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Chile

Chile

Chile

CHILE ist ein Land vieler Gegensätze. Es besteht aus einem 4 265 km langen Küstenstreifen im Westen Südamerikas, der sich über mehr als die Hälfte der pazifischen Küste hinzieht. Dadurch weist das Land von den sengendheißen Wüsten im Norden bis zu den Fjorden und Gletschern im Süden eine unbegrenzte Vielfalt auf. Innerhalb dieses Gebietes liegen zerklüftete Berge, reich an Erzvorkommen; völlig kahle Wüstenebenen; fruchtbare Täler, Wälder; eine Unzahl schimmernder Seen und Inseln sowie Gletschergebiete, die im Westen vom donnernden Ozean und im Osten von den gewaltigen Anden eingeschlossen sind. Die besiedelten Gebiete Chiles reichen vom Meeresspiegel bis hinauf zu den Ausläufern des höchsten Berges in der westlichen Hemisphäre, des Berges Aconcagua, der sich an der chilenisch-argentinischen Grenze befindet und 7 000 m emporragt.

Der Norden Chiles ist, mehr als irgendein anderer Teil der Erde, nahezu absolute Wüste. In der Wüste Atacama gibt es tatsächlich Stellen, wo seit 20 Jahren nicht ein Tropfen Regen gefallen ist! Hingegen verzeichnet man im Süden des Landes einen jährlichen Niederschlag von über 250 mm.

Obwohl das Land zu einem großen Teil aus Bergen besteht, hat es doch eine mittlere Region, wo etwa 67 Prozent der Bevölkerung leben. Dieses Gebiet könnte man als einen der Gärten der Welt bezeichnen Das Klima in diesem Gebiet ähnelt dem Kaliforniens und begünstigt den Anbau von Obst wie Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen, Kirschen, Weintrauben, Feigen, Apfelsinen und Zitronen.

Den Süden des Landes könnte man als Seengebiet bezeichnen. Hier befindet sich der berühmte Lago de Todos los Santos, auch Esmeraldasee genannt. Theodore Roosevelt sagte einmal über diesen See: „Von all den Seen der ganzen Welt, die ich gesehen habe, ist dieser der schönste!“ Er liegt eingebettet zwischen hoch aufragenden Bergen, und sein smaragdfarbenes Wasser wird nur durch Wasserfälle aufgestört, die aus Bergwänden auf die ruhige Wasserfläche hinabstürzen.

Zusätzlich zu dem Festland verfügt Chile über eine Reihe von Inseln: Die Juan-Fernández-Inseln befinden sich 587 km westlich der Stadt Valparaiso. Zu ihnen gehört die berühmte Robinson-Crusoe-Insel. Die Osterinsel liegt 3 200 km von der Küste Chiles entfernt, und ihre Bewohner sind polynesischer Herkunft Hier hat man Hunderte von schrecklich aussehenden augenlosen Steinfiguren gefunden, die den Archäologen lange Zeit Kopfzerbrechen bereitet haben.

In Chile spricht man spanisch, und die Bevölkerung ist größtenteils spanischer Abstammung, doch ist der Einfluß der Deutschen, Engländer und Amerikaner in den letzten 100 Jahren nicht unbedeutend gewesen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung sind Mischlinge. Ihre Vorfahren sind Spanier und Indianer gewesen. Die Indianer gaben Chile den Namen chilli, was soviel wie „dort, wo das Land aufhört“ bedeutet. Genauso muß es den Ureinwohnern erschienen sein, wenn sie auf den unendlich wirkenden Pazifischen Ozean hinausblickten.

DIE „GUTE BOTSCHAFT“ ERREICHT CHILE

Das Predigen der guten Botschaft von Gottes Königreich begann in Chile mit der Ankunft von Richard Traub. Bruder Traub hatte die Wahrheit in Buenos Aires (Argentinien) kennengelernt und sich im Jahre 1925 Jehova hingegeben. Als er in Argentinien, nahe den Anden, Pionierdienst verrichtete, wuchs in ihm der Wunsch, Chile für das Predigtwerk zu erschließen. Bruder Juan Muñiz, der damalige Zweigaufseher von Argentinien, war der Meinung, daß dies eine gute Idee sei. So lautete Bruder Traubs Zuteilung Chile.

Man schrieb den 30. April 1930, als er abends in Santiago eintraf. Natürlich war niemand da, der ihn am Bahnhof in Empfang nehmen konnte, und so verbrachte er die Nacht in einem nahe gelegenen Hotel. Am nächsten Tag mietete er ein Zimmer. Bruder Traub versuchte einen Scheck einzulösen, der ihm als Starthilfe gegeben worden war, aber er konnte das Geld nicht sofort erhalten, weil die Bank erst herausfinden mußte, ob der Scheck gedeckt war. Inzwischen gingen das Geld und die Nahrungsmittel, die er geschenkt bekommen hatte, zu Ende, und unser opferbereiter Pionierbruder hatte acht Tage lang nichts zu essen.

Obwohl er keine Literatur anzubieten hatte, begann er am 4. Mai 1930 mit dem Haus-zu-Haus-Dienst. Mit vollem Vertrauen in Jehova und einem echten Missionargeist begann Bruder Traub sein Werk als erster Zeuge unter den 4 000 000 Einwohnern, die es zu dieser Zeit im Lande gab.

Bis zum Jahre 1925 war die römisch-katholische Kirche die Staatsreligion, aber als eine neue Verfassung in Kraft trat, wurden Kirche und Staat getrennt. Als Bruder Traub von Haus zu Haus ging, fragte ihn die Polizei aus, aber nachdem er seine Tätigkeit erklärt hatte, gab es überhaupt keine Schwierigkeiten. Nach seinem Dafürhalten existierte echte Religionsfreiheit.

Bruder Traub beschreibt seine damaligen Empfindungen wie folgt: „Jeden Sonntag, wenn die Stunde des Wachtturm-Studiums näher kam, ging ich zum Berg San Christóbal, setzte mich in den Schatten eines Baumes und vertiefte mich ins Studium und betete. Ja, ich fühlte mich sehr allein und hatte den verzehrenden Wunsch, mit einem anderen Bruder über die Wahrheit zu sprechen. Aber durch das ständige persönliche Studium fühlte ich mich gestärkt und hatte das Empfinden, daß ich nicht allein war. Ich war bereit für eine neue Arbeitswoche.“

INTERESSIERTE PERSONEN WERDEN GEFUNDEN

Als Bruder Traub von Haus zu Haus Zeugnis gab, traf er einen gottesfürchtigen Mann mit Namen Juan Flores. Er nahm Literatur entgegen und hatte viele Fragen. Damals wurde Juan Flores von den Adventisten des Siebenten Tages besucht. Nachdem er jedoch einer Diskussion zwischen den Adventisten des Siebenten Tages und Bruder Traub zugehört hatte, entschied er sich dafür, das Buch Die Harfe Gottes zu studieren.

„Danach“, berichtet Bruder Traub, „mietete ich ein Appartement und lud Leute zu dem öffentlichen Vortrag und zu dem Bibelstudium ein, die jeden Sonntag stattfanden. Juan Flores, der erste, der einer solchen Einladung folgte, fragte: ,Und die anderen, wann werden sie kommen?‘ Meine Antwort war: ,Sie werden kommen.‘ “ Tatsächlich dauerte es nicht lange, und sie kamen.

In dem Gebiet, das Quinta Normal genannt wird, traf Bruder Traub einen Mann, der Literatur entgegennahm und ihn dann einlud, biblische Vorträge in seiner evangelischen Kirche zu halten. Juan Flores begleitete Bruder Traub und hörte ihm zu, wie er die Königreichsbotschaft den Versammelten verkündete. Sie wurden eingeladen wiederzukommen. Der evangelische Prediger freute sich, weil die Anwesendenzahl stieg und der Kollektenteller nach dem Besuch von Bruder Traub stets voll war. Bruder Traub war mit dem Kollektenteller nicht einverstanden, und so hielt er, gestützt auf Johannes 10:12, in der Kirche eine Ansprache über den „Lohnarbeiter“. Daraufhin begann die Mehrzahl der Kirchgänger, unter ihnen eine junge Dame namens Consuelo Galvez, die Zusammenkünfte zu besuchen, die Bruder Traub leitete. Bald war der evangelische Prediger allein, denn seine Gruppe hatte sich aufgelöst.

Juan Flores lud Bruder Traub ein, bei ihm zu Hause in der Concón Street zu wohnen und sein Haus als Versammlungsort zu benutzen. (Inzwischen ist es vergrößert worden und dient bis zum heutigen Tag als Königreichssaal.) Nach gut 10monatiger Tätigkeit war die Zeit herangekommen, die Interessierten zu taufen. Bruder Traub schrieb Bruder Muñiz und fragte ihn, ob er nicht dieses historische Ereignis miterleben wolle.

Am 13. Februar 1931 wurden zum ersten Mal Zeugen Jehovas in Chile getauft, und Bruder Muñiz hielt die Ansprache. Die acht Personen, die bei dieser Gelegenheit getauft wurden, waren Juan Flores, seine Frau Teresa, seine Mutter Delfina Villablanca, Juan Castillo, Pedro Ortiz, Roberto Rojas, Margarita Sandoval und eine andere Schwester Flores. Gemäß Berichten von Bruder Traub sind alle acht treu geblieben. Schwester Villablanca ergriff den Pionierdienst, den sie bis zu ihrem Tode durchführte. Juan Flores half, eine kleine Versammlung in Illapel zu organisieren. Aber das war noch nicht alles.

Am 29. März 1931 wurden fünf weitere Personen getauft. Unter ihnen war auch Consuelo Galvez, die zukünftige Schwester Traub, die ihrem Mann bis zu ihrem Tode eine treue Gefährtin war. So wurden in weniger als einem Jahr 13 Personen getauft.

Inzwischen gab es weitere Neuinteressierte, die Stellung für die wahre Anbetung bezogen. Das Werk in Santiago wurde befestigt, aber wie stand es damit, den Samen der Wahrheit in entlegenen Gebieten auszusäen?

EIN WEITERER TATKRÄFTIGER PIONIER TRIFFT EIN

Einer der ersten Pioniere, die nach Chile kamen, war Käthe Palm, und sie spielte eine bedeutende Rolle in der Beantwortung obiger Frage. Wir lassen sie von ihrer eifrigen Tätigkeit in Chile berichten. Schwester Palm schreibt:

„Schwester Hilma Sjoberg sandte im November 1934 einen Geldbetrag an das Hauptbüro der Watch Tower Society, um eine Schiffsreise von den Vereinigten Staaten nach Kolumbien zu finanzieren. Die Gesellschaft fragte mich, ob ich bereit sei, Schwester Sjoberg in Südamerika zu unterstützen. Welch eine wunderbare Vorkehrung! So traf ich im Dezember in Buenaventura (Kolumbien) ein. Schwester Sjoberg kam aus Ecuador. Wir gingen für ein Jahr nach Bogotá und legten dort Kartons über Kartons von Büchern in die Hände der Menschen. Dann mußte Schwester Sjoherg nach Texas zurückkehren. Sie riet mir; nicht allein in Kolumbien zu bleiben, und schlug vor, einem Bruder in Chile zu schreiben, der mit dem Werk dort begonnen habe.

Schließlich erhielt ich die Einladung, nach Chile zu kommen, denn in Bruder Traubs Heim war noch ein Platz für einen Pionier. Das ganze Land war das Gebiet! Wie kam man dorthin? Am besten per Schiff, also zurück nach Buenaventura. Der Hafenkapitän sagte mir, daß bald ein chilenisches Schiff eintreffen werde. So wurde der Weg geebnet.

,Natürlich nehmen wir Sie mit‘, sagte der Kapitän des Frachters, ,aber auf keinen Fall nehme ich das einzige Geld [15 $], das Sie haben, an. Doch einige von den Büchern, die Sie da haben, nehme ich gern. Gehen Sie an Land, holen Sie Ihre Sachen, und dann werde ich Ihnen Ihre Kabine zeigen.‘ Nach einer wunderschönen 17tägigen Reise, auf der die Mannschaft und einige Passagiere ein gutes Zeugnis erhielten, erreichten wir Chile. Bruder Traub wartete auf mich in Valparaiso. Das war im Februar 1936.“

In Santiago freute sich Schwester Palm besonders über eine Prachtstraße mit rosa blühenden japanischen Kirschbäumen vor dem Hintergrund schneebedeckter Berge. Welch ein Anblick! Doch wollen wir uns ihren Bericht weiter anhören:

„Das erste Gebiet, das Bruder Traub mir gab, war das Zentrum von Santiago. Hier befanden sich der Regierungspalast, die Regierungsgebäude, alle Büros und Geschäfte. In diesem Gebiet verbreitete ich viele Bücher, oft sogar komplette Sätze all der Bücher, die damals von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben worden waren. In den Büros des Regierungspalastes war niemand ablehnend, ausgenommen die Telegrafisten — sie durften nicht gestört werden. Auf der letzten Etage fand ich die Palastbibliothek. Der Bibliothekar erkannte die Bücher sofort und nannte mir die Titel derer, die er bereits hatte. Ich überließ ihm das zu jener Zeit neueste Buch, nämlich ,Rechtfertigung‘ (Band 1), in Spanisch und Englisch, worüber er sich sehr freute. Ein Mann sagte mir sogar, daß er gern mit mir tauschen würde, was seine Arbeit für die Regierung anbetreffe, denn er schätze, die Arbeit für eine theokratische Regierung weit höher ein.

Während ich im Jahre 1936 das Geschäftsviertel bearbeitete, traf ich einen Juwelier mit einem deutschen Namen. Ich gab ihm Zeugnis in Deutsch und zeigte ihm das Buch ,Rechtfertigung‘. Als er den Namen Jehovas darin sah, wurde er blaß und schrie mich an, ich solle seinen Laden sofort verlassen, sonst würde er mich mit seinem Revolver töten. Schreiend drohte er mir mit der Faust und ließ sie dann so hart auf den Schaukasten niedergehen, daß das Glas zerbrach und er sich in die Hand schnitt! Inzwischen hatte ich meine Büchertasche wieder in Ordnung gebracht, und so machte ich eiligst kehrt. Zitternd stand ich auf der Straße und wandte mich der nächsten Tür zu — einem deutschen Kunstgewerbeladen. ,Nein‘, sagten die Inhaber, ,wir möchten über diesen Mann kein Wort verlieren, wir wissen nur, daß er ein fanatischer Nazi ist.‘ Es war die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.“

TRAGBARES GRAMMOPHON GESCHÄTZT

Schwester Palm berichtet, daß es Bruder Traub vor Ausbruch des Krieges möglich war, von der Gesellschaft ein tragbares Grammophon und kurze, auf Schallplatte (78 Umdrehungen) aufgenommene biblische Vorträge zu erhalten. Wie sehr er sich doch darüber freute! „Er brachte es sogar fertig“, sagt Schwester Palm, „Plattenspieler nach dem vorhandenen Modell herzustellen, so daß etliche chilenische Brüder ihr eigenes Gerät, made in Chile, benutzen konnten.

Der 2. Offizier des Schiffes, das mich nach Chile gebracht hatte, suchte Jahre später anläßlich seiner Besuche in New York auch das Hauptbüro der Watch Tower Society auf. In der Adams Street 117 traf er Bruder Fred Peach und Bruder Harry Pinnock. Die beiden sandten mir das neueste Modell eines aufrecht stehenden Plattenspielers mit weiteren, neuen Schallplatten. Dieses Gerät ließ sich an den Türen leicht verwenden, und welche Aufmerksamkeit es doch erregte! Niemand hatte jemals zuvor etwas Ähnliches gesehen. Die auf Schallplatte aufgenommenen einstündigen Vorträge wurden von Radiostationen in Santiago gesendet. Einige Jahre später wurden sie auch von fast allen Radiostationen der bedeutenden Provinzstädte übertragen.“

DER SAME DER WAHRHEIT WIRD IM NORDEN VERBREITET

Bruder Traub war der Meinung, daß Schwester Palm den Samen der Wahrheit im nördlichen Teil des Landes aussäen sollte. „Er beauftragte mich, im äußersten Norden — in Arica — zu beginnen und meine Arbeit im fruchtbaren Azapatal fortzusetzen“, berichtet sie. „Ich arbeitete in jeder Stadt von Haus zu Haus, stets bemüht — gewöhnlich mit Erfolg —, den vollständigen Satz der wunderschönen regenbogenfarbenen Bücher in öffentlichen Leihbüchereien, Schulbüchereien und Gewerkschaftssälen zurückzulassen.

In jeder Bergwerksstadt, jeder Siedlung eines Salpeter-, Kupfer- oder Eisenbergwerks, ob groß oder klein, wurde von Haus zu Haus Zeugnis gegeben. Es war nötig, genügend Kartons mit Büchern im voraus an jede neue Adresse zu senden. Fast meine gesamte Zeugnistätigkeit verrichtete ich zu Fuß. Ich fand eine Satteltasche, wie man sie Eseln aufbindet, und füllte sie auf der einen Seite mit 30 Büchern, und auf der anderen Seite hatten 150 bis 200 Broschüren Platz. Dann lud ich die Tasche auf meine Schultern und füllte zusätzlich eine Handtasche bis zum Rand mit Literatur, um bei jedem Besuch etwas zur Hand zu haben. Außerdem war es nötig, eine Decke, eine Zahnbürste usw. bei sich zu haben, denn wo man abends haltmachte, wurde auch gewöhnlich übernachtet.

