt. Andererseits nahm der Widerstand seitens der Behörden zu. So kam es, daß — als der Zweigdiener, Bruder Call, in das Zweigbüro nach Costa Rica versetzt wurde und Bruder D. R. Munsterman seinen Platz in Nicaragua übernahm — sich der neue Zweigdiener einem großen Problem gegenübergestellt sah.

DAS KÖNIGREICHSWERK UNTER VERBOT

Der erste Hinweis auf Schwierigkeiten kam aus Bluefields. Die Missionare Casimir Garbinski und Edwin Statland waren dieser Stadt zugeteilt und von den Leuten gut aufgenommen worden. Dann wurden sie Ende September 1952 in das Büro von Major Carlos Silva M. gerufen, dem Bezirkshauptmann (einem Gouverneur entsprechend) des Departamentos Zelaya. Major Silva teilte den Missionaren mit, daß sie illegal im Land wären, und gab ihnen drei Tage, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen oder das Land zu verlassen. Der Zweigdiener brachte die Sache vor Hauptmann Arnoldo García, den Leiter des Einwanderungsamtes, der erklärte, daß die Papiere der Brüder in Ordnung wären. Auf Hauptmann Garcías Bitte um Auskunft sandte Major Silva ein langes Telegramm, das Hauptmann García Bruder Munsterman zeigte. Das Telegramm besagte, daß Jehovas Zeugen die katholische Kirche unbarmherzig angriffen und daß er, Major Silva, viele Beschwerden von den kirchlichen Körperschaften in Bluefields erhalten hätte. Zu jener Zeit waren in Bluefields katholische Missionare aus den Vereinigten Staaten tätig.

Dem Zweigdiener wurde gesagt, daß er für das Werk eine Genehmigung vom Minister für Verwaltung und Religion, Dr. Modesto Salmerón, haben müsse. Dr. Salmerón erwog die Sache und lehnte den Antrag auf die Erlaubnis, unser Werk fortzusetzen, ab. Als Ergebnis wurde am 17. Oktober 1952 eine Verordnung herausgegeben, die jede Tätigkeit von Predigern der Zeugen Jehovas in Nicaragua verbot. Diese Verordnung wurde von Hauptmann García vom Einwanderungsamt unterzeichnet und an die Militärkommandanten aller Departamentos Nicaraguas versandt. Missionaren in Bluefields, León, Jinotepe und Managua wurde das Verbot mitgeteilt.

Nach einigen ergebnislosen Einsprüchen beim Ministerium für Verwaltung und Religion und bei Präsident Anastasio Somoza García unternahm der Zweigdiener einige Notmaßnahmen. Er rechnete damit, daß die Missionare jeden Tag ausgewiesen und die Verkündiger des Landes verhaftet und eingesperrt werden könnten. Als vernünftige Vorsichtsmaßregel wurde der Königreichssaal, ein gemietetes Gebäude, geschlossen, und die Brüder begannen in kleineren Gruppen zusammenzukommen. Der Zeitschriftendienst auf der Straße wurde eingestellt, und die Literatur des Zweigbüros wurde auf verschiedene sichere Stellen verteilt. Man nahm einen Rechtsanwalt und beschloß, beim Obersten Gerichtshof Nicaraguas Berufung einzulegen. Der Rechtsanwalt, Dr. Eduardo Conrado Vado, war damals Kongreßmitglied und gehörte der Opposition, der Konservativen Partei, an. Für die Berufung studierte er gründlich unsere Schriften, und ihm gefiel, was er las. Er sagte: „Wissen Sie, es würde nicht viel fehlen, und ich würde auch einer von Ihnen.“

Am 2. Dezember 1952 wurde beim Obersten Gerichtshof eine gerichtliche Verfügung beantragt. Nach Unterbreitung eines kurzen Geschichtsberichts über Jehovas Zeugen und einer Zusammenfassung ihrer Glaubensansichten wurden in dem Antrag die Tatsachen, die zu dem Verbot geführt hatten, wie folgt dargelegt: „Katholiken in der Diözese Nicaragua haben eine systematische Kampagne gegen ... Jehovas Zeugen entfesselt. Eine solche Kampagne hat das Urteil einiger Beamten und Behörden der nicaraguanischen Regierung derart deutlich beeinflußt ..., daß sie die Freiheit der Anbetung durch eine krasse Verletzung der Rechte, die in der Verfassung gewährleistet werden, gefährdet haben.“ Nach Erwähnung der sieben Artikel der Verfassung, die Freiheit der Religion und des Glaubens garantieren, wurde der Gerichtshof in dem Antrag ersucht, die verfassungswidrige Verordnung gegen die Tätigkeit der Zeugen Jehovas aufzuheben.

