Zurück zum Inhalt

Zum Inhaltsverzeichnis springen

China, Hongkong und Macau

China, Hongkong und Macau

China, Hongkong und Macau

CHINA ist das Land mit der größten Bevölkerungszahl auf der Erde. Im äußersten Südosten Asiens gelegen und von Japan und Korea benachbart, umfaßt es ein Gebiet von über neuneinhalb Millionen Quadratkilometern.

Die meisten Chinesen sind Bauern, die Vieh und Geflügel züchten oder Reis und Gemüse anbauen, um die 800 Millionen Einwohner des Landes mit Nahrung zu versorgen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Chinesen den Ruf eines fleißigen und hart arbeitenden Volkes erworben, das Notlagen mit bemerkenswerter Zähigkeit überwindet. Von früher her sind die Chinesen Buddhisten mit fatalistischer Lebensanschauung. Ihr Buddhismus ist eine Mischung des alten chinesischen Taoismus und der Philosophie des Konfuzius. Dabei spielt die Ahnenverehrung im Familienleben eine wichtige Rolle.

Durch die Tradition ist der Zusammenhalt in der chinesischen Familie sehr stark. Familien aus derselben Provinz, die dieselbe Form des Chinesischen sprechen, bilden Sippen, in die man nur selten eindringen kann. Was den einen angeht, geht die ganze Familie an. Für die Chinesen ist Geld gleichbedeutend mit Macht, und man verehrt es auch als Gott, sie machen sich jedoch praktisch gar keine Gedanken über Ursprung und Sinn des Lebens.

„DER WACHTTURM“ KOMMT NACH CHINA

Hat die Bevölkerung Chinas Gelegenheit gehabt, die gute Botschaft von Gottes Königreich zu hören? Die gute Botschaft erreichte China bereits in den ersten Jahren der neuzeitlichen Organisation der christlichen Zeugen Jehovas. Obwohl Zion’s Watch Tower erst im Juli 1879 das erste Mal herauskam, hatte die Zeitschrift doch schon 1883 China erreicht. Im Jahre 1883 fiel einer Missionarin der Presbyterianer mit Namen Downing in Chefoo (China) zufällig ein Exemplar des Wacht-Turms in die Hände. Sie war von einem Artikel über das Thema Wiederherstellung beeindruckt; sie abonnierte die Zeitschrift, trat aus ihrer Kirche aus und wurde eine Zeugin für Jehova. Sie unterhielt sich mit weiteren Missionaren und war anderen eine Hilfe, die falsche Religion zu verlassen.

Unter ihnen war Horace A. Randle, ein Missionar der Baptisten. Anfänglich zeigte er kaum eine Reaktion, doch 1896 begann er, ernsthaft zu studieren und seiner Frau und seinen Kindern das mitzuteilen, was er lernte. Darauf nahmen seine Frau und seine älteste Tochter die Wahrheit an. Er predigte auch anderen Missionaren. All dies führte ihn schließlich zu einer wichtigen Entscheidung, wie es in der englischen Ausgabe der Zeitschrift Zions Wacht-Turm vom 15. Mai 1900 berichtet wird: „Im Jahre 1898, als ich davon überzeugt war, daß dieses Zeugnis von Gott stammt und dem Namenchristentum widerspricht, erschien es mir nicht mehr länger notwendig, auf Menschen von Fleisch und Blut zu vertrauen, sondern ich brach meine Verbindungen zur Baptistenkirche und zur Missionsgesellschaft ab, denen ich angehört hatte. Frei von menschlichen Glaubensbekenntnissen und Traditionen, war es mein erster Wunsch, mit anderen über die Wahrheit zu sprechen, die mir so viel Freude und Trost gebracht hatte.“

Der Eifer, den Bruder Randle hatte, trieb ihn dazu an, sich mit Leuten von verschiedenen Missionsstationen in China zu treffen. Um das Evangelium im Fernen Osten weiter bekanntzumachen, wurden etwa 5 000 Traktate und 2 324 Briefe an Missionare in China, Japan, Korea und Thailand geschickt; ebenso wurden neunzig Exemplare des Buches Millennium-Tagesanbruch verbreitet. Der Widerhall war gering, eine gebildete Chinesin jedoch schrieb: „Ich habe die Traktate, die Sie mir freundlicherweise zukommen ließen, zuerst mit Interesse, dann mit Freude gelesen, und ich bin seit langer Zeit das erste Mal wieder sehr glücklich. Je mehr ich lese, um so mehr möchte ich lesen und um so mehr Licht erhalte ich, aber es gibt immer noch vieles, was ich wissen möchte. Ich möchte gern das Buch Millennium-Tagesanbruch und die Schrift über die Hölle haben. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir mitteilen würden, wie ich das Geld zuschicken kann.“ Im Norden Chinas trat ein junger Mann aus dem Missionswerk der Brüdergemeinde aus und trat standhaft für die Wahrheit ein. Auch einige andere Missionare zeigten Interesse. So begann das Licht der Wahrheit in China sehr früh zu leuchten. Aber es erreichte hauptsächlich die Missionare der Sekten der Christenheit, da die Botschaft zu jener Zeit nur in englischer Sprache verbreitet wurde.

Der erste Präsident der Watch Tower Bible and Tract Society war sehr am Predigen der guten Botschaft von Gottes Königreich, wie es in Matthäus 24:14 geboten wird, interessiert. Als Vorsitzender eines Komitees von sieben Personen traf C. T. Russell deshalb Anfang 1912 mit dem Schiff in der Hafenstadt Schanghai ein und hielt Vorträge, die eine warnende Botschaft über das bevorstehende Ende der „Heidenzeiten“ enthielten. Durch diese Vorträge wurde der Same der Wahrheit in immer fernere Gegenden getragen.

Ein weiteres Zeugnis wurde zuerst 1915 und dann 1918 gegeben, als Schwester F. L. Mackenzie, eine Kolporteurin aus Großbritannien, Teile Japans, Koreas und Chinas besuchte. Dann traten 1923 zwei leibliche Schwestern, Bessie und Harriet Barchet, in Schanghai in Erscheinung. Mit Hilfe des Buches Die Harfe Gottes brachte Bessie Barchet einem jungen Chinesen mit Namen Frank Chen die biblische Wahrheit. Eine Zeitlang konnten Vertreter der Christenheit ihn davon abhalten, das Buch zu lesen. Doch als Fräulein Barchet 1920 nach Hause zurückkehrte, übermittelte sie den Namen von Frank Chen Bruder Akashi in Tokio. Während der nächsten paar Jahre machte Frank Chen sowohl durch Brüder, die Schanghai besuchten, als auch durch Briefwechsel mit einem Bruder in New York Fortschritte in der Erkenntnis und der Wertschätzung für die Wahrheit.

Im Oktober 1931 trafen zwei japanische Kolporteure, aus Formosa kommend, in Schanghai ein, gefolgt von Bruder Akashi. Dieser teilte Frank Chen mit, daß er, obwohl er von einer Religionsorganisation der Christenheit getauft worden war, noch einmal getauft werden müsse. Bei Frank Chen befand sich auch Bao Min Jong, ein enger Freund, der auch an der Wahrheit interessiert war. Und so kam es, daß am 21. Oktober 1931 in der Badewanne eines Hotels in Schanghai die ersten beiden chinesischen Brüder getauft wurden.

Jetzt war keine Zeit mehr zu verlieren! Bruder Akashi wies Bruder Chen unverzüglich an, zuerst die Broschüre Königreich, dann die Broschüre Krieg oder Frieden? und schließlich das Buch Regierung ins Chinesische zu übersetzen. Die Matern für die Broschüre Königreich wurden schon bald zum Drucken nach Brooklyn abgesandt, doch Bruder Chen hatte zuvor bereits 500 Exemplare mit einfachem Einband gedruckt und verbreitete sie täglich auf den Straßen. Obwohl Bruder Bao Anfang 1932 von japanischen Soldaten erschossen wurde, arbeitete Bruder Chen weiterhin hart.

Während der 1930er Jahre streuten auch einige tapfere Pioniere aus Australien den Samen der Wahrheit im Fernen Osten aus. Um den Bedarf dieser Pioniere für den Predigtdienst zu decken, wurde ein Büro in Schanghai eingerichtet. Ein treues Pionierehepaar, Bruder und Schwester Schütt, unternahm von Schanghai aus Reisen zu anderen Vertragshäfen, darunter Hongkong, Chefoo, Swatow, Tientsin, Tsingtau und später Peking. Tausende von Büchern und Broschüren wurden verbreitet. Im Juni 1933 berichtete Bruder Chen, daß die Radiostation XHHH in Schanghai jeden Sonntag von 10 bis 10.30 Uhr Vorträge ausstrahle, die von der Gesellschaft in Brooklyn zur Verfügung gestellt würden.

Es war nicht so einfach, die gute Botschaft vom Königreich in diesem Teil der Welt zu verbreiten. Das wird gut durch eine Erfahrung veranschaulicht, die ein australischer Geschäftsmann erzählt, der 1935 in Schanghai wohnte:

„Im Sommer 1935, als die Temperaturen im Schatten bei 35 °C lagen, blickten wir aus unserem Fenster und sahen auf der Straße eine Europäerin fortgeschrittenen Alters, die einen Kinderwagen schob. Auf dem Kinderwagen stand ein Grammophon, auf dem sie Bibelvorträge abspielte. Bei ihr befand sich noch ein Chinese, der die Vorträge ins Chinesische übersetzte. Sie waren beide von chinesischem Pöbel umgeben, der sich zum größten Teil über sie lustig machte, fluchte und sagte: ,Schaut euch diese alte dumme weiße Hexe an.‘ “

Was tat jetzt dieser Geschäftsmann, dessen Name Wolnizer war? „Mein Sohn sagte: ,Sieh dir die arme alte Frau an. Sollten wir sie nicht zu einer Tasse Tee hereinbitten?‘ Das taten wir dann auch. Darüber war sie sehr erfreut. Sie fragte mich: ,Interessieren Sie sich für die Bibel?‘ ,Ja, natürlich‘, antwortete ich. ,Ich interessiere mich besonders für die Wiederkunft Christi.‘ ,Christus ist wiedergekommen!‘ sagte sie mir dabei fest in die Augen sehend. ,Christus ist wiedergekommen?‘ wiederholte ich. Es war ja schließlich ein sehr heißer Tag, und sie war eine alte Frau, oder etwa nicht? Und die Hitze steigt uns nun eben manchmal in den Kopf, nicht wahr? Aber bitte, laut gesagt habe ich das nicht; das waren nur so meine Gedanken.“

Durch diese Gastfreundschaft jedoch, die durch eine „Tasse Tee“ zum Ausdruck kam, nahmen alle Glieder der Familie Wolnizer die Wahrheit von Schwester Hudson an und wurden im Jahre 1937 getauft. Sie konnten es ermöglichen, ihr Haus für Zusammenkünfte zur Verfügung zu stellen und mit den treuen Pionieren und Verkündigern bei der Ausbreitung der guten Botschaft zusammenzuarbeiten.

