Südafrika und benachbarte Staaten (Teil 1)
Südafrika und benachbarte Staaten (Teil 1)
Komm mit uns in ein Land erstaunlicher Gegensätze — in ein Land mit geschäftigen Städten und abgelegenen Siedlungen im Busch, mit modernen Wohnhäusern und einfachen afrikanischen Hütten. Mische dich unter die Angehörigen der vielen verschiedenen Rassen. Höre einmal zu, und du wirst Millionen Menschen Englisch oder Afrikaans (das sich aus niederländischen Dialekten entwickelt hat) sprechen hören. Andere der 26 000 000 Einwohner dieses Landes sprechen Xosa oder Zulu.
Das ist Südafrika. Es nimmt 1 221 000 Quadratkilometer ein und ist die Heimat interessanter, oft liebenswerter Menschen. Viele von ihnen sehnen sich nach guten Dingen geistiger Art, und dieses Verlangen wird durch die biblische Wahrheit, die Jehovas christliche Zeugen verkündigen, erfüllt.
Zunächst ein wenig Geschichte: Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert war Südafrika der Schauplatz vieler Kämpfe. Während sich die schwarze Bevölkerungswelle aus Zentralafrika in Richtung Süden bewegte und sich die weiße Bevölkerungswelle von Kapland aus nordwärts ausbreitete, kam es zu blutigen Zusammenstößen und schrecklichen Kriegen. Der schlimmste Krieg war der Burenkrieg von 1899—1902 zwischen den Engländern und den Buren, den holländischen
Farmern. Das Ergebnis war, daß die vier Kolonien, Natal, Oranjefreistaat, Transvaal und Kapland, unter britische Herrschaft kamen. Im Jahre 1910 wurden sie zu einer einzigen Nation zusammengeschlossen. Ein halbes Jahrhundert später, 1961, wurde das Land die Republik Südafrika. Dazu kam es durch einen Mehrheitsentscheid der Weißen. Die Schwarzen haben kein Stimmrecht außer in einigen ihrer „Bantustans“. Das sind große Territorien, die den einzelnen afrikanischen Stämmen zugeteilt worden sind.EINE KURZE REISE
Unternehmen wir eine schnelle Reise durch Südafrika. Wir beginnen in Kapstadt, das in der Nähe der südlichsten Spitze des Kontinents liegt. Kapstadt ist der Sitz der Legislative; es ist die älteste Stadt des Landes. Über 800 Kilometer nordöstlich davon liegt Bloemfontein, die Hauptstadt des Oranjefreistaates, und diese Stadt ist der Sitz der Jurisdiktion. Pretoria, noch weiter im Nordosten, ist die Hauptstadt von Transvaal, der Sitz der Exekutive, die Regierungshauptstadt der Republik.
Eine auffallende topographische Besonderheit Südafrikas ist das Binnenhochland. Von einer Küstenebene im Osten steigt das Land steil an und bildet massive Bergketten, die 1 500—3 300 Meter hoch aufragen. Nach Westen hin fällt das Binnenhochland stufenförmig ab. Es gab einmal eine Zeit, in der dies größtenteils hügeliges Weideland war, in dem große Herden Impalas, Zebras, Springböcke und andere schöne Tiere umherzogen. Heute ist ein großer Teil des Landesinneren Farmland, und die meisten wilden Tiere sind nur noch in Wildreservaten zu finden, wie zum Beispiel in dem weltbekannten Krüger-Nationalpark. Aber im Norden, weiter im Innern, ist das Land trockener und geht in die Kalaharisteppe über. Im Nordosten findet man das Bosveld, das reich ist an Sträuchern und Büschen.
Kimberley im Oranjefreistaat ist ein weltberühmtes Zentrum des
Diamantenbergbaus. In Transvaal findet man Johannesburg, die größte Stadt des Landes. Sie ist als „Königin“ des „Reefs“ bekannt, einer Kette von Bergbau- und Industriestädten. Das Reef (Witwatersrand) entstand, als man im Jahre 1886 in dieser Gegend Gold fand. Etwas mehr als 480 Kilometer südöstlich von Johannesburg, am Gestade des Indischen Ozeans, liegt Durban, und hier sieht man viele Inderinnen in ihren farbenprächtigen Saris.Zwölfeinhalb Millionen Afrikaner, die zu mindestens neun Stämmen gehören, leben in Südafrika. Die größten Stämme — die Xosa und die Zulu — zählen je über drei Millionen. Darauf folgen die Basuto, dann die Tschwana, Tsonga, Swasi, Ndebele, Venda und andere. Etwas über die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung lebt in den afrikanischen „Bantustans“, den großen Gebieten, die den einzelnen afrikanischen Stämmen zugeteilt worden sind. Gewöhnlich ist das Leben in diesen „Bantustans“ und in den Reservaten recht primitiv; die meisten Menschen wohnen in grasgedeckten Lehmhütten. Der Rest der afrikanischen Bevölkerung lebt in afrikanischen Townships, wie zum Beispiel in Soweto mit seinen kleinen Häusern aus Beton und Ziegeln. Diese Townships befinden sich ein paar Kilometer außerhalb der europäischen Städte und Dörfer. Die Politik der Regierung ist, daß sich jede rassische Gruppe getrennt und unabhängig voneinander entwickelt. Wegen dieser Politik der Apartheid oder Rassentrennung ist Südafrika zur Zielscheibe heftiger Kritik geworden.
Abgesehen von den großen Sekten der Christenheit, haben die Afrikaner ihre eigenen Religionen. Nicht nur die größeren Glaubensrichtungen der Christenheit sind unter ihnen vertreten, sondern so mancher afrikanische Prediger hat seine eigene kleine Sekte gegründet. Folglich hat Südafrika die größte Anzahl von Sekten in der ganzen Welt: mindestens 2 000! Die meisten Afrikaner gehören nicht nur einer der Kirchen der Christenheit an, sondern sie halten immer noch am Ahnenkult fest und leben in der Furcht vor den Toten. Das trifft nicht nur auf die „Bantustans“ zu. So mancher moderne Afrikaner, der das
neueste Automodell fährt, opfert gelegentlich eine Ziege, um die Geister seiner verstorbenen Ahnen zu besänftigen.ZURÜCK ZUR JAHRHUNDERTWENDE
Um die Jahrhundertwende war die Bevölkerung Südafrikas kleiner, und das Leben verlief langsamer und war viel einfacher. Das Land erholte sich gerade vom Burenkrieg, als die Zeit reif war, die gute Botschaft in dieses faszinierende Gebiet zu tragen.
Im Jahre 1902 wurde ein gewisser Geistlicher der Niederländischen Reformierten Kirche aus den Niederlanden nach Klerksdorp, einer Stadt in Transvaal, gesandt. Er nahm eine große Kiste antiquarischer religiöser Literatur mit, darunter die Schriftstudien, ein Exemplar von Zions Wacht-Turm in Englisch und die Broschüre Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle? Frans Ebersohn und Stoffel Fourie trafen diesen Geistlichen in Klerksdorp. Er erlaubte ihnen, sich seine Bücherei anzusehen, und sie fanden diese Schriften sehr interessant. Sie durften sie aus seiner Sammlung mitnehmen. Diese Männer waren von den Wahrheiten, die diese Schriften enthielten, so tief beeindruckt, daß sie beschlossen, eine neue Versammlung zu gründen. Sie nannten sie „Volheid van Christus“ (Fülle des Christus). Hiermit faßte die Königreichsbotschaft zum erstenmal Fuß in Südafrika.
Diese beiden Männer begannen Zusammenkünfte abzuhalten und von Haus zu Haus zu arbeiten, um die gute Botschaft auszubreiten. Im Jahre 1903 schrieb Frans Ebersohn an den ersten Präsidenten der Watch Tower Bible & Tract Society, C. T. Russell, und bat ihn, einen „Pilgerbruder“, einen besonderen Beauftragten der Gesellschaft, nach Südafrika zu schicken. Bruder Russell antwortete, daß die Umstände dies gegenwärtig nicht erlaubten, aber sobald es möglich sei, würde er es einrichten.
Im Jahre 1906 predigten einige Schwestern, die aus Glasgow (Schottland) nach Durban ausgewandert waren, begeistert die gute Botschaft. Es dauerte nicht lange, und auch andere fanden in jener Stadt Interesse an der Wahrheit, und gegen Ende des Jahres 1906 gab es in Südafrika 40 Abonnenten der Zeitschrift Zions Wacht-Turm.
Im Jahre 1907 tauchte ein gewisser „Reverend“ Joseph Booth in Südafrika auf der Bühne des Königreichsdramas auf. Er war in England geboren und war im Alter von 29 Jahren nach Neuseeland gezogen, um Schafe zu züchten. Später arbeitete er in Australien. Er schloß sich den Baptisten an und fühlte sich nach einiger Zeit berufen, als Missionar nach Afrika zu gehen. Im Jahre 1892 traf er in Njassaland (jetzt Malawi) als unabhängiger Missionar ein. Booth begeisterte sich für den Gedanken der Gleichheit für die Afrikaner und predigte die Parole „Afrika den Afrikanern“. Er gründete verschiedene „Industriemissionen“.
Bis zum Jahre 1900 hatte Booth die meisten seiner Missionen aufgegeben und hatte einige Reisen nach Amerika unternommen, wo er
zu dem Glauben der Baptisten des Siebenten Tages bekehrt wurde. Bald danach kehrte er nach Njassaland zurück, um eine Mission für diese Sabbatarierorganisation zu errichten. Es dauerte nicht lange, und er bekam Schwierigkeiten mit den Baptisten des Siebenten Tages. Nun schloß er sich den Adventisten des Siebenten Tages an und gründete eine Mission für sie. Er machte sich auch bei der Obrigkeit unbeliebt, da sie seine Pläne für eine soziale Änderung in Afrika sehr mißbilligte. Es scheint, daß sich Booth im Jahre 1906 für die „Kirchen Christi“ interessierte, und obwohl er von den „Britischen Kirchen Christi“ abgewiesen wurde, fand er bei dem Kapstädter Zweig der „Südafrikanischen Kirchen Christi“ Aufnahme. Booth half ihnen, eine Mission in Njassaland zu gründen. Gemäß der Zeitschrift Independent Africa ging Booth von einer Gemeinschaft zur anderen wie ein „religiöser Anhalter“.Gegen Ende 1906 las Booth, der sich gerade in Schottland aufhielt, einige Bücher von Bruder Russell. Bald war er unterwegs nach den Vereinigten Staaten. Booth traf mit Bruder Russell zusammen, und es ergab sich eine sehr interessante und entscheidende Unterhaltung. Bruder Russell wußte sehr wenig über Booths Vergangenheit und über sein Hauptziel, Afrika den Afrikanern wiederzugeben. Er konnte auch nicht wissen, daß Booth von den Behörden und den Weißen in Njassaland als unerwünscht betrachtet wurde und daß er bereits einige Religionsgemeinschaften gebraucht hatte, um seine eigenen Pläne zu verfolgen. Außerdem war Bruder Russell daran gelegen, jemand zu finden, der ein neues weites Feld erschließen würde. Daher gebrauchte die Gesellschaft Booth eine Zeitlang als Missionar für die Menschen, die er kannte.
Bruder Russell ahnte nicht, daß dies viele Schwierigkeiten zur Folge haben und viel Schmach auf den Namen der Gesellschaft bringen würde. Jedenfalls war Joseph Booth Anfang 1907 wieder in Afrika und begann in Kapstadt und in anderen Teilen des Landes zu arbeiten. Da er in Njassaland als „Persona non grata“ galt, kehrte er anscheinend eine ganze Zeit lang nicht dorthin zurück, obwohl er durch Briefe und Boten mit Njassaland eng in Berührung blieb und einen großen Einfluß auf dieses Gebiet ausübte.
In Zions Wacht-Turm vom 1. Juni 1908 (engl.) erschien ein Brief, der von einem L. de Beer an Bruder Russell geschrieben worden war und der etwas Licht auf die Entwicklungen warf. Es hieß darin auszugsweise: „Ich bin an Ihren sechs Büchern sehr interessiert, und ich habe zwei Brüder, die ebenfalls interessiert sind; einer von ihnen ist ein Geistlicher der Niederländischen Kirche; nicht nur ein Leser, sondern ein Denker. Er ist im Ruhestand; er wohnt in Pretoria (Transvaal) und gibt eine Zeitung der Niederländischen Kirche heraus und hält auch Predigten, wenn er darum gebeten wird. ...
Dann ist da ein gemeinsamer Freund von Bruder Booth und mir, Rev. J. H. Orr, Prediger der Independent Congregational Church in
Wynberg (einem unserer Vororte), und er predigt bereits einige der neuen Wahrheiten aus Ihren Büchern.Wie Sie gehört haben werden, versammelte sich eine nette kleine Gruppe, zu der ich gehörte, die alle an der Millenniumsbotschaft interessiert sind, in Bruder Orrs Kirche, um das Passah zu feiern; 5 Europäer und 29 Eingeborene waren anwesend, und die Feier fand in drei Sprachen statt. Es war eine bedeutungsvolle und eindrucksvolle Stunde und der Beginn einer neuen Ära in unserem Leben.“
Mehr Auskunft über das Werk in Südafrika findet man im englischen Wacht-Turm vom 15. Januar 1909. In dem Bericht heißt es: „Drei schwarze Brüder predigen die Wahrheit den Eingeborenen. Einer von ihnen ist 3 600 Kilometer nördlich, in sein Heimatgebiet, gereist, um die Botschaft dorthin zu bringen. Dieser Bruder spricht, obwohl er noch so jung ist, mehrere Eingeborenensprachen und schreibt die englische Sprache recht fließend. Der letzte Bericht ist sehr ermutigend. Die Eingeborenen scheinen offene Ohren für die gute Botschaft großer Freude, die Botschaft der Wiederherstellung, zu haben.“
Der junge Afrikaner, der 3 600 Kilometer nördlich, in sein Heimatgebiet, reiste, war Elliott Kamwana. Kamwana war ein Stammesangehöriger der Tonga und war in Bandawe, das am Westufer des Njassasees liegt, von der Livingstonia-Mission (schottisch-presbyterianisch) erzogen worden. Doch im Jahre 1900 hatte er Booth in Blantyre (Njassaland) getroffen, und zwei Jahre danach war er in einer der „Seventh Day Missions“, die Booth gegründet hatte, getauft worden. Später war er nach Südafrika gekommen, hatte eine Zeitlang in den Minen gearbeitet und dann Booth in der Kapprovinz wiedergetroffen. Anscheinend blieb Kamwana einige Monate mit Booth zusammen, um Anweisungen zu empfangen, und ging dann in sein Heimatland, Njassaland, zurück. Im Wacht-Turm vom 1. Juli 1909 (engl.) beschreibt Booth die Verbreitung von Traktaten in Johannesburg und Pretoria unter den Afrikanern, und es heißt dann:
„Sie sind überglücklich, hier die gleiche Botschaft zu hören, die ihnen in ihrem Heimatland, Njassaland, von Bruder Elliott Kamwana gepredigt wurde.
Jemand, der erst seit drei Monaten hier ist, berichtet, daß er Elliott an einem Tag 300 Personen habe taufen sehen; ein anderer berichtet, daß es an einem Ort 700 Anhänger gäbe. Ich habe weiter erfahren, daß etwa 3 000 in jenem Land an 30 verschiedenen Orten den göttlichen Plan dem Presbyterianismus und der anglikanischen Kirche vorgezogen haben. Bruder Elliott selbst berichtet, daß ungefähr 9 000 etwas interessiert sind, wenn auch nicht alle in dem gleichen Maße wie die Obenerwähnten.“
Gegen Ende dieses Berichts fügte Bruder Russell die neue Nachricht von der Verhaftung Elliott Kamwanas ein, die von den calvinisch-schottischen Missionaren in Bandawe (Njassasee) veranlaßt worden war. Bruder Russell schließt den Bericht mit der kurzen Erklärung ab:
„Bruder Kamwana hat im vergangenen Jahr 9 126 Personen getauft.“Dieser phantastischen Zahl wird kein Kommentar hinzugefügt. In dieser Zeit wurden im gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten viel weniger Personen getauft. Aber wie ging Kamwana vor? Welche Methoden wandte er an?
„WATCHTOWER-BEWEGUNGEN“ BEGINNEN
In Wirklichkeit hatten weder Booth noch Kamwana Babylon die Große, die falsche Religion, wirklich verlassen, sie wurden nie Bibelforscher oder christliche Zeugen Jehovas. Ihre Beziehungen zur Watch Tower Society waren von kurzer Dauer und nur oberflächlich. Mrs. Marjorie Holliday, deren Erinnerungen an die Wahrheit bis in die ersten Jahre dieses Jahrhunderts zurückreichen, beschreibt, wie Joseph Booth sich häufig bemühte, die Zusammenkünfte der Brüder in Durban zu sabotieren. Unsere christliche Schwester Holliday erzählt: „Zum Beispiel: Wenn wir das Lied sangen ,Frei vom Gesetz‘, stellte er sich draußen hin und antwortete mit: ,Nicht frei vom Gesetz.‘ “
Daher ist es nicht überraschend, daß Elliott Kamwana, Booths geistiger Schüler, eine recht entstellte Vorstellung von den Wahrheiten hatte, die in den Schriften der Gesellschaft erklärt wurden. Doch was er genau predigte, als er nach Njassaland zurückkehrte, kann man heute unmöglich sagen. Offensichtlich stimmt es, daß ein besonderes Merkmal seiner Feldzüge dramatische Taufen im Freien waren. Doch diese Taufen, die Kamwana durchführte, hatten nichts mit der wahren christlichen Taufe der Diener Jehovas zu tun. Was Kamwana auch gesagt und welche Methoden er auch benutzt haben mag, sein Feldzug war nur von kurzer Dauer, schätzungsweise vom September 1908 bis Juni 1909, als die Regierung einschritt und ihn ins Gefängnis steckte und ihn später nach den Seychellen deportierte. Erst 1937 wurde ihm wieder erlaubt, nach Njassaland zurückzukehren, wo er weiterhin als Führer einer der falschen „Watchtower-Bewegungen“ tätig war.
Leider entstand zufolge der Tätigkeit Kamwanas eine Situation in Zentralafrika, die lange Zeit schreckliche Verwirrung verursachte. Es kamen Bewegungen auf, die sich zu einem kleinen Teil der Bücher Bruder Russells bedienten. Diese Bewegungen vermischten etwas Wahrheit mit vielen ihrer eigenen Vorstellungen und Methoden. Auf diese Weise wurden viele Menschen irregeführt. Nicht alle diese Bewegungen verwandten den Namen „Watchtower“ oder „Watchtower Society“; tatsächlich nahm die Bewegung, die Kamwana führte, im Laufe der Zeit den Namen „The Watchman Mission“ (Die Wächter-Mission) an.
Viele Jahre später, im Jahre 1947, schrieben die Brüder, die für das Königreichspredigtwerk in Njassaland verantwortlich waren, einen Brief an Kamwana, da diese falschen Watchtower-Sekten immer noch Verwirrung verursachten. In einer Antwort, die Kamwana schrieb und unterzeichnete, heißt es: „Die Watchman Mission (Mlonda Mission) hat es
nicht nötig, ihre Zeit mit Gerüchten zu verschwenden, denn die Schwarzen und die Europäer in Njassaland wissen, daß die Watchman Mission nichts mit der Watch Tower Bible and Tract Society der Europäer zu tun hat.“Die Tatsachen zeigen daher deutlich, daß Kamwana nie ein wahrer, ergebener Diener Jehovas war, und es scheint, daß er die Bildung der verschiedenen falschen „Watchtower-Bewegungen“ in Gang gesetzt oder verursacht hat. Es scheint, daß alles mit seiner „feurigen“ Kampagne im Jahre 1909 begann. Bruder Nguluh, ein afrikanischer Bruder in Johannesburg, der zu jener Zeit in Njassaland lebte, verglich Kamwanas Kampagne mit einem „Lauffeuer, das sich durch das Gras fraß“. In jenen Tagen wanderten viele Eingeborene aus Njassaland aus, weil sie nach Arbeit und besserer Bezahlung suchten. Auf diese Weise breiteten sich die „Watchtower-Bewegungen“ offensichtlich in ganz Rhodesien, im Kongo und bis nach Südafrika hinab aus.
DURBAN HÖRT DIE BOTSCHAFT
Kehren wir nun nach Durban ins Jahr 1906 zurück. Marjorie Holliday und ihre Mutter wohnten neben einer Mrs. Morton. Schwester Arnott aus Glasgow (Schottland) schickte ständig Traktate und Flugblätter an ihre leibliche Schwester, Mrs. Morton. Mrs. Morton wiederum gab diese Traktate an Marjorie Hollidays Mutter, Mrs. Agnes Barrett, weiter, und schließlich nahmen beide die Wahrheit an. Zu dieser Zeit wohnte dort auch eine Schwester Taylor aus Schottland. Ein wenig später beschlossen Schwester Arnott und ihre Familie, Glasgow zu verlassen und nach Durban zu ziehen. Wie Schwester Holliday erzählt, waren es also Schwester Arnott, Schwester Taylor, Schwester Morton und Schwester Barrett, die das Werk in Durban wirklich in Gang setzten. Eine ihrer hauptsächlichen Methoden, die Wahrheit zu verbreiten, bestand darin, daß sie den Menschen an den Stränden Traktate und Flugblätter überreichten.
Marjorie Holliday selbst bezog im Alter von zehn Jahren Stellung, indem sie brieflich ihren Austritt aus der presbyterianischen Kirche erklärte und damit ihre Gemeinschaft mit Babylon der Großen aufgab. Sie sagt auch, ein amerikanischer Neger, Bruder Whiteus, habe sich im Jahre 1910 der kleinen Gruppe in Durban angeschlossen. Schwester Holliday erzählt uns, daß er großen Erfolg in Durban gehabt habe. Dann erwähnt sie einen erstaunlichen Vorfall. Anscheinend wurde Bruder Whiteus nach Amerika zurückgerufen, möglicherweise von Bruder Russell. Doch kurz bevor das Schiff aus Durban abfuhr, wurde er von Booth entführt und in einem Zimmer eingeschlossen. (Warum Booth dies tat, ist nicht klar.) Jedenfalls fanden die Schwestern heraus, wo Bruder Whiteus eingeschlossen war, und Schwester Barrett gelang es, ihn zu befreien. Darauf begleiteten sie ihn zum Hafen, so daß er sein Schiff noch erreichen konnte.
Bis zum Jahre 1910 war guter Same gesät worden, doch ereigneten sich seltsame Dinge in Südafrika. Die Situation in Njassaland war nicht gut, und Booth machte in Durban Schwierigkeiten. Es war dringend nötig, daß eine reife und zuverlässige Person die Aufsicht über das Königreichswerk in diesem riesigen Gebiet übernahm.
EIN WENDEPUNKT
Im Jahre 1910 wurde ein neues Kapitel über das Königreichswerk in Südafrika geschrieben. Zu dieser Zeit war es mit Booth aus, soweit es die Gesellschaft betrifft. Mitte jenes Jahres schickte Bruder Russell William W. Johnston, der wahrscheinlich Anfang Dreißig war. Er war ein Schotte aus Glasgow, ein besonnener, gewissenhafter und zuverlässiger Mann, im Gegensatz zu dem unbeständigen, unsteten Booth. Bruder Johnston war in Glasgow mehrere Jahre Ältester gewesen, und er war ein eifriger Erforscher des Wortes Gottes sowie ein ausgezeichneter Redner. Er war eine der „Gaben in Form von Menschen“, die im afrikanischen Gebiet, das durch Booths Tätigkeit schwer erschüttert worden war, so dringend benötigt wurden (Eph. 4:8). Johnston hatte hauptsächlich den Auftrag, nach Njassaland zu gehen, um die Lage dort zu untersuchen und den Brüdern zu helfen.
Als erster Weißer hatte der berühmte Forscher und Missionar David Livingstone im Jahre 1859 den Njassasee entdeckt. Danach dienten Missionare der schottisch-presbyterianischen Kirche und der römisch-katholischen Kirche als Wegbereiter für die Besiedlung durch Weiße. Das Land wurde im Jahre 1891 britisches Protektorat und ein Teil Britisch-Zentralafrikas. Als Bruder Johnston dorthin reiste, gab es in Njassaland etwa eine Million Menschen, darunter nur sehr wenige weiße Bürger.
Bruder Johnston blieb vier Monate in Njassaland und berichtete, daß es nahezu einhundert Kirchen in ebenso vielen Dörfern gäbe sowie Tausende von Eingeborenen, die der „gegenwärtigen Wahrheit“ ihre Treue schulden würden (2. Petr. 1:12, Elberfelder Bibel). Er stellte fest, daß einige „die Wahrheit recht gut begriffen“ hatten. Aber er war über den allgemeinen Geist sehr enttäuscht.
„Einige von ihnen schienen auch zu denken, ich sei mit einer Tasche voll Geld gekommen, um all die Pastoren und Lehrer zu bezahlen und ihnen bei der Gesellschaft lukrative Posten zu geben“, sagte Bruder Johnston. „Ich mußte sie eines Besseren belehren. ... Ich bedaure, sagen zu müssen, daß fast in jedem Fall, in dem ich mit Geschwistern zu tun hatte, das Gespräch mit einer Bitte um finanzielle Unterstützung in irgendeiner Form endete.“ Er stellte auch fest, daß Booths Einfluß auf das Werk in Njassaland „deutlich zu spüren“ war. Einige hielten am siebenten Tag Sabbat. „Ich tat, was mir möglich war, um die Wahrheit in dieser Frage darzulegen“, bemerkte Bruder Johnston, „und es gelang mir durch Gottes Gnade, wenigstens einige von ihnen aus der Knechtschaft zu befreien.“
Bruder Johnston bemühte sich, alles etwas zu organisieren, und er wählte mehrere Eingeborene als Lehrer aus, nachdem er ihnen die Sabbatfrage erklärt hatte. Er war auch erfreut, festzustellen, daß anscheinend viele „von dem starken Wunsch erfüllt waren, Gottes Wort noch besser kennenzulernen“. Nachdem er nach Südafrika zurückgekehrt war, erhielt er eine Zeitlang von diesen Menschen in Njassaland Berichte, aber nach ein paar Jahren war nur noch sehr wenig Kontakt vorhanden. Fünfzehn Jahre lang blieb die Bewegung, die Booth und Kamwana in Gang gesetzt hatten, größtenteils sich selbst überlassen. Es ist daher nicht überraschend, daß eine solche Situation die Bildung der falschen einheimischen „Watchtower Bewegungen“ begünstigte.
EIN KLEINES ZWEIGBÜRO MIT EINEM RIESIGEN GEBIET
Bald nachdem Bruder Johnston im Jahre 1910 nach Durban zurückgekehrt war, erhielt er die Anweisung von Bruder Russell, dort ein Zweigbüro der Watch Tower Society zu eröffnen. Dieses neue Ein-Mann-Zweigbüro war lediglich ein kleines Zimmer in der School Lane (Durban). Es diente als Büro und manchmal auch als Zusammenkunftsstätte. Aber das Gebiet, für das es zuständig war, war ungeheuer groß. Grob gesagt, gehörte ganz Afrika südlich des Äquators zu seinem Gebiet. Ja, einige Gebiete, für die dieses Zweigbüro zuständig war, wie zum Beispiel der Kongo, Uganda und Kenia, erstreckten sich bis weit nördlich des Äquators. Dazu gehörten auch die Insel Mauritius, die im Indischen Ozean liegt, die große Insel Madagaskar (Madagassische Republik) vor der Küste von Moçambique, St. Helena, Hunderte von Kilometern draußen im Atlantik, und die Insel São Tomé im Golf von Guinea. Doch es ist so, wie der Prophet Sacharja schrieb: „Wer hat den Tag kleiner Dinge verachtet?“ (Sach. 4:10).
FRUCHTBARE ANSTRENGUNGEN
Es wäre nicht gut, die Tätigkeit einfacher Menschen wie die von Bruder Whiteus geringzuschätzen. Er sprach einmal in einer Wohnung in Durban vor und gab einen ganzen Satz Schriftstudien ab. Die Frau, die die Bücher entgegennahm, las sie nicht selbst, aber kurz darauf nahm ihre Tochter Mrs. Thompson, die Bücher mit auf eine Schiffsreise nach Glasgow und las sie auf der Fahrt. Während ihres Aufenthalts in Glasgow sprach jemand an ihrer Tür vor und ließ einen Handzettel zurück, auf dem ein Vortrag von Charles T. Russell angekündigt wurde. Mrs. Thompson ging dorthin, aber der Saal war so überfüllt, daß sie nicht hineinkam. In diesem Augenblick beschlossen die Brüder jedoch, den Orchesterraum zu öffnen, und so erhielt Mrs. Thompson einen guten Platz für den öffentlichen Vortrag. Der Vortrag gefiel ihr sehr gut. Eine der dort ansässigen Schwestern notierte sich ihre Adresse in Südafrika, und eines Tages machte Bruder W. Johnston einen Rückbesuch. Mrs. Thompson nahm die Wahrheit an und wurde bald danach getauft. Sie selbst war viele Jahre ein treuer
und ergebener Verkündiger, bis sie im Jahre 1965 im Alter von 98 Jahren verstarb. Ihre Tochter und zwei Enkelinnen wurden ebenfalls eifrige Zeugen. Der Besuch, den Bruder Whiteus gemacht hatte, erwies sich somit als sehr fruchtbar.Unterdessen hielt Bruder Johnston in Durban regelmäßig jeden Sonntagabend biblische Vorträge im Freimaurersaal, Smith Street. Die Zuhörerschaft war noch recht klein, aber einer darunter war ein Norweger namens Myrdal. Seine Frau war eine fromme Adventistin des Siebenten Tages. Die beiden diskutierten jede Nacht über Glaubenslehren. Mr. Myrdal gewann die Diskussionen jedoch, und es dauerte nicht lange, und er und seine Frau und sein Sohn Henry besuchten regelmäßig Bruder Johnstons Vorträge. Sie fingen auch an, Zusammenkünfte am Sonntagmorgen zu besuchen, die „offene Bibelstudien“ genannt wurden.
Vom Jahre 1911 an ist auch echtes Interesse unter den Afrikanern in Südafrika zu verzeichnen. Jeremiah Khuluse aus Ndwedwe, einem kleinen Eingeborenendorf, etwa 50 Kilometer von Durban entfernt, erinnert sich noch daran, daß ein Mann namens Johannes Tshange aus Kapstadt dorthin kam. Tshange hatte die Wahrheit in Kapstadt kennengelernt und war nun eifrig bemüht, sie in seinem Heimatort Ndwedwe zu verkündigen. Jeremiah Khuluses Vater bekundete großes Interesse, besonders an der neuen Lehre über die Hölle. So wurden Bibelstudien eingerichtet und jeden Abend durchgeführt. Viele schlossen sich dieser kleinen Gruppe an. Sie benutzten die Schriftstudien für ihr Bibelstudium, und nach wenigen Monaten, als sie bereits anderen Kirchenmitgliedern predigten, begann sich die dort ansässige Geistlichkeit Sorgen zu machen. So kam es, daß Mitglieder der Wesleyan Methodist Church zusammenkamen, um das Problem zu besprechen. Nach langem Hin und Her wurden diese Neuinteressierten aus der Kirche ausgeschlossen. Sie bildeten wahrscheinlich die erste afrikanische Versammlung wahrer Anbeter, die in Südafrika gegründet wurde.
