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Norwegen

Norwegen

Norwegen

Wahrscheinlich waren es die Dänen, die dem Land Norwegen vor tausend Jahren seinen Namen gegeben haben. Eine der ältesten Formen des Namens ist Norvig, was möglicherweise „der nördliche Weg“ oder „das Land nach Norden hin“ bedeutet, und Norwegen liegt in der Tat nördlich von Dänemark. Heute nennen die Norweger ihr Land Norge.

„Das Land nach Norden hin“ ist nicht so kalt und ungastlich, wie viele glauben mögen. Der Golfstrom erwärmt die Küstengewässer, und dies hat ein mildes Klima entlang der Küste zur Folge. Im Landesinneren sind die Sommer jedoch warm und die Winter kalt.

Im Norden ist das Land ziemlich wild und unfruchtbar. Majestätische Gipfel erheben sich aus dem Meer. Einige sind über 900 Meter hoch. Im „Wunderland“ der Mitternachtssonne geht im Sommer die Sonne nie unter. Aber in den dunklen Wintermonaten gibt es oft heftige Stürme mit Schnee und Graupelschauern, die die Menschen zwingen, tagelang im Haus zu bleiben.

Die zerklüftete Küste ist das charakteristischste Merkmal des „Landes nach Norden hin“. Vor der Küste befinden sich die Skerries: 150 000 größere und kleinere felsige Inseln. Buchten und Fjorde eingerechnet, ist die Küstenlinie etwa 20 000 km lang. Das entspricht ungefähr der Hälfte des Erdumfangs am Äquator.

BEVÖLKERUNG UND WIRTSCHAFT

Norwegen ist nur dünn besiedelt. Obwohl es etwa genauso groß ist wie Italien, hat es nur ungefähr 4 Millionen Einwohner. Italien hat im Vergleich dazu etwa 55 Millionen. Die meisten Einwohner Norwegens leben entweder in den Niederungen im südöstlichen Teil des Landes oder entlang der Küste. Die Mehrzahl der Küstenbewohner verdient ihren Lebensunterhalt durch Fischfang. Im übrigen sind Land- und Forstwirtschaft, Schiffahrt und Bergbau die wichtigsten Wirtschaftszweige.

Hoch im Norden leben etwa 25 000 Lappen — ein eigenständiger Volksstamm. Man erkennt sie an ihrer kleinen Statur und ihrem schwarzen Haar. Sie haben ihre eigene Kultur und Sprache. Die meisten der Lappen haben einen neuzeitlichen Lebensstil angenommen, und der Einfluß ihrer alten Kultur geht immer mehr zurück.

SPRACHE UND RELIGION

Die norwegische Sprache ist eng verwandt mit dem Dänischen und dem Schwedischen. Als die nördlichen Nationalstaaten in der Wikingerzeit, vor ungefähr tausend Jahren, gegründet wurden, wurde die Grundlage für jede der skandinavischen Sprachen gelegt. Auch nach zehn Jahrhunderten ist der Unterschied zwischen den Sprachen nicht so groß, daß sich Schweden, Dänen und Norweger gegenseitig nicht verstehen könnten.

In Norwegen ist der Protestantismus die Hauptreligion. Das Land hat eine lutherische Staatskirche, und 96 % der Bevölkerung sind Mitglieder. Jedoch besucht nur ein geringer Teil davon die Kirche regelmäßig. Das Interesse an Religion geht auch hier zurück, so wie in anderen westlichen Ländern. Der Materialismus und der moralische Zusammenbruch greifen immer mehr um sich, obwohl diese Entwicklung hier etwas langsamer gewesen ist als in anderen Ländern.

Vor etwa vierundachtzig Jahren kam eine neue Religion in das „Land nach Norden hin“. Ein Norweger, der nach Amerika ausgewandert war, kam zurück in sein Heimatland, um mit seiner Familie über die gute Botschaft, die er kennengelernt hatte, zu sprechen. Dies war, soweit wir wissen, der Beginn der Geschichte der Zeugen Jehovas in Norwegen.

EINE GRUNDLAGE WIRD GELEGT

Norwegen war eines der ersten Länder in Europa, wo der Same der Wahrheit in der Neuzeit gesät wurde. Bereits im Jahre 1885 hatte Charles Taze Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, Nachdruck darauf gelegt, daß das „Erntewerk“ in Norwegen begonnen werden sollte. Ein amerikanischer Bruder norwegischer Abstammung hatte ihm einen Brief geschrieben, in dem es auszugsweise hieß:

„Ich bin von Geburt Norweger. Ich habe in der letzten Zeit darum gebetet, daß der Herr jemand erwecken möge, um meiner norwegischen Heimat die frohe Botschaft zu bringen. ... Du wirst möglicherweise fragen: ,Befriedigen die schwedischen Publikationen [der Watch Tower Society] nicht auch die Nachfrage der Norweger?‘ Ich antworte mit Nein. Die beiden Sprachen sind so unterschiedlich, daß die schwedische Ausgabe [des Wacht-Turms] von fast gar keinem Nutzen für die Norweger ist und kaum von ihnen gelesen wird. ... Ich bete zu Gott, den Weg zu ebnen, um ihn auch in Norwegisch herauszugeben.“

In seinem Kommentar zu diesem Brief sagte Russell, er erinnere ihn an den Ruf aus Mazedonien (Apg. 16:9). Er fügte hinzu: „Sobald sich Gelegenheiten und Mittel ergeben, werden wir den Ruf beantworten.“

Im Jahre 1891 machte Bruder Russell eine Reise nach Europa, um zu sehen, ob die Zeit für eine Ausdehnung des Christentums in diesem Teil der Welt gekommen sei. Er fand heraus, daß dies der Fall war und sagte: „In Norwegen und Schweden gibt es ebenfalls ein großes Erwachen und eine wachsende Abkehr von der [lutherischen] Staatskirche. Die Schweden und Norweger sind ernste, ehrenwerte Leute, die nachdenken, und viele unter ihnen beginnen einzusehen, daß es eine Sache ist, in eine der Namenskirchen hineingeboren zu werden, und eine andere, ein wahrer Christ zu sein.“

Im Jahre 1895 wurden der erste und der zweite Band der Millennium-Tagesanbruch-Serie der Gesellschaft ins Dänisch-Norwegische übersetzt. Dänisch und Norwegisch waren sich — was die Schreibweise betrifft — zur damaligen Zeit sehr ähnlich. Mit einigen Änderungen in der Rechtschreibung konnten die Bücher ohne Schwierigkeiten von Personen beider Nationalitäten gelesen werden. Einige Bibeltraktate wurden für die unentgeltliche Verbreitung gedruckt. Dänen und Norweger, die in den Vereinigten Staaten lebten und deren Zahl sich schon auf viele Hunderttausende belief, zogen ebenfalls Nutzen aus diesen Publikationen.

DIE ERSTEN VERKÜNDIGER DER GUTEN BOTSCHAFT IN NORWEGEN

Im Jahre 1892 reiste Knud Pederson Hammer, ein amerikanischer Bruder norwegischer Abstammung, in seine Heimatstadt Skien in Südnorwegen, in der Hoffnung, seiner Familie die gute Botschaft zu bringen. Ehe Bruder Hammer zur Wahrheit kam, war er Prediger in der Baptistenkirche in Norddakota (USA) gewesen. Aufgrund seines Besuches in Norwegen zeigten seine Mutter und seine Schwester Interesse an der guten Botschaft.

Zu dieser Zeit lebte Rasmus Blindheim in Westnorwegen. Im Jahre 1895 sandte ihm sein Bruder aus Minneapolis (Minnesota, USA) zwei Bücher, die von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben worden waren, und er betrachtete dies als die Wahrheit. Er bezog die Wachtturm-Literatur, sobald sie herausgegeben wurde, und stand auf brieflichem Wege in ständiger Verbindung mit seinem Bruder in Amerika. Rasmus Blindheim scheint der erste eigentliche Zeuge Jehovas in Norwegen gewesen zu sein, und er arbeitete während seines ganzen Lebens daran, die Wahrheit auszubreiten. Im Jahre 1935 starb er im Alter von achtzig Jahren.

Knud Hammer kam im Jahre 1899 wieder nach Norwegen. Bruder Russell hatte ihn gebeten, diese Reise zu unternehmen, um eine Versammlung in Norwegen zu gründen. Bruder Hammer hatte einige dänisch-norwegische Ausgaben der Bücher der Gesellschaft bei sich und traf gewisse interessierte Personen, aber es wurde noch keine Versammlung gegründet. Er konnte nicht lange bleiben, da er nach Amerika zurückkehren mußte.

Bald danach jedoch begann der ausgestreute Same zu wachsen und Frucht zu tragen. An einem Tag um die Jahrhundertwende erhielt Ingebret Andersen, der außerhalb der Stadt Skien lebte, ein Buch von einem Mann der sagte, daß er es von einem Seemann erhalten habe. Das Buch war Der göttliche Plan der Zeitalter, der erste Band von Russells Millennium-Tagesanbruch-Serie. Bruder Hammer hatte möglicherweise im Jahr zuvor dieses Buch nach Skien gebracht.

Ingebret Andersen und seine Frau Berthe freuten sich sehr über das, was sie in dem Buch lasen. Andersen hatte oft religiöse Zusammenkünfte besucht und den Versammelten Zeugnis gegeben. Jetzt begann er Zeugnis abzulegen über die neuen Dinge, die er gelernt hatte, indem er über das Millennium, die Tausendjahrherrschaft Christi, sprach. Er tat dies mehrere Male. Aber dann entstand das Gerücht, daß an diesem Ort falsche Lehren gelehrt würden. Während einer Zusammenkunft stand die ganze Zuhörerschaft auf und begann zu singen, als Andersen ein Zeugnis geben wollte. Er versuchte es wieder, aber man führte ihn am Arm aus dem Raum.

Nichtsdestoweniger hatten einige Leute auf die gute Botschaft gehört, die Andersen verkündigte. Er besuchte sie zu Hause und las das Buch und die Bibel mit ihnen. Auf diese Weise schlossen sich ihm andere an. Nach einer gewissen Zeit gab es eine kleine Gruppe von Bibelforschern in Gråten, außerhalb von Skien. Diese Brüder besuchten religiöse Zusammenkünfte und gaben Zeugnis, wenn sie eine Möglichkeit dazu hatten. Mehrere Neue schlossen sich ihnen an. Zuerst hatten sie keine Literatur. Deshalb komponierte Bruder Andersen ein Lied über das Königreich mit Bibelhinweisen nach jeder Strophe. Dieses Lied benutzten sie bei ihrer Tätigkeit. In der Tat eine sehr aktive kleine christliche Versammlung war entstanden — die erste in Norwegen. Die Brüder waren eifrig, und es dauerte nicht lange, bis zehn oder zwölf zu der Gruppe gehörten.

Im Jahre 1904 geschah etwas, was für diese Christen in Skien sehr ermunternd war. Bruder Hammer kam wieder, um die Früchte seiner Arbeit zu sehen. Er kannte die Brüder nicht, hatte aber durch einen seiner Verwandten von ihnen gehört. Nun suchte er sie auf und erzählte ihnen von der Organisation und dem Predigtwerk in Amerika. Er gab ihnen auch eine ganze Anzahl Millennium-Tagesanbruch-Bände. Es war natürlich eine große Freude für diese Christen in Skien, daran erinnert zu werden, daß sie geistige Brüder in anderen Ländern hatten. Bruder Hammer mußte bald zu seiner Familie in Amerika zurückkehren. Aber er kam im Jahre 1912 wieder nach Norwegen, sprach mit den Brüdern und stärkte ihren Glauben.

Um das Jahr 1905 kam ein besonderer Prediger nach Skien, um in der Stadt für eine Missionsgesellschaft zu sprechen. Die Brüder hatten gehört, daß er seine Vorträge mit Gedanken aus den Millennium-Tagesanbruch-Büchern würzte, und so kamen sie, um zuzuhören. Sie setzten sich nach vorn und lauschten mit Interesse. Bei seiner letzten Ansprache waren die Brüder wieder da. Ein Bruder, der vorher Mitglied der Heilsarmee gewesen war, konnte sich nicht zurückhalten und rief: „Halleluja!“ Nach dieser Zusammenkunft wußte jeder, woher dieser Redner seine Gedanken hatte, und die Kirchenmitglieder sagten ihm, daß er nicht mehr erwünscht sei. Ein Jahr später war er jedoch wieder in Skien, um bei Zusammenkünften zu sprechen, die von treuen Christen arrangiert worden waren. Wir werden bald sehen, um wen es sich handelte.

Von Anfang an hielten die Brüder Zusammenkünfte ab, bei denen Bibelthemen besprochen wurden. Bald begannen sie, ihre Zusammenkünfte in der Ortszeitung bekanntzumachen. In den Anzeigen verwendeten sie den Namen „Millennium-Tagesanbruch“. Dies wurde eine gebräuchliche Bezeichnung für sie als Gruppe, nicht nur in und um Skien, sondern auch im übrigen Land.

ANDERE STÄDTE

Während der ersten Jahre dieses Jahrhunderts fand die biblische Wahrheit durch reisende Kolporteure — die Vorläufer der heutigen Pioniere — ihren Weg auch in andere Städte Norwegens. Sie gingen von Haus zu Haus und verbreiteten Bücher und Broschüren. Im Frühling des Jahres 1903 kamen zwei Kolporteure aus Schweden, Viktor Feldt und Fritiof Lindkvist. Am Anfang bearbeitete Bruder Feldt die Städte im südlichen Teil Norwegens. Fritiof Lindkvist, der schließlich der Leiter des Werkes in Norwegen wurde, ließ sich in der Hauptstadt Kristiania (jetzt Oslo) nieder. Bereits 1904 wurde ein Büro, das die Wachtturm-Gesellschaft vertrat, in seiner Wohnung, Pilestrædet 49a eingerichtet. Interessierte Personen konnten an dieses Büro schreiben und Literatur bestellen oder die Zeitschrift Der Wacht-Turm abonnieren, die von Dänemark aus versandt wurde. Die Zeitschrift hatte damals acht Seiten und erschien von Januar 1905 an monatlich.

Das größte Interesse wurde in Westnorwegen gezeigt. Gute Ergebnisse wurden in Stavanger und Bergen erreicht. Lindkvist berichtete, daß einige interessierte Personen in Bergen Zusammenkünfte abhielten, in denen sie laut aus den Millennium-Tagesanbruch-Büchern vorlasen. Wenn etwas unklar war, wurde es besprochen, bis jeder den betreffenden Punkt verstanden hatte. Bei einer dieser Zusammenkünfte in einer Privatwohnung waren 23 Personen anwesend.

Einer von denen, die in Bergen zu dieser Zeit die Wahrheit annahmen, war der prominente Prediger der Freien Mission, Theodor Simonsen. Er war der Mann, der um das Jahr 1905 nach Skien gekommen war und die religiösen Leute mit seinen neuen Lehren erzürnt hatte.

Theodor Simonsen interessierte sich für die Wahrheit, nachdem er ein Exemplar der Millennium-Tagesanbruch-Serie von dem Kolporteur E. R. Gundersen erhalten hatte, der aus den Vereinigten Staaten nach Norwegen gekommen war. Er erkannte, daß die Höllenfeuerlehre falsch war, und begann, sie während seiner Ansprachen in der Freien Mission zu widerlegen. Seine Zuhörer sprangen vor Begeisterung über diese wunderbare Botschaft auf. Aber dann wurde bekannt, daß er mit der „Tagesanbruch-Bewegung“ in Verbindung stand. So kam es, daß ihm eines Tages, nachdem er seinen Vortrag beendet hatte, ein Stück Papier gereicht wurde, auf dem stand: „Dies war Ihr letzter Vortrag bei uns!“ Damit war er kein Mitarbeiter der Freien Mission mehr. Von da an sprach er zu der schnell wachsenden Gruppe interessierter Personen in Bergen.

Bruder Simonsen war ein sehr befähigter Redner, und er diente den Brüdern in dieser Eigenschaft während der folgenden Jahrzehnte. Von 1919 bis 1935 vertrat er als reisender Redner die Gesellschaft in Norwegen, Dänemark und Schweden. Er konnte auch singen und Zither spielen. Vor und nach seinen Ansprachen pflegte er Lieder aus dem Liederbuch Hymns of the Millennial Dawn (Millennium-Tagesanbruch-Hymnen) zu singen, wobei er sich selbst begleitete. Bruder Simonsen starb im Jahre 1955, einundneunzig Jahre alt, nachdem er Jehova fünfzig Jahre lang gedient hatte. Es gibt nur wenige Personen, deren Tätigkeit eine so große Ermunterung für die Brüder in Norwegen war.

Aber zurück zu dem Werk in Bergen um das Jahr 1905. Die Tätigkeit der Kolporteure in dieser Stadt zeitigte Ergebnisse. Einige hatten positiv auf die Vorträge Bruder Simonsens in der Freien Mission reagiert, unter ihnen die junge Sonntagsschullehrerin Helga Hess. Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie als erste Frau in Norwegen Kolporteur. Das war wahrscheinlich im Jahre 1905. Das Licht der Wahrheit hatte begonnen, die religiöse Finsternis in Westnorwegen zu vertreiben. Aber wie war die Situation im langgestreckten, dünnbesiedelten Nordnorwegen?

DAS LICHT SCHEINT IM NORDEN

Die erste Person, die die Wahrheit in Nordnorwegen annahm, war Lotte Holm. Sie lebte in der Nähe der Stadt Narvik, ungefähr 200 km nördlich des Polarkreises. Im Herbst des Jahres 1903 ging sie nach Süden, nach Trondheim, wo sie den Kolporteur E. R. Gundersen traf. Er gab ihr ein kleines Traktat mit dem Titel Leidet Jesus ewige Qualen? Sie abonnierte auch die schwedische Zeitschrift I Morgonväkten, den Vorläufer des schwedischen Wacht-Turms.