Die Berichte über das Werk von 1935 bis 1937 zeigen an, daß ein ausgedehntes Zeugnis in China gegeben wurde. Vier Brüder standen 1935 im Pionierdienst, und das Werk wurde in Nanking, Schanghai, Tsingtau, Hanku, Kiukiang, Wuhu und Suchow durchgeführt. Drei Jahre lang wurden jeden Sonntagabend Bruder Rutherfords Vorträge über den Sender XMHA in Schanghai ausgestrahlt, bis der Widerstand der katholischen Kirche dem ein Ende machte. Aus ganz China trafen Briefe ein, sogar aus der Mandschurei und der fernen Provinz Kansu im Westen. Bemerkenswert ist, daß zu dieser Zeit elf Broschüren und das Buch Rüstung übersetzt und in Chinesisch erhältlich waren.

Am 7. Juli 1937 brach der chinesisch-japanische Krieg aus. Das Ehepaar Schütt fuhr in seiner Pioniertätigkeit fort, so gut beide es unter den gegebenen Umständen tun konnten. Im Jahre 1939 teilte dann das Zweigbüro in der Schweiz drei deutsche Pioniere, Willy Poethko, Hermann Güttler und Paul Möbius, für Schanghai zu. Da Japan sich mit Deutschland verbündete, hatten die Pioniere kaum Schwierigkeiten bei der Einreise. Der Jahresbericht 1939 für China wies 4 Pioniere, 9 Versammlungsverkündiger, 846 abgegebene Bücher und 2 817 Stunden Predigttätigkeit auf (1938 waren es 1 182 Stunden). Danach begann in China grausame und harte Verfolgung durch die Japaner.

DIE GUTE BOTSCHAFT KOMMT NACH HONGKONG

An der chinesischen Küste, ungefähr 1 300 Kilometer südlich von Schanghai, liegt die britische Kolonie Hongkong. Der wunderschöne natürliche Hafen ist zu jeder Zeit voller Aktivität wie ein Bienenstock; jeden Tag werden mehr als fünfzig Schiffe aus China und verschiedenen Welthäfen abgefertigt. Dschunken, Sampans, Fähren und moderne Ozeandampfer sieht man das ganze Jahr über dicht nebeneinander. Die Kolonie besteht eigentlich aus drei getrennten Gebieten: der Insel Hongkong (Victoria), Kaulun und den außerhalb gelegenen Gebieten an der Grenze nach China, New Territories genannt.

Das Leben in den New Territories gleicht dem Leben in China fast aufs Haar. Im Gegensatz dazu ist das Stadtleben geschäftig, voller Hetze und lärmender Geräusche. Das Leben hat britischen Einschlag mit chinesischem Hintergrund. Heute ist Hongkong eine moderne Stadt mit ihrem typischen „Beton-Dschungel“. Nach Tokio ist Hongkong vielleicht die am dichtesten bevölkerte Stadt des Orients.

Wie soll man sich die theokratische Tätigkeit der christlichen Zeugen Jehovas in Hongkong ausmalen? Um diese Frage richtig zu beantworten, muß man sich daran erinnern, daß Hongkong nichts anderes ist als ein „Klein-China“. Aller Aberglaube, Nationalstolz, all die Traditionen wie der Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, die Ahnenverehrung und die übertriebene Liebe zum Geld sind den Menschen nach Hongkong gefolgt. In Hongkong hat es keine aufsehenerregenden Erfahrungen, Ereignisse oder Zuwachsraten gegeben, die die Aufmerksamkeit auf die neuzeitliche Geschichte des Königreichswerkes hier lenken würden.

Das Bild, das man sich machen muß, ist eher geprägt von großer Geduld, von Ausharren, harter Arbeit, bisweilen Kummer und Enttäuschung und doch Freude durch all die kleinen Zunahmen, die es gegeben hat. Darin liegt auch der Grund, warum die ausländischen Missionare die einheimischen Brüder, die in die Wahrheit gekommen sind und darin feststehen, als wirklich sehr wertvoll schätzen. In der materialistischen Atmosphäre Hongkongs ist es nicht so einfach, die Wahrheit anzunehmen und dabei zu bleiben.

Chinesische Eltern schärfen ihren Kindern beständig, jeden Tag, ein Gefühl der Loyalität gegenüber der Familie ein und ihre „Pflicht“, den Eltern all das zurückzuzahlen, was sie ihnen für ihre Erziehung schulden. Eine Verletzung dieser „Pflicht“ führt dazu, daß die Eltern „ihr Gesicht verlieren“, was sogar zu Selbstmord führen kann. Das Einlösen dieser „Schuld“ hat keineswegs immer etwas mit Liebe zu tun. So sagte eine Frau, als man sie über ihre Erwartungen für die Zukunft befragte: „Meine Hoffnung ist, viele Kinder zu haben, und wenn sie groß sind, können sie für mich sorgen.“ Es ist deshalb ganz normal, daß Kinder, die nicht viel älter als zehn Jahre sind, aus der Schule genommen werden, damit sie arbeiten gehen. Sie arbeiten vielleicht sechs oder manchmal sieben Tage in der Woche, und das zwölf Stunden täglich oder mehr, und geben alles Geld ihren Eltern, von denen sie dann ein kleines Taschengeld erhalten. Manchmal kommt es vor, daß ein Vater, wenn er genug Kinder hat, aufhört zu arbeiten und sein Geld und seine Zeit in „Teehäusern“ vergeudet und seine Freunde freihält. Wenn daher Kinder die Wahrheit kennenlernen, wöchentlich fünf Zusammenkünfte besuchen und zuerst nach Gottes Königreich trachten, dann wird das, milde ausgedrückt, von den Eltern nicht gerade mit Wohlwollen betrachtet. Diese Punkte müssen wir im Sinn behalten, wenn wir uns jetzt die Geschichte der Zeugen Jehovas in Hongkong betrachten.

Am 18. Januar 1912 stand in einer englischen Zeitung Hongkongs, der South China Morning Post, eine Meldung, daß Pastor Russell in der Stadthalle zwei Vorträge halten werde. Am Abend darauf, am 19. Januar, sprach er um 17.15 Uhr und noch einmal um 21 Uhr vor überwiegend europäischer Zuhörerschaft. Seine Themen waren „Wo sind die Toten?“ und „Fragen der Öffentlichkeit“. Zwischen den beiden Vorträgen begab er sich zum Royal-Theater, wo er zu einer chinesischen Zuhörerschaft von etwa 400 Personen sprach.

In späteren Jahren predigten hier unerschrockene australische Pioniere, die sich auf Predigtreisen durch den Orient befanden. 1939 kamen Bruder Schütt und seine Frau von Schanghai herunter und predigten hier zwei Monate lang zusammen mit einem anderen Pionier und zwei Verkündigern. 1941 hielt sich Wilfred Johns, ein weiterer Pionier, vier Monate lang in der Kolonie auf, und das Jahrbuch (englisch) für 1942, Seite 147 berichtet, daß er insgesamt 429 Stunden im Predigtdienst verbrachte, wobei er 462 Bücher und zahlreiche Broschüren verbreitete. Da sich die Kolonie auf den japanischen Angriff vorbereitete, mußte Bruder Johns sie verlassen. Trotzdem blieb Same der Wahrheit zurück, der aufgehen konnte.

Im Jahre 1941 schlossen die Japaner das Büro der Watch Tower Society in Schanghai, so daß die Brüder keine Veröffentlichungen mehr zur Verfügung hatten und nur wenig Geld, um zu versuchen, ein paar Broschüren drucken zu lassen. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Kriegsende hatten sie keine Verbindung mehr mit dem Hauptbüro in Brooklyn. Bruder Möbius schrieb, daß sie sich entschlossen, einen kleinen Hof zu erwerben, so daß keiner von ihnen in die Welt zurückzukehren brauchte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Frank Chen verließ Schanghai, um das Land zu kaufen, jedoch hörten die Brüder von ihm eine ganze Zeit lang nichts mehr. Später schrieb er aus Taiwan, er sei festgenommen, geschlagen und ins Gefängnis gesteckt worden.

Währenddessen wurden in Schanghai die Brüder Poethko, Güttler, Möbius und Schütt verhaftet, und man drohte ihnen sogar mit Erschießung, wenn sie weiterhin für die amerikanische Watch Tower Society tätig wären. Die drei deutschen Brüder und Bruder Schütt wurden später wieder freigelassen, weil man sie als deutsche Staatsangehörige einstufte. Bruder und Schwester Schütt leisteten viel gute Arbeit in China und Hongkong und hielten durch Briefwechsel die Verbindung mit den Interessierten aufrecht. Einige Zeit nach Beendigung der japanischen Besatzung verließen sie Schanghai, und Bruder Poethko wurde die Verantwortung für den Zweig übertragen. In seinem Bericht über die Tätigkeit im Dienstjahr 1946 in China schreibt Bruder Poethko: „Im Juni 1946 fingen wir mit unserer neuen Literatur wieder richtig mit dem Haus-zu-Haus-Dienst an. Beim letzten Gedächtnismahl waren 10 Personen anwesend, und 3 nahmen von den Symbolen.“ Immer noch gab es nicht genug Zeugen, um auch anderen als den sechs Millionen Einwohnern Schanghais zu predigen.