Bruder Johnston war im Jahre 1911 sehr eifrig tätig. Er unternahm eine besondere Reise nach Johannesburg in Transvaal und nach Parys im Oranjefreistaat. In Johannesburg machte er viele Besuche, und er konnte schließlich „Bibelklassen“-Zusammenkünfte einrichten. Eine sehr schöne Zusammenkunft fand im Rathaus von Parys statt, wo der Bürgermeister den Redner einführte, der stellvertretende Bürgermeister seine Erklärungen ins Holländische übersetzte und etwa 250 Menschen zuhörten. Es ist verständlich, daß sich Bruder Johnston an dem Klassen-Ausdehnungswerk beteiligte, das Gottes Volk zu jener Zeit weltweit durchführte. Bald wurden auch in Pretoria, Balfour, Port Elizabeth und in Ndwedwe Zusammenkünfte abgehalten.
Obwohl Jehovas Diener nur wenige an Zahl waren, bemühten sie sich doch sehr, die wichtige Botschaft der Bibel auszubreiten. In einem Bericht über das Werk in Südafrika für das Jahr 1912 zeigt der Wacht-Turm vom 1. Februar 1913 (engl.), daß sie 28 808 Traktate, betitelt
Volkskanzel, in Englisch verbreitet hatten, 30 000 Traktate, betitelt Jedermanns Blatt, in Englisch und 3 000 Exemplare der Volkskanzel in Holländisch. Interessant ist auch eine kurze Notiz im Wacht-Turm vom 15. November 1913 (engl.), aus der hervorgeht, daß damals Literatur in Zulu erhältlich war. Die gute Botschaft erreichte viele Menschen in diesem Land.Zu dieser Zeit wurden auch Bruder Russells Predigten regelmäßig in den Zeitungen veröffentlicht. Aus dem Wacht-Turm vom 15. Dezember 1913 (engl.) geht hervor, daß etwa 600 Zeitungen in Großbritannien, Südafrika und Australien wöchentlich seine Artikel druckten. Weltweit waren es schätzungsweise 2 000 Zeitungen. Bruder Johnston hatte einen Verlag für die Predigten in Südafrika gegründet, und gegen Ende 1913 veröffentlichten elf Zeitungen im Land diese Predigten in vier Sprachen.
1914 IST DA!
Die Monate vergingen, und schließlich kam das Jahr 1914. Auf der ganzen Welt müssen sich die Brüder damals gefragt haben, was das Jahr wohl bringen werde. Die Brüder in Südafrika waren sich des Datums wohlbewußt. Darunter waren Myrdals in Durban. Henry Myrdal sagt: „Ich erinnere mich noch gut an den 4. August 1914, als meine Mutter, die gerade die Zeitung las, uns, der Familie, sagte: ,Hier ist es! Der Krieg ist ausgebrochen, so, wie Pastor Russell es in seinen Büchern vorausgesagt hat.‘ “
Drüben in England verfolgten viele mit Interesse die Weltereignisse und erkannten das „Zeichen“. Einer von ihnen war ein junger Bruder namens George Phillips, damals ein sechzehnjähriger Bursche, der in Barrow (Furness, England) als Kolporteur tätig war. George ahnte damals noch nicht, daß er eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Königreichswerkes in Südafrika spielen sollte.
In Njassaland sahen ebenfalls viele Afrikaner, die aufrichtig an der Wahrheit interessiert waren, dem Datum mit Spannung entgegen. Die Deutschen waren damals auf der anderen Seite der Grenze, in Tanganjika (ehemals Deutsch-Ostafrika), und britische Truppen bereiteten sich darauf vor, die Grenze zu verteidigen. Einige waren sich dessen bewußt, daß eine biblische Prophezeiung in Erfüllung ging.
In dem Buch Independent African kann man auf Seite 230 lesen: „Die Afrikaner ließen auf ihre Weise erkennen, welche Unruhe der Krieg für sie mit sich brachte. Vielen schien es tatsächlich, daß die Watch-Tower-Prophezeiung, die Welt werde im Oktober 1914 enden, kurz vor ihrer Erfüllung stehe.“ Das wird durch einen Brief bestätigt, den ein Bruder Achirwa aus Njassaland an Bruder Russell geschrieben hatte (der im Wacht-Turm vom 1. September 1914 [engl.] veröffentlicht wurde). Unter anderem heißt es darin: „Gewiß leben wir gemäß der Heiligen Schrift in der Zeit des Endes. ... Aber wir lesen in der Bibel, daß der Befreier kommen wird und daß das Königreich Gottes kommen
wird und daß alle Nationen den Weg unseres Gottes kennen werden; aber die Bösen wird er vernichten.“ Als nächstes werden ihre Zusammenkünfte beschrieben, die bei besonderen Gelegenheiten von Hunderten auf einmal besucht wurden.„ERSTER SÜDAFRIKANISCHER KONGRESS“
Unter dieser Überschrift veröffentlichte der Wacht-Turm vom 15. August 1914 (engl.) einen Brief von Bruder Johnston. Er schrieb:
„Der erste südafrikanische Kongreß der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung ist jetzt in die Geschichte eingegangen, und diejenigen, die das Vorrecht hatten, diesen Kongreß zu besuchen, haben wunderbare Erinnerungen mitgenommen, die als ein Ansporn und als Inspiration dienen werden, bis wir zur größten aller Zusammenkünfte, zu der jenseits des Vorhangs [im Himmel], versammelt werden.“
Johnston berichtete dann, daß dieser Kongreß am 10. April in Durban stattfand. Aus allen Teilen des Subkontinents waren Menschen herbeigekommen. Besonders erwähnte er „eine liebe Schwester, die fast 1 600 Kilometer weit gereist war“. Johnston schrieb auch: „Wir waren in der Tat eine sehr ,kleine Herde‘. Die größte Anwesendenzahl betrug 34.“ Bruder Johnston meinte damit 34 Bibelforscher, aber zum öffentlichen Vortrag kamen etwa 50 Personen. Verglichen mit der Anwesendenzahl, war die Zahl der Getauften sehr hoch, insgesamt 16 Personen. Am gleichen Wochenende fand die Feier zum Gedächtnis an den Tod Christi statt, und daran nahmen 32 Personen teil. Diese Brüder ahnten damals noch nicht, daß es etwa 57 Jahre später (1971) einen Kongreß in Johannesburg mit fast 50 000 Anwesenden geben würde. Das erinnert uns an die Prophezeiung: „Der Kleine selbst wird zu einem Tausend werden“ (Jes. 60:22).
UNBEGRÜNDETE BESCHULDIGUNGEN
In den ersten Wochen des Jahres 1915 sah es für Njassaland sehr böse aus. Zu dieser Zeit lieferten sich die Engländer und die Deutschen an der Grenze heftige Gefechte, und schließlich errangen die Engländer den Sieg. In diesem Kampf wurden viele Afrikaner getötet oder verwundet, aber es sollte noch schlimmer kommen. Am 23. Januar kam es unter den Afrikanern zu einem bedeutenden Aufstand, der von John Chilembwe, einem gebildeten Führer einer afrikanischen Sekte, angeführt wurde. Er tötete einige Europäer und versuchte, einen allgemeinen Aufstand anzuzetteln. Der Aufstand wurde jedoch schnell von afrikanischen Truppen, europäischen Offizieren and Freiwilligen niedergeschlagen.
Später wurde die Beschuldigung erhoben, die Watch Tower Society habe etwas mit dieser Revolte zu tun gehabt. Ja, in dem Buch History of the Great War wird Chilembwe als ein „religiöser Fanatiker ... der sogenannten ,Watch-Tower‘-Sekte“ bezeichnet. Sorgfältige Nachforschungen ergaben inzwischen, daß diejenigen in Njassaland, die an
der Wahrheit interessiert waren, und sogar die Anhänger der Bewegung Kamwanas, einer falschen „Watchtower-Bewegung“, als solche nicht direkt mit dem Aufstand zu tun hatten und nicht dafür verantwortlich waren. In dem Buch Independent African wird das Beweismaterial sehr gründlich untersucht, und auf Seite 324 kommt man zu dem Schluß: „Chilembwe selbst hatte offensichtlich keine Verbindung zu der amerikanischen Watch-Tower-Bewegung, und Versuche, seine aufrührerischen Pläne mit dieser Organisation in den Vereinigten Staaten in Verbindung zu bringen, scheinen irregeleitet gewesen zu sein.“ Da Chilembwe einmal einer von Booths Bekehrten gewesen war und Booth einmal mit der Gesellschaft in Verbindung stand, gebrauchten Feinde der Wahrheit diese Tatsache natürlich, um Anschuldigungen zu erheben und die Gesellschaft als Sündenbock hinzustellen. In Wirklichkeit waren Chilembwe und seine Gefolgsleute Mitglieder der hochgeachteten orthodoxen Missionen. Diese wurden von der Regierung ebenfalls heftig kritisiert.Das Buch Independent African enthält auf Seite 232 auch folgenden interessanten Kommentar zu der falschen Beschuldigung, die Schriften der Watch Tower Society hätten einige Afrikaner beeinflußt, an den Aufständen teilzunehmen: „Aber es muß auch erwähnt werden, daß nirgendwo in Russells Büchern [Kursivschrift von uns] angeregt wurde, die Anhänger seiner Lehren sollten aktive Schritte unternehmen, um den Umsturz dieser Einrichtungen zur Vorbereitung des Millenniumzeitalters zu beschleunigen: Vielmehr wurde ihnen geraten, geduldig auf Gottes Eingreifen zu warten.“
DAS WACHSTUM GEHT WEITER
Ein paar Monate später hatten die Brüder in Durban einen weiteren sehr schönen Kongreß. Wieder wurde er mit der Gedächtnismahlfeier verbunden, und 47 Personen nahmen von den Symbolen. In der Zulu-Klasse in Ndwedwe waren 38 Personen anwesend, außerdem 15 in Johannesburg, 8 in Kapstadt, 6 in Douglas und 2 in Balfour.
Das Jahr 1914 war gekommen und vorbeigegangen. Obwohl die Weltereignisse die Prophezeiungen auf eine bemerkenswerte Weise erfüllten, war das Werk doch noch nicht vorbei, und es hatte den Anschein, als wäre noch viel zu tun. Bruder Johnston schrieb in einem Brief an Bruder Russell: „Das vergangene Jahr ist ein Jahr ständiger Prüfungen und Erprobungen gewesen, sowohl für den einzelnen als auch für die Klassen [Versammlungen].“ Aus dem Bericht über die Tätigkeit in Südafrika für das Jahr 1915 geht jedoch hervor, daß über 4 700 Bücher verbreitet, 75 131 kostenlose Schriften in Umlauf gesetzt und 312 Zusammenkünfte abgehalten worden waren. Das Werk war keinesfalls zum Stillstand gekommen.
DAS PHOTO-DRAMA DER SCHÖPFUNG
Im Jahre 1916 traf das Photo-Drama der Schöpfung in Südafrika ein. Diese Kombination aus Lichtbildern, Filmen und Schallplatten gab
einen Überblick über Gottes Vorsatz hinsichtlich der Erde und des Menschen. Offensichtlich gab es in der Kapprovinz Schwierigkeiten, und die Behörden verboten das Drama, da es wahrscheinlich „die religiösen Gefühle der Öffentlichkeit verletzen“ würde.Einen Hinweis darauf, welche Ausmaße das Photo-Drama-Werk Anfang 1918 angenommen hatte, finden wir in einer Angabe Bruder Johnstons, der ausgerechnet hatte, daß er in achtzehn Monaten über 16 000 Kilometer weit gereist war, um es in vielen Teilen des Landes zu zeigen. Überall zog das Drama viele Menschen an. Zwar war es in der Kapprovinz nicht zugelassen worden, aber er hatte es in Durban, Johannesburg, Pretoria und in verschiedenen anderen Teilen Transvaals, im Oranjefreistaat und in Natal gezeigt. Die Vorführung des Dramas hatte keine große Einsammlung zur Folge, aber es war dadurch ein ausgedehntes und gutes Zeugnis gegeben worden.
ERSTE NACHRICHTEN AUS RHODESIEN UND TRANSVAAL
Im Jahre 1916 hören wir zum erstenmal etwas über die Königreichstätigkeit in Rhodesien. William W. Johnston schrieb in einem Brief an Bruder Russell: „Deine Mitteilung betreffs des Werkes in Rhodesien an Mr. Nodehouse ist richtig eingegangen. Ich habe diesem Herrn geschrieben und nach Einzelheiten gefragt, und ich erwarte seine Antwort.“
Das Zeugniswerk in Südafrika war zu jener Zeit keineswegs auf die Städte beschränkt. In dem kleinen Ort Koster, im Westen Transvaals, lebte ein Mann namens Japie Theron, der eifrig die Wahrheit studierte. Theron, ein fähiger Rechtsanwalt, hatte erkannt, daß die Religionsgemeinschaften der Welt nicht die Wahrheit lehrten. Eines Tages las er in der Zeitung etwas über eine besondere Prophezeiung hinsichtlich des Jahres 1914, die die Watch Tower Society vor einigen Jahrzehnten veröffentlicht hatte. Theron bestellte daher Literatur, und er erhielt die Bücher Schriftstudien. Sehr bald erkannte er die Wahrheit, und er spürte ein brennendes Verlangen, anderen zu helfen. Oft führte er Debatten mit der Geistlichkeit, die er herausforderte, ihre falschen Lehren, wie zum Beispiel die Lehre vom buchstäblichen Höllenfeuer, zu beweisen.
Bruder Theron hatte bestimmt viel Initiative. Eine Zeitlang gab er regelmäßig in dem kleinen Zug Zeugnis, der jeden Tag durch seine Stadt fuhr. Er stieg im Bahnhof in den Zug ein, fing dann bei der Lok an und arbeitete sich nach hinten durch und bot dabei allen Fahrgästen die Schriften an, während der Zug langsam die steile Steigung hinauffuhr. Er richtete es so ein, daß er sein „Gebiet auf Rädern“ fertig bearbeitet hatte, wenn der Zug am Ende der Steigung angelangt war, und dann sprang er ab. Bruder Theron wurde überall im Westen Transvaals und im Oranjefreistaat gut bekannt, und er half vielen Menschen, die Wahrheit anzunehmen.
Im Norden Transvaals schien das Licht der Wahrheit nun schon über ein großes Gebiet, und viel Literatur wurde per Post von einer Person zur anderen versandt. Eines Tages gelangten Schriften in die Hände von zwei jungen Burschen, die in der kleinen Stadt Nylstroom, im Norden Transvaals, zur Schule gingen. Wie einer dieser Jugendlichen, Paul Smit, erzählt, sprach besonders die Broschüre Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle? sein Herz an und feuerte ihn zur Tätigkeit an. Um Bruder Smits eigene Worte zu gebrauchen: „Glaubt mir, Nylstroom wurde in einen wahren Aufruhr versetzt, als sei es von einem Zyklon heimgesucht worden, als wir beiden Schuljungen bekanntmachten, und zwar nicht gerade zimperlich, daß die Lehren der Kirchen falsch seien. Wir gingen völlig furchtlos vor. Zu dieser Zeit hatten nur die drei Niederländischen Reformierten Kirchen und die anglikanische Kirche die ,Freiheit der Stadt‘, ihren Aufgaben ungestört nachzugehen. Stellt euch daher nur einmal den Rauch der Qual vor, der aufstieg, als der ,Wasserstrahl auf die Hölle gerichtet wurde‘! Innerhalb kurzer Zeit war diese neue Religion in der Stadt und im ganzen Bezirk Tagesgespräch. Die Geistlichkeit spielte als Werkzeug der Finsternis natürlich ihre wohlbekannte Rolle der Falschdarstellung und Verfolgung. Monate-, ja sogar jahrelang drehten sich ihre wöchentlichen Predigten hauptsächlich um diese ,falsche Religion‘.“
GEISTIGE WOHLFAHRT TROTZ SCHWIERIGKEITEN
Die Zusammenkünfte wurden damals von „Ältesten“ geleitet, die von der Versammlung durch Handerheben gewählt worden waren. Es wurden auch Stimmen für Diakone abgegeben, deren Aufgabe darin bestand, die Fenster zu öffnen, die Stühle ordentlich hinzustellen, Liederbücher auszugeben und allgemeine Hilfe zu leisten. Das war die Versammlungseinrichtung jener Zeit.
Am 31. Oktober 1916 starb C. T. Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, der bis zum Ende aktiv und treu war. Diese Nachricht löste unter Jehovas Dienern Trauer und Bestürzung aus. Die Brüder in Durban fragten sich: „Was werden wir jetzt tun?“ Nach der anfänglichen Trauer setzte eine Zeit der Prüfungen ein. Bruder Russells Persönlichkeit und Tätigkeit hatte das Königreichswerk bis zu jener Zeit so sehr beeinflußt und viele waren mit ihm persönlich so eng verbunden, daß sie sehr ärgerlich über die Änderungen waren, die nach seinem Tode kommen mußten. Bruder Myrdal erinnert sich, daß es in Durban immer wieder zu Streitigkeiten in den Zusammenkünften kam und daß sich eine Gruppe herausschälte, die gegen die Gesellschaft war und eine Menge Unruhe verursachte. Die Spaltungen und Schwierigkeiten waren nicht leicht aus der Welt zu schaffen. Dennoch ging das Werk voran, und Gottes Segen war deutlich zu verspüren.
Irgendwann im Jahre 1917 wurde das Zweigbüro der Gesellschaft in Südafrika von Durban nach Kapstadt verlegt, und es befand sich nun fast im Schatten des gewaltigen Felsmassivs des Tafelberges. Diese
Umstellung sollte den Versand erleichtern, und die kleinen Räumlichkeiten in Kapstadt, Plein Street 123 wurden für die nächsten sechs Jahre das Zweigbüro.Die Zahl der Brüder in Südafrika stieg ständig. Bruder Johnston berichtete, daß die Zahl der weißen „Geschwister“ auf 200 bis 300 geschätzt wurde. Die meisten davon waren auf die vier hauptsächlichen Gruppen oder Versammlungen verteilt — Durban, Johannesburg, Pretoria und Kapstadt —, und viele andere waren verstreut. In Ndwedwe gab es eine blühende Versammlung von etwa 80 Zulus. Außerdem traf sich eine kleine Gruppe von Basutos in Bank, und einige Xosas trafen sich in East London.
In einem Bericht machte Bruder Johnston folgende interessante Bemerkung über die afrikanischen Brüder:
„Trotz der Tatsache, daß wir keine Literatur in den Eingeborenensprachen haben, haben diese einheimischen Geschwister ein ausgezeichnetes Verständnis der gegenwärtigen Wahrheit. Wir können nur sagen: ,Von Jehova ist dies geschehen; wunderbar ist es in unseren Augen.‘ Da sie wie alle anderen eine tiefe Achtung vor der Bibel als dem Wort Gottes haben, haben sie begierig der Wahrheit zugehört, die ihnen einheimische Lehrer vermittelt haben, die die Bücher in Englisch lesen und sie in die Landessprache übersetzen können. Da sie praktisch nicht umlernen müssen, haben sie bereitwillig die Botschaft des Herrn angenommen. Daß sie ihre Weihung [Hingabe] verstanden haben und es aufrichtig damit meinen, wird durch ihre Leiden um des Gewissens willen bezeugt. Nahezu alle diese lieben eingeborenen Geschwister sind feierlich und öffentlich von Babylon exkommuniziert worden und aus den Missionsreservaten, in denen sie geboren sind, ausgewiesen und in ihren Wohngebieten [den afrikanischen Townships], die ihre Welt sind, als gefährliche Personen gebrandmarkt worden. Doch sie haben sich durch nichts erschüttern lassen; und sie erachten es als eine Freude, um Christi willen leiden zu dürfen.“
Das Werk in Njassaland hatte bereits den Widerstand der Regierung ausgelöst, aufgehetzt durch eifersüchtige Missionare, deren Schulen sich leerten und deren Kirchen leer blieben. „So kam es“, schrieb Johnston, „daß mehrere der leitenden Geschwister deportiert wurden und jetzt auf Mauritius interniert worden sind.“
EIN NEUES FELD TUT SICH AUF
Seit dem siebzehnten Jahrhundert ist Stellenbosch ein Zentrum der Erziehung, besonders zur Ausbildung von Geistlichen der Niederländischen Reformierten Kirche. Im Jahre 1917 studierte dort Piet de Jager an der Universität, und später wurde er zur Mission der Niederländischen Reformierten Kirche in Nigeria gesandt. Es scheint, daß einer seiner Mitstudenten bereits die Wahrheit angenommen hatte und die Schriften der Gesellschaft studierte. Das beunruhigte natürlich die Kirchenbehörden, und daher beauftragten sie Piet de Jager, mit seinem
Mitstudenten zu sprechen und ihn einzuladen, das wöchentliche Bibelstudium zu besuchen, das von der Christlichen Studentenvereinigung organisiert worden war. Was war das Ergebnis? Piet de Jager nahm selbst die Wahrheit an. Man stelle sich nur die Bestürzung vor, die dadurch in kirchlichen Kreisen ausgelöst wurde! Bald danach hatte Piet de Jager so manche heiße Debatte mit den Professoren über die Seele, die Hölle und andere Lehrpunkte, und kurz darauf verließ er das Seminar.Später wurde eine öffentliche Debatte vereinbart, die zwischen Bruder Piet de Jager und Dwight Snyman, einem Doktor der Theologie, der der Niederländischen Reformierten Kirche angehörte, ausgetragen werden sollte. 1 500 Studenten waren dabei anwesend. Bruder A. Smit beschreibt dieses Ereignis wie folgt: „Piet nagelte diesen Gelehrten auf jeden Punkt fest, und er bewies aus der Bibel, daß die Kirche unbiblische Lehren vertritt. Einer der Studenten faßte das Ergebnis in wenigen Worten zusammen: ,Wüßte ich nicht, daß Piet de Jager im Unrecht ist, dann würde ich schwören, er habe recht, denn er bewies alles mit Zitaten aus der Bibel.‘ “
In Kapstadt arbeitete Bruder Johnston nicht nur im Büro, sondern er verbrachte auch viel Zeit im Predigtdienst. Eines Tages besuchte er die kleine Stadt Franschhoek, die in der Nähe von Stellenbosch liegt. Das ist eine der älteren Städte Südafrikas. Sie wurde im Jahre 1688 von Hugenottenflüchtlingen gegründet.
Hier gab es auch eine farbige Bevölkerung (Nachkommen aus Mischehen zwischen Schwarzen und Weißen), und die Zeit war jetzt reif dafür, daß der Königreichssame dort auf guten Boden fiel. Einige Jahre zuvor hatten sich ein paar Leute unter der Führung Adam van Diemens, eines farbigen Schullehrers und eines Mannes mit scharfem Sinn und hohen Grundsätzen, von der Niederländischen Reformierten Kirche gelöst und eine eigene Religionsgemeinschaft gegründet. Bruder Johnston muß Ende 1917 oder Anfang 1918 mit van Diemen gesprochen und ihm Literatur gegeben haben. Mr. van Diemen erhielt nicht nur Literatur für sich selbst, sondern er nahm eine ganze Menge Bücher, um sie an seine Freunde weiterzugeben. Darunter war ein Mann namens Daniels, und auf diese Weise gelangte ein Exemplar des Göttlichen Planes in die Hände seines Sohnes, des siebzehnjährigen G. Daniels. Für den jungen Daniels war das der Anfang eines Lebens im Dienste Jehovas. Van Diemen nahm ebenfalls die Wahrheit an und wurde ein sehr eifriger Verkündiger der Botschaft. Er besuchte auch andere Orte in der Umgebung von Kapstadt, wie zum Beispiel Wellington, Paarl, Bellville, Parow, Elsie’s River, Wynberg und Retreat. Diese eifrige Tätigkeit führte dazu, daß er seine Stellung als Lehrer aufgeben mußte, und er wurde ein Vollzeitprediger der guten Botschaft. Die Königreichsbotschaft hatte nun in dieser Gegend einen guten Start erhalten.
Im Jahre 1918 erhielt William W. Johnston, der Zweigaufseher, eine neue Zuteilung. Die Gesellschaft war zu dem Entschluß gekommen, daß in Australien und Neuseeland ein guter, geistig starker Bruder benötigt wurde, der die Aufsicht dort übernehmen konnte, und daher bat sie Bruder Johnston, dorthin zu gehen. Sein Nachfolger als Zweigaufseher war Henry Ancketill, der die Wahrheit in Pietermaritzburg kennengelernt hatte und der zuvor ein Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Natal gewesen war. Er war irischer Abstammung, und zu jener Zeit war er schon im Ruhestand und vorgerückt an Jahren. Auch war er von kleiner Statur, hatte weißes Haar, trug einen Bart und hatte ein freundliches Wesen. Aufgrund seines Alters empfand er die Last des Werkes als etwas schwer. Dennoch kam Bruder Ancketill seiner neuen Verantwortung in den nächsten sechs Jahren treu und erfolgreich nach.
IN PRÜFUNGSREICHEN ZEITEN GLAUBEN BEWIESEN
Der neue Zweigaufseher, Henry Ancketill, übernahm seine Pflichten zu einer schwierigen Zeit. In Amerika befanden sich die Beamten der Gesellschaft im Gefängnis, das Zeugniswerk war abgeflaut, und es wurden einige Untreue offenbar. Das war besonders in Durban der Fall. Die Streitigkeiten und Schwierigkeiten, die kurz nach dem Tode Pastor Russells begonnen hatten, hatten die ganze Zeit über zugenommen und erreichten nun unter der Führung eines Mannes namens Jackson, der sehr hoch von sich und seinen Fähigkeiten dachte, einen Höhepunkt. Er und zwei andere, Pitt und Stubbs, waren anscheinend die Rädelsführer des Widerstandes.
Im Jahre 1919 entstand eine Spaltung, und eine große Gruppe, ja die Mehrheit derer, die die Zusammenkünfte besuchten, widersetzten sich und beschlossen, ihre eigenen Zusammenkünfte getrennt abzuhalten. Sie nannten sich „Associated Bible Students“ (Vereinte Bibelforscher) und gründeten eine eigene Organisation. Dadurch blieb nur eine Gruppe von zwölf Personen zurück, die meisten davon waren Schwestern. Henry Myrdal befand sich damals in einer schwierigen Lage, da sich sein Vater der Opposition anschloß, während seine Mutter der Watch Tower Society treu blieb. Er dachte jedoch sorgfältig darüber nach und betete und kam zu dem weisen Schluß, die Gesellschaft müsse das vom Herrn gesegnete Werkzeug sein, und daher folgte er seiner Mutter.
Immer mehr Afrikaans sprechende Menschen kamen zu einer Erkenntnis der Wahrheit. Willem Fourie ist einer von ihnen. Er war ein Neffe von Stoffel Fourie, der zusammen mit Frans Ebersohn die Wahrheit in Klerksdorp kennengelernt hatte. Ja, sein Vater hatte um das Jahr 1906 ein Exemplar des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter in Niederländisch erhalten und hatte erkannt, daß die Religionen der Welt falsch sind. Willem Fourie erfuhr, daß Japie Theron, der Rechtsanwalt aus Koster, mit der Geistlichkeit debattiert und sie auf eine besondere
Weise herausgefordert hatte: Er würde ihnen 1 000 £ (2 800 $) zahlen, wenn sie aus der Bibel beweisen könnten, daß die Seele unsterblich sei. Damals war Fourie noch ein Mitglied der Niederländischen Reformierten Kirche, und da sie dringend Geld brauchten, um eine neue Kirche zu bauen, wurde ihr predikant („Prediger“) gefragt, ob er nicht diese Herausforderung annehmen wolle. Doch er weigerte sich, und das enttäuschte Fourie, der später die Kirche verließ. Um das Jahr 1919 erhielt er Watch-Tower-Schriften, studierte sie sorgfältig und erkannte, daß sie die Wahrheit enthielten. Es dauerte nicht lange, und auch er beteiligte sich am Predigtdienst.Erinnerst du dich noch an die beiden Schuljungen in Nylstroom, die eine große Sensation verursachten, als sie jedem erzählten, die Kirchenlehre über die Hölle sei falsch? Sowohl Paul Smit als auch der andere Junge erlebten, daß ihnen ihre besten Freunde die „kalte Schulter“ zeigten. Einige Zeit später erhielt Pauls Freund eine Stelle durch das Schulamt, und er wurde sehr unter Druck gesetzt, seine Religion aufzugeben. Er erlag der Versuchung. Paul vergoß viele Tränen über den Verlust seines Gefährten, aber er betete unablässig zu Jehova, und durch seine unverdiente Güte geriet er hinsichtlich der Wahrheit nie ins Wanken. Er predigte beharrlich, indem er Gelegenheitszeugnis gab und Schriften an andere auslieh. Er war so isoliert, daß er gar nicht erkannte, daß es eine Organisation gab, und er mußte sich völlig auf Jehova verlassen, um Hilfe und Leitung zu erhalten. Ein wenig später wurde er von Bruder Piet de Jager und anderen Kolporteuren besucht. Welch eine wunderbare Hilfe müssen diese persönlichen Besuche in diesen Tagen für ihn doch gewesen sein!
Obwohl Paul Smit ganz neu und noch jung war, wurde er von Jehova in Form von „Empfehlungsbriefen“ gesegnet (2. Kor. 3:1-3). Sein erster „Empfehlungsbrief“ war der Sohn eines benachbarten Farmers, der die Wahrheit annahm. Im Jahre 1922 richtete Paul bei einer Familie namens Vorster ein Bibelstudium mit Hilfe des Buches Die Harfe Gottes ein, das gerade veröffentlicht worden war. Die Vorsters waren eine siebenköpfige Familie, und sie lebten sechs Kilometer von den Smits entfernt. Paul ging diese Strecke über die Felder zu ihrer Farm jede Woche zu Fuß. Im Laufe der Zeit wurden die Eltern und einer der Söhne Zeugen Jehovas. Bis 1924 war es Paul gelungen, eine ansehnliche Gruppe von 13 Personen in Nylstroom zu organisieren, und das war die erste Klasse oder Gruppe im Norden Transvaals.
Doch was tat sich in Zentralafrika, in Njassaland? M. Nguluh lebte zu jener Zeit in Njassaland, und er war ein Prediger der presbyterianischen Kirche. Doch wie er erzählt, predigten nach dem Ersten Weltkrieg Interessierte in Njassaland eifrig die Wahrheit, und ungefähr zu jener Zeit, im Jahre 1920, erhielt er das Buch Millionen jetzt Lebender werden nie sterben! Er sagt: „Das erschütterte mich als Prediger in meinem Verständnis der Bibel.“
Ein anderer Mann, der etwa zur gleichen Zeit in Njassaland die Wahrheit kennenlernte, war ein junger Afrikaner namens Junior Phiri. Seine Taufe mußte jedoch geheimgehalten werden, da es die Furcht und der Argwohn der Menschen gegenüber unorthodoxen Sekten, ausgelöst durch den Aufstand John Chilembwes im Jahre 1915, immer noch erschwerten, gewisse religiöse Tätigkeiten fortzusetzen. Nachdem Junior getauft worden war, schüttelte einer der Brüder seine Hand, warnte ihn, daß er von nun an in Gefahr sei, und sagte ihm, daß er aber weiterhin im Namen Jesu wandeln müsse.