Das Verbot der Tätigkeit der Zeugen Jehovas und der Antrag auf eine gerichtliche Verfügung gegen dieses Verbot hatten eine Flut von Zeitungsveröffentlichungen zur Folge. Zum Beispiel trug die Zeitung El Gran Diario (Managua) vom 6. Dezember 1952 in großen Buchstaben folgende Schlagzeile: „In Nicaragua das gleiche wie im nationalsozialistischen Deutschland, faschistischen Italien und in Sowjetrußland“. In dem Artikel hieß es auszugsweise: „Möchte Nicaragua im Verzeichnis der antidemokratischen Länder Amerikas aufgeführt werden, welche den allgemein heiligen Grundsatz der Religionsfreiheit mit Füßen treten? Diese Frage wird von den Missionaren der Sekte der Zeugen Jehovas in einem ausführlichen Dokument gestellt, das dem Obersten Gerichtshof in einem Antrag auf eine gerichtliche Verfügung unterbreitet wurde ... In einem anderen Teil des Dokumentes und unter der Überschrift ,Wo werden sie verfolgt?‘ sagen sie: ,Es ist besonders beachtenswert, ehrenwerte Richter, daß Jehovas Zeugen nur in antidemokratischen und totalitären Ländern verfolgt oder ihrer Rechte beschnitten werden, wie in allen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang, im faschistischen Italien Mussolinis und im nationalsozialistischen Deutschland. Andererseits erfreuen sie sich in demokratischen Ländern jeder Freiheit.‘ “

Die Zeitungen wiesen auch darauf hin, von welcher Seite her der Druck auf die Regierung ausgeübt wurde, der zu dem Verbot geführt hatte. Zum Beispiel hieß es in der Zeitung La Prensa, der katholische Erzbischof von Nicaragua, Gonzales y Robleto, habe gesagt, daß Jehovas Zeugen Kommunisten wären. Zu jener Zeit war unser Werk in der Dominikanischen Republik unter Diktator Trujillo verboten, und der nicaraguanische Botschafter in der Dominikanischen Republik übersandte, wie die Zeitung Flecha berichtete, gegen uns gerichtete Informationen. Der Botschafter „sandte einen Ausschnitt aus der [dominikanischen] Zeitung El Nacional, die bekanntmachte, daß die besagte Sekte politischen, kommunistischen Ursprungs ... sei“. Unsere religiösen Feinde wünschten, in Nicaragua den gleichen Zustand herbeizuführen, der in der Dominikanischen Republik herrschte.

Das Verbot und das Aufsehen, das es erregte, brachten Jehovas Zeugen natürlich ins Licht der Öffentlichkeit. Wie würde ihre Reaktion sein? Würden sie zuversichtlich Jehovas großen Namen hochhalten und weiter predigen? Die Mehrheit der Brüder tat es. Aber die Berichte zeigen, daß einige es versäumten, sich durch regelmäßige Anwesenheit bei den Zusammenkünften und durch persönliches Studium zu stärken, und furchtsam wurden. Wenn Wahrheiten der Bibel oder das Königreichswerk erwähnt wurden, sprachen sie im Flüsterton. Die Zahl der Verkündiger sank um 4 Prozent. Die Missionare waren infolge ihrer Reife und Furchtlosigkeit ein Turm der Stärke für die einheimischen Brüder.

