Peru
Peru
Land der Inkas — das ist Peru, einst das Gebiet des Inkareiches, heute die Heimat von rund 17 000 000 Menschen, unter ihnen die Quechuaindianer, deren Vorfahren vor mehr als sieben Jahrhunderten die Grundlage für die hochentwickelte Inkakultur legten.
Etwa 46 Prozent der heutigen Peruaner sind Quecha- oder Aymaráindianer. Den größten Teil der Bevölkerung bilden die Mestizen. Tatsache ist, daß die majestätischen Anden, die das Land in eine trockene, wüstenhafte Küstenzone im Westen und in einen üppig-feuchten Dschungel im Osten teilen, viel zur Entstehung der ethnischen Gruppen Perus beitrugen. In den Dschungelgebieten leben Dutzende von Indianerstämmen, deren Bräuche und Sprachen sich grundlegend von denen der Indianer des „Altiplano“ unterscheiden, die die Hochebenen der Anden bewohnen. In der 2 300 Kilometer langen Küstenzone am Pazifik lebt die Mehrzahl der Peruaner spanischer Herkunft, von denen sich nicht wenige mit den Ureinwohnern des Landes vermischt haben.
Im Norden Perus liegen Ecuador und Kolumbien, im Osten Brasilien und Bolivien, im Süden ist Chile.
In dieses Land, das alte Reich der Inkas, kam im 16. Jahrhundert u. Z. der spanische Eroberer Francisco Pizarro. In seinem Gefolge befanden sich im Jahre 1535 Priester und Mönche aus Spanien. Damit die neueingeführte katholische Religion auch haftenblieb, hielten es die Priester für passend, viele indianische Traditionen, Bräuche und Vorstellungen zu übernehmen. Zu keiner Zeit hat die katholische Kirche in Peru die uralten Riten der Nachkommen der die Sonne anbetenden Inkas ausgerottet. Spiritismus, Animismus und Totenkult erhielten somit den äußeren Anschein des Katholizismus. Das heutige Peru ist ein Land der Mischreligion. Aber auch die Strahlen des geistigen Lichts sind zu den Hügeln, Bergen und Tälern des Landes der Inkas durchgedrungen (Ps. 43:3). Wann begann dieses großartige geistige Licht zu leuchten?
GEISTIGES LICHT BEGINNT ZU LEUCHTEN
In den 1930er Jahren gaben einige Zeugen Jehovas, die auf der Durchreise waren, an verschiedenen Orten in Peru biblische Literatur ab. Brüder in anderen Ländern sandten als Ausdruck ihrer Liebe christliche Publikationen an ihre Verwandten in diesem Land und ermunterten sie, Gottes Wort zu lesen. Im Laufe der Zeit fand ein Teil der Literatur seinen Weg in einige Antiquariate der Hauptstadt Lima.
In einem dieser Läden stieß im Jahre 1938 Victor Lura auf ein Buch, betitelt „Die Harfe Gottes“. Er war von dem Titel ganz begeistert.
„Ist es möglich, daß Gott eine Harfe hat? Ja, wie müßte eine solche Harfe aussehen?“ grübelte Herr Lura. Nachdem er das Buch für einen geringfügigen Betrag gekauft hatte, verlor er keine Zeit und „verschlang“ seinen Inhalt. Wie eine schöne Melodie, die auf einer zehnsaitigen Harfe gespielt wird, dem Zuhörer Freude bringt, so erfreute das neuerworbene Buch seinen Leser, als es ihm die zehn Grundlehren der Heiligen Schrift vor Augen führte. Wie sehr unterschieden sich doch diese Wahrheiten von der katholischen Lehre und von seinem eigenen Glauben als Pfingstler!Bald danach ging Herr Lura wieder in das Antiquariat und durchsuchte es gründlich nach weiteren Publikationen der Watch Tower Society. Er fand auch einige. Damals war er der Hausmeister der Versammlungsstätte der Pfingstgemeinde. Die Monate vergingen, und Herr Lura fühlte sich gedrängt, Auszüge seiner wertvollen Bücher zu vervielfältigen. In diesen Exzerpten wurden die Evolutionslehre und der Spiritismus verurteilt. Von Eifer gedrängt, veranlaßte er, daß die Buchauszüge als Flugblätter gedruckt wurden, und bezahlte die Kosten aus eigener Tasche. Diese Handzettel gelangten in die Hände vieler Einwohner Limas und des benachbarten Callao. In jener Zeit machte Herr Lura die Bekanntschaft einer jungen Frau, Lastenia Casana, die ebenfalls die Zusammenkünfte der Pfingstgemeinde besuchte. Im Jahre 1939 heirateten sie und studierten dann gemeinsam eifrig die biblischen Prophezeiungen, die in den christlichen Publikationen, die sie beide sehr schätzten, klar dargelegt wurden.
Eines Tages, im Jahre 1943, kam Victor mit einer begeisternden Nachricht in die Wohnung gestürzt. „Eine Zeugin Jehovas ist in der Stadt“, teilte er ganz aufgeregt seiner Frau mit. Freida Johnson, eine Vollzeitpredigerin der Königreichsbotschaft, die die Westküste Südamerikas entlangreiste, hatte in Lima haltgemacht. Sie war von einer evangelischen Frau, der sie Zeugnis gegeben hatte, freundlich eingeladen worden, bei ihr zu wohnen. Ihr Haus lag hoch oben auf einem Berg am Rande der Stadt. Es besaß weder Kanalisation noch fließendes Wasser, und Strohmatten bildeten die Wände. Aber es genügte. Obwohl sie bereits in den Sechzigern war, badete unsere Pionierschwester, die so leicht nichts erschüttern konnte, gemeinsam mit den Einheimischen im Río Rímac.
Ohne Zeit zu verlieren, ging Victor Lura zu Schwester Johnson. Endlich konnte er den Kontakt mit Jehovas Volk aufnehmen. Noch am gleichen Abend wollte man zusammenkommen und lud dazu Freunde und Nachbarn ein. Jene erste Zusammenkunft verlief nicht gerade nach Wunsch. Die meisten Teilnehmer waren Pfingstler, die mit ihren religiösen Lieblingsphrasen Schwester Johnson nicht zu Wort kommen ließen. Deshalb wurden zu der Zusammenkunft, die am nächsten Abend stattfinden sollte, nur diejenigen eingeladen, die echtes Interesse an der biblischen Wahrheit bekundet hatten. Bei diesem Zusammensein gab Schwester Johnson ein prägnantes, gezieltes Zeugnis,
wobei sie nachdrücklich auf die Aufrichtung des Königreiches Gottes im Himmel im Jahre 1914 hinwies. Eine Anzahl ihrer Zuhörer ließ sich überzeugen. Zu ihnen gehörten Pedro Garay und Victor Romero.Schwester Johnson blieb vier Tage in Lima. In dieser Zeit gab sie Zeugnis und ermunterte die neuinteressierten Personen. Nachdem sie ihren christlichen Auftrag erfüllt hatte, sandte sie deren Namen und Adressen an das Hauptbüro der Watch Tower Society in Brooklyn (New York). Anschließend reiste sie nach Huancayo in Zentralperu weiter. Danach begab sie sich in Richtung Süden. Später erfuhren die peruanischen Zeugen, daß Schwester Johnson um das Jahr 1945 während eines Malariaanfalls in Medellín (Kolumbien) gestorben war.
Victor Lura, Pedro Garay und Victor Romero legten 20 Dollar zusammen und sandten sie an die Watch Tower Society in Brooklyn. Sie wollten unbedingt wissen, was sie für die Verbreitung der „guten Botschaft“ tun konnten. Schon einen Monat später traf Literatur ein, ferner ein Grammophon und Schallplatten mit biblischen Vorträgen in Spanisch. Gelegentlich erhielten sie auch Briefe und Anweisungen. Da diese in Englisch waren, mußte sie Victor Romero, der die Sprache beherrschte, übersetzen. So kam es, daß sich das geistige Licht in den Jahren 1943 und 1944 im Lande der Inkas auszubreiten begann.
ERBAUENDER BESUCH
In einem seiner Briefe fragte Victor Lura bei der Gesellschaft an, ob nicht jemand zur Unterstützung nach Lima gesandt werden könnte. Die Begeisterung auslösende Antwort lautete, daß tatsächlich Missionare dafür ausgerüstet würden, als Prediger „bis zum entferntesten Teil der Erde“ vorzudringen (Apg. 1:8). Auf diese Weise wurde Erwartung geweckt für die spätere Ankunft der in der Wachtturm-Bibelschule Gilead ausgebildeten Missionare in Peru. Am 10. Juni 1944 rief der Präsident der Watch Tower Society, N. H. Knorr, tatsächlich sieben Missionare in sein Büro und teilte ihnen mit, daß Peru ihre Zuteilung sein würde.
Vor Ankunft dieser Missionare sollte aber noch etwas sehr Bedeutsames geschehen. Die kleine Gruppe in Lima erfuhr, daß die Brüder N. H. Knorr und F. W. Franz am 26. Februar 1945 zu einem Besuch eintreffen würden. Sie jubelten vor Freude, daß sie nun durch die Gemeinschaft mit diesen Brüdern Kontakt mit Jehovas Organisation haben konnten!
Der lang ersehnte Tag war endlich da. Fünf freudige Brüder und interessierte Personen warteten auf dem Flugplatz von Lima und winkten lebhaft mit dem La Atalaya (die spanische Ausgabe des Wachtturms), als das Flugzeug aufsetzte und dann mit dröhnenden Motoren zum Stehen kam. Anschließend gab es eine überaus herzliche Begrüßung. Besucher und Peruaner freuten sich gleichermaßen auf das Beisammensein in der Wohnung Victor Luras.
An jenem Abend hingen acht Personen an den Lippen Bruder
Knorrs, der über die große Verantwortung sprach, die auf denen lastet, die Jehova Gott dienen wollen. Zunächst sollten regelmäßig christliche Zusammenkünfte durchgeführt werden. Dann kam er auf das Problem zu sprechen, wie die Missionare in das Land einreisen sollten. Das sei nicht einfach, denn Peru habe mit dem Vatikan ein Konkordat abgeschlossen. Darüber hinaus habe der Präsident Perus entschieden, daß mit Ausnahme der römisch-katholischen Kirche keine Organisation öffentliche Gottesdienste abhalten dürfe. Welche Strafe sei zu erwarten, wenn man das nicht beachte? Zwischen 2 und 30 Tagen Gefängnis und eine Geldstrafe von 2 bis 50 Sol oder eine dieser beiden Strafen. Doch wie dachten Bruder Knorrs Zuhörer über all diese Punkte? Furchtlos und entschlossen wollten sie die Königreichsbotschaft von Haus zu Haus predigen. In diesem Geist klang die Zusammenkunft aus.Nach einer Reise, die sie in den Süden führte, trafen die Besucher am 26. März wieder in Lima ein. An jenem Abend war der Versammlungsort mit 18 Personen zum Bersten voll. Vier von ihnen waren die zwei Reisenden aus Brooklyn und die Brüder Albert Mann und Jack Powers, Absolventen der Gileadschule, die in Lima einen kurzen Zwischenaufenthalt einlegten, bevor sie in ihre Zuteilung im Süden weiterreisten. Mit Bruder Franz als Dolmetscher vom Englischen ins Spanische hob Bruder Knorr die Wichtigkeit der Rückbesuchstätigkeit hervor. Er sprach auch über die Möglichkeit, eine Ortsversammlung der Zeugen Jehovas zu organisieren. War das auch der Wunsch der Neuen? Ganz bestimmt! Darüber hinaus äußerte eine Anzahl der Anwesenden den Wunsch, als Zeichen ihrer „Weihung“ oder Hingabe an Jehova getauft zu werden. Man vereinbarte, daß die Brüder Mann und Powers am folgenden Abend zurückkehren und eine weitere Zusammenkunft abhalten sollten und daß sie ferner am übernächsten Abend die Gedächtnismahlfeier durchführen sollten. Bei dieser Gelegenheit fand die erste Taufe in Peru statt. Damals symbolisierten drei Personen ihre Hingabe an Gott, einer von ihnen war Pedro Garay.
HILFE VON MISSIONAREN
Die Regierung hatte den Missionaren die Einreiseerlaubnis verweigert. Die Gesellschaft sorgte jedoch im Oktober 1945 dafür, daß zwei Gileadabsolventen aus Bolivien mit dem Außenministerium in Verbindung traten, um den Grund zu erfahren, weshalb für die Missionare keine Visa ausgestellt wurden. Die Anfrage ergab, daß die Missionare die Möglichkeit hätten, als Touristen einzureisen und dann pro Person 25 Dollar zu bezahlen, bevor sie mit der Zeit ihre Visa für den Aufenthalt im Land erhalten würden. So kam es dazu, daß nach langem Briefwechsel und nach vielen Bemühungen acht Gileadmissionare schließlich am 20. Oktober 1946 in Peru eintrafen. Zu jenen Männern und Frauen der ersten Stunde zählten Walter und Christine
Akin und Nellena und Verda Pool, die in diesem Land Jahrzehnte damit verbringen sollten, schafähnlichen Menschen zu helfen.Hier waren sie also, Ende 1946 — acht begeisterte Missionare. Und was nun? Vor ihnen lag ein unerschlossenes Gebiet. ‘Eine große Tür, die zur Tätigkeit führt, hatte sich ihnen aufgetan’ (1. Kor. 16:9). Sie mußten erst eine fremde Sprache lernen. Aber alles der Reihe nach. Obwohl sie kein Spanisch konnten, suchten und fanden sie Hotelunterkünfte, so knapp diese auch waren. Die vier Mädchen mußten mit einem einzigen Zimmer vorliebnehmen, das sie weder abschließen noch verriegeln konnten. Noch voller Argwohn gegen die fremde Umgebung, trafen sie Vorsichtsmaßregeln und türmten alle Möbel vor der Tür auf. Dann erst legten sie sich schlafen.