Bruder Phiri stieß auf heftigen Widerstand von seiten der dort ansässigen Baptistengeistlichen, die den Häuptling dazu bewogen, ihn zu verhaften und vor den Friedensrichter bringen zu lassen, wo er angeklagt wurde, der verbotenen Sekte John Chilembwes anzugehören. Als ihn der Friedensrichter fragte, warum er die Baptistenreligion aufgegeben habe, erklärte er, er sei nicht mit der Lehre über die Toten einverstanden, und er fragte den Friedensrichter, wie er über diese Lehre denke. Der Friedensrichter sagte: „Soweit ich sehe, sind die Toten in den Gräbern.“ Junior stimmte ihm zu und zitierte Johannes 3:13, und das machte einen guten Eindruck auf den Friedensrichter, der den Text in seiner eigenen Bibel nachlas. Junior versicherte dem Friedensrichter, er sei kein Anhänger der Sekte John Chilembwes, sondern er gehöre zu der Religion, die „International Bible Students Association“ genannt werde. Zur großen Überraschung und Enttäuschung der Baptistenführer wurde er freigelassen.
Reisen wir nun von Njassaland aus 3 500 Kilometer nach Süden, in die Kapprovinz von Südafrika, um zu sehen, wie es der farbigen Gruppe in Franschhoek erging. Zu dieser Zeit wurde die dortige Niederländische Reformierte Kirche auf die neue und eifrige Gruppe aufmerksam und begann Schritte gegen sie zu unternehmen. Ein Schulkamerad des jungen Bruders Daniels namens van Niekerk, ein verheißungsvoller Bibelforscher, wurde ein fähiger Schullehrer und erhielt ein gutes Stellenangebot unter der Bedingung, daß er und seine Familie wieder der Niederländischen Reformierten Kirche beitreten würden. Sie gaben diesem Druck nach und kehrten in die „geistige Gefangenschaft“ zurück. Als später van Niekerk von dort fortzog, wurde Daniels das gleiche Angebot gemacht, aber er lehnte ab. Von da an setzte Verfolgung ein, und sie wurde so heftig, daß die Familie schließlich fortziehen mußte. Die Gegner ließen sie jedoch nicht in Ruhe. Eines Nachts kamen sie zum Haus der Familie Daniels und erklärten, wenn sie nicht parieren würden, würde man Hexerei anwenden, um die ganze Familie auszurotten. Als Antwort zitierte Daniels eine Hymne, die sich auf Psalm 23 stützte, und sagte, er vertraue auf Jehovas Schutz.
Danach nahmen Haß und Widerstand zu, und die Brüder konnten abends nicht mehr allein aus dem Haus gehen. Ihnen wurden alle möglichen Namen angehängt wie „Russelliten“, „van Diemens Seelenlose“, Luk. 21:17).
„falsche Propheten“ und dergleichen. Aber die Brüder blieben standhaft. Sie erlebten die Erfüllung dessen, was Jesus hinsichtlich seiner wahren Diener gesagt hatte, nämlich: „Ihr werdet um meines Namens willen Gegenstand des Hasses aller Menschen sein“ (NEUES ZWEIGBÜRO
In dieser Zeit (1923) wurde das Zweigbüro in die Lelie Street 6 verlegt, wo es nur einen einzigen großen Raum im Erdgeschoß gab. Die Versammlung Kapstadt nahm etwa 95 Prozent des Raumes für ihre Zusammenkünfte in Anspruch, und Bruder Ancketill benutzte eine kleine abgetrennte Ecke hinten im Zimmer als Büro. Im folgenden Jahr, 1924, zog die Versammlung in größere Räumlichkeiten um. Nun wurde in der Nähe der Eingangstür ein Büro abgeteilt, und der Versand, das Lager und die Druckerei befanden sich im hinteren Teil des Raumes. Es wurden Regale aufgestellt, und so wurde Platz für die Druckmaschine geschaffen, die später eintraf.
ENTWICKLUNGEN IN JOHANNESBURG
Wir wollen nun sehen, wie es in Johannesburg weiterging, wo Bruder Johnston einige Jahre zuvor die erste Klasse gegründet hatte. Schwester Iris Tutty aus Johannesburg war fünf Jahre alt, als sie sich zum erstenmal an der Verbreitung von Traktaten beteiligte, die sie unter die Haustüren steckte. Sie erinnert sich auch daran, daß sie stundenlang am Schreibtisch ihrer Mutter stand und zusah, wie ihre Mutter bei Todesfällen, Geburten, Hochzeiten und anderen besonderen Anlässen Briefe und Karten an die verschiedenen „Geschwister“ schrieb. Schwester Tuttys Mutter tat dies, da sie die Sekretärin der „Philadelphia League“ war, die Bruder Russell eingerichtet hatte, damit die Brüder und Schwestern in ihren Freuden und Sorgen durch das Band brüderlicher Liebe miteinander verbunden blieben.
In gesellschaftlicher Hinsicht gab es zwischen den Weißen und den Schwarzen nur sehr wenig Kontakt, obwohl damals die strengeren Gesetze in bezug auf Apartheid noch nicht erlassen worden waren. Aber dadurch wurde das Zeugniswerk nicht behindert. 1921 half Schwester Tuttys Mutter einem afrikanischen Bruder, Enoch Mwale, die Wahrheit kennenzulernen, und im Jahr darauf beteiligte er sich am Predigtdienst. Bruder Mwale studierte eine Zeitlang mit den europäischen Brüdern, und später gründeten die afrikanischen Brüder ihre eigene Gruppe, nachdem sie Die Harfe Gottes erhalten hatten.
DER „MILLIONEN“-FELDZUG
Im Jahre 1921 setzte die Gesellschaft einen groß angelegten Vortragsfeldzug in Gang, der sich über mehrere Jahre erstreckte. Der berühmte Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!“, den Bruder Rutherford als erster im Februar 1918 gehalten hatte, wurde nun überall in Südafrika gehalten. Bruder Ancketill, der Zweigaufseher,
besuchte zusammen mit Bruder Piet de Jager, der damals im Vollzeitdienst war, und einem englisch sprechenden Bruder namens Parry Williams alle größeren Städte Südafrikas, und sie hielten diesen Vortrag in Englisch und in Afrikaans. Sie erzielten ausgezeichnete Ergebnisse. Beim ersten Vortrag, der im Kapstädter Opernhaus stattfand, waren 2 000 Personen anwesend. Es wurde eine beträchtliche Menge Literatur abgegeben, und viele bekundeten Interesse. Diese Vorträge fanden in Niederländisch und Englisch statt, und das Millionen-Buch wurde in Englisch, Deutsch und Afrikaans verbreitet. Auf dieser ausgedehnten Vortragsreise im Jahre 1921 besuchten die Brüder Bulawayo und Salisbury in Südrhodesien (jetzt Rhodesien).Große und kleine Zuhörermengen hörten den Vortrag. „Wir reisten Hunderte von Kilometern, um in Städten zu sprechen, in denen schließlich nur etwa achtzig die englischen und etwa genauso viele die niederländischen Vorträge besuchten“, schrieb Bruder Parry Williams. Gemäß einem Bericht vom 31. August 1923 hielten Bruder P. J. de Jager und William Dawson — der eine wurde als Vortragsredner und der andere als Kolporteur aufgeführt — im Laufe des Jahres 70 Vorträge. Das war ein Durchschnitt von fast 6 Vorträgen pro Monat, und insgesamt hatte man 9 376 Zuhörer gezählt. Außer dem berühmten Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!“ wurden eine Anzahl anderer Vorträge gehalten mit solch aufrüttelnden Themen wie „Die Auferstehung steht bevor“, „Die neue Welt ist da“ und „Alle Nationen marschieren nach Harmagedon“. Mit Hilfe der Anschriften, die nach jedem Vortrag abgegeben wurden, machten sie 2 483 Hausbesuche und ließen Tausende von Schriften zurück.
Die Kirchen der Christenheit begannen die direkte Hitze der Botschaft zu verspüren. „In der Tat“, heißt es im Jahresbericht für 1923, „in einer Stadt mußte aufgrund der durchdringenden Wirkung unserer Botschaft eine ganze apostolische Kirchengemeinde geschlossen werden, und das erfreute das Herz aller mit dem Werk Verbundenen. Ein Schreiber des ,Kerkbode‘, einer niederländischen Kirchenzeitung, machte der I.B.S.A. [Internationale Bibelforscher-Vereinigung] neulich ein Kompliment, indem er erklärte, er stimme zwar nicht mit unseren Lehren überein, doch müsse er gegenüber den Anhängern der Niederländischen Reformierten Kirche den Eifer der Nachfolger der I.B.S.A. loben.“
KOLPORTEURWERK
Das Pionierwerk oder Kolporteurwerk, wie es damals genannt wurde, nahm ebenfalls Formen an. Im Jahre 1923 waren sechs Personen als Vollzeitprediger tätig, und sie hatten den größten Anteil am Zeugniswerk im Land, denn die anderen Brüder und die interessierten Personen gaben hauptsächlich Gelegenheitszeugnis. Einer dieser Vollzeitarbeiter war Bruder Edwin Scott, der beauftragt wurde, gedruckte Exemplare der Resolution zu verbreiten, die im September 1922 auf
dem internationalen Kongreß in Cedar Point (Ohio) angenommen worden war. 35 000 000 Exemplare des Traktats wurden in der ganzen Christenheit verbreitet. Dieser treue Bruder trug einen Sack voller Traktate in Englisch und Afrikaans auf seinem Rücken und hielt einen Stock in der Hand, um sich vor wilden Hunden zu schützen. Er besuchte 64 Städte in den 4 Provinzen Südafrikas und verbreitete in 6 Monaten 50 000 Exemplare. Darüber hinaus wurde das Traktat an Geistliche jeder Glaubensgemeinschaft in Südafrika und Rhodesien versandt. „Verkündet, verkündet, verkündet den König und sein Königreich!“ — das war der Kampfruf, den Bruder Rutherford bei jenem berühmten Kongreß im Jahre 1922 erschallen ließ, und die Handvoll Brüder in Südafrika waren entschlossen, genau das zu tun.Anfang 1923 nahmen zwei junge Schwestern, die seit einiger Zeit der Ekklesia (Versammlung) Johannesburg angehörten, den Vollzeitdienst auf. Es waren Lenie Theron (die leibliche Schwester von Bruder Theron, dem Rechtsanwalt aus Koster) und Elizabeth Adshade. Sie gaben ihren Beruf als Lehrerinnen auf und arbeiteten zusammen als Kolporteure. Auf einer dreimonatigen Reise durch den Norden Natals und durch Transvaal gaben diese beiden Schwestern 3 188 Bücher ab, jede etwa 500 Bücher pro Monat! In dem Brief einer der Schwestern, der im englischen Wacht-Turm vom 1. Januar 1924 veröffentlicht wurde, hieß es auszugsweise:
„Ich scheine immer mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen zu sein und habe alle möglichen Züge genommen. ... Oft bin ich spät in der Nacht an einer einsamen Station eingetroffen, da der Zug sich verspätet hatte; doch wie der Herr verheißen hat, läßt er einen nie im Stich. Bei jeder Gelegenheit hat er es jemandem ins Herz gegeben, mir zu helfen. Seine treue Fürsorge zu verspüren stärkt den Glauben und vertieft die Liebe.
Eines Tages, nachdem ich nochmals den begeisternden Artikel ,Dienst nötig‘ gelesen hatte, war ich so aufgeregt, daß ich nicht einschlafen konnte. Schließlich stand ich auf, breitete die Landkarte aus und entdeckte, daß wir Barberton und einige andere Orte ausgelassen hatten, die etwas abseits unserer Route lagen. Sogleich beschloß ich, daß wir sie nicht übergehen dürften. Ich sagte dies meiner Begleiterin und wir beschlossen, daß sie dorthin gehen sollte, während ich mein Gebiet fertig bearbeiten würde. Als nächstes besuchte ich einen sehr kleinen Ort; ich sprach nur bei 18 Personen vor, konnte aber 49 Bände [der Schriftstudien], 16 Millionen-Bücher und 18 große Harfen-Bücher abgeben. Ich hatte in der Nacht davor sehr wenig geschlafen, nur drei Stunden, denn ich hatte mich mit einigen sehr interessierten Personen bis 23.30 Uhr unterhalten und dann bis 2 Uhr früh gepackt und war dann bald wieder auf den Beinen, um gegen 5.30 Uhr den Zug zu erreichen. Ich würde Euch gern all die kleinen Erfahrungen erzählen, die wir machen, und wie uns unser Heiland offensichtlich führt; aber
ich habe einfach nicht die Zeit dazu.“ Ist das nicht ein wunderbares Beispiel für uns heute?WICHTIGE ÄNDERUNGEN IN KAPSTADT
Überall und in vieler Hinsicht machte das Werk Fortschritte. Aber für Bruder Ancketill in Kapstadt, der an Jahren schon weit vorgerückt war, war die Last des Werkes sehr schwer. Daher beschloß der Präsident der Gesellschaft, Bruder Rutherford, einen neuen Zweigaufseher nach Südafrika zu schicken. Bruder Ancketill hatte gute Arbeit geleistet und während einer schwierigen Zeit der Entwicklung des Werkes die Stellung gehalten. Doch jetzt zogen weitere dunkle Wolken über die Gebiete Südafrikas herauf. Bruder Ancketills Nachfolger sollte mit dieser Situation fertig werden.
Im Jahre 1924 gab es einige wichtige Änderungen in Kapstadt. Die Gesellschaft hatte eine neue Druckmaschine und die dazugehörige Ausrüstung dorthin geschickt. Es trafen weitere Brüder aus England ein. Einer von ihnen war Thomas Walder, der eine Zeitlang stellvertretender Zweigaufseher im britischen Zweig gewesen war. Er war ein junger Mann von etwa dreißig Jahren, blond und stämmig, und er war geschickt worden, um Bruder Henry Ancketill als Zweigaufseher von Südafrika zu ersetzen. Sein Begleiter, George Phillips, der ein paar Jahre jünger war, war ein großer, blonder Schotte aus Glasgow.
Als Bruder Rutherford im Mai 1924 einen Kongreß in Glasgow besuchte, war George Phillips am Sonntagmorgen sein Vorsitzender. Während sie zusammen dasaßen und die Zeit abwarteten, auf die Bühne zu gehen, sagte Bruder Rutherford zu George: „Du hast gehört, daß ich gestern abend angekündigt habe, ich werde Bruder Walder nach Südafrika schicken. Würdest du gern mit ihm gehen?“ Die Antwort war: „Hier bin ich, sende mich.“ So erhielt George zwei Wochen Zeit, seine Koffer zu packen, seinen Angehörigen und den Brüdern in Glasgow auf Wiedersehen zu sagen und sich auf die Reise vorzubereiten. Bruder Rutherford sagte ihm auch: „Es kann für ein Jahr sein, vielleicht auch ein bißchen länger. Denke daran, George, in einem Kriegszug gibt es keinen Urlaub. Du wirst nur die Hinfahrt buchen.“
Als diese beiden neuzugeteilten Brüder in Südafrika eintrafen, gab es nur 6 Vollzeitprediger dort, und knapp 40 beteiligten sich ein wenig am Predigtdienst. Das Gebiet aber war überwältigend groß. Es umfaßte Südafrika, Basutoland, Betschuanaland, Swasiland, Südwestafrika, Nord- und Südrhodesien, Njassaland, Moçambique, Tanganjika, Kenia, Uganda, Angola und verschiedene Inseln im Indischen und Atlantischen Ozean, wie zum Beispiel St. Helena, Madagaskar und Mauritius.
Bald traf aus Brooklyn eine kleine Tiegeldruckpresse mit Handanlage ein. Unter der Anleitung eines Bruders aus Kapstadt, der Drucker war, machten Bruder Walder und Bruder Phillips eine auf fünf Monate verkürzte Lehre mit, die sonst fünf Jahre dauert. Schon nach kurzer Zeit
stellte die kleine Presse Tausende von Handzetteln, Traktaten und Dienstformularen her. Außerdem wurden Schriften in Afrikaans und in verschiedenen afrikanischen Sprachen vorbereitet. Als ein Bruder im Oranjefreistaat, ein Farmer namens Izak Botha, hörte, daß das Buch Die Harfe Gottes in Afrikaans übersetzt werde, spendete er sogleich 500 £ (1 400 $) für das Drucken des Buches.SCHWIERIGKEITEN KOMMEN AUF
Mit das erste, was Bruder Walder, der neue Zweigaufseher, tat, war, daß er sich um das Werk in Rhodesien (Nord- und Südrhodesien) und auch in Njassaland kümmerte. In diese Gebiete war bereits Literatur der Gesellschaft gelangt, obwohl die Lage in jenem Teil Afrikas unsicher war.
Es ist heute schwierig, sich ein genaues Bild davon zu machen, was Anfang der zwanziger Jahre wirklich in Rhodesien vor sich ging. Jedenfalls war die Geistlichkeit der Christenheit ziemlich beunruhigt. In der Zeitung The Rhodesia Herald vom 6. Juni 1924 erschien ein ausführlicher Bericht über eine Missionarkonferenz in Südrhodesien, auf der die „Watchtower-Bewegung“ und die Watch Tower Bible and Tract Society diskutiert wurden. Wie der Zauberer Elymas, der ‘die rechten Wege Jehovas verdrehte’, um die christliche Tätigkeit des Apostels Paulus zu behindern, erhob die Geistlichkeit der Christenheit falsche Anklagen gegen Jehovas neuzeitliche christliche Zeugen (Apg. 13:6-12). Ein Geistlicher, C. E. Greenfield, beschuldigte die Watch Tower Society, einen „kirchlichen Bolschewismus“ zu propagieren. Er sagte, diese Propaganda käme aus Rußland, und fragte, ob sie in Afrika geduldet werden solle. Er legte daher folgende Resolution vor: „... daß nach der Meinung dieser Konferenz der Missionare Rhodesiens die Lehre der Watch Tower Bible and Tract Society die wahre Religion der Kirche und das Gesetz des Staates untergräbt und als solche unter den Eingeborenen dieses Landes eine besondere Gefahr darstellt; daß die Regierung daher aufgefordert wird, die Tätigkeit dieser Gesellschaft zu überwachen und in Schranken zu halten.“
Andere sprachen sich für die Annahme dieser Resolution aus. Der Direktor der Kohlengrube von Wankie (in Südrhodesien), Mr. Thomson, beschrieb, wie Gruppen von 20 oder 30 Personen in einem Teich getauft worden wären. Versuche, die Bewegung zu überwachen, hätten zu einer großen Zunahme an Bekehrten geführt, die damals etwa 1 500 gezählt haben sollen. Greenfield sagte, die Propaganda verheiße den Umsturz der Macht des weißen Mannes. Die Konferenz nahm die Resolution fast einstimmig an.
Damals war es ein beliebter Trick der Missionare und Geistlichen, mit dem Schreckgespenst des Kommunismus zu drohen. Obwohl wir die Verweise auf Rußland und den Bolschewismus mit Vorbehalt aufnehmen, ist es jedoch unsicher, ob diese 1 500 Anhänger in Wankie, die behaupteten, zum Watch Tower zu gehören, unsere Brüder waren oder Mitglieder einer der falschen „Watchtower-Bewegungen“. Der Bericht zeigt jedoch, daß der Name „Watchtower“ im Jahre 1924 in Rhodesien gut bekannt war und daß die Sache der Klärung bedurfte.
Daher reiste Bruder Walder gegen Ende des Jahres 1924 nach Rhodesien und sprach bei Regierungsbeamten in Nord- und auch in Südrhodesien vor, um herauszufinden, was unter dem Namen „Watchtower“ alles vor sich ging. Er erfuhr von den Beamten genug, um erkennen zu können, daß sofort etwas unternommen werden mußte, um diejenigen, die aufrichtig an unserem Werk interessiert waren, von denen zu trennen, die den einheimischen Bewegungen angehörten. Im folgenden Jahr, 1925, wurde William Dawson, ein europäischer Bruder, aus Südafrika dorthin geschickt. Er besuchte alle verantwortlichen Stellen in Süd- und Nordrhodesien, die behaupteten, etwas mit der Watch Tower Society zu tun zu haben.
Aus dem Bericht dieses Bruders geht hervor, daß die große Mehrheit dieser Menschen kein richtiges Verständnis der Wahrheit hatte, wie sie in den Schriften der Gesellschaft dargelegt wurde. Andererseits waren einige aufrichtig interessiert, und diese benötigten guten Beistand und Anleitung. Sogleich erklärte Bruder Walder in Kapstadt, daß die einheimischen Bewegungen, die den Namen der Gesellschaft mißbrauchen würden, nicht anerkannt werden könnten, und die betreffenden Regierungen wurden davon unterrichtet. Er schickte Briefe an die verantwortlichen Behörden in Rhodesien und Njassaland, in denen er deutlich erklärte, die Gesellschaft übernehme keine Verantwortung für die falschen Bewegungen, die religiöse Elemente mit der Gesellschaft in Verbindung brächten.
Etwa zu der Zeit, in der Bruder Dawson Rhodesien besuchte, versetzte ein Mann namens Mwana Lesa die Afrikaner in Nordrhodesien in Furcht und Schrecken. Mwana Lesa (was „Sohn Gottes“ bedeutet) war ein Afrikaner aus Njassaland; sein eigentlicher Name war Tom Nyirenda, und er war über den Kongo nach Nordrhodesien gekommen.
In Berichten wird er als ein Anhänger einer der einheimischen „Watchtower-Bewegungen“ bezeichnet, der sich selbst zum Propheten gemacht habe. Gemäß einem Bericht von Scott Lindberg in der Sunday Times vom 1. Juli 1934 bekam er eines Tages Foxes Book of Martyrs in die Hand. Aus diesem Buch erfuhr er, wie die Weißen in alter Zeit „Hexen“ auf einem Tauchstuhl festbanden und sie ertränkten. Das machte offensichtlich großen Eindruck auf ihn. Er reiste von Dorf zu Dorf, predigte und erzählte den Eingeborenen, „daß Afrika den Afrikanern gehört und daß der weiße Mann hinausgejagt werden muß“.Nyirenda tat sich dann mit Chiwila zusammen, einem Häuptling aus Lala (dem südöstlichen Teil des heutigen Kupfergürtels). Die beiden machten aus, daß Nyirenda Chiwilas politische Feinde aus dem Weg schaffen sollte, indem er sie als „Hexen“ bezeichnen und sie bei der Taufe ertränken würde, damit Chiwila die Wahl zum König gewinnen könnte. Mr. Lindberg schreibt: „Tom wurden darauf die Namen aller Feinde Chiwilas mitgeteilt. Er rief die Häuptlinge zusammen und erzählte ihnen, er sei von Gott gesandt worden, um den Stamm von der Hexerei zu reinigen, und daher müsse jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im Fluß getauft werden.
Die abergläubischen Eingeborenen wurden an einen Platz gelockt, wo sich ein schnell fließender Fluß seinen Weg zwischen den Hügeln durch eine gewundene Schlucht bahnte, und dort, auf einem Felsblock mitten im Fluß, stand Tom, mit einem langen weißen Gewand bekleidet.
Er erzählte den Leuten, Gott habe ihn gesandt, um die Schafe von den Böcken zu trennen. Er taufte dann jeden durch Untertauchen im Fluß, und das mit der Hilfe der Anhänger Chiwilas, die ihre Feinde mit dem Kopf stromaufwärts unter Wasser tauchten, bis sie ertränkt waren.
Die Leute sangen Hymnen, während sie auf jedes leblose Opfer starrten, und die ganze Nacht widerhallte der Wald von den wahnsinnigen Reden Mwana Lesas.
Nachdem in jener Nacht 22 Eingeborene ertränkt worden waren, beschloß Tom, die Grenze zu überqueren und sich in Belgisch-Kongo in der Provinz Katanga niederzulassen, wo ihn die rhodesischen Behörden nicht fassen konnten.“
KLÄRUNG UND HILFE NÖTIG
Im Kongo beging Tom Nyirenda weitere Grausamkeiten, bevor er von der nordrhodesischen Polizei verhaftet, verhört, verurteilt und auf dem Gefängnisplatz von Broken Hill vor den Augen der Eingeborenenhäuptlinge gehängt wurde. Diese teuflischen Taten wurden mit dem Namen „Watch Tower“ in Verbindung gebracht. Aber Mwana Lesa stand in keiner Hinsicht irgendwie mit der Watch Tower Bible and Tract Society oder den Bibelforschern, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, in Verbindung. Im Gegenteil! Mr. Lindberg berichtete, daß Tom Nyirenda „in die römisch-katholische Kirche aufgenommen
worden war und im Gefängnis die Absolution erhalten hatte“, bevor er hingerichtet wurde. Trotzdem taten die Feinde des Königreiches Gottes, die Geistlichen der Glaubensgemeinschaften der Christenheit, ihr Bestes, um die Schuld dafür der echten Watch Tower Bible and Tract Society anzuhängen und bei den Behörden und der Öffentlichkeit gegen uns ein Vorurteil zu erwecken, damit die Zeugen aus dem Land ferngehalten würden. Wir können uns daher vorstellen, welche riesigen Hindernisse überwunden werden mußten, bis das Königreichswerk in Nordrhodesien fest Fuß fassen konnte.Auch in Njassaland mußte unsere Position klargestellt und den Interessierten mußte geholfen werden. Im Wacht-Turm vom 15. Februar 1924 lesen wir folgenden Bericht von dem Vertreter der Gesellschaft: „Ich empfing kürzlich einen Besuch von Major ..., oberster Polizeikommissär. Er ist ein trefflicher Mann, ein moderner Gamaliel. Er hat unser Werk in Nyassaland eingehend geprüft. Er empfindet nichts als Ekel über die erstaunlich böswilligen Lügen, die über uns von der Geistlichkeit verbreitet und ihm von der Geistlichkeit erzählt wurden. Er erklärte, daß er sich verkleidet habe und so zu unseren Versammlungen unter den Eingeborenen gekommen sei. Er ist mit allen Führern der Eingeborenen persönlich bekannt. Er sagte mir, daß die Wahrheit sich wie ein Lauffeuer unter den Eingeborenen verbreitet.“
Jedenfalls war es gut, daß die Gesellschaft John Hudson und seine Frau im Jahre 1925 nach Njassaland sandte, um die Lage zu überprüfen und einiges zu organisieren. Sein Besuch war sehr nützlich. John Hudson berichtet, daß er in den 15 Monaten seines Aufenthalts in Njassaland durch viele Teile des Landes gereist sei und an vielen Orten Vorträge gehalten habe. Er stellte fest, daß die meisten Brüder nur sehr wenig Kenntnis oder Verständnis der Wahrheit hatten. In seinen Vorträgen bemühte er sich, ihnen die Wichtigkeit vor Augen zu führen, mit der Gesellschaft in Verbindung zu bleiben und ihre Leitung und Führung anzuerkennen.
Bruder Junior Phiri sagt auch, daß ihm Bruder Hudson den Rat gegeben habe, daß Ehemänner in den Zusammenkünften bei ihren Frauen sitzen sollten. Im afrikanischen Stammesleben ißt der Ehemann nämlich nicht mit seiner Frau zusammen, und wenn die Familie in die Kirche oder zu religiösen Zusammenkünften geht, sitzen die Männer auf der einen Seite des Mittelganges und die Frauen auf der anderen; Bruder Hudson scheint den Interessierten in Njassaland in dieser Hinsicht also guten Rat gegeben zu haben.
Doch wie Bruder M. Nguluh erzählt, sagten sich einige Gruppen: „Wir lassen uns nicht von Leuten aus Kapstadt belehren, sondern wir werden das tun, was wir für richtig halten.“ Bruder Hudsons Besuch muß daher eine Spaltung verursacht haben zwischen denen, die bereit waren, der Leitung der Gesellschaft zu folgen, und denen, die nicht dazu bereit waren. Unglücklicherweise bestanden diejenigen, die nicht
bereit waren, der Leitung der Gesellschaft zu folgen, immer noch darauf, den Namen „Watch Tower“ zu gebrauchen, und offensichtlich war einer der Hauptführer ein Mr. Willie Kavala. Eines der besonderen Merkmale dieser Bewegung war, daß ihre Anhänger nicht an die Auferstehung der Toten glaubten. Bruder Nguluh sagt, diese falschen Elemente hätten sich geweigert, Steuern zu zahlen, und hätten behauptet, sie seien die Herrscher des Königreiches Gottes.Nachdem Bruder Hudson einen Bericht über seinen Besuch eingesandt hatte, schickte das Büro der Watch Tower Society in Kapstadt einen Brief an die Regierungsbehörden in Njassaland. Auszugsweise hieß es darin:
„Im Namen der obengenannten Gesellschaft möchte ich Ihnen mitteilen, daß wir unsere Beauftragten aus Njassaland zurückberufen haben ... Der Grund, warum wir Mr. und Mrs. Hudson nach Njassaland geschickt hatten, waren die Aktivitäten gewisser einheimischer ,Watch-Tower‘-Kirchen von eigenen Gnaden. Diese Bewegung können wir nicht gutheißen. Sie verdreht völlig die Lehren der Gesellschaft, und im allgemeinen zeigen ihre Anhänger keine Bereitschaft, sich irgendeiner Anleitung von uns zu unterwerfen. Wir sagen uns daher vollständig von ihnen los.“
Eine Zeitlang mußten sich nun diejenigen, die aufrichtig an der Wahrheit interessiert waren, ohne die Anleitung eines Vertreters der Gesellschaft in Njassaland selbst durchkämpfen. Welche Fortschritte machte unterdessen die Wahrheit in Südafrika, wo sich die Brüder ungehindert der Leitung der Organisation erfreuten?
HILFE FÜR AFRIKANER IN SÜDAFRIKA
In Johannesburg kamen weitere Afrikaner zu einer Erkenntnis der Wahrheit, und die gute Botschaft breitete sich zu denjenigen aus, die in den Siedlungen und in den Bergwerkslagern (Wohnheime für Afrikaner) lebten. Einer von ihnen war Yotham Mulenga. Er erinnert sich, wie ein weißer Bruder mit dem Photo-Drama der Schöpfung in das Lager kam, in dem er wohnte. Dieser Besuch hinterließ einen tiefen Eindruck bei Bruder Mulenga, der den ersten Band der Schriftstudien kaufte und bald danach Zusammenkünfte in Johannesburg besuchte, wo er andere afrikanische Brüder traf.
Damals halfen einige der dort ansässigen europäischen Brüder den Afrikanern. Einer von ihnen war Bruder V. Futcher, der damals stellvertretender Leiter des Lagers war. Er half vielen Afrikanern, die Wahrheit anzunehmen. Darunter war Albino Mhelembe aus dem Süden Moçambiques. Er kam im Jahre 1925 durch die Predigttätigkeit von Bruder Futcher mit der Wahrheit in Berührung. Vor dem Ende des Jahres 1925 kehrte Mhelembe nach Lourenço Marques zurück, der Hauptstadt von Moçambique, und reiste dann weiter in seine Heimatstadt Vila Luisa. Dort predigte er Mitgliedern der Schweizer Missionskirche in Marracuene die Wahrheit. Mhelembe hatte guten Erfolg, und
schon nach kurzer Zeit hatte die Wahrheit in Moçambique festen Fuß gefaßt. Bis zu 40 Personen besuchten die Zusammenkünfte, und einige von ihnen legten dabei oft 30 Kilometer zurück. Ja, das Königreichswerk hatte in einem weiteren Gebiet Wurzeln geschlagen.UNERSCHÜTTERT TROTZ VERFOLGUNG
Die Hauptvertreter Groß-Babylons in Südafrika sind die Führer der Niederländischen Reformierten Kirche. Bei vielen Gelegenheiten haben sie erbittert die verfolgt, die für die Wahrheit einstanden, und sie haben sie an einem Ort nach dem anderen belästigt, geradeso wie es ungläubige Juden im ersten Jahrhundert mit den Aposteln Paulus und Barnabas taten (Apg. 14:2, 5-7, 19). Ein interessantes Beispiel dafür finden wir im Oranjefreistaat. Mitte der 1920er Jahre besuchten ein bekannter Rechtsanwalt und seine Frau einen Vortrag, den Bruder de Jager in der Stadt Boshof hielt. Beim öffentlichen Vortrag waren viele örtliche Würdenträger anwesend, und einige von ihnen begaben sich danach mit dem Redner in eine Teestube, um biblische Fragen zu stellen. Der Rechtsanwalt, Mr. Theo Denyssen, und seine Frau waren tief beeindruckt und nahmen Schriften entgegen. Im Laufe der Zeit gelangten sie zu der Überzeugung, daß dies die Wahrheit sei. Bald begannen sie Freunden und Verwandten Zeugnis zu geben, und dies löste sofort Widerstand von seiten des niederländisch-reformierten Ortsgeistlichen aus. Kurz darauf traten Bruder Denyssen und seine Frau aus der Kirche aus; gegen Ende des Jahres 1925 taten 3 ihrer Verwandten und 11 ihrer Freunde das gleiche, und ihre Austrittserklärungen wurden von der Kanzel aus vorgelesen.
