Guatemala
Guatemala
GUATEMALA, in Mittelamerika gelegen, ist ein schönes Land ewigen Frühlings mit hohen Bergen, tätigen Vulkanen, blauen Seen und vielen verschiedenen Pflanzen und Tieren. Die meisten seiner über 5 169 000 Bewohner leben in der zentralen Berggegend, wo die Landeshauptstadt, Guatemala City, auf einem 1 500 Meter über dem Meer gelegenen Hochland liegt. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung stammt von den Mayas ab und lebt in Farmgemeinden. Fast alle anderen Guatemalteken sind Ladinos, Mischlinge von spanisch-indianischer Abstammung. Spanisch ist die offizielle Sprache dieses zerklüfteten Landes, aber ein großer Teil der Bevölkerung versteht nur einen indianischen Dialekt.
Die hochragenden Berge, hochgelegenen Seen, das tropische Grün und das angenehme Klima Guatemalas zeugen stumm dafür, daß Jehova Gott der Schöpfer ist. Aber auch hier wie anderswo hat er lebende, intelligente Zeugen für sich erweckt. Sie haben mit beträchtlichen Problemen zu kämpfen gehabt, um die gute Botschaft vom Königreich zu verbreiten. Zum Beispiel kann ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Auch kann sich die Mehrheit des Volkes Reisen, gute Verkehrsmittel und alltägliche Genußmittel zufolge der äußerst geringen Kaufkraft der Löhne der Arbeiter nicht leisten. Wegen der Unbeständigkeit in politischer Hinsicht ist wenig zur Förderung des Fortschritts getan worden. Ferner bietet das bergige Gebiet selbst seine Hindernisse.
Auch die vielen indianischen Dialekte, die mit Spanisch nicht verwandt sind, haben den Fortschritt des Königreichspredigtwerkes erschwert. Auf die Schwierigkeit der Übersetzung der Bibel in diese Dialekte wurde in The Book of a Thousand Tongues (Das Buch der tausend Sprachen), das von der Amerikanischen Bibelgesellschaft herausgegeben worden ist, hingewiesen und gesagt: „In Cakchiquel (Guatemala) kann irgendein Tätigkeitswort seine 100 000 Formen haben, dies zufolge der verschiedenen Silben, die seiner Wurzel angehängt werden können.“ Demzufolge verstehen Leute eines Indianerstammes oft die Sprache ihrer Nachbarn nicht, die nur auf der anderen Seite einer Hügelkette wohnen.
So hat es viele Hindernisse gegeben. Dessenungeachtet hat sich vor Jahren „eine große Tür, die zur Tätigkeit führt“, für die Verkündigung der guten Botschaft vom Königreich in Guatemala aufgetan. Rückblickend können wir nun durch sie eintreten. — 1. Kor. 16:8, 9.
DAS PREDIGTWERK BEGINNT
Beim Rückblick können wir mehrere voneinander getrennte Gruppen unterscheiden, die Gottes Wahrheit durch das Lesen der Publikationen der Watch Tower Society kennenlernten. Diese Schriften kamen in Form des spanischen Wachtturms zuerst aus Spanien. Mit der ersten dieser Gruppen stand ein Engländer namens Fred Cutforth in Verbindung, der in dem abgelegenen Dorf El Rancho, etwa achtzig Kilometer östlich von Guatemala City, wohnte. Im Jahre 1910 besuchte er seinen Bruder Charles Cutforth in Gilbert Plains (Manitoba, Kanada). Charles las das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter, das Charles Taze Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, verfaßt hatte. Das war die erste Berührung, die Fred Cutforth mit dem wahren Christentum hatte. Im Jahre 1919 reiste er wieder mit seiner Familie nach Kanada, wo er Zusammenkünfte besuchte, die in der Wohnung seines ältesten Bruders Herbert abgehalten wurden. Als sich Fred später mit seiner Familie kurz in San Antonio (Texas) aufhielt, besuchte er Zusammenkünfte und wurde getauft.
Ungefähr um dieselbe Zeit las eine andere Person in Guatemala anscheinend die Publikationen der Gesellschaft. Wir wissen dies, weil im spanischen Wachtturm vom 1. April 1919 ihr Name und ihre Adresse mit G. A. Tavel, Apartado 44, Quezaltenango (Guatemala), angegeben wurde. Diese Adresse erschien jedoch in der Ausgabe des spanischen Wachtturms vom 1. September 1920 nicht mehr.
Spät im Jahre 1920 kehrte Fred Cutforth mit seiner Familie nach El Rancho (Guatemala) zurück. Er begann die Wahrheit unter Benutzung der Publikationen der Gesellschaft zu verbreiten. Dabei reiste er mit der Schmalspurbahn, damals das beste Verkehrsmittel, da es fast keine Straßen gab. Bruder Cutforth verteilte das Traktat „Der Fall Babylons“. Er versandte sogar Schriften und lud Interessierte ein, mit ihm in Verbindung zu treten. Bruder Cutforth studierte auch weiter mit seiner Familie, und sein Sohn Robert erinnert sich noch, wie sein Vater Lieder der Bibelforscher auf seiner Ziehharmonika spielte, während die übrigen Familienglieder dabei sangen.
Im Jahre 1930 kehrte Fred Cutforth mit seiner Familie nach Kanada zurück. Doch brachte etwas von dem Samen der Wahrheit Frucht, den er in Guatemala ausgesät hatte.
Während desselben Jahrzehnts, in dem Fred Cutforth östlich von Guatemala City wohnte und predigte, nahm ein anderer Mann im weit entfernten Westen das Wasser der Wahrheit ebenfalls in sich auf. Es war Servando Flores aus Nuevo San Carlos in der Ebene der pazifischen Küste, die üppiges Wachstum aufweist. Im Jahre 1923 bekam er von einem Maultiertreiber, der auf einer Kaffeeplantage beschäftigt war, ein Exemplar des spanischen Wachtturms. Er erkannte daraus den echten Klang der Wahrheit und schrieb um weitere Literatur nach
Spanien. Servando Flores war damals eine Säule der presbyterianischen Kirche und diente als Kassierer und Ältester. Doch auch er begann zu anderen über die Wahrheit zu sprechen. Bald las eine kleine. zur Kirche gehörende Gruppe die Literatur der Gesellschaft und hatte Bibelbesprechungen.Presbyterianische Bekannte beschuldigten sie bald, daß sie politische Besprechungen führe. Die Geistlichkeit, besonders der ausländische Missionar Pablo Burgess, das Haupt der westlichen presbyterianischen Kirche, begann zum Widerstand aufzureizen. Nachdem Servando Flores viel Spott und Hohn erduldet hatte trat er aus Babylon der Großen aus. Er hatte am 12. Juni 1925 den letzten presbyterianischen „Gottesdienst“ besucht. Pablo Burgess und andere Kirchenälteste besuchten ihn in der Hoffnung, ihn zur Umkehr zu bewegen. Aber diese presbyterianischen Führer waren absolut unfähig, ihre heidnischen Glaubensansichten vor demütigen Arbeitern, die die Bibel hochhielten, zu verteidigen. Tatsächlich waren diese Kirchenleute schnell bereit, die Inspiration gewisser Teile der Bibel, die mit ihren falschen Lehren unvereinbar waren, zu verleugnen. Als er ihre Absichten vereitelt sah, wurde Pablo Burgess derart erzürnt, daß er ein Traktat gegen die Bibelforscher in Umlauf setzte, betitelt: „Ein offener Brief an den Russellismus“.
Zur Widerlegung schrieben Servando Flores und Samuel Mazariegos, einer der ersten Mitverbundenen, die Broschüre „Zur Verteidigung der Wahrheit“. Sie wurde von den Brüdern verbreitet, und obwohl im Jahre 1929 gedruckt, war sie im Einklang mit dem gegenwärtigen Verständnis der Heiligen Schrift. Interessanterweise fängt sie mit folgendem Zitat aus dem Traktat von Pablo Burgess an: „Immer noch lebt in meinem Gedächtnis die Begegnung, die ich im Jahre 1912 mit Pastor Russell in einem Hotel in der Schweiz hatte. Schon bevor ich wußte, wer er war, machte sein ehrwürdiges Aussehen, der Wohlklang seiner Stimme und sein angenehmes Benehmen lebhaften Eindruck auf mich. Und jetzt, da ich eben nochmals seinen Göttlichen Plan der Zeitalter gelesen habe, fühle ich mich von neuem von der Kraft seiner Persönlichkeit überwältigt. Wenn er zur Verteidigung der Bibel spricht, wenn er die Argumente Ungläubiger zurückweist, überträgt sich seine Überzeugung meinem Herzen, und ich sage: ,Dies kann kein schlechter Mann gewesen sein.‘ Mit schwungvoller Feder behebt er Lehrschwierigkeiten und entscheidet die Deutung der Bibel, die an den Kräften der besten christlichen Denker des zwanzigsten Jahrhunderts gezehrt hat.“ Natürlich fuhr Burgess darauf fort und widerrief seine ersten Ansichten.