Sich eine Wohnung suchen zu müssen, wenn man sich in der Sprache und in der Währung das Landes nicht auskennt, ist alles andere als ein Vergnügen. Als die Missionare in ihrer zweiten Woche in Peru ein Haus mieten konnten, erwiesen sich die Unterhaltskosten als zu hoch. Einen Monat später wurde ein anderes Haus gemietet. Während die Schwestern ihr Gepäck und ein paar Habseligkeiten trugen, nahm Bruder Akin die schwereren Sachen in einem Taxi mit. Doch nun hatten sie endlich einen Wohnsitz.
Die erste Zusammenkunft der Missionare mit den interessierten Personen aus Rímac ergab, daß die Neuen noch viel Hilfe brauchten. Aus diesem Grund wurden die Familie Lura und die Garays eingeladen, in dem neuen Missionarheim die Zusammenkünfte zu besuchen. Bei der ersten Versammlungszusammenkunft, die dort abgehalten wurde, waren außer den Missionaren nur vier Peruaner anwesend.
Damals, in den ersten Wochen, als die Missionare viele Gelegenheitszeugnisse gaben, erkannten sie, daß sie die Sprache Perus schnell erlernen mußten. Deshalb sollte die Gruppe am Peruanisch-Nordamerikanischen Kulturinstitut einen zweimonatigen Spanischkurs besuchen. Jeder bezahlte seine Kursgebühren selbst. Nun mußten sie sich auf ihr Studium vorbereiten und sich mehr in Spanisch unterhalten. Gemeinsam bemühten sie sich, ihren Wortschatz zu erweitern. Auf dem Weg zum Unterricht und auf dem Rückweg nahmen sie jede Gelegenheit wahr, die Straßennamen und Wörter auf den Schildern, an denen sie vorbeikamen, auszusprechen, wobei sie sich gegenseitig korrigierten. Zu ihrer großen Freude machten sie auch Fortschritte.
Spanisch zu lernen ist für viele Missionare, die in Gilead ausgebildet und Peru zugeteilt wurden, ein „Abenteuer“ gewesen. Im Laufe der Zeit haben sich die Lehrmethoden geändert. Zum Beispiel machten einst die Neuankömmlinge nach ihrer Ankunft zwei Monate lang eine intensive Schulung mit. Im ersten Monat mußten sie elf Stunden am Tag das Spanische geradezu „aufsaugen“. Den zweiten Monat über verbrachten sie die erste Tageshälfte damit, die Sprache in ihrer Wohnung zu studieren, den Rest des Tages benutzten sie dazu, ihre neuerworbenen Kenntnisse im Predigtdienst anzuwenden. Natürlich konnten
neue Missionare, die gerade mit der Sprache anfingen, immer von den „älteren“ Brüdern lernen, die im Missionarheim am Kaffeetisch Spanisch sprachen.Doch ohne Zweifel bot der Predigtdienst die beste Sprachübung. Man konnte den Wohnungsinhaber bitten, die damals im Evangeliumswerk benutzte „Zeugniskarte“ zu lesen, auf der ein schönes Zeugnis in Spanisch stand. Außerdem lernten neue Missionare Kurzpredigten, die sie wie ein Papagei nachplapperten. Wie konnte das an den Türen jemals gutgehen? Edna Waterfall, die zu den später in Peru eingetroffenen Missionaren gehört, berichtet:
„Ich werde die erste Haustür nie vergessen, an der ich ganz allein Zeugnis geben mußte. Jehova gab mir die Kraft, daß ich es überstehen konnte. ... Mir brach der kalte Schweiß aus. Das Dienstmädchen fragte mich, was ich wünschte, und ich verlangte die Dame des Hauses zu sprechen. ... Ich betete im stillen zu Jehova um Hilfe, dann kam das Dienstmädchen zurück, und ich wurde in das Wohnzimmer geführt. Eine ältere Dame erschien, lächelte freundlich und setzte sich hin, um zu hören, was ich ihr zu sagen hatte. Ich stammelte meine auswendig gelernte Predigt, zeigte ihr die Zeugniskarte und bot ihr die spanische Ausgabe des Buches ,Das Königreich ist herbeigekommen‘ an. Sie nahm das Buch, und ich vereinbarte ein Bibelstudium. Aber damit war ich auch mit meinem Spanisch am Ende. Da saß ich nun und überlegte, wie ich mir einen guten Abgang verschaffen konnte. Ich glaube, daß sie meine Situation erkannte. Sie lächelte und sagte dann in perfektem Englisch: ,Einverstanden, das ist alles sehr schön. Ich werde mit Ihnen studieren, und zwar werden wir es in Spanisch tun, um Ihnen zu helfen, Spanisch zu lernen.‘ Ganz verwirrt sagte ich: ,Sie können Englisch und hören mir seelenruhig zu, wie ich gebrochen Spanisch spreche?‘ ,Es war zu Ihrem Nutzen‘, antwortete sie. Da hatte sie auch recht. Wir konnten dann ein wunderbares Studium durchführen.“
AUFTAKT IN LIMA
Als die Missionare am 5. Dezember 1946 die offizielle Bestätigung erhielten, daß ihr Aufenthalt als Ausländer in Peru genehmigt worden war, brachten sie Jehova durch ein Gebet ihren Dank zum Ausdruck. Hervorragend! Der reguläre Haus-zu-Haus-Dienst konnte nun beginnen. Die Freude der Missionare war groß, denn jetzt konnten sie ihre Zeit und Kraft ganz dem Verkündigen der „guten Botschaft“ widmen.
Die ursprüngliche Gruppe von acht Missionaren teilte Lima in acht Gebiete ein. Das Gebiet, das Bruder und Schwester Akin zugeteilt wurde, hieß Lince und sollte sich als sehr fruchtbar erweisen. Wie könnte Schwester Akin jemals die erste Tür, an der sie in diesem Gebiet vorsprach, vergessen? Sie reichte der Dame des Hauses ihre Zeugniskarte, las ein oder zwei Verse aus der spanischen Bibel vor 2. Kor. 3:1-3). Jahre später konnten die Akins auf diese „Briefe“ hinweisen, die aus jenem ersten Bibelstudium in Lima hervorgegangen waren: Luis und Adriana Sanchez wurden allgemeine Pioniere. Von den fünf Schneidern wurde ein weiterer, Flavio Ramos, schließlich Sonderpionier in Lima. Ein junger Mann, der in jener Schneiderwerkstatt Schwester Akin ein Buch abgenommen hatte, wurde später Sonderpionier hoch oben in den Anden.
und erwähnte schließlich, was die Literatur kostete. Die Frau schien interessiert zu sein. Nachdem sie etwas auf Spanisch „heruntergerasselt“ hatte, zog sie Schwester Akin auf die Straße und schob sie vor sich her, bis sie vor eine Schneiderwerkstatt kamen. Dort zeigte sie auf ihren Ehering, und jetzt wurde Schwester Akin klar, daß sie mit dem Mann der Frau, dem Schneider, reden sollte. Wie überrascht muß doch unsere Schwester gewesen sein, als sie in der Werkstatt nicht nur einen, sondern fünf Schneider sah! Nachdem sie im stillen zu Jehova gebetet hatte, gab sie freimütig Zeugnis und bot das Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen“ an. Jeder der fünf Männer versuchte, mit Schwester Akin ins Gespräch zu kommen, und schließlich zeigte der Besitzer der Schneiderwerkstatt auf ihren Ehering. Damit wollte er andeuten, daß Schwester Akin mit ihrem Mann wiederkommen sollte. Nun, es kam dann zu einem Heimbibelstudium aus dem im Laufe der Zeit einige „Empfehlungsbriefe“, weitere Diener Jehovas, hervorgingen (Als unser Werk in der Hauptstadt immer größere Fortschritte machte, begann es sich nach Barrios Altos, dem ältesten Stadtteil des kolonialzeitlichen Lima, auszudehnen. Dort konnten in einer der Fußgängerpassagen viele Bücher abgegeben werden. Als die Zeugen später in dieses Gebiet zurückkehrten, um es weiter zu bearbeiten, kam aus einem der Häuser ein Mann heraus, der Nellena Pool suchte. Eine Woche zuvor hatte er von ihrer Begleiterin, Lastenia Lura, das Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen“ erhalten und ganz durchgelesen. Den Mann beschäftigten viele Fragen, die ihm mit der Zeit beantwortet werden konnten. Binnen kurzem besuchte dieser Mann — Leopoldo Sanchez — die christlichen Zusammenkünfte und nahm am Predigtdienst teil. Er wurde im Januar 1948 getauft, vier Jahre später erfolgte seine Ernennung zum Sonderpionier — der erste, der aus den Reihen der peruanischen Brüder hervorging.
IN DAS LANDESINNERE
Mitte 1947 besuchten etwa 20 Personen die christlichen Zusammenkünfte in Lima. Aber wie sah es in den anderen Landesteilen aus? Nun, im Juni 1947 verließen die Missionare zum erstenmal die Hauptstadt, um im Landesinneren Perus zu predigen. Die Familie Garay, die seit 1943 mit Gottes Volk verbunden war, besaß ein Grundstock in Huancayo. Diese Stadt, hoch oben in den Anden und ungefähr 12 Stunden mit der Bahn von der Hauptstadt entfernt, lag in typischem
Indianergebiet. Was war dort die vorherrschende Sprache? Quechua — die uralte Sprache der Inkas.Schwester Maria Garay predigte in Huancayo eifrig die Botschaft und fand auch interessierte Personen. Sie verwendete eine Zeugniskarte, und anstelle einer Aktentasche trug sie eine unserer Zeitschriftentaschen über ihrer Schulter. Nein, Schwester Garay tat keinen Straßendienst. Das war in Peru verboten. Das Gesetz des Landes untersagte jeder Religion, außer der römisch-katholischen Staatsreligion, jegliche Form einer religiösen Tätigkeit auf der Straßen. Dies bezeichnete man als Proselytenmacherei. Im Gegensatz zu den meisten Ländern der Welt, wo Jehovas Zeugen von sich sagen, daß sie die Literatur für einen geringen Betrag bei den Leuten „abgeben“, werden wir in Peru offiziell als „Bücherverkäufer“ betrachtet. Man glaubt hier, daß wir von Haus zu Haus gehen, um Bibeln zu „verkaufen“ — eine Tätigkeit, die das Gesetz erlaubt.
Auf jeden Fall war Schwester Garay in ihrem Dienst für Gott eifrig tätig, obwohl man es ihr nicht leichtmachte. Priester folgten ihr von Tür zu Tür und sammelten bei den Menschen die Literatur wieder ein, die sie abgegeben hatte. Diese Geistlichen drängten auch die Nachbarsjungen, mit Steinen nach ihr zu werfen und „Ketzer“ oder „Protestant“ zu rufen. Dennoch konnte in Huancayo so viel Interesse an der biblischen Wahrheit geweckt werden, daß sich ein Besuch der Missionare aus Lima lohnte.
Wer „über den Berg ist“ und Huancayo erreicht hat, kann bestimmt auf ein einzigartiges Erlebnis zurückblicken. Der Zug quält sich erst den Berg hinauf bis in eine Höhe von fast 4 800 Metern, dann beginnt die lange Talfahrt nach Huancayo. Diese Stadt liegt ungefähr in 3 340 Meter Höhe. Der Sauerstoffmangel macht vielen Reisenden sehr zu schaffen. Rasende Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, ja sogar Ohnmachtsanfälle und Erbrechen stellen sich ein.
Nach ihrer Ankunft feierten die Missionare ein freudiges Wiedersehen mit Schwester Garay. Man half und erteilte Rat, eine Versammlung des Volkes Gottes wurde gegründet, und am Ende des Dienstjahres 1948 berichteten in Huancayo fünf Königreichsverkündiger über ihren Predigtdienst.
DIENST MIT ZEITSCHRIFTEN
Ende der 1940er Jahre machte man vermehrten Gebrauch von den Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet!, was vielen Neuen half, sich mit Jehovas Zeugen in Peru zu verbinden. Damals, um das Jahr 1948, wurden jedem Vollzeitprediger sieben Freiexemplare von jeder Ausgabe zugeschickt. Die Verbreitung nahm zu, doch nicht alle Brüder gaben ihre Exemplare ab. Deshalb sammelten sich die Zeitschriften an. Da kam einigen der Missionare ein Gedanke. Sie wollten einen besonderen Tag dafür reservieren, hinauszuziehen und diese Zeitschriften abzugeben. Bald verwendeten mehrere Missionare im
Limaer Stadtteil Rímac jeden Samstag Zeitschriften in ihrer Predigttätigkeit. Andere, die sahen, wie erfolgreich dieser Dienst war, schlossen sich ihnen an. Bald boten die einheimischen Zeugen jeden Samstag an den Türen eifrig nur die Zeitschriften an. In kurzer Zeit verlangte man immer mehr Zeitschriften für diesen produktiven Dienst.Als Bruder Knorr später Peru besuchte, interessierte es ihn sehr zu erfahren, warum in Lima weit mehr Zeitschriften abgegeben wurden als anderswo. Was war der Grund? Nun, die Brüder und Schwestern gebrauchten sie jeden Samstag im gruppenweisen Zeitschriftendienst. Kam man etwa damals auf den Gedanken, einen regulären „Zeitschriftentag“ einzurichten? Wir in Peru sagen das nicht, aber es könnte so gewesen sein. Auf jeden Fall hatte die Abgabe der Zeitschriften zur Folge, daß viele Zeitschriftenrouten und Bibelstudien eingerichtet wurden.