In dieser Zeitschrift las Lotte Holm, daß wahre Christen die Feier zum Gedächtnis an den Tod Christi nur einmal im Jahr begehen, und sie erfuhr daraus auch das Datum des Gedächtnismahls für das Jahr 1904. „Ich sagte meiner Mutter, daß ich des Herrn Abendmahl am Tag des Todes Jesu feiern würde, zur selben Zeit wie andere Christen in der ganzen Welt“, schrieb sie in einem Brief an die Gesellschaft. „Sie gab mir Rosinen. Ich backte ungesäuertes Brot, bereitete ,die Frucht des Weinstockes‘ — und feierte allein. Zu dieser Zeit gab es im Umkreis von Meilen niemanden mit ,hörenden Ohren‘. Aber ich hatte eine unvergeßliche Feier im März des ersten Jahres. ... Meine erste Verbindung mit dem Büro in Kristiania stellte ich her, als ich wegen einiger Zeitschriften schrieb, die ich verbreiten wollte.“

Bald schien es, daß es noch andere mit „hörenden Ohren“ in der Stadt Narvik gab, nicht weit von Lotte Holms Wohnort entfernt. Irgendwann zwischen den Jahren 1903 und 1905 kam Viktor Feldt als Kolporteur nach Narvik. Dort traf er ein Ehepaar, das Interesse zeigte, und bald schloß sich ihnen noch ein anderes Ehepaar an. Diese kleine Gruppe schrieb an die Gesellschaft, um anzufragen, ob es noch andere in der Umgebung von Narvik gebe, die an der guten Botschaft interessiert seien. Auf diese Weise kamen sie mit Lotte Holm in Verbindung, die nur wenige Bootsstunden von Narvik entfernt wohnte. Die Gruppe, die erste in Nordnorwegen, bestand nun aus fünf Personen. Während dieser Jahre waren sie die einzigen wahren Christen in jenem Teil des Landes. Lotte Holm blieb Jehova Gott bis zu ihrem Tod im Jahre 1966 treu. Sie war dreiundneunzig Jahre alt geworden.

DIE KOLPORTEURE

Die Kolporteure waren ständig unterwegs. Sie arbeiteten eine Stadt oder ein Gebiet durch, gaben Literatur bei Interessierten ab und reisten dann weiter. Die Literatur wurde ihnen nach Bedarf vom Büro gesandt.

Einer der weitgereisten Kolporteure war Andreas Øiseth, der die Wahrheit im Jahre 1908 annahm. Eines Tages, als er im östlichen Teil Südnorwegens auf dem Bauernhof seines Vaters Holz hackte, wurde er von einem Kolporteur besucht. Er erhielt den ersten Band der Millennium-Tagesanbruch-Serie und erkannte sofort, daß dies die Wahrheit war. Innerhalb eines Jahres traf er seine Entscheidung: Er würde den Bauernhof seinem Bruder überlassen und als Kolporteur ausziehen.

Zuerst kaufte sich Andreas Øiseth ein Fahrrad und begann, systematisch nach Norden zu arbeiten, indem er keine Stadt oder Gemeinde überging. Er baute auch einen „Tretschlitten“, den er während des Winters als Transportmittel benutzte. Auf diesem Schlitten transportierte er alles, was er benötigte — Nahrung, Kleidung und Literatur. Wenn der Tag zu Ende ging, begann er wegen einer Schlafstelle nachzufragen, und in den meisten Fällen wurde sie ihm gewährt, da die Leute zu jener Zeit Reisenden gegenüber sehr gastfreundlich waren.

Bruder Øiseth wandte sich nicht nach Süden, bis er Tromsø erreichte, 1 100 km nördlich von seiner Heimat. Auf seinem Weg in den Süden arbeitete er alle Fjorde, Täler und Inseln durch, bis er den südlichsten Teil des Landes erreichte. Als er seine Reise beendete, hatte er fast das ganze Land bearbeitet und war acht Jahre lang ununterbrochen unterwegs gewesen.

Später arbeitete Bruder Øiseth viele Jahre im Büro der Gesellschaft und verrichtete unter anderem Übersetzungsarbeiten. Bis zu seinem Tod im Alter von 88 Jahren (1973) war er treu tätig im Dienst für Gottes Königreich, indem er anderen die gute Botschaft erzählte.

DIE „BRUDERSCHAFT“ GESTÄRKT

Der erste christliche Kongreß in Norwegen wurde am 22. und 23. Oktober 1905 in Kristiania abgehalten. Man nimmt an, daß 15 Personen anwesend waren und drei getauft wurden. Die Delegierten kamen aus Kristiania, Bergen, Stavanger, Skien und Moss. Sie hatten die Gelegenheit, Carl Lüttichau und August Lundborg zu treffen, die das Werk in Dänemark und Schweden leiteten.

Besuche von reisenden Beauftragten der Gesellschaft waren ebenfalls sehr ermunternd für die Brüder. In den Monaten Juni und Juli des Jahres 1907 besuchte Dr. John Edgar aus Glasgow (Schottland) die Versammlungen in Kristiania, Skien und Bergen als Beauftragter der Gesellschaft. An demselben Tag, als sein öffentlicher Vortrag in Kristiania in der Zeitung angekündigt wurde, veröffentlichte ein Gegner eine Warnung vor seiner Tätigkeit.

Die Gesellschaft hatte die Reisekosten bezahlt, aber von den Brüdern wurde erwartet, daß sie Gastfreundschaft erwiesen. Diese Tätigkeit war der Beginn des Kreisdienstes von heute. Sie verband die Versammlungen enger miteinander und lenkte die Aufmerksamkeit der Brüder auf die Tatsache, daß sie Mitgläubige in anderen Teilen der Welt hatten. In den ersten Jahren waren die Brüder, die in Norwegen reisten, meistens Schweden. Aber vom Jahre 1914 an reiste für einige Zeit ein norwegischer Bruder. Von 1919 an hatten die norwegischen Brüder ihren eigenen ständigen „Pilgerbruder“ — den früheren Redner der Freien Mission, Theodor Simonsen.

DER DIENST DER BRÜDER VERMEHRT

Die wenigen Personen, die in dieser Zeit ihre Augen für das Licht der Wahrheit geöffnet hatten, begannen anderen von ihrer neugewonnenen Überzeugung zu erzählen. Die Kolporteure arbeiteten systematisch, aber nicht viele waren in der Lage, diesen Dienst aufzunehmen. Hier ist ein Beispiel, wie sie ihre Möglichkeiten ausnutzten, um zur Ausbreitung des Lichts beizutragen:

Um das Jahr 1907 begann sich Anna Andersen für die Wahrheit zu interessieren. Sie war viele Jahre Offizier in der Heilsarmee gewesen. In der kleinen Stadt Kristiansund in Westnorwegen traf sie Hulda Andersen, einen anderen Offizier der Heilsarmee. Diese bekundete Interesse für die Wahrheit. (Hulda Andersen heiratete später Andreas Øiseth und zeigte großen Eifer im Dienste Jehovas, bis sie im Jahre 1971 im Alter von 92 Jahren starb.) Anna Andersen bat im folgenden Jahr Hulda Andersen, sie auf einer Reise zu begleiten. Mit dem Schiff reisten sie nordwärts, und in jedem Hafen gingen sie an Land und verbreiteten Bücher der Millennium-Tagesanbruch-Serie. Sie reisten bis ganz hinauf nach Kirkenes an der finnischen (jetzt russischen) Grenze, und als sie nach Kristiansund zurückkehrten, hatten sie etwa 2 000 km zurückgelegt und 400 Bücher sowie einige andere Literatur verbreitet. Später unternahmen die beiden Schwestern ähnliche Reisen.

Anna Andersen wurde eine der bestbekannten Kolporteure in Norwegen. Es gibt kaum eine Stadt im ganzen Land, die sie nicht mit ihrem Fahrrad und ihren Büchertaschen besuchte. Im Jahre 1935 unternahm sie im Alter von achtundsechzig Jahren mit einer jungen Schwester eine letzte Reise in den nördlichsten Teil des Landes und besuchte alle Städte und Siedlungsgebiete. Das war mehr als dreißig Jahre nach ihrem ersten Besuch bei Hulda Andersen und mehr als zwanzig Jahre nachdem sie Kolporteur geworden war. Sie setzte ihren Dienst als Kolporteur noch einige Jahre fort und starb 1948 in Treue im Alter von 81 Jahren. Die Ergebnisse, die diese beiden Schwestern auf ihrer Reise nach Nordnorwegen erzielt hatten, waren außergewöhnlich.

Vom Jahre 1906 an wurden die norwegischen Brüder im Wacht-Turm angespornt, Exemplare der Zeitschrift unter ihren Freunden und Bekannten zu verbreiten und auch an der Verbreitung von Traktaten teilzunehmen. Diese wurden unentgeltlich abgegeben. Kleine Bücher und Broschüren, die den Spiritismus, den Tod und die falsche Lehre vom Höllenfeuer behandelten, wurden aus dem Englischen übersetzt und verbreitet.

Diese neuen Hilfen trugen zum geistigen Wachstum bei und bewirkten ein besseres Verständnis der Verantwortung aller Christen, die gute Botschaft vom Königreich zu predigen.

BRUDER RUSSELLS BESUCH IM JAHRE 1909

Die wichtigsten Ereignisse während dieser frühen Jahre waren möglicherweise Bruder Russells Besuche in Bergen und Kristiania vom 17. bis 20. Mai 1909. Auf seinen beiden früheren Reisen durch Europa in den Jahren 1891 und 1903 hatte er Norwegen nicht besucht. Das Thema seines Hauptvortrags in Kristiania war von allgemeinem Interesse in einem Land, wo die Leute in ständiger Furcht vor den Qualen des Höllenfeuers lebten. Das Thema lautete: „Wie sollten wir die Worte der Bibel über den Übeltäter im Paradies, den reichen Mann in der Hölle und Lazarus am Busen Abrahams verstehen?“

BRUDER RUSSELLS ZWEITER BESUCH

Im März 1911 besuchte Bruder Russell Norwegen erneut. Während der beiden Jahre, die seit seinem letzten Besuch vergangen waren, waren seine Schriften im Land besser bekannt geworden. Sein zweiter Besuch erregte daher viel mehr Aufmerksamkeit.

Die Tatsache, daß C. T. Russell Vorträge über die Bibel halten würde, wurde in der in Kristiania erscheinenden Zeitung Morgenposten bekanntgemacht. Zur selben Zeit wurde ein Kongreß in Kristiania abgehalten. Die Unterstützung des Kongresses durch die norwegischen Brüder war gut. Einige reisten 480 km und einer sogar 1 000 km, um dabeizusein. Fast die ganze Versammlung aus Skien, etwa dreißig Brüder und Schwestern, war anwesend.

Trotz Protesten der Geistlichkeit hatten die Brüder eine städtische Halle für den öffentlichen Vortrag gemietet. Als Ergebnis ihrer tatkräftigen Arbeit beim Bekanntmachen des Vortrags war der Saal überfüllt, und viele mußten weggehen, weil sie keine Plätze mehr fanden. Ein Zeitungsreporter schätzte die Zuhörerschaft auf 1 200. Am selben Tag veröffentlichte eine Zeitung in Kristiania einen Beitrag, der von einem ihrer Leser eingesandt worden war und einen Angriff auf Bruder Russell enthielt. In seinem zweistündigen Vortrag bemerkte Bruder Russell, daß er trotz aller Anstrengungen verschiedener Geistlicher, die Leute davon abzuhalten, ihm zuzuhören, jede Woche zu mehr Leuten spreche als irgendein anderer Prediger in der Welt. Das war auch in Kristiania der Fall. Sein Besuch war ein großes Zeugnis und für die Brüder sehr ermunternd.

DAS BEMERKENSWERTE JAHR 1914

Seit 1876 war das Jahr 1914 anhand der Heiligen Schrift immer wieder als ein Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte gekennzeichnet worden. Folglich wurde dieses Jahr auch von den Brüdern in ihrem Predigtwerk hervorgehoben, und sie waren gespannt, zu sehen, was 1914 geschehen würde.

Während des Jahres 1913 hatte die christliche Tätigkeit nachgelassen, aber 1914 machten die Brüder große Anstrengungen, um die gute Botschaft bekanntzumachen. Im Frühling führten sie einen Feldzug gegen die Höllenfeuerlehre durch, wobei sie eine Sonderausgabe des Traktates Die Volkskanzel benutzten. Eine Gesamtzahl von 150 000 Exemplaren wurde vom Büro der Gesellschaft aus versandt. In nahezu jeder Stadt entlang der Küste wurden öffentliche Vorträge in großen Sälen veranstaltet. Bruder Russell hatte einen amerikanischen Bruder norwegischer Abstammung mit Namen Henry Bjørnestad gesandt, damit er bei der Arbeit hier helfe. In der Eigenschaft als erster norwegischer Pilgerbruder reiste er in Norwegen und ermunterte seine Mitgläubigen.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 hinterließ einen tiefen Eindruck. Viele Personen, die unser Predigen gehört hatten, kamen jetzt, um mehr über die Zukunft zu lernen, und baten um Literatur. Dadurch ergaben sich viele Gelegenheiten zum Zeugnisgeben, und im Jahresbericht für 1914 wurde festgestellt: „Seit dem Ausbruch des Krieges haben wir viele Gelegenheiten gehabt, die gute Botschaft bekanntzumachen ... Der Herr hat unsere gemeinsame Anstrengungen, das Werk zu fördern, gesegnet.“

Einige, deren Erwartungen für das Jahr 1914 zu groß gewesen waren, waren enttäuscht und wandten sich von der Wahrheit ab. Aber die meisten Brüder blieben treu. Heute wissen wir, daß ihre Annahme, die Heidenzeiten von 2 520 Jahren würden um den 1. Oktober 1914 ablaufen, richtig war. Das messianische Königreich begann damals im Himmel zu regieren. Eines der größten Ereignisse der Menschheitsgeschichte hatte stattgefunden, und die Brüder hatten das Vorrecht, sich an seiner Bekanntmachung zu beteiligen.

DAS PHOTO-DRAMA DER SCHÖPFUNG

Auch 1915 erwies sich als ein ereignisreiches Jahr, hauptsächlich weil der Film der Gesellschaft „Das Photo-Drama der Schöpfung“ gezeigt wurde. Es gab den Bibelbericht im Hinblick auf Gottes Vorsatz für die Erde und den Menschen wieder. Das ganze Projekt bestand aus Filmen und Lichtbildern, die mit Musikplatten und Phonographsprechplatten synchronisiert wurden.

Das Photo-Drama wurde zuerst in Kristiania vom 25. bis 28. Dezember 1914 gezeigt und war ein großer Erfolg. Während des Winters wurde es großen Menschenmengen in verschiedenen norwegischen Städten vorgeführt. An einigen Orten wurden vierspaltige Anzeigen in die Zeitungen gesetzt. In einer Stadt versuchten einige religiöse Lehrer die Vorführung zu verhindern. Der Polizeichef jedoch war sehr begeistert, als ihm und einigen Geistlichen ein Teil des Dramas vorgeführt wurde. So erlaubte er, daß es der Öffentlichkeit vorgeführt wurde. In einer anderen Stadt kamen so viele Leute, um das Drama zu sehen, daß die Polizei empfahl, die Brüder sollten eine Eintrittsgebühr verlangen, um die Menge in Grenzen zu halten, aber das taten sie nicht.

SCHWIERIGKEITEN TRETEN AUF

Während dieser Jahre hatte es einige Unstimmigkeiten in Verbindung mit Lindkvist und der Art und Weise, wie er das Werk in Norwegen leitete, gegeben. Dies beeinträchtigte zweifellos die Anstrengungen der Brüder und Schwestern. Jetzt wurde es offenbar, daß Lindkvist begonnen hatte, seinen eigenen Weg zu gehen. Die letzte norwegische Ausgabe der Volkskanzel im Jahre 1915 kündigte an, daß diese Publikation ihr Erscheinen im Jahre 1916 einstellen und daß Lindkvist beginnen würde, eine Zeitschrift mit dem Titel Ararat herauszugeben. Sie sollte sowohl Die Volkskanzel als auch den Wacht-Turm in Norwegisch ersetzen. Zusammen mit einem finnischen Mann, der Bruder Russells Beauftragter in Finnland gewesen war, begann Lindkvist eine eigene Bewegung, aber er hatte keinen Erfolg darin, die norwegischen Brüder zu veranlassen, sich ihm anzuschließen. Sie verstanden, daß dies nicht der Wille Gottes war. In einem offenen Brief an die beiden Männer, der im dänischen Wacht-Turm vom März 1916 erschien, traf Bruder Russell dieselbe Feststellung. Es wurde entschieden, daß Bruder Lüttichau, der Leiter des Werkes in Dänemark, vom Januar 1916 an die Gesellschaft auch in Norwegen vertreten sollte. Der finnische Bruder kam zu Gottes Organisation zurück und besuchte Norwegen später mehrere Male als Pilgerbruder, aber Lindkvist war gegangen, um niemals zurückzukehren.

DAS WERK REORGANISIERT

Wie bereits erwähnt, wurde das Zeugniswerk in Norwegen, beginnend mit Januar 1916, dem Büro der Gesellschaft in Dänemark unterstellt. Bruder Russell war jedoch der Meinung, daß das Werk in ganz Skandinavien von einem Büro aus geleitet werden sollte. Ein Grund dafür bestand darin, daß es durch den Weltkrieg für das Hauptbüro in Amerika schwer war, mit den Büros in anderen Ländern in Verbindung zu bleiben. Der dänische Wacht-Turm vom März 1916 enthielt daher die Bekanntmachung, daß August Lundborg, der das Werk in Schweden seit der Jahrhundertwende leitete, die Gesellschaft in ganz Skandinavien vertreten würde. Aus praktischen Erwägungen wurde jedoch ein norwegisches Depot für Literatur in Kristiania, Parkveien 60 eingerichtet, wo eine Schwester der Gesellschaft einen kleinen Raum in ihrer Wohnung zur Verfügung stellte.

Am 31. Oktober 1916 starb Bruder Russell, der erste Präsident der Gesellschaft. Vor seinem Tod hatte er einen neuen Dienstzweig empfohlen, um die Königreichsverkündigung zu fördern. Es war das „pastorale Werk“, das jetzt auch in Norwegen begann. Dieser Dienst bestand darin, interessierte Personen zu besuchen und ihnen Bücher auszuleihen. Zusätzlich wurde 1917 in Norwegen ein „Kolporteurfond“ eingerichtet. Dieser Fond sollte Kolporteuren helfen, ihre Reisekosten zu bestreiten. Joseph Franklin Rutherford, der am 6. Januar 1917 zum neuen Präsidenten der Watch Tower Society gewählt worden war, legte Nachdruck auf das „pastorale Werk“ und auf den Dienst der Kolporteure.