Der spanische Wachtturm vom Januar 1927 enthält einen Brief, der von der Gründung einer „neuen Klasse“ in Guatemala berichtet. Er ist mit „S. F. G.“ (Servando Flores Gramajo) unterzeichnet. Folglich war die reine Anbetung um jene Zeit in Nuevo San Carlos eingeführt worden. Jehovas Volk ist dort fortgesetzt tätig gewesen, und heute gibt es in dieser Stadt eine Versammlung von fünfzig Königreichsverkündigern,
wozu auch die Witwe von Servando Flores, seine Kinder und Enkelkinder gehören. Einer seiner Söhne hat als Aufseher in der Versammlung gedient.Zwischen 1923 und 1930 korrespondierte Bruder Flores in Westguatemala mit Fred Cutforth in El Rancho. Es scheint jedoch, daß sich die beiden Männer nie trafen.
Während derselben Zeit erhielt eine Person in Guatemala City den Wachtturm aus Spanien und verbreitete ihn unter anderen. Dieser Mann war schon im Jahre 1913 an der Bibel interessiert, aber wir wissen nicht genau, wann er zum erstenmal in den Besitz der Publikationen der Gesellschaft gelangte. Im Jahre 1928 erhielt er jedoch von der Gesellschaft Verbreiterexemplare der Zeitschriften. Wieso wissen wir dies? Nun, am 25. Dezember 1928 empfing Trinidad Paniagua durch diesen Verbreiter ein Wachtturm-Exemplar. Paniagua forschte der Adresse nach, die auf der Zeitschrift aufgestempelt war, um diese Person ausfindig zu machen. Noch am selben Tag erlangte er die Adresse der Gesellschaft in Spanien, und danach empfing er die Publikationen fortlaufend und studierte sie.
Etwas sehr Interessantes ereignete sich nun. Eine amerikanische Schwester namens Johnson kam durch Mittelamerika und gab in Guatemala und anderswo Zeugnis. Wir wissen nicht, ob sie aus noch einem anderen Grund Zentralamerika bereiste, aber sie muß mit der Watch Tower Society in Berührung gewesen sein, denn sie besaß Adressen von Personen, die deren Literatur lasen, und suchte sie auf, um sie zu ermuntern. Schwester Johnson fand die Wohnung von Trinidad Paniagua und sprach mit ihm über die Verbreitung des Wortes. Sie sprach nur wenig Spanisch, aber sie tat in Guatemala City und in den Dörfern der Umgebung viel Dienst von Haus zu Haus.
Als Schwester Johnson in der Hauptstadt Zeugnis gab, kam sie mit Eduardo Maldonado, einem armen Schuhmacher, in Berührung. Da ihn die Lehren seiner katholischen Religion nicht befriedigten, hatte er sich einige Zeit vorher eine Bibel beschafft. Obwohl ihm daran gelegen war, die Literatur zu erwerben, die Schwester Johnson anbot (zum Beispiel die Bücher Schöpfung und Versöhnung), konnte er wegen seiner wirtschaftlichen Lage nur einige wenige Broschüren abnehmen. Als die Schwester von neuem kam, war es ihm immer noch nicht möglich, für die Publikationen den Beitrag zu geben, aber er bot ihr ein Paar Schuhe für einen Satz Bücher an. Sogleich ging die Schwester auf das Angebot ein. Eduardo Maldonado wird dieser reisenden Schwester stets dankbar sein, und er drückt seine Gefühle in folgenden Worten aus: „Wäre sie nicht bereit gewesen, sich auf einen Tausch einzulassen, so hätte ich mir die Literatur, die für mich das Erlangen lebengebender Erkenntnis bedeutet hat, unmöglich beschaffen können.“
Schwester Johnson gab Eduardo Maldonado die Adresse von Trinidad Paniagua, und er begann mit Bruder Paniagua zu korrespondieren. Wie
lange Schwester Johnson in diesem Lande blieb, wissen wir nicht. Aber wir fragen uns, ob sie die eine Pionierin war, von der im Bulletin vom Januar 1933 erwähnt wird, sie habe während der Sonderzeugniszeit vom 1. bis 9. Oktober 1932 in Guatemala gewirkt.Das Werk in Guatemala befand sich damals unter der Aufsicht des Zweigbüros der Gesellschaft in Mexiko. So besuchte Roberto Montero, der Zweigaufseher, im Jahre 1933 die Gruppen in Guatemala. Er traf Bruder Flores in Nuevo San Carlos. In Guatemala City führte er Bruder Paniagua und Bruder Maldonado sowie andere Interessierte zusammen. Er nahm Bruder Paniagua mit und besuchte Carmen de Mayorga, die sich bisweilen in der Hauptstadt aufhielt, aber die Publikationen der Gesellschaft mit zwei Frauen in Zacapa, weit im Nordosten, studierte.
Bruder Montero versuchte vergeblich, die behördliche Erlaubnis zum Halten einiger Bibelvorträge durch Radio zu erlangen. So ließ er durch die Hauptzeitung El Imparcial je 15 000 von zwei Traktaten drucken: Friede, Wohlfahrt und Glück und Die Hoffnung der Welt. Bruder Maldonado wurde mit der Verbreitung derselben betraut. Außer in Guatemala City wirkte er in Zacapa und im nahen Chiquimula. Bruder Paniagua begab sich mit der Bahn nach Port San José an der pazifischen Küste. Eine Gruppe arbeitete in dem Dorf Fraijanes, und dort wurde vor etwa zwanzig Personen eine Ansprache gehalten. Traktate wurden auch an Servando Flores zum Gebrauch in Nuevo San Carlos gesandt.
In Guatemala City gab es Störungen durch die Polizei. Einmal wurden die Brüder in die Polizeizentrale mitgenommen, aber der Polizeichef ließ sie frei, nachdem den Beamten, die sie dorthin gebracht hatten, erklärt worden war, die Literatur sei gegen den Teufel, den Feind Gottes und des Menschen, gerichtet. Er regte sogar an, daß jeder ein Traktat annehme, um es selbst zu lesen.
Erst im September 1937 wurde Guatemala wieder von einem Vertreter aus Mexiko besucht — diesmal von Daniel Ortiz. Er blieb drei Monate bei Bruder Paniagua, arbeitete fleißig von frühmorgens bis zum späten Nachmittag im Dienst von Haus zu Haus. An Wochenenden schlossen sich ihm die Brüder Maldonado und Paniagua an, die nun aus erster Hand Schulung im Predigtdienst erhielten. Zuvor hatten sie nur Traktate auf Straßen und in Parks verteilt.
Im Jahre 1938 zogen die Söhne von Fred Cutforth, Robert und Samuel, nach El Rancho. Später ließen sie sich in San Antonio, nicht weit von Bruder Flores’ Wohnung, nieder. Ihr Onkel in Kanada bat das Zweigbüro in Mexiko, mit ihnen in Berührung zu bleiben, und so wurde ihnen ein Schreiben gesandt, in dem sie ermuntert wurden, zum persönlichen Gebrauch und zur Verbreitung der Wahrheit Druckschriften entgegenzunehmen.
Im Jahre 1940 besuchte Bruder Montero Guatemala von neuem. Während seines Aufenthalts symbolisierten die Brüder Maldonado und
Paniagua ihre Hingabe an Gott durch die Wassertaufe. Bruder Montero nahm Bruder Maldonado zum Besuch der Gruppe in Nuevo San Carlos mit, und bei diesem Anlaß wurden dort zwei oder drei Personen untergetaucht. Bruder Fred Cutforth war der erste im Lande lebende getaufte Christ gewesen, doch nachdem er im Jahre 1930 nach Kanada gezogen war, hatte es keine getauften Diener Jehovas in Guatemala gegeben.Bruder Montero traf Vorkehrungen für einen öffentlichen Vortrag, der in einem Saal in der Hauptstadt gehalten werden sollte. Ferner wurde das bescheidene Heim von Bruder Maldonado zu einem Zentrum der Predigtorganisation gemacht. Die Ankunft einer Literatursendung aus Mexiko City machte auf Francisco, den elfjährigen Sohn Maldonados, einen solch lebhaften Eindruck, daß er sagte: „Ein Lastwagen voller Schachteln mit Grammophonen, Schallplatten, Büchern und Zeitschriften war vor unserem Haus angekommen. Da wir arm waren, teilten wir das Haus mit vielen Familien, und sie alle hatten kleine Wohnungen darin. Unser Haus war ganz voll von diesen Kartons, sie wurden im Hausflur und an jedem anderen verfügbaren Platz aufgestapelt. War das eine Aufregung!“ Er erinnert sich, daß sein Vater und mehrere andere Brüder nun Sonntag um Sonntag frühmorgens weggingen, um einen ganzen Tag im Predigtdienst zu verbringen.