ZWEIGBÜRO ERÖFFNET
Anfang 1949 waren wir „ganz aus dem Häuschen“, als wir erfuhren, daß uns N. H. Knorr und sein Sekretär, M. G. Henschel, besuchen würden. Daher waren am 5. März ungefähr 50 Brüder und interessierte Personen auf dem Flughafen von Lima und begrüßten die Besucher bei ihrer Ankunft. Gleichzeitig mit dem Besuch fand ein Kongreß in dem Königreichssaal des Missionarheims (256 Ramón Dagnino) statt. Zu unserer Freude waren 224 Personen gekommen um Bruder Knorrs öffentlichen Vortrag „Es ist später, als du denkst!“ zu hören. Während dieses Besuches fuhr eine große Gruppe von Zeugen an den Strand, und 20 Personen wurden getauft.
Auf die peruanischen Zeugen wartete aber noch eine Überraschung. Zur Freude der Missionare kam Bruder Knorr nach nicht langer Zeit auf den eigentlichen Zweck seines Besuches zu sprechen. Worin bestand er? Die Watch Tower Society beabsichtigte, ein Zweigbüro in Peru zu eröffnen. Einer der Missionare wurde zum ersten Zweigaufseher bestimmt.
Im Oktober 1950 erlebte der neue Zweig sozusagen einen Umsturz. Der ursprünglich ernannte Zweigaufseher wurde abgesetzt, und Robert Hoyt, ein Absolvent der 15. Gileadklasse, übernahm seine Arbeit. Unser Werk in Lima dehnte sich rasch aus, so daß am Ende des Jahres ein neues Missionarheim im Stadtteil San Isidro errichtet werden mußte. Man verlegte auch die Räumlichkeiten des Zweigbüros und des dazugehörigen Missionarheims an einen anderen Ort, in die Pasaje Velarde, dem Zentrum Limas näher. Bruder Hoyt machte sich sogleich an die Arbeit, den Zweig gut zu organisieren und auf das künftige große Werk vorzubereiten.
IN DIE PROVINZEN
Da nun das neue Zweigbüro organisiert worden war, begann sich unser Werk auszudehnen. Man bereitete zum Beispiel öffentliche Vorträge vor, die dann an verschiedenen Orten gehalten wurden. Überhaupt Matth. 9:37, 38). Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Einundzwanzig neue Missionare, die die 13. Gileadklasse absolviert hatten, befanden sich auf dem Weg nach Peru. Sie trafen im Dezember 1949 bzw. Januar 1950 ein. Sechs sandte man in den Norden, nach Trujillo. Die Großstadt Arequipa im Süden des Landes war der Bestimmungsort für sieben andere Missionare. In Callao, Perus wichtigster Seehafen, 13 Kilometer im Westen von Lima, wurde ein Heim für acht Missionare eingerichtet.
nahm das Werk in diesem Land, das damals eine Bevölkerung von etwa 7 000 000 hatte, ein Ausmaß an, das alle Erwartungen weit in den Schatten stellte. Wie inständig baten doch die Brüder den „Herrn der Ernte“ darum, mehr Arbeiter auszusenden! (In der Hafenstadt Callao waren Verbrechen und Unmoral an der Tagesordnung. Dennoch fiel die Verkündigung des Königreiches hier auf fruchtbaren Boden. Man fand sogar einige Personen, die vor Jahren Verbindung zu Victor Lura hatten, als dieser in der Hafenstadt Traktate verteilte. Nach kurzer Zeit besuchte eine Anzahl von Einwohnern Callaos die christlichen Zusammenkünfte. Zu diesen Personen gehörten Arturo Guzman und seine Frau, Manuel Calderon, Victor Cespedes und Carlos Vega mit seiner Familie. Heute verkündigen sechs starke Versammlungen mit insgesamt 367 Königreichsverkündigern die „gute Botschaft“ in Callao.
Mit Arequipa hatte man „eine harte Nuß zu knacken“. Seit Jahren trägt diese Stadt den Namen „Kleiner Vatikan“, denn ihre Bevölkerung ist in den katholischen Überlieferungen und Bräuchen tief verwurzelt. Im dortigen neuen Missionarheim fanden nicht nur die Zusammenkünfte der Versammlung statt, es bildete auch den Mittelpunkt der Predigttätigkeit. Obwohl man beim Haus-zu-Haus-Dienst, den man mit Eifer durchgeführt hatte, auf einiges Interesse gestoßen war, machte das Werk nur langsam Fortschritte. In einem Fall war es jedoch umgekehrt — eine interessierte Person suchte ernsthaft nach der Wahrheit Ein junger Mann namens Eliseo Balboa entdeckte eines Tages einen „Gringo“, der allein in einem Park saß und ein Buch las. Warum er nach Peru gekommen sei, wollte Herr Balboa wissen. Der Bruder, Horace Criss, denn um diesen handelte es sich bei dem „Gringo“, erklärte ihm, daß er ein christlicher Prediger sei. Herr Balboa war sehr beeindruckt und erstaunt, denn die Prediger, die er kannte, trugen alle lange schwarze Roben. Es konnte ihm ein Zeugnis gegeben werden, das zu einem Bibelstudium mit ihm führte.
Nach nur wenigen Studien verließ Herr Balboa Arequipa und begab sich auf Arbeitssuche. Schließlich kam er nach Callao, wo er sich nach Jehovas Zeugen und nach ihrem Versammlungsort erkundigte. Endlich traf er Schwester Charlotte Barron, die auf dem Marktplatz von Stand zu Stand ging und die Zeitschriften verteilte. Sie gab Herrn Balboa die Adresse des Zweigbüros, und er besuchte einige christliche Zusammenkünfte. Die Arbeitssuche führte ihn dann wieder weiter,
diesmal in das Vanadiumbergwerk Jumasha, hoch oben in den Anden. Er blieb jedoch weiterhin mit dem Zweigbüro brieflich in Kontakt. Auch nahm Robert Hoyt die lange und beschwerliche Reise auf sich und besuchte Herrn Balboa. Der junge Mann wurde durch diesen Besuch geistig gestärkt, und es wurde ihm auch bei dem Zeugniswerk geholfen, das er hinterher allein fortsetzte. Später kehrte Bruder Balboa nach Arequipa zurück, wo er mit der Hilfe der Missionare so gute Fortschritte machte, daß er den Vollzeitpredigtdienst aufnehmen konnte.Im Norden des Landes, in Trujillo, fand der Missionar Harvey Conrow einen schafähnlichen Menschen, Encarnacion Leiva. Sie nahm die biblische Wahrheit begierig auf, aber nur mit den Ohren, da sie weder lesen noch schreiben konnte. Weil sie eine entschlossene Frau war, verschaffte sie sich ein Buch, mit dessen Hilfe sie im Alter von 51 Jahren buchstabieren lernte. Ihre Töchter unterstützten sie dabei. Bald konnte sie lesen und schreiben, und schließlich wurde sie ein befähigter Königreichsverkündiger in Trujillo. Später sagte sie einmal, daß sie niemals den Versuch gemacht hätte, lesen und schreiben zu lernen, wenn sie nicht durch die Wahrheit dazu getrieben worden wäre. Im Jahre 1967 starb Schwester Leiva, eine befähigte und treue Zeugin für Jehova.
Die Nachricht, daß vom 30. Juli bis 6. August 1950 im berühmten Yankee-Stadion der Stadt New York der Kongreß „Mehrung der Theokratie“ stattfinden sollte, rief auch hier in Peru Begeisterung hervor. Zwölf Missionare, die von drei einheimischen Verkündigern begleitet wurden, reisten dorthin. Die bescheidenen und liebenswerten Brüder, die in Peru zurückblieben, dachten, daß sie die Missionare nie mehr wiedersehen würden. Aber alle kehrten in ihre Zuteilung zurück.
DIE ROWDYS VON CHOSICA
Im Jahre 1950 zogen Emil und Clara Müller von der Schweiz nach Chosica, in eine Stadt im Landesinnern, östlich von Lima, etwa eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt. Bruder Müller arbeitete dort in dem Wasserkraftwerk. Später setzte sich der Pionier Leopoldo Sanchez mit den Müllers in Verbindung, als er in dieser Stadt predigte. Noch später, im Juli 1955, trat die Sonderpionierin Betty Myers ihren Dienst in Chosica an.
Eines Tages klopfte Schwester Myers an die Tür einer Dame, die sich als fanatische Katholikin und enge Freundin des dortigen Priesters erwies. Die Frau war richtig wütend darüber, daß es eine Zeugin Jehovas gewagt hatte, an ihre Tür zu klopfen. Schwester Myers und ihre Begleiterin, eine junge Pionierschwester, waren gerade ein paar Meter auf der Straße weitergegangen, als die aufgebrachte Frau mit einer Bande von jugendlichen Rowdys ankam und sie zur Rede stellte.
Was die zwei Zeuginnen in dieser katholischen Gegend zu suchen hätten, wollte der Mob wissen. Sie täten hier ein gutes christliches Werk, wozu sie auch das Recht hätten, entgegnete Schwester Myers. Nun kam noch der Priester hinzu. Er forderte die beiden Zeuginnen auf, sofort die Gegend zu verlassen. Aber die junge Pionierschwester, die früher katholisch und die Freundin des Priesters gewesen war, bat ihn, ihr zu zeigen, wo die Bibel sagen würde, daß sie nicht mehr die „gute Botschaft“ öffentlich predigen dürften. Nun war er an der Reihe, zornig zu werden. Denn immerhin hatte sie ihren ehemaligen Freund vor den jungen Rowdys ganz schön in Verlegenheit gebracht.
Die Situation war beinahe komisch, doch die folgenden Ereignisse waren es nicht. Als sich die beiden Schwestern abwandten und auf der Straße weitergingen, fingen die Halbstarken an, sie mit Dreckklumpen zu bewerfen, in denen sich kleine Steine befanden. Sie hörten damit nicht eher auf, bis die zwei Schwestern völlig mit Schmutz bedeckt waren. Ein Stein traf die junge Pionierin am Ohr, so daß es stark blutete. Schließlich bat sie ein freundlicher, älterer Herr — ein Neger und überzeugter Katholik — in seinen Patio (Innenhof), tadelte die Halbwüchsigen wegen ihres Verhaltens und vertrieb sie.
Schwester Myers ging unverzüglich zur Polizei, berichtete den Vorfall und erbat Schutz. Fortan begleitete ein Polizist in Zivil die Schwestern in ihrem Dienst. Nicht lange danach versuchten einige der Rowdys, sie wieder mit Steinen zu bewerfen. Doch der Polizist in Zivil nahm sie fest, schrieb ihre Namen auf und sprach ein ernstes Wort mit ihren Eltern. Die Pöbelaktionen in Chosica hörten von da an auf.
EINE NEUE VORKEHRUNG FÜR MISSIONARE
Anfang der 1950er Jahre kam eine ganze Anzahl Gileadmissionare in Peru an. Zum Beispiel waren bis Ende 1952 46 Missionare eingereist. Zwanzig von diesen Missionaren verließen Peru wieder. Bei einigen lag der Grund für ihre Abreise darin, daß sie das Missionarleben nicht mehr befriedigte, die 26 anderen blieben jedoch in ihren peruanischen Gebieten weiterhin tätig.
Im Jahre 1952 traf man eine neue Vorkehrung für Missionare, die nach Peru kamen. Sie konnten nicht mehr länger als Unterweiser einreisen, wie es früher der Fall war. Jetzt mußten sie als Touristen in das Land kommen. Hatten sie einmal peruanischen Boden betreten, mußten sie sich an der San-Marcos-Universität, der ältesten der westlichen Hemisphäre, einschreiben. Sie studierten die Sprache, und auf dieser Grundlage konnten sie sich als Studenten um eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bewerben. Erst wenn sie die amtliche Bestätigung erhalten hatten, durften sie wie die anderen Gileadabsolventen mit ihrer Missionararbeit fortfahren. Es war eine recht erfolgreiche Vorkehrung, die ungefähr vier Jahre bestehenblieb.
„UND DANN NACH CHINA?“
Anfang 1953 wurde unsere Aufmerksamkeit auf den Neue-Welt-Gesellschaft-Kongreß gelenkt, der vom 19. bis 26. Juli in New York stattfinden sollte. Mit Charterflügen flogen 20 Missionare und einige peruanische Zeugen sowie ungefähr 18 Brüder aus Bolivien zur Kongreßstadt. Schon bald nach diesem Kongreß, der geistig sehr stärkend war, trafen weitere Missionare in Peru ein. Aber erst gegen Ende 1953 konnten sich die Königreichsverkündiger in diesem Land eines besonders erbauenden Kongresses erfreuen.
Im Dezember 1953 besuchten die Brüder N. H. Knorr und M. G. Henschel Peru. Nach tagelangem Suchen konnte man endlich eine würdige Zusammenkunftsstätte in Lima finden, den Salón Majestic in Pueblo Libre, einem Wohnviertel der Reichen.
Besonders denkwürdig war eine Bemerkung Bruder Knorrs in seiner letzten Kongreßansprache. Er fragte, welche Aufgabe die Missionare in Peru hätten. Seine Antwort war, daß sie den peruanischen Brüdern zur nötigen Reife verhelfen sollten, damit diese in der Versammlung des Volkes Gottes nach Verantwortung streben und sie auch übernehmen könnten. Wenn dies einmal erreicht sei, sagte Bruder Knorr, seien die Missionare frei, in anderen Ländern zu dienen. „Und dann“, bemerkte er, wobei er sich im Saal umschaute, „werden wir die Missionare nach China schicken!“ Dies geschah natürlich nicht. Bruder Knorr hatte aber deutlich die Vorrechte und die Verantwortung der Missionare in Peru hervorgehoben.