EINE KRITISCHE ZEIT FÜR GOTTES VOLK

Die Wahl eines neuen Präsidenten der Gesellschaft im Jahre 1917 führte zu einer schwierigen Zeit für die Organisation, da einige widerspenstige Männer im Hauptbüro gegen Rutherford zu arbeiten begannen. Sie versuchten, in Amerika und anderen Ländern Brüder dazu zu bringen, sich ihnen anzuschließen. Einige taten dies, aber die Mehrheit blieb treu.

Norwegen war von diesen Meinungsverschiedenheiten nicht ausgenommen. An einigen Orten wurden die Versammlungen in zwei Gruppen gespalten. Die Auswirkungen waren in Bergen und Trondheim besonders ernst. In Bergen blieben nur sieben Schwestern und ein Bruder von der ganzen Versammlung übrig. Andererseits bestanden in der Hauptstadt und in der Stadt Skien keine größeren Probleme. Zu dieser Zeit gab es etwa 150 Bibelforscher in Norwegen, und die meisten Brüder fuhren fort, mit der Gesellschaft zusammenzuarbeiten.

NEUE VORKEHRUNGEN UM DAS WERK ZU FÖRDERN

Von 1919 an hatte die Organisation wieder Frieden, und eine ausgedehnte Reorganisierung des Werkes begann. Der Weltkrieg war vorbei, und die Gesellschaft plante, zu den Vorkehrungen zurückzugehen, die in Skandinavien vor 1916 bestanden hatten, also einen Vertreter in jedem Land zu haben.

Die neue Vorkehrung wurde 1921 eingeführt. Bruder Lundborg sollte fortfahren, das Werk in Schweden und Finnland zu leiten. Bruder Lüttichau wurde wieder mit der Leitung des Werkes in Dänemark beauftragt. Zur gegebenen Zeit wurde entschieden, Enok Øman, einen schwedischen Bruder, der in Kristiania lebte, zum Beauftragten der Gesellschaft in Norwegen zu ernennen. Bruder Øman war seit 1911 Kolporteur in Schweden gewesen und war auf Veranlassung Bruder Rutherfords im Februar 1917 nach Norwegen gekommen, um sich der Arbeit im Büro, Parkveien 60, unter Bruder Lundborgs Aufsicht anzunehmen. Bruder Øman leitete das Predigtwerk in Norwegen vierundzwanzig Jahre lang, von 1921 bis 1945.

ZUSAMMENKÜNFTE UND KONGRESSE

In früheren Zeiten waren in jeder Versammlung „Älteste“ und „Diakone“ durch Handerheben gewählt worden. Die „Ältesten“ übernahmen die Führung bei den Zusammenkünften der Versammlung, und sie wurden von den „Diakonen“ unterstützt.

Bei den ersten dieser Zusammenkünfte wurden Auszüge aus Bruder Russells Büchern vorgelesen, und wenn Personen Kommentare oder Fragen hatten, hoben sie die Hand. Einige Zeit später wurden Zusammenkünfte eingerichtet, bei denen Fragen beantwortet wurden, die die Brüder auf ein Stück Papier geschrieben hatten.

Das Gebet war ein wichtiger Bestandteil aller Zusammenkünfte. Während der sogenannten Gebets- und Zeugnis-Versammlungen knieten alle Anwesenden nieder, und der Reihe nach konnte jeder ein Gebet sprechen und ein Zeugnis geben. Sowohl Brüder als auch Schwestern gaben dann ihrer Liebe zu Jehova und zur Wahrheit Ausdruck. Oftmals erzählten sie, wie sie die Wahrheit kennengelernt hatten, oder sagten einige Worte über eine interessante Schriftstelle. Bei allen Zusammenkünften wurde gesungen.

Öffentliche Vorträge waren nur in Versammlungen üblich, zu denen befähigte Brüder gehörten, und nur wenige betrachteten sich als geeignet, Vorträge zu halten. An vielen Orten wurden öffentliche Vorträge nicht vor der Einrichtung des Pilgerdienstes gehalten. Ja, erst nach 1919, als wir unseren ersten ständigen Pilgerbruder, Theodor Simonsen, erhielten, wurden regelmäßig öffentliche Vorträge gehalten.

Im Jahre 1916 wurde eine Broschüre mit „Beröerfragen“ zu jedem Absatz des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter (erster Band der Millennium-Tagesanbruch-Serie, später Schriftstudien genannt) herausgegeben und bei den Studien verwandt. Solche Studien waren auch vor dem Jahre 1916 anhand des Buches Die Stiftshütte, ein Schatten der wahren, besseren Opfer durchgeführt worden. Es war jetzt einfacher, diese Studien zu leiten. Während der folgenden Jahre wurde die ganze Schriftstudien-Serie mittels Fragen und Antworten in den „Beröerstudien“ studiert (Apg. 17:10, 11).

Eine neue und sehr wichtige Zusammenkunft wurde 1922 organisiert, als Fragen für den Hauptartikel des Wacht-Turms gedruckt wurden. Im Grunde genommen wurde dieses Studium genauso durchgeführt wie heute. Die sogenannten Zeugnis-Versammlungen entwickelten sich im Laufe der Zeit zu den Dienstzusammenkünften von heute.

Jedes Jahr versammelten sich die Brüder zu einem oder mehreren Kongressen, von denen die meisten in Kristiania abgehalten wurden. Am Anfang wurden die Kongresse in Norwegen gewöhnlich im Zusammenhang mit Besuchen reisender Vertreter der Gesellschaft organisiert. Vor dem Jahre 1920 waren wenige norwegische Brüder befähigt, auf Kongressen zu sprechen. Daher wurden die meisten Vorträge von ausländischen Brüdern gehalten, besonders von schwedischen und dänischen. Der letzte Teil des Programms bestand gewöhnlich aus einer Vortragsfolge, das heißt, mehrere Brüder hielten kurze Ansprachen über verschiedene Gesichtspunkte eines gewissen Themas. Diese Vorträge wurden oft von Brüdern gehalten, die darin noch nicht so geübt waren. Auf diese Weise konnten sie sich die notwendige Erfahrung aneignen. Vom Jahre 1920 an hielten hauptsächlich norwegische Brüder Vorträge auf den Kongressen.

„MILLIONEN JETZT LEBENDER WERDEN NIE STERBEN“

Im Jahre 1920 startete die Gesellschaft einen weltweiten Vortragsfeldzug. Der Vortrag hatte das Thema „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“. Dieser Feldzug dauerte mehrere Jahre und erregte große Aufmerksamkeit.

Am 4. Dezember 1920 kam A. H. Macmillan vom Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn nach Kristiania, um einen Vortrag zu halten. Es wurden Anzeigen in die Zeitungen gesetzt, und die Brüder mieteten das Auditorium der Universität im Zentrum der Hauptstadt. Das Auditorium hatte 700 Sitzplätze, aber als es anläßlich des Vortrages von Bruder Macmillan gefüllt war, standen noch genauso viele Leute draußen. Bruder Øman, der am Eingang stand, stieg auf eine Kiste und rief: „Wenn Sie in einer anderthalben Stunde wiederkommen, wird Macmillan den Vortrag nochmals halten!“ Nach dem Vortrag strömten die Leute wieder herein, und Bruder Macmillan sprach nochmals vor einem besetzten Auditorium. Danach verbreiteten die Brüder das Millionen-Buch in Dänisch-Norwegisch. Es wurde großes Interesse gezeigt, und viele Bücher konnten abgegeben werden.

Bruder Macmillan reiste auch in andere Städte und sprach jeweils zu einer großen Zuhörerschaft. Die Brüder kündigten die Vorträge an, indem sie Einladungen verteilten. Während mehrerer Jahre wurden die Millionen-Vorträge und andere an vielen Orten in Norwegen von norwegischen Brüdern an sogenannten „Feldzugstagen“ gehalten. Durch diese Vorträge wurde ein Zeugnis gegeben, und die Königreichsverkündiger wurden ermuntert, die Vorträge zu unterstützen und sich an der Bekanntmachung zu beteiligen.

Nichtsdestoweniger machte das Zeugniswerk in Norwegen und im übrigen Skandinavien nicht so schnell Fortschritte wie in anderen Teilen der Welt. Einige Brüder benötigten mehr Zeit, um den Nutzen der Verkündigung der guten Botschaft von Haus zu Haus zu erkennen. Diesen Dienst hatten hauptsächlich die Kolporteure verrichtet.

Doch jetzt schlossen sich jüngere Menschen der Versammlung an. Auf dem Kongreß in Kristiania im Jahre 1924 wurden ungefähr fünfundzwanzig neue Brüder und Schwestern getauft — eine große Zahl für die damalige Zeit. In den folgenden Jahren wurde von diesem freudigen Anlaß als von der „großen Taufe“ gesprochen.

EINE TÄTIGE ORGANISATION

Das Jahr 1925 erwies sich als sehr ereignisreich. Vom 23. bis 26. Mai wurde ein Kongreß in Örebro (Schweden), wo sich das schwedische Zweigbüro der Gesellschaft befand, abgehalten. Brüder aus ganz Skandinavien wurden zu diesem Kongreß eingeladen, und Bruder Rutherford war anwesend. Über fünfhundert besuchten den Kongreß, und etwa dreißig Norweger kamen mit dem Zug von Oslo in einem reservierten Eisenbahnwagen. Beiläufig bemerkt, wurde Oslo im Jahre 1925 der neue Name der Hauptstadt Norwegens.

Dieser Kongreß machte Geschichte, denn er leitete eine neue Epoche für Gottes Volk in ganz Skandinavien ein. Am Montag, dem 25. Mai, machte Bruder Rutherford bekannt, daß ein nordeuropäisches Büro in Kopenhagen gegründet werden sollte. Dieses Büro würde sich des Predigtwerkes in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Lettland, Litauen und Estland annehmen. Es wurde bekanntgegeben, daß Bruder William Dey aus London das Werk beaufsichtigen würde, und die Brüder gaben ihrer Freude über diese Vorkehrung Ausdruck. Daneben würde es noch einen Leiter in jedem Land geben, und Bruder Enok Øman trug weiterhin die Verantwortung im norwegischen Büro. Diese neue Einrichtung hatte den Segen Jehovas, denn eine unvergleichliche Zeit christlicher Tätigkeit folgte.

„DAS GOLDENE ZEITALTER“

Seit dem Jahre 1916, als das Predigtwerk in Norwegen der Aufsicht des Büros in Schweden unterstellt wurde, war sehr wenig Literatur der Gesellschaft in Norwegisch oder Dänisch-Norwegisch gedruckt worden. In Norwegen wurde hauptsächlich dänische Literatur verwandt, aber die Brüder erwarben auch Publikationen in Schwedisch für ihren eigenen Gebrauch. Sie lasen die dänische Ausgabe des Wacht-Turms, und das viele Jahre lang. Seit 1916 waren nur drei gebundene Bücher der Gesellschaft in Dänisch herausgegeben worden, nämlich der sechste und der siebente Band der Schriftstudien (1917 und 1919) und Die Harfe Gottes (1922).

Ein sehr wichtiger Schritt vorwärts wurde im März 1925 getan, als die Gesellschaft begann, Das Goldene Zeitalter in Norwegisch herauszugeben. Die Zeitschrift hatte sechzehn Seiten. Von 1936 an wurde die norwegische Ausgabe Ny Verden („Die neue Welt“) genannt; sie hatte zwanzig Seiten.

Das Goldene Zeitalter fand eine weite Verbreitung in Norwegen und auch in Dänemark, wo die norwegische Ausgabe bis zum Jahre 1930 benutzt wurde. Die Brüder nahmen viele neue Abonnements auf diese Zeitschrift auf. Im Jahre 1936 zum Beispiel hatten in Norwegen 485 Personen den Wachtturm abonniert, während der Bericht über Das Goldene Zeitalter (Ny Verden) 6 190 Abonnenten aufwies. 1938 hatte die Zeitschrift Trost (Ny Verden) 10 000 Abonnenten, so viele, wie die norwegische Ausgabe der Nachfolgezeitschrift Erwachet! heute hat.

AUSDEHNUNG IM NORWEGISCHEN BÜRO

Das Jahr 1925 erwies sich auch als denkwürdig für die Arbeit im norwegischen Zweigbüro. Zu dieser Zeit kaufte die Gesellschaft ein dreistöckiges Gebäude, einige Blocks von dem Büro, Parkveien 60, entfernt. Die Adresse war Inkognitogaten 28 B. Ein Bruder, der etwas Geld geerbt hatte, kaufte das Haus und verkaufte es dann für 10 000 bis 15 000 norwegische Kronen weniger, als er dafür bezahlt hatte, an die Gesellschaft. Auf diese Weise erhielt die Gesellschaft ihr eigenes Haus und war nicht mehr auf den geringen Platz in der Parkveien begrenzt, wo sich das Büro seit 1916 befand.

Es war gut, daß das Büro mehr Raum erhielt. Bruder Øman hatte die meiste Arbeit in Verbindung mit dem Zweig selbst getan, aber die Ausdehnung der Predigttätigkeit nach dem Jahre 1925 erforderte mehr Hilfe im Büro. Das Goldene Zeitalter mußte übersetzt und an die Abonnenten versandt werden. Im Büro wurden mehr Leute benötigt, und deshalb wurde die Bethelfamilie um zusätzliche Glieder erweitert.

Der Keller des neuen Gebäudes wurde als Literaturlager verwandt. In den folgenden Jahren kamen große Büchersendungen aus der Druckerei der Gesellschaft in Magdeburg. Die Gesellschaft benutzte jedoch nicht das ganze Haus. Verschiedene Mieter hatten Schwierigkeiten, andere Wohnungen zu finden, und so waren einige Räume noch von diesen Leuten bewohnt. Am Anfang wohnten nur wenige Glieder der Bethelfamilie in dem neuen Haus. Die Anschrift des Büros war immer noch Parkveien 60. Aber im Jahre 1930 zogen das Büro und die übrigen Glieder der Bethelfamilie in das eigene Haus der Gesellschaft. Zu dieser Zeit arbeiteten acht Brüder und Schwestern im Zweigbüro. Und seit jenem Jahr befindet sich das Büro der Gesellschaft in Norwegen in diesem Haus.

VEREINTE ANSTRENGUNGEN

William Dey, der Hauptleiter des nordeuropäischen Büros der Watch Tower Society, drängte das Zeugniswerk voran. Im September und Oktober 1925 reiste er in Norwegen und organisierte den Dienst in den Versammlungen in Übereinstimmung mit den Anweisungen vom Hauptbüro der Gesellschaft. In diesem Jahr erhielten die Brüder in Norwegen zum erstenmal das Bulletin (jetzt: Unser Königreichsdienst). Es gab nützlichen Rat über die Verkündigung der guten Botschaft und enthielt Ermunterungen, am Predigtdienst teilzunehmen.

Von 1927 an wurden die „Feldzugstage“, an denen man Vorträge gehalten hatte, in „Feldzugswochen“ von neun Tagen umgewandelt, an denen Predigtdienst verrichtet wurde. Außerdem begann in jenem Jahr der Haus-zu-Haus-Dienst an den Sonntagen. Die Pilgerbrüder erhielten jetzt eine wichtige neue Arbeit. Sie sollten nicht nur Vorträge halten, sondern auch den Versammlungen helfen, den Predigtdienst zu organisieren, und selbst die Führung in diesem Werk übernehmen. Es gab nur einen ständigen norwegischen Pilgerbruder, aber er wurde sehr gut von vielen befähigten Brüdern aus Schweden und Dänemark unterstützt.

Der Jahresbericht für 1926 zeigte, daß 120 Personen regelmäßig am Dienst teilgenommen hatten und daß 14 „Klassen“ oder Versammlungen für den Dienst organisiert worden waren. Sie hatten 8 830 gebundene Bücher und 43 650 Broschüren verbreitet, dazu 269 500 Resolutionen und Traktate. Diese Ergebnisse waren weit besser als in früheren Jahren. Es war offensichtlich, daß die Brüder begannen, ihr Vorrecht des Dienstes zu schätzen.

BEDEUTUNGSVOLLE BROSCHÜRENFELDZÜGE

Viele Brüder zeigten großen Eifer in den Predigtdienst-Feldzügen und verbreiteten viele Broschüren wie Freiheit für die Völker. In Oslo, der Hauptstadt, mieteten die Brüder sonntags einen Bus und fuhren in die Landgebiete, wo sie sich den ganzen Tag dem Predigtdienst widmeten. Während der Woche gingen sie in der Stadt von Haus zu Haus. Einige gaben auch in Restaurants und Cafés Zeugnis. Der Preis für eine Broschüre betrug nur 10 Öre, aber wenn jemand keinen Beitrag leisten konnte, erhielt er sie kostenlos.

Ein Bruder erzählt: „Ich ging in die ,Dampfküche von Kristiania‘ [ein Café]. Der Raum war voller Leute, die an langen Tischen saßen. Ich rief aus: ,Freiheit für die Völker! Zehn Öre! ...‘ Jeder nahm Broschüren. Sonntags ging ich durch Studenterlunden [ein Stadtteil von Oslo], wo Leute auf den Bänken saßen. Jeder nahm Broschüren. In großen Wohnhäusern klingelte ich gleichzeitig an den Türen aller Wohnungen eines Stockwerks, und jeder kam mit 10-Öre-Stücken heraus. Ich hatte meine Tasche voller Broschüren und war in der Lage, dreißig bis vierzig ,kleine Bücher‘, wie wir sie nannten, innerhalb einer Stunde zu verbreiten.“

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Brüder an die Arbeit gingen. Ein befähigter „Klassenarbeiter“ konnte 1 000 Broschüren in einer Woche verbreiten. Diese Feldzüge, die 1928 und 1929 durchgeführt wurden, waren für die Brüder in Norwegen sehr anregend. Die Broschürenverbreitung half vielen, den Dienst von Haus zu Haus aufzunehmen.

ALS ZEUGEN JEHOVAS DIENEN

Die Brüder fuhren während der Jahre 1930 bis 1935 trotz wirtschaftlichen Drucks, Arbeitslosigkeit, Streiks und Unsicherheit in der Welt mit großem Eifer fort, im Dienst zu arbeiten. Es gab nicht viele Königreichsverkündiger in Norwegen — nur etwa zweihundert. Aber Jehova segnete ihre Arbeit.