In Copiapó fand ich hoch oben in den Bergen der Anden eine Schwefelmine. Hier lebten etwa 30 bis 40 Arbeiter und die Familien des Verwalters und seines Assistenten. Sie waren überrascht, daß eine Frau sie besuchte. Wie hatte ich es überhaupt geschafft, dorthin zu kommen? Ich hatte einen Mann getroffen, der zu der Mine fuhr und mich gern mitnahm. ,Ja‘, meinte er, ,ich werde mich darum kümmern, daß eine der beiden Damen dort oben Ihnen Unterkunft besorgt.‘

Später sagte mir jeder Beschäftigte des Bergwerks: ,Uns steht hier kein Geld zur Verfügung; unser gesamter Lohn wird uns im Büro in der Stadt ausbezahlt, wenn wir unseren Urlaub antreten.‘ Der Verwalter gab jedoch jedermann die Erlaubnis, soviel Literatur zu nehmen, wie er wollte, und dann wurden der Name und der Betrag eines jeden in eine Liste eingetragen. Ich verbreitete meinen gesamten Literaturvorrat und nahm Bestellungen für das Vielfache an Literatur entgegen. Diese lieferte ich im Büro in der Stadt ab. Alle Arbeiter schienen begierig, die Publikationen zu lesen, und sie freuten sich sehr über die ,gute Botschaft‘.“

Im Jahre 1939 schrieb Schwester Beta Abbott, die zuvor in Kuba tätig war, daß sie nach Chile kommen werde. Schwester Abbott sollte den Amerikanern, die hoch oben im Kupferbergwerk von „El Teniente“, direkt südlich von Santiago, arbeiteten, Zeugnis geben. Sie konnte allerdings nur eine kurze Zeit dort bleiben, weil sie die Höhe nicht vertrug. Aber Rancagua, die Stadt am Fuße der Berge, lag günstig.

Schwester Lucila Reyes, die in Rancagua ein Hotel besaß, bot ihr Unterkunft an. Beta blieb dort einige Jahre. Schwester Reyes und ihr Mann hatten die Wahrheit einige Jahre zuvor durch Bruder Traub kennengelernt. Vor dieser Zeit hatte ein evangelischer Pastor die Familie Reyes des öfteren besucht. Der Pastor bestand darauf, daß sie sich, um Gott gehorsam zu sein, von dem gesamten Weinvorrat des Hotels — der keine unbedeutende Einnahmequelle darstellte — trennen müßten. So goß der arme Herr Reyes all den Wein in seinen chuicos (10 Liter fassende Weinkrüge) in den Abwasserkanal! Dann kam Bruder Traub und erklärte biblische Wahrheiten. „Was“, sagte Herr Reyes, „Wein ist nicht verboten?“ Oh, es war Musik für seine Ohren, als Bruder Traub es ihnen aus ihrer eigenen Familienbibel vorlas. Haus und Hotel der Familie Reyes standen jederzeit allen Zeugen zur Verfügung.

Im Jahre 1949 fand ein Landeskongreß in Rancagua statt, und Schwester Reyes, nun eine Witwe, räumte ihr Hotel, um so vielen Kongreßbesuchern wie möglich Unterkunft zu gewähren. Im Zentrum von Rancagua wurde ein Informationsmarsch durchgeführt, bei dem die Brüder sich große Plakate umhängten, die auf der Vorder- und auf der Rückseite den Hauptvortrag ankündigten. Es gab jedoch Probleme, als der Direktor der Schule den Brüdern die Benutzung der Aula verweigerte, obwohl der Erziehungsminister die Erlaubnis gegeben hatte. Als Daniel González, ein Richter der Berufungsinstanz, davon hörte, fuhr er zu diesem Direktor und fragte ihn, warum er einige Wochen zuvor die Halle für eine katholische Veranstaltung zur Verfügung gestellt habe. So in die Zange genommen, konnte er schwerlich auf seiner Ablehnung beharren. Und folglich wurde ein wundervoller Kongreß in Rancagua abgehalten.

Jahre später zog Schwester Abbott nach Santiago. Da sie ihren Lebensunterhalt stets durch das Schneiderhandwerk — das sie meisterhaft beherrschte — bestritten hatte, fand sie leicht Arbeit bei den Frauen der Botschafter oder anderen in prominenten Stellungen. Auf diese Weise hatte sie Gelegenheit, diesen Personen Zeugnis zu geben. Sie erwähnte immer wieder, daß die Hand Jehovas im Spiel war, denn wenn Zeugen in diesen eleganten Wohnungen vorsprachen, ließen die Dienstmädchen sie nie zu den Wohnungsinhabern vordringen. Nach vielen Jahren treuen Dienstes starb Schwester Abbott im Jahre 1975 im Alter von 93 Jahren.

DIE BEARBEITUNG DES SÜDENS

Da die südlichste Provinz Chiles, Magallanes, am besten in den Sommermonaten bearbeitet werden kann, ließ Bruder Traub Schwester Palm mit dem Schiff nach Punta Arenas fahren. Zehn Kartons Bücher wurden für ihren Gebrauch dorthin gesandt.

Im Gegensatz zum trockenen Norden sah Schwester Palm hier grünes Land sowie Inseln über Inseln, Ruderboote, Segelboote, Barkassen und kleine Dampfer. Wie herrlich! Schließlich war nach einigen Tagen die Reise durch Fjorde und Gletschergebiete zu Ende, und die Stadt Punta Arenas an der Magellanstraße war erreicht. Schwester Palm fährt fort:

„Von all den Städten Chiles hat mir diese stets am besten gefallen. Es gibt dort weder Fliegen, Flöhe, Wanzen noch Bettler. Man schläft sehr gut und wacht morgens erfrischter auf als an irgendeinem anderen Ort, den ich besucht habe.“

Für die Zeugnistätigkeit in Punta Arenas benötigt man mehr als nur spanische Literatur. Es gibt dort viele Bewohner jugoslawischer Herkunft, und man findet auch viele estancias (große Schaffarmen), die von Engländern verwaltet werden. Auf diesen estancias können bis zu 80 000 Schafe auf gut 100 000 ha Land weiden. Bis auf den heutigen Tag bieten die Schafhirten auf ihren Pferden, begleitet von gut dressierten Hunden, vor dem Hintergrund majestätischer Berge, die mit Gletschern bedeckt sind, welche sich bis an den Rand herrlicher Seen erstrecken, einen malerischen Anblick.

Die Menschen in dieser abgelegenen Gegend von Punta Arenas und Puerto Natales sind für ihre Freundlichkeit und Gastlichkeit bekannt. Wenn man eine dieser estancias besucht, wird man sofort in eine große Küche eingeladen, wo eine Kanne Kaffee oder Mate (Kräutergetränk) mit etwas Brot bereitsteht. Zu den Mahlzeiten gibt es immer ein cordero asado (geröstetes Lamm), und man kann soviel essen, wie man will. Es wurde viel Interesse vorgefunden, und die Reaktion auf das Predigtwerk war günstig.

Von Punta Arenas kann man nach Tierra del Fuego (Feuerland) reisen. Dieser Name wurde der Insel im Jahre 1520 von Ferdinand Magellan gegeben, als er durch die Meerenge fuhr, die nach ihm benannt wurde. Schwester Palm besuchte die kleine Stadt Porvenir auf dieser Insel und hatte das Vorrecht, den Samen der Wahrheit in diesem entlegenen Teil der Erde auszusäen. Eine estländische Familie stellte ihr für etliche Wochen eine Unterkunft zur Verfügung, so daß sie alle estancias in diesem Gebiet besuchen konnte.

ZURÜCK IN DEN NORDEN

Der Winter näherte sich, und so war es Zeit, mit dem Dampfer in Richtung Norden zu fahren. Auf der Rückreise kam Schwester Palm zu der Insel Chiloé. Sie schreibt: „Auf meinem Weg zu kleineren Inselhäfen traf ich liebenswürdige Leute an. Sie hörten stets zu, hatten viele Fragen und wunderten sich, wie es möglich war, daß man sie so viele Jahre lang hinsichtlich des Fegefeuers und der Hölle belogen hatte. Sie nahmen fast immer Literatur entgegen.

Nahe einer kleinen Hafenstadt brachte es der Priester fertig, meine Tätigkeit zu bespitzeln. So gelang es einem seiner Handlanger, mir in einem Moment, in dem ich nicht aufpaßte, meine mit Büchern gefüllte Satteltasche und meine handgewebte, farbenfrohe bolivianische Decke zu stehlen. Ich meldete es der Polizei, doch die Beamten antworteten nur mit einem Achselzucken. So ging ich an jenem Tag nur mit meiner Handtasche weiter. Auf der Straße traf ich einen Mann, der schon von dem Diebstahl gehört hatte. Er wollte mich wissen lassen, daß ihm, seiner Frau und anderen der Vorfall sehr leid tue. ,Bitte kommen Sie mit zu mir nach Hause‘, sagte er, ,denn meine Frau hat eine neue Decke für Sie [handgearbeitet natürlich], und bitte bleiben Sie diese Nacht bei uns.‘ So ging ich mit. Es handelte sich sogar um eine noch bessere Decke — einen großen Poncho. Ich kaufte ihn sofort; er war sehr preisgünstig. Ich verbrachte die Nacht bei ihnen und beantwortete viele ihrer biblischen Fragen.“ (Heute, nach mehr als 35 Jahren, hat Schwester Palm immer noch ihren Chiloé-Poncho in Gebrauch.)

Auf ihrem Weg nach Norden — wie von Bruder Traub angewiesen — besuchte Schwester Palm Osorno. Der Gouverneur der Provinz war erfreut über ihr Kommen. Er zeigte ihr das Buch Regierung, das er gern gelesen hatte. Dann versprach er, daß in Osorno niemand unser Werk behindern werde, und das erwies sich als wahr.

Weiter ging es in die Provinz Valdivia. Hier begab sich Schwester Palm nach Corral, einem Hafenort. Sie berichtet: „Ich fand eine Vereinshalle, in der unser einstündiger Vortrag ,Schau den Tatsachen ins Auge‘ abgespielt werden konnte, und die Halle füllte sich mit Personen, die ich eingeladen hatte. Sie brachten sogar einige der wunderschönen Nationalblumen, Copihue genannt, und einige Farne mit, um die Halle zu schmücken. Um den abgestandenen Zigarettenrauch aus der Halle zu verbannen, verbrannte ich einige Eukalyptusblätter, was die Luft wieder mit Wohlgeruch erfüllte. Ein junges Mädchen, das auf die Galerie ging, um sich unsere Dekoration anzusehen, sagte: ,Hmmm, genau wie das Parfüm von Atkinson‘ (ein berühmtes englisches Parfüm in Chile). Habe ich gelacht! Nach dem Vortrag nahmen die Besucher ihre geschenkten Broschüren und Zeitschriften mit und fragten, wann sie mehr von diesen guten Dingen hören könnten.“

EIN WEITERER EIFRIGER PIONIER

Dieser Bericht über das Ausstreuen des Samens der Wahrheit in ganz Chile wäre unvollständig, ohne von einem anderen eifrigen Pionier zu erzählen, nämlich Theodore Laguna, der aus den Vereinigten Staaten kam. Bruder Laguna besuchte 1935 den Kongreß in Washington (D. C.) und hörte die anspornenden Vorträge von Bruder Rutherford, der das Volk des Herrn aufforderte, die Möglichkeit zu erwägen, die gute Botschaft des Königreiches nach Südamerika zu tragen. Bruder Laguna war mit Begeisterung erfüllt und machte Pläne auszuwandern. Als er 1936 in Chile ankam, begann er mit dem Predigtwerk in der Stadt Concepción. Nachdem Bruder Laguna einige Jahre im Pionierdienst gestanden hatte, heiratete er und gründete eine Familie in der Stadt Chillán, wo er das geistige Wachstum der dortigen Versammlung förderte.

Damals, vor Eintreffen der Absolventen der Wachtturm-Bibelschule Gilead, spielten diese sich aufopfernden Pioniere eine wichtige Rolle in dem Predigtwerk. Viele Samenkörner der Wahrheit waren von Arica bis nach Punta Arenas, ja sogar bis Tierra del Fuego (Feuerland) ausgestreut worden. Sie lagen zwar brach, bis weitere Verkündiger der „guten Botschaft“ sie mit zusätzlichem Wasser der Wahrheit erreichen konnten, doch wichtig war, daß sie zur Ehre Jehovas wuchsen und gediehen.

ERSTER KÖNIGREICHSSAAL — ERSTER KONGRESS

Im Jahre 1944 wurde mit dem Bau des ersten Königreichssaales in Chile begonnen. Eine Schwester schenkte den Brüdern in Santiago ein Grundstück, und die Brüder machten sich mit Steinen und Mörtel an die Arbeit. Im August desselben Jahres war der Bau beendet, gerade zur rechten Zeit, um unseren ersten Kongreß in Chile durchzuführen.

Beim öffentlichen Vortrag „Weltfriede — ist er von Bestand?“ waren 250 Personen anwesend. Der Vortrag wurde von vier Radiostationen ausgestrahlt, von denen zwei die Programme der Gesellschaft noch bis zum Jahresende sendeten.

MISSIONARE UND EIN ZWEIGBÜRO

Die ersten in Gilead geschulten Missionare trafen 1945 in Chile ein. Es waren Joseph Ferrari und Albert Mann. Zu der Zeit gab es nur 65 Verkündiger in Chile.

Die Gesellschaft hatte einen Kongreß geplant, bei dem das erstemal der Präsident und der Vizepräsident der Watch Tower Society, nämlich N. H. Knorr und F. W. Franz, Chile einen Besuch abstatten sollten. Der öffentliche Vortrag „Eine Welt, eine Regierung“ wurde am 25. März 1945 vor einer Zuhörerschaft von 340 Personen gehalten. Fünf Personen ließen sich auf diesem Kongreß taufen.

Während seines Besuches ordnete Bruder Knorr an, daß ein Zweigbüro eröffnet werden sollte, und Bruder Joseph Ferrari wurde zum Zweigaufseher ernannt. Bis zu dieser Zeit wurde das Werk vom argentinischen Zweig geleitet.

Außerdem wurde Schwester Palm gefragt, ob sie den Sonderpionierdienst aufnehmen wolle. Sie antwortete: „Ich werde es versuchen, Bruder Knorr.“ So wurde Schwester Palm Chiles erster Sonderpionier. Nachdem sie viele Jahre lang mit der Königreichsbotschaft ständig von Ort zu Ort gezogen war, sollte sie sich nun in Santiago niederlassen und lernen, wie man Heimbibelstudien durchführt. Das Buch Die Wahrheit wird euch frei machen war ins Spanische übersetzt worden, und zur Unterstützung des Werkes gab es eine Fragebroschüre.

BIBELSTUDIENTÄTIGKEIT

Kurz danach wurde Schwester Palm von einer Schwester eingeladen, mit ihr zu kommen und zu versuchen, ein Heimbibelstudium einzurichten. „Habe ich gezittert!“erinnert sich Schwester Palm. Stell dir das vor! Sie hatte mit Bezirksgouverneuren und anderen Personen in wichtigen Stellungen gesprochen, aber nun zitterte sie bei dem Gedanken, mit interessierten Personen ein Heimbibelstudium durchzuführen.

Sie fährt fort: „So machten wir uns auf den Weg, führten den Rückbesuch durch, ließen das Buch bei der Familie zurück und trafen Vereinbarungen für ein Heimbibelstudium. Die Kinder und auch die junge Mutter bereiteten sich sehr gut auf das Studium vor. Nur der Vater wollte nicht am Studium teilnehmen. Und so geschah es, daß die erste Person, mit der ich die Bibel studierte, in die Wahrheit kam. Die Kinder wuchsen heran und gaben sich Jehova ebenfalls hin.

Als ich meine Angst vor der Heimbibelstudientätigkeit verloren hatte, fand ich heraus, daß man viel mehr Studien einrichten konnte, als zu bewältigen waren. Denn wir waren unterwiesen worden, nur die Hälfte unserer Zeit auf die Bibelstudientätigkeit zu verwenden. Ich finde mehr Gefallen an diesem Dienst als an irgendeiner anderen Art des Zeugnisgebens.“ Ja, von der Furcht zur Freude, das ist Fortschritt mit Jehovas vorandrängender Organisation!

WEITERE MISSIONARE TREFFEN EIN

Gegen Ende des Jahres 1945 trafen zehn weitere Missionare ein: Louise und Frances Stubbs, Stella Burton, Stephania Payne, Elsa Sutton, John und Louise Baxter, Clara Giza, Lydia Walther und Lola Buntain. Für sie war alles neu: die Sprache, die Bräuche sowie die Gewohnheiten der Menschen. Doch sie stellten fest, daß fleißige Bemühungen ihnen halfen, sich mit den Menschen zu verständigen, die den Neuankömmlingen beim Erlernen der Sprache geduldig und freundlich zur Seite standen.

Diese Gruppe von Missionaren hatte das Vorrecht, in das erste Missionarheim in der Lyon Street 3004 in Santiago einzuziehen. Das Zweigbüro war ebenfalls in diesem Haus untergebracht. Da sich die erste Versammlung im entgegengesetzten Stadtteil befand, wurde beschlossen, durch die Zusammenlegung des Wohn- und des Eßzimmers Raum zu schaffen und eine neue Versammlung zu gründen. So wurde im Jahre 1946 in Santiago, dieser Metropole mit seinen 1 500 000 Einwohnern, eine zweite Versammlung gegründet.

ERSTER KREISAUFSEHER

Im Juli 1946 wurde Bruder Albert Mann, einer der ersten Missionare, die nach Chile kamen, zum ersten Kreisaufseher des Landes ernannt. Es gab nur neun Versammlungen mit insgesamt 93 Verkündigern in Chillán, Concepción, Rancagua, Melipilla, Illapel und Santiago. Bruder Manns Beispiel des Glaubens und der Hingabe war für Jung und Alt ein wunderbarer Ansporn.

Zu Beginn seiner Tätigkeit als Kreisaufseher war es schwer, in den kleinen Versammlungen Unterkunft zu finden. Dies bedeutete, im Hotel zu übernachten. Manchmal blieb es nur bei dem Versuch zu schlafen, denn der Lärm aus der Bar oder dem Gesellschaftsraum hielt die ganze Nacht an. In jeder Versammlung wurden zwei Wochen verbracht, um den Brüdern im Hinblick auf die Organisation Unterweisung zu erteilen. Aber in erster Linie sollten sie als Verkündiger der „guten Botschaft“ für den Predigtdienst geschult werden.

MISSIONARTÄTIGKEIT IN VALPARAISO

Im November 1946 trafen neun neue Missionare ein. In der Hafenstadt Valparaiso wurde dann ein Missionarheim eröffnet, und so begann das Zeugniswerk in Chiles zweitgrößter Stadt, die auf 41 Hügeln erbaut wurde, die sich in einer halbmondförmigen Bucht aneinanderreihen. Obwohl die 16 Drahtseilbahnen auf den verschiedenen Hügeln eine Hilfe sind, war es doch sehr anstrengend, die Hügel zu erklimmen, um mit den Menschen zu sprechen.