Ohnehin hatten wir unter den Peruanern noch viel Arbeit zu tun. So begannen wir 1953 damit, die nichtzugeteilten Gebiete zu bearbeiten. Im nächsten Jahr legten wir noch größeren Nachdruck auf diese Tätigkeit. Die Versammlungen von Lima und Callao nahmen sich der umliegenden Bezirke an und predigten dort die „gute Botschaft“. Die Zeugen von Callao fuhren bis Cañete und Chincha Alta, die Brüder von Lima bis Puente Piedra, Ancón und Huaral.
EINE ZEIT GEISTIGER STÄRKUNG
Abgesehen von den 26 Missionaren, gab es 1952 in Peru 260 Königreichsverkündiger, die mit den damals bestehenden sieben Versammlungen verbunden waren. In Lima gab es zwei Versammlungen sowie je eine in Callao, Arequipa, Trujillo, Chosica und Huancayo. Drei Jahre später, 1955, betrug die durchschnittliche Zahl der Verkündiger in Peru 460 und die Höchstzahl 563.
Die anhaltende Mehrung in jenen Jahren machte es notwendig, daß der Glaube der peruanischen Zeugen gestärkt wurde. Das traf nicht zuletzt auf das Gebiet der Kindererziehung zu; die Kinder durften nicht unter den schädlichen Einfluß der Lehren der falschen Religion geraten. Das Gesetz verlangte, daß die katholische Staatsreligion in allen Schulen gelehrt werden mußte. Dennoch konnte ein Nichtkatholik von diesem Religionsunterricht befreit werden, wenn er darum
ersuchte. Deshalb bereitete man Briefe vor, aus denen hervorging, daß die darin erwähnte Person ein Zeuge Jehovas sei und von anderer Seite ausreichende religiöse Unterweisung erhalte. Diese Briefe unterbreitete man den Schulbehörden, und das Kultusministerium prüfte die Anträge sorgfältig, bevor eine Freistellung bewilligt wurde. Besonders von jener Zeit an haben die peruanischen Zeugen diese Methode angewandt und ihre schulpflichtigen Kinder davor bewahrt, den falschen Lehren und Bräuchen Babylons der Großem ausgesetzt zu sein.Ein weiterer Punkt, dem man besondere Aufmerksamkeit schenken mußte, war die sittliche Reinheit. Einige Männer in Peru lebten mit zwei oder drei Frauen zusammen und hatten vielleicht auch von jeder Frau Kinder. In einem anderen Fall lebten Mann und Frau zusammen, hatten mehrere Kinder und waren eine geachtete Familie, legalisierten aber nie ihre Verbindung. Deshalb mußten schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden, um dafür zu sorgen, daß die Ehe in Ehren gehalten wurde, wie es die Bibel verlangt (Hebr. 13:4). Wenn auch die Umstände verschieden waren, können wir doch sagen, daß viele der heutigen peruanischen Brüder eine tiefe Befriedigung bei dem Gedanken empfinden, ihre Angelegenheiten auf eine Gott wohlgefällige Weise geregelt zu haben.
KREISDIENST MIT HINDERNISSEN
Damals, im Jahre 1953, bestand ganz Peru nur aus einem einzigen Kreis. Als Sidney Fraser in jenem Jahr Zweigaufseher wurde, begann Robert Hoyt als Kreisaufseher zu reisen. Durch das Land zu reisen und die sieben Versammlungen sowie zahlreiche alleinstehende Gruppen zu besuchen war alles andere als eine Spazierfahrt.
Eine Fahrt in die Sierra blieb unvergeßlich. Fast 20 Stunden mußte Bruder Hoyt auf der Ladefläche eines Lastwagens auf einer Ladung Dörrfisch verbringen. Die Hotelunterkünfte in der Sierra ließen immer zu wünschen übrig. Hauptsächlich waren es Gemeinschaftsschlafräume. In einem solchen Raum standen viele Betten, die sowohl Männern als auch Frauen, die unerwartet eintrafen und eine Schlafgelegenheit benötigten, zur Verfügung gestellt wurden. Nachdem Bruder Hoyt mit Hilfe der Kette und des Vorhängeschlosses — Dinge, die er gewöhnlich bei sich trug — seinen Koffer an eines der Betten befestigt hatte, ging er weg, um das Bad oder etwas Entsprechendes zu suchen. Als er zurückkam, lag eine Frau in seinem Bett. Sie war entschlossen, darin zu schlafen. Eine prekäre Situation, denn es stand kein anderes Bett zur Verfügung. Der Koffer, der am Kopfende des Bettes angekettet war, machte jedoch deutlich, wer die älteren Rechte auf das Bett hatte. Glücklicherweise gelang es dem Hotelverwalter die Sache in Ordnung zu bringen, so daß unser Kreisaufseher dieses Bett behalten konnte und endlich zu seiner wohlverdienten Nachtruhe kam.
Da der Segen Jehovas auf unserer Tätigkeit lag, nahmen die Kreise natürlich an Zahl zu, und weitere Kreiskongresse mußten geplant werden. Bei einem dieser Kongresse, der in Surquillo, einem Stadtteil Limas, durchgeführt wurde, befand sich unter den Anwesenden ein Zahnarzt, dessen Frau ihm großen Widerstand leistete. Bei seiner Ankunft fiel auf, daß er nur in Pantoffeln gekommen war. Aus welchem Grund? „Nun“, sagte er, „meine Frau wollte nicht, daß ich hierherkomme. Deshalb hat sie mir die Schuhe versteckt. Doch jetzt bin ich hier.“ Ja, seien die Hindernisse groß oder klein, wichtig ist, daß wir in der Wahrheit standhaft bleiben.
FILME, DIE VIELEN HALFEN
Das Jahr 1954 brachte für unser Werk in Peru etwas Neues: Filmvorführungen, die Menschen in geistiger Hinsicht helfen sollten. Der erste dieser Filme, die die Watch Tower Society herstellte, hatte das Thema „Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit“. Das Publikum war begeistert. Zu Hunderten kamen die Menschen herbei, um sich diesen Film anzuschauen, der ihnen einen ausgezeichneten Einblick in die Tätigkeit der Zeugen Jehovas verschaffte.
Ein Ort, wo der Film gezeigt wurde, war ein Saal in dem Bergarbeiterstädtchen Casapalca, 4 600 Meter hoch oben in den Anden. Die elektrische Spannung in dem Saal war sehr hoch, denn er befand sich direkt neben einem Wasserkraftwerk. Obwohl man den Projektor auf die kleinste Geschwindigkeit eingestellt hatte, lief der Film so schnell ab, daß der Manuskriptleser nicht mehr mitkam. Außerdem war die Luft in dieser Höhe so dünn, daß Atembeschwerden auftraten. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, fiel ab und zu der Ton aus. Alle Anwesenden aber freuten sich über die Vorstellung.
Im September 1954 wurde der Film auf einem Kreiskongreß in Callao gezeigt. Als die erste Filmspule lief, ging noch alles gut. Doch als die zweite Spule abrollte, drehte sich die Aufnahmespule nicht mehr. Trotzdem, der Film lief ausgezeichnet durch den Apparat. Als der Fehler schließlich entdeckt wurde, war der Film ein einziges riesiges Knäuel, das den ganzen Boden bedeckte. Aber schon nach wenigen Minuten hatten die Brüder den Film mit der Hand wieder aufgewickelt. Bis zum Schluß der Vorführung mußte die Aufnahmespule manuell betätigt werden, doch es ging auch so.
In späteren Jahren zeigte man in ganz Peru den von der Gesellschaft hergestellten Film „Eine ,ewige gute Botschaft‘ geht rund um die Welt“. Für Babylon die Große, das Weltreich der falschen Religion, war das bestimmt ein schwerer Schlag. In Toquepala wurde der Film 3 251 Personen gezeigt. Zuvor hatte ein gewisser Priester alles versucht, die Vorführung zu verhindern, aber ohne Erfolg. Als die Vorstellung bereits begonnen hatte, schlich er sich — anscheinend aus Neugier — in den dunklen Saal. Dann war der Film zu Ende,
die Lichter gingen an, und wer saß da, für alle sichtbar? Der Priester. Wirklich peinlich für ihn! Er sprang auf und hopste aus dem Saal, wobei er wie ein Kind laut sang: „Babylon die Große ist gefallen! Babylon die Große ist gefallen!“ Unter den Zuschauern befanden sich sich viele Katholiken, die dieses „babylonische Spektakel“ ihres Priesters beobachteten.ERLEICHTERUNGEN FÜR DIE MISSIONARE
Das Jahr 1955 kam, und immer noch mußten alle Missionare, die nach Peru kamen, als Touristen einreisen und die San-Marcos-Universität besuchen, während sie sich bemühten, die Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Kurz nach ihrer Ankunft in Peru sprach die Missionarin Lucille Rapraeger, als sie in Lince von Haus zu Haus predigte, an der Tür eines Beamten des Außenministeriums vor. Er erkannte, daß sie als Missionarin tätig war, und notierte sich ihren Namen.
Einige Tage später kamen Nellena und Verda Pool sowie Schwester Rapraeger mit einem Rechtsanwalt zusammen, bei dem Nellena Literatur abgegeben hatte. Er nahm sie beiseite und sagte: „Nellena, einer eurer Missionare ist in Schwierigkeiten.“ Was meinte er damit? Während eines Besuches im Außenministerium hatte er Schwester Rapraegers Antrag auf Aufenthaltserlaubnis mit einem abschlägigen Bescheid auf einem Schreibtisch gesehen. Offensichtlich war die Ablehnung auf das Gespräch zurückzuführen, das sie damals mit dem Beamten des Ministeriums geführt hatte. Sofort wurde die Angelegenheit dem Zweigbüro der Gesellschaft berichtet.
Jener Rechtsanwalt, der sich Jehovas Zeugen gegenüber bereits entgegenkommend gezeigt hatte, konnte seinen Einfluß geltend machen und so zur Lösung des Problems beitragen. Die Missionarin blieb in Peru. Durch diesen Rechtsanwalt wurde vielen Missionaren geholfen, in das Land einzureisen — aber nicht mehr länger als Studenten, sondern als Missionare. Von dieser Zeit an wurden der Gesellschaft die Visa für ihre Missionare, deren Zuteilung Peru war, bewilligt.
CHRISTEN, DIE MUTIG IHRE NEUTRALITÄT BEWAHREN
Die peruanischen Zeugen, junge und alte, haben Prüfungen ihrer Neutralität gegenüber dem Staat erduldet. Zum Beispiel fordert das Gesetz, daß alle Männer, die das Alter von 19 Jahren erreicht haben, erfaßt werden und zwei Jahre Wehrdienst leisten. Für einige Sonderpioniere, die im Jahre 1956 nach Cuzco, Arequipa und in andere Orte im Landesinnern geschickt worden waren, brachte das Probleme mit sich, denn viele von ihnen waren im Alter von 19 oder 20 Jahren.
Ja, viele Brüder in Peru bemühten sich, als Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen und/oder Geistliche anerkannt zu werden, aber die Behörden erkannten nur katholische Geistliche an. In nicht wenigen Micha 4:2, 3; Jak. 1:27). Bis zu dieser Zeit gab es in diesem Land keine Vorkehrung, daß Personen, die das „Kriegshandwerk“ nicht erlernen wollten, vom Wehrdienst befreit werden konnten.
Fällen wurden daher junge Zeugen, die um Anerkennung als Geistliche ersucht hatten, geschlagen, in schmutzige Gefängnisse geworfen und auf verschiedene Weise mißhandelt, nur weil sie ihre christliche Neutralität nicht aufgeben wollten (Auch für gottesfürchtige Eltern und ihre Kinder gilt es, die christliche Neutralität zu bewahren. In Peru müssen die Schulkinder an einem Kurs in vormilitärischer Ausbildung teilnehmen. Es gibt keine Vorkehrung, daß man davon befreit werden kann. Am Ende der Zeit wird jedem, der den Kurs nicht mitgemacht hat, das Schuljahr nicht anerkannt. Ein solcher Schüler wird nicht versetzt und erhält auch kein Abschlußzeugnis. Obwohl so manches getan werden kann, um die Kinder auf andere Weise zu unterrichten, sind einige Eltern Kompromisse eingegangen und haben ihre Kinder das „Kriegshandwerk“ erlernen lassen.
Um das Problem zu lösen, machte eine Versammlung in Chimbote den Vorschlag, eine Klasse zusammenzustellen und sie von Brüdern, die dazu bereit wären, im Königreichssaal unterrichten zu lassen. Es wurde dann auch in die Tat umgesetzt. Diese Vorkehrung hat sich positiv ausgewirkt, besonders da ein Ansporn zur christlichen Tätigkeit gegeben wird und die Schüler nach dem regulären Unterricht am Predigtdienst teilnehmen.
Doch das bedeutet nicht, daß die Eltern und die Kinder, die entschlossen sind, die christliche Neutralität zu bewahren, sich vor Götzendienst zu hüten und die Rettung Jehova zuzuschreiben, nur mit kleineren Problemen zu tun hätten (2. Mose 20:4-6; Ps. 3:8). Zum Beispiel wurden in der Bergarbeiterstadt Toquepala im Jahre 1970 10 Kinder von der Schule gewiesen, weil sie sich geweigert hatten, die Fahne zu grüßen und die Nationalhymne zu singen. In anderen Fällen mußten Kinder der Zeugen vor den Behörden erscheinen und erklären, warum sie nicht an solchen Zeremonien teilnehmen (Mark. 13:9; 1. Petr. 3:15).