Bruder Denyssen war in diesem Teil des Oranjefreistaates sehr bekannt, und daher war sein Eintreten für die Wahrheit eine wahre Sensation. Auf diese Weise wurde ein großes Zeugnis gegeben. Im Jahre 1927 verschickten er und seine kleine Gruppe in Boshof etwa 10 000 Broschüren und andere Druckschriften mit der Post in weite Teile der Provinz, darunter die Resolution „Ein Zeugnis an die Herrscher der Welt“. Im April 1927 besuchte die gesamte Versammlung den nationalen Kongreß in Johannesburg, und nicht weniger als 13 von ihnen, darunter Bruder und Schwester T. C. Denyssen, wurden getauft. Um mit den Brüdern auf der ganzen Welt, die gerade anfingen, Sonntag morgens von Haus zu Haus zu gehen, Schritt zu halten, begann die kleine Gruppe, sich ebenfalls an diesem Dienstzweig zu beteiligen. Die Geistlichen der falschen Religion, die offenbar sehr besorgt waren, hielten in ihren Kirchen eine Serie von Predigten gegen den „Russellismus“. Später fand eine öffentliche Debatte zwischen einigen Brüdern und 3 Geistlichen statt; die Folge war, daß ein Polizeiwachtmeister unter den Zuhörern die Wahrheit erkannte und dafür eintrat. Er blieb bis zum Tode treu.
Erzürnt über den Erfolg der Zeugen, wies der Ortsgeistliche in Boshof seine Diakone und Ältesten an, alle Kirchenmitglieder zu besuchen und ihnen zu befehlen, Bruder Denyssen ihre Unterstützung zu entziehen und seine Rechtsanwaltspraxis zu boykottieren. Gegen Ende des Jahres 1927 mußte die Familie Denyssen wegziehen, und sie zog nach Wellington, nicht weit von Kapstadt. Aber auch dort zettelte der Ortsgeistliche eine Verfolgungskampagne an, und so waren die Denyssens im folgenden Jahr gezwungen, nach Kapstadt zu ziehen.
Was tat sich nun inzwischen in den nördlichen Territorien, wo die Situation unter den Afrikanern Anlaß zu großer Sorge gab? Im Jahre 1926 wurde George Phillips, der in Kapstadt im Zweigbüro arbeitete, zusammen mit Henry Myrdal nach Südrhodesien geschickt, um dort eine Rundreise zu machen. Sie wurden an der Grenze aufgehalten, und man teilte ihnen mit, sie dürften das Land nur betreten, wenn sie nicht unter den Afrikanern arbeiten würden. Es schien, daß die Behörden die bereits erwähnte Resolution der Missionarkonferenz angenommen und in Kraft gesetzt hatten.
Bruder Phillips und Bruder Myrdal gingen auf dieser Reise folgendermaßen vor: Sie fuhren jeweils in ein Dorf oder in eine Stadt, mieteten einen Saal, druckten Einladungszettel mit ihrem eigenen kleinen Stempeldruckgerät und luden dann die Menschen ein zu kommen. Nach der Zusammenkunft notierten sie Namen und Adresse interessierter Personen und leisteten dann Nacharbeit mit den Schriftstudien und dem Buch Die Harfe Gottes. Fahrräder waren das einzige Transportmittel, das ihnen für diese Besuche zur Verfügung stand. Aber um von einer Stadt in die nächste zu kommen, fuhren sie mit dem Zug. Sobald sie an einem neuen Ort ankamen, trafen sie unweigerlich mit einem „Empfangskomitee“ der Polizei zusammen. Die Kriminalpolizei
achtete sorgfältig auf diese beiden europäischen Beauftragten der Watch Tower Society. Sie besuchten Bulawayo, Que Que, Gatooma, Gwelo, Salisbury und Umtali. In Umtali nahmen Mr. und Mrs. Gunn die Wahrheit an. Die beiden Brüder machten auch einen Abstecher nach Wankie, dem Zentrum des Kohlenbergbaus. Während ihres Aufenthaltes dort kamen sie auch zu den in der Nähe gelegenen wunderschönen Victoriafällen, die zu den großartigsten Sehenswürdigkeiten der Erde gehören. Außerdem machten sie eine Führung durch ein Kohlenbergwerk. Doch sie hielten sich an die Einschränkungen, die ihnen die Polizei auferlegt hatte, und unternahmen keine Anstrengungen, mit den „Watchtower“-Afrikanern in Verbindung zu treten, die im Bergwerk arbeiteten. Nachdem sie mehrere Monate unterwegs gewesen waren, über 4 200 Schriften abgegeben und an verschiedenen Orten Interesse geweckt hatten, kehrten sie rechtzeitig nach Südafrika zurück, um gegen Ende Dezember des Jahres 1926 den jährlichen Kongreß in Kapstadt zu besuchen.EINE WEITERE ÄNDERUNG IN KAPSTADT
In dem kleinen Zweigbüro unten in Kapstadt ging nicht alles so gut. Bruder Walder, der Zweigaufseher, hatte früher im britischen Zweigbüro gearbeitet und war daran gewöhnt, das verhältnismäßig große britische Gebiet zu beaufsichtigen und große Zusammenkünfte im alten Londoner „Tabernacle“ abzuhalten. Von dem Augenblick an, da er in Kapstadt eintraf, schien ihm alles völlig anders und so viel kleiner zu sein. In der kurzen Zeit, in der er in Südafrika Zweigaufseher war, gab es einige Fortschritte, aber für ihn waren sie zu langsam, und die Tatsache, daß alles so klein war, war eine Prüfung für ihn. Er verließ das Land gegen Ende 1927, nachdem er dreieinhalb Jahre dort gewesen war.
Bruder Rutherford setzte unverzüglich dessen Gehilfen, George Phillips, als Nachfolger im Zweigbüro ein, und die Arbeit wurde fortgesetzt. Bruder Phillips war auf seine neue Verantwortung gut vorbereitet. Im Jahre 1927 war er bereits 13 Jahre im Vollzeitdienst tätig, und er hatte im Predigtdienst und im Büro viel Erfahrung gesammelt. Er besaß eine tiefe Wertschätzung für Jehovas Organisation, ein starkes Loyalitätsempfinden gegenüber der Gesellschaft, einen klaren Verstand und echten Kampfgeist — alles Eigenschaften, die ihm in der schwierigen Zeit, die bevorstand, gut zustatten kommen sollten.
Das Werk in Südafrika wuchs bald beachtlich. Bruder Phillips hatte selbst in jungen Jahren den Vollzeitdienst aufgenommen, und sein ganzes Leben lang hat er andere ermuntert, die Freuden zu schmecken, Jehova als Pionier zu dienen. Es überrascht daher nicht, daß die Reihen der Kolporteure bald größer wurden.
Wenn man liest, welche Arbeit sie leisteten, welche Ausdauer sie trotz Widerstandes zeigten und wie sie sich unermüdlich anstrengten, in neues Gebiet vorzudringen, muß man unweigerlich an die ähnlichen
Erfahrungen der Apostel Jesu Christi denken, die im Bibelbuch Apostelgeschichte aufgezeichnet sind.ES KOMMT ZU GEWALTTÄTIGKEIT
Unter den vielen Vollzeitdienern jener Tage waren Piet de Jager und Henry Myrdal, die sich inzwischen zusammengetan hatten und die gemeinsam durch das Land reisten, Vorträge hielten und dann auch die Interessierten wieder besuchten. Obwohl die Geistlichkeit an vielen Orten zum Widerstand aufhetzte und das Werk von der Kanzel aus oder durch die Presse angriff, kam es nur selten zu Gewalttätigkeit. Als jedoch Bruder de Jager und Bruder Myrdal in Dewetsdorp, einer kleinen Stadt im Oranjefreistaat, eintrafen, kam es zu gewalttätigem Widerstand. Wie üblich mieteten sie einen Saal, bereiteten mit ihrem kleinen Stempeldruckgerät die Handzettel vor und kündigten den Vortrag an. Sie hatten das Theater des Ortes gemietet, aber am Morgen des Tages, an dem der Vortrag gehalten werden sollte, teilte der Besitzer den Brüdern mit, er mache den Mietvertrag rückgängig. Der niederländisch-reformierte Geistliche hatte ihm angedroht, die Gemeinde werde das Theater boykottieren, wenn er zuließe, daß der Vortrag dort stattfinde.
Das brachte die Brüder in eine schwierige Lage. Sie wandten sich jedoch an das Gemeindeamt und erhielten die Erlaubnis, auf dem Marktplatz einen öffentlichen Vortrag zu halten. Sogleich druckten sie neue Handzettel, verteilten sie, so schnell sie konnten, und der Vortrag fand noch am gleichen Abend statt. Etwa 75 Personen waren anwesend.
Bald nach Beginn des Vortrages begann die Menschenmenge, auf den Redner einzudringen und ihn durch Zwischenfragen zu belästigen. Die Zwischenrufe nahmen zu. Plötzlich spürte Bruder Myrdal, der neben dem Redner stand, einen schweren Schlag an seinem Kopf, der ihn fast bewußtlos machte. Glücklicherweise war ein Polizist in Zivil anwesend und sah, was vor sich ging. Hinten in der Menschenmenge stand der niederländisch-reformierte Geistliche, hetzte seine Leute auf und verursachte absichtlich diese Gewalttat. Einige Personen wurden verhaftet, am nächsten Tag vor Gericht gestellt und bestraft. Unverzagt setzten die beiden Brüder ihre Vortragsreise fort.
Im Jahre 1928 nahmen die Besucher des Kongresses in Detroit (Michigan) begeistert die bedeutungsvolle Resolution an: „Öffentliche Erklärung gegen Satan und für Jehova“. Auf dem gleichen Kongreß in Detroit wurde Bruder Rutherfords aufrüttelnder Vortrag „Ein Herrscher für das Volk“ über ein Rundfunknetz von 107 Radiostationen ausgestrahlt. In dem weit entfernten Kapstadt hörte eine kleine Gruppe diesen Vortrag über einen Kurzwellenempfänger. Doch zusätzlich zu der Rundfunkübertragung aus Amerika wurden Vorträge von der African Broadcasting Company, der einzigen Rundfunkgesellschaft Südafrikas, ausgestrahlt. Die Rundfunkgesellschaft erteilte der Gesellschaft die Erlaubnis,
während des Jahres 1928 7 Vorträge von den 3 Studios in Kapstadt, Johannesburg und Durban auszustrahlen. Auf diese Weise erreichte die gute Botschaft entfernte und abgelegene Orte, und viele hörten die Königreichsbotschaft zum erstenmal.Ende der 1920er Jahre wurde auch im ganzen Land eine Postkampagne von den Brüdern durchgeführt, um den Menschen Zeugnis zu geben, die im Haus-zu-Haus-Dienst nicht erreicht werden konnten. Frank Smith, einer der Brüder aus Kapstadt, bezahlte die Kosten für den Versand von 50 000 Broschüren an alle Farmer, Leuchtturmwärter, Förster und andere, die abseits der ausgebauten Wege lebten. Das Verpacken und Adressieren übernahmen Glieder der Kapstädter Ekklesia. Die Folge war, daß viele Bestellungen für Publikationen zusammen mit ermutigenden Briefen eingingen, aus denen hervorging, daß die gute Botschaft, die auf diese ungewöhnliche Weise ausgesandt worden war, abgelegen lebenden Menschen Trost und Freude brachte. Die Anhänger der orthodoxen Religionen reagierten natürlich wie üblich, und im ganzen Land wurden in Kirchenzeitschriften zahlreiche wütende Angriffe gegen uns veröffentlicht.
SÜDWESTAFRIKA HÖRT DIE GUTE BOTSCHAFT
Durch dieses Versandwerk erreichte die Königreichsbotschaft auch das Gebiet von Südwestafrika, das heißt den größeren Teil dieses 824 000 Quadratkilometer großen Landes, das größtenteils aus Wüste und Halbwüste besteht. Entlang der Westküste und etwa 145 Kilometer ins Landesinnere erstreckt sich die große Wüste Namib. Die spärlich verteilt lebenden 610 000 Einwohner, von denen 60 000 Weiße sind, bestehen auf europäischer Seite aus Südafrikanern, Deutschen und Engländern und auf afrikanischer Seite aus Hereros, Ovambos, Narnas oder Hottentotten, Damaras und Buschmännern. Dazu kommt eine Gruppe, die sich stolz „Baster“ (buchstäblich „Hybriden“) nennt, die aus einer Vermischung der ersten weißen Siedler mit den Hottentotten hervorging.
Im Jahre 1928 war dieses Land immer noch absolut unberührt, soweit es das Zeugniswerk betrifft. Aber in jenem Jahr, als der Postfeldzug organisiert wurde, beschaffte man sich ein neues Adreßbuch dieses Landes, und jedem, dessen Name darin verzeichnet war, wurde ein Exemplar der Broschüre Des Volkes Freund geschickt. Eines dieser Königreichssamenkörner fiel auf eine ungewöhnliche Weise auf guten Boden.
Ein Mann namens Bernhard Baade, der zu jener Zeit in einer Kohlengrube arbeitete, kaufte seine Eier gewöhnlich bei einem Farmer aus der Nähe. Eines Tages waren die Eier in einige der ersten Seiten der Broschüre Des Volkes Freund eingewickelt. Er begann zu lesen, und während er las, wuchs sein Interesse. Aber er mußte auf weitere Lieferungen von Eiern warten, die in die übrigen Seiten der Broschüre
eingewickelt waren, um weiterlesen zu können. Er bestellte Literatur, und bald danach bezog er für die Wahrheit Stellung.Im folgenden Jahr, 1929, wurde Schwester Lenie Theron aus Südafrika nach Windhuk (Südwestafrika) geschickt. Von dort aus bereiste sie mit der Eisenbahn und mit dem Postbus alle größeren Städte des Landes und legte dabei insgesamt über 8 000 Kilometer zurück. Viele Menschen hatten die Broschüre erhalten, die im Vorjahr versandt worden war, und sprachen mit Wertschätzung darüber. Sie selbst gab eine unglaubliche Zahl von Schriften ab. In 4 Monaten verbreitete sie 6 388 Bücher und Broschüren in Englisch, Afrikaans und Deutsch.
Während Schwester Theron in Südwestafrika tätig war, wurde ihre Partnerin, Elizabeth Adshade, nach Südrhodesien gesandt. Obwohl sie mit ziemlich viel Widerstand von seiten der Polizei und der Polizeirichter in den verschiedenen Städten zu kämpfen hatte, hielt sie sich tapfer und bearbeitete die Zentren der europäischen Bevölkerung.
Im Jahre 1929 hatte die Königreichsbotschaft einen großen Teil des gewaltigen Gebietes des südafrikanischen Zweiges erreicht. Im Jahrbuch für 1930 heißt es diesbezüglich: „Außerdem haben wir Postbestellungen auf Literatur bis aus Kenya Colony im fernen Norden, aus Britisch-Ost-Afrika, aus Tanganjika und Njassaland, aus Britisch-Zentralafrika und dem belgischen Kongo erhalten.“
PROBLEME HALTEN DEN FORTSCHRITT NICHT AUF
Bruder Paul Smit, unser früherer Schuljunge aus Nylstroom, war gegen Ende der 1920er Jahre in Pretoria. Er erinnert sich, daß die Gruppe in Pretoria eine Krise durchmachte. Unter anderem sagt er: „Es gab keinen Fortschritt in der Gruppe, und als sie zum Predigtdienst organisiert wurde, gingen 2 weg. Zu jener Zeit schrieb einer der Ältesten (Bruder Möller) eifrig an einem Buch, und obwohl die Gesellschaft ihre Mißbilligung zum Ausdruck brachte und ich ihn dringend darum bat, das Unterfangen aufzugeben, beharrte er auf seinem verkehrten Weg. Eines Sonntag morgens, nach der Veröffentlichung des Buches, brachte er einige Bücher mit in den Saal und verlangte, daß die Klasse bei der Verbreitung mithelfe. Ich war darüber schockiert, stand auf und erklärte mutig, die Gesellschaft mißbillige das Buch, und wer auch immer den Richtlinien der Gesellschaft widerstehe, dem würde ich widerstehen.“ Das rüttelte die Ältesten auf, und mit ihren Anhängern verließen sie den Saal. Die einzigen, die übrigblieben, waren eine alte gehbehinderte Schwester und Bruder und Schwester Smit.
Kurz darauf zogen Bruder und Schwester Steynberg in die Umgebung von Pretoria. Das war eine große Ermutigung für die zusammengeschrumpfte Gruppe dort, und es wirkte sich auch gut auf die Steynbergs aus. Die Gruppe in Pretoria hatte eine schwierige Zeit der Säuberung durchgemacht, aber von da an machte sie ständig gute, echte Fortschritte.
Soviel, was die europäische Gruppe in Pretoria betrifft. Was ist nun über die Afrikaner dort zu sagen? Bruder Hamilton Kaphwitt zog im Jahre 1927 von Bulawayo nach Pretoria; doch da es damals keine afrikanischen Zusammenkünfte gab, besuchte er gewöhnlich die Zusammenkünfte der Afrikaner in Johannesburg. Dann, im Jahre 1931, kam ein Bruder namens Mulauzi aus Njassaland herab und schloß sich Kaphwitt an. Die beiden fingen an, gemeinsam Die Harfe Gottes zu studieren. Eine ganze Zeit lang fanden die Zusammenkünfte für die afrikanischen Brüder in Pretoria in der Wohnung Hamilton Kaphwitts statt. Selbst heute noch kommen viele der afrikanischen Versammlungen in den Townships, die in der Nähe der europäischen Städte liegen, in Privatwohnungen zusammen. Bis heute erlauben die Regierung und die Stadtbehörden nicht, daß Königreichssäle für die Afrikaner gebaut werden.
Im Jahre 1930 heiratete Bruder Phillips, und seine Frau wurde Mitarbeiter im Zweigbüro. Weitere Verstärkung für das Büro traf noch im gleichen Jahr ein: Llewelyn Phillips und George Spence. Llewelyn Phillips kam aus Wales; er war nicht mit George Phillips verwandt, aber er hatte ebenfalls gute Erfahrung im Pionierdienst, und er hatte mehrere Jahre im Londoner Bethel gedient.
Anfang der 1930er Jahre begann das Zweigbüro in Kapstadt auch Broschüren in den Landessprachen zu drucken, z. B. in Xosa, Zulu und Sesotho. Die Harfe Gottes kam im Xosa und die Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt in Zulu heraus.
VORSTOSS NACH OSTAFRIKA
Von 1931 an öffnete sich ein weiteres riesiges Tätigkeitsfeld in Afrika — Britisch-Ostafrika. Heute umfaßt dieses Gebiet drei Länder, und zwar Kenia, Uganda und Tansania (bestehend aus Tanganjika und der Insel Sansibar). Diese Länder standen Anfang der 1930er Jahre unter britischer Herrschaft. Im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika erlangte ein Land nach dem anderen die Unabhängigkeit von Großbritannien. Tanganjika wurde 1962 die unabhängige Republik Tansania und Mitglied des britischen Commonwealth. Im selben Jahr wurde auch Uganda selbständig und Kenia im Jahre 1963. Da die Bevölkerung in diesem Teil Afrikas vielen verschiedenen Völkern und Stämmen angehört, bereiten die vielen Sprachen Probleme, doch mit Suaheli kann man sich in ganz Ostafrika verständigen.
In religiöser Beziehung kann man wirklich vom „Schwarzen Afrika“ sprechen. Die meisten Eingeborenen gehören heidnischen Religionen an. Die Missionsgesellschaften der Christenheit, sowohl katholische wie protestantische, sind hier schon seit vielen Jahren tätig, doch wie auch anderswo in Afrika haben sie keine Christen hervorgebracht, die „mit Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh. 4:24). Wann aber begannen die ersten Strahlen des wahren Lichts in diesem geistig schwarzen Gebiet zu scheinen?
Anfang der 1930er Jahre stand in Kapstadt ein neuer Bruder namens Gray Smith im Hilfskolporteurdienst. Sein älterer Bruder Frank lernte die Wahrheit als erster kennen, doch 1928 fing auch Gray ernsthaft zu studieren an. Er wurde 1929 getauft und beteiligte sich fast ohne Verzug am Hilfskolporteurwerk. Später unternahm er mit Frank eine ganz außergewöhnliche Reise nach Ostafrika.
Im Jahre 1931 wurden sie nach Kenia gesandt, um festzustellen, was für die Verbreitung der guten Botschaft in Ostafrika getan werden konnte. Kenia war damals britisches Protektorat mit einer Bevölkerung von etwa 4 000 000, davon ungefähr 25 000 Europäer. Sie bauten sich ein Auto zum Wohnwagen um und schifften sich auf der „Saxon Castle“ nach Mombasa, dem größten Hafen Kenias, ein. Von dort fuhren sie mit ihrem Wohnwagen die 650 Kilometer zur Hauptstadt Nairobi, wohin sie 40 Kartons mit Büchern geschickt hatten. Wegen der schlechten Straßen brauchten sie für diese Fahrt 8 Tage. Sie bearbeiteten Nairobi und gaben alle Bücher in etwa einem Monat ab, viele davon bei Indern, die aus Goa stammten. Doch die katholischen Priester sammelten die meisten der Veröffentlichungen wieder ein und verbrannten sie.
Auf der Rückreise nach Südafrika erkrankten beide Brüder an Malaria. In jenen Tagen war dies sehr gefährlich. Sie erhielten Plätze auf einem Schiff in Daressalam, wurden aber so krank, daß sie wegen fortgesetzter Fieberanfälle in Durban an Land gesetzt und in ein Krankenhaus gebracht werden mußten. Frank Smith erlangte das Bewußtsein nicht wieder und starb. Gray Smith überlebte mit knapper Not und mußte 4 Monate im Krankenhaus bleiben. Gegen Ende 1931 traf er aber wieder in Kapstadt ein.
In England hatte um diese Zeit ein junger Mann mit Namen Robert Nisbet gerade einen guten Arbeitsplatz in einem pharmazeutischen Labor in London aufgegeben und wollte den Pionierdienst aufnehmen. Bruder Rutherford, der zu dieser Zeit in London war, ließ ihn zu sich kommen und sagte ihm: „Wir suchen jemand, der nach Kapstadt geht. Würdest du gehen?“ Robert erklärte sich einverstanden und begann sofort mit seinen Vorbereitungen.
Als Bruder Nisbet im Büro in Kapstadt eintraf, zeigte man ihm eine weitere Literaturlieferung, die zum Versand nach Ostafrika bereitstand. Diesmal waren es 200 Kartons! Man erzählte ihm von der Reise, die die Brüder Smith unternommen hatten, und von dem Unglück, das Frank getroffen hatte. Dennoch war er sofort bereit, seine Zuteilung in Ostafrika anzunehmen. David Norman schloß sich ihm an, und sie reisten in ihr Gebiet. Sie sollten ganz Kenia, Uganda, Tanganjika und Sansibar bearbeiten — wirklich ein riesiges Gebiet!
Sie schützten sich vor Malaria dadurch, daß sie unter Moskitonetzen schliefen und täglich eine große Dosis Chinin einnahmen, das an allen Postämtern in Ostafrika zum Selbstkostenpreis erhältlich war; außerdem trugen sie tagsüber einen Tropenhelm. So ausgerüstet, begannen sie am 31. August 1931 ihren Verkündigungsfeldzug in Daressalam,
der Hauptstadt Tanganjikas. Wie man aus Bruder Nisbets Bericht ersehen kann, war dies keine einfache Zuteilung: „In den weißgepflasterten Straßen blendete uns das grelle Sonnenlicht, es herrschte eine drückend schwüle Hitze, und wir waren bei unseren Besuchen mit Literatur schwer beladen. Dies waren nur einige der Schwierigkeiten, denen wir uns gegenübersahen. Doch wir waren jung und kräftig und taten es gern.“Diese tatkräftigen Pioniere gaben in 14 Tagen fast 1 000 Bücher und Broschüren ab, oft ganze Sätze dieser bunten Bücher. Das erregte den Zorn der Geistlichen. An der Informationstafel der katholischen Kirche wurde eine Bekanntmachung angeschlagen, die alle Gemeindemitglieder daran erinnerte, daß es Katholiken nach Kanon 1399 des Kirchenrechts verboten sei, derartige Literatur auch nur im Hause zu haben. Die meisten Bücher waren bei Indern abgegeben worden. Weil den Brüdern keine Literatur in Suaheli zur Verfügung stand und die Afrikaner fast keine Bildung hatten, konnten sie unter ihnen nicht tätig sein.
Von Daressalam ging es weiter nach Sansibar, das 30 Kilometer von der Küste entfernt liegt und einst Zentrum des Sklavenhandels war. Die gleichnamige Hauptstadt dieser Insel mit ihren verwinkelten Gassen, in denen ein Fremder sich schnell verirren konnte, war ständig mit dem Aroma von Gewürznelken erfüllt, denn Sansibar versorgt praktisch die ganze Welt mit Gewürznelken. Die Insel hatte eine Bevölkerung von einer viertel Million; davon waren etwa 300 Europäer, die zu jener Zeit die Herrschaft innehatten. Den größten Anteil stellten die Suahelis; außerdem gab es etwa 45 000 Inder und Araber. Bei den Indern wurden viele Bücher abgegeben, einige bei den Arabern, doch wiederum wurde der größte Teil der Bevölkerung, der Suaheli sprach, nicht mit der Königreichsbotschaft erreicht.
Nachdem sie 10 Tage in Sansibar geblieben waren, bestiegen sie ein Schiff nach Mombasa, um von dort weiter ins Hochland von Kenia zu reisen, das ein gemäßigtes Klima hat und sehr fruchtbar ist. Sie fuhren mit dem Zug und bearbeiteten die Ortschaften entlang der Eisenbahnlinie bis hin zum Victoriasee. Sie überquerten dieses Binnenmeer, das 400 Kilometer lang und 240 Kilometer breit ist, um nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas, zu gelangen. Dort gaben sie sehr viele Bücher ab und nahmen Abonnements auf Das Goldene Zeitalter auf. Achtzig Kilometer außerhalb der Stadt, im Dschungel, sah ein Mann, wie einer seiner Freunde begeistert in dem Buch Regierung las. Er kam nach Kampala, um die jungen Männer zu finden, die diese Literatur verbreiteten. Er kaufte ein Exemplar von allen Büchern und abonnierte Das Goldene Zeitalter.
Bevor sie sich mit dem Wagen auf die Rückreise machten, besuchten sie eine andere Stadt, 40 Kilometer weiter im Landesinneren, und waren von großer Freude erfüllt, daß die Königreichsbotschaft in gedruckter Form durch sie zum erstenmal so weit ins Innere Afrikas gelangte. Sie fuhren auf einem anderen Weg zurück und besichtigten
dabei die Ripon-Fälle, an denen der Nil beginnt. Auf ihrem Rückweg nach Mombasa bearbeiteten sie noch einige Ortschaften an der Eisenbahnlinie. Nachdem sie in Mombasa bei unbeschreiblicher Hitze gepredigt hatten, wobei sie viel Literatur abgeben und zwei gutbesuchte Vorträge veranstalten konnten, bearbeiteten sie noch eine weitere Ortschaft an der Küste und fuhren dann an Bord der „Llandovery Castle“ die knapp 5 000 Kilometer nach Kapstadt zurück.Auf diesen beiden ersten Reisen nach Ostafrika wurden über 7 000 Bücher und Broschüren verbreitet und viele Abonnements auf Das Goldene Zeitalter aufgenommen. Einige der Samenkörner fielen zweifellos auf guten Boden, denn ein Mann, der mehrere Broschüren genommen hatte, schrieb an das Büro in Kapstadt und bestellte einen ganzen Satz der Bücher und Broschüren Richter Rutherfords. Der Mann war Geschäftsführer einer Goldmine im bundu, einem abgelegenen Gebiet in Tanganjika. So gelangte die Botschaft unter großem Aufwand an Geld, Mühen und sogar unter Einsatz des Lebens der hingebungsvollen, tüchtigen Pioniere nach Britisch-Ostafrika. Das Königreichswerk machte Fortschritte.
Die wenigen Treuen in Südafrika waren 1931 wirklich in einem riesigen Gebiet tätig. In jenem Jahr wurden insgesamt 68 280 Bücher im ganzen Gebiet abgegeben, und acht Diensthauptversammlungen wurden abgehalten, um die Brüder im Glauben zu stärken. Und wie viele waren tätig, um diese ganze Arbeit in einem solch großen Gebiet durchzuführen? Im ganzen Süden Afrikas gab es nur etwa 100 Verkündiger!
VORWÄRTS UNTER DEM NAMEN „JEHOVAS ZEUGEN“!
Als krönender Abschluß des Jahres 1931 traf die begeisternde Nachricht vom Kongreß in Columbus (Ohio, USA) ein, daß der Name „Jehovas Zeugen“ angenommen worden war. Diese Nachricht brachte Jehovas Volk überall auf der Erde große Freude, auch der kleinen, doch tatkräftigen Schar in Südafrika. Viele Brüder schreckten vor dem Gedanken zurück, den erhabenen Namen Gottes zu gebrauchen. Doch dadurch wurde ihnen ihr Vorrecht, den Namen Jehovas im gesamten Süden Afrikas zu verkündigen, noch stärker bewußt. Der Fortschritt des Königreichswerkes im Süden Afrikas hatte einen weiteren Anstoß bekommen.
Angeregt durch den biblischen Namen „Jehovas Zeugen“, setzten die Brüder im Süden Afrikas ihre Tätigkeit Anfang der 1930er Jahre mit größerem Eifer und größerer Entschlossenheit fort. Sie wurden mit immer neuen geistigen Waffen und theokratischen Hilfsmitteln versorgt. Das wirkungsvollste dieser Hilfsmittel im Jahre 1932 war sicher die besondere Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt. Jehovas Zeugen waren in allen Ländern vollauf damit beschäftigt, diese Broschüre zu verbreiten und an einem Feldzug teilzunehmen, in
dem jeder Geistliche, Politiker und leitende Geschäftsmann ihres Gebietes besucht wurde. Viele von ihnen hatte man zuvor nie persönlich angesprochen, doch jetzt erhielten auch sie eine Gelegenheit.Es ist natürlich nicht so einfach, hohe Regierungsbeamte und Parlamentsmitglieder anzutreffen. Darum machten sich die Brüder die Tatsache zunutze, daß die Parlamentsabgeordneten zu bestimmten Zeiten im Jahr von Kapstadt, dem Sitz der Legislative, nach Pretoria, dem Regierungssitz des Landes, umziehen. Gerade im richtigen Augenblick — als die Abgeordneten im Bahnhof von Kapstadt auf ihren Zug warteten — sprachen die Brüder sie an und überreichten ihnen ein Exemplar dieser besonderen Broschüre. Da eine Reise von etwa 1 500 Kilometern vor ihnen lag, hatten sie eine gute Gelegenheit, mit dem Inhalt vertraut zu werden und darüber nachzudenken.