Auch kehrte um das Jahr 1940 Schwester Johnson nach Guatemala zurück. Während sie in San Salvador weilte, ging ihr das Geld aus. Aber ein Arzt, der der Wahrheit freundlich gesinnt war, half ihr aus, so daß sie die Reise fortsetzen konnte. Als die Brüder von Guatemala sie in einem kleinen Hotel besuchten, suchte sie sie immer geistig aufzuerbauen, obwohl sie selbst, älter geworden, ziemlich schwach war.
Der Tod des zweiten Präsidenten der Gesellschaft, J. F. Rutherfords früh im Jahre 1942 ergriff Bruder Maldonado tief. Francisco Maldonado erinnert sich noch, wie ernst und traurig sein Vater ausgesehen hatte, als ihm die Nachricht übermittelt wurde, daß ein großer Mann und Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit gestorben war.
Später in jenem Jahr traf Amy Campbell aus Tiquisate, das in der pazifischen Küstenebene liegt, Bruder Paniagua. Wann diese farbige Frau und ihr Mann die Schriften der Gesellschaft zuerst lasen, wissen wir nicht. Doch bevor Amys Gatte starb, war auch er in der Wahrheit gegründet. Auf das Ersuchen Amy Campbells hielt Bruder Paniagua die Ansprache bei der Gedächtnismahlfeier in Tiquisate. Während dieses Besuches taufte er auch Schwester Campbell in einem nahen Fluß.
Im Mai 1943 besuchten Bruder Paniagua und Bruder Maldonado Schwester Campbell und interessierte Personen, die sie in ihrem Pionierdienst gefunden hatte. Bruder Maldonado beschloß ferner, die Gruppen der Cutforths und Flores zu besuchen, da er schon nach Tiquisate, mehr als den halben Weg dorthin, gekommen war. Obwohl
er dachte, aus finanziellen Gründen nicht weiterreisen zu können, tat er es dennoch und wurde in geistiger und materieller Hinsicht belohnt. Es führte zu einem Austausch von Ermunterung, und die Brüder gaben ihm Früchte und einen kleinen finanziellen Beitrag als Ersatz für die Zeit, die er im Schuhmachergewerbe eingebüßt hatte.Im Jahre 1943 starb Servando Flores in Nuevo San Carlos und hinterließ eine Witwe und minderjährige Kinder. Bestimmt empfanden sie besonders den Verlust des geistigen Hauptes der Familie. Es war der Tod des ersten Gott hingegebenen Zeugen Jehovas, der in Guatemala unaufhörlich tätig gewesen war.
MISSIONARE TREFFEN EIN
Spät im Jahre 1943 oder früh im Jahre 1944 geschah etwas Besonderes. Der Präsident der Gesellschaft, N. H. Knorr, besuchte zusammen mit Milton Henschel Guatemala, um zu sehen, was getan werden könnte, um die wahre Anbetung hier auszudehnen. Die Brüder, die damals mit ihnen in Maldonados Wohnung zusammenkamen, erinnern sich heute noch des Versprechens von Bruder Knorr, sein möglichstes zu tun, um Missionare zu senden, die helfen würden, das Werk in diesem Land zu organisieren.
Wie das Bruder Maldonados und Bruder Paniaguas Herz erregte! Bruder Paniagua erinnert sich, daß man ihn manchmal fragte: „Wo kommt ihr zusammen?“ Er sagt: „Wir waren sehr traurig, weil wir keinen Ort hatten, wo wir Interessierte versammeln, und keine Organisation, in die wir sie einführen konnten. Wir pflegten zu ihnen zu sagen: ,Sehr bald werden wir einen Platz haben, wo wir zusammenkommen.‘ Wir hatten die Zuversicht, daß uns Jehova in der Zukunft auf irgendeine Weise segnen und daß seine Organisation für das sorgen würde, was wir benötigten.“ Die Aussicht auf Hilfe durch Missionare gab uns nun die Hoffnung auf eine bessere Organisation zur Förderung der Königreichsinteressen.
Die Regierung gab der Gesellschaft keine Bewilligung, Missionare nach Guatemala zu senden. Aber im Jahre 1944 befand sich das Land in den Wehen einer großen politischen Umwälzung. Durch die Revolution wurde dem Ubico-Regime die Macht genommen, und die nachfolgende Regierung gewährte die erbetene Bewilligung. Im März 1945 kam Bruder N. H. Knorr mit F. W. Franz nach Guatemala zu Besuch, um die Vorbereitungen für das Kommen von Missionaren abzuschließen.
Dann kam der wichtige Tag — der 21. Mai 1945. John und Adda Parker, Absolventen der ersten Klasse der Gileadschule, trafen in Guatemala ein. Welche Freude dies den Brüdern hier bereitete! Bruder Paniagua sagt: „Es war genau das, was wir benötigten: Lehrer des Wortes Gottes, die uns verstehen halfen, wie wir im Werke vorgehen sollten.“ Bruder Maldonado erklärt: „Diese Brüder betätigten sich sogleich und begaben sich notwendigerweise auf die Suche nach einem
Haus, das für die Gründung der ersten Versammlung Guatemalas das richtige wäre.“ Sein Sohn Francisco, damals fünfzehn Jahre alt, bemerkt: „Was für ein Unterschied das war! In nur wenigen Tagen war der erste Königreichssaal direkt im Zentrum der Stadt, Calle 16 und Avenida 5, bereits in Gebrauch, und ich hatte das Vorrecht, zu den zehn Personen zu gehören, die der ersten Zusammenkunft beiwohnten. Jetzt studierten wir den Wachtturm jeden Sonntag, und nur wenige Wochen vergingen, so wurde auch schon die Theokratische Predigtdienstschule eröffnet.“ Wiewohl Schwester Flores mit ihren sieben minderjährigen Kindern in dem abgelegenen Ort Nuevo San Carlos wohnte, war auch sie begeistert. Sie sagte: „Oh, was für eine Freude, zu wissen, daß zum erstenmal Missionare hier sind! Welche Vorkehrung Jehovas Gottes!“Was aber hielten die Missionare selbst von dieser Zuteilung? Schwester Parker sagt uns: „Am Tage unserer Ankunft besuchten wir Bruder Maldonado, und am folgenden Sonntag waren wir mit seiner Familie im Dienst. Die Stadt war klein, und selbst die Hauptstraßen hatten Kopfsteinpflaster. Als unsere Suche nach einem Missionarheim in der zweiten Woche zu Ende war, zogen wir ein. Es wurde ein glücklicher Monat, da ich das Vorrecht hatte, mit meinem gebrochenen Spanisch siebzehn Studien einzurichten.“ Die Parkers dienen heute noch hier als Missionare.
Der Monat August desselben Jahres war gekennzeichnet durch die Ankunft von Charles Taze Russell Peterson und seiner Frau Freida, dem zweiten Missionarehepaar. Damals gab es noch nicht die gleiche Missionarheim-Vorkehrung wie heute, sondern diese zwei Ehepaare arbeiteten als Sonderpioniere bei einer geringen Zuwendung. Sie mußten Möbel kaufen und alles einrichten; aber unverzüglich machten sie sich eifrig an das Predigtwerk. Bruder Peterson beschreibt den ersten Zeugnisdienst auf der Straße wie folgt: „Am zweiten Sonnabend nach unserer Ankunft beschloß ich, an jenem Abend Zeitschriftendienst auf der Straße zu tun. Ich nahm meine Tasche voll Literatur mit, und in anderthalb Stunden war sie leer; ich hatte zweiunddreißig Zeitschriften, vierunddreißig Broschüren, vier Bücher und eine Bibel abgegeben.“
Am 1. März 1946 trafen sechs weitere Missionare ein, alles ledige Schwestern. Eine davon, Marjorie Munsterman, berichtet folgendes: „Wir erkannten, daß uns eine neue Lebensweise, eine fremde Sprache und eine andere Kultur erwarteten. Oft hatten wir uns gefragt: Werden wir in einem Haus wohnen, das einen Lehmfußboden hat? Werden wir auf einem Holzkohlenofen kochen? Wird das Haus mit Kerzen beleuchtet sein? Unsere Befürchtungen wurden schnell zerstreut, als wir im Missionarheim ankamen, in einer neuen geräumigen Etagenwohnung im zweiten Stock, ausgestattet mit einem hübschen glänzenden Fliesenboden, mit elektrischem Licht in allen Zimmern und sogar mit einem elektrischen Kochherd.“ Ann Munsterman stimmt zu: „Welch ein Segen,
ein schon bereitgemachtes Heim zu erhalten! Wir machten uns an die Arbeit, und was für ein Gefühl, nichts, was um uns her vor sich ging, zu verstehen! Nie konnten wir uns von unserem spanischen Wörterbuch trennen. Aber die Leute waren sehr geduldig, und unsere Zeugnistätigkeit gedieh.“Wie glücklich waren die siebenundsiebzig Personen, die beim Abendmahl des Herrn in jenem Jahr anwesend waren! Zehn Missionare befanden sich nun im Lande, und es gab einen Königreichssaal. „Wie ich doch die Arbeit bewunderte, die diese Missionare taten, damit weitere Personen die Wahrheit kennenlernen und auch die Zusammenkünfte besuchen konnten!“ bemerkt Bruder Paniagua.