Da wir an unserer christlichen Neutralität festhielten, hatten wir im Laufe der Jahre mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum Beispiel mußten wir 1975 einen Kongreß von der Universitätsstadt Trujillo in eine andere Stadt verlegen. Der Grund lag darin, daß die Menschen in Trujillo von einer Woge des Patriotismus erfaßt worden waren, die entstanden war, als sich ein Schuljunge geweigert hatte, die Nationalhymne zu singen und die Fahne zu grüßen. Die Behörden der Stadt lehnten es ab, unsere neutrale Stellung anzuerkennen, und in Nordperu brachten Zeitungen Balkenüberschriften wie: „Jehovas Zeugen weigern sich, die Staatssymbole zu ehren“. In einigen Artikeln wurden wir zu Unrecht beschuldigt, die Menschen einer „Gehirnwäsche“ unterzogen zu haben, indem wir sie in einem
„sechsmonatigen Studienkurs“ Dinge gelehrt hätten, die den Landesinteressen zuwiderliefen.Eine derartige Nachricht verbreitete ein katholischer Priester in der Hauptstadt Lima im Laufe einer Woche zweimal am Tag über Rundfunk. In Wirklichkeit aber schlugen seine Worte zu einem guten Zeugnis für die Wahrheit aus. Er zeigte klar und deutlich, was wir glauben, doch bei dem Versuch, unsere biblisch fundierte Ansicht über das Jahr 1914 und über die Dreieinigkeitslehre zu widerlegen, versagte er kläglich.
In diese Zeit der öffentlichen Stimmungsmache fiel der Entscheid der Regierung, daß alle jungen Männer und Frauen im Alter von 18 Jahren im Januar 1976 für den Pflichtwehrdienst erfaßt werden sollten. Natürlich kamen die Diener Jehovas diesem Gesetz nach und meldeten sich bei den Erfassungsbehörden. Da viele der jungen Zeugen allgemeine Pioniere waren, erhielten sie eine Bescheinigung, die bestätigte, daß sie sich berufen fühlten, Prediger des Wortes Gottes zu sein. Soweit bekannt ist, entschlossen sich all diese Pioniere, ein Schriftstück abzufassen, aus dem hervorging, daß sie ihr Leben dem Dienst Jehovas zur Verfügung gestellt haben. Dieses Schriftstück reichten sie zusammen mit dem Gesuch ein, vom Wehrdienst befreit zu werden, da sie Prediger seien. In früheren Jahren sah das Militärgesetzbuch vor, daß Geistliche und Laien ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit befreit werden konnten. Nun hatte man aber einen Zusatz gemacht. Jeder Antrag auf Befreiung mußte von dem Erzbistum der katholischen Kirche, der staatlich anerkannten Religion, unterzeichnet und genehmigt werden. Dennoch reichten unsere Brüder bei der Erfassung ihr Schriftstück und ihr Gesuch ein. Obwohl einige dieser Schriftstücke nicht anerkannt wurden, weil sie nicht beglaubigt waren, ließ man aber andere gelten. Und als im Januar 1976 die ersten Listen veröffentlicht wurden, zeigte es sich, daß zumindest einige Brüder wegen ihrer religiösen Tätigkeit befreit worden waren.
„ERST“KONGRESSE
Nachdem wir nun den Bericht über die peruanischen Zeugen, die ihre Neutralität bewahrten, vervollständigt haben, wollen wir in die späten 1950er Jahre zurückkehren.
Das Jahr 1957 begann mit dem Besuch von Milton G. Henschel vom Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn. Zeugen aus ganz Peru kamen zu einem Kongreß zusammen, den man so geplant hatte, daß er in die Zeit dieses erbauenden Besuches fiel. Am ersten Tag waren zwar nur 389 Personen anwesend, doch zum Hauptvortrag am Sonntag kamen 1 044. Die Freude war groß, als zum erstenmal über 1 000 Personen einen Kongreß in diesem Land besuchten.
1958 fand wieder ein „Erst“kongreß statt. Damals wurde zum erstenmal ein Bezirkskongreß abgehalten, und zwar in Iquitos, einer Stadt mitten im Urwald, an den Ufern des Amazonas. Diese Stadt liegt in der Nähe des Äquators. Jederzeit muß man hier auf einen Hohesl. 2:10, 11).
ausgiebigen Regenguß gefaßt sein. Das Prasseln des sintflutartigen Regens, das durch das Blechdach der Kongreßhalle noch verstärkt wurde, schien den Redner Lügen zu strafen, der über das Hohelied sprach und gerade die Stelle anführte: „Meine Gefährtin, ... komm mit. Denn siehe! die Regenzeit ... ist vorbei, der Regenguß ... vorüber“ (Mit größter Sorgfalt mußte man eine geeignete Stelle für die Taufe, die während des Kongresses stattfinden sollte, suchen. Wenn auch die fleischfressenden Piranhas im Amazonas selten anzutreffen waren, wußte man nicht genau, ob das auch auf die anderen Urwaldflüsse zutraf. Glücklicherweise konnte die Taufe jedoch ohne Verluste durchgeführt werden.
KONGRESSE TROTZ SCHWIERIGKEITEN
Der internationale Kongreß „Göttlicher Wille“, den Jehovas Zeugen im Sommer 1958 in der Stadt New York durchführten, rief in ganz Peru Begeisterung hervor. Viele Zeugen hatten für die Reise dorthin gespart, und als die Zeit der Abreise kam, hatten wir 82 Delegierte. Es war sehr ergreifend, vor dem Abflug ungefähr 350 Brüder auf der Veranda des Flughafens zu sehen und sie Königreichslieder singen zu hören.
Gegen Ende 1958 traf man Vorkehrungen für einen Bezirkskongreß, der im Januar des folgenden Jahres im Stadion eines Limaer Fußballvereins stattfinden sollte. Doch der damalige Verwaltungsdirektor, ein strenggläubiger Katholik, hatte beschlossen, uns den Kongreß nicht durchführen zu lassen; er teilte uns seinen Entschluß aber erst an dem Tag mit, an dem der Kongreß bereits beginnen sollte. Die ganze Ausrüstung war schon in das Stadion transportiert worden, in der Cafeteria wurde das Mittagessen zubereitet, und die Vorbereitungen für das Nachmittagsprogramm liefen bereits auf vollen Touren, als ein Lastwagen mit Polizisten vorfuhr. Sie forderten uns auf, das Stadion zu räumen. Alle Bemühungen, den Verwaltungsdirektor zu sprechen, waren vergeblich.
Wir kamen nicht umhin, den Kongreß in die zwei größten Königreichssäle Limas zu verlegen, und die Redner mußten ihre Ansprachen an beiden Orten halten. Dennoch hatten wir einen erbauenden Kongreß, und die Schwierigkeiten dienten nur dazu, die Brüder für spätere Prüfungen zu stärken.
Auf dem Kongreß im Jahre 1958 wurde eine Ansprache gehalten mit dem Thema „Im Ausland dienen, wo Hilfe not tut“. Es wurde darauf hingewiesen, daß in vielen Ländern ein Bedarf an weiteren Königreichsverkündigern bestand. Im Laufe der Zeit zogen viele Einzelpersonen und Familien, die daran interessiert waren, ihren Dienst auszudehnen, nach Peru. In Wirklichkeit traf jedoch schon September 1957 Eileen Sobie aus Kanada als eine der ersten in Peru ein. Weitere Brüder und Schwestern kamen an. Viele mußten zwar aus
den verschiedensten Gründen wieder abreisen, aber wir können sagen, daß alle ihren Teil dazu beigetragen haben, den Glauben ihrer peruanischen Brüder und Schwestern zu stärken.GESETZLICH EINGETRAGEN
Als der Zweigaufseher 1958 den Kongreß in New York besuchte, wurde ihm gesagt, daß er bei seiner Rückkehr nach Peru die Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania eintragen lassen solle. Eine solche Eintragung sei unter anderem notwendig, damit man Grundbesitz haben könne.
Folglich wurde die Gesellschaft am 29. April 1959 ordnungsgemäß eingetragen. Seit dieser Zeit werden alle Grundstücke, die von Versammlungen erworben wurden oder die Brüder zum Bau eines Königreichssaales gespendet haben, auf den Namen der Gesellschaft eingetragen.
DIE NACHT DES „GROSSEN UNGLÜCKS“
Nicht jede Sache nimmt ein großes Ausmaß an. Doch manchmal können relativ kleine Vorfälle große Probleme schaffen. Deshalb möchten wir von einer Nacht berichten, die wir scherzhaft die Nacht des „großen Unglücks“ genannt haben.
Man hatte die Missionarinnen Edna Waterfall und Lucille Rapraeger nach Puno gesandt — ein Ort in ungefähr 3 800 Meter Höhe am Ufer des Titicacasees. Die Schwestern besaßen Petroleumöfen, die in dieser Höhe nicht richtig funktionierten. An einem Sonntagabend, nach einer erbaulichen Zusammenkunft im Königreichssaal ging Schwester Rapraeger die Treppe hinauf in das Schlafzimmer. Aber als sie das Licht einschaltete, konnte sie vor lauter Qualm nichts mehr erkennen. Sie hatte zwei Stunden zuvor den Ofen angemacht. Natürlich stellte sie ihn jetzt ab und öffnete die Fenster, bevor sie die Treppe hinunterging.
Unten sah Edna Waterfall Schwester Rapraeger an und stöhnte. Ihr Gesicht war ja ganz schwarz von Ruß! Sie stapften die Treppe hinauf, um sich die Ursache des schwarzen „Schnees“ anzusehen. Nun an diesem Abend und am nächsten Tag war großes Reinemachen. Welch eine Mühe kostete es, die Wände, Kleider, Decken und Bücher von dem klebrigen Ruß zu befreien! Doch als in derselben Woche 60 Personen zu dem ersten Kongreß in Puno kamen, waren die beiden Schwestern wieder in Hochstimmung.
GEISTLICHE SCHÜREN WIDERSTAND
Natürlich gab es auch ernste Probleme und Glaubensprüfungen. Manchmal sahen wir uns direktem Widerstand gegenüber, zum Beispiel den Angriffen des Pöbels. Typisch war das, was die Missionarinnen Frances und Elizabeth Good in dem abgelegenen Urwaldstädtchen Moyobamba erlebten. Nur mit dem Flugzeug konnte man
dorthin gelangen. Da der Ort so abgeschieden von aller Welt lag, waren die Bewohner sehr religiös. Die spanischen Priester hatten die Menschen ganz in ihre Gewalt gebracht und sie glauben gemacht, daß „jeder, der es wagen würde, ein Wort gegen die Bilder der Kirche zu sprechen, verflucht sei“.Kurz nach ihrer Ankunft in Moyobamba begannen unsere Missionarschwestern, von Haus zu Haus zu predigen und die Leute zu den christlichen Zusammenkünften, die sie erst kurze Zeit in dem Städtchen abhielten, einzuladen. Sie hatten nur wenige aufrichtige Personen eingeladen, als Flugblätter auf den Straßen verteilt wurden. Was stand darauf? „Zwei gefährliche Elemente sind in Moyobamba — zwei Frauen, die weder an die Hölle noch an unsere Bilder glauben. Hört ihnen nicht zu. Nehmt ihnen keine Literatur ab. Wenn ihr bereits etwas von ihnen habt, bringt es uns. Wir werden uns darum kümmern.“
Fast von einem Augenblick auf den anderen wurden die zwei Missionarinnen Gegenstand einer von der Geistlichkeit inszenierten Haßkampagne. Während einer christlichen Zusammenkunft rannte eine Menge von ungefähr 50 Männern und Jugendlichen, von drei Priestern angeführt, gegen den Königreichssaal, eine Lehmhütte, an. Die Tür, die von den Schwestern verriegelt worden war, hielt dem Angriff stand. Unter anderem bewarf der Pöbel die Außenwände mit Kuhfladen. Auch drohte man den beiden Missionarinnen mit Schlägen, wenn sie das Städtchen nicht verließen.
Am nächsten Tag gingen unsere Schwestern zum Bürgermeister des Städtchens und berichteten ihm die Vorfälle. Er war entsetzt. Sie formulierten einen Protestbrief an den Präfekten des Departements. Den Schwestern wurde Schutz zugesichert, doch sie wurden weiterhin bedroht und belästigt.
Die Priester versprachen jedem Jungen, der eine unserer Publikationen in die Konfessionsschule mitbringen würde, ein Comic-Heft. Eine ganze Zeit später sandte der Präfekt einen Polizisten aus Lima, der während der christlichen Zusammenkünfte vor dem Königreichssaal stehen mußte. Die Feinde hatten die Schlacht verloren, denn während des Besuches des Kreisaufsehers waren bis zu 26 Personen bei den Zusammenkünften anwesend, und zwei schafähnliche Menschen wurden trotz des Widerstandes, den die Geistlichkeit in Moyobamba angezettelt hatte, getauft.
Laßt uns nun ein weiteres Beispiel betrachten, wie Widerstand der Geistlichkeit zunichte gemacht wurde. Im November 1959 begannen Reginald und Irene Wallwork mit dem Predigtwerk in Ayacucho. Später kamen noch Merle Laurens und Phyllis Wepener hinzu. Als die Leute merkten, daß diese Christen Zeugen Jehovas waren, dauerte es nicht lange, und die Priester begannen, Widerstand zu schüren. Sie taten das auf eine raffinierte Weise. Sie gingen zu der Behörde und forderten diese auf, irgend etwas zu unternehmen, damit man
die Missionare aus jenem Städtchen ausweisen könne Folglich mußte Bruder Wallwork eines Tages vor der Behörde erscheinen. Man setzte ihm mit vielen Fragen zu, zeigte ihm aber auch eine Petition, die von neun Priestern und dem Präfekten unterzeichnet war. Dieses Papier hatte man nach Lima geschickt. Die Folge war, daß eine Untersuchung angeordnet worden war. Die ganze Angelegenheit schien recht bedenklich zu sein.Bruder Wallwork wies natürlich die Lügen des Priesters sofort zurück. Er erklärte auch, daß er erst vor kurzem mit dem Präfekten gesprochen habe und daß er ihn für einen vernünftigen Mann halte, der echtes Interesse an der Bibel bekundet habe. Was war also geschehen? Nun, in der Präfektur arbeitete jemand, der mit den Priestern unter einer Decke steckte. Diese Person hatte die Petition heimlich zu anderen Papieren gelegt, so daß der Präfekt das Dokument unterzeichnete, ohne seine wahre Bedeutung zu kennen. Dieser ganze Sachverhalt wurde dem Zweigbüro der Gesellschaft berichtet, und da unser Werk in Lima gut bekannt war, fiel das ganze Komplott einfach „ins Wasser“.