Anfang Januar 1953, während des Verbotes, begannen die Missionare von Tür zu Tür zu arbeiten, wobei sie nur die Traktate „Was glauben Jehovas Zeugen?“ und „Jehovas Zeugen — Kommunisten oder Christen?“ benutzten, als Antwort auf die Beschuldigungen gegen unser Werk. Die Zeitungen hörten von dieser Tätigkeit, und sowohl La Prensa als auch El Gran Diario lenkten die Aufmerksamkeit ihrer Leser darauf. El Gran Diario vom 5. Januar 1953 trug die Schlagzeile „Jehovas Zeugen werden weiter in der gewohnten Weise predigen“. Auch wurde unser Werk unter Verbot in der Ausgabe vom 17. Januar mit der Tätigkeit der Christen des ersten Jahrhunderts und ihren Zusammenkünften in den Katakomben verglichen. Da die einheimischen Brüder bei ihrem Predigtwerk nicht belästigt worden waren und die Arbeit mit den Traktaten keine Vergeltungsmaßnahmen der Behörden mit sich gebracht hatte, begannen die Missionare am 1. Februar 1953 wieder damit, von Haus zu Haus Literatur zu gebrauchen, und das ohne Schwierigkeiten.

Am 17. Mai 1953 wurden dann die gegen Jehova und sein Volk gerichteten Lügen und Falschdarstellungen öffentlich aufgedeckt und weggefegt, als alle fünf Richter des Obersten Gerichtshofes einstimmig zugunsten von Jehovas Zeugen entschieden und damit ihre verfassungsmäßigen Rechte auf Religions- und Redefreiheit bestätigten. Die Entscheidung, wie sie am 9. Juni 1953 offiziell freigegeben wurde, besagt zum Teil folgendes: „Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Personen, die zu der als Jehovas Zeugen bezeichneten Sekte gehören, die Berufungskläger, nicht mehr getan haben, als in der Nation ihre eigenen Gedanken und Anschauungen von sich zu geben und bekanntzumachen, wonach sie ihrem ganz persönlichen Gewissen gemäß glauben, für das Wohl des Geistes der Menschen besser und nützlicher zu sein, ohne daß die Behörden, gegen die sich diese Berufung direkt richtet, bewiesen oder auch nur zu beweisen versucht haben, daß Jehovas Zeugen in der Anwendung der von ihnen angewandten Freiheit Handlungen verübt oder zu verüben beabsichtigt hatten, die nach den Gesetzen bestraft werden oder verboten sind ... Folglich ist es einleuchtend, daß die von den Berufungsklägern angeführten Verfassungsvorschriften verletzt wurden und daß deshalb die gerichtliche Verfügung erlassen werden sollte.“

Die einstimmige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gab Anlaß für weitere Zeitungskommentare. El Gran Diario vom 19. Mai 1953 schrieb, daß Jehovas Zeugen als Folge dieser Entscheidung „ihren Glauben frei von Furcht predigen können“. Es hieß darin auch, daß die Entscheidung „die Öffentlichkeit überrascht hat, da sie angenommen hatte, daß der Fall in der Schublade liegenbleiben würde. Einer der Überraschten war der Erzbischof von Nicaragua,“ El Gran Diario erklärte, daß nach der Meinung des Erzbischofs alle Zeugen Jehovas exkommuniziert werden sollten, auch daß der Bischof von León gesagt hätte, daß die Zeugen Jehovas Kommunisten wären und daß sie deshalb bald exkommuniziert würden. Da Jehovas Zeugen nicht römisch-katholisch sind und solche in ihren Reihen, die früher katholisch waren, ihre Verbindung mit dem Katholizismus freiwillig aufgegeben haben, ist es offensichtlich, daß seine Erklärung kein richtiges Verständnis der Situation zeigte.

Man kann leicht erkennen, daß die Verschwörung gegen die Freiheit der Anbetung fehlgeschlagen war. Warum? Weil Jehovas Zeugen in ihrem Predigtwerk fortfuhren und weil viele aufrichtige Personen in Nicaragua, besonders die fünf Richter des Obersten Gerichtshofes, für die Freiheit eingetreten waren. Daraufhin kehrte unser Verhältnis zu der Regierung wieder zu seinem vorigen Zustand zurück und hat sich tatsächlich noch verbessert. Die Beamten sind seitdem freundlich und hilfsbereit. Unseren Missionaren wurde freie Einreise in das Land bewilligt, und das Werk ist nicht behindert worden. Jehova hat eine Tür des Dienstes geöffnet, und seine Zeugen sind eingetreten. Während es im Dezember 1952, unter dem Verbot, etwas über 100 Verkündiger der guten Botschaft waren, zeigte der Jahresbericht für 1971, daß nun 1 654 Verkündiger den Menschen die Wahrheit bringen. — 1. Kor. 16:9.