Wie passend war es doch, daß Jehova ihnen einen Namen gab, der sie klar als seine Zeugen kennzeichnete! Während eines Kongresses in Columbus (Ohio, USA) im Juli 1931 wurde eine Resolution angenommen und damit auch der neue Name „Jehovas Zeugen“ (Jes. 43:10-12). Auf einem Kongreß, der vom 29. August bis zum 1. September 1931 in Oslo durchgeführt wurde, nahmen auch die norwegischen Brüder diesen Namen an.

Um die ganze Welt von dem neuen Namen, den Gottes Volk angenommen hatte, klar zu unterrichten, wurde die Resolution in der Broschüre Das Königreich, die Hoffnung der Welt abgedruckt. Diese Broschüre wurde im Jahre 1932 in Norwegisch herausgegeben und im März desselben Jahres in einem großen Feldzug verbreitet. Die Brüder überbrachten die Broschüre in einem geschlossenen Umschlag allen prominenten Personen — Politikern, Geistlichen, Ärzten und Lehrern. Sie wurde auch Haakon VII., dem König von Norwegen, überreicht.

AKTIVE VERSAMMLUNGEN

Viele der größeren Versammlungen organisierten an den Wochenenden Predigtdienstreisen. Eifrige „Arbeiter“ reisten in Bussen, Lastwagen und Privatwagen in die nächsten Städte und Landgebiete. An vielen Fahrzeugen war der Name „Jehovas Zeugen“ in großen Buchstaben angebracht. Auch öffentliche Vorträge wurden gehalten.

Die Versammlung Oslo mietete Busse und reiste in Städte, die bis zu 120 km entfernt waren. Die Königreichsverkündiger bestiegen die Busse früh am Morgen. Etwa um neun oder zehn Uhr hatten sie den Bestimmungsort erreicht, und jedem wurde ein großes Gebiet zugeteilt. Den ganzen Tag — sieben oder acht Stunden lang — gingen sie von Haus zu Haus, und später wurden sie mit dem Bus für die Heimreise wieder abgeholt. Nach solchen Wochenenden gab es viele Blasen an den Füßen, aber das dämpfte gewiß nicht den christlichen Eifer.

Während vieler Jahre wurden sowohl im Sommer als auch im Winter solche Reisen organisiert. Oftmals waren sie die Höhepunkte einer Feldzugswoche. Es folgt ein Beispiel über die Ergebnisse, die in einem neuntägigen Feldzug erreicht wurden. 6. bis 14. Oktober 1935: In Oslo beteiligten sich 76 Verkündiger und berichteten 1 291 Stunden, 4 637 Empfänger, 52 Bücher, 13 313 Broschüren, 13 Abonnements und 66 Zeitschriften. Das war pro Verkündiger ein Durchschnitt von ungefähr 17 Stunden und 177 Exemplaren an Literatur in neun Tagen!

Nach solchen Feldzügen kamen die Brüder größerer Versammlungen zusammen, um ein „Berichtsfest“ am Zusammenkunftsort der Versammlung zu feiern. Alle gaben ihre Berichte ab, und die Ergebnisse wurden mit großer Freude bekanntgegeben. Einige erzählten ihre Erfahrungen, die sie während des Feldzuges gemacht hatten. Dann gab es Kaffee und Kuchen. Das Zusammensein stellte einen guten Kontakt zwischen den Brüdern her und trug dazu bei, den Fortschritt der Wahrheit allen bekanntzumachen.

Damals besaßen nur wenig Leute ein Auto. Deshalb benutzten die Brüder an vielen Orten Fahrräder im Dienst. Besonders in der Versammlung Bergen wurde das Fahrrad gut eingesetzt. Eifrige Verkündiger begaben sich an den Wochenenden mit Fahrrädern außerhalb der Stadt. Oft fuhren sie in Gruppen los, beladen mit Büchertaschen und Kartons, um die Landgebiete zu bearbeiten. Während der Ferienzeit reisten einige wochenlang an der Westküste und an den Fjorden entlang, oder sie fuhren in die Landgebiete im Landesinneren. In und um Norwegens zweitgrößte Stadt waren die Brüder eifrig tätig, und die Versammlung wuchs sehr schnell. Im Jahre 1940 gab es in der Versammlung Bergen 80 Verkündiger.

Das Schiff erwies sich als ein nützliches Transportmittel für Jehovas Zeugen entlang der langen Küste Norwegens. Einige Brüder kauften in den 1930er Jahren Motorboote und benutzten sie im Zeugniswerk. In Narvik (wo seit etwa 1905 eine Gruppe von Christen bestand) gab es acht oder zehn Verkündiger. Während des Sommers fuhren die Brüder sonntags mit dem Motorboot hinaus. Einmal im Jahr wurde ein kleiner Kongreß für die Versammlung Narvik und die Brüder aus dem nördlichen Teil Schwedens abgehalten. Sie mieteten ein Fischerboot und benutzten es für den Dienst, indem sie Orte, die bis zu 200 km von Narvik entfernt lagen, besuchten. Hier, im nördlichen Teil des Landes, gab es zur damaligen Zeit nur wenige Straßen, und viele Orte hatten keine Fähren. Daher war das Boot das einzige Transportmittel. Auf diese Weise verkündigte die im Lande am weitesten nördlich gelegene Versammlung die gute Botschaft vom Königreich nördlich des Polarkreises.

DIE EIFRIGE TÄTIGKEIT DER PIONIERE

Obwohl die Versammlungen in Norwegen taten, was sie konnten, um die Wahrheit zu verbreiten, gab es zahlreiche Orte im Land, die sie nicht erreichen konnten. In vielen Städten existierten keine Versammlungen. Außerdem lebten damals etwa 60 Prozent der Bevölkerung — ungefähr zwei Millionen Menschen — in den Landgebieten im östlichen Teil Norwegens. Viele Bauernhöfe, Weiler und ländliche Siedlungen in den westlichen und nördlichen Landesteilen waren praktisch von der übrigen Welt abgeschnitten. Nur zehn Prozent der Fjorde konnten auf dem Landweg erreicht werden, und zu vielen Inseln gab es keine Fährverbindungen. Dort arbeiteten die Kolporteure oder Pioniere.

Von der Mitte der 1920er Jahre an belief sich die Zahl der Kolporteure auf etwa 10, einschließlich der Hilfspioniere, die nicht ihre ganze Zeit im Dienst verwendeten. Als aber die Zahl der Königreichsverkündiger im Jahre 1938 auf 430 anstieg, stieg auch die Zahl der Pioniere und Hilfspioniere auf 50 an. Daher begann die Arbeit der Pioniere wirklich in Erscheinung zu treten.

Zu jener Zeit konzentrierten sich die Pioniere auf die Verbreitung der Literatur. Sie legten nicht soviel Nachdruck auf Rückbesuche und führten keine Heimbibelstudien durch. Daher hielten sie sich nicht sehr lange an einem Ort auf, sondern bearbeiteten das Gebiet mit Literatur und reisten weiter.

Viele Pioniere arbeiteten sehr hart. Betrachte als Beispiel Bruder Bernhard Risberg, der in den 1930er Jahren Pionier war. Nachdem er den ganzen Tag gepredigt hatte, bat er jemanden um eine Schlafgelegenheit, und die Leute erwiesen ihm oft Gastfreundschaft, indem sie ihn in einem Bett oder in der Scheune schlafen ließen. Zwei Jahre lang bearbeitete er den Sognefjord, einen der längsten Fjorde der Welt. Im Gebiet dieses Fjords mit seinen vielen Nebenarmen trug er seine Büchertasche die steilen Berghänge hinauf und hinunter und verkündete die gute Botschaft.

Nach zwei Jahren war Bruder Risberg in der Lage ein altes Fahrrad zu kaufen. Jetzt wurde das Reisen leichter für ihn. Bald kaufte er ein Transportrad, ein Zelt und einen Schlafsack. Er war in der Lage, drei oder vier Kartons mit Büchern auf seinem Fahrrad zu transportieren. Mit dieser Ausrüstung reiste er umher und verbreitete die Königreichsbotschaft.

Bruder Risberg begann um fünf oder sechs Uhr morgens in den Scheunen mit dem Zeugnisgeben und predigte während des ganzen Tages bis weit in die Nacht hinein, wobei er nur kurze Pausen für seine Mahlzeiten einlegte. In einem Monat arbeitete er vierhundert Stunden — ein Durchschnitt von mehr als dreizehn Stunden pro Tag! Im Winter setzte er nicht soviel Zeit im Predigtdienst ein, aber er verbrachte oft zwischen zweihundert und zweihundertfünfzig Stunden damit, anderen von der guten Botschaft zu erzählen. Auf diese Weise verwendeten Bruder Risberg und andere eifrige Pioniere die besten Jahre ihres Lebens im Dienste Jehovas Gottes.

Nach 1930 hielten sich auch sechs oder sieben ausländische Pioniere für einige Zeit in Norwegen auf, unter ihnen ein pensioniertes englisches Ehepaar, das mit einem Auto und einem Wohnwagen im Lande umherreiste. Einige sagten, daß dies der erste Wohnwagen war, der in Norwegen gesehen wurde. Bruder und Schwester Hollis gehörten zu den ersten Pionieren, denen verboten wurde, ohne Genehmigung Literatur bei den Leuten abzugeben. Der Grund dafür war ein neues Handelsgesetz. Während jener Zeit (1932) arbeiteten die beiden Pioniere mit der Broschüre Das Königreich, die Hoffnung der Welt. Als die Polizei einschritt, bestellten sie mehrere tausend Broschüren bei der Gesellschaft und gaben sie kostenlos ab. Die Polizei verbot auch, die Broschüren kostenlos zu verbreiten, aber zu dieser Zeit war die Arbeit schon fast getan.

Viele Pioniere machten Erfahrungen dieser Art. Auch wurde ein Polizist zum Beauftragten der Gesellschaft in Oslo gesandt, um ihn zu veranlassen, den Pionieren Einhalt zu gebieten. Nach einiger Zeit wurde der Fall jedoch ohne gerichtliche Schritte fallengelassen, und die Pioniere setzten ihre Arbeit fort. Manchmal wurden sie von der Polizei verhört, wenn einige religiöse Fanatiker, die das Predigen des Königreiches unterbinden wollten, sie bei den Behörden anzeigten.

MIT DEM BOOT DIE KÜSTE ENTLANG

Einige Pioniere reisten mit dem Boot die Küste entlang und verbreiteten dort die gute Botschaft. Im Jahre 1928 kaufte die Gesellschaft ein kleines Lotsenboot und baute es für zwei Brüder um, die von Oslo aus entlang der Küste im südlichen Teil des Landes Kolporteurarbeit verrichteten. Die Brüder begannen im Dezember und fuhren mit dem kleinen Boot „Elihu“ an der Westseite des Oslofjords entlang, obwohl der Fjord starken Eisgang hatte. Während des ersten Monats besuchten sie viele Städte und dichtbesiedelte Gebiete und verbreiteten etwa achthundert Bücher und Broschüren. In einer dunklen, stürmischen Februarnacht jedoch zerschellte „Elihu“ an der Küste. Das Boot war zerstört, aber die Brüder kamen sicher ans Ufer.

Im Jahre 1931 kaufte die Gesellschaft ein neues Motorboot. Sein Name war „Esther“. Es war etwa zwölf Meter lang und hatte Platz für drei Pioniere, obwohl es praktischer war, wenn die Besatzung nur aus zwei Mann bestand. Die „Esther“ wurde an der Westküste und in Nordnorwegen bis 1938 eingesetzt. Dann wurde das Schiff durch das zehn Meter lange Motorboot „Ruth“ ersetzt. Die „Ruth“ hatte ebenfalls zwei Brüder an Bord und wurde hauptsächlich in Nordnorwegen eingesetzt.

Die Brüder auf diesen Booten leisteten sehr gute Arbeit entlang der norwegischen Küste. In einem Jahr konnten sie 10 000 bis 15 000 Broschüren verbreiten. Sie besuchten viele kleine Inseln und Leuchttürme, wo Leute wohnten, und sprachen auch zu den Lappen im Norden. Ausgerüstet mit Büchertaschen, Grammophonen und Rucksäcken, machten sie die gute Botschaft an abgelegenen Orten in den Bergen bekannt. Sie waren sehr viel unterwegs, da die Häuser über ein weites Gebiet verstreut waren. So konnten sie an einigen Tagen oft nur wenige Wohnungen besuchen. Es ereigneten sich auch Unfälle. Mehrere Male erlitten sie Schiffbruch. Die Brüder überlebten jedoch, und die Boote wurden wieder repariert.

Einmal besuchten die beiden Brüder, die mit dem Boot „Esther“ unterwegs waren, einen Ort im Norden Norwegens, wo es von den Leuten hieß, sie würden in Übereinstimmung mit Russells und Rutherfords Büchern leben. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung war an der Wahrheit interessiert. Die Kirchen standen leer, und etwa 95 Prozent der Bevölkerung hatten einige der Publikationen der Gesellschaft gelesen.

GRÖSSERE SORGE UM DIE INTERESSIERTEN

Ein wichtiger Schritt wurde im Januar 1939 unternommen, als der Zonendienst in Norwegen organisiert wurde. Das Land teilte man in vier Zonen auf. In jeder Zone sollte ein Zonendiener reisen. Er würde Leute besuchen, die Interesse an der Wahrheit gezeigt hatten, und bemüht sein, neue Gruppen und Versammlungen zu gründen. Natürlich besuchte er auch die bereits bestehenden Versammlungen, um die Mitgläubigen zu ermuntern.

Die Zone Nummer 4 war die größte. Sie umfaßte das Gebiet von der kleinen Stadt Florø an der Westküste bis zum Seehafen Kirkenes im Norden an der finnischen Grenze — eine Entfernung von 1 810 km entlang der Küste. In dieser Zone gab es nur drei kleine Versammlungen, und fünfzehn Verkündiger berichteten über ihre Tätigkeit.

Es war Winter (Januar 1939), als Bruder Andreas Kvinge als Zonendiener für die Zone 4 seine erste Reise in den Norden begann. Er und seine Frau fuhren mit Fahrrädern. Einmal hatten sie Besuche an zwei Orten in den abgelegenen Wäldern nahe der schwedischen Grenze zu machen. Auf den Straßen war der Schnee noch nicht geräumt. Daher mußten die Leute auf Pferden reiten, und die Pferde trugen Schneeschuhe, um sich den Weg über die Hochebenen zu bahnen. Bruder und Schwester Kvinge schickten ihre Literatur voraus und kamen später zu Fuß mit ihren Fahrrädern nach. Um gewisse Orte zu erreichen, lieh sich Bruder Kvinge Schier, und er verbrachte den ganzen Tag, nur um zu zwei oder drei Häusern zu gelangen. Eines Abends wollte niemand den Kvinges Unterkunft für die Nacht gewähren. So überschritten sie die Grenze nach Schweden, wo ihnen jemand eine Schlafstelle anbot. Schwester Kvinge war so müde, daß ihr Mann sowohl sie als auch die Büchertaschen den letzten Teil des Weges tragen mußte. Ein anderes Mal gingen sie die ganze Nacht bei Temperaturen unter Null umher, weil ihnen niemand eine Schlafstelle anbieten wollte.

Aber die Kvinges machten auch viele freudige Erfahrungen. An einem Ort trafen sie eine kleine Gruppe von Königreichsverkündigern, die bereits mehrere Jahre gepredigt hatten, ohne über ihren Predigtdienst zu berichten. Mehrere neue Versammlungen und Verkündigergruppen wurden gegründet, und Brüder in abgelegenen Gebieten wurden ermuntert. Wirklich, der Zonendienst hatte den Segen Jehovas!

Die Zeit war gekommen, Interessierten größere Aufmerksamkeit zu widmen. Dieser Dienstzweig sollte in den folgenden Jahren von besonderer Bedeutung sein, denn die Königreichsverkündiger in Norwegen würden unter ganz anderen Umständen arbeiten müssen. Am 9. April 1940 drangen die Deutschen in Norwegen ein, und das Land mußte die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges verspüren.

DER ERSTE SCHOCK

Die Invasion der Deutschen in Norwegen am 9. April 1940 erfolgte plötzlich. Schlachtschiffe leiteten den Beginn des Angriffs ein. Große Truppenkontingente wurden an den wichtigsten Seehäfen an Land gesetzt, und diese wurden im Verlauf des Tages besetzt. Da Norwegen militärisch schlecht vorbereitet war, trafen die Deutschen im großen und ganzen nur auf geringen Widerstand. Bald schlossen sich britische und französische Truppen den Norwegern im Kampf an, aber nach ungefähr drei Wochen mußten die Alliierten den südlichen Teil Norwegens aufgeben. Im nördlichen Teil des Landes, wo am härtesten gekämpft wurde, ging der Kampf bis zum 10. Juni weiter, dann kapitulierte die letzte norwegische Division. Mehrere Städte und Orte in West- und Nordnorwegen wurden stark bombardiert, und eine Anzahl von Städten lag in Trümmern. Die militärische Aktion dauerte rund 60 Tage.

Am schlimmsten war die Zerstörung im nördlichen Teil Norwegens. Obwohl an Zahl gering, ertrugen die Brüder die Zustände recht gut. In Narvik verließen sie die Stadt, als die Bombardierung und das Schießen begann. Einige blieben eine Zeitlang an Bord der „Ruth“, des Motorschiffs der Gesellschaft, das, solange der Kampf andauerte, in einem Fjord außerhalb der Stadt bleiben mußte. Als es auf dem Boot nicht mehr sicher war, fanden die Brüder einen Platz unter einigen großen Steinblöcken an einem Berghang. Narvik wurde völlig zerstört, und zwei Brüder wurden getötet, einer durch eine Granate. Eine Familie verlor ihr Haus und ihr ganzes Besitztum. In Bodø, Fauske, Namsos und Steinkjer wurden auch die meisten Gebäude zerstört, aber alle Brüder überlebten. Eine ganze Anzahl jedoch hatte all ihr Besitztum verloren. Überall waren Straßen und Brücken zerstört, ganze Siedlungen waren dem Feuer zum Opfer gefallen, und die Straßen sahen aus wie Autofriedhöfe. Nachdem die Kämpfe aufgehört hatten, reiste Bruder Kvinge, der Zonendiener, umher, um die Brüder in der ganzen Zone zu ermuntern.