Während des Jahres 1933 begann man mit dem Gebrauch eines neuen Hilfsmittels: mit aufgezeichneten Vorträgen Bruder Rutherfords. Die Rundfunkgesellschaft African Broadcasting Corporation erklärte sich einverstanden, die kraftvolle Botschaft dieser Schallplatten monatlich einmal von ihren 3 Hauptsendern in Kapstadt, Johannesburg und Durban auszustrahlen. Auf diese Weise gelangte die Botschaft in viele Häuser — und sicher auch in viele Herzen — in Südafrika, Südrhodesien und selbst bis nach Nordrhodesien, über 3 000 Kilometer weit in den afrikanischen Kontinent hinein. Viele Menschen waren nun eher bereit, Literatur anzunehmen, nachdem sie die Ansprachen gehört hatten. Nach einem Jahr jedoch wurde ein beratender Ausschuß für religiöse Rundfunksendungen gebildet, der sich aus Geistlichen der Kirchen der Christenheit zusammensetzte. Der Ausschuß sorgte dafür, daß die Verbreitung der Königreichsbotschaft durch das Radio eingestellt wurde.
Die eifrigen Verkündiger jener Tage konnte man aber nicht zum Einstellen ihrer Arbeit bewegen. In den kleinen Ortschaften, in denen das Gebäude der Niederländischen Reformierten Kirche in einem Umkreis von vielen Kilometern das größte Gebäude war, war es üblich, daß sich die Bauern an den Sonntagen, an denen die Kommunion ausgeteilt wurde, auf dem Platz vor der Kirche versammelten. (In Afrikaans heißt das Wort für Kommunion nagmaal, was in Wirklichkeit „Abendmahlzeit“ bedeutet.) Dort schlugen sie ihr Zelt neben ihrem Ochsenkarren auf. Die Brüder mischten sich oft unter sie, was zu vielen Gesprächen führte. Besonders die afrikaans sprechenden Brüder liebten es sehr, geistige Kämpfe mit den Waffen der Wahrheit auszufechten. Später erzählten sie ihre Erlebnisse mit großer Wonne während der Zeugnisversammlungen.
Nachdem Fred Ludick eine kurze Zeit im Norden Transvaals als Pionier tätig gewesen war, hatte er einen schweren Malariaanfall. Einige Afrikaner nahmen sich seiner an und bereiteten ihm einen Trank aus einer wilden Frucht, der ihn genesen ließ. Doch als einige Zeit
später Bruder Ludicks Partner, Sidney McLuckie, an Typhus erkrankte, nahm es keinen so guten Ausgang. Fred erzählt: „Er war ein kräftiger Kerl und wog etwa 150 Pfund. Doch innerhalb von nur ein paar Wochen ging sein Gewicht auf 80 Pfund herunter, und er starb. Wir begruben ihn am Fuß der Berge bei Cala in der Transkei [Kapprovinz].“ Damit hatte ein weiterer treuer Diener Jehovas bei der Ausbreitung der Verkündigung des Königreiches im Süden Afrikas sein Leben gelassen.Bruder Ludick diente eine Zeitlang im Bosveld, das im Norden Transvaals liegt, und arbeitete dort mit einer alleinstehenden Gruppe zusammen, zu der Bruder Muller und seine Familie gehörten. Anfang der 1930er Jahre leistete Bruder Muller Gewaltiges im gesamten nördlichen Transvaal, selbst bis in den Norden der Kapprovinz hinein, und verhalf dadurch vielen zu einer Erkenntnis der Wahrheit.
Auch hier ging die Arbeit nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. Einmal sprach Fred Ludick bei einer katholischen Missionsstation vor. Er traf den Priester an und begann, den Grund seines Vorsprechens zu erklären, bemerkte aber, daß dieser immer stärker rot anlief. Plötzlich rannte er ins Haus zurück, kam mit einem Gewehr heraus und richtete es auf Bruder Ludick. Doch Fred blieb ruhig, drehte sich einfach herum und ging zum Auto zurück, allerdings mit einem seltsamen Gefühl im Rücken.
Inzwischen hatte es Bruder Ludick geschafft, von seinem Fahrrad auf ein Auto „umzusteigen“, einen Fiat aus dem Jahre 1928 mit hölzernen Speichen. Mit diesem Auto bearbeiteten er und Bruder Muller weite Teile des Bosvelds, einer mit Büschen bewachsenen Hochebene. Oft mußten sie draußen unter einem Baum übernachten, wo man das Gebrüll der Löwen hören konnte. Doch nach einem harten Tag im Predigtdienst waren ihnen die Löwen egal — sie schliefen wie die Murmeltiere! Den ganzen Tag mußten sie über äußerst holprige Straßen fahren und die Reifen flicken, da sie ständig Pannen hatten. Überdies hatten sie noch Ärger mit den Bremsen. Einmal, als sie die gefährliche Paßhöhe in den Soutpansbergen überquerten, mußten sie, als es steil bergab ging, einen Lederstrick an den Speichen der Vorderräder festbinden und mit voller Kraft daran ziehen, so daß man das verbrannte Gummi riechen konnte. Es war wirklich ein halsbrecherisches Abenteuer! Nach einem solchen Erlebnis waren die beiden Brüder froh, wenn sie wieder auf dem Hof von Bruder Muller waren. Dort wurden sie von Schwester Muller und den Kindern herzlich in Empfang genommen. Die Kinder erhielten bereits zu Hause eine gute Schulung, und einige wurden später Vollzeitprediger. Noch heute dienen zwei von ihnen im Zweigbüro in Südafrika; einer davon, Frans Muller, ist zur Zeit Zweigaufseher.
ST. HELENA ERHÄLT EIN ZEUGNIS
Während sich diese aufregenden Ereignisse in Transvaal abspielten, bereiteten sich Pioniere auf eine Reise zu der Insel St. Helena vor,
einem winzigen Punkt im Atlantischen Ozean, fast 2 000 Kilometer von der Westküste Afrikas entfernt. Die Insel hat nur eine Fläche von 122 Quadratkilometern. Weniger als 5 000 Menschen leben darauf, die meisten von ihnen sind Mischlinge und sehr arm. Man dachte, diese abgelegene Insel sei ein sicherer Ort für Napoleon, der dort von 1815 bis 1821 im Exil lebte. Damals stand sie schon unter englischer Herrschaft.Gray Smith, mittlerweile von seiner schweren Krankheit genesen, die er sich nach seiner Reise nach Ostafrika zugezogen hatte, war zu neuen Pioniertaten bereit und hatte sich für einen Besuch auf St. Helena vorbereitet. Diesmal war Hal Ancketill sein Partner, der Sohn des früheren Zweigaufsehers Henry Ancketill. Sie nahmen genügend Literatur mit und bearbeiteten die ganze Insel gründlich, wobei sie fast 1 000 Bücher und Broschüren abgaben.
Als Ergebnis dieses Besuches nahm ein Polizist, Thomas Scipio, die Wahrheit an und begann, die Königreichsbotschaft zu predigen. Als Bruder Scipio im Alter von 60 Jahren pensioniert wurde und aus dem Polizeidienst ausschied, wurde er Pionier und verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit dem Anbau von Gemüse. Sein Sohn, George Scipio, wurde der erste vorsitzführende Aufseher der Versammlung, die später auf der Insel gegründet wurde.
Bruder Scipio senior verstand seine Verantwortung, die gute Botschaft vom Königreich anderen mitzuteilen, gleich von Anfang an. Er gab seinen Verwandten und den anderen Inselbewohnern ein freimütiges und ausgedehntes Zeugnis. Nach einem Jahr hatten sich ihm einige in der Predigttätigkeit angeschlossen, und sobald es Grammophone und Schallplatten mit biblischen Vorträgen gab, schaffte er sie sich an. Über Jahre hinweg war der Gebrauch dieser Ausrüstung die wirkungsvollste Methode, denen Zeugnis zu geben, die bereit waren zu hören.
Im Jahre 1935 wurde eine kleine Gruppe von 6 Verkündigern in Jamestown, der einzigen Stadt auf der Insel, gegründet. Die treue Arbeit dieser kleinen Verkündigergruppe zeitigte Ergebnisse, und sie wuchs an. Einer der neuen Brüder, dem ein Café gehörte, kaufte sich auch ein Grammophon und ließ keine Gelegenheit aus, die Platten seinen Gästen vorzuspielen. Im Jahre 1939 gab es bereits zwei Gruppen, eine in Jamestown und die andere, wenige Kilometer davon entfernt, in Longwood, wo Napoleon in Gefangenschaft gehalten worden war.
RÜCKKEHR NACH SÜDWESTAFRIKA
Im Anschluß an seine sehr erfolgreiche Reise nach St. Helena entschloß sich Bruder Smith 1935, nach Südwestafrika zu gehen. Auf diese Reise nahm er seine Frau und einen seiner Söhne mit. Sie hatten einen Lieferwagen und nahmen eine der neuen „Sprechmaschinen“ und einige Schallplatten mit.
Die Arbeit machte ihnen sicherlich sehr viel Freude. Innerhalb von nur fünf Monaten gaben sie nicht weniger als 13 000 Bücher und. Broschüren ab und nahmen 70 Abonnements auf Das Goldene Zeitalter auf. Die Geistlichkeit, vor allem die der evangelischen, katholischen und der Niederländischen Reformierten Kirche, war darüber ganz und gar nicht erfreut. An einem Ort zeigte der Geistliche der Niederländischen Reformierten Kirche Bruder Smith an, er verkaufe Bücher ohne Genehmigung, doch der verantwortliche Beamte lachte nur und nahm selbst Literatur.
Auch hier fielen wieder einige Samenkörner der Wahrheit auf den richtigen Boden. Abraham de Klerk, der im Süden lebte, nahm etwas Literatur entgegen, las sie und war sofort überzeugt, daß dies die Wahrheit sei. Er hielt an seinem neuen Glauben fest und belehrte seine Familie, so gut er konnte. Jehova segnete seine Anstrengungen, denn seine Frau und einige seiner Kinder nahmen die Wahrheit an. Und „Oom“ (Onkel) Abraham selbst, einer der ersten Zeugen von Südwestafrika, blieb treu im Dienste Jehovas, bis er Ende der 1960er Jahre starb.
SWASILAND IN DEN 1930ER JAHREN
Durchqueren wir jetzt den Kontinent, und begeben wir uns in den Osten Südafrikas, um Swasiland, ein weiteres interessantes Land, zu besuchen. Auf drei Seiten wird es von Transvaal eingeschlossen und hat im Osten eine gemeinsame Grenze mit Moçambique. Das Land umfaßt ein Gebiet von etwa 17 400 Quadratkilometern und hat eine Bevölkerung von über 420 000, von denen nur ein paar Tausend Europäer sind.
Anfang der 1930er Jahre statteten Pioniere Swasiland einen Besuch ab und gaben ein hervorragendes Zeugnis. Sie sprachen bei den Europäern vor, die in den Städten lebten, und besuchten darüber hinaus den obersten Herrscher von Swasiland, König Sobhuza II., der den Zeugen gegenüber äußerst entgegenkommend war und sie in seinem Kraal mit allen Ehren empfing. Er versammelte seine Leibgarde von 100 Kriegern, um einem Musikprogramm und einem aufgezeichneten Vortrag des Präsidenten der Watch Tower Society, J. F. Rutherford, zuzuhören. Bruder F. Ludick, der anwesend war, sagt, es sei ein besonderes Erlebnis gewesen, dem König Zeugnis zu geben, während er von über 50 seiner Frauen umgeben gewesen sei.
Später gaben auch Robert und George Nisbet dem König Zeugnis. Nachdem er mehrere Vorträge Bruder Rutherfords gehört hatte, war er so begeistert, daß er das Gerät, die Schallplatten und den Lautsprecher kaufen wollte. Die Pioniere waren wirklich in einer Zwickmühle! Schließlich konnten sie den König zufriedenstellen, indem sie ihm größere Mengen Literatur daließen.
MAURITIUS UND MADAGASKAR WERDEN ERREICHT
Im Zweigbüro von Südafrika wurde 1933 beschlossen, zwei erfahrene Pioniere nach Mauritius und Madagaskar zu entsenden. Robert Nisbet und Bert McLuckie erhielten die besondere Zuteilung, zu diesen beiden Inseln zu reisen, die vor der Ostküste Afrikas liegen. Zuerst gingen sie nach Mauritius.
Die Pioniere dachten, Französisch sei die Hauptsprache auf Mauritius, und so brachten sie einige Zeit damit zu, die Sprache zu studieren, bevor sie von Durban aus die Reise begannen. Als sie an ihrem Bestimmungsort eintrafen, fanden sie jedoch heraus, daß die meisten der Einwohner Kreolisch sprachen, eine Art Dialekt oder Umgangssprache des Französischen. Darum konnten die Pioniere die Leute nicht verstehen, und die Leute konnten die Pioniere nicht verstehen. Für Bruder Nisbet war das Problem sogar noch größer, da er einen ausgeprägten schottischen Akzent hatte. Einmal sagte ihm ein Wohnungsinhaber: „Reden Sie bitte Englisch mit mir. Was Sie da sagen, verstehe ich nicht!“
Da die katholische Kirche auf der Insel eine Vormachtstellung innehatte, war zu erwarten, daß die beiden Brüder bald Schwierigkeiten haben würden. Die Priester veranlaßten, daß die Menschen sich bei der Polizei beschwerten, die sich ihrerseits telegrafisch aus Südafrika bestätigen ließ, wer die Brüder seien. Die Polizei trat für das Recht der Brüder zu predigen ein, wies aber warnend darauf hin, daß es nicht gestattet sei, ohne Genehmigung Zusammenkünfte abzuhalten, und daß in ihrem Fall keine Genehmigung erteilt werden würde. Darüber hinaus brachte die dort erscheinende Zeitung La Vie Catholique (Katholisches Leben) eine Warnung über diese zwei „falschen Propheten“. Zwar gaben sie danach nicht mehr soviel Literatur ab, doch ihre Freude und ihre Entschlossenheit, voraussichtliche „Schafe“ zu suchen, wurden dadurch nicht vermindert.
Zur selben Zeit, als die Pioniere auf Mauritius waren, stattete auch der römisch-katholische Kardinal Hinsley aus England der Insel einen Besuch ab, um einen Priester zum neuen Bischof der Insel ins Amt einzusetzen. Es wimmelte von katholischen Würdenträgern und Priestern, die zu diesem besonderen Anlaß angereist waren. Dadurch hatten die Pioniere eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt anzubieten. Bruder Nisbet bot sie Kardinal Hinsley selbst an, und er nahm sie ohne besonderes Aufheben an. Bert McLuckie versuchte es bei dem neueingesetzten Bischof, James Leen, der die Broschüre ganz ruhig nahm, sie in kleine Stücke zerriß und diese in den Abfallkorb warf.
Damals bezahlte man für das Reisen auf der Insel Mauritius nur sehr wenig, vielleicht weniger als irgendwo sonst auf der Erde. Man konnte zum Beispiel die ganze Insel umfahren, indem man zuerst mit dem Zug fuhr, dann mit dem Bus und wieder mit dem Zug, und dies
für nur eine halbe Krone (0.35 US-$). So konnten die Pioniere die gesamte Insel bearbeiten. Sie gaben Literatur in Französisch ab, doch auch Broschüren in Chinesisch und in mehreren indischen Sprachen, zum Beispiel in Tamil, Urdu und Hindi. Der Herausgeber einer indischen Zeitung fand viel Freude an einem längeren Artikel im Goldenen Zeitalter, in dem die Untaten der römisch-katholischen Hierarchie freimütig bloßgestellt wurden. Er druckte diesen Artikel in Fortsetzungen ab. Es dauerte aber nicht lange, bis die Polizei einschritt und den Herausgeber vor möglichen Konsequenzen warnte, was ihn veranlaßte, die Veröffentlichung der Artikel einzustellen. Trotz des starken Widerstandes der Priester führten die beiden Pioniere ihre Tätigkeit aber bis zum Schluß durch.Durch ihren Besuch auf Mauritius wurde ein großes Zeugnis gegeben. Sie ließen eine kleine Gruppe zurück, die weiterhin Zeugnis gab, wenn sich dazu Gelegenheit bot. Wie glücklich müssen Bruder Nisbet und Bruder McLuckie gewesen sein, die Früchte ihrer Arbeit zu sehen! Doch wie sah es mit ihrem Besuch auf Madagaskar aus?
Madagaskar ist die viertgrößte Insel der Welt. Sie liegt vor der Südostküste Afrikas und ist 1 650 Kilometer lang. Die Ostseite bekommt die volle Wucht der Monsunwinde zu spüren und erhält sehr große Niederschlagsmengen. Die anderen Teile der Insel sind dagegen viel trockener, so daß die Pflanzenwelt des Landes von Wüstenvegetation bis zu üppiger tropischer Vegetation reicht.
Auf Madagaskar leben etwa 6 Millionen Menschen sehr unterschiedlicher Abstammung. Offenbar richteten die Araber und die Hindus vor sehr langer Zeit Handelsstationen auf Madagaskar ein. Sodann bemühten sich die Portugiesen, die Franzosen und die Engländer um die Kolonisierung der Insel. Die Franzosen nahmen sie schließlich in Besitz und machten sie 1896 zu einer ihrer Kolonien. Von da an übten die französische Kultur und Sprache einen großen Einfluß auf die Insel und ihre Bewohner aus. So kam es, daß die katholische Religion vorherrschend war, als in den 1930er Jahren Jehovas Zeugen zum erstenmal die Königreichsbotschaft dort verkündigten.
Robert Nisbet und Bert McLuckie trafen 1933 mit dem Schiff auf Madagaskar ein. Sie begannen mit ihrer Predigttätigkeit im Haupthafen der Insel, Tamatave, wo sie an Land gegangen waren. Sie gingen vorsichtig zu Werke und bearbeiteten das Gebiet in kurzer Zeit, wobei sie viel Literatur abgaben. Dann begaben sie sich nach Tananarivo, der weiter im Landesinneren gelegenen Hauptstadt.
Kurz nach ihrer Ankunft in Tananarivo trafen sie einen Griechen, der einen Laden besaß und einige Schriften der Gesellschaft in seiner Sprache hatte, die ihm Verwandte aus Brooklyn (New York) geschickt hatten. Dies stärkte die Brüder sehr, und sie freuten sich, als der gastfreundliche Grieche ihnen eine kostenlose Unterkunft in einem Zimmer über seinem Laden gab.
Bruder Nisbet und Bruder McLuckie konnten bei diesem Besuch keine Gruppe oder Versammlung gründen. Ihnen bereitete die Sprache sehr große Schwierigkeiten; nur sehr wenige Leute konnten Englisch. Sie blieben aber in Tananarivo, bis sie alle ihre Literatur verbreitet hatten. Dann kehrten sie nach Südafrika zurück. Es wurde viel Samen der Wahrheit auf der Insel gesät.
DIE ANFÄNGE DER TÄTIGKEIT IN MOÇAMBIQUE
Ein weiteres riesiges Gebiet, in dem bis dahin wenig getan worden war, war das portugiesische Besitztum Moçambique. Dieses Gebiet umfaßt etwa 785 000 Quadratkilometer und ist zum größten Teil niedrig gelegenes Flachland. Es leben dort heute etwa 9 Millionen Menschen, von denen nur ein geringer Prozentsatz Weiße sind. Die Hauptstadt heißt Lourenço Marques und ist eine wichtige Hafenstadt. Sie liegt ganz im Süden, in der Nähe der Grenze nach Südafrika. Die andere wichtige Stadt — ebenfalls mit einem Hafen — ist Beira, einige hundert Kilometer nördlich gelegen.
Obwohl es dort angeblich Religionsfreiheit gibt, ist die katholische Kirche auf religiösem Gebiet seit Jahrhunderten vorherrschend; darüber hinaus gibt es in den Städten eine ganze Anzahl kleiner protestantischer Sekten. Auf den Landgütern war Zwangsarbeit üblich, für die die afrikanischen Arbeiter nur eine sehr geringe Entschädigung bekamen. Afrikaner wurden auch mit großer Strenge bestraft. Etwas positiver zu werten ist die Tatsache, daß es in Portugiesisch-Ostafrika keine offizielle Rassenschranke gibt. Man sieht keine Schilder mit der Aufschrift „Nur für Europäer“, keine Trennung in den öffentlichen Transportmitteln, den Banken, den Geschäften oder sonst irgendwo. Allerdings unterscheidet man bei den Afrikanern zwischen „ungebildeten“ und „gebildeten“ Afrikanern, Assimilados genannt. Jeder Afrikaner kann aus dem Stand eines „Ungebildeten“ zum „Gebildeten“ aufsteigen, indem er sich einem durch Gesetz vorgeschriebenen Verfahren unterzieht. Wenn er bestimmte Prüfungen besteht, wird er, ungeachtet seiner Hautfarbe, sozusagen ein „Weißer“ und wird nicht mehr als ein „Schwarzer“ angesehen. Wenn ein Afrikaner dies tun will, stellt er bei seinem örtlichen Gericht einen Antrag und muß dann nachweisen, daß er Portugiesisch lesen und schreiben kann, dem christlichen (katholischen) Glauben angehört, über ein bestimmtes Vermögen verfügt und willens ist, wie ein Europäer zu leben. Es kommt vor allem darauf an, daß er in der Lage ist, die Lebensweise der Weißen zu übernehmen. Er hat dann das Recht auf einen Paß, seine Kinder haben das Recht auf kostenlosen Unterricht, und er hat das Wahlrecht, wird aber kriegsdienstpflichtig und muß eine hohe Einkommenssteuer zahlen. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Afrikaner erfüllt diese Bedingungen.
Im Jahre 1925 fand der Königreichssame bei den Afrikanern in diesem Teil der Erde guten Boden, und ein paar Jahre lang wuchs das
Werk unaufhaltsam. Ende der 1930er Jahre begannen die Behörden aber, die Abonnenten des Wachtturms genauer zu überprüfen; eine ganze Anzahl wurde verhaftet. Diejenigen, die im Süden Moçambiques verhaftet wurden, trafen im Gefängnis andere Brüder, die aus Njassaland stammten, so daß eine ganz schöne Gruppe zusammenkam. Erst nach zwei bis drei Jahren bekamen sie schließlich eine Verhandlung. Darauf wurden einige für 12 Jahre in die Strafkolonie São Tomé deportiert, während andere für 10 Jahre nach Nordmoçambique in Arbeitslager geschickt wurden. Im Gerichtsurteil hieß es, sie sollten nicht zusammenbleiben, sonst werde die Gegend „durch ihre Lehre vergiftet, da dies sehr starkes Zeug ist“.Unter den Verurteilten war ein Bruder mit Namen Mahlanguana. Er erinnert sich, in Nordmoçambique unter anderem auf einer großen Kokosnußplantage in der Nähe der kleinen Hafenstadt António Enes gearbeitet zu haben. Eines Tages tauchte der Polizeichef bei ihm auf, um ihn zu kontrollieren, und traf ihn gerade beim Vorbereiten einer Predigt an. Der Polizist meldete dies dem Leiter der Strafkolonie, doch dieser antwortete, dadurch werde kein Schaden gestiftet. Dennoch ließ der Polizist Bruder Mahlanguana Schläge verabreichen und steckte ihn 4 Monate ins Gefängnis. Nachdem Bruder Mahlanguana Jahre später seine Strafe abgebüßt hatte, kehrte er nach Vila Luiza zurück. Dort war die Königreichsbotschaft nicht mehr gepredigt worden, doch seine Rückkehr half den Interessierten am Ort, wieder von vorn anzufangen, und das Werk nahm einen guten Aufschwung.
So ging das Werk unter den Afrikanern im Süden Moçambiques gut voran. Wie stand es aber mit den Europäern?
Der erste Europäer traf 1929 in Lourenço Marques ein und predigte etwas unter den weißen Portugiesen. Es war Henry Myrdal, der den Pionierdienst aufgegeben hatte und Edith Thompson heiratete. Sie waren bei ihrer Tätigkeit ganz auf sich allein gestellt, so daß es für sie oft nicht einfach war. Im Jahre 1933 sandte die Gesellschaft jedoch Piet de Jager nach Moçambique, der inzwischen die eifrige Kolporteurschwester Lenie Theron geheiratet hatte. Sie sollten ebenfalls den Europäern predigen. Bruder und Schwester de Jager bearbeiteten das gesamte Gebiet unter den Europäern und gaben viel Literatur in Englisch und Portugiesisch ab.
Zwei weitere Pioniere besuchten Lourenço Marques im Jahre 1935, doch sie blieben nur sehr kurze Zeit. Sie hießen Fred Ludick und David Norman. Ihre Unterkunft befand sich im Hause der Familie Myrdal. Sie berichten: „Am fünften Tag unseres Dienstes saßen wir wie zwei wohlanständige Besucher auf dem Marktplatz und tranken Tee, als Bruder Norman zu mir sagte: ,Fred, sieh nicht rüber, dort drüben links sind zwei Männer, die uns seit fast einer halben Stunde beobachten.‘ ... Als wir an diesem Tag nach Hause kamen, sagte Schwester Edith Myrdal zu uns: ,Die Geheimpolizei war schon mehrmals hier und hat
nach euch gesucht.‘ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, kam schon der Wagen kreischend um die Ecke gefahren, und wir wurden direkt in die grüne Minna gesteckt [der Wagen, mit dem Verbrecher transportiert werden].“Die beiden Brüder wurden Senhor Teixeira, einem hohen Regierungsbeamten, vorgeführt, dem David Norman freimütig sagte, er wisse, daß der Bischof hinter der ganzen Verschwörung stecke. Damit hatte er einen wunden Punkt berührt. Teixeira sprang auf und brüllte: „Wenn Sie meiner Verfügungsgewalt unterständen, würde ich Sie auf der Stelle auf die Insel Madeira in die Verbannung schicken. Weil Sie aber Bürger Südafrikas sind, werde ich Sie unverzüglich ausweisen lassen.“ Noch am selben Tag verließen die Brüder Lourenço Marques in Richtung auf die Grenze Südafrikas. Je ein Polizeiwagen, vollbeladen mit Polizisten, die mit Gewehren und Schwertern bis an die Zähne bewaffnet waren, fuhr vor ihnen und hinter ihnen her. An der Grenze angekommen, gaben die Brüder den Wachen Zeugnis, gaben Literatur ab, die sie noch bei sich hatten, schüttelten allen die Hand und verabschiedeten sich.
Im Jahre 1937 wurde der Bischof von Moçambique wiederum aktiv. Bruder Myrdal mußte vor dem Leiter der Polizeibehörde erscheinen, der ihm sagte, er habe eine Beschwerde vom Bischof erhalten. Darin habe es geheißen, die Menschen würden durch die Literatur der Gesellschaft, die im Lande verbreitet werde, zu bewaffneten Aufständen und einer Revolution angestiftet. Bruder Myrdal versuchte, die Angelegenheit zu erklären, doch der Beamte wollte sich auf nichts einlassen und teilte ihm mit, er werde sofort des Landes verwiesen, wenn er weiterhin Literatur verbreite.
Doch Bruder Myrdal wehrte sich. Er ließ ein Gespräch mit dem Generalgouverneur vereinbaren, um gegen die Entscheidung der Polizeibehörde Berufung einzulegen. Der Gouverneur war zwar freundlich, übergab die Sache aber seinem Vertreter, Senhor Mano. Es stellte sich heraus, daß Mano ein sehr zugänglicher Mann war. Er war offiziell zwar katholisch, stimmte aber mit vielen Lehren der Kirche nicht überein. Er las die Literatur der Gesellschaft sorgfältig und kam zu dem Schluß, der Vorwurf, sie stifte zur Revolution an, sei falsch. Senhor Mano zeigte sich von den Büchern sehr beeindruckt und sagte, er werde nichts unternehmen. Damit war das Vorhaben des Bischofs, Jehovas Zeugen zu vertreiben, vereitelt.
Inzwischen war die Firma, bei der Bruder Myrdal arbeitete, darüber beunruhigt, daß er ausgewiesen werden könnte. Dies bewog Bruder Myrdal, ein Gesuch um Entlassung einzureichen. Anstatt es anzunehmen, beschloß die Firmenleitung aber, ihn in ihr Johannesburger Geschäft zu versetzen, was im Jahre 1939 auch geschah.
Doch 1938 wurde ein weiterer Versuch unternommen, weiße Pioniere nach Lourenço Marques zu senden. David Norman war wieder dabei,
doch diesmal mit einem neuen Partner, Bruder Frank Taylor, der erst kurz zuvor aus England eingetroffen war. Aber nur wenige Tage nach ihrem Eintreffen trat die Polizei wieder in Aktion. Sie wies die Pioniere an, ihre Arbeit sofort einzustellen, andernfalls würden sie ausgewiesen. Das Zweigbüro in Kapstadt riet ihnen, nach Südafrika zurückzukehren, doch ihr großes Lager an portugiesischer Literatur bei den Myrdals zu lassen.Inzwischen wurde der Generalgouverneur, der dem Werk freundlich und wohlwollend gegenüberstand und beim Volk beliebt war, von der portugiesischen Regierung abgesetzt und in die kleine portugiesische Kolonie Goa in Indien versetzt. Seinen alten Posten übernahm ein fanatischer Katholik.
Da man erkannte, daß Myrdals nicht mehr lange in Moçambique bleiben würden, schlug die Gesellschaft vor, jedem Regierungsbeamten im ganzen Land mehrere Exemplare der Literatur mit der Post zuzusenden. Bruder und Schwester Myrdal machten Hunderte von Päckchen mit portugiesischer Literatur fertig und warfen sie in verschiedene Briefkästen.
Obwohl es unter den Europäern in Moçambique keine greifbaren Erfolge gab, schritt das Werk unter den Afrikanern trotz der Verfolgung ständig voran. Im Jahre 1940 gab es in Moçambique eine Höchstzahl von 38 afrikanischen Verkündigern, die an vier verschiedenen Orten Zusammenkünfte abhielten.
IN NJASSALAND WIRD DAS WERK ORGANISIERT
Die wenigen, die nach Bruder Hudsons Besuch in Njassaland im Jahre 1925 noch die Leitung der Gesellschaft anerkannten, blieben mit dem Büro in Kapstadt in Verbindung. Schließlich wurde 1933 offensichtlich, daß es eine Kerngruppe wirklich Interessierter gab, die Hilfe brauchten. So stellte man einen Antrag, einen weißen Vertreter nach Njassaland zu senden. Der Gouverneur erteilte die Genehmigung. Hierauf wurde im Mai 1934 in Zomba ein Literaturlager eröffnet, das der Aufsicht des südafrikanischen Zweiges unterstand. Soweit man vom Büro in Kapstadt aus feststellen konnte, gab es damals in Njassaland etwa 100 wirklich interessierte Menschen. Bert McLuckie wurde von Südafrika dorthin geschickt, um das Werk zu organisieren.
Zuerst suchte er das Haus von Richard Kalinde auf, bei dem er etwa einen Monat blieb. Dieser afrikanische Bruder sollte sein enger Gefährte während seines Aufenthaltes in Njassaland werden. Kaum hatte Bruder McLuckie mit seiner Arbeit begonnen, erlitt er einen schweren Malariaanfall, weswegen er zwei Wochen ins Krankenhaus mußte. Nachdem er sich wieder erholt hatte, mietete er zwei Zimmer, die als Literaturlager der Gesellschaft in Njassaland dienen sollten. Den einen Raum gebrauchte er als Büro, und in dem anderen schlief er.