DER FORTSCHRITT WIRD OFFENSICHTLICHER
Nach einem weiteren Besuch von Bruder Knorr und Bruder Franz am 10. Mai 1946 kam es zur Gründung eines Zweigbüros der Gesellschaft in Guatemala, und die Missionarheim-Vorkehrung wurde eingeführt. Zum weit und breit bekanntgemachten öffentlichen Vortrag waren der Königreichssaal und einige andere Räume mit 187 Personen gefüllt. Nach der Ansprache wurde den fünfundsechzig Personen, die noch dablieben und dann am Wachtturm-Studium teilnahmen, ein Lunch serviert. Wie Bruder Maldonado sagt, hatte Bruder Knorr erklärt, er werde ihnen, wenn eine gewisse Zahl anwesend wäre, Eiscreme geben lassen. Obwohl die Zahl etwas kleiner war, „bekamen wir trotzdem Eiscreme“, wie er sagt.
Der theokratische Fortschritt wurde jetzt ganz offensichtlich. Das Buch Die neue Welt wurde in Spanisch freigegeben. Am 9. Juni wurden anläßlich der ersten Taufe seit der Ankunft der Missionare zwölf Personen untergetaucht, unter ihnen Bruder und Schwester Antonio Molina, Bruder Alberto Mariles und Schwester Eudalda Peralta, die alle immer noch im Dienste Gottes tätig sind. Im Juli besuchte Bruder Parker, der damalige Zweigaufseher, die Gruppe in San Antonio, wo eine Versammlung von zehn Verkündigern gebildet wurde. Während dieses Besuches wurden fünf Personen getauft, darunter Bruder Lucilo Tello, der immer noch als Sonderpionier dient. Nach etwas mehr als einem Jahr, da die Missionare tätig gewesen waren, beteiligten sich etwa fünfzig Verkündiger am Predigen der Königreichsbotschaft in Guatemala.
Die Missionare erregten bestimmt sehr viel Interesse. Marjorie Munsterman berichtet: „Der Straßendienst war etwas ganz Neues. Es war in Lateinamerika ungewohnt, daß anständige, achtbare Frauen an der Straßenecke standen und etwas anboten. Obwohl die Leute zu Anfang nicht recht wußten, was sie über uns denken sollten, zerstreute doch unsere Ausdauer und die Tatsache, daß sie mit dem Inhalt der Zeitschriften vertraut wurden, bald irgendwelche falschen Gedanken, die sie gehabt haben mochten. Bis heute haben die Zeitschriften wegen ihres auferbauenden Aufschlusses einen vorzüglichen Ruf.“ Ein Zeitungsartikelschreiber,
der den Eifer der Zeugen Jehovas im Zeitschriftendienst auf der Straße bemerkte, gab später folgenden Kommentar: „Wenn die Katholiken so wären, so gäbe es vielleicht keinen solch alarmierenden geistigen Zusammenbruch, wie wir ihn heute in der Kirche sehen.“Auch der Dienst mit den Zeitschriften von Laden zu Laden wurde eingeführt, und die Geschäftsleute kannten bald die „Atalaya-Mädchen“ („Wachtturm-Mädchen“). Auch wurde das Zeugnisgeben mit Zeitschriften in Parkanlagen „von Bank zu Bank“ eingeführt und ist bis heute ein erfolgreicher Zweig unserer Tätigkeit geblieben.
Die zehn Missionare konnten im Jahre 1946 den ersten internationalen Nachkriegskongreß der Zeugen Jehovas in Cleveland (Ohio) nicht besuchen. Doch ließ ihnen die Gesellschaft durch Ted Siebenlist, Zweigaufseher von Costa Rica, zuvorkommenderweise einen direkten Bericht über die Kongreßereignisse überbringen. Damals fand der erste wirkliche Kongreß von Gottes Volk in Guatemala statt, auf dem eine Höchstzahl von 188 Anwesenden verzeichnet wurde.
Acht weitere Missionare trafen am 21. Oktober 1946 ein, darunter Bruder und Schwester Aubrey Bivens und Bruder und Schwester David Hibshman, und im November Don Munsterman und Charles Beedle. Rasch wurde der Königreichssaal immer voller. Bruder Paniagua dachte darüber indes wie folgt: „Auch wenn ich es damals nicht äußern konnte, machte es mich doch sehr glücklich, zu sehen, daß im Saal nicht mehr genügend Sitzplätze für alle vorhanden waren. Mein Herz floß über vor Freude, daß wir nun Brüder hatten, die uns helfen und uns mit der notwendigen geistigen Speise versorgen konnten.“
DAS INNERE DES LANDES WIRD ERREICHT
Früh im Jahre 1946 kamen der deutsch sprechende Martin Lisse, seine Frau und seine Tochter von Kanada und siedelten sich in Coban, in den zerklüfteten Bergen nördlich der Hauptstadt, an. Auf einem Maultier reitend, predigte Bruder Lisse etwa ein Jahr lang dort eifrig, bis die Gesundheit seiner Frau es erforderte, daß sie sich in ein trockeneres Klima begaben. Die Familie ließ sich dann in Antigua nieder, der ehemaligen Hauptstadt von Guatemala. Diese war im Jahre 1773, als sie im Zenit ihres Glanzes als römisch-katholisches Religionszentrum von Mittelamerika stand, durch ein Erdbeben zerstört worden. Künftigen Generationen wurden die Ruinen der Religionsbauten überlassen sowie die Überlieferung von der vergangenen religiösen Herrschaft. In dieser Atmosphäre, inmitten von Unduldsamkeit, verbreitete Bruder Lisse die Wahrheit des Wortes Gottes. Über seine Tätigkeit schrieb der amerikanische Schriftsteller Albert E. Idell ein Kapitel in seinem Buch Doorway in Antigua (Torweg in Antigua), in dem er sagte: „Ich bewundere den Glauben des kleinen Mannes und seinen Mut. Ich wünsche
sehnlichst, die Kraft zu verstehen, die ihn antreibt und die ihn unter Verhältnissen, die Männer von geringerem Glauben entmutigen würden, hier hat bleiben lassen.“ Von den Gliedern der heutigen Versammlung in Antigua hörte die Familie Solorzano und Pedro Gonzales die Wahrheit zum erstenmal durch die Bemühungen von Bruder Lisse.Der erste Kreiskongreß wurde im Jahre 1947 in Verbindung mit dem Abendmahl des Herrn abgehalten. Auch Brüder von außerhalb der Hauptstadt waren anwesend und konnten die richtige Art und Weise beobachten, wie man des Todes Jesu Christi gedenkt. Siebzig besuchten die Gedächtnismahlfeier und 178 Personen die Zusammenkunft für die Öffentlichkeit. Um die Gedächtnismahlzeit im Jahre 1948 nahmen 118 Verkündiger am Dienst teil. Im Mai diente ein „Diener für die Brüder“, Joshua Steelman, den zwei Versammlungen, die es damals in der Hauptstadt gab, und 252 Personen besuchten dort einen Kongreß.