Am Freitagmorgen, am 4. April 1947, wollten Bruder Knorr und Bruder Henschel, die das Zweigbüro in Manila auf den Philippinen besucht hatten, nach Schanghai fliegen, um die Brüder dort zu besuchen, doch wegen Ausfalls eines der Motoren mußte ihre Maschine während des Fluges nach Manila umkehren. Sie versuchten über Hongkong nach Schanghai zu gelangen, doch als sie am Sonnabend in Hongkong eintrafen, erfuhren sie, daß die Maschine nach Schanghai bereits am Morgen abgeflogen war. Daher richteten sich Bruder Knorr und Bruder Henschel darauf ein, das Abendmahl des Herrn in Hongkong am Sonntag, den 6. April zu feiern. Der Wachtturm vom 1. Oktober 1947 berichtete darüber mit folgenden Worten: „Am Sonntagabend, am 6. April, versammelten sich vier von uns um sechs Uhr im Hotelzimmer und sprachen über die Feier zum Gedächtnis an den Tod Christi. Bruder Knorr hielt die Ansprache über das Gedächtnismahl und seine Bedeutung. Es war ein froher Anlaß, und die beiden Brüder, welche im Beisein von zwei Menschen guten Willens von den Sinnbildern genossen, schätzten ihr Vorrecht sehr. ... Montag ... schlossen wir, daß der Herr — weil wir nun nicht nach Schanghai gehen konnten — auf einem anderen Wege, wahrscheinlich durch den Besuch der Gileadbrüder, den Königreichs-Verkündigern in Schanghai beistehe und den Königreichsdienst in China fördern werde — in jenem weiten Lande des Ostens, wo die Wahrheit so wenig bekannt ist!“

DIE ERSTEN MISSIONARE TREFFEN EIN

Am 17. Juni 1947, einem heißen, schwülen Tag, trafen Harold King und Stanley Jones, Absolventen der achten Klasse Gileads, in Schanghai ein. Die drei deutschen Pioniere hatten sich zu ihrer Begrüßung eingefunden. Während Bruder Jones und Bruder King ihre Abendmahlzeit einnahmen, erfuhren sie etwas über die Lage in Schanghai, auch was die geistigen Interessen betraf.

Schanghai befand sich in religiöser, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht in einem Krisenstadium. Die nationalistische Kuomintang-Partei führte Krieg mit den Kommunisten Mao Tse-tungs in den Provinzen des Nordens, und der Krieg rückte mit jedem Tag näher an Schanghai heran. Flüchtlinge ließen die Zahl der Einwohner der ohnehin dichtbesiedelten Stadt emporschnellen. Es gab buchstäblich Tausende von Bettlern, von denen viele in den kalten Winternächten erfroren. Anfang 1948 hatte die Achtung vor den Engländern einen Tiefstand erreicht. Tausende von Leuten, meist Studenten, brannten in Kanton Gebäude der Briten nieder. Parolen wurden an die Hauswände gepinselt, und Demonstrationen gegen die Briten fanden statt. Politische Verhaftungen, Reisunruhen, schwarze Märkte, Luxus und Elend gehörten zum Alltagsleben in Schanghai.

Die beiden neuen Missionare fanden heraus, daß in der Wohnung einer chinesischen Familie mit Namen Chang ein Studium abgehalten wurde. Herr und Frau Chang waren Namenchristen und gestatteten, daß bei ihnen ein Studium durchgeführt wurde, zeigten jedoch keine Anzeichen, daß sie das, was sie lernten, in die Tat umsetzen wollten. Ihr Sohn Manfred hingegen machte gute Fortschritte. Manfred predigte seinem Cousin Ernest Kong und dessen Frau, die dann später für die Wahrheit tätig wurden. So gab es wenigstens eine Grundlage, eine kleine Gruppe interessierter Chinesen, die die Botschaft anderen in ihrer eigenen Sprache mitteilen konnten.

Die Versammlungszusammenkünfte wurden in einem kleinen Hinterzimmer eines Immobilienbüros abgehalten. Bei der Begrüßung von Bruder Jones und Bruder King waren vierzehn Personen zur Zusammenkunft anwesend. Ihre Ankunft war für die kleine Gruppe eine große Ermutigung.

Stanley Jones wurde zum Zweigaufseher für China ernannt. Gleich darauf wurde das Werk so organisiert, daß mehr unter der chinesischen Bevölkerung getan wurde. Die Versammlung wurde in zwei Gruppen eingeteilt: eine bearbeitete den Ostteil der Stadt, die andere den Westteil. Unter den treuen Arbeitern war auch Schwester Fira Groezinger, die durch die Pioniere in die Wahrheit gekommen war. Bruder King studierte mit ihrem Ehemann, und auch er nahm die Wahrheit an und hatte seinen Anteil am Königreichswerk in China, bis sie beide das Land verlassen mußten.

Anfangs war es harte Arbeit; alle mußten sich auf Zeugniskarten in Chinesisch stützen, um die Botschaft darbieten zu können. Es gab Literatur in Englisch und Chinesisch. Zu jener Zeit wurden das Buch Rettung und fünf Broschüren ins Chinesische übersetzt. Den Missionaren kam es so vor, als ob sie mit dem Kopf gegen eine Wand stießen. Der Schanghaier Dialekt war ein großes Hindernis, das überwunden werden mußte. Die meisten Leute waren Buddhisten und ließen sich nicht so schnell für die Bibel begeistern. In fast allen Hauseingängen befanden sich Schreine mit brennenden Räucherstäbchen. Im Haus selbst gab es auch noch Schreine und Altäre. Am Fenster und über den Eingängen waren Spiegel angebracht, die die bösen Geister verjagen sollten. Über den Torbogen befanden sich rote Papierstreifen mit Glückssprüchen und schrecklich anzusehenden Bildern von buddhistischen Göttern darauf.

Ein großer Teil der Haus-zu-Haus-Tätigkeit wurde in Gassen durchgeführt. Wer in irgendeiner Straße einem Torweg folgte, kam auf ein umzäuntes Grundstück, auf dem viele Häuser standen. Oft waren sie dreigeschossig und standen in Viererreihen. Gewöhnlich wohnten in einem Gebäude viele Familien. Manchmal bestand eine Gasse aus einem Labyrinth von solchen Durchgängen. In den wohlhabenderen Gegenden waren die Gassen äußerst sauber, in den ärmeren Vierteln waren sie voller Abfall und voller tiefer Regenpfützen. Am Haupttor saß normalerweise ein Wächter, der nachts das Tor verschlossen hielt.

Nach und nach meisterten die Missionare die Sprachschwierigkeiten. Da es buchstäblich Hunderte von chinesischen Dialekten, aber nur eine Schrift gibt, bestand das Hauptproblem darin, einen Lehrer zu finden, der wirklich den örtlichen Schanghaier Dialekt sprach. Eine Zeitlang hielten die Missionare ihre Bibelstudien mit denen ab, die Englisch verstanden. Vielfach waren nur Leute bereit zu studieren, die die Bibel schon etwas kannten. Es gab viele Namenchristen, die die Christenheit „bekehrt“ hatte. Aber sie waren mit Hilfe materieller Vergünstigungen „bekehrt“ worden, und das machte viele Menschen zu nichts anderem als „Reischristen“. Die Tatsache jedoch, daß die chinesische Bibel den Namen Jehova häufig gebraucht, ermöglichte gute Gespräche.

Der Segen Jehovas ruhte auf dieser kleinen Gruppe, und es tat sich etwas. Bruder Jones fand im Haus-zu-Haus-Dienst eine Frau mit Namen Nancy Yuen, die für die Kirche arbeitete und Hausfrau war. Ihr Mann war nicht im mindesten an der Bibel interessiert, doch sie sah sofort den Unterschied zwischen der Christenheit und wahrem Christentum. Sie fing an, regelmäßig zu den Zusammenkünften zu kommen, und verließ ihre Kirche. Sie sprach gut Englisch und war bald eng mit Schwester Groezinger befreundet. Wegen ihres freudigen, mitreißenden Geistes waren die beiden Schwestern für die Neuen, die gerade begannen, die Zusammenkünfte zu besuchen, eine große Ermunterung. Damit gab es einen chinesischen Verkündiger, Nancy Yuen, der Haus-zu-Haus-Dienst verrichtete und Bibelstudien durchführte, und das alles in Chinesisch.

In der Zwischenzeit fand Bruder Güttler Herrn Vong, der im Kraftwerk von Schanghai arbeitete. Auch er wurde ein tätiger Zeuge. Manfred Chang predigte Kay Chow, die in seinem Werftbüro in Schanghai arbeitete, und auch sie schloß sich der anwachsenden Gruppe der Zeugen an. All das geschah innerhalb von nur wenigen Monaten. Sie waren überglücklich, beim Gedächtnismahl 1948 59 Anwesende zu sehen!

Die beiden Missionare waren mittlerweile umgezogen und hatten jetzt einen festen Wohnsitz — nur drei Minuten zu Fuß vom Königreichssaal entfernt. Wegen der hohen Mieten hatten sie zwei Monate gebraucht, etwas Annehmbares zu finden. Ihre Wohnung bestand aus einem kleinen Zimmer, das gerade genug Platz für zwei Betten und eine winzige Kochnische bot. Und wie hoch war die Miete? Nach amerikanischem Geld 80 Dollar pro Monat, und das wurde noch als billig angesehen!

Der Zweig in Schanghai führte im Juli 1948 eine Taufe durch. Die Brüder waren sehr dankbar dafür, zu sehen, wie neun Personen getauft wurden; bis auf eine waren es alles Chinesen.

Im Januar 1949 traf ein weiterer Gileadabsolvent, ein in Amerika geborener chinesischer Bruder, Lew Ti Himm, in Schanghai ein. Er war in Begleitung von vier anderen Brüdern: Cyril Charles und Joseph McGrath, die auf dem Weg in den Missionardienst auf Taiwan waren, sowie William Carnie und Roy Spencer, die sich auf der Durchreise in ihre Missionarzuteilung Hongkong befanden. Die Versammlung in Schanghai wurde durch besondere Zusammenkünfte mit den durchreisenden Missionaren gestärkt.

DIE WAHRHEIT BEGINNT SICH IN HONGKONG AUSZUBREITEN

Paul Lam, ein junger Mann mit Englischkenntnissen, kam direkt vor Ausbruch des 2. Weltkriegs mit der Wahrheit in Berührung. Er erzählt, wie das kam: „Ich war gerade aus der Schule gekommen und hatte angefangen zu arbeiten. Mir fiel auf, wie viele reiche Leute mit ihrem Geld so verschwenderisch umgingen, als wäre es Wasser. Ich beneidete sie. So interessierte ich mich auch für Reichtum. Eines Tages stieß ich beim Herumstöbern in einem Antiquariat auf ein Buch, dessen Titel Reichtum mich anlockte. Genau das, was ich brauche, dachte ich! Ich sah, daß es sich mit der Bibel befaßte, und da ich ein ,Christ‘ war, kaufte ich es.“ Die Lehren über Hölle, Dreieinigkeit und andere Themen erschienen ihm sehr interessant und vernünftig. In dem Buch fand er eine Werbung für eine „bunte Bibliothek“ anderer Bücher der Gesellschaft, und so suchte er während des ganzen Krieges in den Antiquariaten, bis er sie alle gefunden hatte. Nach dem Krieg schrieb er an zwei Zweigbüros der Watch Tower Society, das in Australien und das in Indien. Er bestellte weitere Veröffentlichungen und abonnierte den Wachtturm und Erwachet! Nach Besuchen von Verkündigern aus Schanghai und der Ankunft der ersten Missionare machte Paul Lam größere Fortschritte.