Seine Hauptaufgabe bestand zunächst darin, Ordnung in die chaotischen Zustände zu bringen, die durch die sogenannten „Watchtower-Bewegungen“
hervorgerufen wurden. Dies erwies sich als weniger schwierig, als er erwartet hatte. Dazu trug bei, daß der Polizeichef von Njassaland klar erkannte, daß die falschen afrikanischen Bewegungen nichts mit der Watch Tower Bible and Tract Society zu tun hatten. Zudem hatte das Zweigbüro in Kapstadt Bruder Bert McLuckie klare Anweisungen mitgegeben, wie er die Sache anfassen sollte. Er besuchte alle Gruppen, die in ganz Njassaland verstreut waren. Nachdem er eine Ansprache gehalten hatte, bei der Bruder Kalinde als Übersetzer diente, las er überall einfach die Resolution vor, die in der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt stand. Die Resolution drehte sich um den biblischen Namen „Jehovas Zeugen“. Alle, die der Resolution zustimmten, wurden gebeten, dies durch Handerheben zu zeigen. Die meisten hoben die Hand, doch wie sich später herausstellte, waren viele dabei nicht aufrichtig.Bruder McLuckie besuchte die Versammlungen von Zeit zu Zeit und half dadurch vielen, sich von den falschen „Watchtower-Bewegungen“ und ihren Führern abzuwenden. Er machte bei dieser Arbeit viele interessante Erfahrungen, da einige Versammlungen bereits merklich vom Wege abgewichen waren. Manchmal legten die Brüder kilometerlange Straßen durch den Urwald an, damit er mit seinem Auto zu ihrer Zusammenkunftsstätte fahren konnte. Eine sehr abgelegene Gruppe war nur mit dem Kanu zu erreichen. Die Reise dorthin führte Dutzende von Kilometern durch krokodilverseuchte Flüsse. Bruder McLuckie saß auf einem Stuhl in der Mitte des Kanus, wobei er aufpassen mußte, daß er das Boot nicht zum Kentern brachte, und die Afrikaner wechselten sich beim Paddeln ab. Er war sehr dankbar, daß die Brüder ihm Unterkunft und Nahrung gaben und Wertschätzung für geistige Dinge zeigten.
Bruder McLuckie predigte auch den Europäern in Njassaland. Einmal besuchte er einen Ort namens Karonga. Um dorthin zu gelangen, mußte er das Livingstone-Gebirge überqueren. Auf der Abfahrt hatte die Straße so scharfe Haarnadelkurven, daß er, um herumzukommen, den Wagen anhalten und erst langsam zurücksetzen mußte, ehe er wieder weiterfahren konnte. Er besuchte unter anderem zwei griechische Händler, die Literatur in ihrer Sprache entgegennahmen. Einer von ihnen wurde später getauft.
Im November 1934 unternahmen zwei Pioniere aus Südafrika eine Reise durch Portugiesisch-Ostafrika und nach Njassaland. Sie konnten der an Zahl geringen europäischen Bevölkerung von Zomba, Blantyre, Limbe und von anderen Orten predigen. Aus den Berichten geht hervor, daß sie auf dieser Reise 700 Bücher und Broschüren absetzten. Dies war anscheinend das erstemal, daß den Europäern dort systematisch gepredigt wurde.
So wurde schließlich nach langer Zeit eine stabile theokratische Organisation in Njassaland aufgebaut. Es wurden auch Predigtdienstberichte eingesammelt, und 1934 betrug die Zahl der Verkündiger
durchschnittlich 28. Kurz darauf wurde Bruder McLuckie ins Zweigbüro nach Kapstadt zurückgerufen, um dort mitzuarbeiten. Sein Bruder, Bill McLuckie, übernahm das Literaturlager in Njassaland am 17. März 1935 und diente dort viele Jahre.Während die theokratische Organisation unter den vielen Interessierten in Njassaland an Boden gewann, stieg die Zahl derer, die am Predigtdienst teilnahmen und darüber berichteten, sehr schnell an — von 28 Verkündigern im Jahre 1934 auf 340 im Jahre 1935! Unterdessen verstärkte sich die Verfolgung; einige Missionare der Christenheit wirkten auf Regierungsbeamte ein, sie sollten der Tätigkeit der Brüder Einhalt gebieten. Sie erreichten, daß im November 1934 eine Broschüre und die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter im Land verboten wurden. Das Wachstum ließ aber nicht nach; 1937 gab es 48 Versammlungen und eine Höchstzahl von 1 319 Verkündigern.
Bald darauf zeichnete man Ansprachen in Njandscha auf, die die afrikanischen Brüder sehr schätzten. Viele Versammlungen taten sich zusammen, um die Übertragungsgeräte zu kaufen. Manche davon führten gemeinsame Fischereifahrten auf dem Njassasee durch, verkauften den Fang auf dem Markt und führten den Erlös der „Grammophonkasse“ zu. In einigen Gegenden im Norden kauften sie einen großen Baum, fällten ihn und brachten ihn auf dem Wasserweg ins Dorf. Dort gingen sie daran, den Stamm auszuhöhlen und ihn zu einem Kanu zurechtzuhauen. Dieses wurde später verkauft, und mit dem Geld konnten sie sich ein Grammophon kaufen. Für die Verkündiger bedeutete das monatelang harte Arbeit, doch auf diese Weise konnten sie sich ein Grammophon kaufen und das Königreich wirkungsvoller bekanntmachen. Im gleichen Jahr (1938) wurde das Buch Reichtum in Njandscha herausgegeben, wodurch die Versammlung mit wunderbarer geistiger Speise versorgt wurde. Darum konnte der für das Depot verantwortliche Bruder berichten, es habe nie zuvor eine derartige Einheit unter den Brüdern gegeben.
ERNEUTE ANSTRENGUNGEN IN BRITISCH-OSTAFRIKA
Wie schon berichtet, besuchten im Jahre 1931 Gray und Frank Smith sowie etwas später Robert Nisbet und David Norman Britisch-Ostafrika. Auf ihren Fahrten wurde viel Literatur abgegeben und ein ausgedehntes Zeugnis gegeben. Doch es war Zeit für einen weiteren Besuch.
Der dritte Feldzug in Ostafrika fand 1935 statt. Vier Pioniere aus Südafrika beteiligten sich daran — Gray Smith und seine Frau sowie Robert und George Nisbet. Diesmal waren sie gut ausgerüstet. Sie hatten zwei Dreivierteltonner, die zu Wohnwagen umgebaut worden waren und über Betten, Küchenausrüstung, Wasser- und Benzinkanister sowie Moskitonetze verfügten. Da sie beweglich waren, konnten sie Gegenden erreichen, in denen vorher noch nicht gepredigt worden war, obwohl sie manchmal über Straßen fahren mußten, die mit bis
zu drei Meter hohem Gras überwachsen waren. Oft übernachteten sie draußen in der Wildnis und konnten das erregende Tierleben Afrikas unmittelbar miterleben. Sie hörten nachts die Löwen brüllen, beobachteten friedlich grasende Zebras und Giraffen und spürten die unheimliche Gegenwart von Rhinozerossen und Elefanten.Sobald sie Tanganjika erreichten, teilten sie sich auf. Bruder Smith und seine Frau blieben eine Zeitlang in Tanganjika, wogegen die Brüder Nisbet nach Nairobi (Kenia) weiterreisten, wo Bruder und Schwester Smith sie später wieder treffen sollten. Das Ehepaar wurde während seiner Tätigkeit in Tanganjika verhaftet und erhielt die Anweisung, nach Südafrika zurückzukehren. Bruder Smith beschloß indes, nach Nairobi weiterzureisen, da er einen südafrikanischen Paß besaß, in dem stand, er sei „britischer Staatsbürger durch Geburt“. Nach ihrer Ankunft in Nairobi gingen sie sofort zur Polizei und erhielten eine Aufenthaltserlaubnis, nachdem sie 100 Pfund hinterlegt hatten, die ihnen bei ihrer Ausreise wieder ausgehändigt wurden.
Sie fuhren weiter nach Uganda. In Kampala nahm man sie sehr feindselig auf und ließ sie ständig von der Polizei beschatten. Dennoch konnten sie viel Literatur abgeben, bevor sie vom Gouverneur des Landes verwiesen wurden. So fuhren sie nach Nairobi zurück, wo sie sich wieder mit den Brüdern Nisbet trafen.
Robert Nisbet erkrankte während des Feldzuges an Typhus und wurde von den anderen im Krankenhaus in Nairobi zurückgelassen. Bruder Smith und George Nisbet bemühten sich, nach Sansibar zu kommen, erhielten aber keine Genehmigung dazu. So kehrten sie nach Südafrika zurück. Robert Nisbet wurde wieder gesund, und im Jahre 1955 wurde er der erste Zweigaufseher auf Mauritius. Sein Bruder George wurde, nachdem er eine Zeitlang als Missionar auf Mauritius gedient hatte, nach Südafrika zurückgesandt und dient dort seit 1958 im Zweigbüro.
Die Pioniere, die anderen den Weg ins „Schwarze Afrika“ bahnten, brauchten wirklich großen Glauben, um allen damit verbundenen Schwierigkeiten und Gefahren mutig entgegentreten zu können. Von den sechs Pionieren mußten vier wegen Malaria, Schwarzwasserfiebers (einer gefährlichen Komplikation der Malaria) und Typhus längere Zeit im Krankenhaus bleiben. Dank ihrer Arbeit wurde eine gewaltige Menge Literatur verbreitet, womit die Grundlage für das geistige Bauen gelegt wurde, das die Absolventen der Gileadschule in den 1950er Jahren beginnen sollten.
WEITERE FORTSCHRITTE IN SÜDRHODESIEN
Den letzten Besuch in Südrhodesien (jetzt Rhodesien) hatte 1929 eine alleinstehende Pionierschwester, Schwester Adshade, gemacht, die große Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt hatte. Die nächste Reise dorthin, die Pioniere aus Südafrika unternahmen, fand im Mai 1932 statt. Die Gruppe bestand aus vier Pionieren, Bruder Piet de Jager und
seine Frau sowie Bruder Robert Nisbet und Bruder Ronald Snashall, und sie hatten 2 Autos. Sie erreichten die Grenze an einem Samstagnachmittag, als die Beamten gerade Tennis spielten. Die Brüder gaben an, sie seien Vertreter der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung, und die Beamten stellten keine weiteren Fragen; vielleicht waren sie nur darum besorgt weiterzuspielen. Deshalb merkten sie nicht, daß sie Vertretern der wahren Watch Tower Society die Einreise gestatteten. Doch schon bald ging es rund. Nach nur wenigen Tagen der Tätigkeit in Bulawayo wurden die Pioniere bei der Zentrale der Kriminalpolizei vorgeladen und mußten lange schriftliche Erklärungen abgeben.Einige Tage später ordnete der Gouverneur an, die Brüder müßten das Land innerhalb 48 Stunden verlassen; ein Einspruch wurde nicht zugelassen. Sie wandten sich an einen freundlichgesinnten Mann, der in Rechtsangelegenheiten Erfahrung hatte. Seinem Rat folgend, bestanden sie darauf, Einspruch einzulegen, und weigerten sich, das Land zu verlassen, bevor eine Entscheidung getroffen wäre. Sie reichten ihren Einspruch beim Leiter der Kriminalpolizeibehörde ein, damit er ihn an den Gouverneur weiterleite. Bereits am nächsten Tag berichteten die Zeitungen in England und Südafrika über diesen Vorfall. In der Cape Times vom 30. Mai 1932 hieß es: „BULAWAYO, Samstag. Vier europäische Besucher aus der Union [Südafrika], die vor drei Wochen im Lande eintrafen, um als Missionare tätig zu sein, wurden angewiesen, die Kolonie bis zum kommenden Montag zu verlassen, da sie von den Behörden als ,unerwünschte Einwohner oder Besucher‘ angesehen werden.
Die Behörden sollen den Lehren, die die Missionare ihrer Meinung nach verbreiten wollen, ablehnend gegenüberstehen.“
Unterdessen hatten die Brüder mit dem Zweigbüro in London Kontakt aufgenommen, und die Gesellschaft sandte von dort aus ein Telegramm an den Hochkommissar für Südrhodesien. Daraufhin wurde die Entscheidung geändert. Den Pionieren wurde gestattet, 6 Monate lang zu bleiben, vorausgesetzt, sie predigten nicht unter den Afrikanern. Dies war nun das dritte Mal, daß die Europäer in Südrhodesien ein gutes Zeugnis erhielten. Wenn auch nicht berichtet wird, daß damals besonderes Interesse geweckt wurde, so erhielten doch so gut wie alle Herrscher im Land ein persönliches Zeugnis und das Buch Rechtfertigung mit der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt.
Während seines Aufenthaltes stattete Bruder P. de Jager dem Premierminister von Rhodesien, Moffat, einen besonderen Besuch auf seinem Gut ab. Sie führten anscheinend ein sehr angenehmes Gespräch. Daraufhin schrieb Bruder de Jager Briefe an die Behörden, in denen er eine Genehmigung beantragte, europäische Vertreter ins Land zu senden, damit das Werk der Watch Tower Society unter den Afrikanern in geeigneter Weise beaufsichtigt werden könnte. Dies tat er im Oktober 1932. Unter dem Datum vom 14. September 1932 hatte das Zweigbüro in Kapstadt bereits einen Brief an den Minister für Kolonialfragen
der Regierung von Südrhodesien gesandt, der denselben Zweck hatte. Doch die gemeinsamen Bemühungen des Zweiges in Kapstadt und Bruder de Jagers waren erfolglos. Es sah so aus, als hätte die Regierung von Rhodesien, angetrieben von der Geistlichkeit, das Land für Jehovas Zeugen geschlossen.Im Zweigbüro in Kapstadt nahm man dies nicht so einfach hin, sondern man schrieb im Oktober 1932 einen weiteren langen Brief an das Ministerium für Kolonialfragen in Rhodesien, in dem der Fall in sehr deutlicher Sprache dargelegt wurde. Die Antwort kam sehr schnell. Sie war kurz und bündig: „Die Regierung sieht sich außerstande, die Ihnen bereits übermittelte Entscheidung zu überprüfen, nach der Vertretern Ihrer Gesellschaft die Einreise in diese Kolonie verwehrt wurde.“ Ein Jahr später, im November 1933, wurde ein Brief an den Innenminister von Rhodesien geschickt, der ebenso beantwortet wurde.
Das Zweigbüro in Kapstadt gab den Kampf nicht auf. Mehrere Jahre nacheinander schrieb man von dort aus in jedem Jahr einen langen Brief an die Behörden in Salisbury, in dem um die Genehmigung gebeten wurde, Sondervertreter der Gesellschaft ins Land zu schicken, die das Königreichswerk organisieren und leiten sollten. Die Regierung reagierte darauf regelmäßig mit einer Ablehnung. Als die Behörden in Njassaland 1934 eine Genehmigung erteilten, in ihrem Land ein Literaturlager zu eröffnen, und einem europäischen Bruder gestatteten, das Werk dort zu organisieren, und als 1936 eine ähnliche Vereinbarung mit Nordrhodesien getroffen wurde, hatte das Zweigbüro in Kapstadt eine neue Handhabe in seinen Bemühungen. Im Jahre 1938 wurden anscheinend zwei Anträge gestellt. Den zweiten Antrag beantwortete der Minister für Eingeborenenfragen mit einem Brief, datiert vom 16. November 1938: „Ich habe Anweisung, Ihnen mitzuteilen, daß die Regierung nicht bereit ist, die Gesellschaft anzuerkennen, ehe sie nicht genügend Zeit gehabt hat, die Auswirkungen der Anerkennung in Nordrhodesien und Njassaland zu beobachten. Des weiteren teile ich Ihnen mit, daß es unwahrscheinlich ist, daß die Regierung der Gesellschaft die gesetzliche Anerkennung gewähren wird, solange Ihre Literatur nicht für die Eingeborenen dieser Kolonie geeigneter ist.“
Die Bemühungen, das Königreichswerk in Südrhodesien voranzutreiben, nahmen jedoch auch noch andere Formen an als nur die des einfachen Briefwechsels zwischen dem Zweigbüro in Kapstadt und der Regierung von Südrhodesien. Am 25. Oktober 1935 wurde im Amtsblatt der Regierung von Südrhodesien (Southern Rhodesia Government Gazette) der Text von zwei Gesetzentwürfen zur Überwachung des Predigens veröffentlicht. Der eine wurde als „Gesetz über die Prediger unter den Eingeborenen (1936)“ bezeichnet und sollte die religiösen Bewegungen unter den Eingeborenen durch die Erteilung von Bescheinigungen an eingeborene Prediger und Lehrer überwachen. Nach vielem Diskutieren und Debattieren wurde die Vorlage nicht verabschiedet.
Ein anderer Entwurf, der als „Gesetz gegen aufwieglerische Agitation“ (1936) bezeichnet wurde, sollte aufwieglerische Äußerungen, Zeitungen, Bücher, Bilder und Grammophonplatten verbieten. In den Diskussionen und Debatten wurde ganz deutlich, daß diese Gesetzesvorlage sich ganz speziell gegen die Tätigkeit der Gesellschaft richtete. Bevor diese Vorlage über aufwieglerische Agitation Gesetz wurde, unternahm man vom Büro der Gesellschaft in Brooklyn etwas dagegen, da man deutlich sah, daß dies eine neue Waffe gegen das Königreichswerk war. Präsident Rutherford selbst schrieb einen Brief an den Premierminister von Südrhodesien und an alle Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung, in dem er sie vor dem gefährlichen Kurs warnte, auf dem sie sich befanden. Das Zweigbüro in Kapstadt druckte 25 000 Exemplare dieses Briefes und sandte sie an jeden Europäer, dessen Name im Adreßbuch von Südrhodesien erschien.Doch trotz allem wurde die Vorlage über aufwieglerische Agitation Gesetz, und sehr bald darauf wurden 14 Veröffentlichungen der Gesellschaft als aufwieglerisch erklärt (7 gebundene Bücher und 7 Broschüren). Um die Probe aufs Exempel zu machen, schickte man einige dieser Bücher an Bruder Kabungo, einen Afrikaner, der die Versammlungen in Südrhodesien zu jener Zeit besuchte. Als die Lieferung in Bulawayo eintraf, wurde sie von der Zollbehörde beschlagnahmt. Die Gesellschaft reagierte darauf, indem sie die Rückgabe beantragte. Der Fall wurde im Mai 1937 vor dem Hohen Gerichtshof von Südrhodesien verhandelt. Der Anwalt der Gesellschaft, Mr. Beadle (der später oberster Richter in Rhodesien wurde), hatte die Literatur gewissenhaft studiert. Während seiner Unterhaltungen, die er zwei Tage lang vor der Verhandlung mit Bruder George Phillips, dem Zweigaufseher von Südafrika, führte, ließ er erkennen, daß er ihren Inhalt sehr gut kannte. Mehrere Tage lang wurden die wesentlichen Punkte aus den Büchern vor Gericht ausführlich besprochen. Für Bruder Phillips, der aus Kapstadt gekommen war, war es ein ungewöhnliches und denkwürdiges Erlebnis, neben seinem Rechtsbeistand zu sitzen und ihm beim Auffinden der maßgeblichen Schriftstellen zu helfen sowie Erklärungen über Auszüge aus den zur Diskussion stehenden Veröffentlichungen abzugeben. Nach der Beweisaufnahme ließ Richter J. Hudson verlauten, er würde die Bücher lesen, bevor er eine Entscheidung fälle. Die Entscheidung wurde am 23. September 1937 bekanntgegeben. Der Richter besprach die starken und die schwachen Seiten der Argumente der Verteidigung und faßte seine Entscheidungsgründe folgendermaßen zusammen: „Alle diese Publikationen sind im guten Glauben mit der Absicht geschrieben worden, auf die Notwendigkeit der Beseitigung der grundlegenden Schwäche im Aufbau und in der Verwaltung aller Regierungen der Erde hinzuweisen. ... Meine Entscheidung lautet daher, daß keine dieser Publikationen aufwieglerischer Natur ist.“
Dies war ein bedeutender Sieg für die Gesellschaft. Doch die Regierung legte Berufung ein. Der Fall wurde am 15. März 1938 vor der Berufungskammer des Obersten Gerichtshofes von Südafrika verhandelt. Richter N. J. de Wet fällte seinen Spruch am 22. März 1938. Darin bestätigte er die Entscheidung des Gerichts von Südrhodesien. In den Zeitungen von Rhodesien und Südafrika wurde darüber viel berichtet. Die in Bulawayo erscheinende Zeitung Chronicle druckte das Urteil sogar im vollen Wortlaut ab. Dadurch wurde ein hervorragendes Zeugnis gegeben, und schließlich wurden die Veröffentlichungen der Gesellschaft freigegeben.
Die Arbeit der Brüder machte weiter gute Fortschritte. Die Zahl der Königreichsverkündiger stieg 1938 auf 321 an. Man benutzte 20 Grammophone im Predigtdienst. Die Zahl der Gruppenorganisationen oder Versammlungen betrug 34.
Anfang 1938 beantragte die Gesellschaft wiederum eine Genehmigung, zwei europäische Vertreter zu entsenden, die unter den Europäern arbeiten und die Brüder dort stärken sollten. Die Genehmigung wurde erteilt „unter der Voraussetzung, daß jeder von ihnen entweder vor oder bei seinem Eintreffen schriftlich das Versprechen abgibt, unter den Eingeborenen von Südrhodesien weder Literatur zu verbreiten noch öffentliche Zusammenkünfte abzuhalten, noch propagandistisch zu wirken“. Obwohl sich das Blatt langsam zugunsten der Gesellschaft wendete, war der Kampf noch keineswegs vorüber.
Die beiden Pioniere, die die Gesellschaft 1938 ins Land sandte, hießen Robert Nisbet und Jim Kennedy, ein Südafrikaner, der erst verhältnismäßig kurze Zeit im Pionierdienst stand. An der Grenzstation Beitbridge hielt man sie an, verhörte sie und ließ sie schließlich für 6 Monate ins Land einreisen. Sie konnten ein sehr gutes Werk unter den Europäern verrichten und ließen überall viel Literatur zurück. In einer Goldgräberstadt gaben sie an einem Tag fast 200 gebundene Bücher ab. Wie zu erwarten war, behielt die Polizei sie ständig im Auge. Sie mußten sich regelmäßig auf der örtlichen Polizeistation melden. Die Menschen schienen fast überall von ihnen gehört zu haben und erwarteten ihren Besuch. Die Bauern waren im allgemeinen freundlich und gastfrei, doch manchmal war der Name „Watchtower“ wie ein rotes Tuch für sie.
In Bulawayo trafen sie Bruder McGregor, der in Schottland in die Wahrheit gekommen war, dessen Liebe aber erkaltet war. Die Pioniere ermunterten ihn sehr, und nach einiger Zeit begann er wieder von neuem im Werke des Herrn. Auch die Familie Gunn wurde gefunden, die über 12 Jahre zuvor von George Phillips und Henry Myrdal besucht worden war. Sie waren ebenfalls untätig, wurden aber durch die beiden Pioniere geistig wiederbelebt. So konnten sie 1938 in Bulawayo eine Gruppe organisieren, die erste Studiengruppe unter den Weißen Südrhodesiens. Etwa 17 Personen zeigten Interesse. Nach einiger Zeit
war Bruder McGregor als der Vertreter der Gesellschaft in Rhodesien tätig und leistete sehr nützliche Arbeit, indem er die Berichte einsammelte und sich der Königreichsinteressen im Land annahm.SCHWIERIGKEITEN IN NORDRHODESIEN
In Südrhodesien gewannen die Zeugen den Kampf. Doch wie erging es ihnen im Nachbarland Nordrhodesien (Sambia), wo im Jahre 1925 Mwana Lesa solche Schwierigkeiten gemacht hatte?
Die Jahre nach dem Fall Mwana Lesa waren schwierige Zeiten. In fast allen größeren Zentren entlang der Eisenbahnlinie gab es Gruppen von Interessierten. Man hatte die Eisenbahnlinie von Livingstone (heute Maramba) bis in das Kupferminengebiet (Copperbelt) und bis an die daran angrenzende kongolesische Grenze gebaut. Diese Gruppen wurden aus Menschen gebildet, die brieflich mit der Gesellschaft in Brooklyn (New York) oder in Kapstadt Kontakt aufgenommen hatten. Die Verbindung beschränkte sich auf Literaturbestellungen und Spendenüberweisungen. Derjenige, der den Schriftwechsel führte, wurde sowohl von der Gesellschaft als auch von den anderen Gliedern der Gruppe als ihr Führer anerkannt.
Da es ständig Schwierigkeiten mit der weltlichen Obrigkeit gab und keine organisatorische Anleitung vorhanden war, fanden die Zusammenkünfte nur in kleinem Rahmen in Privathäusern statt. Dennoch gab es aufrichtige, Gott hingegebene Christen, die Gottes Wort anhand des im begrenzten Maße vorhandenen Lesestoffs ernsthaft studierten.
Thomson Kangalē war ein junger Mann, der Anleitung suchte. Als im Jahre 1931 die Kupfermine von Bwana Mkumwa wegen der Weltwirtschaftskrise geschlossen wurde, suchte Thomson, der Anfang Zwanzig war, eine Beschäftigung. Er fand sie in der Nkana-Kupfermine in Kitwe. Nach kurzer Zeit erhielt er die Aufgabe, zwei Fußballmannschaften von Minenarbeitern zu trainieren. Er hatte eine Unterkunft zusammen mit einem Jugendlichen, der Torwart war. Eines Sonntags stieß der Junge durch Zufall auf eine Zusammenkunft der Zeugen Jehovas und kam mit einer Taschenausgabe eines Bandes der Schriftstudien nach Hause. Angeregt durch die Entschlossenheit dieses Jungen, den Inhalt des Buches zu verstehen, beschloß Thomson, die Zusammenkünfte zu besuchen und selbst nachzuforschen. Bei der Zusammenkunft, die er besuchte, wurde besonders betont, man solle das Buch Die Harfe Gottes benutzen, und Thomson erwarb ein Exemplar. Er berichtet, er habe sein neues Buch regelrecht verschlungen, und sagt, er habe sich bald darauf „von ganzem Herzen dem Tun des Werkes Gottes hingegeben“. Im selben Jahr erfüllte er die Bedingungen für die Wassertaufe. Am 13. Oktober 1937 trat Bruder Thomson Kangalē in den Pionierdienst ein. Er diente als Diener für die Brüder und als Bezirksdiener (Kreis- und Bezirksaufseher) und brachte die gute Botschaft nach Tanganjika und Uganda, wohin ihn das Zweigbüro von Nordrhodesien entsandt hatte.
Nur wenige Jahre bevor Bruder Kangalē in die Wahrheit kam, wurde dem Predigtwerk in Nordrhodesien sehr großer Widerstand entgegengebracht. Alle Bemühungen der Gesellschaft von 1927 bis 1934, weiße Vertreter nach Nordrhodesien zu entsenden, die dort ständig die Tätigkeit überwachen könnten, wurden entweder abgelehnt oder gar nicht beachtet. Die beiden letzten Anträge hatte man am 12. Oktober 1932 und am 20. September 1934 gestellt. Der letzte wurde zwar bestätigt, doch es traf nie ein Bescheid ein. Aus den darauf folgenden Ereignissen geht hervor, daß man plante, das Werk ganz zu verbieten.
Mittlerweile hatte man einen Teil der Literatur der Gesellschaft wie das Buch Die Harfe Gottes und mehrere Broschüren in Njandscha übersetzt und veröffentlicht. Das Buch Die Harfe Gottes wurde von interessierten Afrikanern bei ihren Bibelstudien als Lehrbuch verwendet. Ein unvollständiger Bericht im Jahrbuch 1935 der Zeugen Jehovas zeigt an, daß während des Jahres 1934 in Nord- und Südrhodesien von einer Handvoll Verkündigern 11 759 Bücher und Broschüren verbreitet wurden. Diese Tätigkeit erregte den Zorn der Geistlichkeit der falschen Religion und verschiedener Politiker, die die Glaubenssätze und Verbrechen von Mitgliedern von Eingeborenen-Bewegungen den Vertretern der Gesellschaft zuschrieben und ihnen durch ein Gesetz Schaden zufügen wollten (Ps. 94:20).
‘DURCH VERORDNUNG UNHEIL GESCHMIEDET’
Dieser Schaden sollte durch einen Zusatz zum Strafgesetzbuch von Nordrhodesien angerichtet werden, den der Staatsanwalt Fitzgerald, ein leidenschaftlicher Katholik, am 3. Mai 1935 im gesetzgebenden Rat durchbrachte. Dieses Gesetz wurde als Ordinance 10 of 1935 (Verordnung Nr. 10 des Jahres 1935) bekannt. Es war offensichtlich, daß es gegen die Literatur der Watch Tower Society gerichtet war. Fitzgerald sagte: „Das Gesetz macht den Verkauf oder die Verbreitung aufwieglerischer Zeitungen strafbar, außerdem gibt es bestimmten Beamten das Recht, Postsendungen zu öffnen, um festzustellen, ob sie aufwieglerische Drucksachen enthalten; und schließlich — was die Hauptsache ist — ermächtigt es den Gouverneur, die Einfuhr von Zeitungen, Büchern und Dokumenten durch eine Bekanntmachung zu verbieten.“ Er gab auch zu, daß man aufgrund des Rates anderer gehandelt habe, zweifellos auf Anraten einer Konferenz von Missionaren, die in Victoria Falls stattgefunden hatte. Einige der freiheitlich denkenden Ratsmitglieder stimmten gegen den Gesetzentwurf, doch er wurde dennoch verabschiedet und erwies sich als eine günstige Handhabe für die Feinde. Als 1935 im Kupferminengebiet plötzlich Unruhen ausbrachen, hatten sie genau das, worauf sie gewartet hatten, um gegen Jehovas Zeugen vorzugehen.