In der Zwischenzeit war Bruder Øman, der Leiter des Werkes in Norwegen, von der Gestapo (Geheime Staatspolizei des nationalsozialistischen Regimes) eingesperrt worden. Eine ganze Woche lang wurde er im Gefängnis des Polizeipräsidiums in Oslo festgehalten, aber nach einem kurzen Verhör ließ man ihn frei. Einige Wochen später wurde er unter dem Verdacht, für den englischen Geheimdienst tätig zu sein, erneut verhört. Das Verhör dauerte ohne Unterbrechung sechseinhalb Stunden, und danach wurde Bruder Øman wieder freigelassen. Bei beiden Gelegenheiten wurde er höflich behandelt, und es wurde ihm nicht gesagt, daß das Werk der Zeugen Jehovas verboten sei oder eingestellt werden müßte.

Die Brüder hatten befürchtet, die Deutschen würden die Predigttätigkeit sofort verbieten und die norwegischen Zeugen Jehovas genauso behandeln wie ihre deutschen Brüder. Aber diese Befürchtung erwies sich als unbegründet. Als daher der erste Schock vorbei war, wurde die Verkündigung der guten Botschaft mit voller Kraft wiederaufgenommen.

NEUEN HÖHEPUNKTEN ENTGEGEN

Unter der Aufsicht der Gesellschaft begann jetzt eine lebhafte Tätigkeit. Niemand wußte, wie lange die Durchführung unseres Werkes noch erlaubt sein würde. Daher war es notwendig, soviel wie möglich von der Literatur, die sich im Lager der Gesellschaft befand, unter die Brüder und die Öffentlichkeit zu verteilen. Der Dienst wurde besonders intensiv mit dem Buch Rettung durchgeführt, das erst kurz vorher in Norwegisch freigegeben worden war (1940). Bald waren alle Bücher der ersten Auflage versandt, und eine neue Auflage in broschierter Form wurde in Oslo gedruckt. Wegen des Krieges war es unmöglich, Literatur von Übersee zu beziehen, aber einige Einzelexemplare von neuen Broschüren, die die Gesellschaft in den Vereinigten Staaten herausgegeben hatte, gelangten schließlich auch in das besetzte Norwegen und wurden hier übersetzt und gedruckt. Nach dem April 1940 wurde eine ganze Anzahl solcher Broschüren in Norwegen gedruckt.

Nachdem der Krieg tiefe Schatten auf das Land geworfen hatte, hörten die Leute noch aufmerksamer auf die gute Botschaft. Viele hatten ein echtes Bedürfnis nach einer Botschaft des Trostes und der Hoffnung. Die Brüder taten, was sie konnten, um dieses Verlangen zu stillen. Die Versammlung Oslo unternahm weiterhin ausgedehnte Busreisen in Nachbarstädte und Landgebiete, wo große Mengen Literatur verbreitet wurden. Auch die Pioniere verschwendeten ihre Zeit nicht. Eine Pionierschwester verbreitete in einem Tal im östlichen Teil des Landes zwischen achthundert und neunhundert Bücher in zwei Monaten.

Im ganzen Land wuchs das Interesse. Viele Neue nahmen den Dienst auf und wurden Königreichsverkündiger. Eine wesentliche Voraussetzung dafür bildeten die vielen neuen Heimbibelstudien, die damals „Musterstudien“ genannt wurden. Von der Möglichkeit zusammenzukommen wurde reger Gebrauch gemacht, und an mehreren Orten wurden Kongresse durchgeführt. Zur großen Freude der Brüder erhielten sie den dänischen Wachtturm weiter aus Dänemark, und die Zeitschrift Trost wurde nach wie vor in Norwegen herausgegeben.

Die Berichte aus dieser Zeit zeigen, wie rege die Tätigkeit war: Von Oktober 1940 bis Juni 1941 wurden 272 419 Bücher und Broschüren verbreitet. Während des Dienstjahres 1939/40 nahmen durchschnittlich 377 Verkündiger am Predigtdienst teil. Aber im Mai 1941 belief sich die Zahl der Verkündiger auf 477. Die Brüder waren in der Tat sehr überrascht, daß die deutschen Behörden nicht versuchten, das Werk zu verbieten.

EINE SORGFÄLTIG GEPLANTE AKTION

Tatsache war jedoch, daß die Nationalsozialisten schon sehr früh Pläne gemacht hatten, um gegen die Internationale Bibelforscher-Vereinigung einzuschreiten. Bereits im Sommer 1940 waren Vorschläge unterbreitet worden, um die Literatur der Gesellschaft zu verbieten. Das geschah aber nicht; denn man nahm an, eine solche Aktion würde unsere Tätigkeit nur in einem gewissen Maß beeinträchtigen, den Brüdern als Warnung dienen und ihnen Gelegenheit geben, Literatur aus dem Ausland zu beziehen. Statt dessen begann die deutsche Sicherheitspolizei (Sipo), umfassendes Material über die Größe und Tätigkeit der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung in Norwegen zusammenzutragen. Agenten der deutschen Polizei kamen in das Büro der Gesellschaft, um sich Literatur zu beschaffen, und Bruder Øman wurde mehrmals verhört.

Die erste Auswirkung dieser Aktion bestand darin, daß das Buch Feinde (im Jahre 1939 in Norwegisch herausgegeben) wegen gewisser Bemerkungen über den Faschismus und den Nationalsozialismus beschlagnahmt wurde. Das geschah im Herbst des Jahres 1940. Der Lagerbestand der Gesellschaft wurde jedoch nicht eingezogen. Daher wurden mehrere hundert Exemplare des Buches Feinde ohne Wissen der Deutschen in den Wohnungen verschiedener Brüder untergebracht.

Während der restlichen Monate des Jahres 1940 ging das Zeugniswerk ohne wesentliche Störungen weiter. Aber die Nationalsozialisten fuhren fort, an ihren Plänen zu arbeiten. Ein Vorschlag hinsichtlich der Auflösung der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung wurde im Oktober nach Berlin gesandt. Der Vorschlag bestand darin, das nordeuropäische Büro der Gesellschaft in Kopenhagen zu schließen. Die Entscheidung wurde jedoch aufgeschoben.

Während des Winters und im Frühling 1941 wurden an verschiedenen Orten des Landes Pioniere von der Polizei eingesperrt und durchsucht. Man beschuldigte sie, „antideutsche“ Literatur zu verkaufen. Aber die Behörden verboten die Königreichstätigkeit nicht, und die Pioniere wurden freigelassen.

Deutsche und norwegische Nationalsozialisten tauchten in den Zusammenkünften verschiedener Versammlungen als Spitzel auf. Zu dem gleichen Zweck wurde eine Frau in das Büro der Gesellschaft in Oslo gesandt, und sie berichtete, sie habe dort „vier offensichtlich jüdische Männer“ gesehen. In einem deutschen Polizeibericht vom 13. März 1941 heißt es auszugsweise: „Die Propagandatätigkeit der Ernsten Bibelforscher [Jehovas Zeugen] hat während der letzten Wochen erheblich zugenommen. In verschiedenen Teilen Oslos und auch in vielen anderen Städten erscheinen die Kolporteure und verkaufen die Publikationen der Watch Tower Bible and Tract Society. Es sind reine Propagandapublikationen, die unter dem Deckmantel der Religion gegen die Staatsregierungen gerichtet sind.“

Es bestand kein Zweifel, daß unsere zunehmende Tätigkeit die Behörden immer mehr reizte. Im Verlauf des Winters und im Frühling 1941 baten sie Berlin wiederholt, die Pläne für die Auflösung der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung in Norwegen zu genehmigen. Am 24. April 1941 kam das Signal von Berlin. In der Zwischenzeit war die Angelegenheit jedoch Josef Terboven, dem deutschen Reichskommissar von Norwegen, übergeben worden. Er war der Meinung, daß die Internationale Bibelforscher-Vereinigung in Norwegen zahlenmäßig so klein sei, daß keine Notwendigkeit bestünde einzuschreiten. Es wurde entschieden, ihm ausführlicheres Material über die Organisation zuzuleiten, und die geplante Aktion wurde wieder aufgeschoben.

Im Frühsommer waren die ersten Anzeichen zu erkennen, daß etwas in Vorbereitung war. Die norwegische nationalsozialistische Staatspolizei kam und beschlagnahmte die Broschüren der Gesellschaft Faschismus oder Freiheit und Regierung und Friede. Am Dienstag, dem 8. Juli, trat dann das ein, wovon die Brüder gehofft hatten, es würde nicht geschehen. Die Gestapo schlug im ganzen Land hart zu und machte der Organisation ein Ende. Durch ihre eingehenden Untersuchungen hatten die Deutschen die Namen und Adressen aller vorsitzführenden Aufseher in Norwegen erhalten, und ihnen allen wurde an diesem Tag ein Besuch abgestattet. Von der Gesellschaft veröffentlichte Literatur, die sich in ihren Wohnungen befand, wurde beschlagnahmt, und man sagte den Brüdern, daß sie in Konzentrationslager kämen, wenn sie ihre Predigttätigkeit nicht aufgäben. An verschiedenen Orten wurden verantwortliche Brüder der Versammlungen eingesperrt und für einige Tage festgehalten, aber nicht mißhandelt.

Fünf deutsche Polizeioffiziere kamen in das Bethelheim und beschlagnahmten das Besitztum der Gesellschaft: das Literaturlager, das Bargeld und die Büromaschinen. Der Wert der Literatur und des Geldes belief sich auf 40 000 norwegische Kronen (ungefähr 6 000 Dollar). Gleichzeitig wurde die Bethelfamilie in das Hauptbüro der Sipo (Sicherheitspolizei) gebracht und vernommen. Niemand kam ins Gefängnis, aber Bruder Øman wurde die Auflage erteilt, sich zwölf Wochen lang jeden Tag bei der norwegischen Staatspolizei zu melden.

Die im Bethel gelagerte Literatur wurde nicht sofort abtransportiert, aber die Tür zum Lagerraum wurde versiegelt. Später kamen die Deutschen mit drei Lastwagen und brachten die Literatur in eine Papierfabrik, wo sie zu Papierstoff zermahlen wurde. Kurz danach erfuhren die Brüder, daß die Arbeiter sich selbst mit Büchern bedient hatten. Die „Ruth“, das Motorboot der Gesellschaft, das in Westnorwegen lag, wurde von seinem Liegeplatz weggeschleppt.

Das Haus der Gesellschaft, einschließlich aller Bücher und Unterlagen, die das Gebäude betrafen, wurde am 21. Juli beschlagnahmt. Das Werk wurde offiziell verboten, und die Versammlungen konnten ihren Dienst nicht mehr öffentlich durchführen. Von dem Büro in Oslo aus konnte keine Literatur mehr versandt werden. Aber sonderbarerweise konnte Der Wachtturm bis zur Jahreswende 1941/42 direkt in Dänemark bestellt werden. Was die Zeitschrift Trost betrifft, so war die Juli-Ausgabe die letzte, die erschien. Die Glieder der Bethelfamilie blieben für einige Zeit im Gebäude der Gesellschaft, aber schließlich zogen die meisten aus und nahmen eine weltliche Beschäftigung an, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen Bruder und Schwester Øman jedoch wohnten weiterhin in dem Gebäude.

UNSER WERK IM „UNTERGRUND“ DURCHGEFÜHRT

Wenn die nationalsozialistischen Behörden dachten, daß ihre Aktionen und Drohungen gegen die Brüder deren christlichem Dienst ein Ende setzen würden, so irrten sie sich. Gottes Volk in Norwegen war nicht geneigt, es sich bequem zu machen. Statt dessen ging es vorwärts, indem es das Werk reorganisierte. Unsere Tätigkeit wurde unter einer dezentralisierten Führung wiederaufgenommen. Ein Bruder, der früher im Bethel gearbeitet hatte, war in der Lage, eine gewisse Reisetätigkeit in Südnorwegen aufzunehmen. Auch Andreas Kvinge konnte für einige Zeit mit dem Zonendienst in Nordnorwegen fortfahren. Er wurde am 12. Juli eingesperrt und viele Stunden verhört. Die Deutschen wollten unbedingt wissen, wo sich die Brüder in Nordnorwegen befanden und wohin er gehen wollte, aber er sagte es ihnen nicht. Er wurde bedroht, und man sagte ihm, er werde überall beschattet und in ein Konzentrationslager gesteckt, falls er seinen Dienst fortsetze. Aber Bruder Kvinge hatte keine Angst. Und im Dezember 1941 nahm er die Reisetätigkeit wieder auf. Er ging zu Fuß oder benutzte Schier oder Fährboote. Als Tarnung verrichtete er einfache Arbeiten, wenn er die Brüder besuchte. Auf diese Weise wurde ihnen geholfen, im christlichen Dienst auszuharren. Im Frühjahr 1942 ließ sich Bruder Kvinge in Bergen nieder, aber als der Sommer kam, fuhr er mit dem Fahrrad in den Norden, um die Brüder zu besuchen und zu ermuntern.

Auch andere unternahmen solche Reisen mit dem Fahrrad. Der Zweck bestand darin, Kontakt mit den Brüdern aufzunehmen und zu sehen, wie es ihnen ging. Einer der Brüder, die früher an den Touren mit dem Motorboot der Gesellschaft im Norden Norwegens teilgenommen hatten, reiste im Sommer 1943 über 1 200 km mit dem Fahrrad, um seine Brüder zu besuchen und zu ermuntern.

Viele Brüder schrieben sich und blieben so über das Werk in anderen Orten des Landes informiert. Wegen der scharfen Postzensur durch die deutsche Sicherheitspolizei schrieben die Brüder oft in verschlüsselter Form, damit die Briefe ganz unverfänglich erschienen, wenn sie geöffnet wurden. Anstelle des Wortes „Versammlung“ benutzte man zum Beispiel das Wort „Familie“ oder „Firma“. Wir wissen nicht, wie scharf die Korrespondenz der Brüder zensiert wurde, aber wir wissen zumindest, daß die Deutschen planten, alle ausländische Post an und von solchen, die im Bethel gearbeitet hatten, zu überwachen.

ZUSAMMENKÜNFTE UND PREDIGTDIENST

Die Zusammenkünfte waren natürlich verboten. Aber unsere Brüder, die Gottes Geboten mehr gehorchten als denen der Menschen, begannen bald, sich in kleinen Gruppen von fünf oder sechs Personen in Privatwohnungen zu versammeln (Apg. 5:29; Hebr. 10:24, 25). Da sich dies als erfolgreich erwies, wurden die Gruppen vergrößert. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, achteten alle darauf, entweder allein oder höchstens zu zweit oder zu dritt zu kommen. Sie wußten nie, ob nicht ein Spitzel in der Nähe war, der den Ort der Zusammenkunft überwachte. Oft standen Kaffeetassen auf dem Tisch, um die Zusammenkunft wie ein ganz gewöhnliches Zusammensein erscheinen zu lassen.

Die Brüder kamen hauptsächlich zusammen, um den Wachtturm zu studieren. Exemplare der dänischen und der schwedischen Ausgabe wurden in das Land geschmuggelt, übersetzt und mit der Schreibmaschine abgeschrieben. Diese Schreibmaschinenmanuskripte zirkulierten in den Versammlungen ganz Norwegens. Gewöhnlich hatte nur der Studienleiter ein Manuskript. Er las daher zuerst den Absatz vor und stellte dann die Fragen. Diese Zusammenkünfte halfen den Brüdern mehr als alles andere, mutig zu bleiben und während dieser schweren Jahre fortzufahren, furchtlos Zeugnis zu geben.

Nachdem Jehovas Volk herausgefunden hatte, wie man sich auf verhältnismäßig sichere Weise versammeln konnte, begann es, zu besonderen Anlässen größere Zusammenkünfte zu veranstalten. Das Gedächtnismahl war solch ein Anlaß. Mehr als hundert Christen kamen dann im Gehorsam gegenüber dem Gebot Jesu zusammen, um seines Todes zu gedenken (Luk. 22:19, 20). Am 31. März 1942 versammelten sich zum Beispiel 280 Brüder an zwei verschiedenen Orten in Oslo. Neunzig nahmen die Symbole.

Im ganzen Land wurden auch auf abgelegenen Farmen oder im Wald „Kongresse“ abgehalten. Um nicht entdeckt zu werden, erweckten die Brüder einmal den Anschein, als würden sie Beeren pflücken, während sie einen „Kongreß“ im Wald abhielten. Sie hatten Eimer und andere Gegenstände bei sich, die man beim Beerenpflücken benötigt.

Natürlich war der Zweck solcher Zusammenkünfte, die Brüder geistig zu erbauen. Es wurden Vorträge gehalten und interessante Wachtturm-Artikel besprochen. Auch sorgte man für die leibliche Speise. Viele Zeugen Jehovas — besonders die Brüder in den Städten — hatten Schwierigkeiten, die nötige Nahrung zu bekommen. Aber diejenigen, die etwas zu essen hatten, teilten es in liebevoller Weise mit denen, die nichts hatten.

Im Sommer 1943 wurde der größte dieser „Kongresse“ in einem Waldgebiet auf einer Farm außerhalb Oslos abgehalten. Ungefähr 180 Brüder und Schwestern aus verschiedenen Städten um den Oslofjord waren versammelt. Plötzlich näherten sich drei berittene deutsche Soldaten dem Bauernhof und erblickten die Brüder. Ein Bruder, der Deutsch konnte, sprach mit den Soldaten. Sie wollten schwimmen gehen, hatten sich aber im Weg geirrt. Einige Brüder boten sich an, ihnen den richtigen Weg zu zeigen, und so geschah es dann auch. Die Brüder atmeten auf, als die Soldaten verschwunden waren. Auf dem Weg zum Strand hörte der deutsch sprechende Bruder, wie zwei Soldaten sich darüber unterhielten, was das wohl für eine Zusammenkunft gewesen sein könnte. Einer meinte, es sei ein Gesangverein, wie sie ihn schon an anderen Orten gesehen hätten.

So geschah auch diesmal nichts weiter. Es liegen keine Berichte darüber vor, daß Brüder Schwierigkeiten gehabt hätten, weil sie in Übereinstimmung mit Jehovas Willen zu solchen „Kongressen“ zusammenkamen.

Natürlich wurde die Königreichsverkündigung besonders am Anfang mit größter Vorsicht durchgeführt. Die Brüder wußten, wie sorgfältig die nationalsozialistischen Behörden ihre Tätigkeit überwachten. In der ersten Zeit gingen Jehovas Zeugen nicht von Haus zu Haus, aber sie machten Besuche bei Interessierten und sprachen mit Verwandten oder Arbeitskollegen. Auf diese Weise kamen die Brüder auch mit Neuen in Berührung. Nach etlichen Jahren jedoch begannen einige, mit der Bibel von Haus zu Haus zu gehen.