EINE VERBESSERTE ORGANISATION BESCHLEUNIGT DEN FORTSCHRITT

Am 1. März 1962 löste Bruder L. E. Witherspoon Bruder Munsterman als Zweigdiener ab. Bruder Witherspoon und seine Frau hatten von September 1960 an als Missionare in Guatemala gedient. Kurz vor Bruder Witherspoons Ankunft waren Vorkehrungen für die ersten beiden Klassen der Königreichsdienstschule getroffen worden. Diese Schulungseinrichtung hat sich als ein bedeutender Faktor zur Unterstützung der Diener in den Versammlungen erwiesen. Missionare, Sonderpioniere und Aufseher wurden zu diesen Klassen eingeladen. Bruder A. Bivens, der Zweigdiener von Costa Rica, wurde von der Gesellschaft zum Unterweiser bestimmt. In den Monaten April und Mai 1962 nahmen neununddreißig Brüder und Schwestern an dem Kurs teil. Im Oktober 1967 wurde der Kurs dann neu eröffnet, und einunddreißig Brüder zogen in zwei Klassen sehr großen Nutzen aus dieser Schulung. Diesmal war der Zweigdiener, Bruder Witherspoon, als Unterweiser zugeteilt. Das erwies sich als sehr vorteilhaft, da viele Fragen und örtliche Probleme eingeflochten werden konnten, um die Arbeit zwischen dem Zweigbüro und den Versammlungen zu koordinieren.

Die bis jetzt letzte Klasse der Königreichsdienstschule wurde im November 1970 durchgeführt, wobei siebzehn Diener diese besondere Schulung erhielten. So haben während eines Zeitraumes von acht Jahren siebenundachtzig Verkündiger an der Schule teilgenommen. Die Ergebnisse dieser Schulung sind klar zu erkennen gewesen. Es gibt jetzt nicht nur eine reibungslosere Arbeitsorganisation in den Kreisen und Versammlungen, sondern es hat sich auch die Hilfe, die das Zweigbüro leisten kann, zufolge der besser gewordenen Zusammenarbeit zwischen den Brüdern im Felde und dem Zweigbüro verbessert.

DER BAU EINES BETHELHEIMES UND ZWEIGBÜROS

Vom Beginn des Werkes an hat die Gesellschaft verschiedene Gebäude in Managua als Missionarheime und Königreichssäle gemietet. Jedoch gab es keine Gebäude, die wirklich unseren Zwecken entsprachen. Wie froh waren wir daher, als Bruder Knorr im März 1961 den Bau eines Zweigbürogebäudes und eines Königreichssaales genehmigte. Im April wurde ein Grundstück erworben, und der eigentliche Bau begann im Februar 1962. Erstaunlicherweise wurde dieser Beton- und Stahlbau ohne Verwendung von Maschinen errichtet. Sogar das dicke Betondach wurde mit Hilfe einer „Eimerbrigade“ ausgegossen, indem die Brüder eine Kette bildeten und einander die mit Beton gefüllten Eimer bis oben weiterreichten. Die Baugrube für das Fundament wurde mit der Hand ausgehoben, das Holz mit der Hand gehobelt, und alle Löcher wurden mit der Hand gebohrt. Ein Jahr später, fast auf den Tag genau, war dieses erdbebensichere Heim fertig, und es wurde am 16. Februar 1963 seiner Bestimmung übergeben. Das bereitete über 300 Personen, die den neuen Königreichssaal während des Programms zum Bersten füllten, Freude.

Der erste Stock umfaßt sechs Schlafzimmer, in denen die Missionare wohnen, während sich im Erdgeschoß der Königreichssaal, das Zweigbüro, das Literaturlager und die Küche befinden. Ein großer Hof im hinteren Teil und an der Seite trennt die Garage vom Hauptgebäude. Das Stadtgesetz macht zur Bedingung, daß 30 bis 40 Prozent der Grundfläche eines jeden Bauplatzes als offener Hof unbebaut bleiben müssen. Als das Heim gebaut wurde, nutzte man den gesamten vom Gesetz erlaubten Raum aus. Aber als sich das Werk ausdehnte, wurde mehr Platz für das Literaturlager benötigt. Der Hofraum zwischen der Küche und der Garage war für die Errichtung eines 32 Quadratmeter großen Anbaus vorzüglich geeignet. Aber würden die Stadtbehörden die Erlaubnis erteilen? Bruder Witherspoon ging mit den Plänen zum Minister für Stadtplanung, erklärte unser Problem und bat um seine Vorschläge. Der Minister stellte mehrere Fragen über die Art unseres Werkes und bewilligte uns dann sofort eine besondere Ausnahme des Gesetzes und die Erlaubnis für den Anbau. Er unterzeichnete die Pläne und sagte, daß dies einer Baugenehmigung gleichkäme, so daß wir keine Zeichnungen einzureichen und nichts für eine Baugenehmigung zu bezahlen brauchten. Das dringend benötigte Gebäude für das Literaturlager wurde im Januar 1970, nach zwei Monaten, beendet.