Von Anfang an stand fest, daß die Feinde fest entschlossen waren, Jehovas Zeugen zum „Sündenbock“ zu machen. Zur Zeit der Unruhen
gab es in Nord- und Südrhodesien nur 350 Zeugen Jehovas. Vom 10. bis 12. Mai 1935 hielten die afrikanischen Zeugen in Lusaka einen inoffiziellen Kongreß ab, um das Werk in Nordrhodesien mit dem in anderen Ländern in Übereinstimmung zu bringen. Sie besprachen das Predigtwerk und die Notwendigkeit, daß Christen ein reines Leben führen. Die Kriminalpolizei war zweifellos der Meinung, daß diese Zusammenkunft in Lusaka mit den Unruhen im Kupferminengebiet Ende Mai im Zusammenhang stand, und führte in ganz Nord- und Südrhodesien Razzien gegen Jehovas Zeugen durch. Am 5. Juni wurden in Luanshya 6 Zeugen Jehovas verhaftet und 3 Tage gefangengehalten. Darauf entließ man sie, ohne Anklage gegen sie zu erheben. In Ndola verlor ein Krankenpfleger im staatlichen Krankenhaus seinen Arbeitsplatz, weil er ein Zeuge Jehovas war. Die gleiche Behandlung erfuhren Jehovas Zeugen auf Veranlassung von Regierungsbeamten im ganzen Land. Am 1. Juli 1935 schrieb der Zweigaufseher in Kapstadt einen Brief an die Regierung von Nordrhodesien, in dem er Jehovas Zeugen vor all diesen Anklagen in Schutz nahm und die Regierung bat, die nötigen Schritte zu unternehmen, um der Verfolgung der Zeugen Jehovas Einhalt zu gebieten.Die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses, der eingesetzt wurde, um den Unruhen auf den Grund zu gehen, und dessen Ergebnisse in 2 Bänden veröffentlicht wurden, stellte klar, daß nicht ein einziger Zeuge Jehovas an dem Aufstand beteiligt war. J. L. Keith, Bezirkskommissar von Ndola, sagte aus: „Jehovas Zeugen selbst und der Wacht-Turm als eine Organisation hatten keinen Anteil an dem Streik.“
Aus den Beweisen ging eindeutig hervor, daß die Awemba, die zum größten Teil Katholiken waren und Jehovas Zeugen sehr feindselig gegenüberstanden, die Unruhen anzettelten und daß der Anlaß dafür vor allem die Erhöhung der Kopfsteuer war und die Art und Weise, wie diese Erhöhung eingeführt wurde. Der Geschäftsführer der Roan-Antelope-Kupfermine (Luanshya) sagte darüber: „Es hatte den Anschein als ob jeder, den wir nach der Ursache der Unruhen fragten, diese immer wieder auf die Steuererhöhung zurückführte.“
Unmittelbar bevor die Anhörung durch den Untersuchungsausschuß am 8. Juli 1935 begann, erhielt das Zweigbüro der Watch Tower Society in Kapstadt eine Antwort auf seine ständigen Bitten um die Genehmigung, einen weißen Vertreter nach Nordrhodesien zu entsenden. In einem Brief der Regierung von Nordrhodesien vom 24. Juni 1935 hieß es: „Die Regierung ... wird nunmehr keine Einwände gegen irgendeine Maßnahme erheben, die für die bessere Aufsicht und Überwachung Ihrer Anhänger in diesem Lande förderlich sein kann.“ Es wurde beschlossen, Piet de Jager zu entsenden, doch die Regierung von Nordrhodesien erhob Einspruch dagegen und teilte mit, man wolle „ein älteres und erfahreneres Mitglied des Mitarbeiterstabes der Gesellschaft“. Als man die Versicherung gab, daß er nur entsandt werde, um Untersuchungen
anzustellen und einen Bericht vorzulegen, und daß zur gegebenen Zeit dann ein Mann britischer Abstammung eingesetzt würde, stimmte die Regierung zu. Doch da man die Watch Tower Society und Jehovas Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß durch Falschanklage ins Gerede gebracht und weil die Regierung eine Anzahl besonders ausgewählter „Auszüge“ aus einigen unserer Veröffentlichungen vorgelegt hatte, um deren „aufrührerischen Charakter“ zu bezeugen, war beschlossen worden, Bruder de Jager rechtzeitig zu entsenden, um Aussagen im Namen der Gesellschaft zu machen. Er klärte das Gericht über die sogenannten aufrührerischen „Auszüge“ auf, von denen selbst J. L. Keith, ein Regierungsbeamter, zugab, sie seien nicht aufrührerischer als Auszüge aus der Bibel, und dadurch wurde ein ausgezeichnetes Zeugnis gegeben.Der Befund des Ausschusses wurde am 2. Oktober 1935 veröffentlicht. Zusammenfassend hieß es darin: „Der Ausschuß stellt fest, daß die unmittelbare Ursache der Unruhen in Mufulira die plötzliche laute Bekanntgabe der Minenpolizei am Abend war, daß die Steuer auf 15 Shilling erhöht worden sei; außerdem, daß die fälschliche Bekanntmachung über den Erfolg des Streiks in Mufulira zusammen mit der Herausforderung an die Eingeborenen, sie sollten zeigen, daß sie keine alten Weiber seien, die unmittelbare Ursache für die Unruhen in Nkana und Luanshya war.“ Doch die Feinde der Zeugen Jehovas weideten sich an der folgenden Feststellung über die Watch Tower Society: „Der Ausschuß stellt fest, daß die Lehre und die Literatur des Wacht-Turms die Autorität des Staates und der Kirchen und besonders die der Eingeborenenführer verunglimpfen; ferner, daß es sich hierbei um eine gefährliche, aufrührerische Bewegung handelt und daß sie in bedeutendem Maße dazu beigetragen hat, günstige Vorbedingungen für die jüngsten Ausschreitungen zu schaffen.“
Dies war genau das, was die Feinde wollten. Daher nutzte der Gouverneur, Hubert Young, am 4. Oktober 1935 die Ermächtigung aus, die ihm durch die Ordinance 10 of 1935 (Verordnung Nr. 10 des Jahres 1935) gegeben worden war, und verbot eine ganze Liste unserer Bücher, darunter Die Harfe Gottes, das einzige Buch in Njandscha, das unter den Eingeborenen weit verbreitet war, und eine weitere Veröffentlichung, die schon 10 Jahre vergriffen war. Nach und nach wurden alle Broschüren J. F. Rutherfords bis auf zwei verboten.
Der Bericht des Untersuchungsausschusses und das darauf folgende Verbot unserer Literatur wurden in den Zeitungen ausführlich behandelt. Die meisten Berichte enthielten Vorurteile und waren gegen uns gerichtet, doch das Zweigbüro in Kapstadt trat stets für die Wahrheit ein. Ein hervorragendes Zeugnis wurde durch eine Sonderausgabe der in Ndola erscheinenden Zeitung Northern Rhodesia Advertiser vom 16. Oktober 1935 gegeben, in der die Aussagen der Gesellschaft vor dem Untersuchungsausschuß, die schriftlichen Erklärungen und der
Schriftwechsel in vollem Wortlaut abgedruckt waren. In dieser Nummer lud der Herausgeber die Leute ein, sich die verbotenen Bücher in seinem Büro anzusehen: „Ich habe die ganze Sammlung zum Nachschlagen in meinem Büro. Jeder, der darin nachschlagen will, kann sie sich hier ansehen. ... Haben Sie keine Angst. Kommen Sie und sehen Sie, wovon das ganze Gerede handelt, und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.“ Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Berichts des Untersuchungsausschusses erhielt jeder Weiße in Nordrhodesien die Broschüren Regierung und Intoleranz zusammen mit einem Begleitbrief.EIN GEWISSER ERFOLG
Im Northern Rhodesia Advertiser wurde mit folgenden Worten auf eine Inkonsequenz in der Ausübung der Verwaltung Nordrhodesiens hingewiesen: „Ob wir nun mit Jehovas Zeugen übereinstimmen oder nicht, dennoch steht fest, daß in der Ausübung der Verwaltung dieses Landes etwas grundfalsch ist, wenn der Gouverneur von Njassaland diese Bewegung im Jahre 1933 freundlich aufnimmt, wogegen er (derselbe Mann) sie als Gouverneur von Nordrhodesien erst nach langem Zögern einläßt und nach zwei Monaten von diesen Leuten verlangt, das Land ohne jeglichen triftigen Grund zu verlassen, und all das angesichts der Tatsache, daß die Untaten der Angehörigen der sogenannten ‚eingeborenen Watch-Tower-Bewegung‘ darauf zurückzuführen waren, daß die Regierung die Zeugen Jehovas nicht eher in das Land einließ.“
Der Herausgeber der Zeitung bezog sich darauf, daß die Gesellschaft von der Regierung Nordrhodesiens aufgefordert worden war, Bruder de Jager nach zwei Monaten wieder zurückzurufen, „da europäische Bewohner von Ndola offiziell gegen seine Anwesenheit protestiert haben und seine Tätigkeit Unruhe hervorzurufen scheint“. Das Zweigbüro in Kapstadt wies in seiner Antwort darauf hin, daß die Regierung Nordrhodesiens die Genehmigung, einen Europäer zu entsenden, „nach reiflicher Überlegung“ gewährt habe und daß Bruder de Jagers Tätigkeit in Nordrhodesien lediglich der Vorbereitung einer dauernden Überwachung des Werkes dort diene. Dann folgte der Vorschlag, die Gesellschaft könne Llewelyn Phillips als Europäer entsenden, der die dauernde Überwachung des Werkes übernehmen und unverzüglich in Lusaka, das inzwischen die neue Hauptstadt von Nordrhodesien geworden war, ein Literaturdepot eröffnen sollte. Darauf erhielt die Gesellschaft einen Brief, in dem es hieß, „daß die Angelegenheit erwogen wird und Ihnen zu gegebener Zeit eine Entscheidung mitgeteilt werden wird“. Der Zweigaufseher brachte die Angelegenheit noch einmal in einem Brief vom 25. November 1935 zur Sprache, den er an den Außenminister von Nordrhodesien sandte, „um anzufragen, ob ich meine Vorbereitungen, Mr. L. V. Phillips als unseren Vertreter zu entsenden, zum Abschluß bringen kann“. Die Antwort hieß: „Es ist nicht wahrscheinlich, daß Sie innerhalb der nächsten Zeit einen abschließenden Bescheid erhalten werden.“
Unterdessen blieb Bruder de Jager, der ein furchtloser Kämpfer für die Wahrheit war, in Ndola und bot am 21. Oktober 1935 dem Herausgeber der Zeitung des Ortes zwei der verbotenen Bücher an, um herauszufinden, ob das Gesetz über das Verbot unserer Literatur noch Gültigkeit habe. Darauf wurde er der Übertretung der Verordnung angeklagt und vom Friedensrichter von Ndola schuldig befunden und zu 2 Pfund Geldstrafe verurteilt. Er legte beim Hohen Gerichtshof von Nordrhodesien Berufung ein.
Während sein Berufungsverfahren noch in der Schwebe war, wurde die Frage bezüglich der Zeugen Jehovas und der Wachtturm-Gesellschaft im Unterhaus in England aufgeworfen, als Mr. Thurtle die Regierung aufforderte, „zuzusichern, daß Jehovas Zeugen und die Anhänger der Watch-Tower-Bewegung in Nordrhodesien eine gerechte Behandlung erfahren werden“. Der Kolonialminister, J. H. Thomas, „gab bekannt, er berate sich mit dem Gouverneur von Nordrhodesien darüber, welcher Strategie zu folgen sei“.
Das Zweigbüro in Kapstadt reagierte darauf unverzüglich, indem es folgendes Telegramm an den Kolonialminister sandte: „Erbitten höflichst Gelegenheit zur Vorlage von Darstellung über unser Werk in Nordrhodesien, bevor Entscheidung über künftige Linie getroffen wird. Schreiben per Luftpost.“ Am selben Tag ging ein langer Brief an ihn ab, der genaue Einzelheiten der Verschwörung enthielt, die sich die Unterdrückung unseres Werkes in Nordrhodesien zum Ziel gesetzt hatte, angefangen mit den Konferenzen der Missionare wegen der Vorfälle um Mwana Lesa und der Unruhen im Kupferminengebiet bis zu einer Schilderung des Kampfes, einen europäischen Vertreter zu senden, der das Werk leiten und aufrichtigen Afrikanern helfen könnte. Es war auch von der Verfolgung die Rede, die afrikanische Zeugen über sich ergehen lassen mußten. Dann kam folgender Appell: „Sir, ich appelliere an Sie, Schritte zur Beendigung der ungerechten Diskriminierung der Zeugen Jehovas in Nordrhodesien zu unternehmen, das Verbot der Literatur aufzuheben und dafür zu sorgen, daß unseren wahren Anhängern gestattet wird, ihr von Gott gegebenes Recht auszuüben, Jehova Gott gemäß ihrem Gewissen ohne Beeinträchtigung anzubeten.“
Dies erzielte die gewünschten Ergebnisse, denn der Zweigaufseher in Kapstadt erhielt im März 1936 einen Brief der Regierung von Nordrhodesien, in dem es hieß: „Ich bin angewiesen, ... Sie freundlich dazu aufzufordern, L. V. Phillips als Ihren Vertreter anstelle von P. J. de Jager zu entsenden, um in Lusaka ein Depot einzurichten. ... Des weiteren beziehe ich mich auf Ihren Brief vom 11. Dezember an den Kolonialminister und teile Ihnen mit, daß der Minister die darin angesprochenen Fragen sorgfältig geprüft hat. Seine Exzellenz der Gouverneur hat bereits befohlen, einen europäischen Vertreter in Nordrhodesien zuzulassen, und der Minister hat diesen Vorschlag nunmehr gebilligt.“ Welch ein Sieg nach einem langen Kampf!
EIN ANDERER KAMPF WIRD FORTGESETZT
Doch der Kampf um Religionsfreiheit war bei weitem noch nicht vorbei, denn unsere Literatur war immer noch verboten, und das Berufungsverfahren war noch in der Schwebe. Am 20. Mai 1936 wurde der Fall vor dem Hohen Gerichtshof verhandelt, und am 18. Juni wurde das Urteil verkündet. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Bruder de Jager bat unverzüglich um Genehmigung, beim Staatsrat in London (der höchsten Berufungsinstanz für das britische Weltreich) Berufung einzulegen. Diese Genehmigung wurde ihm am 15. September 1936 vom Hohen Gerichtshof von Rhodesien verweigert. Die Gesellschaft aber ließ nichts unversucht in diesem Kampf um Religionsfreiheit. Man bemühte einen Rechtsanwalt in London, der mit dem Rechtsanwalt der Gesellschaft in Nordrhodesien zusammenarbeiten und versuchen sollte, den Fall vor den Staatsrat zu bringen. Das Richterkomitee des Staatsrats in London weigerte sich aber, den Fall anzuhören.
Im Januar 1936 wurde ein besonderer Brief des Präsidenten der Gesellschaft, J. F. Rutherford, der an die Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung Südrhodesiens gerichtet war, auch an die Mitglieder des gesetzgebenden Rates, den Gouverneur und die Zeitungen Nordrhodesiens versandt.
Im Jahre 1936 waren Jehovas Zeugen in der Republik Südafrika mit der Verbreitung von 50 000 Exemplaren des Goldenen Zeitalters Nr. 425 sehr beschäftigt. In Nord- und Südrhodesien wurden 20 000 Exemplare einer besonderen Veröffentlichung desselben Inhalts verbreitet. Darin wurden Tatsachen unterbreitet, die die Unschuld der Zeugen Jehovas in Nordrhodesien bewiesen. Darunter war auch ein Brief des Präsidenten der Gesellschaft, in dem er drastische Worte an Alison Russell, den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, richtete, nachdem der Bericht des Ausschusses veröffentlicht worden war. Die Öffentlichkeit wurde also vollständig über das informiert, was die Feinde zur Unterdrückung der Wahrheit unternommen hatten.
EIN WEITERES WERK WIRD IN ANGRIFF GENOMMEN
Endlich waren die Bemühungen der Gesellschaft, in Nordrhodesien ein Literaturlager einzurichten, mit Erfolg gekrönt! Am 16. Juli 1936 wurde das Depot in Lusaka genau gegenüber der Polizeiwache eröffnet; Bruder Llewelyn Phillips wurde zum Depotdiener ernannt. Doch es war noch ein gewaltiges Werk zu tun. Die Organisation mußte von unerwünschten Elementen rein gehalten werden, die es wegen des Einflusses der eingeborenen „Watchtower-Bewegungen“ und wegen des Mangels an Aufsicht gab; außerdem mußten diejenigen, die aufrichtig waren, in gesunder biblischer Lehre unterwiesen und das Werk mußte auf einer geeigneten Grundlage organisiert werden.
Als erstes besuchte Bruder Llewelyn Phillips viele der Hauptzentren. Dort traf er sich nach Absprache mit Regierungsbeamten mit vielen
derjenigen, die mit der Watch Tower Society in Verbindung zu stehen behaupteten. Wie war die Lage? Er erzählt: „Es wurde ganz deutlich, daß die allermeisten wie die Menschen in Ninive zur Zeit Jonas waren, ‘die nicht einmal den Unterschied zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken kannten’. Viele waren aufrichtig; einige der stolzeren hatten das Gefühl, die Gesellschaft biete ein Maß an Selbständigkeit, das von keiner anderen religiösen Organisation erreicht werde. Andere waren, wie Judas es ausdrückte, ‘gottlose Menschen, die die unverdiente Güte unseres Herrn zu einer Entschuldigung für Zügellosigkeit verkehrten’ (einige hatten Gemeinschaftsfrauen, was sie ,die Feuertaufe‘ nannten!).“Außer der Verwirrung, die durch die „Watchtower-Bewegungen“ der Eingeborenen hervorgerufen wurde, bestand noch das Problem, daß es wegen des Verbotes keine Literatur gab; zudem konnten die meisten Brüder nicht lesen und schreiben. Es herrschten noch viele unbiblische Stammessitten vor. Die Frauen saßen beispielsweise während der Zusammenkünfte getrennt von den Männern. Ein Afrikaner sieht seine Frau als die Mutter seiner Kinder, als Köchin, Gärtnerin, Lastenträgerin und Miterbauerin seines Hauses an. Selten wird sie, wenn überhaupt, als wirklicher Gefährte oder als „sein Gegenstück“ angesehen (1. Mose 2:18).
Darüber hinaus hatten die meisten Brüder Schwierigkeiten, die Wahrheiten, die sie lernten, mit dem praktischen Leben in Verbindung zu bringen. Die Brüder hatten unsere Literatur gelesen und wußten, daß das Königreich im Jahre 1914 in den Himmeln aufgerichtet worden war. Wenn man sie aber fragte, wie lange das her sei, hatten sie keine Ahnung. Viele wußten, daß die weltlichen Regierungen unter der Herrschaft Satans stehen, doch sie verstanden nicht, wie sie sich diesen Regierungen gegenüber richtig verhalten sollten. Da sie in kleinen, abgelegenen Urwalddörfern wohnten und wenig oder gar keinen Umgang mit Menschen außerhalb hatten, gingen viele Dinge, von denen in den Veröffentlichungen der Gesellschaft die Rede war, über ihr Begriffsvermögen. Der einzige Kontakt, den viele Dorfbewohner beispielsweise mit der Regierung hatten, war der mit dem örtlichen Bezirkskommissar und ihrem Eingeborenenrichter. Der einzige Kontakt, den sie mit der Religion gehabt haben mögen, war vielleicht der durch die Missionsschule am Ort, und alles, was sie außer ihrem eigenen Tauschhandel vom Geschäftsleben kannten, war der Krämerladen im Dorf. Wenn also in den Veröffentlichungen der Gesellschaft von Religion, Politik und Handel gesagt wurde, sie seien mächtige Kräfte in der Welt, kamen diesen Brüdern die Missionsschule, der Bezirkskommissar und der Krämerladen in den Sinn.
Die Zahl derjenigen, die wirklich Verkündiger des Königreiches waren, mußte neu festgestellt werden, da viele zwar sehr willig waren, aber wegen ihres mangelnden Verständnisses und ihrer Lebensweise
nicht den biblischen Anforderungen für die Teilnahme am Werk entsprachen. Gemäß dem ersten Bericht über ein volles Dienstjahr nach Errichtung des Literaturdepots waren 1937 jeden Monat durchschnittlich 756 Verkündiger tätig. Die Höchstzahl war 1 081. Die Brüder wurden von Pionieren besucht, die als Bezirksdiener tätig waren und zuerst am Ort des Literaturlagers eine Schulung in Lehrpunkten, sittlichen und organisatorischen Angelegenheiten erhalten hatten.Die Brüder, die diese Besuche durchführten, mußten eine starke Liebe zu Jehova haben, wenn sie in ihrer Zuteilung bleiben wollten, denn sie mußten viele Entbehrungen auf sich nehmen. Einige Dörfer waren über 1 500 Kilometer von der Eisenbahnlinie entfernt; es gab nur eine einzige Eisenbahnlinie quer durch das Land, und außer dem Abzweig in das Kupferminengebiet existierte keine weitere Seitenlinie. Die Brüder mußten meistens mit dem Fahrrad reisen oder Hunderte von Kilometern durch ausgetrocknete, heiße und gefährliche Gegenden zu Fuß gehen, um die verstreuten Gruppen von Interessierten zu erreichen. Darüber hinaus brauchten sie sehr viel Geduld und Liebe, um neue Versammlungen in Gang zu bringen. Bisweilen mußten sie wenigstens zwei Monate bei einer neuen Versammlung bleiben, bevor die Organisation auch nur einigermaßen funktionierte. Sie mußten gegen die Neigung einiger Verkündiger ankämpfen, die „Häuptling“ im Werke des Herrn sein wollten und die Vorkehrung der Gesellschaft nur widerwillig annahmen. Doch die harte Arbeit der Brüder wurde gesegnet, denn 1939 war die durchschnittliche Zahl der Verkündiger auf 1 191 und die der Pioniere auf 7 gestiegen. Im Jahre 1940 wurde eine Höchstzahl von 2 378 erreicht, und 88 Versammlungen waren funktionsfähig.
EINE STÄRKERE ORGANISATION IN SÜDAFRIKA
Während sich der Kampf im Norden abspielte, gewannen die afrikanischen Brüder in Johannesburg den in viel kleinerem Ausmaß geführten Kampf gegen den dortigen schlechten Einfluß der „Watchtower-Bewegung“.
Auch im Zweigbüro in Kapstadt hatte es Änderungen gegeben. Im März 1933 sorgte die Gesellschaft dafür, daß das Zweigbüro für Südafrika in größere Räumlichkeiten in Kapstadt umziehen konnte. Es waren zwei Büroräume im 5. Obergeschoß eines großen Bürogebäudes, Boston House 623, und der Lagerraum im Keller eines Hauses in der Nachbarschaft, Progress Chambers an der Progress Lane, den man für die kleine Druckpresse sowie als Literaturlager und als Versandabteilung verwendete. Die wenigen Druckereiarbeiten, die damals verrichtet werden mußten, erledigte Bruder Phillips zusammen mit einem Bruder in Kapstadt. Die neuen Räumlichkeiten lagen zentraler und waren geräumiger; für beinahe 20 Jahre sollten sie der Mittelpunkt der theokratischen Organisation im südlichen Afrika sein.
Zwei Jahre darauf, im Jahre 1935, sandte Bruder Rutherford einen im Drucken erfahrenen Bruder ins Zweigbüro in Kapstadt, damit er beim Drucken behilflich sei. Es war Andrew Jack, der nicht nur ein guter Drucker war, sondern auch in den Ostseestaaten Litauen, Lettland und Estland im Vollzeitdienst gestanden hatte. Als das Werk dort verboten wurde, wies man ihn aus, und er kehrte in sein Heimatland Schottland zurück. Kurz nach seiner Ankunft in Südafrika ließ Andrew Jack mehr Lettern und noch andere Ausrüstung zum Drucken kaufen, und innerhalb kurzer Zeit lief ihre kleine Einmannfabrik mit einer Maschine auf vollen Touren. Die erste automatische Druckpresse wurde 1937 aufgestellt. Sie hat während der letzten 33 Jahre Millionen Handzettel und Formulare gedruckt und läuft heute noch immer gut im Zweigbüro in Elandsfontein.
ERFOLGREICHER TONDIENST
Die Grammophone mit Bruder Rutherfords kraftvollen Ansprachen leisteten im Predigtdienst Erstaunliches. Sie wurden entweder von der Versammlung eingesetzt oder in Tonwagen der Gesellschaft. Die Versammlung Pretoria zum Beispiel hatte sich die Genehmigung eingeholt, die Ansprachen jeden Sonntagabend auf dem Kirchplatz, genau im Zentrum der Stadt, zu übertragen. Nach einiger Zeit gingen Beschwerden beim Stadtrat ein, und die Brüder mußten das Grammophon vom Platz entfernen. Das Problem war aber bald gelöst. Bruder Smit hatte einen Freund, der in einer Wohnung mit Fenstern zum Platz wohnte, und aus einem offenen Fenster seiner Wohnung wurde das Sonntagabend-Programm ohne Behinderung fortgesetzt.
Mitte der 1930er Jahre fuhr Robert Nisbet einen der Tonwagen der Gesellschaft. Er setzte ihn hauptsächlich bei den Afrikanern im nahe gelegenen Zululand ein, einem großen Gebiet im Norden Natals, das schon seit vielen Jahren die Heimat des Zuluvolkes ist. Besonders in den Zuckermühlen und den Kohlenbergwerken von Nord-Natal versammelten sich die Afrikaner in großer Zahl, um die Musik und die Ansprachen zu hören, die im Tonwagen abgespielt wurden. Auf diese Weise konnten große Mengen Literatur abgegeben werden. Als später das Buch Reichtum angeboten wurde, nannte man Bruder Nisbets Wohnwagen sogar „Imoto Yobucebi“ („Der Reichtum-Wagen“).
Im Jahre 1935 waren die Brüder in allen Ländern begeistert von dem neuen Licht über die „große Volksmenge“ aus Offenbarung 7, und diejenigen, die nicht zu den Gesalbten gehörten, waren außer sich vor Freude über die Aussieht, ewig in Glück auf Erden leben zu können. Da man von dieser Zeit an ein besseres Verständnis über die Klasse der „anderen Schafe“ hatte und der „großen Volksmenge“ größere Aufmerksamkeit schenkte, nahm diese Gruppe an Zahl bald zu (Joh. 10:16; Offb. 7:9).
Die Pionierschwester Iris Tutty hatte das Vorrecht, in Verbindung mit einem der Tonwagen zu dienen, als sie in dem als Reef bekannten Bergwerksgebiet tätig war. Sie beschreibt den Tonwagen folgendermaßen: „Er sah sehr schön aus, war schwarz und auf Hochglanz poliert, und oben auf dem Dach befand sich ein Lautsprecher. An beiden Seiten konnte man die Worte lesen: ,Die Botschaft vom Königreich — diene Gott und dem König Jesus Christus‘, und auf der Hecktür war ein Plakat zur Ankündigung der neuesten Ansprache von J. F. Rutherford angebracht. In ganz Johannesburg und im Reef-Gebiet wurde das Auto allgemein als der ,Bibelwagen‘ bekannt.“ Eine Anzahl Versammlungen im Reef-Gebiet hatte einen Zeitplan für den Einsatz dieses Tonwagens ausgearbeitet. An den Wochenenden war dieser Zeitplan sehr ausgefüllt, da man einen großen Bereich mit dem Tonwagen bediente, wobei Aufnahmen von Vorträgen an vielen verschiedenen Orten abgespielt wurden, u. a. in Jugendheimen, Krankenhäusern, auf Marktplätzen und auf den Stufen des Rathauses von Johannesburg.
Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, als die politischen Spannungen zunahmen, wurde am Rathaus einmal der Vortrag „Faschismus oder Freiheit“ abgespielt. An jenem Abend war die Zuhörerschaft besonders groß. Im Laufe des Vortrages kam es zu Rufen und Schreien. Die Verkündiger wurden mit Flaschen und Tomaten beworfen. Die wütende Menge wollte gerade die Übertragungsausrüstung zerstören, als plötzlich die Polizei eintraf. Mit Schlagstöcken räumte sie das ganze Gebiet, bildete eine Absperrkette um die Brüder und half ihnen dann, einzupacken und aus der Gefahrenzone herauszukommen. Die Brüder waren Jehova für seinen Schutz sehr dankbar.
Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Tonwagen in jenen Tagen eine ausgezeichnete Arbeit leisteten. Sie gelangten in alle Teile des Landes und erreichten mit den starken Lautsprechern viele Menschen. Im Jahre 1937 waren 5 Tonwagen ständig unterwegs; in jedem Wagen fuhren 2 Pioniere. Darüber hinaus waren 12 große Lautsprecheranlagen in verschiedenen Teilen des Landes in Betrieb. Im selben Jahr begann man nach einem besonderen Aufruf Bruder Rutherfords, tragbare Grammophone in größerem Umfang einzusetzen. Das Zweigbüro in Kapstadt hatte viel Arbeit mit dem Aufzeichnen von Vorträgen in Afrikaans, Njandscha, Sesotho, Xosa und Zulu.
Im Jahre 1938 hatte die Gesellschaft bereits Literatur in 30 Sprachen auf Lager; in 80 Orten waren Versammlungen. In den hauptsächlichen Veröffentlichungen jener Zeit, wie dem Buch Reichtum, der Broschüre Aufgedeckt und anderen, wurde offen gegen die katholische Hierarchie gesprochen, und diese religiösen Führer machten sich langsam Sorgen. In ihren Zeitungen warnten sie die Menschen vor den Flugschriften und Broschüren Richter Rutherfords, die das Land überschwemmten. In der katholischen Presse wurde vorgeschlagen, man solle Jehovas Zeugen
keine Säle mehr zur Verfügung stellen, damit sie keine öffentlichen Zusammenkünfte mehr abhalten könnten.DIE PIONIERE HALTEN DURCH
Im Jahre 1938 gab es in Südafrika insgesamt 30 Pioniere, unter denen, wie bereits erwähnt, Iris Tutty aus Johannesburg war. Einmal mußte sie eine lange Treppe hinaufsteigen, um an einer Tür vorzusprechen. Als sie oben anlangte, riß eine Frau die Tür auf. Ihr Gesicht war rot vor Wut; sie beschimpfte die Schwester lauthals und stieß sie die Treppe hinunter, worauf sie die Tür zuschlug. Während Schwester Tutty sich vom Boden erhob und ihre verstreut umherliegenden Sachen aufhob, wollte sie am liebsten weinen, kam aber zu dem Schluß, es sei besser zu beten. Es traf sich, daß das Ehepaar an der nächsten Tür die Freundlichkeit in Person war. Sie setzten Schwester Tutty eine Tasse Tee vor und sagten, sie seien tief erschüttert über das, was im Nachbarhaus vorgefallen sei, besonders weil dies die Frau des Geistlichen gewesen sei. Es wurde ein sehr erfolgreicher Besuch, und im Laufe der Zeit ließ sich dieses Ehepaar taufen.