Als Folge der kommunistischen Machtübernahme in China war Hongkong überfüllt. Aber Paul Lam half mit, für die beiden Absolventen der elften Gileadklasse, William Carnie und Roy Spencer, eine vorübergehende Unterkunft zu finden, als sie am 16. Januar 1949 ankamen. Es dauerte mehr als drei Monate, bis sie eine bleibende Unterkunft gefunden hatten. Sie hatte die Anschrift No. 1 Beautiful Terrace und lag auf der Insel Hongkong, ganz oben an einem Bergabhang, eine ganz schöne Kletterei! Ihre Unterkunft bestand aus einem Zimmer von 3,30 mal 3,30 Metern. Die Missionare bauten ein Doppelstockbett und Klappbetten ein, um Platz für vierzig Kisten Literatur zu machen, die sie mitgebracht hatten. In diesem Zimmer mußten sie schlafen, kochen, waschen, bügeln, einfach alles tun!

Fast sofort richteten die Missionare Zusammenkünfte ein, die in Englisch abgehalten wurden. Paul Lam besuchte sie und erfreute sich der Gemeinschaft der Brüder. Die Missionare erkannten, daß die Sprache ein Problem sein würde. In Hongkong wird der kantonesische Dialekt gesprochen, und es gab wenige, die genügend Englisch sprachen, um die Wahrheit kennenlernen zu können. So begann dann Paul Lam, den beiden Brüdern abends Chinesisch beizubringen. Er begleitete die Brüder auch als Übersetzer im Predigtdienst, und wenn Vorträge gehalten wurden, war ebenfalls er der Übersetzer.

Das Kantonesische ist eine Sprache, die nur gesprochen wird, während die Schriftsprache das Mandarin-Chinesische ist, das mit der kantonesischen Aussprache gelesen wird. Das heißt in der Praxis, daß jemand, der nach Hongkong kommt, zwei Sprachen lernen muß. Die neuen Missionare machten nur langsam Fortschritte. Im allgemeinen wurden die Bibelstudien, der Haus-zu-Haus-Dienst und die Zusammenkünfte weiterhin in Englisch durchgeführt. Trotz dieser Sprachhindernisse wurden doch in den ersten paar Jahren eine Reihe sehr guter Kontakte geknüpft, die dazu führten, daß ein Kern von chinesischen Verkündigern entstand, die sich bis heute als wertvolle Hilfe für das Werk erwiesen haben.

In jenen frühen Jahren wurde viel Literatur verbreitet, und verschiedenen Interessierten wurde beigestanden, eine Erkenntnis der Wahrheit zu erwerben. Später wurden die meisten dieser ersten Verkündiger Kreis oder Versammlungsaufseher, Sonderpioniere oder Übersetzer. Jehova lenkte die Dinge, so daß sich das Werk von einer festen Grundlage aus weiterentwickeln konnte.

In jenen Tagen wurden Fremde in den meisten Wohnungen willkommen geheißen, und die Literaturabgabe war hoch. Viele Leute betrachteten das jedoch lediglich als eine Gelegenheit, Englisch zu lernen. Im Herbst 1949 gab Bruder Carnie bei einer Frau Liang ein englisches Exemplar des Buches „Gott bleibt wahrhaftig“ ab. Sie wollte jedoch nur einem Fremden eine Freundlichkeit erweisen. Als er wieder vorsprach, zeigte die Chinesin kein Interesse. Ihr Sohn Fu-lone jedoch erinnert sich: „Sie meinte, es wäre gut für mich, ein paar Gespräche mit einem Europäer zu führen, um mein Englisch zu verbessern.“ Fu-lone war in einer Missionsschule erzogen worden, und außer ihm waren alle in der Familie dem Namen nach Christen. Er ging auf den Vorschlag seiner Mutter ein und diskutierte mit Bruder Carnie. Er war jedoch nicht wirklich interessiert, und da es ihm unangenehm war, dies zuzugeben, war er einfach nicht mehr zu Hause. So ging Bruder Carnie nicht mehr dorthin. Ein paar Monate später wurde Fu-lone krank und mußte im Bett bleiben. Jetzt hatte er Zeit, ernsthafter über das nachzudenken, was er gelernt hatte, und kam zu dem Schluß, daß es einen Schöpfer geben müsse. Kurz danach sprach Bruder Carnie wieder vor und fand heraus, daß der junge Mann eine empfänglichere Geisteshaltung hatte. Eines Abends fand das Kapitel über Hölle seine ganze Aufmerksamkeit; was darin stand, bewegte ihn so sehr, daß er das Buch innerhalb von zwei Tagen auslas. Als Bruder Carnie wiederkam, war er überrascht festzustellen, daß der Junge inzwischen die Wahrheit mit dem Herzen erfaßt hatte.

Als er begann, die Zusammenkünfte zu besuchen, setzte der Widerstand der Familie ein. Die Zusammenkünfte fanden zur selben Zeit statt wie die Mahlzeiten zu Hause, und so entschied sich Fu-lone, an diesen Abenden das Essen ausfallen zu lassen. Er ließ sich durch den Widerstand der Familie nicht bremsen. Im Jahre 1951 wurde er getauft. Später half er seiner Schwester, die Wahrheit kennenzulernen, und nach ihrer Taufe diente sie eine Zeitlang als Missionar auf Taiwan.

Im April 1950 schlossen sich Cyril Charles und Joseph McGrath, die auf Taiwan gewesen waren, den beiden Missionaren hier in Hongkong an. Gegen Ende des Jahres wurde das Missionarheim in die Tai-Po-Straße 232 verlegt, wo sich ihnen ein weiterer Gileadabsolvent anschloß, so daß sie jetzt zu fünft waren.

FURCHTLOS ANGESICHTS DER DROHENDEN GEFAHR

Unterdessen verschlechterte sich die politische Situation in China erheblich, und das sollte weitreichende Auswirkungen auf das Königreichswerk haben. Als sich die kommunistischen Verbände zu Anfang noch in den Provinzen des Nordens befanden, konnte die kleine Schar Zeugen ihr von Gott angeordnetes Werk des Jüngermachens ohne ernsthafte Schwierigkeiten durchführen. Das Leben in Schanghai verlief weiterhin in seinem gehetzten Tempo und seiner lauten Art. Dann kam die Nachricht, daß die Rote Armee die Nordufer des Jangtse erreicht hatte und Nanking bedrohte, die Hauptstadt der nationalistischen Kuomintang. Jetzt wurde die Bevölkerung Schanghais unruhig und war besorgt, und es begann ein großer Auszug aus der Stadt. Jeder, der es sich finanziell leisten konnte, rüstete sich, die Stadt zu verlassen, darunter auch der Besitzer des Königreichssaales. Würden sie ihren Königreichssaal verlieren? Die gesamten Geschäftsräume im Erdgeschoß wurden ihnen für 1 000 Dollar angeboten, die die Brüder mit der Unterstützung der Interessierten selbst aufbringen konnten.

Mit jedem Tag, der verstrich, wurde das Leben in Schanghai angespannter. Im Frühjahr 1949 befanden sich die Roten im Angriff, und die Nationalisten verließen das Festland und flohen nach Taiwan. Britische und amerikanische Kriegsschiffe, die man sonst im Hwangho ankern sehen konnte, waren jetzt verschwunden. Wenn die Missionare nachts in ihren Betten lagen, konnten sie in der Ferne Schießen hören, während sich die kommunistischen Verbände Schanghai näherten.

Jetzt mußten auch Bruder Jones und Bruder King eine schwere Entscheidung treffen. Sollten sie Schanghai verlassen, bevor die Stadt in die Hände der Kommunisten fiel, oder sollten sie bei ihren Brüder bleiben und ihnen den nötigen Beistand geben? Nach einem langen Gespräch und nachdem sie zu Jehova um Leitung in dieser Angelegenheit gebetet hatten, beschlossen sie, beide zu bleiben und für die „Schafe“ Jehovas zu sorgen.

In einer Nacht wurde dann der Kampflärm heftiger und lauter als sonst. Morgens früh hieß es dann im Radio, die Stadt sei gefallen. Bruder Jones und Bruder King verließen das Haus, um Nahrungsmittel einzukaufen, und sahen, daß die Straßen voll kommunistischer Truppen waren, die auf den Bürgersteigen kauerten oder lagen und sehr erschöpft aussahen. In Radiomeldungen wurde der Bevölkerung mitgeteilt, daß sie nichts von der Roten Armee zu befürchten hätte, da sie der Freund des Volkes sei, und daß sie ihr Leben ganz normal weiterführen sollte. Die Freiheit sei garantiert, hieß es.

Am ersten Tag nach der Machtübernahme machten Bruder Jones und Bruder King sogleich Besuche bei allen Verkündigern und fanden heraus, daß sie alle wohlauf waren. Es war geplant, daß sie ihren Dienst wie sonst durchführen sollten. Da so viele Versicherungen abgegeben worden waren, daß die Minderheiten und religiösen Gruppen geschützt sein würden, schien es keinen Grund zu geben, anders zu verfahren. Die Versammlungszusammenkünfte fanden wie üblich statt, und die Zahl der Anwesenden erhöhte sich sogar. Die Reaktion an den Türen war zuerst normal, später wurde es jedoch allmählich härter, da mehr Leute der Propaganda der neuen Regierung zum Opfer fielen. Hundert Millionen chinesische Dollar waren einen US-Dollar wert. Gebundene Bücher wurden an den Türen für 10 Millionen Dollar das Exemplar abgegeben! Selbst die Bettler waren Millionäre.

Trotz all dieser Umstände nach der Machtübernahme durch die Kommunisten nahmen viele sehr wertvolle Menschen die Wahrheit an und waren standhaft, als Jehovas Zeugen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurden. Einer davon war William Koo, der, nachdem er mit Bruder King studiert und gute Fortschritte gemacht hatte, schließlich ein Versammlungsaufseher in Schanghai wurde. M. P. Liu kam durch Bruder Lew in die Wahrheit und war dann sehr eifrig im Werk tätig. Weiter war da die Familie Liang, die, obwohl sie von der Organisation zurechtgewiesen werden mußte, später bereute und standhaft war. Dies sind einige von denen, die ihren Brüdern im Gedächtnis geblieben sind. Was jedoch noch wichtiger ist, Jehova kennt sie und wird sie gemäß ihrer Arbeit belohnen.