Eine der ersten Personen, die in Valparaiso günstig auf die Wahrheit reagierten, war Aida Guzmán. Sie besuchte die Zusammenkünfte, die 1948 im Wohnzimmer des Missionarheims durchgeführt wurden. Auch erinnert sie sich noch daran, daß wegen Mangels an Stühlen volle Literaturkartons im Raum verteilt wurden, über die man dann Holzbretter legte, um sie als Bänke zu benutzen.

Unterdessen waren die Missionare fleißig tätig. Schwester Elsa Sutton, die später Hollis Smith heiratete, fand einen jungen Mann, der ein Bibelstudium wünschte. Diesem jungen Mann, Alberto Muñoz, wurde von seiten seiner Mutter Widerstand entgegengebracht, so daß das Studium in einem öffentlichen Park durchgeführt werden mußte. Er erzählte all das Gelernte seinen beiden jüngeren Schwestern und auch einem Nachbarn, Sergio González. Die Mädchen wiederum berichteten ihrer Mutter, was sie gelernt hatten. Infolge der liebevollen Beharrlichkeit der beiden Mädchen stimmte die Mutter schließlich einem Familienbibelstudium zu. Der Sohn und die beiden Mädchen traten in den Pionierdienst ein, und später wurden Graciela und Elena Muñoz zum Besuch der Gileadschule eingeladen. Der Nachbar, Sergio González, nahm die Wahrheit an und wurde einer der ersten Sonderpioniere in Chile.

Die von den Missionaren begonnene Tätigkeit in Valparaiso war im Laufe der Jahre zweifellos von Erfolg gekrönt, denn gegenwärtig gibt es dort neun Versammlungen.

AUSDEHNUNG IN DER HAUPTSTADT HÄLT AN

Im Jahre 1946 wurden vier Missionare nach Santiago geschickt: Larry und Margaret Laing, Dorothea Smith und Dora Ward. Wie bei allen neuen Missionaren, so gab es auch jetzt wieder in Verbindung mit dem Erlernen der neuen Sprache amüsante Vorfälle. Eines Tages ging ein Missionar in eine Metzgerei, um ein Pfund pulpa oder Fleisch zu kaufen. Der Metzger und andere im Laden brachen in herzhaftes Lachen aus, als der Missionar um ein Pfund pulpo oder Krake bat.

Im Jahre 1948 nahm ein elfjähriges Mädchen die Wahrheit an. Diese Kleine, Gladys Ramírez, diente als Ferienpionier und freute sich, von den Missionaren geschult zu werden. Sie träumte von dem Tag, an dem sie ebenfalls ein Missionar sein konnte, und so begann sie, Englisch zu lernen. Etwa zehn Jahre später erfüllte sich ihr Traum, denn sie wurde eingeladen, die Gileadschule zu besuchen, die sie im Jahre 1958 absolvierte. Sie ist Jehova immer noch treu ergeben und dient als allgemeiner Pionier in Valparaiso.

Was wurde inzwischen aus unserer lieben Schwester Palm? Ihr war als Sonderpionier der Norden von Santiago zugeteilt worden. Aufgrund der fleißigen Arbeit der Brüder wurde im Jahre 1948 in Santiago die dritte Versammlung gegründet. Ein Bruder stellte seine Garage zur Verfügung. Sie wurde gestrichen und renoviert und diente dann als Königreichssaal. Die Versammlung Independencia ist gewachsen und wurde viele Male geteilt; tatsächlich gibt es in jenem Teil der Stadt jetzt 12 Versammlungen und 79 in ganz Santiago. Nach Gründung der Versammlung Independencia kehrte Schwester Palm in die ursprüngliche Versammlung Quinta Normal zurück. Aber sie hatte, wie sie berichtet, immer noch ein Verlangen danach, neue Gebiete für das Werk zu erschließen. Ihre folgenden Bemerkungen beweisen dies:

„Jeden Montag nahm ich mir frei [um auszuruhen? Nein] und fuhr aus der Stadt hinaus, denn mir fehlte die Zeugnistätigkeit auf dem Land. Ich fuhr mit dem Bus bis zur Endstelle, um dann die kleinen Obst- und Gemüsefarmen rund um Santiago zu bearbeiten. Spätabends kam ich zurück, und am Dienstag ging es im Stadtgebiet mit den Studien weiter. An solchen Montagen verbreitete ich viele Zeitschriften, Bücher und Broschüren, so viele ich tragen konnte, und gewöhnlich kehrte ich mit meiner Büchertasche und einer zusätzlichen Einkaufstasche, gefüllt mit Obst und Gemüse, nach Hause zurück.

Manchmal kam ich auch mit Hühnern nach Hause, und Schwester Traub freute sich immer, wenn sich die Zahl der Hühner im Hühnerhaus erhöhte. Einmal brachte ich ein Ferkel mit, und darüber war sie besonders froh. Warum? Nun, der internationale Kongreß, der 1953 in New York stattfinden sollte, war angekündigt worden, und Bruder Traub wollte ihn gern besuchen. So konnte dieses Ferkel wachsen, gemästet und dann verkauft werden, um die Reisekosten decken zu helfen. Außerdem kaufte Schwester Traub eine ganze Anzahl Küken, um sie aufzuziehen und zu verkaufen.

Einige Wochen später kam Schwester Traub mit einem besorgten Gesichtsausdruck früh am Morgen in mein Zimmer. Was war geschehen? Sie hatte etliche der herangewachsenen Küken tot aufgefunden — Geflügelpest! An den folgenden zwei oder drei Tagen kam sie erneut zu mir, um mir zu erzählen, wie viele in der Nacht verendet waren. Die Zeit bis zur Reise nach New York war viel zu kurz, um noch einmal Küken aufzuziehen. Was konnten wir nun tun, um unserem Bruder, dem ältesten Zeugen in Chile, die Reise zum Kongreß zu ermöglichen? Schwester Traub sagte zu mir: ,Warum schreibst du nicht einen Brief an Bruder Knorr und berichtest ihm alles?‘ Das tat ich. Daraufhin wurde Bruder Traub ins Zweigbüro gebeten und gefragt, wieviel ihm denn an der Reise fehle. Jehova machte die Reise möglich, und welche Freude war es für ihn, uns nach seiner Rückkehr alles zu erzählen!“

EIN RICHTER LERNT DIE WAHRHEIT KENNEN

Unterdessen dehnte sich das Werk aus, und mehr und mehr Menschen wurden mit der Königreichsbotschaft erreicht. Der Missionar John Baxter traf 1946 — nur wenige Monate nach seiner Ankunft — den Richter Daniel González, der als Präsident des Berufungsgerichts in Santiago tätig war. Ein Studium wurde eingerichtet, und dieser Mann begann, die Zusammenkünfte zu besuchen. Er war eine große Hilfe, Stätten zu finden, an denen Kongresse stattfinden konnten, wie z. B. die Juristische Fakultät der Universität von Chile und andere Lehranstalten.

Im Jahre 1953 erkrankte Richter González an einer Gehirnblutung, und für etliche Wochen war er über große Zeiträume hinweg bewußtlos. Er gab seiner Frau unmißverständliche Anweisungen, daß kein Priester ihn besuchen dürfe, nur Jehovas Zeugen waren willkommen. Selbst dem prominenten chilenischen Kardinal José María Caro Rodriguez wurde ein Besuch versagt. Als er starb, bat Frau González darum, daß ein Zeuge Jehovas die Beerdigungsansprache halte. Über 600 Personen waren bei der Beerdigung anwesend, unter ihnen der Justizminister, Glieder des Kabinetts, verschiedene Glieder des Kongresses sowie der Präsident des obersten Gerichts. Nachdem einige dieser hohen Persönlichkeiten sich geäußert hatten, hielt einer unserer Missionare eine Ansprache, betitelt „Die Hoffnung unseres Freundes, des Richters González“. Er erklärte die wundervolle Hoffnung der Auferstehung, die Richter González gehegt hatte. Diesen hohen Beamten der Regierung wurde ein ausgezeichnetes Zeugnis gegeben, und viele sprachen nach der Ansprache mit dem Redner, indem sie ihre Wertschätzung für das Gehörte zum Ausdruck brachten.

VERÄNDERUNGEN IM ZWEIGBÜRO

Im Jahre 1949 war es Bruder Ferrari aus gesundheitlichen Gründen nicht länger möglich, seinen Dienst als Zweigaufseher zu versehen, und so wurde er eingeladen, das Werk in Concepción zu unterstützen. Bruder Albert Mann nahm sich der Arbeit im Zweigbüro an und füllte diesen Platz 10 Jahre lang aus. Er wurde angewiesen, nach einem neuen Gebäude für das Zweigbüro und Missionarheim in der Nähe des Stadtzentrums Ausschau zu halten. In der Moneda Street 2390, nur wenige Blocks vom sehr belebten Zentrum Santiagos entfernt, fand man das Gewünschte.

WEITERE ARBEITER TREFFEN EIN

Im Jahre 1949 waren 25 Missionare in Chile tätig. Das Resultat ihrer Arbeit spiegelte sich in den 211 Verkündigern des Landes wieder. Das war eine schöne Zunahme im Vergleich zu den 65 Verkündigern im Jahre 1945, als die ersten Missionare eingetroffen waren. Aber auf einen Zeugen Jehovas kamen immer noch 20 000 Personen, ein klarer Hinweis, daß Hilfe dringend benötigt wurde. Die wichtige Frage im Sinn der Brüder war nicht: „Wann wird Harmagedon kommen?“, sondern: „Wie schaffen wir es, die ,gute Botschaft‘ allen Menschen zu predigen, bevor das Ende kommt?“

Hilfe stand in Aussicht: Ende des Jahres trafen 20 neue Missionare ein, die die 13. Klasse Gileads absolviert hatten, und sie trugen tatsächlich zu einem wunderbaren Aufschwung bei. Sechs Brüder, und zwar John und Harry Williams, Charles Corey, Raymond Tubbs, Daniel Davidson und Boyd Collins, wurden für das Werk in der Stadt Temuco bestimmt. Als sie in Temuco ankamen, gab es nicht einen Zeugen, aber im August 1950 existierte dort eine Versammlung mit 30 Verkündigern. Eine zweite Gruppe von Brüdern erhielt ihre Zuteilung für die nicht gerade sanft ansteigenden Hügel von Valparaiso. Es handelte sich um Harold Jackson, Dewaine Graber, Robert Knight und George Wilkes.

PRIESTER LEISTEN WIDERSTAND, ABER VERLIEREN AN EINFLUSS

In jenen Tagen wurde noch allgemein geglaubt, daß die Bibel ein protestantisches Buch und somit für Katholiken verboten sei. Die erste Bibel, die einer der Missionare in jenem Land bei einem freundlichen Wohnungsinhaber zurückließ, wurde später von einem Priester vor den Augen der Leute zerrissen.

An einigen Türen löste die bloße Erwähnung des Wortes „Bibel“ die Antwort aus: „Wir sind römisch-katholisch“, und blitzschnell war die Tür zu. So benutzten wir den Ausdruck „Heilige Schrift“, der den Leuten vom Religionsunterricht her vertrauter war, bis genug Interesse vorhanden war und wir erklären konnten, daß es sich hier nur um einen anderen Ausdruck für die Bibel handelte.

Die katholische Kirche hatte in Chile ein neues Meßbuch, Oremus genannt, weit verbreitet. Darin befand sich ein kleiner Absatz, der besagte, daß die Bibel ein katholisches Buch sei und von allen Gläubigen gelesen werden sollte. Sehr wenigen Personen fiel dies auf. Wenn also irgend jemand die Bibel ablehnte, fragten wir schnell: „Aber haben Sie nicht den Oremus gelesen?“ „O ja!“ antworteten sie. „Dann lassen Sie uns doch mal nachschauen, was auf Seite 21 steht.“ Diese Methode öffnete vielen Personen die Augen, und so blieb die Tür offen.

Die römisch-katholische Kirche in Chile ist eigentlich nie gewalttätig gegen unser Werk vorgegangen, wie sie es in anderen Ländern getan hat. Broschüren und sogar ein Buch wurden gegen uns veröffentlicht; Lautsprecher wurden eingesetzt, aber die Kirche hat die Leute nie zu aufrührerischen Handlungen gegen uns angestachelt. Wenn sie gegen uns gesprochen hat, kam es wie ein Bumerang auf sie zurück, denn der Chilene ist ein geduldiger und freundlicher Mensch, der die Religionsfreiheit schätzt. Wegen des Verhaltens der Priester haben wenige Respekt vor dem, was sie sagen. Das ist daran zu erkennen, daß die Menschen oft zu uns sagen: „Ich bin katholisch, aber ich glaube nicht an die Priester“ oder: „Ich bin ein Katholik, aber auf meine eigene Weise.“ Diese Menschen unterhalten sich gern mit uns über die Bibel, aber wegen Zeitmangels kann man nicht alle Studien, die möglich wären, durchführen.

WACHSTUM IM GEBIET VON CONCEPCIÓN

Von den neun Missionaren, die 1946 eintrafen, wurden fünf in den Süden nach Concepción geschickt: Robert und Vora Hannan, Dorothy Brehmer, Willie Brown und Joan Brown. Joan wurde ernstlich krank und kehrte in die Vereinigten Staaten zurück, wo sie 1950 starb. Aber an ihr Beispiel der Treue erinnern sich viele Personen, mit denen sie die Bibel studiert hatte.

Daß sich das Werk im Gebiet von Concepción auszudehnen begann, war größtenteils den vorandrängenden Missionaren zu verdanken. Im Jahre 1949 traf Vora Hannan im Haus-zu-Haus-Dienst Armando Badilla, der erfreut das Buch Die Wahrheit wird euch frei machen entgegennahm. Er erzählte seinen Arbeitskollegen, was er beim Bibelstudium lernte. Schon bald hatte Schwester Hannan zwei weitere Studien. Aus den Studien mit diesen wenigen Personen gingen später sieben Verkündiger hervor, von denen drei Sonderpioniere wurden. Bruder Badilla machte gute Fortschritte und wurde zum Versammlungsdiener ernannt und dient heute als Ältester in einer der drei Versammlungen in Concepción.

Die Missionartätigkeit bringt viele Freuden, aber auch viele Probleme mit sich. Schwester Hannan zog sich zum Beispiel eine Milzinfektion zu; später kam hohes Fieber dazu. Aus diesem Grunde konnte sie einen Rückbesuch bei einer deutschen Dame, die einige Jahre zuvor aus dem vom Nationalsozialismus beherrschten Deutschland geflohen war, nicht durchführen. Von Bruder Hannan über den Gesundheitszustand seiner Frau unterrichtet, besuchte die deutsche Dame unverzüglich Schwester Hannan, denn sie mußte unwillkürlich an die ersten Tage ihres Auslandsaufenthaltes denken und daran, wie es ihr ergangen war. Sie bot Schwester Hannan an, sich von ihrem Arzt behandeln zu lassen, den sie ihr schicken wollte. Mit der Hilfe dieser Dame verbrachte Schwester Hannan zwei Monate in einem Privatzimmer des Kreiskrankenhauses, wo sie von einem der Chefärzte, ohne einen Pfennig zu bezahlen, behandelt wurde. Durch die Krankheit verlor sie ihr Gehör und mußte, was das Predigtwerk betraf, von vorn beginnen. Die Geduld und Freundlichkeit der Chilenen waren ihr eine große Hilfe, mit ihrer Behinderung fertig zu werden.

Nachdem Sergio González als Sonderpionier eine Zeitlang in Concepción tätig gewesen war, bekam er die Zuteilung, in der Minenstadt Coronel zu arbeiten. Dort fand er aufrichtige Minenarbeiter, die schnell den Unterschied zwischen den Lehren evangelischer Gruppen und den exakten Lehren der Zeugen Jehovas erkannten. Er ermunterte sie, die Zusammenkünfte in der 27 km entfernt gelegenen Stadt Concepción zu besuchen, wenn ihre Schichtarbeit es erlaubte. Diese Männer mußten für den Lebensunterhalt ihrer Familie hart kämpfen, indem sie unter schwierigen Umständen arbeiteten. Sie mußten zum Beispiel etliche Kilometer unter dem Meeresboden fahren, um an die Stelle zu gelangen, wo die Kohle abgebaut wurde. Trotzdem es ihnen an den Gütern dieser Welt mangelte, waren sie bereit, viele Opfer für das Königreichswerk zu bringen. Als 1954 die Versammlung in Coronel gegründet wurde, zahlten die sechs Brüder von ihren dürftigen Einkünften die Miete für den Königreichssaal, Und sie taten es gern.

GERICHTSFALL LIEFERT GRUNDLAGE FÜR KÜNFTIGE AUSDEHNUNG

Im Jahre 1952 betrug die Gesamtzahl der Verkündiger 831, und es gab 15 Versammlungen im Land. Aufgrund der zunehmenden Tätigkeit machte sich von seiten der Adventisten des Siebenten Tages Widerstand bemerkbar. Die Adventisten verbreiteten ihre Zeitschrift El Atalaya, und wir verbreiteten die Zeitschrift La Atalaya, und sie beanstandeten, daß der Titel unserer Zeitschrift dem der ihrigen ähnlich sei. Da ihre Religionsgemeinschaft in Chile eingetragen war, glaubten sie, daß sie das Recht hätten, die Verbreitung unserer Zeitschrift zu unterbinden. Der folgende Auszug stammt aus einem Brief, den Bruder Knorr am 7. Februar 1952 an einen Vertreter ihrer Organisation geschrieben hat:

„Als Sie mich hier in Brooklyn, Columbia Heights 124 besuchten, sagte ich Ihnen, daß ,La Atalaya‘ in Brooklyn gedruckt wird und in der spanischen Sprache weltweit in allen spanischsprachigen Ländern verbreitet wird. Diese Zeitschrift ist überall in der Welt unter spanisch sprechenden Personen als eine Publikation der Watch Tower Society bekannt geworden. Der Titel Ihrer Zeitschrift hat eine ganz andere Bedeutung. Ihre Zeitschrift ,El Atalaya‘ bedeutet ,Der Wächter‘. Der Titel unserer Zeitschrift, ‚La Atalaya‘, bedeutet ,Der Wachtturm‘. Sicherlich besteht ein großer Unterschied zwischen einem Menschen und einem Bauwerk aus Stein. Ich kann nicht verstehen, wie man sie verwechseln kann. Es ist nicht unser Fehler, daß die spanischen Wörter sich so gleichen; aber auf keinen Fall haben sie dieselbe Bedeutung.