Natürlich waren die Priester nicht gerade erfreut darüber. Wenn sie während einer Prozession mit ihren religiösen Götzenbildern am Missionarheim vorbeikamen, versäumten sie es nie haltzumachen, zum Balkon des Heims hinaufzuschauen und einige Flüche gegen seine Bewohner zu murmeln.
EINE ZEIT DER AUSDEHNUNG
Als Bruder N. H. Knorr uns im Dezember 1959 besuchte, hatte das Werk der Verkündigung der „guten Botschaft“ in Peru gute Fortschritte gemacht. In Verbindung mit diesem Besuch sollte ein Kongreß stattfinden. Doch wie schon im Vorjahr hatte man uns von der vorgesehenen Kongreßstätte verdrängt. Damit dies nicht noch einmal geschehen konnte, erwirkten wir einen Vorführungsbefehl gegen den Verwaltungsdirektor. Als er sich damit konfrontiert sah, lehnte er jede Verantwortung für die Ereignisse des Vorjahres ab und stellte sich sogar als ein Freund der Zeugen Jehovas hin. So konnten wir dann im „U“-Stadion einen schönen Kongreß abhalten, wobei über 2 000 Personen die Hauptansprache hörten. Das war fast die doppelte Anzahl der Königreichsverkündiger von Peru. Übrigens sahen wir damit den Vorführungsbefehl als hinfällig an, obwohl er immer noch im Justizpalast in Lima bei den Akten lag.
Während des Besuches von Bruder Knorr wurde Bent Pedersen zum Zweigaufseher ernannt. Der Hauptpunkt auf der Tagesordnung unseres Besuchers lautete Ausdehnung. Das Interesse galt dem Vorhaben, ein neues Gebäude für das Zweigbüro und Missionarheim in Lima zu errichten.
Im folgenden Juni begann man in Miraflores mit den Bauarbeiten. Die Gesellschaft hatte zwei Grundstücke erworben, die zusammen eine
Fläche von 738 Quadratmetern einnahmen. Darauf errichtete man ein schönes zweistöckiges Zweigbüro und Missionarheim. Im Erdgeschoß waren das Büro und Lagerräume, eine große Empfangshalle und ein Königreichssaal, der 200 Personen Platz bot, untergebracht. Im ersten Stock befanden sich Unterkünfte für 12 Missionare oder Glieder der Bethelfamilie. Das neue Gebäude war im wahrsten Sinne des Wortes ein „Heim“. Im Oktober 1961 wurden die Bauarbeiten abgeschlossen, und am 21. des Monats weihte man das neue Gebäude ein.Es könnte noch erwähnt werden, daß Bruder Pedersen wegen persönlicher Verpflichtungen den Missionardienst aufgeben und mit seiner Frau in die Vereinigten Staaten zurückkehren mußte. Deshalb wurde im April 1961 Bruder Don Burt zum Zweigaufseher in Peru ernannt.
EINE KATASTROPHE TRIFFT ICA
Jünger Jesu Christi haben das kennzeichnende Merkmal der Liebe (Joh. 13:34, 35). Ein anschauliches Beispiel dafür ist das, was im März 1963 geschah, als eine Katastrophe die Stadt Ica, 270 Kilometer im Südosten von Lima, heimsuchte. Durch Fehler der Schleusenwärter war der Fluß über die Ufer getreten und hatte die Stadt und viele Weingärten überschwemmt. Die Wasser rissen den örtlichen Königreichssaal sowie viele Häuser, einschließlich derjenigen einiger Zeugen, mit fort.
Jetzt trat jedoch die christliche Liebe in Aktion. Vereint gingen Jehovas Zeugen in ganz Peru ans Werk und errichteten unverzüglich einen Hilfsfonds. Man schickte den vom Unglück betroffenen Glaubensbrüdern in Ica zwei Tonnen Kleidung und Nahrung. Ja, Gottes Diener kümmern sich wirklich umeinander.
SCHWIERIGKEITEN IN VERBINDUNG MIT DEM BAU VON KÖNIGREICHSSÄLEN
Jehovas Zeugen haben nicht nur Liebe untereinander. Sie offenbaren auch andere christliche Eigenschaften, die oft zum Erfolg ihres Vorhabens beitragen. Die Ereignisse, die sich Mitte der 1960er Jahre in Trujillo abspielten, bestätigen dies. Da die Versammlung schnell gewachsen war, fanden nicht mehr alle Personen im Königreichssaal Platz. Ein neuer Saal wurde benötigt. Glücklicherweise sorgte Jehova dafür, daß die Brüder für den Bau des Königreichssaales ein Stück Land erwerben und ein Darlehen aufnehmen konnten.
Schon bald begannen die Zeugen am Ort damit, Backsteine und Ladungen von Eisen zum Bauplatz zu bringen und dort hart zu arbeiten. Ja, sogar die Schwestern erwarben sich großes Geschick darin, den Zement „mit der Hand“ zu mischen, da sie keine Mischmaschine hatten.
Man stieß auf viele Hindernisse. Zum Beispiel benötigte der Bruder, der die Schreibarbeiten erledigen sollte, für die Pläne die Unterschrift eines Ingenieurs. Ein Ingenieur verlangte dafür 110 Dollar,
ein anderer 150 Dollar — Preise, die die Brüder nicht zahlen konnten. Das Problem wurde jedoch auf ungewöhnliche Weise gelöst.Eines Tages stellte sich der Bruder, der die Schreibarbeiten machte vor einem Bankschalter an, als ein Mann herzutrat und sich vordrängte. Der Bruder ärgerte sich zwar, doch übte er die christliche Eigenschaft der Selbstbeherrschung und sagte nichts. Am selben Tag machte jemand den Vorschlag, daß der Bruder einen bestimmten Ingenieur aufsuchen solle, um die für die Pläne benötigte Unterschrift zu erlangen. Nun, es stellte sich heraus, daß jener Ingenieur der Mann war, der sich in der Bank vor unseren Bruder gedrängt hatte. Der Mann war sehr freundlich, er sagte, daß er einer guten Sache gern helfen wolle, und unterzeichnete bereitwillig die Papiere, wobei er nur 11 Dollar als Gebühr verlangte. Wahrhaftig, christliche Eigenschaften an den Tag zu legen kann sich bezahlt machen. Heute ist der Königreichssaal in Trujillo ein stilles Zeugnis der vortrefflichen Charakterzüge und der schweren Arbeit der Christen in jener Gegend.
EIN WEITERER „ERST“KONGRESS
Unser erster großer internationaler Kongreß fand vom 4. bis 8. Januar 1967 in Lima statt. Zur großen Freude der peruanischen Brüder gehörten zu den Delegierten viele Glaubensbrüder aus anderen Ländern sowie bestimmte Vorstandsmitglieder der Gesellschaft. Fast 500 Zeugen aus verschiedenen Ländern waren zugegen, und ihre Anwesenheit stärkte gewiß die peruanischen Brüder und Schwestern.
Bruder F. W. Franz hielt am Samstagabend die Hauptansprache vor 5 940 Kongreßteilnehmern. Doch am nächsten Tag hörten sogar 6 925 die Ansprache Bruder Knorrs. Das bedeutete die größte Menschenmenge, die sich bis dahin anläßlich eines Kongresses in Peru versammelt hatte. Es war wirklich eine ausgezeichnete Besucherzahl, denn die Höchstzahl der Königreichsverkündiger in Peru betrug im Jahre 1967 nur 2 810.
Im Jahre 1969 kam 51 Missionaren, Kreisaufsehern und anderen in Peru die Vorkehrung der Gesellschaft zugute, sie finanziell zu unterstützen, so daß sie Kongresse im Ausland besuchen konnten. Das wurde bestimmt sehr geschätzt, und die Kongreßreisenden kehrten mit einem Reichtum an geistigen Dingen zurück, die sie mit ihren Glaubensbrüdern im Land teilten. Aber auch wir hatten unseren Bezirkskongreß „Friede auf Erden“. Er fand im Januar 1970 in Lima statt. Wie freuten wir uns doch, als wir bei diesem Kongreß eine Höchstzahl von 7 414 Anwesenden hatten! Die vermehrte Tätigkeit in den späten 1960er Jahren brachte reiche Frucht, denn die Besucherzahl beim Gedächtnismahl betrug im Jahre 1969 sogar 13 751.
Dann traten wir in die 1970er Jahre ein, und das Werk der Verkündigung der „guten Botschaft“ ging in dem Land der Inkas gut voran. Doch was sollten uns die folgenden Monate und Jahre bringen?
DIE ERDE BEBT
Eine der schlimmsten Katastrophen in der Geschichte Perus brach am Sonntag, dem 31. Mai 1970, um 15.30 Uhr herein. Damals erschütterte ein gewaltiges Erdbeben Dörfer und Städte in den Anden und in den Küstengebieten. Zu den Betroffenen zählten viele Zeugen Jehovas. Die Königreichssäle in Chimbote, Casma, Huaraz, Trujillo und in anderen Orten wurden entweder beschädigt oder völlig zerstört.
Die Nachricht von dem Erdbeben ging rasend schnell um die Erde. Fast genauso schnell traten Jehovas Diener in Aktion. Es war wirklich herzergreifend, ihre Reaktion zu sehen. Die Zeugen in Peru und in anderen Ländern leisteten ihren betroffenen Brüdern unverzüglich Hilfe. Vom Hauptbüro der Watch Tower Society in Brooklyn trafen 25 000 Dollar für den Wiederaufbau sowie 15 Tonnen Kleidung ein. Die peruanischen Brüder selbst spendeten 3 091 Dollar, und 2 084 Dollar kamen von anderen aus aller Welt. Die Versammlungen in Lima sammelten 7 Tonnen Kleidung. Später bildete man Fonds, mit deren Geld drei Königreichssäle in Chimbote, einer in Huaraz und die Säle in Máncora und Sullana, die von Nachbeben zerstört worden waren, wieder aufgebaut wurden.
Obwohl das Hauptbeben am Sonntagnachmittag war, wurden die Straßen erst am späten Dienstagabend wieder freigegeben. In Rundfunksendungen wurde viel darüber diskutiert, ob die Straßen auch von Privatwagen benutzt werden dürften. Ohne zu zögern, beluden die Brüder fünf Fahrzeuge, darunter einen Zehntonner, mit Vorräten und fuhren am Mittwoch um ein Uhr morgens in das Katastrophengebiet ab.
Die erste Stadt, die man erreichte, war Casma. Dort gab es eine Versammlung mit 20 Verkündigern. Casma, das zum größten Teil aus Lehmbauten bestanden hatte, lag in Trümmern. Der Staub und Schutt hatten die Luft stickig gemacht. Sogar das Krankenhaus der Stadt war eingestürzt, obwohl seine Mauern aus Stahlbeton bestanden hatten. Unglücklicherweise konnte ein Bruder, der an den Rollstuhl gefesselt war, nicht mehr entrinnen, so daß er ums Leben kam. Bei einem Sonderpionier ließ man Vorräte zurück, die unter den Brüdern verteilt werden sollten.
Dann ging es weiter nach Chimbote, das schätzungsweise 200 000 Einwohner hatte. Zu den drei Versammlungen in dieser Stadt gehörten ungefähr 300 Zeugen. Alle Häuser, auch die Königreichssäle, waren zerstört worden. Dennoch hatten die Brüder den Schutt von dem Zementboden eines Königreichssaales entfernt und rundherum Wände aus geflochtenen Matten gezogen. Dort führten sie dann am Dienstagabend ihr wöchentliches Versammlungsbuchstudium durch. Die ersten Hilfsgüter — Nahrung, Trinkwasser, Decken, Kleider usw. — trafen am nächsten Morgen ein.
Aber wie war es den Zeugen in Huaraz und Caraz, hoch oben in
den Anden, ergangen? Rundfunkmeldungen zufolge waren diese Städte hinweggefegt worden, entweder durch das Beben oder durch einen gewaltigen Erdrutsch, der entstand, als ein Stück des Berges Huascarán in einen nahe gelegenen See stürzte. Obwohl von Flugzeugen und Hubschraubern Vorräte in die betroffenen Gebiete abgeworfen worden waren, kam erst acht Tage später über Rundfunk die Nachricht, daß die Straße passierbar sei. Sofort wurden zwei Fahrzeuge mit Vorräten beladen, und einige Brüder fuhren nach Huaraz los. Dort gab es eine Versammlung mit 20 Verkündigern und zwei Sonderpionieren.Die Fahrt war voller Hindernisse und Gefahren. Doch schließlich erreichten die Brüder am Mittwoch, frühmorgens, Huaraz, das in ungefähr 3 000 Meter Höhe liegt. Im Umkreis der Stadt hatte man überall kleine Lager errichtet. Das erschwerte natürlich die Suche nach den Brüdern und Schwestern. Um fünf Uhr nachmittags fand man sie endlich. Sie lebten in Hütten, die man aus Zweigen von Eukalyptusbäumen hergestellt hatte. Welch eine Freude, sie zu sehen! Und wie froh waren sie doch, als sie die Vorräte erhielten, zu denen Nahrungsmittel, Arzneimittel und auch Petroleumöfen gehörten, die ihnen in den extrem kalten Nächten Wärme geben sollten!