Um das Jahr 1949 kaufte die Gesellschaft ein großes, modernes Haus in Guatemala City. Dort wurde das Zweigbüro eingerichtet; der Innenhof wurde für einen Königreichssaal überdacht, und die Missionare zogen aus ihren zwei früheren Heimen in dieses Haus ein. Doch gab es nicht genug Raum für sie alle. So wurden sechs Missionare, mit Einschluß der Ehepaare Bivens und Hibshman, der 2 380 Meter über dem Meer gelegenen Stadt Quezaltenango, das heißt der zweitgrößten Stadt des Landes, zugeteilt. Über diese Zuteilung sagt Helen Hibshman: „Wir packten unsere Sachen, mieteten einen Lastwagen und machten uns um zwei Uhr morgens auf die Reise. In jenen Tagen dauerte die Reise zwölf Stunden. Es ist nicht so leicht, in einem neuen Gebiet den Anfang zu machen, und in dieser Gegend waren über 50 Prozent der Bevölkerung gebürtige Indianer. Wir gaben viele Bücher ab. Ja, wir sechs Missionare gaben in den ersten sechs Wochen in diesem jungfräulichen Gebiet, wo wir nicht auf der Grundlage irgendeines anderen bauten, 2 000 Bücher ab. Schon bald mieteten wir einen kleinen Raum unterhalb des Missionarheimes und organisierten Zusammenkünfte.“
Die Missionare von Quezaltenango arbeiteten auch in den kleineren Städten des Hochlandes. Bis zur pazifischen Küstenebene hinunter predigten sie, und zwar in Coatepeque, Retalhuleu und Mazatenango. Ferner besuchten die Missionare die Gruppen in San Antonio, Nuevo San Carlos und Tiquisate, um öffentliche Ansprachen zu halten und die dort Ansässigen gleichen Glaubens zu stärken.
Im Jahre 1949 wurde eine Höchstzahl von 218 Verkündigern erreicht, und beim Gedächtnismahl stieg die Zahl der Anwesenden auf 301 an. Im Dezember besuchten Bruder Knorr und Bruder Robert Morgan den Zweig, und 425 Personen waren beim öffentlichen Vortrag anläßlich eines zu jener Zeit stattfindenden Kongresses zugegen. Noch größere Bemühungen wurden gemacht, um im Jahre 1950 in der Hauptstadt und in den Städten des ganzen Landes öffentliche Vorträge zu halten.
Oft hörten in gemieteten Theatern 250 und noch mehr Personen auf einmal die von den Missionarbrüdern gehaltenen Vorträge. Im selben Jahr begaben sich alle siebzehn Missionare, die damals Guatemala zugeteilt waren, zum internationalen Kongreß in die Stadt New York. Dort waren außerdem sechs gebürtige Guatemalteken anwesend, die nun zum erstenmal einen Eindruck von der internationalen Organisation empfingen. Inzwischen betreute Oscar Custodio das Werk und das Missionarheim in Quezaltenango, und Manuel Monterroso kümmerte sich um das Zweigbüro und die Versammlungsangelegenheiten in Guatemala City.Manuel Monterroso war eine der ersten Personen, mit denen der Missionar Taze Peterson in Guatemala die Bibel studierte. „Ich wurde als Katholik geboren und erwartete, als Katholik zu sterben“, sagte Monterroso. „Ich wollte, um mein Englisch zu verbessern, studieren, und wenn ich nebenbei etwas über die Bibel kennenlernte, so war das auch recht.“ Unnötig zu sagen, daß er wirklich „etwas über die Bibel kennenlernte“. In der Tat, er war der erste Guatemalteke, der die Gileadschule besuchte, und nachdem er an der Abschlußfeier im Jahre 1953 im Yankee-Stadion teilgenommen hatte, wurde er der erste Kreisaufseher von Guatemala. Er diente von 1953 bis 1958.
Während der Abwesenheit der Missionare im Jahre 1950 beschloß Jorge Alfaro, dessen Bruder einst die Wahrheit studiert hatte, das Werk der Zeugen Jehovas etwas zu prüfen. Er kam in den Königreichssaal, in welchem Gebäude sich auch das Zweigbüro befand, und zu seiner Überraschung leitete ein früherer Schulkamerad, Manuel Monterroso, das Wachtturm-Studium. Nach der Zusammenkunft hatten sie eine lange Unterredung, die zu einem Bibelstudium führte. Jorge Alfaro machte gute Fortschritte. Im Jahre 1951 wurde er getauft und schloß sich den Reihen der allgemeinen Pioniere an. Ein Jahr später, im Oktober 1952, wurden er und Oscar Custodio die ersten guatemaltekischen Sonderpioniere.
Bruder Alfaro erachtet es als ein Vorrecht, mit solch vortrefflichen Missionaren zusammen gewesen zu sein, wie es Robert DeYoung und Bruder Bivens waren. Er sagt: „Es gab viele Probleme, die wir zu lösen hatten. Ich mußte sehr viel wandern, mußte Flüsse überqueren, bisweilen zu Pferde, und mußte der Wut gehässiger Religionsführer in abgelegenen Gebieten standhalten. Manchmal aßen wir unser Brot unter Bäumen und schliefen, wo irgend wir einen Ort finden konnten, uns niederzulegen. Aber trotz all dieser Dinge hat der Geist Jehovas mir immer wieder Kraft gegeben und zudem viele Segnungen.“ Heute ist Bruder Alfaro überglücklich, daß sich ihm sein ältester Sohn im Vollzeitdienst angeschlossen hat.
Am Ende des Dienstjahres 1950 gab es in Guatemala sechs Versammlungen. Ein denkwürdiges Ereignis im Jahre 1951 war der Kreiskongreß in Quezaltenango, zu dem zwei Busse Zeugen Jehovas aus
der Hauptstadt brachten. Nach zweijähriger Tätigkeit der Missionare florierte nun eine Versammlung in Quezaltenango. Über den Dienst unter den in dieser Stadt und ihrer Umgebung wohnenden Indianern berichtet Schwester Hibshman: „Wir konnten einige einheimische Indianer für das Werk interessieren. Es hält schwer, sie zu erreichen, verstrickt, wie sie sind, in ihre Bräuche und Religion, obwohl sie sehr aufrichtig, wenn auch stammesverbunden sind. Eine Familie von zwei Brüdern und zwei Schwestern bezog Stellung. Ein weiterer Mann und seine Frau wurden getauft. Der Frau wurde das Lesen beigebracht, und der Bruder pflegte uns auf Predigtausflügen in die Dörfer zu begleiten. Einmal wurden wir von einem betrunkenen Indianer mit Steinen beworfen. Viele verstanden kein Wort Spanisch, sondern nur ihre indianischen Dialekte. Insgesamt wurde ungefähr fünfzig Indianerdörfern im Hochland Zeugnis gegeben.“In der Hauptstadt konnte eine Frau, mit der der Missionar Ruby Campbell studierte, im Jahre 1951 die Erlaubnis für eine Radiosendung in einer neuerrichteten Station erlangen. Viele Jahre lang strahlten wir dreimal wöchentlich das Fünfzehn-Minuten-Programm „Dinge, über die man sich Gedanken macht“ aus. Viele Wohnungsinhaber sagten uns, daß sie sich diese Diskussionen anhörten und Freude daran hatten. Das war nicht nur in der Hauptstadt der Fall, sondern auch im Innern des Landes.
Im Jahre 1952 begannen die Missionare, von Zacapa aus die nahe gelegene Stadt Gualan durchzuarbeiten. Eine öffentliche Ansprache wurde dort in einem Gebäude vor der katholischen Kirche gehalten. Der Priester suchte den Vortrag zuerst dadurch zu stören, daß er die Kirchenglocken läuten ließ. Aber die Ansprache ging weiter. Als nächstes erloschen die Lichter im Saal. Aber obwohl 300 Personen anwesend waren, entstand keine Verwirrung und keine Unterbrechung des Vortrages, weil ein Mann aus der vordersten Reihe auf die Bühne stieg und mit dem Licht einer Taschenlampe die Notizen des Redners beleuchtete.
Gleichfalls im Jahre 1952 fand die Wahrheit ihren Weg in den Dschungel von Petén, der weit im Norden liegt. Wie denn? Ein älterer Koreaner, der sich in Uaxactun, in einem Chiclegummi *-Lager, aufhielt, das nur mit dem Flugzeug erreichbar war, wurde krank und mußte zur Behandlung in die Hauptstadt gebracht werden. Während er im Krankenhaus war, erhielt er das Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Nach seiner Rückkehr in den Dschungel begann er zu predigen und wanderte sogar weite Strecken zu anderen abgelegenen Chicle-Lagern, um dasselbe zu tun. Schon bald wurde in Uaxactun eine Versammlung gegründet, und dieser Mann, Bruder Kim, wurde zu ihrem Aufseher eingesetzt. Später bauten die Brüder dort einen Königreichssaal, das schönste Gebäude in einem Dorf von etwa sechzig strohgedeckten Hütten mit Lehmfußboden.