INTERNATIONALER KONGRESS 1966

Der internationale Kongreß 1966 in Lateinamerika, der Bezirkskongreß „Gottes Söhne der Freiheit“, war für Dezember 1966 und Januar 1967 geplant. Der Kongreß in Managua wurde vom 17. bis 21. Dezember auf dem Ausstellungsgelände abgehalten. Ein Höhepunkt des Kongresses war der Besuch von ausländischen Delegierten, die auf einer Sonderreise waren. Diese Brüder kamen am 16. Dezember an; insgesamt kamen ungefähr 320 Personen mit sechs Flugzeugen an.

Nicaragua zeigte sich den Besuchern von seiner besten Seite, um seinem Namen „Das Land des ewigen Sommers“ wirklich Ehre zu machen. Viele der Besucher kamen aus Gegenden, in denen Eis und Schnee lag, und fanden warme, sonnige Tage, blauen Himmel ohne eine Wolke und angenehm kühle Nächte vor. Einige der ausländischen Delegierten stellten fest, daß sie an diesem Klima unbegrenzt Gefallen finden könnten, und sind inzwischen hierhergekommen, um dort zu dienen, wo Hilfe dringender benötigt wird.

Da die meisten der ausländischen Delegierten kein Spanisch sprachen, wurde für sie an drei Kongreßtagen ein besonderes Programm in Englisch veranstaltet. Auf dem sehr geräumigen Ausstellungsgelände saßen die Besucher auf den Betonrängen, die auf beiden Seiten der ausgedehnten Arena aufstiegen. Hinter der blumengeschmückten Bühne erhob sich eine riesige Reliefkarte von Nicaragua, von Bananenpalmen eingesäumt. Am anderen Ende der Arena stand ein Haus mit Rohrwänden und einem Strohdach, wie es für Nicaragua auf dem Lande typisch ist, das viele Kongreßabteilungen beherbergte. Hoch darüber erhob sich das Dach der Arena. Da die Arena an beiden Enden offen war, wurde sie durch einen stetigen Nordostpassatwind gekühlt, der gelegentlich ziemlich stark wurde.

Einige der Missionare schilderten die Geschichte des Werkes in Nicaragua. Dann benutzte ein anderer die Reliefkarte, um zu zeigen, wo das Werk verrichtet wurde und wo noch abgelegene Gebiete waren. Abschließend wurde ein Musikprogramm dargeboten, in dem Missionarschwestern Akkordeon spielten und von einem Chor einige Lieder aus dem neuen Liederbuch gesungen wurden. Den Besuchern gefiel das Programm sehr. Bruder Knorr sagte, ihm seien wegen der Schönheit des Liedes „Gottes Liebe ist loyal“ Tränen in die Augen gekommen.

Der Kongreß begann mit 575 Anwesenden, deren Zahl beim öffentlichen Vortrag von Bruder Knorr am Sonntag auf 1 654 Anwesende anstieg. Dieser Vortrag, „Das Millennium für die Menschheit unter Gottes Königreich“, wurde von Bruder Witherspoon ins Spanische übersetzt. Die einheimischen Brüder schätzten es sehr, daß sie den Präsidenten der Gesellschaft, den Vizepräsidenten und Vorstandsmitglieder in ihrer Mitte hatten und ihren Rat erhielten.