Nur zwei Personen, die zur Versammlung Huaraz gehörten, hatten Verletzungen erlitten; kein Zeuge war ums Leben gekommen. Eine verletzte Schwester war mit dem Hubschrauber nach Lima gebracht worden, wo sie ärztlich behandelt werden sollte. Ein junger Bruder, der unter Lehmziegelmauern gelegen hatte, aber freigeschaufelt wurde und mit einem gebrochenen Kieferknochen davonkam, begleitete die Brüder auf ihrer Rückfahrt nach Lima.
WEITER NACH CARAZ
Erst einige Zeit später konnten sie die Stadt Caraz erreichen. Dort gab es eine alleinstehende Gruppe von 7 Brüdern. Ein Erdrutsch hatte zwei Städte zwischen Huaraz und Caraz völlig begraben und versperrte nun die Straßen.
Um den 1. Juli 1970 ersuchten die Brüder um die Genehmigung, in die Berge nach Huaraz und weiter nach Caraz zu fahren. Es zeigte sich jedoch, daß ihr Plan verlangte, bergauf zu fahren, obwohl der Verkehr zu dieser Zeit eigentlich nur den Berg herunterkommen durfte. Der Bruder, der beauftragt war, den Passierschein zu beschaffen, stellte aber fest, daß er mit dem Mann, der die Passierscheine ausstellte, früher ein Bibelstudium durchgeführt hatte. Der Beamte gab schließlich dem Bruder einen Passierschein für eine Wagenkolonne von fünf Fahrzeugen und schrieb auf das Dokument die Worte: „Vordringlich zu behandeln — Kolonne von Jehovas Zeugen“. Obwohl unsere Brüder dreimal angehalten wurden, half ihnen in jedem Fall der Passierschein durchzukommen.
Nach einem Halt in Huaraz fuhren vier der fünf Wagen in Richtung Caraz weiter. Ohne Schwierigkeiten kamen sie über den ersten
Erdrutsch — es war der, der die Stadt Ranrahirca zerstörte. Die Ingenieure hatten über dem Schlamm eine behelfsmäßige Straße angelegt. Als die Brüder gerade überlegten, was sie als nächstes tun sollten, trat ein Hauptmann der Guardia Civil ans Auto und fragte, ob sie ihn nach Yungay, der Nachbarstadt, die unter dem Schlamm begraben war, mitnehmen wollten. Alle waren einverstanden.Überall lagen große Felsstücke und Steine. An einer Stelle mußten die Wagen in einen neugebildeten schnellfließenden Fluß hineinfahren. Das konnten nur drei Fahrzeuge, eins mußte umkehren.
In Yungay, der anderen verschütteten Stadt, roch es nicht gerade angenehm, denn am Rande der Schlammlawine lagen viele Leichen. Die Brüder und der Hauptmann verließen Yungay in Richtung Caraz. So lange es möglich war, fuhren sie hinter den Straßenbautrupps her und warteten, bis eine neue Strecke freigegeben wurde. Dann verließen sie die Fahrbahn und fuhren auf unwegsamem Gelände weiter. Alles ging gut, bis sie auf nachgiebigen Boden kamen und beide Hinterräder bis zur Achse einsanken. Jeder stieg aus. Der Hauptmann rief ungefähr 20 Arbeiter von dem Straßenbautrupp herbei, und obwohl der Boden ständig nachgab, schoben sie so lange, bis der Wagen frei war. Von da an gab es bis nach Caraz keine großen Hindernisse mehr.
Caraz hatte zwar in der Richtung der Erdlawine gelegen, die dem Flußlauf gefolgt war, doch die Lawine bog kurz vor dem Rand der Stadt ab. Obwohl die meisten der Lehmhäuser von dem Beben beschädigt wurden, gelang es dem Volk im allgemeinen, Hab und Gut zu retten. Unsere Brüder waren wohlauf, hatten aber großen Mangel an Nahrung und Arzneimitteln. Wir ließen Zelte, Nahrungsmittel, Decken und Laternen bei ihnen zurück.
Die Brüder von Caraz begleiteten uns nach Yungay. Als sie begannen, weitere Vorräte auf ihren Rücken zu laden, um sie nach Caraz zurückzubringen, hielt der Hauptmann, der uns begleitet hatte, einen Lastwagen an und sagte zu dem Fahrer: „Hier, nehmen Sie diese Sachen und diese Menschen so weit wie möglich mit.“ Auf diese Weise wurden unsere Brüder mit ihren schweren Lasten mindestens drei Viertel ihres Weges über den Erdrutsch von Yungay gefahren. Der letzte Teil der Reise bereitete ihnen dann keine großen Schwierigkeiten. Nebenbei bemerkt war dieses Gebiet damals für den Verkehr noch gesperrt. Somit waren Jehovas Zeugen die ersten, die mit dem Auto nach Caraz durchkamen.
In den darauffolgenden Wochen wurden unsere Glaubensbrüder in den verwüsteten Gebieten durch die Besuche ihrer geistigen Brüder aus anderen Teilen Perus noch mehr gestärkt. Tatsächlich fand in jener Zeit in Chimbote zur großen Überraschung der Stadtbewohner ein Kreiskongreß statt. Dieser Kongreß zeigte ihnen, daß sich Jehovas Diener umeinander kümmern.
In jener Zeit der Krise spürten wir auch immer sehr deutlich, daß
Jehova uns leitete. Bestimmt schätzten die Brüder und Schwestern in den betroffenen Gebieten die Unterstützung und Freigebigkeit ihrer Glaubensbrüder sehr. Natürlich schreiben wir besonders Jehova den Ausgang der Dinge in jener Zeit des Unglücks zu, und wir sind ihm zutiefst dankbar, daß er uns sicher geleitet und uns geholfen hat.UNBERÜHRTES GEBIET WIRD ERREICHT
In ganz Peru besuchten am 9. April 1971 insgesamt 18 397 Personen das Abendmahl des Herrn. In jenem Jahr hatten wir eine Höchstzahl von 5 384 Königreichsverkündigern, das bedeutet, daß ein Verkündiger auf 2 600 Einwohner kam. Es gab also im Werke Gottes für uns weiterhin viel zu tun. Ja, obwohl in den Stadtgebieten noch mehr gepredigt werden mußte, fragten wir uns schon lange, wie wir unser ausgedehntes Landgebiet bearbeiten sollten. Überall in den zerklüfteten Anden gab es besiedelte Täler — ein großes unberührtes Gebiet.
Es stimmt zwar, daß Sonderpioniere und einige Brüder, die dort dienten, wo Hilfe not tat, schon dorthin vorgedrungen waren. Zum Beispiel hatten der Sonderpionier Alfredo Diaz und 16 andere eine 20tägige Predigtreise in das nördliche Peru unternommen. Dabei konnten sie Hunderte von Publikationen abgeben und viele aufrichtige Personen finden. Aber es gab im ganzen Land noch viel mehr zu tun.
Glücklicherweise ist Jehovas Hand niemals zu kurz. Folglich geschah im Mai 1971 etwas, was dazu führte, daß unser unberührtes Gebiet besser bearbeitet wurde. Als ein Ehepaar seinen Sohn in Peru besuchte, machte es sich darüber Gedanken, wie die Einwohner dieses Landes, die in abgelegenen Gegenden wohnten, mit der Königreichsbotschaft erreicht werden könnten. Als sie wieder in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt waren, trafen sie Vorkehrungen, ihrem Sohn ein vollständig ausgerüstetes Wohnauto zu schicken, das er für die Anden gebrauchen sollte. Für denselben Zweck schickten sie auch zwei Motorräder.
Somit konnte mit einem ganz neuen Dienstzweig begonnen werden. Der Missionar Joe Leydig und drei Sonderpioniere (von denen einer die Eingeborenensprache Quechua sprach) sollten mit diesem Wohnauto reisen. Es wurde Casa Luz („Haus des Lichts“) genannt. Schließlich kaufte man noch einen Landrover, den die Brüder ebenfalls benutzten.
Am 21. Mai 1972 brachen die vier Vollzeitprediger auf. Ihre Zuteilung? Das Urubambatal, das einst den Inkas heilig war. Es liegt hoch in den Bergen zwischen den Städten Cuzco und Machu Picchu, der letzten Inkafeste.
ERNSTE BEMÜHUNGEN BRINGEN GUTE ERGEBNISSE
In den dreieinhalb Monaten, in denen die vier Brüder in dem Tal predigten, gaben sie 5 042 Bücher und 9 146 Zeitschriften ab. Damit
sie die ländlichen Gebiete gründlich bearbeiten konnten, standen unsere Brüder um fünf Uhr morgens auf und gaben den Bauern, die zu ihren Feldern unterwegs waren, Zeugnis. Die Dörfer, die an den Straßen lagen, wurden schnell bearbeitet. Aber wie stand es mit den Dörfern, die hoch oben am Abhang eines Berges lagen und von Terrassen und alten Ruinen umgeben waren? Wenn sie dorthin gelangen wollten, mußten sie schwer beladen mit dicken Büchertaschen auf steilen Pfaden gehen, die sie zu den Dörfern hinaufführten.Interessanterweise schien jedes Dorf seine eigene Note zu haben. In einem Ort konnten sie nur bei den 10- bis 14jährigen Kindern Bücher abgeben. Die Eltern wollten nichts. In einem anderen Dorf war jeder — Mann und Frau gleicherweise — buchstäblich „umgekippt“, anscheinend weil sie an dem vorangegangenen Abend auf ihrem Fest zuviel von dem wohl in großen Mengen geflossenen Alkohol getrunken hatten.
Im nächsten Ort traf man nur drei Leute an — alle anderen arbeiteten auf den Feldern. Um ein weiteres Dorf zu erreichen, mußte man klettern. Aber es war der Mühe wert. Man stieß auf großes Interesse. Nur wenige konnten die Literatur bezahlen, doch alle wollten irgendwelche Naturalien geben. Als der Morgen zu Ende ging und unsere Brüder zu Casa Luz zurückkehrten, waren sie mit Nahrungsmitteln voll beladen. Einer trug einen Sack Mais, ein anderer hatte eine Tasche voll mit süßen Kartoffeln. Joe Leydig hatte zwei Eier in seiner Hosentasche. Leider vergaß er das. Erst als er sich gegen den Landrover lehnte, dachte er wieder daran.
Später am Tag tauschte man ein Buch und eine Bibel gegen ein lebendes Schaf ein — frisches Fleisch zum Essen. Ein weiteres Buch und zwei Zeitschriften wurden gegen 15 Avocatos eingetauscht. Für einen Satz von fünf Büchern gab man einmal 200 Bananen. Ein interessierter Mann suchte freudestrahlend ungefähr vier Pfund Kaffeebohnen zusammen und bot sie für ein Buch an. Solche Güter konnte man in der nächsten Stadt, ungeachtet wie groß sie war, verkaufen und mit dem Geld das Benzin bezahlen.
Wie schnell gaben einige babylonische Bräuche auf? Nun, als zwei Brüder einen Rückbesuch bei einem Mann machten, kamen sie im Laufe des Gesprächs darauf zu sprechen, daß die Bibel Götzendienst verurteilt. Als der Mann das hörte, schüttelte er den Kopf und schaute auf die Bilder, die seine Lehmwand schmückten. Er nahm eins nach dem andern herunter, ging aus dem Haus, goß Petroleum über die Bilder und verbrannte sie vor den Augen der Brüder.
Geduld und Entschlossenheit sind unbedingt erforderlich, will man entlegene Gebiete bearbeiten, die wegen zahlreicher Bergkämme und fast unzugänglicher Täler von der Welt abgeschnitten sind. Manchmal erwiesen sich die Motorräder als sehr nützlich. Zum Beispiel nahmen zwei der Pioniere eine anstrengende Fahrt auf den Krafträdern auf sich, um die Stadt Lares zu erreichen. Mit Aktentaschen
voller Publikationen und mehreren Kartons Literatur, die sie auf den Motorrädern festgemacht hatten, kamen sie dort an. Sie erlebten in dieser Stadt einen herrlichen Tag im Predigtdienst. Am Abend fanden sich mehrere interessierte Personen zu einer biblischen Ansprache zusammen. Auch diese Reise hatte sich somit gelohnt.„DIE ARCHE“ UND „DER SKORPION“
Bis dahin war Casa Luz hauptsächlich im südlichen Teil des Landes eingesetzt worden. Doch wie stand es mit Zentral- und Nordperu? Nun, man konnte ein Fahrgestell eines Lastwagens erwerben und ein neues Wohnauto bauen, das geeignet sein sollte, auf schlechten Landstraßen und Wegen zu fahren. Da dieses Fahrzeug länglich war und wie ein Kasten aussah, wurde es „Die Arche“ genannt. Passend war dieser Name auch, weil die fünf Sonderpioniere, die mit dem Fahrzeug reisten, es als Aufenthaltsort für lebende Schafe, Hühner, Meerschweinchen, Puten und Enten benutzten, die sie von den Menschen im Austausch gegen Literatur erhalten hatten.
Außer der „Arche“, die im Jahre 1973 zum erstenmal eingesetzt wurde, stellte man noch ein drittes Fahrzeug für „Predigtexpeditionen“ zur Verfügung. Man nannte es „Der Skorpion“. Als man diesen Namen erwählte, dachte man an die Bedeutung der Worte in Offenbarung 9:3-5.