DIE ORGANISATION NIMMT AN STÄRKE ZU
Während desselben Jahres, nämlich 1952, geschah es, daß intensive Bemühungen im Gange waren, hohe moralische Maßstäbe einzuführen, indem man hier für Jehovas Zeugen auf gesetzlichen Eheschließungen bestand. Das ist ganz verschieden von der Handlungsweise der Mehrheit, die ohne gesetzliche Eheschließung zusammen lebt und bei ihrer Religion dennoch in gutem Ruf steht. In Nuevo San Carlos zum Beispiel wurden einige aus Jehovas Organisation hinausgetan, weil sie ihr Leben nicht in Ordnung brachten. Dies zeigte der ganzen Versammlung den Ernst unseres Evangeliumsdienstes und die Notwendigkeit, Jehovas Namen vor Schmach zu bewahren. Am 16. März 1952 wurden diejenigen von der Gruppe, die sittlich einwandfrei waren, getauft. Zu diesen gehörte Manuela Flores, ihr Sohn Aureliano und Samuel Mazariegos. Ein solches Bestehen auf biblischer Sittlichkeit legte den Grund für eine Organisation von größerer geistiger Stärke, die unter göttlicher Gutheißung und Leitung auch zahlenmäßig zunehmen würde. In der Tat, die nachfolgenden Jahre offenbarten, daß Jehovas Segen auf dem Königreichswerk in diesem Lande ruhte.
Nach dem internationalen Kongreß im Jahre 1953 in New York sandte die Gesellschaft noch mehr Missionare nach Guatemala. Unter diesen befanden sich Arlene Kulp, Mabel White, Alma Parson, Ruth Dollin und Vivian Martin. Bruder Reast und Paul und Dolores Hibshman wurden einem neuen Missionarheim in Mazatenango zugeteilt. Im November 1954 nahmen Bruder und Schwester Sindrey die Arbeit im Heim von Antigua auf.
Das Jahr 1954 war hier auch ein Jahr der Revolution und eines politischen Wechsels. Ein Invasionstrupp überquerte die Grenze unweit von Zacapa, und täglich gab es in der Hauptstadt Luftangriffe. Diese schwierigen Wochen beschreibt Schwester Parker wie folgt: „Der Zweigdiener sorgte für ein Zimmer mit einem Betondach als Schutz, das Fenster wurde mit Bücherkartons abgeschirmt. Wir hatten im Raum zehn Stühle und Trinkwasser. Den Radiobekanntmachungen entnahm der Zweigdiener jeden Morgen, ob es ratsam sei, aus dem Haus zu gehen, und zu welcher Zeit alle daheim sein sollten.“
Im Spätjahr 1954 besuchte Bruder Knorr wiederum Guatemala und hielt Vorträge in Theatern in Mazatenango, Quezaltenango und in der Hauptstadt. Während des Vortrages in Mazatenango versagte durch einen Stromausfall am späten Nachmittag die Lautsprecheranlage, aber Bruder Knorr beendete dessenungeachtet seine Ansprache. In Quezaltenango war das Stadttheater, das kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, mit über 400 Personen dicht gefüllt. Unter den Zuhörern befand
sich auch die Frau des presbyterianischen Führers Pablo Burgess, der einst Bruder Flores bekämpft und das Traktat gegen den „Russellismus“ verbreitet hatte.Obwohl Bruder Knorr die Reise nach Mazatenango mit dem Flugzeug gemacht hatte, war die Rückreise doch nicht leicht. Indem der Präsident der Gesellschaft in Begleitung der Missionare mit dem Wagen über enge, staubige, sich windende Bergstraßen fuhr, zeigte er von neuem seinen Wunsch, direkt „auf dem Schauplatz“ der Ausdehnung der Missionartätigkeit zu sein und dabei selbst ins Innere des Landes zu gelangen. Er wurde veranlaßt, seinen Anzug durch passendere Kleidung, die er sich von den Missionaren borgte, zu ersetzen. Beiläufig bemerkt, fotografierte ein Bruder, der mit Bruder Knorr reiste, einige Szenen, und diese Bilder wurden später in dem Film der Gesellschaft „Die glückliche Neue-Welt-Gesellschaft“ verwendet. Unter diesen war auch ein Bild von David Hibshman, wie er inmitten von Mais, der auf einem Dach und auf dem Erdboden zum Trocknen ausgelegt war, ein Bibelstudium abhielt. Auf einem anderen Bild war die Pracht der Wasserfälle hoch über dem Atitlansee eingefangen worden.
Im Jahre 1955 überstieg die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl zum erstenmal das Ziel von 1 000. Um das Jahr 1957 dienten viele guatemaltekische Brüder als Sonderpioniere. Demzufolge wurden weitere departmentos (Staaten) mit der Königreichsbotschaft erreicht, in jenem Jahr allein acht neue. Da weitere Gruppen in abgelegenen Gebieten entstanden, wurde ein neuer Kreis gebildet, und zum erstenmal gab es zwei Kreise im Lande. Am Ende des Jahres 1957 wurde in Jutiapa ein Missionarheim errichtet, wo sich Brian Forbes, ein neuangekommener Gileadabsolvent, Bruder Reast anschloß. So erhielt noch ein weiteres departmento das Zeugnis.
Das Jahr 1957 brachte auch einen glücklichen Höhepunkt in bezug auf eine Erfahrung, die Schwester Marjorie Munsterman machte. Zu den ersten Personen, mit denen sie im Jahre 1946 Bibelstudien durchführte, gehörte eine Frau, die mit einem Mann zusammen lebte, der beim Militär war. Das Studium wurde manchmal unterbrochen, weil sie wegen seines Dienstes oft für eine lange Zeit aus der Hauptstadt weg waren. Indes bezog diese Frau als Folge eines tragischen, tödlichen Unfalls ihres Sohnes Stellung für die Wahrheit. Ihr Ehestand wurde legalisiert, und sie wurde getauft. Seit 1959 befindet sich im vorderen Teil des Hauses dieser Frau, der Schwester Victoria de León, ein Königreichssaal (der nun von zwei großen Versammlungen benutzt wird), und sie hat jahrelang als Pionierin gedient.
Im Februar 1958 blickten wir alle dem Besuch Bruder Henschels entgegen, aber unser Gesuch, die Rennbahn-Haupttribüne in der Nähe des Flughafens der Hauptstadt zu benutzen, wurde auf die lange Bank geschoben und schließlich unter ausweichender Begründung abgelehnt.
Die Wahrheit kam an den Tag, als der Landwirtschaftsminister die Bemerkung machte, daß „die katholische Religion die Staatsreligion“ sei. Wir bewarben uns indes nochmals; die Erlaubnis wurde erteilt, und ein sehr schöner Kongreß fand statt, wobei zu Bruder Henschels öffentlichem Vortrag 952 Personen erschienen.Durch besondere Reisevorkehrungen konnten über neunzig Brüder aus Guatemala im Jahre 1958 den internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“ in New York besuchen. Sie werden die Gastfreundschaft, die ihnen von ihren Brüdern in den Vereinigten Staaten erwiesen wurde, nie vergessen. Auf diesem Kongreß fand die Abschlußfeier der Gileadschule statt, an der der zweite guatemaltekische Student teilnahm. Im Dezember fand unser eigener Landeskongreß „Göttlicher Wille“ statt.
Von der Eröffnung eines Missionarheims in Panajachel im Jahre 1959 an predigten Jehovas Zeugen in allen zweiundzwanzig departmentos von Guatemala. In jenem Jahr fand ein Kreiskongreß in Quezaltenango statt, und dabei waren zum erstenmal zwei Brüder von der Gruppe im fernen Gracias a Diós, nahe der mexikanischen Grenze, anwesend. Um den Kongreß zu besuchen, reisten sie zwei Tage zu Fuß und zwölf Stunden mit dem Bus. Im November waren auf dem Bezirkskongreß „Wachsame Diener Gottes“ in der Hauptstadt beim öffentlichen Vortrag 1 478 Zuhörer zugegen. Beiläufig bemerkt, waren Vorkehrungen getroffen worden, daß Zeugen von außerhalb der Hauptstadt ihre Strohmatten zum Schlafen in den Kongreßanlagen unterbringen konnten, was den Familien Hotel- oder Pensionsauslagen ersparte. Solche Vorkehrungen werden hier bei allen Landeskongressen getroffen.
Während sich Bruder Jeronimo Morales in einer Tuberkulosenheilanstalt befand, predigte er, trotz der Proteste von Nonnen, die dort als Krankenschwestern arbeiteten, regelmäßig. Er erweckte das Interesse eines Mannes namens Margarito Figueroa und führte ein Studium mit ihm durch. Bruder Figueroa wurde im Jahre 1959 getauft, und später, nach seiner Entlassung, wurde er als Sonderpionier eingesetzt, erhielt also ein Vorrecht, dessen er sich heute noch erfreut. Bruder Morales selbst ist aus der Heilanstalt entlassen worden und in die Reihen der Sonderpioniere zurückgekehrt. Heute dient er mit seiner Frau als Kreisaufseher im guatemaltekischen Hochland.