Die Pioniere und die anderen Verkündiger stellten fest, daß die Bergwerke im Reef ein sehr ergiebiges Gebiet zum Abgeben von Literatur waren. Regelmäßig standen sie an den Schachtausgängen und boten die Literatur an, wenn die Bergleute — Weiße und Schwarze — nach der Schicht hochkamen. Die Grubenlampen an den Helmen der Männer brannten noch, und der nasse Schlamm der unterirdischen Stollen klebte noch an ihrer Kleidung. Die afrikanischen Bergleute waren sehr daran interessiert, Literatur in ihrer Sprache zu erhalten, und manchmal wartete eine ganze Schlange von Männern, bis sie an der Reihe waren, ihre Literatur von den Pionieren zu erhalten. Sie waren sehr an Bibeln und Büchern interessiert, die sie ihrer Familie nach Hause schickten. Jahre später hatte Schwester Tutty ein freudiges Erlebnis, als sie in Johannesburg eine kleine Gruppe Afrikaner traf, die sie wiedererkannten. Einer sagte mit einem breiten Lächeln: „Du mich kennen? Ich kaufen Bibel, und jetzt ich gehen in Bibelversammlung.“
KONFRONTATION MIT DEN GEISTLICHEN
Ende der 1930er Jahre faßte die Königreichsbotschaft in einer sehr konservativen Gemeinde im Osten der Kapprovinz Fuß, und zwar in der Nähe von King William’s Town, 60 Kilometer nordwestlich von East London. Die meisten Bauern und Ortsbewohner in dieser Gegend waren Deutschstämmige, die sich dort um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum niedergelassen hatten. Darum waren die meisten in jener Gegend evangelisch. Ein gewisser Mister Kieck, der gerade am Haus eines evangelischen Geistlichen Arbeiten verrichtete, nahm Literatur von einem Königreichsverkündiger entgegen. Mr. Kieck gefielen die
Bücher, und er bestellte weitere; bald darauf verbreitete er die Botschaft unter seinen Verwandten und Bekannten. Fast alle dachten, er sei verrückt geworden. Doch nach einer Weile zeigten sich einige seiner Verwandten interessiert. Im Jahre 1938 verabredeten diese eine öffentliche Debatte zwischen dreien ihrer evangelischen Geistlichen und Mr. Kieck, bei der einige hundert Kirchenmitglieder anwesend waren. Während der Diskussion zog Mr. Kieck eine deutsche Bibel hervor, die unter dem Hitlerregime verwendet wurde, in der einige Psalmen und mehrere andere Verse fehlten. Dadurch wurden die Geistlichen in eine recht peinliche Lage gebracht; doch das war nichts im Vergleich zu ihren Wutausbrüchen, als ihnen kraftvolle Worte aus der Bibel vorgelesen wurden. Einmal warf einer der Geistlichen die Bücher der Gesellschaft regelrecht auf den Tisch und sagte: „Diese verdammten Bücher!“ Das Ergebnis war, daß sechs Kirchenmitglieder, die bereits interessiert waren, davon überzeugt wurden, daß dies die Wahrheit war, und sich auf die Seite Jehovas stellten.Dazu gab es ein sehr interessantes Nachspiel. Im Jahre 1938 verbot der Innenminister der Republik Südafrika die Einfuhr des Buches Reichtum sowie mehrerer Broschüren mit der Begründung, sie seien „anstößig“, und dies, obwohl im März 1938 das höchste Gericht Südafrikas in Bloemfontein entschieden hatte, die Literatur der Gesellschaft sei nicht aufrührerisch und offenbare keine umstürzlerischen Absichten. Dabei muß man im Sinn behalten, daß das Buch Reichtum und andere Veröffentlichungen deutlich die stillschweigende Übereinstimmung der Faschisten, der Nazis und der katholischen Kirche zeigten. Später stellte sich heraus, daß einige evangelische Geistliche für das Verbot der Literatur durch die Regierung gesorgt hatten. Doch kurz darauf wurden diese Geistlichen in Gefangenenlager gebracht, da deutlich geworden war, daß sie während des Zweiten Weltkrieges den Nationalsozialismus im Lande verbreitet hatten.
Die Gesellschaft wandte sich an den Innenminister und protestierte gegen das Verbot der Veröffentlichungen; er aber machte die Entscheidung nicht rückgängig, noch gab er irgendeine Erklärung dazu oder ließ eine Berufung vor Gericht zu. Darum veröffentlichte das Zweigbüro in Kapstadt ein großes vierseitiges Faltblatt mit dem Titel „Ein Protest“. Die fettgedruckten Überschriften hießen: „Religiöse Intoleranz in Südafrika — Bibelstudienhilfsmittel ,Reichtum‘ verboten“. Das Flugblatt enthielt überzeugende Beweise, daß deutschstämmige evangelische Geistliche aus dem Osten der Kapprovinz das Verbot herbeigeführt hatten und daß das Buch Reichtum im Juni 1938 auf der Liste der wegen Obszönität und Brutalität verbotenen Veröffentlichungen stand. Das Flugblatt wurde in englischer Sprache und in Afrikaans veröffentlicht und im ganzen Land verbreitet. Viele Bestellungen auf das Buch Reichtum gingen daraufhin ein.
EINFÜHRUNG DES ZONENDIENSTES
Im selben Jahr — 1938 — wurde der Zonendienst organisiert. Das bedeutete, daß reisende Vertreter der Gesellschaft die Versammlungen und alleinstehende Verkündiger besuchten, sie unterwiesen und ermunterten.
Einer der ersten Zonendiener in Südafrika war Frank Taylor, dessen Frau Christine gerade aus England eingetroffen war. Christine empfand die Tätigkeit unter den Afrikanern fremdartig, aber interessant. Ihr Ehemann erzählt, er werde den Ausdruck auf ihrem Gesicht nie vergessen, als sie bei einer Zulufrau, die nur Perlen und einen Rock angehabt habe, ihre erste Broschüre abgegeben habe. Den Beitrag für die Broschüre, ein Dreipennystück, habe die Frau aus ihrem wolligen Haar gezogen.
Frank und Christine Taylor kamen kurz nach der Einführung des Zonendienstes nach East London, wo sie die schöne Aufgabe hatten, die kleine Gruppe interessierter Familien, zu denen die Kiecks, die Horrmanns und die Schanknechts gehörten, zu organisieren. Diese hatten sich von der deutschen evangelischen Kirche in King William’s Town abgewendet. Im Laufe der Zeit wurde aus diesen Neuen die aus Weißen bestehende Versammlung East London gegründet. Die meisten sind heute noch am Leben und tätige Verkündiger.
DAS KÖNIGREICHSWERK GEWINNT AN STOSSKRAFT
Im Januar 1939 machte das Zweigbüro in Südafrika einen weiteren Schritt vorwärts, denn die Zeitschrift Trost wurde zum erstenmal in Afrikaans veröffentlicht. Piet de Jager, der bis dahin die Bücher der Gesellschaft nebenher im Pionierdienst in Afrikaans übersetzt hatte, wurde nun ins Bethel gerufen, um als Vollzeitübersetzer für Afrikaans zu dienen.
Das bedeutete für Andrew Jack in seiner kleinen Druckerei im Zweigbüro mehr Arbeit, denn der Text mußte von Hand gesetzt werden. Dies war die erste Zeitschrift, die die Gesellschaft in Südafrika druckte. Bis zu dieser Zeit gab es noch keine Zeitschriften in den Sprachen der afrikanischen Eingeborenen.
Das Königreichswerk im Süden Afrikas machte jetzt wirklich schnelle Fortschritte. In der Republik Südafrika gab es 1939 eine neue Höchstzahl von 555 Verkündigern. Hervorzuheben ist, daß von diesen lediglich 180 Mischlinge oder Afrikaner waren. Durchschnittlich waren in Südafrika 439 Verkündiger tätig, in Südrhodesien 473, in Nordrhodesien 1 198, in Njassaland 1 041, in Portugiesisch-Ostafrika 17 und auf St. Helena 11. Insgesamt gab es 3 179 Verkündiger in dem Gebiet, das dem Zweigbüro in Kapstadt unterstand, und in jenem Jahr widmeten sie dem Predigtwerk 1 042 078 Stunden. Das zeigt deutlich, daß von 1935 an, als man das Verständnis über die „große Volksmenge“ erhielt, die Zunahme viel stärker war.
KRIEG SPORNT KÖNIGREICHSVERKÜNDIGER ZUR TÄTIGKEIT AN
Als Hitler im September 1939 seinen Blitzkrieg gegen Polen begann, wurde die Welt wie nie zuvor in eine Zeit der Gewalttat und des Leidens gestürzt. Während der Krieg der Nationalsozialisten und Faschisten Land um Land verzehrte, erlitt das Königreichswerk in Europa schwere Rückschläge. Unter dem neuen Premierminister Jan Smuts nahm Südafrika an den Kämpfen gegen Deutschland teil; viele Südafrikaner waren am Kriegsgeschehen in Nordafrika und in Italien beteiligt.
Südafrika war weit vom Hauptgeschehen des Krieges entfernt und litt daher nicht soviel unter dem Krieg wie andere Länder. Nach einiger Zeit waren manche Lebensmittel knapp, und es gab andere Einschränkungen, doch das Königreichswerk im Süden Afrikas trat 1940 in eine Zeit des Wachstums und der Ausdehnung ein, wie es sie nie zuvor gegeben hatte. Die Selbstgefälligkeit vieler Leute wurde durch die schrecklichen Kriegsereignisse erschüttert, und viele dachten über die Erfüllung biblischer Prophetie nach.
Inzwischen hatte die Zeitschrift Trost in Afrikaans großen Erfolg. Darum beschloß das Zweigbüro der Watch Tower Society in Kapstadt, es sei an der Zeit, die Zeitschrift Der Wachtturm in Afrikaans herauszugeben. Im Januar 1940 wurde im Informator (später Königreichsdienst genannt) eine neue Tätigkeit mit den Zeitschriften beschrieben: auf der Straße, von Haus zu Haus und bei Zeitschriftenrouten. Daß eine größere Anzahl Zeitschriften gebraucht wurde, stand fest. Man installierte eine Linotype-Setzmaschine und eine Papierfalzmaschine. Außerdem rief man einen Bruder aus Durban, der Drucker war, ins Bethel, damit er Bruder Jack in der kleinen Druckereiabteilung helfen sollte. Demzufolge wurde Die Wagtoring (Der Wachtturm in Afrikaans) vom 1. Juni 1940 an im Zweigbüro in Kapstadt hergestellt.
Die erste Ausgabe kam genau zur richtigen Zeit, was offensichtlich Jehovas Leitung zeigte. In den ersten Monaten des Jahres 1940 tat sich auf dem Kriegsschauplatz in Europa sehr wenig, doch dann begannen plötzlich die Panzerdivisionen Hitlers ihren Angriff auf Westeuropa. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die afrikaans sprechenden Brüder in Südafrika auf die holländische Ausgabe des Wachtturms aus den Niederlanden angewiesen. Doch im Mai mußte das Zweigbüro der Gesellschaft dort plötzlich geschlossen werden, und die Lieferungen hörten auf. Die Brüder in Kapstadt wußten nicht, daß es dazu kommen würde; doch genau in dem Augenblick, als die holländischen Exemplare des Wachtturms nicht mehr eintrafen, füllte der neue Wachtturm in Afrikaans die Lücke.
Die Brüder begannen freudig und begeistert, die Zeitschriften zu verbreiten, so daß pro Monat bald 17 000 Zeitschriften abgegeben wurden. Genau wie in anderen Ländern, in denen das Werk nicht im Untergrund durchgeführt werden mußte, sah man bald Zeitschriftentaschen
auf den Straßen und hörte Verkündiger, die einzelne Artikel ausriefen.Am Schluß des Dienstjahres 1940 konnte Bruder Phillips vom Büro in Kapstadt Bruder Rutherford von einer außergewöhnlichen Zunahme an Verkündigern berichten. Die neue Höchstzahl für Südafrika hieß 881 Verkündiger bei einem Durchschnitt von 656 — eine Zunahme von 50 Prozent gegenüber dem Durchschnitt des Vorjahres. Der Krieg hatte die Königreichsverkündiger in Südafrika wirklich zur Arbeit angespornt.
KATHOLISCHER HASS FÜHRT ZUM VERBOT
Die wichtigste Veröffentlichung der katholischen Kirche in Südafrika, Southern Cross, enthielt in ihrer Ausgabe vom 2. Oktober 1940 einen Leitartikel, in dem auf die Ereignisse in Kanada hingewiesen wurde (wo im Juli 1940 das Königreichswerk vollständig verboten worden war), und dann wurde folgende böswillige Äußerung gemacht: „Die Tätigkeit der Zeugen Jehovas, die die Loyalität gegenüber der Autorität des Staates sowie der Kirche verwerfen, ist in einem Land wie Südafrika mit seiner riesigen Eingeborenenbevölkerung sogar noch gefährlicher. Die Regierung sollte der Verbreitung ihrer Propaganda auf der Stelle ein Ende bereiten.“ Unmittelbar darauf wurden die Abonnementsexemplare der Zeitschriften Der Wachtturm und Trost von der Zensur beschlagnahmt. Als das Zweigbüro in einem Brief anfragte, weshalb, weigerte sich die Behörde, irgendwelche Begründungen zu geben.
Da bekannt war, daß die katholische Kirche hinter alldem stand, verfaßte man als Antwort auf den Angriff in der katholischen Zeitung Southern Cross eine besondere Ausgabe der Königreichs-Nachrichten und verbreitete 200 000 Exemplare davon innerhalb kurzer Zeit in ganz Südafrika. Darauf wurde eine Erklärung verfaßt, in der Angaben über Jehovas Zeugen und ihre Tätigkeit gemacht wurden. Exemplare dieser Erklärung wurden an alle Parlamentsabgeordneten, an alle Richter sowie an die Presse versandt. Den Briefen an die Abgeordneten und an die Richter wurden auch Exemplare eines Artikels des Wachtturms (engl.) vom 1. November 1939 über die christliche Neutralität beigefügt. Einige Zeit darauf erhielt die Polizei Anweisung, alle Exemplare dieses Wachtturm-Artikels zu beschlagnahmen. Man legte beim Premierminister Berufung ein und erhielt eine Antwort vom Leiter der Zensurbehörde, in der es u. a. hieß: „Wenn Sie auch mit den besten Absichten gehandelt haben mögen und noch handeln, kann doch nicht zugelassen werden, daß Sie die Maßnahmen der Regierung für die erfolgreiche Kriegführung vereiteln. Wenn die Gesellschaft in ihren Bemühungen jeden in diesem Lande zu dieser Ansicht zu bekehren, Erfolg hätte, würde dem Feind kein aktiver Widerstand mehr entgegengebracht werden. Es ist daher schwer einzusehen, wie Sie von der Regierung
erwarten können, daß sie ruhig zusieht und nichts gegen Sie unternimmt.“Als nächstes arbeitete das Zweigbüro eine Petition aus, die an die Regierung gerichtet war. Darin wurde Einspruch gegen die Beschlagnahme der Veröffentlichungen der Gesellschaft erhoben und die Regierung respektvoll gebeten, diese christliche Literatur freizugeben und damit die Religionsfreiheit im Lande wiederherzustellen. In der kurzen Zeit von 10 Tagen sammelte man 50 000 Unterschriften von Weißen aus dem ganzen Land. Um dieselbe Zeit herum wurde offiziell bekanntgegeben, Der Wachtturm und Trost seien von der Regierung verboten worden.
Daraufhin beschlagnahmte die Regierung ganze Sendungen von Zeitschriften, sobald sie eintrafen. Schon bald wurde deutlich, daß ein generelles Verbot der Einfuhr der Literatur der Watch Tower Society erlassen worden war. Die erste Broschüre, die beschlagnahmt wurde, hatte den Titel Theokratie. Kurz nacheinander wurden 6 oder 7 Literaturlieferungen ebenso beschlagnahmt. Als Begründung wurde angegeben, die Veröffentlichungen würden als „anstößig“ betrachtet.
All dies war auf den Einfluß der katholischen Kirche und auf die besondere Situation während des Krieges zurückzuführen, denn viele der verbotenen Veröffentlichungen durften jahrelang ohne jede Schwierigkeit ins Land eingeführt werden. Das Zweigbüro unternahm Schritte, um die beschlagnahmte Literatur wiederzubekommen, und dies führte zu einer Gerichtsverhandlung. Der Fall wurde vor dem Obersten Gerichtshof in Kapstadt verhandelt. Die Umstände schienen eindeutig gegen die Watch Tower Society zu sprechen, doch die Brüder, die der Verhandlung beiwohnten, waren begeistert zu sehen, daß der Richter eine unparteiische Haltung einnahm und entschied, der für das Verbot verantwortliche Minister solle Gründe für seine Handlungsweise angeben und auch der Gesellschaft Gelegenheit einräumen, in einem persönlichen Gespräch ihren Standpunkt darzulegen.
Der Rechtskampf zog sich einige Zeit hin. Erst nach einem vollen Jahr, im April 1942, lagen die Gründe vor, nach denen die Veröffentlichungen anstößig sein sollten. Das Zweigbüro erhielt 14 Tage Zeit, um auf die Punkte zu antworten, was auch geschah. Sogleich drückte Bruder Phillips den Wunsch aus, in Übereinstimmung mit dem Gerichtsentscheid die Sachlage persönlich darzulegen. Das Gericht hatte jedoch keinen Zeitraum angegeben, in dessen Verlauf diese Darlegungen beim Gericht vorliegen müßten, und so verstrichen die Monate. Bis zur Klärung dauerte es 2 Jahre.
Im August 1941 beschlagnahmte die Zensur sämtliche Post, die das Zweigbüro in Kapstadt absandte. Erst einige Wochen später, als die Brüder im Land Anfragen an das Zweigbüro richteten, wurde man dort dessen gewahr und protestierte dagegen. Der Eingang des Protests
wurde bestätigt, doch es wurden keine Erklärungen abgegeben. Der Verdacht der Behörde, die Gesellschaft versende Briefe, in denen etwas über die Kriegführung gesagt werde, stellte sich als vollständig ungerechtfertigt heraus.Im September 1941 erließ der Innenminister im Rahmen der Notstandsgesetze einen Erlaß, wonach sämtliche Veröffentlichungen der Gesellschaft in Südafrika zu beschlagnahmen seien. Aufregende Vorgänge im Zweigbüro waren die Folge. Um 10 Uhr vormittags traf die Kriminalpolizei ein, um den Erlaß auszuführen. Sie kam mit Lastwagen, um das Literaturlager der Gesellschaft zu räumen. Der Zweigaufseher war aber auf der Hut. Er prüfte den Befehl nach und stellte fest, daß er nicht mit den Vorschriften übereinstimmte. Er handelte dann sofort und ließ die Kripobeamten im Büro der Gesellschaft warten, während er persönlich beim Obersten Gerichtshof einen dringenden Antrag auf eine Verfügung stellte, die dem Innenminister die Beschlagnahme der Literatur untersagen sollte. Sein Antrag kam durch. Um 12 Uhr hatte er die Verfügung in Händen, und die Polizisten mußten wieder in ihre leeren Lastwagen klettern und davonfahren. Fünf Tage darauf zog der Minister den Erlaß zurück, nachdem er der Gesellschaft die Kosten erstattet hatte. Man kann sich vorstellen, wie sehr sich die Bethelfamilie in Kapstadt über diesen wichtigen Sieg freute.
DER KAMPF GEHT WEITER
Unser Kampf war noch nicht zu Ende. Die Zeitschrift Trost in Afrikaans war durch das neue Gesetz, das die Einfuhr regelte, verboten worden. Da die Zeitschrift in Südafrika gedruckt und herausgegeben wurde, war dies offensichtlich ein Versehen. Dennoch wurde in Kroonstad ein Pionier wegen Verbreitung dieser Zeitschrift verurteilt. Es wurde Berufung eingelegt, und der Oberste Gerichtshof hob das Urteil auf. Im offiziellen Mitteilungsblatt Government Gazette hieß es später — am 12. September 1941 —, das Verbot sei aufgehoben worden. Die Theokratie hatte einen weiteren Sieg errungen.
Zum großen Teil wurden diese aufregenden Ereignisse ausführlich in den Zeitungen berichtet, und die Königreichsbotschaft und das Werk der Zeugen Jehovas wurden dadurch weit und breit bekanntgemacht. Da man erkannte, daß die Öffentlichkeit im allgemeinen auf diesem Gebiet Aufklärung benötigte, veröffentlichte das Zweigbüro zwei besondere Broschüren: Why Suppress the Kingdom Message? (Warum wird die Königreichsbotschaft unterdrückt?) und Jehovah’s Witnesses: Who Are They? What Is Their Work? (Jehovas Zeugen: Wer sind sie? Was tun sie?). Während des Monats Oktober 1941 wurden diese beiden Broschüren in großer Zahl sowohl in Englisch als auch in Afrikaans verbreitet.
Dieser großangelegte Aufklärungsfeldzug über das Werk der Zeugen Jehovas war dringend nötig, da in vielen Zeitungen entstellende Berichte erschienen und da Gerüchte umgingen, die Jehovas Zeugen bezichtigten, sie gehörten der „fünften Kolonne“ an und seien Nazis. Eine führende Tageszeitung, die in East London erscheinende Daily Dispatch, brachte einen Artikel mit verleumderischen Anklagen gegen J. F. Rutherford, den Präsidenten der Gesellschaft. Da sich der Herausgeber weigerte, einen Brief zu veröffentlichen, der die Sache klarstellte, wurde er vor Gericht der Verleumdung angeklagt, und von seiner Zeitung wurden 5 000 Pfund Schadenersatz gefordert. Als der Herausgeber erkannte, daß die Brüder zu allem entschlossen waren, lenkte er schnell ein, bat öffentlich um Entschuldigung und übernahm alle Kosten.
REAKTION AUF DAS VERBOT
Die Brüder reagierten auf das Verbot eines Teils der Literatur, indem sie diese in ihren Häusern versteckten. Sie waren „vorsichtig wie Schlangen“ (Matth. 10:16). In Johannesburg führte die Polizei verschiedentlich Hausdurchsuchungen bei Verkündigern durch, doch gewöhnlich hatten sie bereits von einem Interessierten, der als Detektiv beschäftigt war, einen Hinweis bekommen. In Pretoria schleppte Frans Muller, der noch zur Schule ging, unter Anleitung seiner Eltern einen Karton Literatur nach dem andern in enge Zwischenräume unter dem Holzfußboden ihres Hauses. Sie wußten, dort würden die wertvollen Bücher verhältnismäßig sicher sein. Dies bedeutete, daß die Verkündiger im Predigtdienst weniger Literatur zur Verfügung hatten, doch man verwendete zum großen Teil Veröffentlichungen, die im Lande gedruckt wurden, wie das Buch Kinder. Ein Bruder aus Kapstadt, der ein Mischling ist, erzählt: „Die Vorräte waren knapp, doch das Werk wurde dadurch nicht verlangsamt. Uns wurde gesagt, die Bücher an die Leute auszuleihen und Studien mit ihnen zu beginnen. Das taten wir auch, und es war erstaunlich, wie die Zahl unserer Bibelstudien emporschnellte. Während dieser Zeit kamen viele in die Wahrheit.“
Die Verkündiger-Höchstzahl stieg auf 1 253 an; alle arbeiteten hart. Die Zahl der Anwesenden auf dem Kongreß in Johannesburg in jenem Jahr stieg auf etwa 800; es wurden 186 getauft. Viele neue Versammlungen wurden gegründet. Ihre Zahl stieg von 127 im Jahre 1940 auf 172 im Jahre 1941.
Obwohl der englische Wachtturm aus den USA verboten war, sorgte Jehova liebevoll für geistige Speise. Die Brüder in Kapstadt hatten stets genügend Material, das sie auf ihren Druckpressen drucken und unter dem Namen „Food Convenient“ (Speise zur rechten Zeit) verschicken konnten. Zu denen, die während des Krieges jedes einzelne Exemplar ihres Abonnements auf den Wachtturm erhielten und es stets an das Büro in Kapstadt sandten, nachdem sie es selbst gelesen hatten, gehörte
ein Bruder J. J. van Zyl, denn seine Zeitschriften waren adressiert an „Sergeant J. J. van Zyl, Südafrikanische Polizei, Kranskop, Natal“.ENDLICH DER SIEG!
Der Kampf gegen Gott und das Werk zur Verbreitung seines Königreiches in Südafrika war ganz klar fehlgeschlagen. Von 1941 an ging der Kampf um die Aufhebung des Verbots und die Freigabe von Literatur ohne Unterlaß weiter. Gegen Ende 1943 war das Literaturlager im Zweigbüro sehr zusammengeschrumpft, und die Brüder beteten inständig darum, daß die beschlagnahmte Literatur freigegeben werde. Mit einem Mal geschah etwas. Ein neuer Innenminister wurde ernannt. Der Zweigaufseher schrieb einen weiteren Brief an den Leiter der Zensurbehörde und forderte die Aufhebung des Verbots. Eine Abschrift dieses Briefes ging an den neuen Minister zusammen mit der Bitte um ein persönliches Gespräch, dem der vorhergehende Minister zugestimmt hatte, das aber nie gewährt worden war.
Das Gespräch fand im Januar 1944 statt. Der Minister erklärte sich einverstanden, die beschlagnahmten Lieferungen wieder auszuhändigen, das Verbot der Zeitschriften aufzuheben und die anderen beschlagnahmten Veröffentlichungen freizugeben. Er sicherte außerdem zu, er werde den Erlaß rückgängig machen, der im Rahmen der Notstandsgesetze erlassen und durch den sämtliche Literatur als umstürzlerisch deklariert worden war. Eine Woche später traf die schriftliche Bestätigung dafür im Zweigbüro ein, und wenige Tage darauf wurde das riesige Literaturlager (ungefähr 1 800 Kartons) im Zweigbüro angeliefert. Die drei Jahre Lagerung waren den Büchern nicht anzusehen. Wie glücklich die Brüder im Zweigbüro und im Land darüber doch waren! Ihre Gebete waren mit einem wunderbaren Sieg beantwortet worden.
VERBOT DER BÜCHER IN ANDEREN LÄNDERN
In der ersten Zeit des Zweiten Weltkrieges ging durch große Teile des britischen Weltreiches und durch andere Länder eine regelrechte Bücherverbotswelle. Es war genauso, wie Jehova es vor langer Zeit durch den Propheten Daniel hatte voraussagen lassen: Das ‘kleine Horn’ (zu dem das britische Commonwealth gehörte) ‘tat groß’, „warf die Wahrheit fortgesetzt zur Erde“ und beging „Übertretung“ gegen Gottes heilige Dinge (Dan. 8:8-12). Dies wirkte sich auch auf die drei britischen Protektorate im Süden Afrikas, Basutoland, Betschuanaland und Swasiland, aus. Im Februar 1941 wurde die Literatur der Gesellschaft von Amts wegen verboten. Das Verbot blieb trotz aller Bemühungen, es rückgängig machen zu lassen, bis 1960 in Kraft. Sogar die King-James-Bibel war verboten, wenn sie zufällig von der Watch Tower Society gedruckt worden war. Dies geschah, obwohl es 1941 in diesen drei Ländern nicht einen einzigen Zeugen Jehovas gab.
ERFOLGREICHE JAHRE IN SÜDWESTAFRIKA
Mit dem ereignisreichen Jahr 1939 begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Werkes in Südwestafrika. Bis dahin gab es in diesem Land noch keine Verkündigergruppen; das ganze große Gebiet stand noch zur Bearbeitung offen. Ein Pionierehepaar — Barry Prinsloo und seine Frau Joan — fühlte sich gedrängt, dorthin zu gehen und den Menschen in diesem Gebiet zu predigen.
Bruder Prinsloo kaufte sich einen Lastwagen und baute ihn in einen Wohnwagen um, in den er einen Holzgasgenerator einbaute, da er richtig voraussah, daß Benzin während des Krieges knapp werden würde. Um von Johannesburg nach Südwestafrika zu gelangen, mußten sie die Kalaharisteppe durchqueren. Dort gab es so gut wie keine Straßen, sie mußten den Spuren folgen, die andere Wagen oder Eselskarren vor ihnen hinterlassen hatten, und selbst diese waren bisweilen vollständig verwischt.
Schließlich kamen sie in Windhuk an. Von dort arbeiteten sie sich nach Norden durch, wobei sie predigten und Literatur verbreiteten. Eine Zeitlang folgte ihnen die Polizei und sammelte die Literatur ein, die sie abgaben. Schließlich wurden sie verhaftet und angeklagt, sie hätten ohne Gewerbeschein Waren verkauft. Sie folgten dem Rat der Gesellschaft, den Fall vertagen zu lassen, um den Ausgang ähnlicher Fälle in Südafrika abzuwarten. Ein paar Wochen später erschien Bruder Prinsloo vor Gericht, und er wurde freigesprochen.
Sie hörten davon, daß in Johannesburg ein Kongreß abgehalten würde, und entschlossen sich, dorthin zu gehen, obwohl dies für sie eine beschwerliche Reise von über 1 500 Kilometern bedeutete. Doch es kam zu einem tragischen Unglück. Die meisten Flüsse in Südwestafrika sind nichts weiter als trockene, sandige Schluchten, in denen nur nach außerordentlich starken Regenfällen Wasser fließt. Bei dem Versuch, einen dieser Flüsse zu überqueren, blieben sie mit ihrem Wagen stecken. Über Nacht wurde der Fluß zu einem reißenden Strom, der den Wohnwagen mehrere hundert Meter flußabwärts riß. Dort fanden sie ihn am nächsten Morgen wieder. Er war in zwei Teile gebrochen, und das Fahrgestell steckte tief im Sand. Sie retteten, was noch zu retten war, und teilten der Gesellschaft mit, welches Unglück ihnen zugestoßen sei und daß es ihnen leid tue, den Kongreß nicht besuchen zu können. Der Zweigaufseher schickte ihnen aber umgehend eine Überweisung und ein Telegramm, in dem stand, das Geld sei für „einen kleinen Urlaub“ gedacht.
Nach dem Kongreß kehrten sie zurück und zelteten in der Nähe ihres kaputten Wohnwagens, um ihn zu reparieren. Zugleich predigten sie den Ovambos, die auf den Bauernhöfen arbeiteten, wobei ihnen Johannes übersetzte. Johannes war ein Buschmann, den sie sich gemietet hatten, damit er sie auf ihren Reisen durch das Land begleite, und es ist gut möglich, daß er der erste Buschmann war, der die Wahrheit annahm.
Die Buschmänner sind ein Nomadenvolk, das in Wüsten- und Steppengebieten wohnt und sich hauptsächlich durch die Jagd mit Pfeil und Bogen ernährt. Ihre Lebensgewohnheiten sind äußerst primitiv. Sie sind unter allen Afrikanern im Süden Afrikas der Stamm mit dem kleinsten Wuchs, vergleichbar mit den Pygmäen Zentralafrikas. Der Kontakt mit ihnen ist sehr schwer, nicht nur, weil sie an so abgelegenen Orten leben, sondern auch, weil ihre Sprache eine begrenzte Zahl Wörter und unermeßlich viele Schnalzlaute enthält. Doch einige Angehörige dieses Volkes werden Landarbeiter. Nach einiger Zeit berief die Gesellschaft das Ehepaar Prinsloo wegen des Verbots der Literatur und wegen der allgemeinen Lage nach Südafrika zurück.
Obwohl also in den Jahren 1929, 1935 und 1942 Pioniere in Südwestafrika arbeiteten und viel Literatur verbreiteten, wurde das Feld nicht richtig bearbeitet, so daß die Resultate spärlich waren. Doch das Jahr 1950 stellte einen Wendepunkt in der Geschichte des Werkes in Südafrika dar. In diesem Jahr sandte die Gesellschaft 4 Missionare, Absolventen der Gileadschule, dorthin, und zwar George Koett, Fred Hayhurst, Gus Eriksson und Roy Stephens. Anfang 1950 wurde in Windhuk ein Missionarheim eröffnet.
Zwar sollten die Brüder nicht das Abgeben von Literatur zu ihrem Hauptziel machen, sondern das Auffinden und Weiden der „anderen Schafe“ des Herrn, doch konnten sie trotzdem sehr viel Literatur verbreiten (Joh. 10:16). Zugleich konnten sie mit 5 afrikanischen Brüdern Verbindung aufnehmen, die aus der Südafrikanischen Union in das nahe gelegene Eingeborenenviertel gezogen waren und die nun zu einer Gruppe (Versammlung) organisiert wurden. Einer der Missionare begann nicht weniger als 25 Studien in diesem afrikanischen Wohnviertel. Allem Anschein nach hatte das Werk in diesem Gebiet, insbesondere unter den Afrikanern, einen ausgezeichneten Anfang genommen, und es bestanden gute Aussichten auf Zunahme.
[Karte auf Seite 77]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
SÜDAFRIKA
ZAIRE (Belgisch-Kongo)
UGANDA
KENIA
TANSANIA (Tanganjika)
ANGOLA
SAMBIA (Nordrhodesien)
MALAWI (Njassaland)
MOÇAMBIQUE
RHODESIEN (Südrhodesien)
SÜD-WEST-AFRIKA
BOTSWANA (Betschuanaland)
SWASILAND
REPUBLIK SÜDAFRIKA
Johannesburg
Durban
Kapstadt
LESOTHO (Basutoland)
[Bild auf Seite 93]
George Phillips in der Handsetzerei des Büros in Kapstadt
[Bild auf Seite 98]
Zuluhaus