Unsere Gesellschaft hat nicht die Absicht, den Namen der spanischen Zeitschrift zu ändern. Es handelt sich um eine amerikanische Publikation, und sie kann in irgendeinen Teil der Welt gesandt oder irgendwo in Südamerika verbreitet werden. Wie ich mich erinnere, sagten Sie in unserer Unterhaltung, daß Sie in Mexiko und in anderen Ländern verschiedene Namen für Ihre Zeitschrift benutzen. Warum verwenden Sie denn nicht überall auf der Welt einen einheitlichen Titel für Ihre Zeitschrift, wenn die Sache so irreführend ist? Natürlich steht es mir nicht zu, eine Änderung des Titels Ihrer Zeitschrift vorzuschlagen. Sie haben das Recht, irgendeinen von Ihnen gewünschten Titel zu benutzen, und Sie haben den Titel ,El Atalaya‘, ,Der Wächter‘ — ein Mensch, gewählt. ,La Atalaya‘, ,Der Wachtturm‘, ist ein Bauwerk aus Stein. Sicherlich werden spanisch sprechende Personen diese beiden Begriffe nicht verwechseln. Außerdem unterscheiden sich die beiden Zeitschriften in ihrer Aufmachung völlig voneinander. Ich glaube, daß spanisch sprechende Personen genug Unterscheidungsvermögen aufbringen, um den Unterschied zwischen diesen beiden Titeln zu erkennen.“

Trotz dieser Argumentation drängten die Adventisten auf einen gerichtlichen Entscheid. Die gerichtliche Entscheidung am 10. März 1953 zeigte, daß die Richter weit mehr als den Unterschied des Namens berücksichtigten. Es wurde die Ansicht vertreten, daß unsere Zeitschrift durch den Untertitel „als Verkünder von Jehovas Königreich“ ein unterscheidendes Merkmal aufwies. So entschied das Gericht, daß offensichtlich kein Betrug gegen die Adventisten vorlag und ihre Rechte nicht verletzt worden waren. Sie legten Berufung bei einem höheren Gericht ein, und nach Überprüfung des Falles stellte das Gericht fest, daß unsere Zeitschrift La Atalaya viel älter war als die Zeitschrift der Adventisten. Deshalb hielt das Berufungsgericht die Entscheidung des Strafgerichts aufrecht, und wir hatten mit unserem wichtigsten Bibelstudienhilfsmittel einen klaren Sieg errungen.

FREUDIGE AUSDEHNUNG

Ende 1953 besuchte Bruder Knorr einen Bezirkskongreß in Chile. Er traf auch Vorbereitungen, das Gebäude an der Moneda Street 1710 zu erwerben, das im Jahre 1951 gemietet worden war und als Zweigbüro und Missionarheim diente. Außerdem wurde beschlossen, Missionare in die weiter entfernt liegenden Gebiete des Landes zu senden, damit auch dieser Teil für die Predigttätigkeit erschlossen würde. Viel Wert wurde auch auf das Sonderpionierwerk gelegt, um mehr einheimischen Brüdern das Vorrecht zu gewähren, in entlegenen Orten und Städten zu dienen.

Schwester Käthe Palm wurde eingeladen, wieder aufs Land zu ziehen, und so wurde ihr San Antonio zugeteilt. In diesem schönen Gebiet entlang der Küste, wo die Urlauber sich im Sommer an den Sandstränden erholten und das Hotelleben genossen, war es leicht, viele Zeitschriften zu verbreiten. Mit Hilfe zweier Pionierschwestern, Olga Chiffelle und Gladys Ramírez, wurde im Jahre 1956 in San Antonio eine Versammlung gegründet. Das Zweigbüro verfügte über viele Kartons mit Literatur in verschiedenen Sprachen, und da San Antonio eine Hafenstadt war, wurde Schwester Palm gebeten, Schiffspersonal ausfindig zu machen, das diese Sprachen lesen konnte. Sie erhielt einen Ausweis von den Hafenbehörden und beteiligte sich an diesem besonderen Dienstzweig bis zum Ende des Jahres 1959.

Wie freuten sich doch die Verkündiger im ganzen Land, als 1954 verkündet wurde, daß die lang erwartete Zahl von 1 000 Verkündigern erreicht war! Eine Höchstzahl von 1 018 hatte sich am Predigtdienst beteiligt.

ENDLICH — DIE BOTSCHAFT ERREICHT DIE SPITZE SÜDAMERIKAS!

Man schrieb das Jahr 1956, als erstmals sechs Missionare nach Punta Arenas gesandt wurden, in eine Stadt, die damals 40 000 Einwohner hatte und an der Magellanstraße liegt. Schwester Stella Semczyszyn, die zu der ersten Gruppe gehörte, erzählte folgendes: „Wir kamen im Juni 1956 dort an. Es hatte gerade eine Überschwemmung gegeben, und das Wetter war kalt und feucht. Wir fanden viel Interesse an der Wahrheit vor und verbreiteten zwischen 60 und 70 Bücher im Monat Die meisten Menschen hatten niemals zuvor eine Bibel gesehen, denn das Lesen darin war von den Priestern verboten worden.

Am Anfang hatten wir ein kleines Haus mit fünf Zimmern und einem Extraraum für die Zusammenkünfte. Im März 1957 berichteten die ersten sieben Verkündiger. Nach etwas mehr als einem Jahr war die Gruppe, die mit uns zusammen arbeitete, auf 15 angewachsen, und im Oktober desselben Jahres benötigten wir ein größeres Missionarheim und einen größeren Raum für die Zusammenkünfte. Schließlich wurde auch der zu klein, und wir benutzten drei unserer Räume als Königreichssaal. Doch im Jahre 1967 mietete die Versammlung einen anderen Königreichssaal, denn die Mehrung war einfach hervorragend gewesen.“ Tatsächlich gibt es dort gegenwärtig zwei blühende Versammlungen mit über 200 Verkündigern, und sie benutzen abwechselnd ihren eigenen großen Königreichssaal.

Eine andere Stadt dieses südlichen Zipfels des Kontinents ist Puerto Natales. Es ist die Hauptstadt des Bezirkes, der „Ultima Esperanza“ oder „Letzte Hoffnung“ genannt wird. In diesem Teil des Landes gibt es große Schaffarmen, und in der Stadt wohnen Arbeiter, die in den Kohlenbergwerken an der chilenisch-argentinischen Grenze beschäftigt sind. Hier fegen stürmische Winde unaufhörlich über das Land. Die kaum mehr als ein Meter hoch gewachsenen Bäume neigen sich im Wind, der in der Sommerzeit, von September bis März, mit einer Geschwindigkeit von 95 km/st dahinrast. Die Pflanzen scheinen sich an den Erdboden zu klammern. Es ist ein Land, in dem man sich sehr verlassen vorkommen kann.

Die Königreichsverkündiger jedoch trotzen dem Wind und fahren fort zu predigen. Hin und wieder wurden im Laufe der Jahre Missionare oder Sonderpioniere in das Gebiet gesandt, um die Versammlung zu stärken. Ursprünglich hatte Schwester Palm zu Beginn der 40er Jahre den Samen der Wahrheit hier ausgestreut, und wir danken Jehova und den vielen Brüdern, die hart gearbeitet haben, denn heute gibt es hier eine Versammlung mit Pionieren aus den eigenen Reihen.

MIT DEN MISSIONAREN IN CALAMA

Im Jahre 1957 erhielten die Schwestern Daphne Crum, Olga Rodríguez und Louise und Frances Stubbs ihre Zuteilung im Norden des Landes. Obwohl es in der Stadt Calama nicht einen einzigen Zeugen gab, als sie eintrafen, waren doch 100 Personen bei der ersten Zusammenkunft im Missionarheim anwesend.

Während ihrer Tätigkeit in Calama wurde Schwester Louise Stubbs von Herrn Gallardo, einem Lehrer, der Abonnent der Zeitschrift Der Wachtturm war, eingeladen, den Religionsunterricht in der neueröffneten Schule zu übernehmen. Er sagte zu ihr:“Sie können Ihre eigenen Bücher benutzen und den Kurs so festlegen, wie es Ihnen gefällt. Wir möchten, daß die Schüler etwas über die Bibel kennenlernen.“ Sie begann den Schulkurs mit dem Buch Ausgerüstet für jedes gute Werk, und später benutzte sie das Buch Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies. Im Laufe der Zeit wollte der ortsansässige katholische Priester den Unterricht durchführen, aber Herr Gallardo sagte ihm, daß sie am Bibelunterricht interessiert seien und nicht an der katholischen Religion, und außerdem seien Jehovas Zeugen die einzigen, die befähigt seien, die Bibel zu lehren. Schwester Stubbs lehrte zwei Jahre, und dann übernahm Daphne Crum den Unterricht für ein Jahr. Diese Tätigkeit gereichte jenem Teil des Landes zu einem wunderbaren Zeugnis. Das war eine der Methoden, durch die das Predigtwerk in Calama befestigt wurde.

Schwester Olga Rodríguez gehörte auch zu dieser Gruppe von vier Missionaren, und die Art und Weise, wie sie vom Missionargeist angesteckt wurde, ist interessant. Ihre Mutter, Schwester Ana Rodríguez, berichtet: „Das Beste, was ich für meine Tochter tun konnte, war, in ihr den Missionargeist zu entwickeln. Ein Jahr nach ihrer Taufe trat sie in den allgemeinen Pionierdienst ein. Ich ermunterte sie, ordentlich zu sein, im Dienst auszuharren und nicht zu Hause zu bleiben, wenn es regnete oder wenn es sehr warm war oder wenn sie ein kleines Wehwehchen hatte. Ich versuchte ihr zu helfen, den Dienst für Gott wertzuschätzen und als das Wichtigste im Leben anzusehen.

Später kam die Einladung für den Sonderpionierdienst, und das bedeutete Trennung. Viele versuchten, Olga zu entmutigen, indem sie sagten, daß es ihre Pflicht sei, zu Hause zu bleiben und nach ihrer älteren Mutter zu sehen. Sogar einige Brüder vertraten diese Ansicht. Doch ich sagte zu ihr: ,Bist du mein einziges Kind? Habe ich nicht fünf weitere Kinder, die die gleiche Verantwortung haben? Denk an die Mütter der Missionare, die aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada und von Europa gekommen sind!‘ Durch diese Unterhaltung war sie sehr gestärkt worden. Sie diente nicht nur als Sonderpionier, sondern besuchte später die Gileadschule und war für mich eine Quelle der Freude und des Glücks.“

In der Stadt Calama und Umgebung waren die Menschen der Verehrung der Jungfrau von Ayquina sehr ergeben In der Wüste, etwa 95 km von Calama entfernt, hatte die katholische Kirche zu Ehren der Jungfrau einen Tempel erbaut, und die Menschen gingen dorthin, um ihr zu huldigen. Der höchste Feiertag wird mit besonderen Tänzen begangen. Jede Tanzgruppe hat einen Vortänzer, der sie nicht nur schult, gut zu tanzen, sondern auch stundenlang zu tanzen mit dem Ziel, die anderen zu übertrumpfen. Die Musik besteht aus einer einfachen Melodie, die, begleitet von den Schlägen einer Trommel, auf einem Blasinstrument gespielt wird. Jede Gruppe zeichnet sich durch ihre eigenen Kostüme aus, da gibt es chinesische, spanische, indianische, bolivianische usw. Dazu tragen die Tänzer groteske Karnevalsmasken.

Wenn der Feiertag herankommt, huldigen die Anhänger der Jungfrau, indem sie Gelübde bezahlen und Geldscheine an ihr Kleid heften. Unterdessen sind die Tänzer in ständiger Bewegung, und jede Gruppe versucht, die andere auszustechen. Wenn das Kleid der Jungfrau mit Geld bedeckt ist, wird es durch ein anderes ersetzt. Das Geld wird dann in Säcke eingesammelt, und der Bischof fährt damit in seinem Auto davon. Viele dieser ehemaligen Verehrer der Jungfrau sind nun Zeugen Jehovas, und sie zollen Ehre und Anbetung dem lebendigen und wahren Gott — nicht einer von Menschen gemachten Statue.

EINE ENTSCHLOSSENE SCHWESTER IN EINER BERGWERKSSTADT

Im Jahre 1957 hatte Schwester Evelyn MacFarlane das Vorrecht, mit dem Werk in der Bergwerksstadt Pedro de Valdivia zu beginnen. Bei ihrer Ankunft war es ihr nicht möglich, eine Wohnung oder ein Zimmer zu mieten. Anstatt entmutigt zu sein und wieder abzureisen, suchte sie eine Dame auf, die sie aus einer anderen Stadt kannte. Obwohl diese Frau nicht an der Wahrheit interessiert war, erlaubte sie Schwester MacFarlane, auf dem Fußboden ihres Hauses zu schlafen. Ihre Mahlzeiten kochte sie im Haus einer anderen Frau, die ebenfalls nicht an der Wahrheit interessiert war.

Im ersten Monat ihrer Tätigkeit begann Schwester MacFarlane zehn Heimbibelstudien in einer Straße. Sie versammelte alle lernbereiten Personen in der Wohnung von Interessierten, um ein Wachtturm-Studium durchzuführen. Später gelang es ihr mit Hilfe einiger Interessierter, die Arbeitergewerkschaftshalle für die Zusammenkünfte zu bekommen, so daß bald alle Zusammenkünfte abgehalten werden konnten. Die Neuen nahmen an Erkenntnis über Jehova und seine Vorsätze zu.

Schwester MacFarlane schrieb: „Ihr könnt Euch sicher meine Freude vorstellen, als mich, obwohl ich mit dem Werk erst im Mai begonnen hatte, am 25. Dezember desselben Jahres 25 Personen im Predigtdienst begleiteten!“ Kurz danach stellte die Bergwerksfirma Baumaterial und ein Grundstück zur Verfügung, so daß ein Königreichssaal gebaut werden konnte.

BRÜDER ÜBERNEHMEN DIE LAST DER VERANTWORTUNG

In jenen Tagen kam eine Reihe von Männern in die Wahrheit, die bei der Förderung der Königreichsinteressen in Chile eine beachtliche Rolle spielen sollten. Einige von ihnen waren Carlos Núñez, Osvaldo Bello, Willy Ramírez, Lucio Ríos und Manuel Wong. Diese Brüder, zu denen auch Ernesto Ots und Sergio Gonzáles gehörten, sind von einem Ende des Landes bis zum anderen bekannt geworden.

Im Jahre 1959 wurde Bruder Fred Wilson, ein Gileadabsolvent, Zweigaufseher in Chile. Er ersetzte Bruder Albert Mann, der fortfuhr, seinen Brüdern als reisender Aufseher zu dienen. Bruder Wilson hatte seine verheißungsvolle Karriere als Kernphysiker aufgegeben, um sein Leben Jehova hinzugeben und in den Pionierdienst einzutreten. Als Bruder Wilson Zweigaufseher wurde, gab es in Chile 56 Versammlungen mit einer Verkündigerhöchstzahl von 1879 Verkündigern.

EIN GEWALTIGES ERDBEBEN ERSCHÜTTERT CHILE

An das Jahr 1960 wird man sich in Chile noch lange erinnern, denn es war das Jahr der vier großen Erdbeben. Niemals werden die Überlebenden den Moment vergessen, als furchtbare Kräfte entfesselt wurden und die Erde für einige Minuten mit einer derartigen Wucht hin und her warfen, daß es unmöglich war, sich auf den Beinen zu halten Aber Jehovas Zeugen werden sich auch an die wunderbaren Beweise der Liebe und Einheit ihrer Brüder erinnern, die ihnen inmitten dieser Katastrophe widerfuhren.

Wenige Tage nach dem Erdbeben trafen Karten, Telegramme, Briefe mit Worten der Anteilnahme und Hilfsangebote aus allen Teilen der Welt im Zweigbüro ein. Mehrere tausend Dollar gingen ein, und zwar von der Gesellschaft in New York, von Versammlungen in Chile und von Einzelpersonen aus anderen Ländern. Außerdem sandte Brooklyn eine Tonne Kleidung, die unter den Bedürftigen verteilt wurde. Zusätzlich wurden Vorbereitungen getroffen, die Hilfsgüter unter den Familien der 500 erdbebengeschädigten Brüder gerecht zu verteilen.

Der Zweigaufseher, Fred Wilson, reiste zu den größten Städten, die vom Erdbeben betroffen wurden, und berichtete folgendes: „Zuerst machte ich in Concepción halt. Die Gebäude, die den größten Schaden davongetragen hatten, waren aus Stein und Lehm. Zahlreiche Holzhäuser waren von Brandmauern umgeben, die in vielen Fällen gegen die Häuser hin zusammenbrachen und die Holzwände zum Einsturz brachten, wodurch viele Menschen zu Tode kamen. Es wurde bekannt, daß nur eine der Mitverbundenen der Zeugen Jehovas umkam. Es war eine ältere Frau, die die Bibel studierte. Sie war gelähmt, und ihr Herz war der gewaltigen Erschütterung des zweiten Bebens, das etliche Minuten dauerte, nicht gewachsen.

Am nächsten Tag machte ich mich auf die einstündige Flugreise nach Süden in Richtung Valdivia, das durch das Erdbeben und die schreckliche Flutwelle bis zu 50 Prozent zerstört worden war. Ganze Häuserblocks waren dem Erdboden gleichgemacht worden, als hätte eine riesige Hand sie zu massiven Schutthaufen zusammengeschlagen.“

Esther Perkins, eine der Missionarinnen, die zu dieser Zeit in Valdivia wohnten, berichtete: „Wir waren gerade dabei, zum Wachtturm-Studium zu gehen, als wir ein starkes Beben spürten, und 15 Minuten später erschütterte eine lange Reihe von Erdstößen die Stadt. Häuser stürzten ein wie ein Kartenhaus. Von den 25 Häusern in unserer Straße blieben nur vier unversehrt, alle anderen wurden zerstört oder so beschädigt, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten.