Es dauerte nur wenige Monate, bis sich ein Mangel an Literatur bemerkbar machte. Weitsichtige Brüder hatten Bücher und Broschüren vergraben oder versteckt, und diese wurden jetzt herausgeholt und benutzt. Bald liehen die Brüder den Menschen, die Interesse an der Königreichsbotschaft hatten, die Literatur nur noch aus.

Die Bibelstudientätigkeit erwies sich in dieser Situation als sehr wichtig. Im ganzen Land wurden mit den Broschüren Musterstudien Nr. 1 und Nr. 2 (die zweite wurde 1941 in Norwegisch herausgegeben) Studien begonnen. Interessierte wurden zunächst zu diesen Zusammenkünften eingeladen und später dann zum Wachtturm-Studium. Oft waren fünfundzwanzig bis dreißig Personen anwesend. Das war besonders in den größeren Städten der Fall. Als die Brüder keine Musterstudien-Broschüren mehr hatten, arbeiteten sie ein ähnliches, aber umfassenderes Buch für Studien aus, das gedruckt und sehr oft gebraucht wurde.

Natürlich mußten die Neuen, die in die Versammlungen kamen, getauft werden. Oft geschah dies in Privatwohnungen. Ein Bruder berichtet, daß mindestens 50 Personen während des Krieges in seiner Wohnung getauft wurden. Auf den geheimen „Kongressen“ traf man auch Vorkehrungen für die Taufe. Oft wurden die Täuflinge in einem kleinen Teich oder in einem Bergsee untergetaucht.

Die Tatsache, daß die Brüder soviel Gelegenheit zum Zeugnisgeben hatten, war die Ursache für unterschiedliche Meinungen unter ihnen. Warum? Nun, einige meinten, das Predigtwerk sollte noch offener durchgeführt werden, und andere dachten, daß dies die nationalsozialistischen Behörden herausfordern würde. Schließlich begannen Brüder, mit der Bibel von Haus zu Haus zu gehen, während andere mehr im geheimen arbeiteten und die Leute auf andere Weise ansprachen. Es zeigte sich, daß die Brüder in beiden Gruppen in dem aufrichtigen Wunsch, Jehova zu dienen, handelten, denn er segnete ihre Arbeit.

Bemerkte die deutsche Sicherheitspolizei, daß die norwegischen Zeugen ihre Tätigkeit wiederaufnahmen? Es ist sehr unwahrscheinlich, daß einer solch gutgeführten Organisation wie der Sipo dies verborgen blieb. Die Sipo wußte ganz sicher, daß die Brüder nicht untätig waren, aber vielleicht erkannte sie nicht das volle Ausmaß ihrer Tätigkeit. Von verschiedenen Stellen, einschließlich der Nationalsozialistischen Partei Norwegens, kamen Berichte über die Tätigkeit der Brüder, und darin wurde die Sipo gedrängt, gegen Jehovas Zeugen vorzugehen. In einem Brief bezog man sich auf die Versammlung als auf „die jüdisch beeinflußte kommunistische Propagandasekte“. In einem anderen Brief, der anonym in Oslo abgesandt wurde und vom 22. Juni 1942 datiert war, hieß es:

„Sehr geehrter Herr Reichskommissar

Ich weiß, Sie sind ein ergebener Katholik. Daher vertraue ich darauf, daß Sie Ihre beneidenswert große Autorität gebrauchen werden, um zumindest hier in Norwegen diesen Schandfleck der Gesellschaft zu vernichten, nämlich die Hilfsorganisation des jüdischen [!] Richters Rutherford ...

Mir ist es völlig unverständlich, wie dieser dunklen Organisation erlaubt werden konnte, ihre dämonische Tätigkeit durchzuführen.

Warum nicht diese Organisation in den Zeitungen bloßstellen und die Öffentlichkeit sehen lassen, wie lächerlich und gefährlich die Tätigkeit dieser Organisation ist?“

Die deutschen Behörden unternahmen jedoch keine weiteren Aktionen gegen Jehovas Zeugen. Vielleicht dachten die Nationalsozialisten. daß unsere Organisation wegen ihrer bescheidenen Größe nicht so gefährlich sei. Sie müssen angenommen haben, daß ein Unterbinden der Verbreitung unserer „aufwieglerischen Publikationen“ ausreichen würde. Sicher hatten sie mit anderen Problemen genug zu tun, besonders mit dem Kampf gegen die norwegische Widerstandsbewegung. Jedenfalls wandten die Nationalsozialisten ihre fortschrittlichen Geheimdienstmethoden und barbarischen Strafen vor allem gegen norwegische Patrioten an der Heimatfront an. Im allgemeinen wurden Jehovas Zeugen in Norwegen nach der Aktion im Jahre 1941 in Ruhe gelassen. Ohne den Schutz Gottes jedoch hätte ein Zweig der Tätigkeit die Brüder leicht in eine schwierige Lage bringen können. Das war das Vervielfältigen der Wachtturm-Artikel und ihre Verbreitung im ganzen Land. Die Brüder, die damit beschäftigt waren, standen in der Gefahr, ihr Leben zu verlieren.

DIE GEISTIGE SPEISE AUSGETEILT

Der Wachtturm wurde von Schweden und Dänemark aus in das Land geschmuggelt. Einige unserer Zeitschriften wurden von Interessierten und Brüdern, die die Grenze zwischen Schweden und Norwegen überschritten, transportiert, und an einem Ort gab es eine ziemlich beständige „Kommunikationslinie“. Das schwedische Zweigbüro der Gesellschaft und gelegentlich auch das dänische schickten Nahrungsmittelpakete an Bruder Øman. Die Lebensmittel, wie zum Beispiel die Eier, waren in Wachtturm-Seiten eingewickelt. Diese Seiten wurden gebügelt, und der Text wurde ins Norwegische übersetzt. Manchmal brachten uns Brüder aus Dänemark und Schweden, die geschäftlich unterwegs waren, Literatur mit.

Nur die Hauptartikel des Wachtturms wurden übersetzt und im ganzen Land verbreitet. Abends und nachts waren die Brüder damit beschäftigt, diese Artikel abzuschreiben. Um Zeit zu sparen, machten sie fünf bis neun Durchschläge.

Unsere Brüder fühlten sich niemals sicher, wenn sie diese Arbeit verrichteten. Die Nationalsozialisten hatten große Schwierigkeiten, die illegale Presse der norwegischen Heimatfront in Schach zu halten. Um die Redaktionsbüros der verbotenen Zeitungen zu finden, wurden in den Wohnungen Razzien durchgeführt. Personen, die illegales Material im Hause hatten, wurden schwer bestraft. Wer eine verbotene Zeitung nicht den Behörden übergab, hatte gegen Ende des Krieges mit der Todesstrafe zu rechnen, ja, eine Schreibmaschine auch nur im Hause zu haben wurde als verdächtig angesehen.

Im Herbst des Jahres 1943 wurde ein hoher deutscher Offizier nicht weit von der Wohnung eines Bruders, der Wachtturm-Artikel abschrieb, tot aufgefunden. In derselben Nacht wurde das ganze Gebiet von der Gestapo durchsucht. Plötzlich, um drei Uhr nachts, wachte der Bruder durch das Geräusch marschierender Soldaten auf, und er hörte die Kommandos der Offiziere: „Stellt Wachen an den Eingängen auf!“

Der Bruder war gerade damit fertig geworden, fünfzehn Wachtturm-Manuskripte abzuschreiben. Zu jedem gehörten sieben Seiten, und so hatte er 105 Schreibmaschinenseiten im Haus. Er wußte genau, was ihn erwartete, wenn dieses Material gefunden würde. Wer der Gestapo in die Hände fiel, wurde nicht schonend behandelt.

Die Gestapo brach die Außentür auf, und fünfundzwanzig bis dreißig Männer stürmten in jeden Aufgang. Es war ein dreistöckiges Gebäude, und die Razzia begann im obersten Stockwerk. Der Bruder wohnte im Erdgeschoß. Das gab ihm eine Chance. Er schnappte die Manuskripte und lief in das Badezimmer, wo er sie in Stücke zerriß und in die Toilette warf. Er spülte einmal, warf dann den Rest in die Toilette und wartete aufgeregt, daß der Wasserkasten sich wieder füllte. Würde die Zeit reichen? Er hatte ein paar Minuten Zeit, und das genügte, denn als vier bewaffnete Männer in die Wohnung stürmten, waren die Manuskripte verschwunden. Alles wurde umgewühlt. Zuckerdosen, der Ofen, Schubladen, Bilder an den Wänden — alles wurde sorgfältig untersucht, aber man fand nichts Illegales. Daß die Durchsuchung im obersten Stockwerk begann, bestärkte den Bruder in dem Gefühl, den Schutz Jehovas gehabt zu haben.

Um alle Versammlungen und Verkündiger, die in abgelegenen Gegenden wohnten, regelmäßig mit der geistigen Speise zu versorgen, wurden willige Helfer und eine gute Organisation benötigt. Eine Anzahl Brüder aus Oslo besuchten regelmäßig die nahe gelegenen Versammlungen im östlichen Teil des Landes und führten sonntags Wachtturm-Studien durch. Sie hatten ein Manuskript, das sie mit der Versammlung besprachen. Versammlungen und Brüder, die den Wachtturm auf diese Weise nicht bekommen konnten, erhielten ein Exemplar mit der Post oder durch einen Bruder, der mit dem Fahrrad oder der Eisenbahn reiste. Die Manuskripte wurden von denjenigen, die sie erhielten, weitergeleitet. Auf diese Weise wurde eine regelmäßige Belieferung gewährleistet.

Brüder, die mit Wachtturm-Manuskripten in den Taschen umherreisten, gingen ein Risiko ein. Durchsuchungen auf der Straße waren nicht ungewöhnlich, und die Kontrolle von Eisenbahnwagen, Autos und Booten wurde im Laufe der Zeit verschärft. Jehova beschützte jedoch die Brüder, die gewillt waren, auf diese Weise zu dienen.

Einmal reiste ein Bruder mit der Eisenbahn von Oslo in eine nahe gelegene Stadt. Die Räder waren kaum in Bewegung, als zwei bewaffnete Polizisten von der norwegischen nationalsozialistischen Staatspolizei den Eisenbahnwagen betraten, in dem der Bruder saß. Die Türen wurden geschlossen, und die Durchsuchung begann. Alle mußten ihre Taschen ausleeren. Einige wurden durchsucht, die Gewehrmündung im Nacken.

Der Bruder saß da und wußte nicht, was er mit seinen Wachtturm-Manuskripten tun sollte. Er entschied sich, sie in seine beiden Jackentaschen zu stecken. Die Person neben ihm mußte aufstehen und wurde durchsucht. Der Offizier wandte sich jetzt an den Bruder, der dasaß und zu seinem himmlischen Vater um Hilfe betete. Während der Offizier den Bruder anschaute, sagte er: „Ausweis!“ Der Bruder zeigte den Ausweis. Das war alles! Jeder andere im Eisenbahnwagen mußte vorzeigen, was er bei sich trug — nur dieser Bruder nicht!

Norwegen wurde in zwei Zonen aufgeteilt, um die Verbreitung der Wachtturm-Artikel zu erleichtern. Von Oslo aus wurden Manuskripte in alle Teile Ostnorwegens gesandt, und von Bergen aus wurde das Gebiet von Stavanger bis nach Kirkenes versorgt. Die Versammlung Bergen erhielt gewöhnlich Exemplare des Wachtturms in Schwedisch oder Dänisch. Meistens mußten sie in Oslo abgeholt werden, da sie von der deutschen Sicherheitspolizei beschlagnahmt wurden, wenn man sie mit der Post sandte. Verschiedene Brüder reisten mit der Eisenbahn oder dem Fahrrad über 480 km, um die geistige Speise zu erhalten und die „Familie“ zu besuchen, wie sie sagten, wenn sie gefragt wurden. Meist fuhren sie mit dem Fahrrad. Bei anderen Gelegenheiten wurden unsere Zeitschriften Brüdern mitgegeben, die mit dem Schiff regelmäßig zwischen Oslo und Bergen pendelten.

In Bergen wurden die Wachtturm-Artikel auf dieselbe Weise vervielfältigt wie in Oslo und dann von Brüdern, die Seeleute waren und auf Schiffen arbeiteten, die entlang der Küste verkehrten, nach Norden gebracht. Die Artikel wurden auf regelmäßigen Routen von einem Ort zum anderen gesandt. Die nördlichste Adresse befand sich an der russischen Grenze.

Auf diese Weise sorgte Jehova Gott dafür, daß die geistige Speise die Brüder in ganz Norwegen erreichte. Durch den Wachtturm wurden sie gestärkt und ermuntert, mit ihrem christlichen Predigtwerk in jenen schweren Jahren fortzufahren. Während der Zeit von 1941 bis 1944 wurden ungefähr 9 000 solcher Manuskripte abgeschrieben und im ganzen Land verbreitet.

ZUNAHME TROTZ DES KRIEGES

Trotz der Schwierigkeiten, die durch den Krieg verursacht wurden, wuchs das Königreichswerk in Norwegen weiter. Während der Kriegszeit war das Wachstum fast genauso wie in den fünf Jahren zuvor. Die durchschnittliche Zunahme der Zahl der Verkündiger betrug etwa 8 Prozent im Jahr. So stieg die Zahl der Verkündiger in Norwegen in der Zeit von 1940 bis 1945 von 462 auf 689.

Die Brüder in Norwegen wurden von den deutschen Behörden nicht so hart bedrängt wie ihre Mitgläubigen in anderen besetzten Ländern. Es ist wahr, daß die Aktion im Jahre 1941 der ausgedehnten Verbreitung der Literatur ein Ende machte, aber es geschah wenig, um die Durchführung unserer Arbeit im Untergrund zu unterbinden. Uns ist nicht bekannt, daß irgendwelche norwegischen Brüder mißhandelt wurden. Nach der Aktion im Juli 1941 wurden einige verhaftet und kamen ins Gefängnis, aber alle wurden innerhalb einer Woche wieder freigelassen.

Sehr wenige Brüder verloren durch die Kriegsverhältnisse ihr Leben. Soweit uns bekannt ist, wurden nur drei Brüder getötet, obwohl eine ganze Anzahl ihre Wohnungen und ihren Besitz verlor, als verschiedene Städte bombardiert wurden. Das trifft besonders auf Nord- und Westnorwegen zu.

Als im Frühjahr des Jahres 1945 Frieden geschlossen wurde, hatten sich innerhalb der Organisation viele Dinge ereignet. Nach dem Tode J. F. Rutherfords war N. H. Knorr Präsident der Watch Tower Society geworden. Die Brüder und Schwestern in Norwegen schätzten sich glücklich, daß sie wieder öffentlich arbeiten konnten, und sie waren gespannt darauf, mit der weltweiten Organisation Jehovas ganzherzig zusammenzuarbeiten.

REORGANISATION UNSERES WERKES

Die Reorganisation unseres Predigtwerkes nach dem Verbot erforderte natürlich einige Zeit. Zuallererst wurden mehrere öffentliche Zusammenkünfte veranstaltet. Diese wurden von sehr vielen Personen besucht. Während des Krieges waren sich viele Leute ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt geworden (Matth. 5:3). Es ist wahr, daß sich einige, die sich im Krieg für die Wahrheit interessiert hatten, später zurückzogen. Aber eine ganze Anzahl von Personen, die vom Nationalsozialismus enttäuscht waren, liehen der guten Botschaft von Gottes Königreich ihr Ohr. Bei drei öffentlichen Vorträgen, die in Oslo während des Sommers 1945 gehalten wurden, belief sich die Zuhörerschaft auf 400 bis 600 Personen.

Im Juli und August 1945 besuchte Bruder William Dey, der Leiter des nordeuropäischen Büros der Gesellschaft, Norwegen, um den Brüdern in Verbindung mit dem Organisieren der Predigttätigkeit beizustehen. Die Meinungsverschiedenheiten, die während des Krieges zwischen zwei Gruppen der Verkündiger darüber entstanden waren, wie das Zeugniswerk durchzuführen sei, bestanden noch. Deshalb appellierte Bruder Dey auf Zusammenkünften, die in Oslo, Skien und Bergen durchgeführt wurden, an alle, „den Streit zu begraben“, und bat diejenigen, die das zu tun wünschten, aufzustehen. Alle Anwesenden standen daraufhin auf.

Die Brüder mußten mit einem Mangel an biblischer Literatur für die Öffentlichkeit fertig werden. Deshalb begannen sie, Bücher und Broschüren auszuleihen, so, wie sie es während des Krieges getan hatten. Im September 1945 kam die erste neue Literatur an — viele Broschüren in Schwedisch und einige in Norwegisch. Natürlich war unsere Freude groß, als wir, beginnend mit dem 1. Oktober 1945, den Wachtturm in Norwegisch erhielten. In früheren Jahren hatten wir die dänische Ausgabe verwandt. Jetzt wurden große Anstrengungen unternommen, um Abonnements auf den Wachtturm aufzunehmen. Und im Januar 1946 wurde ein viermonatiger Wachtturm-Feldzug begonnen.

In vielen Versammlungen waren die Brüder jedoch noch in zwei Lager gespalten. Daher kamen Bruder N. H. Knorr und Bruder M. G. Henschel vom Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn im Dezember 1945 nach Norwegen, um dieses Problem zu lösen und den Brüdern beizustehen, das Werk in Übereinstimmung mit den Verfahrensweisen in anderen Teilen der Welt zu organisieren. Zwei Zusammenkünfte — die eine in Oslo und die andere in Bergen — wurden von 800 bzw. 500 Personen besucht. Der Besuch Bruder Knorrs erwies sich als ein großer Segen und hatte zur Folge, daß der Streit zwischen den Brüdern beigelegt werden konnte. Bei den Zusammenkünften anläßlich seines Besuches wurde auch bekanntgegeben, daß Enok Øman nicht mehr länger der Leiter des Werkes in Norwegen sein würde. Vielmehr sollte es von Bruder Dey direkt geleitet werden. Bruder Øman arbeitete weiterhin im Büro in Oslo, und nach dem Jahre 1952 war er als Pionier tätig. Er diente Jehova treu bis zu seinem Tod im Jahre 1975. Er war vierundneunzig Jahre alt geworden.