Im ersten Jahr der kommunistischen Herrschaft traf Bruder King C. C. Chen. Dieser junge Mann zeigte erstaunliches Interesse. Nach nicht allzu langer Zeit ließ er sich taufen und wurde mit besonderen Aufgaben in der Versammlung betraut. Die kommunistische Regierung wies ihm eine Arbeit unter Bruder Vong im Kraftwerk von Schanghai zu, um ihn als Elektroingenieur ausbilden zu lassen. Die Brüder in der Versammlung dachten nicht im entferntesten, daß dieser C. C. Chen den kommunistischen Idealen zum Opfer gefallen war und von den Kommunisten als Spion in der Versammlung eingesetzt war. Es war offensichtlich, daß er die Kommunisten lange Zeit mit Informationen versorgt hatte.

In den ersten drei Jahren ging das Werk, auch der Haus-zu-Haus-Dienst, ohne Behinderung weiter. Die Brüder führten ihren Dienst ganz offen durch, während die Kommunisten alle Hände voll zu tun hatten, ihre Betriebe und ihren Verwaltungsapparat aufzubauen. 11 Personen wurden im Jahre 1950 getauft. 1951 waren 105 Personen beim Gedächtnismahl, und man erhielt eine Genehmigung, Literatur aus Hongkong einzuführen, so daß die Brüder alle neuen Veröffentlichungen in Englisch bekamen.

Eine oft gestellte Frage war: Kann jemand mit typisch chinesischem und buddhistischem Hintergrund und ohne vorherige Kenntnis der Bibel in die Wahrheit kommen? Die Antwort kam, als Paul Lam während seiner weltlichen Arbeit Helen Lau predigte, der Besitzerin eines chinesischen Kräuterteeladens. Bruder Lam gab bei ihr das Buch Rettung in Chinesisch ab und bot ihr an, ihr beim Verstehenlernen der Bibel behilflich zu sein. Obwohl sie nur sehr wenig Englisch konnte, besuchte sie die Zusammenkünfte und nahm das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ in Englisch. Sie fing an, sich am Predigtdienst zu beteiligen, wurde getauft und nahm 1954 den Pionierdienst auf. Schon bald erweckte sie bei ihren beiden jüngeren Schwestern Interesse, die von der Freundlichkeit und Geduld der Zeugen beeindruckt waren, und auch sie wurden Diener Jehovas. Ja, es stand fest, daß die Wahrheit der Bibel die starken chinesischen Traditionen überwinden konnte.

Ein anderes Studium wurde mit einem jungen Mann begonnen, der „Englisch lernen wollte“, aber viel mehr lernte. Lam Yan Yue und einige seiner Klassenkameraden fingen an, mit Bruder Carnie zu studieren. Die Klassenkameraden hörten nach einer Weile auf, aber Yan Yue war von der Freundlichkeit und Aufrichtigkeit der Missionare beeindruckt. Er fürchtete sich nicht davor, „sein Gesicht zu verlieren“, sondern schätzte es statt dessen, daß der Missionar, wie er es ausdrückte, „sich nicht davor fürchtete, meine verkehrten Ideen richtigzustellen“. Im Laufe der Zeit wurde er getauft und diente später als Versammlungsaufseher.

DIE SCHWIERIGKEITEN AUF DEM FESTLAND NEHMEN ZU

Während der kommunistische Machtapparat immer funktionstüchtiger wurde, mußten die Arbeiter vor und nach der Arbeitszeit kommunistische Versammlungen besuchen. Jede Gasse hatte ihr „Komitee“ und ihre politischen Versammlungen, und jegliche „antikommunistischen Elemente“ mußten gemeldet werden. Die Kontrolle durch die Kommunisten wurde auch auf die Religionen ausgedehnt. Alle Religionen mußten chinesische Prediger haben sowie von Chinesen finanziert werden und organisiert sein. War dies nicht der Fall, mußten sie sich registrieren lassen. Jehovas Zeugen mußten sich daher registrieren lassen.

Im Jahre 1952 gab es 22 Verkündiger, und 17 waren getauft. Für die einheimischen Brüder wurde das Leben jetzt schwieriger. Sie mußten die „Lehren Maos“ studieren. Während und nach der Arbeitszeit fanden sie die Türen verschlossen, so daß niemand weggehen konnte. Manchmal mußten sie den Erläuterungen zum Kommunismus bis zu vier Stunden lang zuhören. Kein Wunder, daß ihnen dann der Königreichssaal regelrechte geistige Erfrischung bot. Ein Bruder drückte das folgendermaßen aus: „Der kleine Königreichssaal in Schanghai war wie eine Oase inmitten der ausgedörrten Wüste des haßerfüllten politischen Drucks.“ Der Geist Jehovas und das regelmäßige Lesen seines Wortes machten es unseren lieben Brüdern möglich, in der geistigen Wildnis des kommunistischen Chinas zu überleben. Sie ließen sich nicht entmutigen und waren außer sich vor Freude, 85 beim Gedächtnismahl 1953 zu sehen bei 10 Täuflingen für das Jahr.

DER ANFANG VOM ENDE

Eines Tages, als Bruder King gerade predigte, verursachte ein fanatischer Wächter eine häßliche Szene. Ganz plötzlich sah sich Bruder King einer feindseligen Menge gegenüber. Ein Polizist kam herbei und sagte Bruder King mit Bestimmtheit, daß er im Unrecht sei, da er die Leute indoktriniere und ihren Frieden störe. Zwei Tage später wurden die Missionare zur Polizeiwache bestellt. Die Anordnung war unmißverständlich: „Kein Predigen mehr außerhalb des Königreichssaals.“ Es wären nur Besuche bei Leuten erlaubt, mit denen die Bibel studiert werde, und ihre Namen müßten der Polizei mitgeteilt werden. Dennoch ging keines der Bibelstudien verloren.

Nun erkannten die Brüder, daß das Werk mit größerer Vorsicht durchgeführt werden mußte. Europäer fielen auf, und deshalb wurde beschlossen, daß die chinesischen Brüder den Haus-zu-Haus-Dienst fortführen sollten, während die Missionare in den Läden predigen und gelegentliches Zeugnis geben würden.

Anfang 1954 starb Lew Ti Himm, einer der Missionare. Er war ein eifriger und unermüdlicher Arbeiter gewesen. Im März 1955 gab es, obwohl durch die Zurechtweisung eines Ehepaares ein Verlust von zehn Verkündigern eintrat, dennoch eine Höchstzahl an Königreichsverkündigern. Die Brüder standen durchschnittlich 10,6 Stunden im Predigtdienst. Der Höhepunkt des Jahres waren die 175 Anwesenden beim Gedächtnismahl.

Zu dieser Zeit hatte die Versorgung mit Literatur fast ganz aufgehört, obwohl die Zeitschriften noch eine Zeitlang eintrafen. Aber das hörte 1956 auf. In Wahrheit gab es nie ein öffentliches Verbot der Publikationen. Sie kamen eben einfach nie an. Bruder King erinnert sich: „Es kam niemals auch nur ein einziges Exemplar durch. Ich kann euch sagen, die waren gründlich!“ In England sprang jedoch eine treue Schwester dadurch ein, daß sie das Wesentliche aus den Studienartikeln des Wachtturms aufschrieb und mit Luftpost nach Schanghai schickte.

Mitte 1956 gab es wieder Schwierigkeiten. Die Polizei nahm fünf Verkündiger fest und verhörte sie fünf Stunden lang. Nancy Yuen wurde vier Tage lang festgehalten. Dies war eine Warnung, „ihre Religion in ihrer eigenen Kirche zu belassen“. Unsere Brüder predigten weiter, jedoch sehr vorsichtig. Vier Monate später wurde Nancy Yuen das zweite Mal verhaftet. Sie war zu einem Bibelstudium gegangen und kehrte nie zurück. Die Nachforschungen der Missionare über ihr Wohlergehen und ihren Aufenthaltsort wurden steif zurückgewiesen mit der Begründung: „Dies ist eine innerchinesische Angelegenheit. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Sachen.“ Von da an nahm sich ihre Mutter ihrer kleinen Kinder an. Zwei Jahre später konnte sie Nancy in der Strafanstalt besuchen. Während dieser Jahre war Nancy ständig in dem Bemühen verhört worden, sie dazu zu bewegen, ihre Brüder anzuklagen; sie blieb jedoch Jehova und ihren Brüdern gegenüber loyal. Schließlich wurde sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Bruder Jones konnte sie einmal für kurze Zeit im Hof des Schanghaier Gefängnisses sehen, als er dort später selbst in Haft war.

Die internationale Flüchtlingsorganisation kurbelte jetzt Maßnahmen an, und alle, die ihr unterstellt waren, wurden in andere Länder umgesiedelt. Daher mußten Bruder Möbius, Bruder Güttler und Bruder Poethko das Land verlassen. Ausländische Geschäfte schlossen, und die Familie Groezinger mußte gehen. Bruder Jones und Bruder King mußten jetzt verhältnismäßig viel Zeit damit verbringen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Jehova segnete ihre Anstrengungen, und sie freuten sich, 1958 107 Anwesende beim Gedächtnismahl zu zählen.

Es waren Vorkehrungen getroffen worden, daß Bruder Charles, der Zweigaufseher von Hongkong, auf der Rückreise vom internationalen Kongreß der Zeugen Jehovas in New York im Jahre 1958 mit dem Schiff über Schanghai fahren und unsere Brüder dort besuchen sollte. (Bruder Jones hatte sich vorher um ein Ausreisevisum zum Besuch des Kongresses bemüht; es war jedoch verweigert worden, so daß sie wußten, daß ihnen nicht gestattet werden würde, das Land zu verlassen.) Als das Schiff im Hafen einlief, durfte sich niemand an Land aufhalten. Aber Bruder Jones und Bruder King fuhren mit einer Fähre den Fluß hinunter, um Bruder Charles zu sehen. Sie konnten ihn erkennen, winkten ihm und übermittelten eine Botschaft. Bruder King rief mit seiner lauten, dröhnenden Stimme: „Sag Mutter, wir alle sind glücklich und wohlauf!“ Bruder Charles rief zurück: „Herzliche Grüße von 250 000!“ Er meinte damit natürlich die Zahl der Anwesenden beim internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“, der vom 27. Juli bis 3. August in New York stattgefunden hatte.