Im Dezember 1960 haben zum erstenmal über tausend Verkündiger in ganz Guatemala gepredigt. Im März 1961 stattete Bruder Knorr der Hauptstadt wieder einen Besuch ab. Nun gab es zehn Versammlungen in der Stadt.
Durch die Jahre hindurch hat die Notwendigkeit nach weiteren ansehnlichen Zusammenkunftsstätten viele Versammlungen veranlaßt, ihren eigenen Königreichssaal zu bauen. Zweifellos wird man sich erinnern, daß die kleine Versammlung in Uaxactun in dem Dschungel von Petén als erste ihren eigenen Saal hatte. Mazatenango baute im Jahre
1960 den zweiten Königreichssaal, der einer Versammlung gehört. Heute besitzt auch die Versammlung in El Rancho neben vielen anderen ihren eigenen Saal.Das Jahr 1961 war gekennzeichnet durch die besondere Schulung der Aufseher, Sonderpioniere und Missionare in der Königreichsdienstschule. Die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl belief sich auf 2 663, und 2 000 waren auf dem Bezirkskongreß im November zugegen. Der Jahresbericht zeigte auch die Wendigkeit unserer Sonderpioniere. Zum Beispiel gab ein Bruder Druckschriften bei armen Leuten ab, indem er Zeitschriften gegen Eier, Mais, eine Flasche Tomatensoße oder einige Schachteln Zündhölzer eintauschte. Einmal tauschte er fünf Bücher gegen genügend Holz ein, um einen Tisch und Bänke für den Königreichssaal herzustellen. Noch andere Dinge nahm er im Tausch gegen Literatur an, z. B. eine Leiter, eine Machete, ein Huhn, Blumentöpfe, eine Wandtafel für den Königreichssaal, ein Uhrenarmband und eine Bluse für seine Frau. Durch solche Tauschgelegenheiten können die Sonderpioniere nicht nur in ihren Gebieten bleiben, sondern, was noch viel wichtiger ist, sie bieten anderen dadurch geistige Hilfe.
Im November 1962 wurde ein Landeskongreß abgehalten. Doch am letzten Tag entstand eine Militärrevolte gegen die Luftwaffe, und das Hauptquartier lag direkt gegenüber dem Platz des Saales, den wir benutzten. Am Sonntag morgen teilten die Militärdienststellen den Brüdern mit, daß der Kongreß nicht fortgesetzt werden dürfe. Sie sagten, die Gefahr sei zu groß, die Kongreßbesucher sollten heimkehren. Ein Kreisaufseher fragte taktvoll, ob es nicht besser wäre, wenn alle drinnen im Saal blieben, da draußen Granaten und Kugeln herumflögen. Der Beamte gab die Einwilligung, und friedlich ging der Kongreß weiter, während draußen, nicht weit davon entfernt, einige Herumstehende getötet wurden. Bis zum Mittag war der Aufstand niedergeschlagen. Als der Kongreß dann endete, konnten die Brüder sicher nach Hause gehen.
Fünfzig Guatemalteken wohnten im Jahre 1963 dem Kongreß im Rose-Bowl-Stadion in Pasadena (Kalifornien) bei. Im November waren 2 824 beim Bezirkskongreß des Landes zugegen. Das Jahr 1964 war seiner Kongresse wegen ebenfalls denkwürdig, da jeder der drei Kreise seinen eigenen Kongreß abhielt, wobei zusammen über 3 340 Personen anwesend waren, um den neuen Film der Gesellschaft zu sehen.
Der Fahnengruß wurde zumindest bei e i n e r Gelegenheit hier zu einer Streitfrage. Im Jahre 1964 verhaftete man Samuel Cutforth von San Antonio und warf ihn ins Gefängnis, als seine Kinder (Enkel von Fred Cutforth) es ablehnten, die Fahne zu grüßen. Um zu Hilfe zu kommen, trafen bald der Zweigaufseher und ein anderer Bruder in Quezaltenango ein, wohin die Militärdienststellen Bruder Cutforth gebracht hatten. Dort fanden sie, daß der Militärrichter der Wahrheit gewogen war, denn er hatte das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ mit
einem Zeugen Jehovas studiert. Ein Telefonanruf bewirkte die sofortige Freilassung Bruder Cutforths, was allen viel Freude bereitete.Bruder Milton Henschel besuchte Guatemala im März 1965 von neuem und diente auch auf dem Landeskongreß, der auf dem neuen Gelände der Industriemesse, das als Parque Centroamerica bekannt ist, abgehalten wurde.
DER INTERNATIONALE KONGRESS — EIN ANSPORN FÜR DAS WERK
Der Höhepunkt des Jahres 1966 war der internationale Kongreß vom 7. bis 11. Dezember. Aus vierzehn verschiedenen Ländern kamen mehr als 500 ausländische Delegierte. Sicherlich werden sie den herzlichen Empfang am Flughafen nicht vergessen, als Missionarinnen und guatemaltekische Schwestern den besuchenden Schwestern kleine Blumensträuße ansteckten, wobei im Hintergrund die Marimba-Volksmusik ertönte. Auch werden die Besucher das freundliche Lächeln und den herzlichen Händedruck ihrer guatemaltekischen Mitgläubigen nicht vergessen, die von den Bergen, Hügeln, Tälern und vom Meeresstrand zum Kongreß gekommen waren. Ein Delegierter aus den Vereinigten Staaten drückte seine Empfindungen folgendermaßen aus: „Die Liebe und Demut dieser minderbemittelten Brüder hat einen bleibenden Eindruck auf mich gemacht. Ihr Eifer für Jehova, den sie in ihrem bescheidenen Stand offenbaren, hat mich beschämt. Wenn ich heimkehre, will ich ein besserer Diener sein.“ Ein anderer Delegierter sagte: „Es ist mir eine Freude gewesen, mit den einheimischen Brüdern zu sprechen.“ Als man ihn fragte, wie das sein könne, da er nicht Spanisch spreche, erwiderte er: „Freilich nicht, doch unsere Herzen sprechen dieselbe Sprache.“
Denkwürdig war auch das Kongreßprogramm mit den Vorträgen von Direktoren der Watch Tower Society, den Bibeldramen und der vielen vortrefflichen geistigen Unterweisung. Auf diesem Kongreß waren Wesley und Martha Hampton und ihre elfjährige Tochter anwesend. Bruder und Schwester Hampton hatten im Jahre 1955 die Gileadschule absolviert, aber weil Schwester Hampton schwanger war, hatten sie die Zuteilung in Guatemala nicht annehmen können, doch dienten sie als Sonderpioniere treu bis zur Geburt ihres zweiten Kindes. Als sie aber die Ankündigung eines kommenden Kongresses in Guatemala hörten, beschlossen sie, hierherzukommen, um dieses Land und die Brüder zu sehen, mit denen zu wirken sie nie Gelegenheit gehabt hatten. Ihr ältestes Kind, jetzt elfjährig, brachten sie mit, und es wurde auf diesem bemerkenswerten Kongreß getauft.
Für die Kongreßdelegierten veranstaltete die Gesellschaft Touren, die zu Orten führten, wie es der schöne Atitlansee und die Maya-Ruinen in Tikal mit ihren alten Tempeln sind, die die Höhe von zwanzigstöckigen Gebäuden von heute erreichen. In Tikal konnte man hören, wie die Zeugen diese Mayatempel mit den religiösen Bauten
Ägyptens und Babylons verglichen. Im Museum von Antigua, dem Zentrum des römischen Katholizismus vom achtzehnten Jahrhundert in Mittelamerika, konnten sie sich — als sie die Überbleibsel von Folterwerkzeugen betrachteten — ihre Gedanken machen über die geistige Armut, die während der Inquisition geherrscht hatte. Delegierte, die Chichicastenango besuchten, sahen noch eine andere Seite der falschen Religion: die Verbindung der Anbetung von altheidnischen Gottheiten mit derjenigen der „Heiligen“ des Katholizismus bei den heutigen Maya-Quiché-Indianern. Die Besucher beobachteten seltsame Riten, die sowohl in der Kirche als auch auf Kirchenstufen ausgeübt wurden. Nur eine kurze Strecke von der Stadt entfernt wird oben auf einem Hügel ein rauchgeschwärzter Götze aus vergangenen Jahrhunderten immer noch durch Kerzen, Fichtennadeln, Gebete und selbst durch Tierblutopfer geehrt.Dieser internationale Kongreß hat dem Werk einen wirklichen Aufschwung gegeben; die Zunahmen ergaben sich auf verschiedene Weise. Weitere Gruppen in abgelegenen Gebieten wurden gegründet, und noch mehr Sonderpioniere wurden dazu bestimmt, in Dörfern zu wirken, die zuvor nicht besucht worden waren. Im Jahre 1967 wurden drei weitere Klassen der Königreichsdienstschule durchgeführt. Bruder Peterson war einer ihrer Schüler und drückt sein Empfinden in folgenden Worten aus: „Ich danke Jehova für das Vorrecht des Verbundenseins mit diesen Brüdern aus kleinen Versammlungen und Gruppen in abgelegenem Gebiet, Personen von sehr begrenzter weltlicher Bildung, die vielleicht die schwierigeren biblischen Punkte nicht zu erklären vermögen. Wegen ihrer großen Aufrichtigkeit und ihrer festen Überzeugung dessen, was sie glauben, diente es mir aber als eine Lehre in der Demut, so daß ich nie vergessen kann, bei diesen Brüdern gewesen zu sein, die von Jehova dazu gebraucht worden sind, viele Personen in die Wahrheit und zur Organisation Jehovas zu bringen.“
Mehr als 5 000 Personen waren im Jahre 1968 beim Gedächtnismahl anwesend, was über 300 Prozent der Höchstzahl der Verkündiger im Lande ausmachte. Fünf weitere Missionare trafen ein, und ein neues Missionarheim wurde in Tikal Gardens, einem Stadtteil der Hauptstadt, eröffnet. Auch fand am Ende des Dienstjahres 1968 ein Bezirkskongreß zum erstenmal außerhalb der Hauptstadt, nämlich in Quezaltenango, statt. Viele mit Brüdern beladene Busse fuhren von Guatemala City dorthin. Bei diesem Kongreß wurde das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Spanisch freigegeben.