Marvin Ferrol Anderson, ein amerikanischer Bruder, der 1946 vom Bethel in Brooklyn hierhergesandt wurde, löste William Dey bald als Leiter des Werkes in Norwegen ab. Am 17. Januar betrat er erstmals norwegischen Boden. Bruder Anderson begann die Predigttätigkeit zu reorganisieren. Und es dauerte nicht lange, bis er anfing, in Norwegisch zu den Brüdern zu sprechen.

VOLLZEITDIENER BENÖTIGT

Nach dem Krieg war das Interesse an der Königreichsbotschaft im ganzen Land sehr groß. Viele Interessierte kamen zu den öffentlichen Vorträgen, und es war leicht, Literatur abzugeben. Nun entstand die Frage: Würde es in Norwegen irgendwelche Brüder geben, die bereit wären, den Pionierdienst aufzunehmen und die Wahrheit in abgelegene Gebiete zu tragen? Durch den Informator (jetzt: Unser Königreichsdienst) wurden die Brüder ermuntert, Pionier zu werden. Viele folgten diesem Ruf, einschließlich einiger, die gezwungen gewesen waren, die Reihen der Vollzeitdiener zu verlassen, als unsere Tätigkeit im Jahre 1941 verboten wurde. Aber die Pioniere benötigten viel Literatur, vorzugsweise in Norwegisch. Was das betraf, so war die Situation schwierig. Im Anschluß an Bruder Knorrs Besuch in Norwegen im Dezember 1945 wurden die Bücher Rettung und Feinde und die Broschüren Aufgedeckt, Schutz und Sicherheit in Norwegisch gedruckt. Danach hatten die Pioniere genügend Literatur. Bis Ende des Dienstjahres 1946 hatten 47 Brüder und Schwestern diesen Dienst aufgenommen.

Es waren schwere Zeiten, und das merkten auch die Pioniere. Besonders diejenigen, die in die nördlichen Teile des Landes reisten, wurden auf ihr Ausharren und ihr Vertrauen zu Jehova geprüft. Weite Gebiete waren bombardiert und von den Nationalsozialisten auf ihrem Rückzug in Brand gesetzt worden. Daher herrschte große Wohnungsnot, und es gab wenig Nahrungsmittel.

Schwester Svanhild Neraal gehörte zu denjenigen, die 1946 in den Norden Norwegens reisten. 1941 hatte sie in Finnmark, dem nördlichsten Teil des Landes, gearbeitet. Sie hatte gesehen, wie zwei Städte bombardiert wurden. Aber sie hatte so viele erfreuliche Erfahrungen gemacht und war so begeistert von der Gastfreundschaft der Leute in diesem Gebiet, daß sie während des ganzen Krieges schon den Wunsch gehabt hatte, wieder dorthin zu gehen. Im Frühsommer des Jahres 1946 reiste sie nach Kirkenes an der russischen Grenze. Die Leute dachten, sie sei von Sinnen, weil sie dort ankam, ohne eine Unterkunft zu haben, aber sie betete zu Jehova um Hilfe.

Im ersten Winter schlief Schwester Neraal auf dem Küchenboden in einem kleinen Haus, in dem bereits fünf andere Personen wohnten. Während des ersten Jahres konnte sie sich nicht ein einziges Mal satt essen. Darüber hinaus ertrug sie große Schwierigkeiten im Predigtdienst. Zum Beispiel hatten die Deutschen die meisten der Schiffe versenkt, und so wußte niemand, wann das nächste Schiff kommen oder abfahren würde. Oftmals saß sie eine ganze Nacht an der Anlegestelle im Regen oder im Schnee und wartete umsonst auf eine Fahrgelegenheit.

Aber während der zweieinhalb Jahre, die Schwester Neraal im Norden zubrachte, machte sie viele interessante und erfreuliche Erfahrungen, beispielsweise, als sie den Lappen predigte. Sie reiste mit dem Fahrrad oder dem Flußboot oder, wenn möglich, mit dem Bus. Sie saß zusammen mit Lappen in einem Zelt, das aus Rentierfellen gefertigt war, und aß Rentierfleisch direkt aus dem Topf. Durch Lappen, die sie übersetzten, gab sie Gruppen von interessierten Zuhörern Zeugnis. Während Schwester Neraal im nördlichen Teil des Landes war, traf sie interessierte Personen, die später die Wahrheit annahmen. Sie nahm 2 000 Abonnements auf den Wachtturm auf und verbreitete 2 500 Bücher!

Pioniere verrichteten auch an anderen Orten gute Arbeit. Im Jahre 1948 kaufte die Gesellschaft ein Motorboot, das den Namen „Jonadab“ trug und drei oder vier Jahre lang von Pionieren benutzt wurde, bevor man es wieder verkaufte. Es war im westlichen Teil des Landes im Einsatz und war das vierte und letzte Boot der Gesellschaft. Die meisten Pioniere jedoch arbeiteten auf herkömmliche Weise und legten im ganzen Land Grundlagen für neue Versammlungen. Die Zahl der Pioniere schwankte etwas während der ersten Jahre nach dem Krieg, aber von 1946 bis 1950 waren durchschnittlich 42 tätig.

HILFE FÜR UND VON NORWEGISCHEN BRÜDERN

Viele norwegische Brüder besaßen kurz nach dem Krieg nur wenig Kleidungsstücke, und während der ersten Zeit war es unmöglich, neue Kleidung zu kaufen. Das wurde Bruder Knorr berichtet, als er Norwegen Ende 1945 besuchte, und er sorgte dafür, daß getragene Kleider und Schuhe von freigebigen Zeugen Jehovas aus anderen Ländern nach Norwegen gesandt wurden. Von Schweden wurden zwei Tonnen gesandt und von Amerika sechs Tonnen. In Oslo wurden die Kleider der Größe nach sortiert und dann gemäß den vorliegenden Bestellungen an die Brüder gesandt. Insgesamt wurde 3 000 Brüdern und Interessierten auf diese Weise geholfen. Briefe aus allen Teilen des Landes spiegelten die große Wertschätzung der norwegischen Brüder wider, nachdem sie diese wertvollen Gaben erhalten hatten.

Ein Bruder, der aus Dänemark stammte, machte eine erheiternde Erfahrung im Zusammenhang mit diesen Kleidern aus dem Ausland. Er traf im Predigtdienst eine Dame, die sagte, er verbreite eine amerikanische Religion, er habe einen amerikanischen Akzent und trage amerikanische Kleidung. Der Bruder erklärte ihr ruhig, daß der Mantel aus Kanada sei, der Pullover aus den Vereinigten Staaten, die Hose aus Norwegen, die Krawatte aus Dänemark und die Schuhe aus Schweden. „Aber diese Bücher“, sagte er, „enthalten Wahrheiten aus der Bibel.“ Er wurde hereingebeten, eine Unterhaltung begann, und er konnte ein gebundenes Buch und einige Broschüren abgeben.

Die wirtschaftliche Situation in Norwegen verbesserte sich langsam und bald konnten die Brüder anderen außerhalb des Landes Hilfe leisten. Im Jahre 1947 erfuhren sie durch die Gesellschaft, daß besonders die deutschen Brüder Nahrung und Kleidung benötigten. Während der Jahre 1948 und 1949 schickten viele norwegische Zeugen Jehovas Lebensmittelpakete nach Deutschland und erhielten viele Briefe der Dankbarkeit von den glücklichen Empfängern. Auch an die finnischen Brüder wurden Lebensmittel gesandt.

Die Unterstützung für und von norwegischen Christen war in Übereinstimmung mit den Worten Jesu: „Daran werden alle erkennen daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“ (Joh. 13:35).

DIE ORGANISATION UND DER DIENST

Als Bruder Anderson im Januar 1946 in Oslo ankam, mußten eine Menge Änderungen am Bethelheim, das der Gesellschaft nach dem Krieg zurückgegeben worden war, vorgenommen werden. Was das Büro und das ganze Gebäude betraf, so wurden zunächst einmal neue Ausrüstungsgegenstände benötigt — Schreibmaschinen, Stühle, Tische, Betten usw. Außerdem war das Gebäude während des Krieges kaum instand gehalten worden. Daher waren umfangreiche Renovierungsarbeiten notwendig. Es lebten auch eine Anzahl Mieter — meistens ältere Frauen — darin, so daß der benötigte Raum der Gesellschaft nicht zur Verfügung stand. Wegen der großen Wohnungsnot, die zur damaligen Zeit in Oslo herrschte, war es schwierig, andere Wohnungen für sie zu finden. Dann wurden die Möglichkeiten, das Bethelheim zu verkaufen und ein besseres zu kaufen oder zu bauen, untersucht. Aber wir kamen zu dem Ergebnis, daß wir weiter im Haus Inkognitogaten 28 B bleiben sollten. Nach und nach wurde das Bethelheim ausgestattet. Eine der nützlichsten Anschaffungen war die Druckpresse mit Fußantrieb, die mehrere Jahre in Gebrauch war. Das war die erste Druckmaschine, die die Gesellschaft in Norwegen hatte.

Im Sommer 1946 wurden neue Anweisungen über die Organisierung des Werkes in Kraft gesetzt. Unter anderem wurden Vorkehrungen für eine neue wöchentliche Zusammenkunft der Versammlungen getroffen. Es handelte sich um die Theokratische Schule, die anhand der Broschüre Kurs im theokratischen Dienstamt durchgeführt wurde.

Die Ergebnisse der Theokratischen Schule wurden bald offenbar. Im November wurde in ganz Norwegen begonnen, öffentliche Vorträge zu halten. Den befähigtesten Brüdern wurde die Vorbereitung von Vorträgen übertragen, die auf acht von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Dispositionen beruhten. Viele hielten jetzt zum ersten Mal öffentliche Vorträge. In Oslo und anderen Städten wurden diese Vorträge vor vielen Zuhörern in öffentlichen Parks gehalten. Dank der Theokratischen Schule hatten wir schon nach kurzer Zeit viele qualifizierte Vortragsredner in Norwegen.

Im Dezember 1946 nahmen Kreisaufseher ihre Reisetätigkeit in Norwegen auf. Am Anfang gab es vier Kreise, die insgesamt achtundsiebzig Versammlungen umfaßten. Jede Versammlung wurde zweimal im Jahr besucht. Es wurden auch regelmäßig Kreiskongresse durchgeführt. Um in der Lage zu sein, so vielen wie möglich zu helfen, arbeiteten die reisenden Aufseher während der Woche mit fünfzig bis siebzig Brüdern und Schwestern zusammen. Da die Verkündiger nach und nach gelehrt wurden, die Königreichsbotschaft persönlich an den Türen darzulegen, stellten sie den Gebrauch von Zeugniskarten und Grammophonen in ihrem Predigtdienst ein. Jetzt wurde den Rückbesuchen und der Bibelstudientätigkeit weit größere Aufmerksamkeit geschenkt.

Von großer Bedeutung für das Werk hier in Norwegen war die Tatsache, daß viele Brüder die Wachtturm-Bibelschule Gilead besuchen konnten. Die ersten beiden wurden im Herbst 1947 zur Schulung dorthin gesandt. Wie die meisten norwegischen Gileadabsolventen wurden sie hier als Vollzeitpioniere, reisende Aufseher oder Bethelmitarbeiter eingesetzt.

Als Ergebnis der neuen Vorkehrungen im Zusammenhang mit der Organisation und dem Dienst erwiesen sich die Jahre von 1945 bis 1950 als eine Zeitperiode der schnellen geistigen Entwicklung für Gottes Volk in Norwegen. Immer mehr Männer eigneten sich dazu, in den Versammlungen Verantwortung zu übernehmen. Auch den einzelnen Verkündigern wurde größere Aufmerksamkeit geschenkt, und sie erhielten eine gründliche Schulung.

JEHOVAS ZEUGEN VOR GERICHT

Von den Kriegsjahren abgesehen, hatten Jehovas Zeugen in Norwegen bis jetzt wenig Schwierigkeiten mit den Behörden. In den frühen 1930er Jahren waren einige Pioniere des Hausierens ohne Genehmigung beschuldigt worden. Aber der Fall wurde aufgehoben, ohne ihn vor Gericht zu bringen. Danach war es nur gelegentlich zu Zwischenfällen gekommen. In den Jahren 1948 und 1949 entstanden jedoch ähnliche Schwierigkeiten. Zwei Pionieren und zwei anderen Brüdern erlaubte es die Polizei nicht, die Literatur der Gesellschaft in der Öffentlichkeit anzubieten, und sie bezog sich dabei auf das Handelsgesetz vom 8. März 1935, Paragraph 86. Die Gesellschaft brachte die Frage im Justizministerium vor, wurde aber an das Handelsministerium verwiesen. In einem offiziellen Brief vom 10. Oktober 1949 erklärte das Handelsministerium die Tätigkeit der Zeugen Jehovas als „gemeinnützig“ im Sinne des Gesetzes, und das bedeutete, daß es nicht notwendig war, bei der Polizei die Erlaubnis für unsere Tätigkeit einzuholen. Der Generalstaatsanwalt stimmte mit dieser Ansicht des Handelsministeriums überein. Folglich wurde den beiden Pionieren die Strafe von je 15 norwegischen Kronen gemäß Gerichtsbeschluß vom 10. März 1950 erlassen.

Weit mehr Aufsehen erregte der Gerichtsfall, in den einige Brüder in Oslo verwickelt wurden, weil sie den Wachtturm auf der Straße angeboten hatten. Der Straßendienst mit dem Wachtturm begann in Norwegen am 11. September 1948. Am 28. November 1949 wurden die Brüder, die auf der Hauptstraße von Oslo Straßendienst verrichteten, gebeten, Polizeioffizieren zur Polizeistation zu folgen. Eine ganze Anzahl Zeugen Jehovas wurden mitgenommen. Auf der Polizeistation ließ man sie mehrere Stunden auf dem Flur stehen, und danach entließ man sie.

Dieser Vorfall wurde bald unter allen Brüdern in Oslo bekannt und eine Woche später erschienen viele weitere im Zentrum der Stadt und verbreiteten den Wachtturm. Wieder kam die Polizei. Alle Zeugen Jehovas wurden festgenommen und zur Polizeistation gebracht. Diesmal wurden sieben Brüder und Schwestern verhört und beschuldigt, einen Paragraphen des Strafgesetzes verletzt zu haben. Für Oslo entschied die Polizei, daß niemand ohne ihre Erlaubnis Anzeigen verteilen oder während des Gehens oder Fahrens irgendeine Art Werbung betreiben dürfe. Dieser Fall wurde vor Gericht gebracht und am 21. Januar 1950 erging das Urteil. Das Gericht stellte fest, daß es sich nicht um einen Verkauf oder um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelte, aber die sieben Angeklagten wurden für schuldig befunden, den zuvor erwähnten Paragraphen des Gesetzes übertreten zu haben. Es wurde Berufung eingelegt, und man brachte den Fall direkt vor den Obersten Gerichtshof.

Niemals hatten so viele Königreichsverkündiger am Straßendienst teilgenommen wie nach diesem Fall, und viele betrachteten die Situation als eine Glaubensprüfung. Es kam zu weiteren Verhaftungen. Die Strafen wurden nach und nach auf fünfzig norwegische Kronen erhöht. Einige Brüder wurden bis zu zehnmal verhaftet, und die Polizei war nicht begeistert, diese Verhaftungen vorzunehmen, da sie immer einiges Aufsehen erregten.

Am 17. Juni 1950 traf der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung. Der vorherige Gerichtsbeschluß wurde einstimmig umgestoßen, und die Brüder wurden freigesprochen! Jehovas Zeugen war es erlaubt, den Wachtturm auf den Straßen zu verbreiten, ohne zuerst die Erlaubnis der Polizei einholen zu müssen.

Durch diese Gerichtsfälle wurde gezeigt, daß unsere Tätigkeit nicht gesetzwidrig ist und daß wir das Recht haben, mit unserer Literatur von Haus zu Haus und auf den Straßen Zeugnis zu geben. Seither haben die Behörden nicht mehr eingegriffen, um irgendeinen Dienstzweig des Zeugniswerkes hier in Norwegen zu unterbinden.

KONGRESSTÄTIGKEIT REORGANISIERT

Wie glücklich waren wir, daß wir uns wieder zu regulären Kongressen versammeln konnten, nachdem das mehrere Jahre lang nicht möglich gewesen war! Die ersten Kongresse nach dem Krieg wurden in den größeren Städten des Landes, in Oslo, Bergen und Trondheim, organisiert und im September und Oktober 1946 abgehalten. Insgesamt 3 011 Personen besuchten den öffentlichen Vortrag, und 52 wurden getauft.

Der nächste große Kongreß wurde vom 20. bis 22. Juni 1947 in Oslo veranstaltet. Bruder Knorr und Bruder Henschel machten einen Besuch, um zu sehen, wie das Werk voranging, und hielten mehrere Vorträge auf diesem Kongreß. Es war der größte Kongreß, der bis dahin in Norwegen stattgefunden hatte. Vierzig Personen wurden getauft, und 1 446 besuchten den öffentlichen Vortrag „Freude für alles Volk“, den Bruder Knorr hielt.

Auf dem Kongreß „Reine Anbetung“, der vom 21. bis 23. September 1951 in Lillehammer abgehalten wurde, stellte die Besucherzahl alle früheren Rekorde eines einzelnen Kongresses ein, denn 2 391 Besucher hörten Bruder Knorrs öffentlichen Vortrag „Ist die Religion der Weltkrise gewachsen?“ Auf diesem Kongreß wurden 89 Personen getauft.

In der Zeit zwischen den Kongressen, die 1947 und 1951 durchgeführt wurden, stieg die Zahl der Königreichsverkündiger in Norwegen von 972 auf 2 066. Das war eine Zunahme von 113 Prozent in vier Jahren!

SPÄTERE KONGRESSE

Einige Norweger — insgesamt 120 — waren in der Lage, im Jahre 1958 den internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“ in der Stadt New York zu besuchen. Unter diesen 120 waren siebzehn Vollzeitdiener, die kostenlos reisen konnten, weil die norwegischen Brüder dafür gespendet hatten. Hier in Norwegen, und zwar in Oslo und Bodø, wurden die wichtigsten Teile des New Yorker Programms auf Kongressen, die unter dem gleichen Motto standen, wiederholt. In Oslo besuchten 3 077 Personen den öffentlichen Vortrag, und 113 wurden getauft. Das bedeutete zwei neue Höchstzahlen für Norwegen.