Die standhafte Stellung, die Jehovas Zeugen bezogen, verärgerte die anderen religiösen Gruppen sehr, die einen Kompromiß nach dem anderen gemacht hatten. Jetzt setzten sie die Polizei unter Druck und beschwerten sich darüber, daß Jehovas Zeugen mit ihrer Tätigkeit fortfahren dürften, ohne daß der Staat eingriff. Das blieb nicht ohne Auswirkung.

Am 14. Oktober 1958 waren Bruder Jones und Bruder King um halb sieben aufgestanden, hatten ihr Frühstück zubereitet und wollten sich gerade hinsetzen, als Bruder King sah, wie Polizei in ihre Straße gelaufen kam. Er sagte: „Ich frage mich, hinter wem sie diesmal her sind.“ Die Antwort bestand in einem wilden Hämmern an ihrer eigenen Tür. Sie wurden als „Reaktionäre“ verhaftet, und das Heim wurde gründlich durchsucht. Nach fünf Stunden wurden sie in eine Strafanstalt gebracht, wo sie zwei Jahre lang ständig verhört wurden.

Bei ihrer Verhandlung im Jahre 1960 wurden Namen von chinesischen Brüdern und Schwestern vorgelesen und wurde gesagt, daß gegen sie später verhandelt werde. Der Versammlungsaufseher, Bruder Koo, ebenso Bruder Liu und Nancy Yuen standen auf der langen Liste mit den Namen. So wurde im Oktober 1958 das Werk der Zeugen Jehovas in China gewaltsam zum Stillstand gebracht.

WIRKUNGSVOLLERE ORGANISATION DES WERKES IN HONGKONG

In jenen Jahren wurden in Hongkong die Bemühungen, die gute Botschaft wirkungsvoller zu predigen, fortgesetzt. Bruder Knorr und Bruder Henschel besuchten Hongkong im April 1951. Im Star-Theater hielt Bruder Knorr vor 707 Zuhörern den weithin angekündigten Vortrag „Verkündet Freiheit im ganzen Land“. Dieser Besuch war eine große Ermunterung für die fünf Missionare und bereitete gleichzeitig die Eröffnung eines Zweigbüros am 1. September 1951 vor. Zweigaufseher war Bruder Carnie. Im Laufe der nächsten paar Jahre wurden neun weitere Missionare Hongkong zugeteilt.

Die Missionare unternahmen jedoch Anfang der fünfziger Jahre nichts, um die chinesische Sprache systematisch zu erlernen. Schwester Gannaway kann sich noch erinnern, daß bei ihrer Ankunft in Hongkong im Jahre 1953 der einzige chinesische Satz, den die Missionare gebrauchten, lautete: „Yau-mo yan sik-gong ying-mun?“, was heißt: „Spricht hier irgend jemand Englisch?“ Das Zweigbüro war überfüllt, und der Lärm des Teehauses im Untergeschoß dauerte bis spät in die Nacht. Daher war Bruder Knorrs Besuch im April 1956 sehr zeitgemäß. Er schätzte die Lage gleich richtig ein und sagte: „Ab sofort finden alle Zusammenkünfte in Chinesisch statt, und die Missionare werden die Sprache lernen und gebrauchen.“ Es wurde ein weiteres Missionarheim eröffnet, und im nächsten Jahr erschienen Der Wachtturm und das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ in Chinesisch.

Im Januar 1957 wurde in der Nähe des erholsamen Strandes der Repulse Bay ein Kongreß abgehalten, dessen Hauptredner Bruder Franz war. Er hob die ganzherzige Arbeit und die Loyalität gegenüber der sichtbaren Organisation Jehovas hervor. Als er sich die Zeit nahm, mit Gruppen von einheimischen Brüdern zu sprechen, waren sie tief beeindruckt. Bruder Franz kam auch mit den neunzehn Missionaren und Sonderpionieren zusammen, besprach ihre Probleme mit ihnen und gab ihnen ausgezeichnete Ermahnungen, treu zu bleiben. Im Dezember 1958 kehrten die ersten drei Pioniere aus Hongkong, die die Gileadschule besucht und absolviert hatten, nach Hause zurück, und Kenneth Gannaway, der auf den Leeward-Inseln in Westindien gedient hatte, schloß sich der Gruppe der Missionare an, so daß jetzt insgesamt dreizehn Missionare in den beiden Heimen waren.

MACAU HÖRT DIE GUTE BOTSCHAFT

Fünfundvierzig Kilometer von Hongkong entfernt, liegt auf der anderen Seite der Mündung des Perlenflusses die portugiesische Kolonie Macau. Es ist die älteste westliche Niederlassung an der chinesischen Küste. Sie besteht aus einem schmalen Streifen Land, der 10 Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit ist, sowie aus zwei kleinen Inseln. Die Stadt selbst erinnert an das alte Portugal, jedoch herrscht die orientalische Lebensweise vor. Portugiesisch ist Amtssprache, die Mehrzahl der Einwohner sind aber Chinesen und sprechen Kantonesisch.

Im Februar 1963 wurden zwei Sonderpioniere nach Macau gesandt. Einer von ihnen, Daniel Ng, lernte einen sehr freundlichen einundzwanzigjährigen Chinesen mit Namen John Chu kennen, der kurz vorher aus Indonesien gekommen war. Es wurde ein Heimbibelstudium begonnen, an dem sich die ganze Familie beteiligte, auch die Eltern. John nahm bald am Predigtdienst teil, doch leider mußten die Sonderpioniere Ende des Jahres die Kolonie verlassen. Doch John war nur drei Monate allein, und während dieser Zeit besuchte ihn der Kreisaufseher, Bruder Thorn, für fünf Tage und stand ihm sehr bei. Johns Aufrichtigkeit und sein Eifer waren beeindruckend. An dem Tag, an dem Bruder Thorn abfuhr, kam er um halb sieben morgens in dessen Hotel, um mehr darüber zu erfahren, wie er das Werk fortsetzen solle.

Im Juni 1964 trafen zwei erfahrene Sonderpioniere, Mary Chan und Lee King Foon, ein. Ihre systematische Arbeit zeitigte gute Ergebnisse; 1965 beteiligten sich drei Verkündiger am Predigtdienst, und einunddreißig besuchten die Gedächtnismahlfeier. Ihre ausgezeichnete Arbeit entging der katholischen Kirche nicht, und bald darauf wurden sie von der Geheimpolizei beobachtet. Eines Sonntagnachmittags, als das Wachtturm-Studium gerade in der Wohnung Johns im Gange war, drang die Geheimpolizei ein, beschlagnahmte alle Literatur und alle Bibeln und befahl allen, auf der Polizeiwache zu erscheinen. Am Tag darauf wurden die beiden Sonderpioniere nach Hongkong zurückgeschickt. Während sich einige aus Furcht absonderten, gingen doch die übrigen in der Gruppe aus der Erfahrung gestärkt hervor und fuhren unter Vorsichtsmaßnahmen mit dem Predigen fort.

In den letzten Jahren ist eine starke kommunistische Gruppe in Macau in Erscheinung getreten. Die Anhänger dieser Gruppe haben sich als ebenso fanatisch erwiesen wie die der römisch-katholischen Kirche. Während sich diese beiden Gruppen gegenseitig belauerten und um die Macht kämpften, haben Jehovas Zeugen weiterhin unauffällig das Zeugnis von Gottes Königreich gegeben. Ein Sonderpionier kehrte kürzlich nach Hongkong zurück, nachdem er vier Jahre lang mit der kleinen Gruppe zusammengearbeitet hatte. Zur Zeit beteiligen sich sechs Verkündiger am Werk des Herrn. Ihren Eifer erkennt man daran, daß sie im Dienstjahr 1973 durchschnittlich 12,3 Stunden im Predigtdienst standen und zwanzig Anwesende beim Gedächtnismahl zählten. Es stimmt unser Herz freudig zu wissen, daß zwei der Verkündiger im Dienstjahr 1973 als allgemeine Pioniere dienten und in diesem Jahr Sonderpioniere sein werden. Bruder John Chu geht in dieser kleinen Versammlung des Volkes Jehovas weiterhin mit Reife führend voran

FREUDE, WACHSTUM UND PRÜFUNGEN

In Hongkong sind die meisten derjenigen, die sich für die Wahrheit interessieren, junge Leute. Es sieht so aus, als ob die ältere Generation in ihrer Lebensweise fest eingefahren ist und sich nicht ändern wird, weil sie fürchtet, es könnte ihr bei ihrem Tod schlecht ergehen, wenn sie ihre chinesischen Traditionen verlassen hat. May Yu, ein junges Mädchen, fing mit dreizehn Jahren an, die Zusammenkünfte zu besuchen, als diese noch in Englisch durchgeführt wurden. Obwohl sie kein Englisch konnte, erfreute sie doch die echte Freundlichkeit und Liebe, die sie dort vorfand. Was sie in der Schule erlebte, zeigt deutlich, welcher Druck auf Schülern in Hongkong lastet, der viele Neue veranlaßt, während der Schulzeit von der Wahrheit abzufallen.

Schwester May Yu sagt dazu: „Im Jahre 1961 war ich vollauf damit beschäftigt, mich auf mein Abschlußjahr in der Schule vorzubereiten, das Jahr, in dem jeder angespannt für die Schlußprüfung lernt. Der Druck und die vermehrten Hausaufgaben ließen sogar die 24 Stunden eines Tages als zu kurz erscheinen, wenn man allen Anforderungen gerecht werden wollte. Man bedrängte uns ständig mit mehr Ausbildung, Universität, höherbezahlten Berufen, dem Ansehen unserer Lehrer und dem unserer Eltern, das auf dem Spiel stände. Mir schien meine geistige Gesinnung gefährdet. Was mir jedoch half, den Druck dieser materialistischen Gesellschaft zu besiegen, waren die Ermunterungen, die ich erhielt, sowie der Rat, den Predigtdienst zu meiner Lebensaufgabe zu machen, und das persönliche Studium.“ Durch Schwester Yu kam eine ihrer Klassenkameradinnen zur Erkenntnis der Wahrheit, und diese Schulfreundin diente später mehrere Jahre lang als Sonderpionierin. Schwester Yu wurde im November 1962 Sonderpionier und ist heute immer noch im Vollzeitdienst als Übersetzerin im Bethel tätig.