Kurz vor dem großen Beben und der darauf folgenden Flutwelle hatte der Mann einer Interessierten mit seinen kleinen Mädchen eine Fahrt in seinem Ruderboot unternommen. Das Boot wurde auf den riesigen Kamm der Flutwelle getragen, die den Fluß heraufkam. Blitzschnell stieß er die beiden Kinder auf den Boden des Bootes und versuchte, es an Land zu bringen. Glücklicherweise warf die Welle sie ans Ufer. Sofort packte er die Kinder und rannte auf höher gelegenes Gelände. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die umkamen, konnte er seine Geschichte erzählen. Nicht einer der 26 Verkündiger der Versammlung verlor sein Leben; dafür dankten sie alle Jehova.“

Die beiden Missionarinnen Esther Perkins und Lorraine Selesky hätten die Möglichkeit gehabt, das verwüstete Gebiet zu verlassen und nach Santiago zu gehen. Aber sie wollten bleiben, um den Brüdern sowie den interessierten Personen in ihrer schwersten Zeit beizustehen. Die Mädchen verbrachten zwei Tage auf der Straße und zogen dann in die Garage des Missionarheimbesitzers. In diesem Zeitraum waren jeden Tag 200 bis 300 Beben zu spüren, was natürlich eine zusätzliche Nervenbelastung darstellte.

In diesen schrecklichen Tagen versuchten die Schwestern, die Personen ausfindig zu machen, mit denen sie die Bibel studierten. Aber an einigen Stellen waren nicht einmal die Überreste eines Hauses zu entdecken, und an anderen Orten sahen sie lediglich einen Haufen Trümmer. Manchmal fanden sie zwar das Haus, aber die Leute waren nicht da. Verschiedene Personen suchten die Missionarinnen auf, um ihnen Fragen zu stellen, und so wurde ein gutes Zeugnis gegeben. Der Besitzer des Missionarheims sagte den Schwestern: „Meine Frau und ich haben es sehr geschätzt, daß Sie in diesen schrecklichen Tagen unter uns waren. Es hatte den Anschein, daß Sie als einzige Ihre Ruhe bewahrten und nicht kopflos wurden. Das hat uns sehr geholfen.“

Am 22. Mai 1960 erlebte die Stadt Puerto Montt einen ruhigen, friedlichen Sonntagnachmittag. Die Leute unterhielten sich noch über das schreckliche Erdbeben und die vielen Toten in Concepción. Nichts dergleichen hatte sich jemals in Puerto Montt ereignet. Aber welch ein Irrtum es war, zu denken, es könne sie nicht ereilen. Zwei Minuten vor 3 Uhr waren die ersten Anzeichen eines starken Bebens zu spüren. 15 Minuten später fing es wieder an, aber dieses Mal konnten die Bewohner sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten. Häuser stürzten vor ihren Augen ein.

Die vier jungen Missionarschwestern sahen entsetzt zu, wie vor ihren Augen die Mauer ihres Hauses zur Straße hill einstürzte. In dem darauf folgenden Durcheinander fielen einige Steine Elena Muñoz, einer der Missionarinnen, auf den Fuß, und obwohl sie es gar nicht wahrnahm, hatte sie sich etliche Fußknochen gebrochen. Innerhalb einer halben Stunde trafen die Brüder der Versammlung ein, halfen den Mädchen, so gut es ging, und nahmen sie mit zu sich nach Hause. Inzwischen waren die Menschen zu den umliegenden Hügeln geflohen, während die Erdstöße die ganze Nacht lang anhielten.

GESETZLICHE KÖRPERSCHAFT GEGRÜNDET

Im Jahre 1960 wurden Schritte unternommen, eine gesetzliche Körperschaft der Gesellschaft in Chile zu gründen. Angesichts der im Lande bestehenden Verhältnisse war es das Vernünftigste, damit man Grundstücke für die Errichtung von Königreichssälen erwerben konnte. Am 29. September 1960 billigte das Justizministerium die Gründung der gesetzlichen Körperschaft, genannt „La Comunidad Religiosa Testigos de Jehová“ (Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas). Durch die chilenische Körperschaft genießt die Gesellschaft Steuerfreiheit und andere Vorteile, die allen eingetragenen Religionsorganisationen im Lande gewährt werden.

Beim Gedächtnismahl im Jahre 1960 wurde die hervorragende Zahl von 5 995 Anwesenden erreicht. Welch eine beachtliche Zunahme dies doch bedeutete, wenn man berücksichtigt, daß 15 Jahre zuvor die ersten Missionare eingetroffen waren und nur 103 Personen beim Gedächtnismahl gezählt wurden!

DIE INSEL CHILOÉ

Erst im Jahre 1963 wurden Sonderpioniere auf die Insel Chiloé gesandt, die direkt vor der Küste Südchiles liegt. Ihr werdet euch erinnern, daß Schwester Palm Anfang der 40er Jahre Chiloé besucht hatte. Schließlich war die Zeit gekommen, um dort ein gründliches Zeugnis zu geben. Schwester Evelyn MacFarlane, die zu dieser Zeit in Chile besser unter dem Namen Bunny Valenzuela bekannt war, und ihr Mann hatten das Vorrecht, dort als Sonderpioniere zu arbeiten. Die beiden suchten eifrig nach einer Bleibe, aber ohne Erfolg. Sie kamen zu dem Schluß, daß sie sich, wenn das Werk dort in Gang kommen sollte, ein kleines Haus bauen müßten. Da sie sehr wenig Geld hatten, kauften sie nur das Allernotwendigste und begannen zu bauen. Eine Zeitlang mußten sie in ihrer kleinen Wohnung auf Elektrizität, fließendes Wasser und sogar auf Fenster verzichten; aber sie hatten einen warmen Unterschlupf und vor allem einen Ort, der als Ausgangspunkt ihres Pionierdienstes diente.

In diesem Gebiet hatten sie es mit Aberglauben, Spiritismus und großer Voreingenommenheit zu tun; außerdem standen die Menschen unter dem Einfluß der katholischen Kirche. Jedoch machte sich Wachstum bemerkbar, und im ersten Jahr beteiligten sich sechs Personen mit ihnen am Predigtdienst. Eine Verkündigergruppe in abgelegenem Gebiet wurde organisiert. Seither sind auf dieser schönen Insel in Ancud, Castro und Linao Versammlungen gegründet worden.

KONGRESSE FÖRDERN DAS WACHSTUM

Im Jahre 1965 erfreute sich Jehovas Volk in Chile einiger hervorragender Zunahmen. Die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl stieg sprunghaft auf 9 522 an, und 21 Personen nahmen von den Symbolen. Unterdessen hatten die Verkündiger mit einer Höchstzahl von 3 758 eine schöne Mehrung zu verzeichnen, und es wurde offenbar, daß ein gewaltiges Werk zu verrichten war, denn die Königreichsverkündiger in 89 Versammlungen führten 3 917 Heimbibelstudien durch.

Chiles erster internationaler Kongreß in Santiago war für Januar 1967 geplant. Zu diesem internationalen Kongreß „Gottes Söhne der Freiheit“ kamen 300 Besucher aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada, Zentralamerika und von Europa, und die chilenischen Brüder begrüßten sie begeistert auf dem Flugplatz. Sänger und Tänzer in Nationaltrachten hießen die Besucher herzlich willkommen.

Der Kongreß fand in der neuen Radrennbahn statt. Einige Wochen vor dem Kongreß war sie noch nicht einmal fertiggestellt, und die Brüder leisteten ganze Arbeit bei einer gigantischen Reinigungsaktion, so daß alles zum Eröffnungstag des fünftägigen Kongresses, am Samstag, dem 7. Januar 1967, fertig war. Die Zahl der 441 getauften Personen war höher als alle Zahlen von Täuflingen in irgendeinem Jahr zuvor in der Geschichte des Werkes in diesem Land.

Die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift in Spanisch wurde auf dem Kongreß freigegeben, und die Brüder waren außer sich vor Freude. Ein Aufseher schrieb: „Jehova und seiner Organisation sei Dank für dieses wunderbare Hilfsmittel. Welch eine Freude, diese neue Bibel mit ihrer ausgezeichneten Konkordanz und dem Anhang von Texten usw. zu benutzen! Wir danken euch, Brüder!“ Niemals wurde eine Freigabe mit einer derart herzlichen Wertschätzung entgegengenommen.

Von diesem Zeitpunkt an bis 1980 hat das Zweigbüro 350 000 dieser Bibeln versandt — ein klares Anzeichen dafür, daß die chilenischen Brüder sie begeistert benutzen und viele Menschen antreffen, die sie lesen und studieren möchten.

Mit dem bedeutungsvollen Kongreß schien sich in Chile eine neue Ära in der Ausdehnung der Königreichsinteressen abzuzeichnen. Zum Beispiel leisteten die 5 805 Verkündiger im Jahre 1968 insgesamt 1 034 871 Stunden im Predigtdienst. Außerdem besuchten 15 405 Personen das Gedächtnismahl; das war fast das Dreifache der Verkündiger. Es gab nun 7 Kreise mit 103 Versammlungen; es war wirklich ein Jahr ausgezeichneter Tätigkeit.

Im Jahre 1968 wurde das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt auf dem Bezirkskongreß „Gute Botschaft für alle Nationen“ freigegeben. Die 11 369 Anwesenden auf den 5 Bezirkskongressen, die im ganzen Land abgehalten wurden, gingen ans Werk, und von der Freigabe des Buches an bis zum Ende des Dienstjahres 1980 haben die chilenischen Brüder mehr als 670 000 Exemplare verbreitet! Es ist fast unmöglich, dieses Buch im Zweigbüro vorrätig zu halten.

EIN NEUES ZWEIGBÜRO

Das Jahr 1968 erwies sich noch in anderer Hinsicht als bemerkenswert. Die Regierung benachrichtigte die Gesellschaft davon, daß das Grundstück, auf dem sich das Zweigbüro befand, enteignet würde, um dem Bau des neuen Panamerican Highways Platz zu machen. Im Dezember 1968 kam Bruder Knorr nach Santiago, um ein anderes Grundstück für die Errichtung eines neuen Zweigbüros auszuwählen. In einer ruhigen Wohngegend, nahe den hoch aufragenden Bergen der Anden, wurde ein schönes Gelände gefunden. Danach fand eine besondere Zusammenkunft statt. Die Kunde davon war in alle Teile des Landes gedrungen, so daß 4 083 Personen nach Santiago geströmt waren, um Bruder Knorr sprechen zu hören. Während seiner Ansprache gab er bekannt, daß der Bau eines neuen Zweigbüros geplant sei. Die Brüder nahmen diese Neuigkeit mit großer Begeisterung auf.

Anfang 1969 wurde bekannt, daß Bruder Fred Wilson, der Zweigaufseher, nach Brasilien versetzt werden sollte, um dort das gleiche Dienstvorrecht wahrzunehmen. Viele einheimische Brüder waren sehr traurig. Hunderte von ihnen gingen zum Flugplatz, um Bruder und Schwester Wilson Lebewohl zu sagen, denn nach 20 Jahren Missionardienst in Chile waren sie vielen Brüdern ans Herz gewachsen. Pedro Lovato, ein Gileadabsolvent aus Argentinien, war zum neuen Zweigaufseher ernannt worden.

Mit dem Bau des neuen Zweigbüros wurde im August 1969 begonnen. Die Gesellschaft war froh, daß sie den Großteil der Arbeit Brüdern übertragen konnte, so daß nur wenige Außenstehende mit dem Bau zu tun hatten. Insgesamt arbeiteten 35 Brüder an dem Gebäude. Außerdem wurden die Brüder der Versammlungen in Santiago eingeladen, ihre Zeit und ihre Fähigkeiten zur Förderung des Bauwerkes zur Verfügung zu stellen, worauf sie ausgezeichnet reagierten. Zum Beispiel mietete die Versammlung Cisterna einen Bus, der die Brüder auf das Baugelände brachte, wo die Schwestern eine Feldküche errichteten, um die Brüder mit einer guten Mahlzeit zu versorgen, so daß sie den ganzen Tag arbeiten konnten. Freiwillige Helfer arbeiteten insgesamt 3 124 Stunden an dem Gebäude.

Das Haus liegt 11 Meter von der Straße weg; es ist ein einstöckiges weißes Gebäude, zu dem ein breiter, mit Steinplatten belegter Zugang führt, der auf beiden Seiten von ausgedehnten Rasenflächen gesäumt wird. Die Fassade des Gebäudes besteht teilweise aus grünen Platten, die die strahlende Helligkeit des weißen Zements etwas dämpfen. Der Haupteingang wird von dunklem Marmor eingerahmt und bildet einen gefälligen Gegensatz zu den Aluminiumrahmen der Glastüren.

Bei der Bestimmungsübergabe des Gebäudes am 21. November 1970 waren 255 Personen anwesend. In seiner Einweihungsansprache zeigte der Zweigaufseher, Pedro Lovato, daß das Gebäude an sich nicht wichtig ist; vielmehr zählt in den Augen Jehovas der Zweck, zu dem Menschen das Gebäude benutzen. Der Bau verfügt über einen schönen, geräumigen Königreichssaal, ausreichend große Büros, die Versandabteilung sowie Wohnräume für 16 Personen.

ZEUGNISTÄTIGKEIT AUF SCHIFFEN IN VALPARAISO

Anfang 1960 wurde Schwester Palm von der Hafenstadt San Antonio nach Valparaiso, der wichtigsten Hafenstadt, versetzt. Morgens gab sie an Bord der Schiffe Zeugnis, und an den Nachmittagen beteiligte sie sich am gruppenweisen Zeugnisgeben von Haus zu Haus und führte Bibelstudien durch. Sie erinnert sich:

„Ich hatte etliche Kartons fremdsprachige Literatur von der Gesellschaft erhalten, darunter waren auch englische Bibeln. Ich fragte mich, wie ich diese verbreiten sollte Dann kam ein afrikanisches Schiff aus Ghana, dessen gesamte Mannschaft Ghanaer waren. Jedermann auf dem Schiff war begierig, eine englische Bibel zu erhalten. Außer Ewe und Ga sprachen alle Englisch, so daß ich dreimal Nachschub holen und sogar eine junge Schwester bitten mußte, mir zu helfen, 30 englische Bibeln an Bord zu tragen. Zusätzlich nahm ich vom Ersten Offizier Abonnements auf die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! auf. Welch einen Segen dies doch für sie und auch für mich bedeutete!“

Nachdem Schwester Palm 35 Jahre lang in vielen Teilen Chiles als Pionier tätig gewesen war, traf sie den ehemaligen 2. Offizier des Schiffes wieder, das sie im Jahre 1936 nach Chile gebracht hatte. Er war inzwischen ein Reeder geworden und freute sich, sie wiederzusehen, denn erst kurz zuvor hatte er an sie gedacht. Wieso? Warum? „Sein Schiff war in der Gegend von Puerto Montt unterwegs, und er benötigte einen Kapitän, einen Mann, dem er vertrauen konnte“, berichtete sie. „Es wurde einer gefunden, und als der Reeder nach den Empfehlungen des Mannes fragte, wurde ihm gesagt: ,Er ist ein Zeuge Jehovas.‘ Das sei die beste Empfehlung gewesen, die jemand haben könne, erklärte er. ,Käthe‘, fuhr er fort, ,wenn Ihre Arbeit in Chile für den Wachtturm in all den Jahren auch nichts weiter bewirkt hätte, so hat sie sich doch schon wegen dieses guten Mannes, den ich jetzt habe, gelohnt. Auf ihn als Zeugen Jehovas kann ich mich verlassen.‘ “ Man kann sich vorstellen, wie glücklich unsere Schwester war, als sie diese Worte hörte. Ja, ihr Herz war voller Dankbarkeit gegenüber Jehova.

Der spannende Bericht über diese dynamische Missionarin geht weiter. Sie ist nun 78 Jahre alt und zeichnet sich weiterhin durch eifrige theokratische Tätigkeit aus. Obwohl sie aufgrund einer Beinverletzung, die sie sich bei einem Sturz in den Hügeln Valparaisos zugezogen hatte, behindert ist, erreichte sie im Dienstjahr 1980 monatlich im Durchschnitt 132 Stunden, verbreitete 168 Zeitschriften und 24 Bücher. Sie führte 56 Rückbesuche und 5,6 Studien durch. Ihre erstaunliche Energie, gepaart mit unbesiegbarem Glauben und Hingabe, sind für alle, die sie kennen und lieben, eine Quelle der Ermunterung. Welch ein Vorrecht den ersten Missionaren doch zuteil wurde, wenn es ihnen vergönnt war, in Chile zu bleiben, um zusammen mit den ersten Verkündigern die wunderbare, von Jehova so reich gesegnete Zunahme zu beobachten!

EINE MARXISTISCHE REGIERUNG KOMMT ZUR MACHT

Das Jahr 1970 begann ausgezeichnet, und zwar besuchten 19 850 Personen das Gedächtnismahl, und im April erreichten wir eine neue Verkündigerhöchstzahl von 7 422, zweimal so viele Verkündiger wie fünf Jahre zuvor.

Im September 1970 wurde mit der Wahl der Unidad Popular, einer Mischung verschiedener politischer Parteien, die Christlich-Demokratische Partei aus ihrer Machtposition verdrängt. Mit dem nationalistischen Ruf „Chile für die Chilenen“ verstaatlichte das neue marxistische Regime die großen Kupferminen, die zuvor von ausländischen Geldgebern verwaltet worden waren. Großgrundbesitzern wurden ihre Farmen weggenommen, die man dann armen Leuten übergab. Einige der Armen wurden ungeduldig und zwangen die Besitzer mit Waffengewalt, ihre Ländereien zu verlassen, und übernahmen dann den Besitz. In den Städten besetzten Leute widerrechtlich unbewohnte Grundstücke, hißten die chilenische Flagge und bauten dann kleine Häuser auf den Grundstücken.

Wie erwartet, leistete die wohlhabende Klasse dem marxistischen Regime erbitterten Widerstand; viele verließen das Land; andere spielten mit dem Gedanken, das gleiche zu tun. Große Anstrengungen wurden unternommen, um die Veränderungen aufzuhalten, was Gewalt und Blutvergießen zur Folge hatte.

Während sich auf politischem Gebiet gegensätzliche Lager herausbildeten, bewahrte Jehovas Volk eine neutrale Stellung. Wut und Zorn steigerten sich in gefährlichem Maße, und Haß und Furcht machten sich in dem einst so ruhigen Land bemerkbar. Doch in dieser turbulenten Zeit erfuhr das Werk, das Menschen zu Jehovas Königreich führt, einen weiteren Aufschwung. Zum Beispiel war im folgenden Jahr eine neue Höchstzahl von 22 918 Personen beim Gedächtnismahl anwesend, und die Verkündiger verzeichneten eine 13prozentige Zunahme, was einen Durchschnitt von 7 810 bedeutete.