Im Jahre 1968 kehrten Bruder und Schwester DeYoung nach Guatemala zurück, nachdem sie mehrere Jahre in Britisch-Honduras gedient hatten. Während einiger Monate zeigte Bruder DeYoung an vielen abgelegenen Orten in ganz Guatemala den neuesten Film der Gesellschaft, betitelt „Gott kann nicht lügen“. Die Zahl der Anwesenden bei den Vorführungen bewies, daß nicht nur die Brüder, sondern viele Interessierte die deutliche Botschaft des Films wertschätzten. In einer
Stadt brachte ein protestantischer Prediger, der mit den Zeugen studierte, fünfzig Glieder seiner Versammlung mit, damit sie sich den Film ansehen konnten, und dies trotz des Protestes einiger Kirchenältester. Hoch in den Bergen, in der Stadt San Marcos und ihrer Schwesterstadt San Pedro, die zusammen eine Bevölkerung von etwa 15 000 haben, besuchten insgesamt 2 157 Personen die beiden Filmvorführungen.WIRKUNGSVOLLER KREISDIENST
Guatemalas Kreisaufseher dienen oft bei einem Minimum an Komfort und Annehmlichkeiten, wenn sie ihre Kreisbesuche in Regenzeiten und in den heißen, tropischen Zonen machen. Zum Beispiel reiste Migual Saenz (1968 eingesetzt) mit seiner Frau einmal vier Stunden in einem Bus, der in schlechtem Zustand war, und wanderte dann während eines heftigen Regengusses mehrere Kilometer weit knöcheltief durch Schlamm. Natürlich gab es keine Toiletten, und Moskitoschwärme hielten sie nachts wach. Der nächste Tag erforderte eine weitere Wanderung von etwa 16 Kilometern hin und zurück, um andere Brüder zu besuchen. Bruder Saenz sagt jedoch: „Ich bin für das Vorrecht, an diesen Orten unserem allmächtigen Gott zu dienen, dankbar, denn die Brüder brauchen Ermunterung, um trotz der Unannehmlichkeiten harte Arbeit zu leisten.“
Ein anderer Kreisaufseher, Bruder Reast, ertrug Beschwerden, um eine kleine Gruppe in einem abgelegenen Gebiet, tief im Innern des Landes, zu erreichen, hatte aber das Empfinden, daß sein Beisammensein mit ihnen zu einem Austausch von Ermunterung führte. Er bemerkte ebenfalls: „Man muß mit eigenen Augen gesehen haben, wie arm die Leute sein können. Ist man einige Tage unter ihnen, so öffnen sich die Türen des Herzens. Sie werden sich in der Tat all dessen erfreuen, was Jehova, unser Gott, während der Tausendjahrherrschaft für sie tun wird.“
Nun gibt es Zunahmen im Innern des Landes wie auch in der Hauptstadt. Weil die Bergstraßen, die einst nur unter Schwierigkeiten begehbar waren, durch moderne, gute Straßen ersetzt worden sind, ist der größere Teil Guatemalas ein Teil des „Feldes“ geworden, das mit der guten Botschaft erreicht wird. Die Verkehrslinie der Ost-West-Bahn und die Verbindungslinie der zweimotorigen DC-3 sind nicht mehr unentbehrlich, wie dies in den frühen Tagen der Ausdehnung der Fall war. Asphaltstraßen durchqueren nun die Republik und erreichen zwanzig von den zweiundzwanzig Hauptstädten der einzelnen Staaten, wo über hundert Sonderpioniere die wachsenden Versammlungen bedienen oder das Werk in Landstädten erschließen, die lange als abgelegen gegolten haben.
DORT DIENEN, WO HILFE DRINGENDER BENÖTIGT WIRD
Der Ruf der Gesellschaft im Jahre 1968, die „Netze“ in produktiveren „Gewässern“ herabzulassen, hat über 400 briefliche Nachfragen zur
Folge gehabt, die von Brüdern in den Vereinigten Staaten, Kanada und anderen Ländern im Zweigbüro eingingen. Alle waren daran interessiert, dort zu dienen, wo Hilfe dringender benötigt wird. Innerhalb der folgenden zwei Jahre haben viele ihre Angelegenheiten geregelt, haben ihre Häuser, Geschäfte und Besitztümer verkauft und sich frei gemacht, um dem Ruf, in fremden Ländern zu dienen, Folge zu leisten.Es hat sowohl für die Brüder in Guatemala als auch für die Missionare sehr viel bedeutet, zu sehen, wie diese Brüder bereitwillig so viel aufgegeben haben, um dort zu dienen, wo Hilfe dringender benötigt wird. Während wohl einige kamen und schnell wieder gingen, haben andere ein Jahr oder anderthalb Jahre gute Arbeit geleistet, bevor sie wieder in ihre früheren Wohnorte zurückkehren mußten. Natürlich werden diejenigen, die dableiben, schnell zu einem Bestandteil des hiesigen Volkes Jehovas. Einige sind hierhergekommen, die in der Vergangenheit in Missionargebieten Erfahrungen sammelten; aber viele weitere, die weder die Gileadschule besucht noch als Missionare gedient haben, bekunden echten Missionargeist. Und nicht immer sind es Personen mit finanziellen Mitteln oder einer guten Gesundheit gewesen, die in abgelegene Gebiete vorgedrungen sind, wo kleine Gruppen Hilfe brauchten und ganze Gebietsteile nicht regelmäßig durchgearbeitet wurden. Orte wie Quezaltenango, Chimaltenango, Huehuetenango, El Rancho, Puerto Barrios und Livingston, die für diese Brüder und Schwestern aus anderen Ländern einst nur Punkte auf der Landkarte waren, sind nun ihre Heimat geworden.
DIE SEGNUNGEN DAUERN AN
Besonders die letzten paar Jahre sind an Segnungen Jehovas reich gewesen. (Spr. 10:22) Man stelle sich vor: Fast tausend Personen sind während der letzten drei Jahre getauft worden. Die vereinten Anstrengungen der einheimischen, guatemaltekischen Christen und derer, die aus anderen Ländern gekommen sind, haben zu einem guten Zeugnis in diesem ganzen Lande geführt. Zum Beispiel wurden in drei Jahren über 130 000 Bücher abgegeben, und gleichzeitig arbeiteten die Versammlungsverkündiger im Durchschnitt gut über elf Stunden monatlich im Predigtdienst. Im August 1972 stellte die neue Höchstzahl von 3 004 Lobpreisern Jehovas eine 24prozentige Zunahme über den Durchschnitt des Vorjahres dar. Begeisternd war auch die Zahl von über 8 700 der beim Gedächtnismahl am 29. März 1972 Anwesenden.
Nicht nur dauern der Friede und die Einheit zufolge der neuen organisatorischen Vorkehrung der Aufsicht der Versammlungen durch eingesetzte „ältere Männer“ an, sondern wir sind der Zuversicht, daß Jehova weiterhin dafür sorgen wird, daß die ‘begehrenswerten Dinge hereinkommen’, während er fortfährt, ‘die Nationen zu erschüttern’. — Hagg. 2:7.
[Fußnoten]
^ Wird zur Herstellung von Kaugummi verwendet.