Ein neuer Auftrieb kam mit dem internationalen Kongreß „Ewige gute Botschaft“, der vom 13. bis 18. August 1963 in der City Hall abgehalten wurde. Die 222 Versammlungsverkündiger, Pioniere und Missionare arbeiteten unermüdlich, um den Kongreß vorzubereiten, und sie wurden nicht enttäuscht. Der Besuch von fast 500 Mitchristen trug viel dazu bei, die Wertschätzung der einheimischen Brüder zu vertiefen, die noch nie außerhalb ihres Landes waren. Sie konnten jetzt selbst die Einheit und die Liebe miterleben, die ihnen die Brüder aus dem Ausland erwiesen, und dies erweiterte ihre Vorstellungen von Jehovas wunderbarer Organisation beträchtlich. Mit frischem Eifer gingen sie wieder an die Arbeit, und beim nächsten Gedächtnismahl waren 459 Personen anwesend.

Im April 1964 erhielten die Brüder in Hongkong eine traurige Nachricht, da „Bill“ Carnie, einer der ersten Missionare, gestorben war. Er hatte etwa zwölf Jahre lang als Zweigaufseher gedient. Bruder Carnie empfand Liebe zu den Menschen und brachte die Früchte des Geistes überall hervor, wo er tätig war. Alle, die ihn kannten, denken immer noch mit Liebe an ihn.

Stets haben unsere Brüder in Hongkong ein liebevolles Interesse an ihren Brüdern gezeigt, die hinter dem Bambusvorhang im Gefängnis sind. Sie gedenken dieser Brüder täglich in ihren Gebeten. Wie freuten sie sich doch, zu sehen, daß Harold King 1963 China verlassen konnte! Hier stand ein Bruder vor ihnen, der viereinhalb Jahre im Gefängnis verbracht hatte und immer noch stark im Glauben war. Sie hörten von ihm auch etwas über den Glauben ihrer chinesischen Brüder, die immer noch im Gefängnis waren. 1965 wurde dann Stanley Jones nach siebenjähriger Haft entlassen, und er brachte ihnen noch mehr gute Nachrichten über die Treue ihrer Brüder in China. Während das Leben in China glanzlos und hart war, ging es Hongkong mit seinem großen materiellen Wohlstand glänzend. Bruder Jones fiel das auf, und die Brüder schätzten seinen zeitgemäßen Rat, nicht dem Materialismus zum Opfer zu fallen und des ewigen Lebens verlustig zu gehen.

Mit Dankbarkeit empfing Hongkong 1966 eine weitere Gruppe von sieben Missionaren aus der 41. Klasse Gileads. Dies ermöglichte die Eröffnung eines weiteren Missionarheims in einer Gegend von Kaulun, die bisher fast gar nicht bearbeitet worden war, im Industriegebiet Kwun Tong. Bei einer Bevölkerung von 225 000 gab es dort keine Verkündiger; so wurden die Missionare freundlich aufgenommen. Im Gegensatz zu den früheren Missionaren nahmen die Missionare von der Gesellschaft aus an einem zweimonatigen Sprachkurs mit einem ernannten Unterweiser teil. So lernten sie die Grundbegriffe des kantonesischen Dialekts in verhältnismäßig kurzer Zeit kennen.

Anfang 1967 begannen die Missionare, unter der allgemeinen Bevölkerung eine Änderung der Einstellung festzustellen. Es braute sich etwas zusammen. Schon 1966 hatte es kleinere Demonstrationen wegen der Erhöhung der Fährpreise (um 5 Prozent) gegeben. Sollte etwas Ähnliches wieder eintreten? In einem Monatsbericht an die Gesellschaft bemerkte Bruder Gannaway, der Zweigaufseher: „Es scheint so, als ob die Kommunisten hier durch ihren Sieg in Macau zuversichtlich geworden sind. Wir sehen uns jetzt einer feindseligen Haltung zur Religion gegenüber, wie wir sie nie zuvor erlebt haben. ... Es ist eindeutig, daß hier sehr schnell etwas passieren kann.“

Kurz darauf brachen überall in Hongkong Aufstände aus. Die kommunistischen Kräfte versuchten, gegenüber der Regierung die Oberhand zu gewinnen und die Leute durch Einschüchterung dazu zu bringen, sie zu unterstützen. Eine Zeitlang legten sie unterschiedslos überall Bomben, sogar vor dem Gebäude, in dem wir unseren Bezirkskongreß abhielten. Durch die Bomben wurden viele Menschen verletzt. Kinder, die, ohne zu wissen, worum es sich handelte, mit den Bomben spielten, wurden getötet oder verstümmelt. Die Bomben brachten die Bevölkerung gegen die kommunistische Bewegung auf und verhinderten so eine Machtübernahme.

Trotzdem ergriff viele Furcht. Hunderte von Schiffen und Flugzeugen waren in Erwartung eines Massenauszugs ausgebucht. Vor dem Ausbruch der Unruhen hatte die Gesellschaft zu vermehrtem Besuch der Zusammenkünfte und zu persönlichem Studium ermuntert, denn dies waren auffallend schwache Punkte. Diejenigen, die sich diesen Rat nicht zu Herzen nahmen, unterlagen. Daher sank die Zahl der Verkündiger von einer Höchstzahl von 261 im Jahre 1967 auf einen Durchschnitt von 218 im Jahre 1968.

Wie gut war es doch, daß Bruder Knorr im Mai 1968 Hongkong besuchte und über das Thema sprach „Vergiß es nicht!“! Die Brüder hörten hingerissen zu, und Bruder Knorr war davon beeindruckt, daß „bei jedem Mal, wenn er einen Schrifttext zitierte, sich jeder Kopf in der Zuhörerschaft senkte, um den Text gewissenhaft nachzuschlagen“. Dieser Besuch war genau das, was benötigt wurde, und erfüllte die Brüder mit Zuversicht sowie mit Entschlossenheit, im Werk fortzufahren und Jehova mit starkem Herzen zu dienen. So ging das Werk wieder vorwärts, und zum ersten Mal nach vierzehn Jahren berichteten die Versammlungsverkündiger über zehn Stunden. 558 wohnten dem Gedächtnismahl für 1968 bei.

Bei Bruder Knorrs Vortrag war auch eine Interessierte, Frau Fok, anwesend, die bewegt war von dem, was sie hörte und sah. Ihre Erfahrung zeigt, daß jemand, der wirklich nach der Wahrheit sucht, sie auch findet. „Als ich elf Jahre alt war, wurde mein Vater in Kanton getötet“, erzählte sie. „In den Jahren danach erlebte ich, daß viel getötet und gehaßt wurde. Dies veranlaßte mich, ernsthaft über das Leben nachzudenken. Ich beschloß, aus China zu fliehen, und nach vielen Schwierigkeiten schmuggelte man mich nach Hongkong ein. Ich hatte erwartet, in Hongkong ein besseres Leben zu finden, wurde jedoch enttäuscht. Alles, was ich sah, waren Konkurrenzkampf, Täuschung und Grausamkeit, und das führte mich dazu, nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Ich sah die Harmonie in der Natur, und doch war das Leben des Menschen genau das Gegenteil. Daher wollte ich Antworten haben und die Wahrheit finden, wenn sie existierte.“ Sie las Bücher über Philosophie, die ihr Verlangen auch nicht zufriedenstellen konnten.

Dann sprachen Jehovas Zeugen bei ihr vor. Zuerst fühlte sie sich nicht so sehr von der Wahrheit als vielmehr von der echten Liebe und dem Interesse angezogen, das die Zeugen den Menschen gegenüber bekunden. Als sie Bruder Knorrs Vortrag besuchte, sagte sie: „Ich war überrascht zu sehen, daß jeder der Zeugen eine herzliche Freundlichkeit und Liebe gegenüber den anderen bekundete. Sie waren angefüllt mit Freude und Glauben. So dachte ich mir, sie müßten etwas Wertvolles besitzen, was andere nicht haben.“ Das veranlaßte sie, eingehender zu studieren, und bald war sie überzeugt, daß dies die Wahrheit war, nach der sie so lange gesucht hatte. Sie fühlt sich jetzt „Jehova sehr zu Dank verpflichtet, daß er jemand ausgesandt hat“, ihr zu predigen. Nun ist sie eine eifrige Verkündigerin, die Pionier auf Zeit ist, wann immer sie es ermöglichen kann. Sie tut dies, obwohl sie eine große Familie und einen gegnerischen Mann hat. Vor kurzem konnte ihr jüngerer Bruder aus China entkommen, und sie hatte große Hoffnungen, daß sie ihm helfen könnte, die Wahrheit anzunehmen. Er war jedoch, wie dies bei den Flüchtlingen meistens der Fall ist, ein unerschütterlicher Atheist und hatte kein Interesse. Schwester Fok hat jedoch nicht aufgegeben.

Jehovas Organisation hat Gottes Volk hier in reichem Maß versorgt. Außer den beiden Ausgaben des Wachtturms erhalten wir seit 1962 jeden Monat eine Ausgabe von Erwachet! in Chinesisch. Erwachet! wird gut aufgenommen und hat eine große Rolle dabei gespielt, im Gebiet den Weg für ein gründlicheres Zeugnis zu ebnen. Weiterhin sind fünf der neueren gebundenen Bücher der Gesellschaft sowie sechs Broschüren in Chinesisch erhältlich. Mit dieser hervorragenden Zusammenstellung von Bibelstudienhilfsmitteln haben Jehovas Zeugen nach den Worten eines prominenten evangelischen Missionars die beste Sammlung von Veröffentlichungen in Chinesisch.

Es gibt nichts, was jemals so eine Auswirkung auf die Tätigkeit der Brüder im Predigtdienst gehabt hat wie das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. Als 1969 die erste Lieferung eintraf, gab es noch einige Zweifel, ob die Leute hier in nur sechs Monaten die Wahrheit erkennen und handeln würden. Die präzise, klare und treffende Art der Information jedoch hat nicht nur den Brüdern außerordentlich geholfen, sondern auch bewirkt, daß wir heute eine stabile, treue Gruppe neuer Lobpreiser Jehovas haben.

Erwähnt werden sollte, daß das Zweigbüro in bessere Räume in der Prince Edward Road 312, zweiter Stock, in Kaulun verlegt wurde. Zuerst gehörte der Gesellschaft nur eine Wohnung, doch als die Gelegenheit dazu bestand, erwarb sie auch die Nachbarwohnung, so daß mehr Platz für Lagerzwecke und für weitere Missionare war.