DIE ARAUKANISCHEN INDIANER

Unter diesen zuvor erwähnten Verkündigern befanden sich auch einige neugetaufte araukanische Indianer. Die Araukaner waren angeblich die wildesten und tapfersten Kämpfer, die den spanischen Konquistadoren jemals begegnet waren. Spanische Historiker sagen, daß die Eroberung dieser Indianer mehr Zeit, Blut und Geld gekostet habe als die Eroberung des übrigen Südamerika. Erst nach 200 Jahren ständiger Kampftätigkeit waren die Spanier in der Lage, die araukanischen Häuptlinge und ihre Krieger zu unterjochen. Die Eroberungswaffen waren keine Feuerwaffen, sondern die Laster des weißen Mannes. Diese richteten die Indianer zugrunde, und völlig demoralisiert, verloren sie den Kampfeswillen.

Viele Tausende von Araukanern leben noch nach ihren eigenen sozialen Gesetzen in Reservaten, die ihnen die Regierung zur Verfügung gestellt hat. Ihr Aussehen gleicht dem der Eskimos, doch konnte ihre Herkunft nie zufriedenstellend nachgewiesen werden. Sie haben keine eigene Schrift, somit sind auch ihre religiösen Ansichten nicht sehr klar. Allgemein glauben sie an die Unsterblichkeit der Seele und an die Wiedergeburt. Interessanterweise verfügen sie über ihre eigene Legende einer weltweiten Flut, bei der einige wenige überlebten.

Eine Reihe dieser Personen passen ihr Leben den biblischen Maßstäben an und geben sich Jehova hin. Sie besuchen die Versammlung Temuco. Wir hoffen aufrichtig, daß diese neuen Brüder und Schwestern denselben zielstrebigen Geist und Mut wie ihre Vorväter beweisen — nicht im Kampf gegen Fleisch und Blut, sondern indem sie durch die Verkündigung der guten Botschaft vom Königreich Satan, dem Teufel, und seinen Dämonen den Kampf ansagen.

PREDIGEN DES KÖNIGREICHES INMITTEN POLITISCHER UNRUHEN

Die Wahl des marxistischen Regimes und die nachfolgenden Ereignisse lösten so etwas wie ein Erdbeben aus, was viele Menschen aufrüttelte und die Oberschicht im barrio alto, einem Stadtteil von Santiago, milder stimmte. Während viele der wirtschaftlich verarmten Leute zwecks Lösung ihrer Probleme zu Salvador Allende aufblickten, begannen sich zahllose aufrichtige Menschen am anderen Ende der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stufenleiter zu fragen, wie es um ihre Zukunft bestellt sei. Sie hatten hart gearbeitet und jahrelang Opfer gebracht, und nun war alles bedroht. Gab es etwas Besseres als materiellen Besitz, um eine sichere Zukunft zu gewährleisten? Zufriedenstellende Antworten lieferten die tatkräftigen Prediger der „guten Botschaft“.

Die Zunahme im barrio alto läßt sich wie folgt veranschaulichen. Im September 1971 gab es 6 Versammlungen, die ihr Gebiet in jenem Teil der Stadt hatten, und in jenem Monat waren 324 Verkündiger tätig. Gegenwärtig bestehen dort 11 Versammlungen, und kürzlich berichteten 990 Verkündiger — eine Zunahme von 206 Prozent!

Nicht nur wörtliche Beschuldigungen und politische Gewalttaten wurden zu etwas Alltäglichem, sondern lange Schlangen von Menschen, die nach Nahrungsmitteln anstanden. Viele Hausfrauen benötigten durchschnittlich drei Stunden am Tag, manchmal sogar bis zu sechs Stunden, um Brot und andere Nahrungsmittel für die Familie einzukaufen. Wie reagierten unsere Schwestern auf diese Umstände, die so viel Zeitverlust mit sich brachten?

Einige machten es sich zur Gewohnheit, Literatur mitzunehmen, die sie entweder selbst lasen oder beim informellen Zeugnisgeben verwandten. In einer häuserblocklangen Reihe klagte eine Dame darüber, daß so viel Zeit verlorengehe. Eine in der Nähe stehende Schwester bemerkte, daß der Mensch nicht in der Lage sei, seine Probleme zu lösen, und fuhr fort, die Königreichsbotschaft der Hoffnung mit der Dame zu besprechen. Da sie Interesse bekundete, traf die Schwester Vereinbarungen, sie in ihrer Wohnung zu besuchen, und schließlich wurde ein Studium begonnen. Nun ist diese Frau ein eifriger Verkündiger, und ihre Tochter ist allgemeiner Pionier.

Viele Schwestern, gut bekannt für ihre Predigttätigkeit und geachtet aufgrund ihres guten Benehmens, wurden von dem täglichen Schlangestehen verschont, weil freundliche Ladeninhaber sie wissen ließen, welche Artikel vorrätig waren und wann. Zahllose herzerfreuende Erfahrungen könnten über unsere Schwestern berichtet werden, die die schwierige Situation nutzten und Zeugnis vom Königreich gaben.

Das Jahr 1973 brachte eine galoppierende Inflation mit einer Rate bis zu 330 Prozent, lähmende Streiks, Nahrungsmittelknappheit und Gewalt. In den Jahren, bevor der sozialistische Kandidat zum Präsidenten gewählt wurde, war die Mehrung unter Jehovas Zeugen in Chile ziemlich schnell vorangegangen; die Zunahmen betrugen 20 Prozent, 16 Prozent und 17 Prozent. Nach der Wahl war die Zunahme nicht mehr so groß. Sie belief sich nur noch auf 13 Prozent, 9 Prozent und 6 Prozent. Wie bereits erwähnt, zeichnete sich jedoch in dieser Zeit im barrio alto Mehrung ab.

Auf der anderen Seite wurden viele der einfachen Leute von der Begeisterung der Unidad Popular mitgerissen, und ihre Aufmerksamkeit wurde vom Königreich Gottes weg auf die Bemühungen der Menschen gelenkt. Zahllose religiöse Führer ermunterten sie sogar dazu. Im April 1971 traten zum Beispiel 80 Priester für die „Beteiligung von Katholiken beim Aufbau des Sozialismus“ ein. Die religiösen Führer des Landes unterstützten die Politik der neuen Regierung. Einer von ihnen sagte: „Das Königreich, das wir erwarten, beginnt hier Gestalt anzunehmen, und einer seiner Grundpfeiler ist Gerechtigkeit.“ Sogar biblische Prophezeiungen aus dem Buche Jesaja wurden auf das neue politische Regime angewandt. Würden die Träume der Politiker aber in Erfüllung gehen?

EIN PLÖTZLICHER WANDEL

Die Antwort kam am 11. September 1973, als die bewaffneten Streitkräfte die marxistische Regierung stürzten. Für fast alle von uns, die wir nie zuvor in einem Kriegsgebiet gelebt hatten, bedeutete die Revolution ein ziemlich aufregendes Erlebnis. Viele Brüder waren frühmorgens ahnungslos zur Arbeit gegangen. Die Bethelfamilie war bei der Arbeit, und die Missionare schickten sich an, in den Predigtdienst zu gehen, als Hubschrauber fast direkt über das Zweigbüro hinwegflogen Als wir aufblickten, waren wir überrascht, schußbereite Maschinengewehre in den offenen Türen zu sehen. „Was ist los?“ rief jemand aus. Das Radio wurde eingeschaltet, und es wurde bekanntgegeben, daß die bewaffneten Streitkräfte die Macht übernehmen würden, um Jahre des Hasses und Kampfes unter Chilenen zu beenden. Jedermann wurde angewiesen, zu Hause zu bleiben und nicht auf die Straße zu gehen. Es gab einige schwere Kämpfe im Zentrum der Stadt und in den ärmeren Außengebieten Santiagos. Es versteht sich von selbst, daß die Missionare hier im Zweigbüro vorübergehend Bethelmitarbeiter wurden, bis sich die Lage beruhigt hatte. Und was war mit den Brüdern geschehen, die frühmorgens in die verschiedenen Fabriken gegangen waren?

Einige wurden festgenommen und mit verdächtigen Gruppen Linksgerichteter zum Verhör in das Nationalstadion von Santiago gebracht. Es erwies sich als ein Schutz, sich als einer von Jehovas Zeugen kenntlich zu machen, denn sie waren unter den ersten, die freigelassen wurden.

Es gibt Beweise dafür, daß Extremisten eine drastische Maßnahme geplant hatten, bevor das Militär die Macht übernahm. Unter denen, die vernichtet werden sollten, waren Jehovas Zeugen. Wenn das stimmt, haben wir Grund, Jehova für seinen wunderbaren Schutz zu danken!

In diesen spannungsreichen Tagen nach der Machtübernahme erwies sich unsere allgemein bekannte neutrale Haltung als ein Segen und Schutz. Als die Festnahme kommunistischer Aktivisten in Fabriken und Industriebetrieben bedenkliche Lücken hinterließ, wurden Zeugen oft in Schlüsselpositionen eingesetzt. Am Morgen des Staatsstreiches zum Beispiel suchten Soldaten die Wohnung eines Zeugen auf und fragten ihn, wie lange er brauchen würde, um die örtliche Ölraffinerie wieder in Betrieb zu setzen. Keinem anderen befähigten Mann war zu trauen!

Nachbarn berichteten von unverhofften Hausdurchsuchungen nach Feuerwaffen und dergleichen, die im Morgengrauen erfolgten. Oft wurden Häuser, von denen man wußte, daß sie von Zeugen Jehovas bewohnt wurden, einfach ausgelassen. Ein Soldat, der die Publikation Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt aus einem Bücherregal nahm, bemerkte: „Wenn jedermann das, was in diesem Buch geschrieben steht, lesen und praktizieren würde, wären diese Durchsuchungen überflüssig.“

INTERNATIONALER KONGRESS

Einige Monate danach waren die Menschen immer noch etwas gereizt, und gelegentlich wurden Gewaltausbrüche bekannt. Unter diesen Begleitumständen wurde der internationale Kongreß „Göttlicher Sieg“ geplant. Obwohl ein Vertrag für die Benutzung des Santa-Laura-Stadions in Santiago unterzeichnet worden war, fragte man sich, ob dieses Zusammenkommen erlaubt werden würde. Da im September der Belagerungszustand ausgerufen worden war, waren fast alle großen Veranstaltungen verboten. Ein solches Zusammenkommen in dieser Zeit würde praktisch einem Wunder gleichkommen. Aber die Hand Jehovas war nicht zu kurz! (Jes. 59:1).

Als der Zeitpunkt des Kongresses herannahte, nahm die Sorge zu. Dann, eine Woche vor dem Kongreß, erfuhren wir, daß die Erlaubnis verweigert worden war. Sofort begaben sich zwei Brüder in das Verteidigungsministerium, um zu erklären, daß Vorbereitungen für die Ankunft vieler ausländischer Delegierter getroffen worden waren und welch ungünstiger Eindruck entstehen würde, wenn dieser internationale Kongreß nicht stattfände. Ein Oberst unterbreitete das Problem seinem Vorgesetzten und kehrte mit der Antwort: „Erlaubnis gewährt!“ zurück. Unsere Gebete waren erhört worden!

Keiner der Brüder wollte den Kongreß, der Chiles größter werden sollte, versäumen. Um ihre Reise vom trockenen, kahlen Norden oder von der gletscherbedeckten Wildnis im Süden zu finanzieren, verkauften viele Zeugen ihre Möbel, Fernsehapparate, Plattenspieler usw.

Wie schon früher erwähnt, besteht Chile aus einem Küstenstreifen, der sich über 4 265 Kilometer entlang dem Pazifischen Ozean erstreckt. Mit dem Bus oder Zug zu fahren bedeutete eine lange Reise. Von Iquique in der Wüste Atacama kamen 1 300 Zeugen mit Kindern und Babys in einem Sonderzug, der aus acht Waggons bestand. Die Reise dauerte lange und war ermüdend, aber nach viereinhalb Tagen — eine lange Zeit ging es durch heißes Wüstengebiet — war die zermürbende Reise zu Ende, das heißt fast. Der Zug lief gerade ein, als die Abendausgangssperre begann, so daß die Brüder noch eine Nacht im Zug verbringen mußten!

Als die Brüder vom Empfangskomitee früher an diesem Tag zum Bahnhof gegangen waren, um die Kongreßteilnehmer abzuholen, wurde ihnen gesagt, daß der Zug Verspätung habe. Da sie wußten, daß dies für die Anreisenden bedeutete, eine zusätzliche Nacht im Zug verbringen zu müssen, sorgten sie dafür, daß Kaffee gekocht, Brote belegt, einige Kisten Obst gekauft und eine Anzahl Decken besorgt wurden. In jener Nacht meldeten sich 48 Brüder, um auf dem Bahnhof von Mapocho zu bleiben und die ankommenden Brüder zu versorgen. Dies geschah natürlich mit amtlicher Genehmigung der Militärbehörde, die am Bahnhof die Aufsicht hatte. Tatsächlich waren die Soldaten von den getroffenen Vorbereitungen so beeindruckt, daß sie sogar mithalfen. Wenn sonst ein Zug spät ankam, weigerten sich die aufsässigen Massen im allgemeinen, der Ausgangssperre nachzukommen, so daß die Soldaten gewöhnlich mit ihren Gewehren in die Luft schossen und dann die schimpfenden Menschen zwangen, für die Nacht wieder in die Eisenbahnwaggons zurückzukehren. Aber in diesem Fall, bei einem Zug voller Zeugen, war es nicht nötig, zu schreien oder eine Anweisung zu wiederholen. Ein Soldat bemerkte: „Jehovas Zeugen haben bewiesen, daß sie gutes Benehmen haben und ordentlich sind.“

Am nächsten Morgen, nachdem die Delegierten eine weitere Kaffeerunde hinter sich hatten, kamen die Brüder der Versammlungen Santiagos zum Bahnhof und brachten die Kongreßbesucher in ihre Unterkünfte. Wie dankbar waren die Delegierten doch für die liebende Güte und die Willigkeit der Brüder, die eine Nacht in dem kalten, dunklen Bahnhof mit ihnen ausgeharrt hatten! Das war wirklich ein ausgezeichnetes Beispiel aufopferungsvoller, tätiger Liebe.

Der lang ersehnte Tag kam, und die ausländischen Besucher, unter ihnen Bruder Knorr, trafen ein. Die Begeisterung war groß. Welch ein Ansporn es für die Brüder und für die Neuen war, als 1 502 ihre Hingabe an Jehova durch die Wassertaufe symbolisierten! Line Anwesendenzahl von 21 321 hatte es noch nie zuvor bei einem Kongreß gegeben. Wir danken Jehova, daß er uns die Türen öffnete und all dies ermöglichte.

ERNEUT SCHNELLES WACHSTUM

Die Ereignisse in Chile während des Jahres 1973 veranschaulichen den Gedanken aus Psalm 146:3, wo es heißt, daß wir unser Vertrauen nicht auf „den Sohn des Erdenmenschen, bei dem es keine Rettung gibt“, setzen sollten. Diejenigen, die ihr Vertrauen in den nun verstorbenen Präsidenten gesetzt hatten, wurden enttäuscht und hatten keine Hoffnung. Der Hilfe Jehovas und dem tatkräftigen Einsatz seines Volkes ist es zuzuschreiben, daß viele gerechtigkeitsliebende Menschen die Botschaft vom Königreich, der einzigen Hoffnung für die Menschheit, annahmen und Stellung für die wahre Anbetung bezogen.

Im Oktober 1973, nur einen Monat nach dem Regierungswechsel, überschritt Chile zum ersten Mal mit 10 119 Verkündigern die 10 000er Grenze. Dann kam unser internationaler Kongreß und mit ihm ein Impuls für künftige Mehrung; denn wir beendeten das Dienstjahr mit einer 22prozentigen Zunahme und einem Durchschnitt von 10 962 Verkündigern! Die Verkündigerhöchstzahl betrug 12 491, und 2 660 Personen hatten sich taufen lassen. Es waren 32 neue Versammlungen gegründet und 2 neue Kreise eingerichtet worden. Im folgenden Jahr nahm die Mehrung sogar noch zu — 30 Prozent, und durchschnittlich waren 14 220 Verkündiger im Predigtdienst tätig. Die Zahl der Neugetauften war erstaunlich — 3 842.

Die schnelle Zunahme und die günstigen Kommentare bezüglich unserer geschickt angekündigten Kongresse entgingen der Aufmerksamkeit unserer religiösen Feinde nicht, die daraufhin aktiver wurden. Sie begannen hinter den Kulissen zu arbeiten, indem sie ihr absonderliches Verhältnis zum Cäsar ausnutzten. Uns wurde vorgeworfen, von Kommunisten unterwandert zu sein, und bei mehr als einer Gelegenheit mußten wir beweisen, daß dies falsch war, und erklären, durch welch ein „Prüfungsverfahren“ jemand geht, bevor er getauft wird. Dies schien die Behörden zufriedenzustellen, und die Angelegenheit wurde offensichtlich als erledigt betrachtet — aber nicht vergessen.

Als Bruder Knorr uns anläßlich des internationalen Kongresses besucht hatte, hatte er uns grünes Licht für eine kleine Druckerei gegeben. Bis Januar 1975 erhielten wir Unseren Königreichsdienst und die Formulare der schriftlichen Wiederholung aus Argentinien. Aber aufgrund der schweren Schneefälle, die im Winter in den Anden niedergehen, erreichten sie uns des öfteren im Jahr zu spät. Jetzt hatten wir jedoch unsere eigene Druckerei und konnten die Brüder mit Formularen, Handzetteln, Programmen, Unserem Königreichsdienst und mit der schriftlichen Wiederholung bedienen.