Etwas Besonderes, was die meisten der zu Besuch weilenden ausländischen Delegierten erlebten, war die Reise ins „Venedig der Tropen“, zu den kleinen Inseln des Nicaraguasees. Ein Motorboot fuhr sie zwischen den 300 oder noch mehr kleinen Inseln hindurch, die entstanden waren, als sich beim Ausbruch des mächtigen Vulkans Mombacho ein Lavastrom in den See ergossen hatte. Die heranschlagenden Wellen haben Kanäle durch die Lavainseln gegraben, die nun von tropischen Bäumen, Kletterpflanzen und vielfarbigen Blumen bedeckt sind.

Allzufrüh endete der Kongreß, und wir winkten den Hunderten von Gästen nach, als sie zum nächsten Kongreß nach Costa Rica weiterreisten. Aber die Auswirkungen dieses Kongresses können immer noch beobachtet werden, da Jahr für Jahr neue Zunahmen in unserem Predigtdienst verzeichnet werden.

ANDERE BEZIRKSKONGRESSE

Unsere Bezirkskongresse 1967, 1968 und 1969, die in Wirklichkeit Landeskongresse waren, wurden im Cranshaw-Fußballstadion in Managua abgehalten. Dieses Stadion ist der Sonne ausgesetzt, so daß die Brüder ein großes Tuch als Sonnenschutz über einen großen Teil der Tribünen spannten. Da die Kongresse in der Trockenzeit abgehalten wurden, bestand wenig Gefahr für einen Regenschauer. Das Cranshaw-Stadion liegt in der Nähe der Stadtmitte, und daß es leicht zu erreichen ist, spiegelt sich in den folgenden ausgezeichneten Anwesendenzahlen bei diesen Kongressen wider: 1967: 1 407; 1968: 1 657; 1969: 2 020.

Der nächste Landeskongreß war für den 1. bis 3. Januar 1971 geplant. Man entschied sich, den Kongreß in der Rennbahn von León abzuhalten, unserer zweitgrößten Stadt. So zeichnete sich dieser Kongreß dadurch aus, daß er der erste große Kongreß war, der außerhalb Managuas abgehalten wurde. Würde der Besuch geringer sein? Im Gegenteil, 2 513 kamen zum öffentlichen Vortrag, was die beste Anwesendenzahl war, die wir jemals hatten. Auf all diesen Kongressen trugen die gut dargebotenen Dramen dazu bei, daß das Programm noch viel interessanter wurde und einen größeren erzieherischen Wert bekam.

DIENEN, WO HILFE DRINGENDER BENÖTIGT WIRD

Ein vierseitiger Artikel im Wachtturm vom 15. September 1968 lud Personen ein, denen es möglich wäre, ‘ihre Netze’ im Werk des „Menschenfischens“ in fruchtbareren Gebieten ‘hinabzulassen’. Über Nicaragua mit seinen vielen Seen sagte der Artikel, es sei „ein Gebiet, in dem es sich lohnen würde, als ,Menschenfischer‘ tätig zu sein“. Es gingen Hunderte von Anfragen ein, und 1969 kamen einige Familien an. Die meisten der Ankommenden bemühten sich zunächst, etwas Spanisch zu lernen; dann, als sie die Botschaft darlegen konnten, begannen sie, sich am Felddienst zu beteiligen. Verkündigern, denen es eine Zeitlang nicht möglich war, in Kanada oder den Vereinigten Staaten ein Studium zu bekommen oder durchzuführen, hatten hier mehr als genug Studien.

Gegenwärtig (Mai 1971) dienen neunzehn Familien mit einundsechzig Familienmitgliedern in zehn Versammlungen Nicaraguas. Für viele Familien mit kleinen Kindern erforderte es viel Glauben, um in eine mehrere tausend Kilometer entfernte, völlig neue Umwelt zu ziehen. Ein kanadischer Versammlungsdiener beriet sich mit seiner Familie, und sie kamen zu dem Schluß, daß sie noch zwei wichtige Dinge vor Harmagedon tun wollten: dort zu dienen, wo Hilfe dringender benötigt wird, und Pionier zu sein. Nun freuen sie sich, daß sie beides tun können. Es ist noch Platz für viele weitere da, um sich dieser Vorrechte zu erfreuen.