Die Erinnerungen an den Kongreß „Friede auf Erden“ 1969 werden den Brüdern in Hongkong ebenfalls noch lange im Herzen haftenbleiben. Die Besucher aus etwa dreizehn Ländern, das Programm, die Dramen und die Anwesenheit von drei Brüdern der leitenden Körperschaft, Bruder Knorr, Bruder Franz und Bruder Suiter, gaben den Brüdern wieder einen Aufschwung. Auch die Missionare waren Jehova und seiner Organisation dafür dankbar, daß sie in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, um dort einen Kongreß zu besuchen und ihre Familie wiederzusehen. Sie kamen mit neuem Eifer zurück, um hier in ihrer Zuteilung mit ihrem Dienst fortzufahren.

Im Jahre 1970 ernannte die Gesellschaft neun tüchtige Sonderpionierinnen von den Philippinen zu Missionaren in Hongkong. Sie widmeten sich so intensiv dem Erlernen der Sprache, als wäre es nur ein weiterer Dialekt der Philippinen, und dank dieser positiven Einstellung haben sie ausgezeichnete Fortschritte gemacht. Sie haben allerdings erfahren, welches Ausharren und welche Geduld nötig sind, bis jemand sich Gott hingibt und taufen läßt. Deshalb sind sie dankbar für das Vorbild der Missionare, wie zum Beispiel Beth Gannaway und Elizabeth Jarvis, die hier bereits zwanzig beziehungsweise sechzehn Jahre geduldig dienen.

Erfreulich ist auch, daß die meisten der Missionare, die ihren Dienst aus gesundheitlichen, familiären oder sonstigen Gründen aufgeben mußten, in Hongkong geblieben sind und weiterhin treue Verkündiger des Königreiches sind. Sie betrachten Hongkong noch immer als ihre Zuteilung, und die einheimischen Brüder lieben sie darum sehr.

Man darf nicht vergessen, daß hier fast niemand ohne echten Kampf in die Wahrheit kommt. Eine typische Erfahrung der letzten Zeit aus Kwun Tong soll dies veranschaulichen. Fu-lone Liang studierte mit einem katholischen Jungen. Nach vielen „Gefechten“ um Lehrpunkte erkannte er, daß dies die Wahrheit sei, und beschloß, etwas zu tun. Da seine Eltern sahen, daß er nicht mehr soviel Zeit zum Geldverdienen haben würde, wenn er die Zusammenkünfte besuchte und sich am Predigtdienst beteiligte, fingen sie an, ihm alle möglichen Schwierigkeiten zu machen. Ihm graute davor, nach den Zusammenkünften nach Hause zu gehen. Bis in die frühen Morgenstunden dauerten das Schreien, Fluchen und die Belästigungen seiner Eltern an. Seine jüngeren Brüder und Schwestern durften nicht mehr mit ihm reden. Manchmal hielt sein Vater ihn mit Gewalt davon ab, die Zusammenkunft zu besuchen, und jagte ihn sogar mit einem Hackbeil. Seine Mutter kam mehrere Male in den Königreichssaal und machte ihm eine Szene. Eines Sonntagmorgens wachte er vom Geräusch klirrenden Glases auf. Er sah nach und fand heraus, daß seine Mutter Flaschen zerbrach. Weshalb? „Ich gehe zu diesem Königreichssaal und blende alle Missionare!“ Ohne Unterlaß ging dieser Widerstand monatelang weiter, bis es für ihn zu gefährlich wurde, weiter zu Hause zu bleiben. Einmal fragte er seine Eltern: „Warum denkt ihr soviel an Geld? Habt ihr mich denn nicht erzogen, damit ich euch liebe?“ Ihre Antwort war: „Nein, damit du uns Geld einbringst!“ Sogar nachdem er sein Zuhause verlassen hatte und zu einem Bruder gezogen war, kam seine Mutter noch in den Königreichssaal und versuchte, Bruder Liang zu schlagen; sie spie ihrem Sohn ins Gesicht, bis sie nicht mehr spucken konnte. Darauf ging sie auf die Straße und rief jedem, der es hören wollte, ihre Meinung ins Gesicht. Der Junge ist getauft worden. Damit die Eltern nicht abfällig über die Wahrheit reden, gibt er über zwei Drittel seines Gehalts seinen Eltern, obwohl er sich mit dem Rest kaum über Wasser halten kann. Trotzdem belästigen sie ihn noch, wenn sie es nur können. Wie gut ist es, zu sehen, welch festen Stand er für die Wahrheit einnimmt und daß er weiter Fortschritte macht!

Während der letzten dreiundzwanzig Jahre sind nach den Berichten in Hongkong 427 Personen getauft worden und 135 in China. Viele sind untätig geworden und haben sich ablenken lassen. Weitere sind in andere Länder gegangen und leisten dort unter der chinesischen Bevölkerung gute Arbeit. Die Geschichte der Zeugen Jehovas in Hongkong zeigt also, daß viel harte Arbeit von den Missionaren und einheimischen Brüdern geleistet wurde. Eine Schwester von hier faßt das Ergebnis gut in folgendem Kommentar zusammen: „Wenn ich auf die Jahre der Arbeit zurückblicke, erkenne ich mit Wertschätzung die wichtige Rolle, die die von der Gesellschaft gesandten Missionare hier gespielt haben. Ich kann sagen, daß ihr liebevolles Interesse an unserem geistigen Wohlbefinden uns erst dazu gebracht hat, unser Verhältnis zu Jehova zu begreifen. Sogar jetzt noch tragen die Missionare viel dazu bei, die Verkündiger zu stärken. Ihre freundlichen, lächelnden Gesichter sowie ihre Fähigkeit, sich dem Lebensstandard Hongkongs anzupassen, sind eine Quelle der Ermunterung. Es gibt zwischen den Missionaren und den Verkündigern keine Kluft.“

Das Dienstjahr 1973 nahm einen guten Anfang durch die Ernennung der Ältesten, die sich der geistigen Bedürfnisse der Versammlungen annehmen sollen. Die Zahl der Versammlungen wurde von 8 auf 6 herabgesetzt, damit die Hilfeleistung in genügender Stärke erfolgen könnte. Der Widerhall bei den Brüdern übertraf alle Erwartungen. Das war genau das, was gebraucht wurde. Nun begannen die Brüder, einen Eifer für den Predigtdienst zu zeigen wie nie zuvor. Im Dezember 1972 erreichten die Verkündiger einen Durchschnitt von 17,3 Stunden. Die Zeitschriftenlieferungen reichten plötzlich nicht mehr aus, und am Zeitschriftentag boten die Verkündiger statt dessen zwei Broschüren an. Ganze drei Monate dauerte es, bis der Bestand des Zweiges an Broschüren, der normalerweise zwei Jahre reichte, vergriffen war. Mit jedem Monat beteiligten sich mehr am Pionierdienst auf Zeit, und im Januar 1973 wurde eine neue Höchstzahl von 270 Verkündigern erreicht.

Die Aufwärtsentwicklung des Werkes hielt auch im April 1973 an. 59 Verkündiger waren Pionier auf Zeit. Es gab 6 allgemeine Pioniere und 28 Sonderpioniere und Missionare, so daß insgesamt 93 im Pionierdienst standen. Jawohl, jeder dritte Verkündiger war bei uns im April Pionier! Dazu kam noch eine Höchstzahl von 705 beim Gedächtnismahl.

Auf einem Kreiskongreß im April wurde bekanntgegeben, daß der internationale Kongreß „Göttlicher Sieg“, der für den 8. bis 12. August 1973 geplant war, im Grantham College of Education in Kaulun abgehalten werden würde. Der Eifer der Brüder im Predigtdienst nahm zu. Während der Kongreß heranrückte, wuchs die Begeisterung an. Die Königreichssäle waren gefüllt; beim Wachtturm-Studium waren 30 Prozent mehr Besucher anwesend, als es Verkündiger gibt, und 20 Prozent mehr besuchten die Predigtdienstschule und die Dienstzusammenkunft. Nach den Zusammenkünften gingen die Brüder nur zögernd aus dem Saal, die meisten blieben noch und erfreuten sich der christlichen Gemeinschaft. Ein hervorragender herzlicher Geist durchdrang die Organisation.

Der Kongreß „Göttlicher Sieg“ kam viel zu schnell heran. Fünf Tage lang erfreuten sich die Brüder eines reichen geistigen Festmahls. Sie freuten sich über die herzliche christliche Gemeinschaft mit über 300 Brüdern aus anderen Ländern. Was unsere Brüder jedoch am meisten schätzten, war die Anwesenheit von fünf Gliedern der leitenden Körperschaft. Diese Brüder persönlich zu sehen, ihre ausgezeichneten Ansprachen zu hören und ihr gutes Vorbild an Demut — all das brachte unsere Brüder in Hongkong Jehova und seiner Organisation näher.

Vielleicht kann man die Ergebnisse des vergangenen Dienstjahres und den Geist, der zur Zeit unter den Brüdern in Hongkong herrscht, aus den Worten des Zweigaufsehers, Bruder Gannaway, entnehmen, mit denen er den Kongreß abschloß: „Was das Predigen in Hongkong betrifft, war es das begeisterndste Jahr“, sagte er. Dann sagte er seinen Zuhörern, daß im Juli eine neue Höchstzahl mit 271 Verkündigern erzielt worden sei und daß im Laufe des Dienstjahres 35 Personen getauft worden seien. Am ermunterndsten war jedoch die Tatsache, daß die Hälfte der Verkündiger während des Jahres Pionier auf Zeit war. Die Brüder freuten sich zu hören, daß bis Ende Juli in allen Zweigen des Predigtdienstes bereits neue Höchstzahlen erreicht worden seien und daß dazu noch der Bericht für den August komme!

Jehovas Zeugen sind in diesem schwierigen Feld sehr lebendig und sehr eifrig tätig. Sie strengen sich beim Zeugnisgeben und Jüngermachen sehr an. Sie erkennen, daß Jehova das Werk sehr beschleunigt, und sie sind zuversichtlich, daß er das Herz vieler weiterer schafähnlicher Personen öffnen wird, so daß sie die Wahrheit erkennen. Angesichts der vielen Neuen, die jetzt die Zusammenkünfte besuchen, bestehen gute Aussichten für eine weitere Zunahme. Was unsere lieben Brüder hinter dem „Bambusvorhang“ betrifft, so können wir ihrer in unseren Gebeten vor Jehova gedenken. Hin und wieder erreicht uns eine Nachricht, daß sie dort ihre Lauterkeit bewahren. Ob vor dem Hereinbrechen der „großen Drangsal“ noch ein weiteres Zeugnis in China gegeben werden wird, das müssen wir in die Hände unseres liebevollen Gottes, Jehovas, legen.