KONGRESS IM NATIONALSTADION

Im Jahre 1949, als Bruder Knorr Chile anläßlich eines Kongresses besucht hatte, hatte Schwester Digna González spaßeshalber gefragt, warum wir nicht das Nationalstadion benutzten. Nun war zu ihrer großen Freude die Zeit dafür gekommen. Im Januar 1976 hatten wir das Vorrecht, das Stadion für den Bezirkskongreß „Göttliche Souveränität“ zu mieten, und aus dem Großraum Santiago waren 15 619 Personen anwesend. Wegen der Saisonendspiele der professionellen Fußballmannschaften wurden wir angewiesen, das Programm frühzeitig zu beenden, so daß die Spiele abends noch stattfinden konnten. Wir schafften es ohne Schwierigkeiten. Eine Tageszeitung in Santiago bemerkte: „Innerhalb von drei Stunden mußten Jehovas Zeugen alles aus dem Stadion hinausschaffen und es dann wieder zurückbringen. Es gab überhaupt kein Problem, weil jedermann widerspruchslos mithalf, und so vollbrachten sie das Wunder, das Spielfeld in ein Gelände für religiöse Zwecke umzuwandeln, und umgekehrt.“

INFLATION BEWIRKT NEUE WÄHRUNG

In jener Zeit nahm die Geldentwertung rapide zu, was folgendes Beispiel zeigt: Im August 1970 belief sich der Gegenwert des US-Dollars auf 14 chilenische Escudos; nur fünf Jahre später mußte man für 1 US-Dollar 6 000 Escudos bezahlen! Im September 1975 stellte die Regierung den Wert von 1 000 Escudos auf einen Peso der neuen chilenischen Währung um und setzte den offiziellen Wechselkurs des US-Dollars auf 6 Pesos fest.

WUNDERBARE AUSDEHNUNG

Trotz der Härten, die durch die Inflation und die zunehmende Arbeitslosigkeit verursacht wurden, wurde die „gute Botschaft“ weiterhin begeistert verkündigt. Im Dienstjahr 1976 wurde eine noch nie dagewesene Höchstzahl von 16 862 Verkündigern erreicht, und 2 782 Personen ließen sich taufen. Während die Zahl der Verkündiger eine gewaltige Zunahme erfuhr, war dies offensichtlich nicht so schnell bei den Ältesten der Fall. Im September 1972 gab es 131 Versammlungen, und nur vier Jahre später waren es 269 — mehr als das Doppelte! Durch die Gründung neuer Versammlungen gab es in vielen Versammlungen, die zuvor drei oder mehr Älteste hatten, jetzt nur noch einen oder zwei Älteste mit fast der gleichen Anzahl Verkündiger wie zuvor.

Noch lief alles reibungslos — es gab neue Verkündigerhöchstzahlen, und neue Versammlungen und Kreise wurden gebildet, Kreis- und Bezirkskongresse wurden abgehalten, und die Gesamtzahl der Anwesenden überschritt 30 000. Eine noch nie dagewesene Besucherzahl von 46 940 Personen konnte beim Gedächtnismahl verzeichnet werden. Offensichtlich gefiel Satan, dem Teufel, diese theokratische Ausdehnung nicht, denn der „brüllende Löwe“ tat sein Bestes, um die neuhinzugekommenen „Lämmer“ zu erschrecken.

WIDERSTAND GEGENÜBER DEM WERK MACHT SICH BEMERKBAR

Vor den Sommermonaten Dezember bis Februar werden gewöhnlich die Bezirkskongresse geplant. Alles entwickelte sich gut, bis wir von den Militärbehörden erfuhren, daß sie uns keine Erlaubnis für einen kleinen Kongreß in der Nähe der Magellanstraße an der Südspitze Südamerikas geben wollten, wo sich drei abgelegene Versammlungen befinden. Aber angesichts des guten Rufes der Brüder und weil ein Oberst einige Zeugen persönlich kannte, erlaubte der General den Kongreß. Doch gab er uns keinen schriftlichen Bescheid und bat, von jeglicher Bekanntmachung abzusehen.

Danach wurden Bezirkskongresse in den Provinzen ohne Schwierigkeit durchgeführt. Bald sollte der Zonenaufseher unter uns sein, und so wurden Vorbereitungen für einen Vortrag in der Radrennbahn getroffen, zu dem alle Versammlungen im Großraum Santiagos eingeladen wurden. Im letzten Augenblick wurden wir von der Nachricht überrascht, daß die Genehmigung abgelehnt worden war. Wir erhoben Einspruch gegen die Entscheidung aber ohne Erfolg.

Dann untersagten die Militärbehörden den Bezirkskongreß, der im Santa-Laura-Stadion stattfinden sollte; sie gaben an, daß wegen des Ausnahmezustandes keine größeren Zusammenkünfte erlaubt seien. Sie wiesen unseren Einspruch wiederholt zurück sowie unsere Versuche, mit ihnen zu reden. Was konnten wir für die Brüder in den 100 Versammlungen inner- und außerhalb Santiagos sowie für die Brüder, die aus Argentinien erwartet wurden, um das Kongreßprogramm in sich aufzunehmen, tun?

Schnell wurden Regelungen getroffen, das viertägige Programm auf ein zweitägiges zu reduzieren und 70 Prozent des Stoffes in acht großen Königreichssälen Santiagos darzubieten. Mehr Brüdern wurden Aufgaben zugeteilt, so daß vier Rednergruppen entstanden, die sich in den Sälen abwechselten. Wegen Platzmangels wurden nur Verkündiger eingeladen, und nach fünf Wochenenden belief sich die Anwesendenzahl auf 10 209. Die Königreichssäle waren überfüllt. Man hörte unzählige Äußerungen der Wertschätzung für die harte Arbeit all derer, die am Programm, an den Dramen und anderen Arbeiten beteiligt waren.

Danach verweigerten die Behörden jegliche Genehmigungen für Kreiskongresse in der Gegend von Santiago, so daß beschlossen wurde, 90 Prozent des Stoffes an einem Tag darzubieten. Wir baten die Brüder, zu Räumlichkeiten außerhalb der Stadt zu fahren, und da deren Zahl beschränkt war, bedienten wir einen Kreis am Samstag und den anderen am Sonntag.

Diese Verfahrensweise zeitigte vom Jahre 1977 bis zum Juni 1980 gute Ergebnisse. Dann wurde uns von zwei weiteren Versammlungsstätten eine Absage erteilt, wo wir zuvor Kongresse abgehalten hatten. So mußten nun zwei Kreise in Santiago ihr Kreiskongreßprogramm in den größeren Königreichssälen innerhalb ihres Kreises durchführen. Obwohl dies zusätzliche Arbeit und einige Unbequemlichkeiten mit sich bringt, geht es doch darum, daß die Brüder die geistige Speise erhalten, die vom „treuen und verständigen Sklaven“ vorbereitet wird.

Das Justizministerium bat dann die Vorstandsmitglieder der örtlichen Körperschaft, zu einem Interview zu erscheinen. Man behandelte fast die ganze Zeit die Neutralitätsfrage. Fast während des ganzen Interviews herrschte eine etwas feindliche, gespannte Atmosphäre. Aber als sich die Gelegenheit ergab, die Bibel bei der Beantwortung der Fragen zu benutzen, verwandelte sich die Atmosphäre der Feindschaft in eine des Respekts.

Nach diesem Interview und der nachfolgend eingereichten Erklärung über unsere neutrale Haltung wurde nichts weiter unternommen. Jehova gebührt der Dank, denn er durchkreuzte die Pläne unserer Feinde.

TREFFENDER RAT VON DER LEITENDEN KÖRPERSCHAFT

Wir können die „gute Botschaft“ predigen und uns in unseren Königreichssälen ungestört versammeln und sind dankbar für diesen Segen. Natürlich ist es immer noch ein Problem, in großen Gruppen zusammenzukommen. Aber wir danken Jehova für den ausgezeichneten Rat, den die leitende Körperschaft uns hinsichtlich des ‘verständigen Handelns’, das unser geistiges Paradies bewahrt, gegeben hat (Ps. 47:7).

Als zum Beispiel Bruder M. G. Henschel als Zonenaufseher im Jahre 1979 bei uns war, wurden gerade für eine kurze Zeit die Königreichssäle in Vallenar, Punta Arenas und Puerto Natales geschlossen. Es wurde uns geraten, uns „vorsichtig wie Schlangen und doch unschuldig wie Tauben“ zu verhalten und keine Streitfrage aus der Sache zu machen, bis wir alle Möglichkeiten erschöpft hätten (Mat. 10:16). Es dauerte nicht lange, und die örtlichen Beamten wurden entweder versetzt oder vergaßen die Angelegenheit. Inzwischen funktionieren alle Versammlungen wie zuvor.

Tatsächlich baten die Brüder um ein Interview, als in Punta Arenas ein Generalswechsel vorgenommen wurde. Nachdem die Brüder erklärt hatten, daß ihnen das Zusammenkommen in ihren Königreichssälen verweigert worden war und daß die Besprechung mit dem vorherigen General aufgrund seiner Versetzung zu keiner Klärung geführt hatte, reagierte der neue General günstig. Als auf Römer 13 hingewiesen und versichert wurde, daß die Behörden mit Jehovas Zeugen keine Probleme haben würden, erwiderte er: „Ja, ich kenne sie ziemlich gut und weiß, daß sie ausgezeichnete Staatsbürger sind. Wenn Sie möchten, und ich sehe keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, können Sie ab sofort Ihre Zusammenkünfte wieder durchführen.“

Die verblüfften Brüder antworteten mit einem dankerfüllten Si (Ja) und baten darum, daß die gleiche Erlaubnis auch der Versammlung in Puerto Natales gewährt werde. Die Bitte wurde erfüllt — genau zur rechten Zeit für das Gedächtnismahl. Welch eine Freude war es, als bei dieser wichtigen Feier im Jahre 1979 448 Personen in Punta Arenas anwesend waren! Seit dieser Zeit erfreuen sich die Brüder des Vorrechts, ihre Kreis- und Bezirkskongresse in ihrem neuen Königreichssaal zu veranstalten.

Als die Probleme im Jahre 1977 begannen, war es schwierig, geeignete Versammlungsstätten zu finden. Damals ergab sich in der Provinz Valparaiso eine Möglichkeit, die wir der Hilfe Jehovas zuschrieben. Ein Bruder wandte sich an den Bürgermeister einer Stadt, die über ein kleines Stadion verfügte, das so recht für unseren Kongreß geeignet war. Der Bürgermeister hatte nichts dagegen, und weil die Brüder die Stätte in ausgezeichnetem Zustand zurückließen, konnten wir dort noch mehrere Kongresse durchführen.

RÜCKGANG DER VERKÜNDIGER

Zu Beginn unserer Probleme gab es unter den Brüdern viele Gerüchte. Vielleicht war es aufgrund dieser Schwierigkeiten und der Menschenfurcht, gepaart mit dem wirtschaftlichen Druck einer andauernden Inflation, daß viele das Tempo verlangsamten. Im Jahre 1977 — das erstemal seit 1942 — wurde ein Rückgang der Verkündiger von 15 947 auf 15 339 festgestellt. Was konnte getan werden, um dieser kritischen Lage zu begegnen und die Brüder zu ermuntern, im Glauben zu wachsen und ihm Ausdruck zu verleihen?

ZWEIGORGANISATION GEFESTIGT

Die leitende Körperschaft unterrichtete am 10. Dezember 1975 alle Zweigbüros über eine neue organisatorische Einrichtung nach dem Muster der sechs Komitees der leitenden Körperschaft. Die daraufhin gebildeten Zweigkomitees begannen mit ihrer Tätigkeit am 1. Februar 1976. Das chilenische Zweigkomitee, das von der leitenden Körperschaft ernannt worden war, zeichnete sich durch eine internationale Note aus: ein Argentinier (Pedro Lovato), ein Kanadier (Thomas Jones), ein Chilene (Fernando Morrás) und zwei Amerikaner (Albert Mann und Richard Traverson).

Bedauerlicherweise mußten Bruder und Schwester Jones Ende 1975 wegen der schlechten Gesundheit von Schwester Jones nach Kanada zurückkehren. Sie mußten feststellen, daß es sich um eine tödliche Krankheit handelte. Unsere liebe Schwester Flora starb im Februar 1976, nachdem sie Jehova 41 Jahre lang hingebungsvoll gedient hatte. Bruder Jones blieb in Kanada und ist gegenwärtig ein Glied der kanadischen Bethelfamilie. Von 1964 an waren sie in Chile gewesen, hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet und die Herzen ihrer chilenischen Brüder gewonnen. Ein anderer chilenischer Bruder, José Valiente, wurde ernannt, den Platz von Bruder Jones einzunehmen. Das gegenwärtige Komitee, bestehend aus 5 Gliedern, stellt eine Mischung von Jugend und Erfahrung dar, und insgesamt bringen sie es auf 131 Jahre hingebungsvollen Dienst für Jehova.

BIBLISCHE WAHRHEIT BEWIRKT GROSSE VERÄNDERUNGEN

In der Zeit großer Zunahme in Chile, besonders seit 1973, sind Menschen aller Arten in die Wahrheit gekommen: Studenten, Nonnen, Spiritisten, ernüchterte Leute aus der Welt der Politik und ein Fußballstar, um nur einige wenige zu nennen. Sie alle mußten Veränderungen in ihrem Leben vornehmen, um Jehova zu gefallen und seinen Maßstäben zu entsprechen.

Zum Beispiel tauschte ein Fußballstar, der gleichzeitig Kapitän seiner Mannschaft war, den Ruhm, den die Welt bietet, gegen die Freude ein, die Jehova denen gibt, die ihm dienen. Zuerst gefiel es den leitenden Persönlichkeiten seines Fußballclubs, daß er die Bibel studierte, weil sein Benehmen sich besserte und er nicht mehr so oft als undisziplinierter Spieler vom Feld gewiesen werden mußte. Aber als schließlich der Augenblick kam, in dem er seine Fußballschuhe das letztemal in den Spind hängte, waren sie nicht mehr erfreut. Als sie schließlich seinen Entschluß akzeptiert hatten, boten sie ihm noch an, das letzte Spiel zu „seinem Spiel“ zu machen und ihn als außerordentlichen Spieler zu ehren. Er lehnte diese Ehrerbietungen höflich ab, ließ sich taufen und dient gegenwärtig als Dienstamtgehilfe in einer der Versammlungen von Rancagua.

Welch ein Vorrecht es doch ist, mit diesen Brüdern aus den verschiedensten Lebensbereichen zusammenzuarbeiten! Und wie ermunternd es ist, zu beobachten, wie Jehova sie und andere benutzt, um Menschen in einem ähnlichen Milieu zu erreichen!

ÄRZTEN WIRD DURCH DIE „BLUT“-BROSCHÜRE GEHOLFEN

Einer der Höhepunkte des Dienstjahres 1978 war die Verbreitung des Traktates und der Broschüre über die Blutfrage. Ein Missionar schrieb, daß mehrere Ärzte zugegeben hätten, daß sie Jehovas Zeugen stets Blut geben würden, obwohl sie ihnen vor der Operation das Gegenteil versicherten. Die Broschüre mit ihren Argumenten über Ethik und die Notwendigkeit, ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient herzustellen, war genau das, was sie benötigten. Sie begrüßten die zusätzliche Information zu diesem Thema.

Ein anderer Missionar berichtet, was ein Chirurg ihm sagte: „Ich stimme völlig mit Ihnen überein. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Einstellung. In der Vergangenheit haben wir viele Transfusionen vorgenommen, aber jeden Tag werden es weniger.“ Zahllose Bemerkungen von Ärzten wie: „Genau das, was wir brauchen“, „Das interessiert mich wirklich“ waren zu hören.

KONGRESS „SIEGREICHER GLAUBE“

Der internationale Kongreß „Siegreicher Glaube“ ließ das Jahr 1978 noch mehr hervortreten. Dank der Großzügigkeit unserer Brüder auf der ganzen Welt war es Missionaren und anderen Vollzeitdienern möglich, diesen glaubensstärkenden Kongreß zu besuchen. Aus Chile reisten 99 Delegierte in die Vereinigten Staaten oder nach Europa, und eine andere große Gruppe reiste nach Lima (Peru). Es gab viele begeisterte Kommentare über das Programm und die Liebe der Brüder. Ja, welch ein Segen, zu dieser internationalen Familie wahrer Anbeter zu gehören!

Da die Behörden uns nicht erlaubten, einen internationalen Kongreß in Chile durchzuführen, begann im Januar 1979 eine Serie kleiner Bezirkskongresse mit demselben Thema. Weil die Hotelkosten die Mittel der meisten unserer Brüder überstiegen, die vielleicht schon große Opfer gebracht hatten, um zu dem Kongreß zu kommen, übernachteten die meisten Kongreßbesucher in den Wohnungen ihrer geistigen Brüder.

Bei einem Kongreß hatte die Unterkunftsabteilung einige Schwierigkeiten, genug Unterkünfte zu finden, so daß das Kongreßkomitee dafür sorgte, daß einige kurze Ansprachen in den Versammlungen gehalten wurden, um die Brüder hinsichtlich der Gastfreundschaft zu ermuntern. Nach einer begeisternden Ansprache bat der Redner die Anwesenden, die Hand zu heben, um zu sehen, wie viele bereit waren, den Kongreßbesuchern ein Zimmer zu überlassen. Nicht eine Hand ging hoch. Aber nach einer Pause hob ein etwa siebenjähriger Junge seine Hand und bot sein Bett an, damit ein Ehepaar in seinem Zimmer übernachten könnte. Das schmolz das Eis, und es gab eine Flut von Angeboten. Tatsächlich stellte sich nach Beendigung der Unterkunftssuche heraus, daß von allen Versammlungen, die Zimmer angeboten hatten, diese Versammlung die meisten zur Verfügung gestellt hatte.

EIN WEITERES JAHR DES SICHTENS

Wie im Jahre 1978, so wurde auch im Dienstjahr 1979 eine rückläufige Tendenz beobachtet. Diejenigen, die versäumt hatten, ihren Glauben regelmäßig durch Gottes Wort zu stärken, wurden müde. Offensichtlich war unter Jehovas Volk ein Sichtungswerk im Gange, denn obwohl viele Neue getauft wurden, gab es keine zahlenmäßige Zunahme. In den drei Jahren des Rückgangs wurden 3 357 Personen getauft. Offensichtlich war es dringend nötig, den Neuen zu helfen, ihren Glauben zu festigen.

GÜNSTIGE AUSSICHTEN

Im Dienstjahr 1980 begann sich die Lage dann zu bessern. Im Oktober 1979 wurde uns zum erstenmal seit 1976 gestattet, die jährliche Mitgliederversammlung der chilenischen Körperschaft durchzuführen. Welche Freude es war, mit reifen Brüdern, die von überall her angereist kamen, an dieser Versammlung teilzunehmen!