So sind schließlich durch die harte Arbeit, die Vollzeitprediger in den nichtzugeteilten Gebieten des Landes leisteten, alle Teile Perus — der Norden, das Zentrum und der Süden — erreicht worden. Tausende von Büchern, Broschüren, Traktaten und Zeitschriften wurden bei den Quechua, Aymará und Spanisch sprechenden Indianern abgegeben. Wo auch immer unsere drei Wohneinheiten eingesetzt waren — ob im Dschungel oder hoch oben in den Bergarbeiterstädten, in Höhen von 4 900 Metern —, es wurden ausgezeichnete Ergebnisse erzielt. Im Jahre 1978 bearbeitete man von dem Wohnauto Casa Luz aus immer noch nichtzugeteiltes Gebiet und trug die Königreichsbotschaft in entfernte Gebiete Perus.
DIE WAHRHEIT WIRD IM AMAZONASDSCHUNGEL VERKÜNDIGT
Doch halt! Es gab da noch ein Gebiet im Land, das die Wohnautos nicht erreichen konnten — den ausgedehnten Dschungel in Nordostperu. Zum größten Teil handelte es sich dabei ebenfalls um nichtzugeteiltes Gebiet. Wie stand es um diesen Landesteil?
Das Amazonastiefland besteht aus tausend und aber tausend Quadratkilometern dichtem Urwald, den große und kleine Flüsse durchziehen. An ihren Ufern liegen Hunderte von „chacras“ oder kleinen Farmen, hier und da auch Dörfer. Ungefähr 37 verschiedene Indianerstämme sollen im Amazonasgebiet leben. Einige dieser Stämme sind kaum mit der sogenannten Zivilisation in Berührung gekommen,
wohingegen sich andere den modernen Zeiten angepaßt haben. Wie gelangte nun die Wahrheit zu diesen abgelegen lebenden Dschungelbewohnern?Im Jahre 1973 trafen sich Cesar Chavez, Manuel Molina und Americo Matsuda zu einem Gespräch. Sie sprachen darüber, daß man ein Boot bauen wollte, das man für den Predigtdienst entlang den Urwaldflüssen benutzen könnte. Bald danach wurde ein solches Fahrzeug in der Hafenstadt Callao gebaut. Der Missionar Walter Akin beaufsichtigte die Bauarbeiten. Als das Boot fertiggestellt war, wurde es in zwei Teile zerlegt. Diese Teile transportierte man nach Pucallpa, wo sie wieder zusammengefügt wurden. Vom Stapel aus ließ man das 15-Tonnen-Boot, das den Namen El Refugio erhielt, in den Rio Ucayali hinabgleiten.
Zuvor war man die Liste der Sonderpioniere durchgegangen und hatte mit großer Sorgfalt eine geeignete Crew ausgewählt. Alle sechs Brüder mußten schwimmen können und außerdem den Anforderungen des Dschungellebens gewachsen sein. Es würde ganz bestimmt keine leichte Zuteilung sein.
Eine der ersten Siedlungen, die sie bearbeiteten, war Nuevo San Juan. Dort lebten ungefähr 500 Menschen in Hütten mit Strohdächern, die keine Wände hatten. Als die Brüder eintrafen, waren die Dorfbewohner (von denen die meisten Protestanten waren) davon überzeugt, daß sie die Fremden zu ihrer Religion bekehren könnten. Doch in kurzer Zeit trat genau das Gegenteil ein. Die Pioniere begannen viele Heimbibelstudien, und bald besuchten im Durchschnitt 23 Personen die Ansprachen und die Zusammenkünfte, die man in diesem kleinen Dorf veranstaltete.
Unter den Stämmen der Shipibo und Conibo erlebten die Pioniere etwas, was man als einen „ungewöhnlichen Austausch“ mit den Eingeborenen bezeichnen könnte. Es fand ein Handel mit Sprachen statt. Ja, die Indianer brachten den Pionieren ihre Sprache bei, diese wiederum lehrten sie in Verbindung mit der biblischen Wahrheit Spanisch.
In der Stadt Contamana, zwischen Pucallpa und Iquitos, gab es eine beträchtliche Anzahl Personen, die an der Bibel interessiert waren, Tag und Nacht suchten einzelne Leute die Pioniere auf, um ihnen biblische Fragen zu stellen und Literatur von ihnen zu erhalten. Die Exemplare des Buches Mache deine Jugend zu einem Erfolg gingen weg „wie warme Semmeln“. Bei vielen der 10 000 Einwohner Contamanas konnten Bibelstudien eingerichtet werden. Später wurden sogar Zusammenkünfte organisiert.
GEFAHREN DES FLUSSES
Außer den Anforderungen des Dschungellebens, denen die Männer der El Refugio gewachsen sein mußten, gab es für sie noch andere Gefahren. Die Pioniere machten die gleichen Erfahrungen wie der 2. Kor. 11:26). Der Ucayali erwies sich als ein schnellfließender, tückischer Fluß.
Apostel Paulus, der „Gefahren von Flüssen“ ausgesetzt war (Am Mittwoch, dem 10. August 1977, kam um drei Uhr morgens über dem Gebiet plötzlich ein orkanartiger Sturm auf. Gleichzeitig setzte ein heftiger Regenfall ein, der den Ucayali in kurzer Zeit über die Ufer treten ließ. Das Boot schaukelte auf dem aufgewühlten Fluß hin und her. Als er immer mehr anstieg, rissen die Halteleinen der El Refugio von den Stangen ab, so daß der Bruder, der als Wächter eingesetzt war, an Land gehen und versuchen mußte, die Seile wieder festzumachen. Doch der heftige Wind riß alle Taue mit fort, und das Boot trieb ab. Nun wurden auch die anderen von der Crew, die bis dahin geschlafen hatten, wach. Sie versuchten, den Motor anzulassen, damit sie gegen die reißende Strömung ankämpfen konnten. Ihre Bemühungen blieben jedoch erfolglos, und sie mußten hilflos zusehen, wie sie auf das steile Flußufer zutrieben.
Im selben Augenblick stürzte ein Teil des Ufers, das von dem strömenden Wasser unterspült worden war, in den Fluß. Das bewirkte, daß das Boot nach Steuerbord umkippte, während die Brüder im Inneren eingeschlossen waren. Zum Glück war jedoch eine der Schiebetüren offen. Das Boot sank zwar dadurch schneller, doch die Pioniere hatten jetzt eine Möglichkeit, sich ihren Weg aus dem Boot zu erkämpfen. Sie kamen alle heraus. Trotz der pechschwarzen Nacht schwammen die Brüder sicher ans Ufer. Ja, alle Literatur, Kleidung, Kochutensilien, Büchertaschen und persönlichen Sachen wurden ein Opfer des Flusses. Doch sie waren am Leben geblieben. In einem inbrünstigen Gebet bedankten sie sich bei Jehova für seinen Schutz.
Im Morgengrauen konnten die Brüder ihr Boot sehen. Der Bug wurde offenbar durch eine große Luftblase über Wasser gehalten. Der Fluß hatte sich wieder beruhigt, und das Fahrzeug trieb sanft dahin. Doch man durfte jetzt keine Zeit verlieren. Mit Hilfe von Kabeln und zwei Traktoren, die Bewohner eines Ortes freundlicherweise zur Verfügung stellten, zog man das Boot wieder an Land. Später am selben Tag konnte ein riesiger schwimmender Bootskran, der einer Erdölgesellschaft gehörte, das 15-Tonnen-Boot wieder aufrichten und zu Wasser lassen. Man bedankte sich noch einmal bei Jehova, diesmal dafür, daß er dafür gesorgt hatte, daß ihr schwimmendes Heim so rasch instand gesetzt wurde.
Als die Nachricht von dem Mißgeschick die Brüder in ganz Peru erreichte, spendeten sie in großzügiger Weise. Dadurch konnte man die Pioniere ausrüsten, ihren Dienst entlang den Flüssen des Amazonasbeckens fortzusetzen.
WEITERE AUSDEHNUNG
Die vermehrte Tätigkeit des Volkes Jehovas in ganz Peru führte uns die Notwendigkeit größerer Zweiggebäude vor Augen. 1972 besuchten
19 772 Personen das Gedächtnismahl. Es war daher nicht überraschend, als während eines kurzen Besuches der Brüder N. H. Knorr und M. H. Larson Vorkehrungen getroffen wurden, ein unbebautes Grundstück, das neben dem Zweiggebäude lag, zu kaufen.Die Erweiterungsarbeiten begannen im März 1973. Das Projekt wurde von den Brüdern ausgezeichnet unterstützt, und obwohl die Baumaterialien immer knapper wurden, machte der Bau gute Fortschritte. Im Erdgeschoß war ein geräumiger Königreichssaal untergebracht, der 300 Personen bequem Platz bot. Im 1. Stock befanden sich Wohnräume für die Missionare, die den nahe gelegenen Versammlungen zugeteilt waren. Der Anbau wurde am 19. Januar 1974 von Bruder N. H. Knorr eingeweiht. Er sprach damals zu einer Zuhörerschaft von 456 glücklichen Zeugen Jehovas.
Im selben Monat wurde der internationale Kongreß „Göttlicher Sieg“ in Lima durchgeführt. Diejenigen, die aufmerksam verfolgt hatten, wie unser Werk in diesem Land gewachsen war, sahen diesen Kongreß als einen Meilenstein an. Unter den 19 738 Anwesenden (die größte Besucherzahl, die wir bis dahin bei einem Kongreß hatten) befanden sich Delegierte aus Kanada, den Vereinigten Staaten und Europa. Für diese Besucher hatte man ein interessantes englischsprachiges Programm und Rundreisen vorgesehen. Farbenprächtige Folkloretänze rundeten die aufschlußreichen historischen Darbietungen ab. Ja, der Kongreß war wirklich für die ausländischen Delegierten und die peruanischen Zeugen gleichermaßen eine Freude.
Da das Wachstum anhielt, wurden die meisten Gelände für unsere Kongresse zu klein. Auch konnten wir die meisten Sportstadien nicht benutzen, weil darin keine religiösen Zusammenkünfte stattfinden durften. Deshalb setzten die Kreise von Lima ein Komitee ein, und nach kurzer Zeit konnte ein ideales Kongreßgelände gekauft werden. Es lag in einem unerschlossenen Gebiet, das Campoy hieß, nur 20 Autominuten vom Zentrum der Hauptstadt entfernt. In dieser ruhigen, friedlichen Umgebung gingen freiwillige Arbeiter begeistert ans Werk. Schließlich entstand eine ausgezeichnete Kongreßstätte mit allen erforderlichen Einrichtungen. Sie war gerade rechtzeitig für die zwei Bezirkskongresse fertig, die im Jahre 1976 stattfanden und die von insgesamt 18 914 Personen besucht wurden. Ungefähr ein Jahr später wurden das Kongreßgelände und verschiedene Gebäude während eines Besuches von A. D. Schroeder, eines Gliedes der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, eingeweiht. Bei diesem Anlaß waren 14 353 Personen zugegen, die 96 Versammlungen von Groß-Lima und von nahe gelegenen Städten vertraten.
Im Jahre 1977 wurden wir uns des liebevollen Interesses der leitenden Körperschaft an uns besonders bewußt. In diesem Jahr erhielten wir zu unserer Freude nicht nur einmal, sondern zweimal Besuch von Gliedern der leitenden Körperschaft. Bruder Grant Suiter verbrachte mit seiner Frau Edith sechs viel zu kurze Tage im Zweigbüro. Bruder
Suiter sprach auch vor einer Menge von 15 056 Personen, die sich auf dem Kongreßgelände in Campoy versammelt hatten.WIR FAHREN FORT, ‘WIE LICHTSPENDER ZU LEUCHTEN’
Das Jahr 1978 war für Jehovas Zeugen in Peru sehr erfolgreich. Die vier Bezirkskongresse „Freudige Arbeiter“ wurden von insgesamt 28 063 Personen besucht, und 636 ließen sich auf diesen Kongressen als Symbol ihrer Hingabe an Jehova Gott taufen. Es gibt nun 12 925 Königreichsverkündiger, die in dem Land der Inkas geistiges Licht und Wahrheit verbreiten.
Wie dankbar sind wir noch Jehova für seine vielen geistigen Segnungen in all den Jahren! Wir haben nicht nur großen Nutzen aus der Arbeit der Missionarbrüder und -schwestern gezogen, die hierher gesandt wurden, nachdem sie in der Gileadschule ausgebildet worden waren. Auch einige peruanische Zeugen haben eine solche Schulung erhalten. Die Königreichsdienstschule, mit der im Jahre 1962 hier begonnen wurde, hat sich ebenfalls als sehr nützlich erwiesen. Und wie dankbar sind wir doch für die jetzt durchgeführte Pionierschule! Da wir bis auf den heutigen Tag so ausgezeichnet geschult worden sind und von unserem liebevollen himmlischen Vater in geistiger Hinsicht großartige Segnungen empfangen durften, werden wir auch weiterhin in der Lage sein, als Lichtträger wirkungsvoll zu dienen.
Im Vertrauen auf Jehova blicken wir peruanischen Zeugen der Zukunft entgegen. Wir sind entschlossen, im Königreichswerk voranzudrängen, sei es in den majestätischen Anden, auf schmalen Dschungelpfaden oder sonstwo in unserem ausgedehnten Gebiet. Ja, voller Freude wollen wir gemeinsam mit unseren Glaubensbrüdern auf der weiten Erde treu dienen, während wir ‘wie Lichtspender in der Welt leuchten’ (Phil. 2:15).
[Karte auf Seite 201]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
PERU
Iquitos
Moyobamba
Contamana
Trujillo
Chimbote
Yungay
Huaraz
Chosica
Callao
Lima
Huancayo
Ayacucho
Lares
Cuzco
Ica
Puno
Arequipa
Pazifik
ECUADOR
KOLUMBIEN
BRASILIEN
BOLIVIEN
CHILE