Im Laufe der Jahre wurden die norwegischen Brüder zu großen Kongressen im Ausland eingeladen. Aber schließlich waren wir zum ersten Mal an der Reihe, ausländische Zeugen Jehovas zu einem Kongreß einzuladen. Wir waren glücklich, uns auf dem Kongreß „Wort der Wahrheit“, der vom 17. bis 20. Juni 1965 im Oslo durchgeführt wurde, der Gemeinschaft unserer dänischen Brüder zu erfreuen. Der Kongreß wurde im Ullevål-Stadion veranstaltet, und ein großes Gebiet außerhalb der Stadt wurde als Wohnwagen- und Zeltplatz verwandt. Am Abend vor Beginn unseres Kongresses fand ein Fußball-Länderspiel zwischen Norwegen und Jugoslawien mit 30 000 Zuschauern statt. Aber fleißige Zeugen Jehovas arbeiteten während der ganzen Nacht, und am Morgen hatte sich das Stadion stark verändert. Es sah ordentlich aus, und auf dem Rasen waren zwei Bühnen aufgestellt worden, eine für das dänische und eine andere für das norwegische Programm. Ein Musikpavillon, ein Lagerhaus auf Säulen und zwei Sennhütten in altem norwegischem Stil waren aufgebaut worden. Die Zeitungen waren beeindruckt, und eine bezog sich auf die Umwandlung des Stadions als „ein Wunder in der Nacht“.

Unter den ausländischen Brüdern waren 7 000 aus Dänemark und ungefähr hundert aus anderen Ländern, einschließlich der Vereinigten Staaten, Kanadas, der Niederlande und Deutschlands. Für die ausländischen Gäste waren in Oslo besondere Ausflugsfahrten organisiert worden. Auf einer solchen Fahrt machte Bruder F. W. Franz aus dem Bethel in Brooklyn eine interessante Erfahrung. Zusammen mit einer Gruppe anderer Zeugen Jehovas besuchte er die Festung Akershus über dem Hafen von Oslo. Als die Gruppe der Brüder zur Kapelle kam, erzählte eine Reiseleiterin etwas über die Kirche. Sie zeigte auf vier hebräische Buchstaben hoch über dem Altar und sagte, daß noch niemand in der Lage gewesen sei, ihr zu sagen, was sie bedeuteten. Bruder Franz hatte die Gelegenheit, ihr zu erklären, daß diese vier hebräischen Buchstaben für den göttlichen Namen Jehova stehen.

Zu den Höhepunkten des Kongresses gehörte die Taufe am Freitagmorgen, bei der 199 Personen ihre Hingabe symbolisierten — die höchste Zahl an Täuflingen, die wir bis dahin auf irgendeinem Kongreß in Norwegen hatten. Der öffentliche Vortrag „Weltregierung auf der Schulter des Friedefürsten“, den Bruder Knorr hielt, wurde von 12 332 Personen besucht.

BIBLISCHE HILFSMITTEL IN NORWEGISCH

Wir hatten vorher erwähnt, daß gleich nach dem Krieg ein Mangel an Literatur in der norwegischen Sprache bestand. Im Jahre 1948 erhielten wir jedoch das neue Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Von Dezember 1949 an wurde die dänische Ausgabe der Zeitschrift Erwachet! im Predigtdienst verwendet, aber im Januar 1951 erhielten wir dieses wertvolle Hilfsmittel in unserer eigenen Sprache. Seit jenem Jahr ist es nicht mehr nötig gewesen, fremdsprachige Literatur in unserem Predigtwerk zu verwenden, aber wir haben einige dänische Bücher in der Theokratischen Schule benutzt.

Ein Bibelstudienhilfsmittel, das die Brüder ins Herz geschlossen hatten, war das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“, das 1951 in Norwegisch erschien. Kein anderes Buch war bis dahin in der Bibelstudientätigkeit so umfangreich eingesetzt worden. Aber 1969 stand ein anderes sehr wertvolles Bibelstudienhilfsmittel zur Verfügung. Es war das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. Wir haben niemals eine bessere Publikation für die Bibelstudientätigkeit gehabt.

In diesem Zusammenhang wäre es passend, das Buch Hat sich der Mensch entwickelt, oder ist er erschaffen worden? (in Norwegisch 1970 herausgegeben) zu erwähnen. Während unseres ersten Feldzuges im September 1970 verbreiteten wir 31 727 Exemplare dieses Buches. Das waren mehr Bücher als im ganzen Dienstjahr 1968! Die Verkündiger taten wirklich ihr Bestes, und viele probierten neue Methoden aus. Einige standen an belebten Straßenecken mit einem ganzen Karton voller Bücher oder mit einem Buchstapel auf dem Arm. Viele Verkündiger gingen in die Schulen und boten den Schülern während der Pausen Bücher an. In einem Fall kam ein Student in das Büro der Gesellschaft und bat um zwanzig Bücher für sich und andere Studenten.

„AUCH ANDEREN STÄDTEN ...“

Jesus Christus sagte, daß es auch noch ‘andere Städte’ gab, in denen er die gute Botschaft zu verkündigen hatte (Luk. 4:43). In ähnlicher Weise wurden 1952 und 1953 besondere Anstrengungen gemacht, um die gute Botschaft auch in den kleineren Städten und in den Landgebieten Norwegens zu predigen, wo ein großer Teil der Bevölkerung lebt. Die Gesellschaft ermunterte die Brüder, diese Gebiete in den Sommermonaten zu bearbeiten, und eine ganze Anzahl tat dies. Das hatte zur Folge, daß während dieser beiden Jahre 60 Prozent des ganzen nichtzugeteilten Gebietes bearbeitet werden konnten. Wie waren die Ergebnisse? Viele Interessierte wurden gefunden, und eine Menge Literatur wurde abgegeben. Die Brüder besuchten viele Interessierte wieder oder schrieben ihnen Briefe, und das Zweigbüro erhielt 6 000 Namen von Personen, denen weitere geistige Hilfe versprochen worden war. Als Ergebnis dieser Feldzüge zog eine Anzahl von Verkündigern in Orte, in denen es noch keine Versammlungen gab. Auf diese Weise wurden weitere Versammlungen gegründet.

Zwei Missionare, die die Gileadschule besucht hatten, arbeiteten von 1951 bis 1953 in Nordnorwegen und erfreuten sich außerordentlicher Erfahrungen im Predigtdienst. Besonders die Winterzeit erforderte große Opfer im Dienst. Von der Gesellschaft hatten sie Rucksäcke, Schlafsäcke und Pelzmäntel für den Gebrauch in der strengen Kälte — weit unter dem Gefrierpunkt — bekommen. Oftmals benutzten sie Schier im Dienst. Auf einer solchen Schireise wurden sie einmal von einem Schneesturm überrascht, und es war so windig, daß sie sich kaum auf den Füßen halten konnten. Der Schnee peitschte ihnen ins Gesicht, so daß sie fast nichts sehen konnten. Wenn sie innehielten, mußten sie ständig ihre Arme in Bewegung halten, um warm zu bleiben. Sie wurden jedoch belohnt, als sie schließlich den kleinen Hafen von Kiberg erreichten, wo etwa 350 Leute wohnten. Der Ort wurde oft „Klein Moskau“ genannt, weil es dort so viele Kommunisten gab. Die Brüder luden die Bevölkerung zu einem Vortrag ein, und mehr als neunzig Personen füllten den Saal. Auf dieser Reise wurden auch mehrere Studien begonnen.

Die Arbeit im nichtzugeteilten Gebiet ging während der folgenden Jahre weiter, aber nicht im gleichen Ausmaß. In der Mitte der 60er Jahre wurden jedoch besondere Anstrengungen unternommen, um das Predigtwerk in diesen Gebieten zu fördern. Es gab immer noch Orte, wo die Königreichsbotschaft kaum gepredigt worden war. Gruppen von zwei, vier oder mehr Pionieren zogen in dichter besiedelte Gebiete und versuchten, Versammlungen zu gründen. Auch eine ganze Anzahl von Versammlungsverkündigern zogen in Gebiete, wo Hilfe benötigt wurde. Außerdem ermunterte die Gesellschaft alle Brüder das nichtzugeteilte Gebiet in den Sommermonaten zu bearbeiten. Die Folge war, daß jedes Jahr große Gebiete des Landes bearbeitet und viele Bibelstudien begonnen wurden. Um den Verkündigern zu helfen, diese Studien brieflich durchzuführen, arbeitete das Zweigbüro in Oslo ein kleines Traktat mit besonderen Fragen zu dem Buch „Dinge, in denen es unmöglich ist, daß Gott lügt“ aus. Sehr erfreulich ist, daß das Interesse an diesen Gebieten lebendig blieb. Es hat ständig Verkündiger gegeben, die in Orte gezogen sind, wo mehr Hilfe benötigt wurde, oder die dort während der Sommermonate Zeugnis gaben. Auf diese Weise konnte im Laufe der Jahre das ganze nichtzugeteilte Gebiet in den Sommermonaten durchgearbeitet werden.

BETHELHEIM UND ZWEIGBÜRO

Es hat in Norwegen keine Notwendigkeit für ein größeres Bethelheim und Zweigbüro bestanden, da die Zahl der Verkündiger nicht so groß ist. Die Bethelfamilie umfaßt heute nur fünfzehn Glieder. Bis zum Jahre 1956 wurden die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! in Norwegisch in einer Druckerei in Oslo gedruckt. Seitdem werden sie von dem schwedischen Zweig der Gesellschaft gedruckt. Wir haben jedoch auch eine kleine Druckerei hier im Bethel, wo unter anderem Unser Königreichsdienst und Formulare gedruckt werden.

Wir benutzen noch das Gebäude Inkognitogaten 28 B. Dies scheint Jehovas Wille zu sein, denn in den vergangenen Jahren haben wir mehrmals erfolglos versucht, ein anderes Gebäude zu bekommen. Wegen der Ausdehnung des Königreichswerkes wurde im Bethel mehr Platz benötigt. Als Bruder Knorr daher im Jahre 1965 hier war, wurde der Entschluß gefaßt, bei den Behörden um Erlaubnis für den Bau eines neuen Bethelheimes und Zweigbüros auf einem schön gelegenen Stück Land, das ein Geschenk von einem Bruder war, nachzusuchen. Pläne für den Bau waren vorbereitet, doch die Behörden waren nicht bereit, dieses Gebiet am Rande Oslos zu erschließen. Damals haben wir versucht, ein anderes Grundstück zu bekommen, aber ohne Erfolg.

Im Jahre 1970 trat eine Wende ein. Im dritten Stock des Gebäudes, in dem sich das Zweigbüro befindet, war lange Zeit eine Pension betrieben worden. Aber die Eigentümerin stellte fest, daß keine wirtschaftliche Grundlage mehr dafür bestand. Die Brüder in Oslo wurden gebeten, sich nach einer passenden Wohnung für die Besitzerin der Pension umzusehen. Aber da dies zunächst ohne Erfolg war, antwortete sie selbst auf eine Anzeige in der Zeitung. Sie fand später heraus, daß zufällig sie unter 700 Bewerbern ausgewählt worden war. Einige Brüder renovierten die neue Wohnung der Frau und halfen ihr beim Umzug.

Wir haben die Renovierung des dritten Stockwerkes in unserem vergrößerten Bethelheim beendet und auch einige Änderungen vorgenommen. So haben wir jetzt eine Menge Platz. Außerdem ist dieses Gebäude für unsere Zwecke ideal gelegen. Es befindet sich nur zwei Eisenbahnstationen von der City entfernt, und bis zum Hafen sind es nur wenige Minuten. Trotzdem ist es in einer schönen und verhältnismäßig ruhigen Gegend gelegen.

DIE STARKE ORGANISATION VON HEUTE

Während der Zeit des organisatorischen Fortschritts nach dem Zweiten Weltkrieg haben einige Brüder hier in Norwegen besondere Verantwortung getragen. Marvin Anderson diente von 1946 bis 1963 als Zweigaufseher. Seit 1964 leitet er die Druckerei hier im Bethel. Bruder Roar A. Hagen war von 1963 bis 1969 Zweigaufseher, mußte dann aber diese verantwortliche Stellung aus familiären Gründen aufgeben. Er wurde durch Thor R. Samuelsen ersetzt, der jetzt als Zweigkoordinator dient.

In apostolischen Zeiten nahm sich eine Körperschaft von Ältesten, unterstützt von Dienstamtgehilfen, der Christenversammlung an, wie wir es auf den Bezirkskongressen 1971 lernten. Diese neue Vorkehrung wurde mit Freude angenommen, und sie hat sich in den folgenden Jahren sehr bewährt. Alle ernannten Ältesten in Norwegen hatten 1974 und 1975 die Gelegenheit, die Königreichsdienstschule zu besuchen. Dies rüstete sie noch besser aus, für die „Herde“ zu sorgen (1. Petr. 5:1-3).

Während der 1970er Jahre haben wir uns einer gewaltigen Mehrung erfreut. Ohne Zweifel hat ein neuer Dienstzweig dazu beigetragen. Die norwegischen Brüder waren 1973 zu dem internationalen Kongreß in Kopenhagen (Dänemark) eingeladen. Dort wurde etwas Neues angekündigt: die ausgedehnte internationale Verbreitung von Königreichs-Nachrichten. Der erste dieser Feldzüge fand in Norwegen während zehn Tagen, beginnend mit dem 21. September desselben Jahres, statt. Die besondere Art dieses Dienstes ermöglichte es, daß sich viele weitere Personen am Predigtdienst beteiligten. Von September 1972 bis September 1973 hatten wir eine Zunahme von 1 119 Verkündigern. Das entspricht 19,4 Prozent.

Aufgrund der Traktatfeldzüge bekundeten viele Personen Interesse an der Wahrheit. Ein Mann las die Königreichs-Nachrichten Nr. 16 und rief die Telefonnummer an, die auf der letzten Seite angegeben war. Ein Bibelstudium wurde mit ihm begonnen. Nach zwei Studien hörte er auf zu rauchen, nach sechs trat er aus der Kirche aus. Er nahm auch Änderungen im Hinblick auf seinen Haarschnitt, seinen Bart usw. vor. Während dieser Zeit besuchte er mit seiner Frau regelmäßig unsere Zusammenkünfte. Dieser Mann machte schnelle Fortschritte und wurde, ungefähr sechs Monate nachdem er das erste Mal mit der Wahrheit in Berührung gekommen war, getauft. Er und seine Frau sind eifrige Königreichsverkündiger geworden.

Wir haben jetzt mehrere Ausgaben der Königreichs-Nachrichten verbreitet, und ein großes Zeugnis ist gegeben worden. Viele Neue haben den Predigtdienst aufgenommen. Vom 1. bis 10. Mai 1976 verbreiteten wir 800 000 Traktate, und 7 405 Personen nahmen in diesem Monat am Predigtdienst teil. Zum Gedächtnismahl am 14. April 1976 waren 13 037 Personen anwesend. So hoffen wir, daß noch viele weitere einen Anteil an der Rechtfertigung des Namens Jehovas haben werden.

In den dreißig Jahren von 1945 bis 1975 ist die Zahl der Königreichsverkündiger in Norwegen von 689 auf 7 543 angewachsen. Das ist eine Zunahme von fast tausend Prozent! Während dieser Jahre ist die Zahl der Versammlungen von 40 auf 197 angestiegen und die Zahl der Kreise von vier auf elf. Und die Zunahme dauert an!

VORWÄRTS IN DEM WERK JEHOVAS!

Die gute Botschaft vom Königreich wird jetzt in allen Teilen Norwegens verkündigt. Sie ist bis zu den entferntesten Inseln und Riffen entlang der Küste, bis in die tiefen Fjorde, die Täler und die großen Wälder vorgedrungen. In dem Bemühen, die Wahrheit bekanntzumachen, haben wir die unterschiedlichsten Zeiten erlebt — Zeiten des Fortschritts und Zeiten der Schwierigkeiten. Der Fortschritt hat uns gestärkt, und die Schwierigkeiten haben zur Reinigung beigetragen.

Jehova hat uns in den vierundachtzig Jahren, die vergangen sind, seit Knud P. Hammer im Jahre 1892 mit der guten Botschaft nach Norwegen kam, reich gesegnet.

Unser Predigtwerk wurde — von den Kriegsjahren 1941 bis 1945 abgesehen — nicht mit großer Opposition von seiten politischer oder religiöser Organisationen konfrontiert. Als Volk scheinen die Norweger den Standpunkt anderer Leute zu respektieren, und sie lassen sich nicht so leicht durch religiöse und politische Fanatiker aus der Ruhe bringen. Außerdem ist es für jeden offensichtlich geworden, daß der Einfluß der religiösen Organisationen nachläßt, besonders unter der jüngeren Generation, die ihren Standpunkt gegen die Missetaten, die im Namen der Religion verübt werden, bezieht.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Lebensstandard in Norwegen sehr gestiegen. Der Materialismus hat einen starken Einfluß auf die Leute. Christen müssen sich in acht nehmen, um seinen Fallstricken zu entgehen. Die Kriminalität und der Drogenmißbrauch nehmen in alarmierender Weise zu, und die Moral ist im Sinken begriffen.

Aber Gottes Volk wandelt auf dem „Pfad Jehovas“, und es verspürt seine liebende Güte (Ps. 25:10). Jehovas Zeugen in Norwegen erleben die Freude, eine geeinte und schnell wachsende Gemeinschaft von wahren Anbetern zu sein. Wir beten darum, daß Jehova Gott fortfahren möge, uns als würdig zu erachten, sein großes Werk hier in Norwegen, dem „Land nach Norden hin“, durchzuführen.

[Karte auf Seite 193]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

NORWEGEN

Kirkenes

Narvik

Bodø

Polarkreis

Namsos

Trondheim

Kristiansund

Florø

Lillehammer

Sognefjord

Bergen

Oslo (Kristiania)

Moss

Skien

Stavanger

Kristiansand

UDSSR

FINNLAND

SCHWEDEN

DÄNEMARK

[Bild auf Seite 214]

Pionier mit Büchertasche und Grammophon; im Hintergrund das Boot „Rut“ (Ruth), das zum Zeugnisgeben entlang der Küste gebraucht wurde

[Bilder auf Seite 238]

Zweigbüro und Bethelfamilie in Oslo