Dann kamen die Sommermonate Januar und Februar und mit ihnen unser Bezirkskongreß „Lebendige Hoffnung“. Wir verzeichneten eine hervorragende Gesamtanwesendenzahl von 25 544. Während die Monate verstrichen, ging es allem Anschein nach wieder bergauf. Das Dienstjahr brachte eine 5prozentige Zunahme, was einen Durchschnitt von 15 081 Verkündigern bedeutete. Außerdem wurde eine neue Höchstzahl von 50 508 Anwesenden beim Gedächtnismahl erreicht, die noch von 54 796 Personen im Jahre 1981 übertroffen wurde.

BIS AN DIE ENDEN UNSERES GEBIETES

Chile verfügt über ein ausgedehntes Gebiet, das die Osterinsel und die Robinson-Crusoe-Insel im Pazifischen Ozean einschließt. Ist die gute Botschaft vom Königreich auch bis in diese entlegenen Gebiete vorgedrungen?

Eine Zeitlang gab es eine alleinstehende Verkündigerin auf der Osterinsel. Sie stand in Briefverkehr mit einer Missionarschwester im Zweigbüro, und so wurde ihr geistig geholfen. Obwohl sie inzwischen auf das Festland zurückgekehrt ist, verfügen wir über eine Liste von Wachtturm-Abonnenten auf der Insel. Zu unserer großen Überraschung erreichte uns im April 1980 ein Fernruf von einer interessierten Person, die wissen wollte, wann das Gedächtnismahl zu feiern sei. Später in demselben Jahr zog ein Ehepaar aus Valparaiso dorthin, und sie führen Bibelstudien mit interessierten Personen durch. Im April 1981 waren zum erstenmal auf dieser Insel bei einer Gedächtnismahlfeier 13 Personen anwesend. Wie freut es uns, daß die „gute Botschaft“ bis in diese entlegenen Gebiete vorgedrungen ist!

Und was ist über die berühmte Robinson-Crusoe-Insel zu sagen? Ein Ältester aus Valparaiso kam in Verbindung mit seiner weltlichen Arbeit Ende 1979 auf diese Insel. Er brachte einen guten Vorrat an Literatur mit. Auf einer Inselrundfahrt informierte er sich bei dem Reiseführer über die religiöse Einstellung der Leute. Der Reiseführer berichtete, daß der katholische Priester sich nur in sehr großen Zeitabständen sehen ließe, und der protestantische Pfarrer habe die Insel für immer verlassen. „Aber das stört mich nicht“, erklärte er. „Ich bin ein Zeuge Jehovas.“ Könnt ihr euch die Überraschung unseres Bruders vorstellen? Er dachte, er wäre der erste, der die „gute Botschaft“ auf diese Insel brächte.

Es hatte sich wie folgt zugetragen: Eine Dame in Santiago hatte die Bibel studiert und war wegen ihrer weltlichen Arbeit auf die Insel gezogen. In Santiago hatte sie so weit Fortschritte gemacht, daß sie sich am Predigtdienst beteiligte. Nun fuhr sie fort, die „gute Botschaft“ anderen auf der Insel zu verkündigen, und begann mit mehreren Personen Bibelstudien. Unser Bruder war überglücklich, die Interessierten kennenzulernen und ihnen zu helfen, ein Buchstudium einzurichten. Außerdem sorgte er dafür, daß sie zu fünft zusammenkamen, um gemeinsam das einzige Exemplar des Wachtturms zu lesen, das sie regelmäßig erhielten.

Einige drückten den Wunsch aus, getauft zu werden. Als Bruder Sergio Pulgar auf das Festland zurückkehrte, bat er das Zweigbüro um Anweisungen, denn er wollte fünf Monate später wieder auf die Insel reisen. Nach seiner Ankunft betrachtete er mit den Taufanwärtern die 80 Fragen, und drei wurden getauft. Er leitete auch die Feier des Gedächtnismahls, bei der 11 Personen anwesend waren. Seit März 1980 erhalten wir Berichte über die Predigttätigkeit dieser Verkündigergruppe in abgelegenem Gebiet, und gegenwärtig berichten vier Personen.

Während wir über die entferntesten Teile unseres Gebietes sprechen, wollen wir die Antarktis nicht vergessen. Ja, die „gute Botschaft“ erreichte auch diesen abgelegenen Teil der Welt. Die Arbeit auf einer wissenschaftlichen Station führte einen Experten auf dem Gebiet der Elektronik in dieses unwirtliche Gebiet. Als seine Frau den Koffer packte, legte sie eine Bibel und ein Wahrheits-Buch mit hinein. Die zwölf Männer auf der Station waren völlig abgeschnitten von der übrigen Welt, und die einzige Entspannung war das Lesen. Nach einigen Tagen packte der Mann die Literatur aus und begann darin zu lesen. Als ein Arbeitskollege vorbeikam, rief er aus: „Das Buch kenne ich auch!“ Die beiden Männer wurden Freunde und studierten bei jeder passenden Gelegenheit zusammen die Bibel. Durch sie wurde auch biblische Literatur in Russisch auf einer anderen, nahe gelegenen wissenschaftlichen Station verbreitet. Einer der beiden Männer dient derzeit als Dienstamtgehilfe in einer Versammlung in Santiago. Gleichgültig, wie weit entfernt oder abgelegen ein Ort sein mag, die kraftvolle, Hoffnung bringende „gute Botschaft“ dringt selbst in diese Regionen vor.

NEUE BIBELSTUDIENHILFSMITTEL — EIN GROSSER ERFOLG

Die Brüder in Chile machten einige außergewöhnliche Erfahrungen mit dem Buch Mein Buch mit biblischen Geschichten. Eine davon betrifft eine Sonderpionierin aus dem Süden, die sich, als sie in Santiago war, im Zweigbüro mit einigen Exemplaren des Buches eindeckte, um sie mit in ihre Zuteilung zu nehmen. Da sie kurz vor Feierabend eintraf, nahm sie die acht Bücher mit, ohne sie einzuwickeln. Mit den Büchern unter ihrem Arm bestieg sie einen Bus. Ein Kind sah die Bücher und rief laut aus: „Mutti, guck mal, die Dame hat das Buch, das du mir kaufen wolltest. Sag ihr, daß sie dir eins gibt!“ Die Mutter erkundigte sich danach, und die Schwester gab ihr Zeugnis, worauf das Buch seinen Besitzer wechselte. In der Nähe sitzende Fahrgäste, die die Unterhaltung mithörten, fragten, ob sie das Buch sehen könnten. Noch bevor die Schwester ausstieg, hatte sie alle acht Bücher abgegeben. Ehe sie in ihre Zuteilung zurückkehrte, ging sie noch einmal ins Zweigbüro, um weitere Exemplare zu besorgen — dieses Mal aber ließ sie sie wohlweislich gut verpacken.

Eine andere Schwester ließ das Geschichten-Buch bei einer Dame zurück, die es ihrerseits der Lehrerin ihres Sohnes lieh. Die Lehrerin rief die örtliche Versammlung an und bat, daß man ihr 2 weitere Exemplare des Buches bringe. Dies wurde getan. Die Lehrerin zeigte das Buch dem Priester. Er bemerkte, daß dies gerade das Rechte sei, die Kinder mit der Bibel bekannt zu machen. Die Lehrerin nahm die Empfehlung ernst und bat telefonisch um 7 weitere Bücher. Die Schwester, die die Bücher zur Schule brachte, verwandte die Wartezeit damit, sich mit einer anderen Dame zu unterhalten, die sich über Gewalttaten an den Schulen geäußert hatte. Unsere Schwester sprach mit ihr über die biblische Lösung des Problems. Darauf bat die Dame die Sekretärin, eine Vereinbarung mit unserer Schwester zu treffen, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt mit ihr reden könne. Die Dame war die Schulleiterin.

Unsere Schwester kehrte zurück, um ihre Verabredung mit der Schulleiterin einzuhalten und um 14 weitere Bücher auszuliefern. Vor der Unterredung mit der Schulleiterin sprach sie mit fünf Lehrern. Sie baten um 24 weitere Exemplare des Geschichten-Buches und um 5 Jugend-Bücher. Eine Lehrerin fragte: „Und was haben Sie für mich?“ Sie abonnierte die Zeitschrift Erwachet! Zurück zur Schulleiterin. Bei ihr gab unsere Schwester 2 Geschichten-Bücher und 1 Jugend-Buch ab. Später kehrte sie mit den 24 bestellten Exemplaren zurück, und wiederum wurde sie gebeten, in der darauffolgenden Woche 14 weitere Bücher zu bringen. Die erste Lehrerin studiert nun in ihrer Mittagspause mit unserer Schwester die Bibel. Bisher wurden 88 Geschichten-Bücher und 27 Jugend-Bücher für den Religionsunterricht bei den Lehrern zurückgelassen, und die Erfahrungen dauern an, während sich die Kunde über diese Bücher wie ein Lauffeuer verbreitet.

Tatkräftige Pioniere und Verkündiger, wie die zuvor erwähnten, haben einen Anteil an der enormen Verbreitung unserer biblischen Literatur gehabt, wie dies aus der Gesamtzahl von 264 317 während des Dienstjahres 1980 verbreiteten Büchern hervorgeht! Aufopferungsvolle Pioniere haben diese Publikationen benutzt, um neue Gebiete zu erschließen und den Grundstein für künftige Versammlungen in Carahue, Fresia und Panguipulli zu legen. Welch eine Freude es ist, daß ‘Jehova uns mit allem Guten ausrüstet, um seinen Willen zu tun’, während wir in Einheit daran arbeiten, unser geistiges Paradies auszudehnen! (Heb. 13:21).

TREUE DIENER BLEIBEN BEI DER ARBEIT

Zu Beginn des Dienstjahres 1982 freuen wir uns zu sehen, daß die treuen Missionare in ihren Zuteilungen ausharren. Bruder Albert Mann ist nun 36 Jahre im Auslandsdienst tätig und dient zusammen mit seiner Frau Gladys im Zweigbüro. Louise Stubbs war auch unter den ersten Missionarinnen, die in dieses Land kamen; sie traf Ende 1945 ein. Sie hat in der heißen, trockenen, reizlosen Wüste im Norden gedient und auch im regenreichen Süden. Sie hatte das Vorrecht, 74 Personen zu helfen, zur Hingabe und Taufe zu gelangen. Bruder und Schwester Hannan beobachteten während ihrer 35jährigen Missionartätigkeit, wie aus der ersten Versammlung in Concepción fünfzehn Versammlungen mit etwa 1 000 Verkündigern wurden. Sie selbst haben 181 Personen geholfen, für die wahre Anbetung Stellung zu beziehen. Die Schwestern Dorothea Smith und Dora Ward waren während ihrer 35jährigen Tätigkeit Missionarpartner, und gemeinsam halfen sie 100 Personen, zur Hingabe und Taufe zu gelangen. Da sie 1946 nach Chile kamen, als es nur 93 Verkündiger gab, erlebten sie mit, wie die Organisation aus den Kinderschuhen herauswuchs.

John und Harry Williams (keine leiblichen Brüder) absolvierten die 13. Klasse Gileads und kamen 1949 nach Chile. Beide spielten eine wichtige Rolle in der Ausdehnung der wahren Anbetung in diesem Land, und zwar als Kreisaufseher und Versammlungsälteste in verschiedenen Teilen des Landes. Wie sehr solche treuen Brüder geschätzt werden, läßt sich an der Liebe, dem Trost und der Hilfe erkennen, die Bruder John Williams während der letzten Monate seiner tödlichen Krankheit erfuhr. Die einheimischen Brüder verhielten sich in dieser Situation einfach wunderbar und bewiesen in großzügiger Weise, daß wir zu einer einmaligen internationalen Brüderschaft gehören (Joh. 13:34, 35). Bis zum Schluß hielt Bruder Williams an seiner lebendigen Hoffnung fest und war für alle, die ihn besuchten, eine Quelle der Ermunterung. Nach 31 Jahren treuem Missionardienst verstarb er. Seine Frau blieb in ihrer Missionarzuteilung.

Miriam Sumen und Evelyn MacFarlane kamen ebenfalls im Jahre 1949; sie waren in der gleichen Gileadklasse. Schwester Sumen hat bei der Erschließung des Werkes an verschiedenen Orten im Süden Chiles als treuer Kämpfer für die wahre Anbetung ausgezeichnete Arbeit geleistet. Zusätzlich hatte sie die Freude, 45 Menschen zu helfen, den Weg des Lebens zu finden. Schwester MacFarlane (Bunny Valenzuela) heiratete einen chilenischen Bruder; sie starb im Jahre 1978 an Krebs. Wie glücklich wird sie sein, zu den Treuen zu gehören, die auf der Erde auferstehen werden, und dann die 113 Personen, denen sie zur Erkenntnis der Wahrheit verhalf, begrüßen zu können!

Gegenwärtig befinden sich 13 Missionare in Chile, die seit 20 oder mehr Jahren im Missionardienst tätig sind. Sie haben gesehen, wie Jehova seine Organisation gesegnet hat, und waren in der Lage, an der erstaunlichen Ausdehnung einen Anteil zu haben. In ganz Chile sind derzeit insgesamt 37 Gileadabsolventen in den verschiedenen Zweigen des Vollzeitdienstes tätig, und sie arbeiten Schulter an Schulter mit ihren chilenischen Brüdern um das geistige Paradies auszudehnen.

Vieles mehr könnte von den zahlreichen anderen Missionaren berichtet werden, die in dieser Zuteilung waren, aber aus Platzmangel ist es nicht möglich. Vom Jahre 1945, als der erste Gileadmissionar eintraf, bis 1980 waren insgesamt 194 Missionare hier tätig. Unter ihnen befanden sich 11 Chilenen, die die Wachtturm-Bibelschule Gilead besucht hatten und in ihr Heimatland zurückgekehrt waren.

Die meisten der alten Kämpfer, die in den 30er Jahren in die Wahrheit gekommen waren, sind inzwischen verstorben: der erste Chilene, der günstig reagierte und sich unter den ersten acht Täuflingen im Jahre 1931 befand, Bruder Juan Flores; Schwester Delfina Villablanca (1931), der erste chilenische Pionier; Schwester Consuelo Traub (1931), die das Grundstück für Chiles ersten Königreichssaal zur Verfügung stellte; Bruder Manuel Durán (1935) mit seinem freundlichen Wesen und Bruder Richard Traub, der im April 1979 nach 54 Jahren des Dienstes in Argentinien und Chile starb. Sie alle haben sich ihrer himmlischen Belohnung zugewandt und sind zweifellos an dem Werk interessiert, das in Chile durchgeführt wird, während sie fortfahren, in Jehovas Dienst tätig zu sein.

Weitere treue Kämpfer sind Max Zimmer (1934), Sebastián Inninger (1936), Eduardo Venegas (1940) und der Neffe von Bruder Juan Flores, Serafin Flores (1942). Sie setzen ihren Dienst für Jehova fort, soweit ihre Gesundheit es erlaubt, und geben ein ausgezeichnetes Beispiel als furchtlose Verkündiger der guten Botschaft vom Königreich. Gegenwärtig dienen sie alle als Älteste in ihren Versammlungen.

Welch ein Gegensatz doch zwischen unseren Tagen und der Zeit besteht, als Bruder Traub 1930 als erster Zeuge in Chile eintraf und mit dem Predigen und Lehren begann! Denken wir auch an Juan Flores, den ersten, der einen biblischen Vortrag besuchte und fragte: „Und die anderen, wann werden sie kommen?“ Bruder Traubs Erwiderung lautete: „Sie werden kommen.“

Und sie kamen, zu Hunderten und Tausenden — glückliche, liebenswerte Menschen, die in Jehovas Organisation Ruhe und Frieden gefunden haben. Es gibt jetzt 280 Versammlungen sowie Verkündigergruppen in abgelegenem Gebiet mit insgesamt weit über 16 000 Verkündigern, die den Samen der Wahrheit vom trockenen Norden, wo das Verhältnis der Verkündiger zur Bevölkerung ausgezeichnet ist, bis zum fruchtbaren Süden, wo es noch viel zu tun gibt, aussäen. Die chilenischen Brüder sind entschlossen, das noch vor ihnen liegende Werk zum Lobpreis und zur Verherrlichung Jehovas zu verrichten, solange er ihnen noch die Gelegenheit dazu einräumt.

[Übersicht auf Seite 103]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

ZUWACHS AN VERKÜNDIGERN

16 000

15 081

14 220

12 000

8 000

6 923

4 000

3 370

2 025

1 034

361

65

0 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980

[Karte auf Seite 39]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

CHILE

Arica

Calama

Pedro de Valdivia

Copiapó

Vallenar

Illapel

Valparaiso

San Antonio

Melipilla

SANTIAGO

Rancagua

Concepción

Chillán

Coronel

Carahue

Temuco

Valdivia

Corral

Osorno

Fresia

Puerto Montt

Ancud

Castro

Puerto Natales

Punta Arenas

Porvenir

Robinson-Crusoe-Insel

JUAN-FERNÁNDEZ-INSELN

OSTERINSEL

PERU

BOLIVIEN

ARGENTINIEN

ATLANTISCHER OZEAN

PAZIFISCHER OZEAN

[Bild auf Seite 41]

Juan Flores, der erste Chilene, der günstig auf die Wahrheit reagierte und fragte: „Und die anderen, wann werden sie kommen?“

[Bild auf Seite 49]

Käthe Palm, die 1936 nach Chile kam, verbreitete energisch den Samen der Wahrheit vom einen Ende des Landes bis zum anderen.

[Bild auf Seite 57]

Richard Traub, der das Predigtwerk in Chile eröffnete, und seine Frau Consuelo

[Bild auf Seite 71]

Alles, was vom Missionarheim in Puerto Montt nach dem Erdbeben im Jahre 1960 übrigblieb

[Bild auf Seite 79]

Zweigbüro in Santiago de Chile

[Bild auf Seite 81]

Evelyn MacFarlane (Bunny Valenzuela), die bis zu ihrem Tod im Jahre 1978 113 Personen half, die Wahrheit anzunehmen

[Bild auf Seite 105]

Robert und Vora Hannan, die während ihrer langen Missionarlaufbahn 181 Personen halfen, die Wahrheit kennenzulernen