Wie würde es dir gefallen, in einem Gebiet zu arbeiten, in dem zwei Priester bei verschiedenen Gelegenheiten ihre Mitglieder ermunterten, mit uns zu studieren, da sie glaubten, daß wir ein ausgezeichnetes Werk verrichteten? In einem Dorf suchte eine verzweifelte Witwe kurz nach dem Tod ihres Mannes Trost und Hoffnung bei ihrem Priester. Und eine Hoffnung gab er ihr wirklich! Er überreichte ihr ein Paradies-Buch zusammen mit einer Neuen-Welt-Übersetzung und sagte, daß diese Bücher die wahre Hoffnung enthielten, die sie benötige.

Oder hast du schon von jemand gehört, der die Wahrheit dadurch kennenlernte, daß er eine Männerrobe hochhob und darunterschaute? Eine Schwester berichtet, wie sie einen Schock erhielt, der sie zur Wahrheit führte. Während sie die Kirche saubermachte, hob sie eines Tages die Robe des als „Jesus, der Nazarener“ bezeichneten Standbildes hoch, um darunter sauberzumachen. Zu ihrem Entsetzen hatte er keinen Körper, nur einige zusammengenagelte Stäbe. Dies veranlaßte sie zum Nachdenken. Die Neugierde war nun in ihr geweckt worden, und sie ging von Kirche zu Kirche und schaute unter die Röcke und Kleider der „Heiligen“, um zu sehen, was darunter wäre. Die mißgestalteten Stuckkörper und die staubigen Stäbe, auf denen es von Küchenschaben wimmelte, ließen ihren Glauben an die .. Heiligen“ zusammenbrechen. Sie zerbrach sich den Kopf darüber, bis kurz danach ein Zeuge Jehovas bei ihr zu Hause vorsprach. Selbstverständlich kam es zu einem Studium, und sie ist nun eine Schwester, deren Glaube sich nicht mehr auf Hölzer stützt.

FÜNFUNDZWANZIG JAHRE DER AUSDEHNUNG

Die folgende Aufstellung zeigt anschaulich unsere Ausdehnung während fünfundzwanzig Jahren und einem Jahr. Beachte die Auswirkungen der Säuberung der Organisation von 1950 bis 1955. Obwohl in dieser Zeit keine Zunahme an Verkündigern zu verzeichnen war, wuchsen die Brüder in geistiger Hinsicht, denn die Stundenzahl stieg um fast 100 Prozent. Von damals bis 1971 hat es eine stetige Zunahme gegeben.

Verk.- Ges.-Zahl Versamm- Gilead-

Jahr Höchstz. der lungen absolventen

Stunden

1945 3 2 571 0 2

1950 190 27 245 4 8

1955 190 50 034 9 19

1960 388 92 910 12 23

1965 692 154 075 18 16

1971 1 654 371 681 31 22

Obwohl die endgültigen Zahlen der Volkszählung vom April 1971 noch nicht freigegeben worden sind, rechnet man damit, daß Nicaragua etwa 2 000 000 Einwohner hat. Wird ihnen die gute Botschaft gepredigt? 1 654 Verkündiger machten entschiedene Anstrengungen, 1971 so viele wie möglich zu erreichen, und verbreiteten in diesem einen Jahr 30 847 Bibeln und gebundene Bücher, 10 328 Broschüren, 262 103 Exemplare der Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! und nahmen auch 1 472 Abonnements auf. Sie lehrten ferner durch Heimbibelstudien jede Woche durchschnittlich in 1 913 Haushaltungen. Aber viele Städte, Dörfer und ausgedehnte Landgebiete haben kein Zeugnis bekommen. Es werden mehr Sonderpioniere benötigt, um diese Gebiete zu erreichen, und wir haben die Genehmigung für achtzig Sonderpioniere — verfügen zur Zeit aber nur über siebenundfünfzig.

Daß es noch sehr viele Personen gibt, die den Wunsch haben, etwas über die Bibel zu hören und ihr zu folgen, falls wir sie mit Heimbibelstudien erreichen können, zeigt die Tatsache, daß beim Gedächtnismahl am 9. April 1971 4 710 Personen, fast das Dreifache unserer Verkündigerhöchstzahl, anwesend waren.

So sind fünfundzwanzig Jahre und ein Jahr theokratischer Ausdehnung zu Ende gegangen, aber wir wissen, daß dies für Jehovas treue Diener erst der Anfang zu größeren Dingen ist, denn „für die Fülle der fürstlichen Herrschaft und den Frieden wird es kein Ende geben“. — Jes. 9:7.