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Belgien

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Belgien

BELGIEN kann man wegen seiner Lage als „Straßenkreuzung Europas“ bezeichnen, weil es zwischen Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien liegt. Seine Geschichte ist eng mit der Geschichte dieser Nationen verknüpft, die unzählige Male ihre politisch-religiösen Querelen hier ausgetragen haben. Unter der Herrschaft der aufeinanderfolgenden Mächte — Spanien, Österreich, Frankreich, die Niederlande — hat sich die römisch-katholische Kirche nicht neutral verhalten. Im Gegenteil, wie die Geschichte berichtet, hat sie während der Inquisition — angeblich im Namen Gottes — Tausende auf barbarische Weise niedergemetzelt.

Im Jahre 1830 erklärte Belgien seine Unabhängigkeit, aber dies bewirkte nicht, daß die dort herrschende geistige Finsternis wich. Charles Taze Russell, der erste Zeuge Jehovas, der nach Belgien kam, besuchte im Jahre 1891 die Städte Antwerpen und Brüssel, wo er die religiöse Finsternis wahrnahm. Wie anderswo in der Welt stellte er fest, daß die Leute von der Christenheit bedrückt wurden und die biblischen Wahrheiten nicht kannten.

Furcht vor der Geistlichkeit und ihrer unbiblischen Lehre von einer Feuerhölle hielt die Menschen davon zurück, in die Bibel hineinzuschauen. Sie sagten: „Es ist uns nicht gestattet, die Bibel zu lesen.“ „Dieses Buch ist nicht erlaubt.“ „Es ist verboten.“ Einige ältere Bewohner kleiner Dörfer erinnern sich noch an dieses unheilvolle Verbot, das die katholische Kirche erlassen hatte.

Aber die Behauptung, Belgien sei ein katholisches Land, war kein Hinderungsgrund, auch dort dem Gebot Christi, die gute Botschaft vom Königreich zu predigen, nachzukommen. Die Botschaft vom Königreich, mit deren Verbreitung Bruder Russell begann, sollte die Herzen aller aufrichtigen Katholiken in diesem Lande erreichen, ob sie nun Niederländisch, Französisch oder Deutsch sprachen.

Die Flamen, die etwa 60 % der Bevölkerung ausmachen, leben im Norden Belgiens (genannt Flandern) und sprechen Niederländisch. Die Wallonen — etwa 40 % der Bevölkerung — leben im Süden Belgiens und sprechen Französisch. In Brüssel, der Hauptstadt des Landes, leben Angehörige beider Volksgruppen. Außerdem leben im Osten Belgiens — nahe der deutschen Grenze — etwa 60 000 deutsch sprechende Bürger.

DIE ERSTEN SAMENKÖRNER WERDEN GESÄT

Eines Tages, im Jahre 1901, fiel der Blick von Jean-Baptiste Tilmant sen. aus Jumet-Gohissart, einer kleinen Kohlenbergwerksstadt am Rand von Charleroi, auf eine Zeitungsanzeige, in der die Bücherserie Millennium-Tagesanbruch * angeboten wurde. Er bestellte sofort die ersten beiden Bände und begann darin zu lesen. Welch ein Trost! Er war begeistert, die Wahrheit der guten Botschaft hervorstrahlen zu sehen. Er mußte unbedingt mit seinen Freunden darüber sprechen. Im darauffolgenden Jahr (1902) versammelte er seine Freunde in seiner Wohnung zu einem Studium der Heiligen Schrift, und von dem Zeitpunkt an veranstaltete diese kleine Gruppe jeden Sonntag solche Zusammenkünfte.

Zu jener Zeit war das Licht der Wahrheit bereits in andere europäische Länder vorgedrungen, besonders in die Schweiz, wo Bruder Adolphe Weber sich um die Königreichsinteressen in einem Teil Europas kümmerte. Um seinen großen Durst nach der Wahrheit zu stillen, schrieb Bruder Tilmant an diesen Bruder und bat um mehr Aufschluß. Als Antwort dehnte Bruder Weber seine Missionsreisen bis nach Charleroi aus, um den Glauben dieser kleinen Gruppe zu stärken.

Die geistige Speise, die „der treue und verständige Sklave“ in der englischen Sprache herausgegeben hatte, sollte nun auch an die französisch sprechende Bevölkerung ausgeteilt werden. Im Jahre 1903 erschien Zions Wacht-Turm zum ersten Mal in Französisch. Das Licht der Wahrheit sollte in der Umgebung dieser Kohlenbergwerke einen hellen Schein verbreiten. Regelmäßig jeden Sonntag ging diese kleine Gruppe von Bibelforschern, wie sie damals genannt wurden, in das „Feld“, und sie verteilten den Samen der Wahrheit, die auf den acht Seiten dieser Zeitschrift dargelegt war. Die Zeitschriften wurden den Anhängern der Kirchen der Christenheit sonntags morgens, als sie aus dem Gottesdienst kamen, angeboten. So fanden die beiden ersten französischen Ausgaben von Zions Wacht-Turm eine weite Verbreitung.

DIE AUSDEHNUNG BEGINNT

Nach und nach dehnte die kleine Gruppe in Jumet-Gohissart die Predigttätigkeit auf andere Teile des Landes aus, besonders auf den Süden, wo Französisch gesprochen wurde. Erst später wurde der niederländischsprachige Teil Belgiens mit der Wahrheit von Gottes Königreich erreicht.

Dann, im August des Jahres 1904, zehn Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, waren diese mutigen Überbringer der guten Botschaft mit ihrer Tätigkeit bis nach Denain in Frankreich vorgedrungen. Auch hier, diesmal vor einer Baptistenkirche, boten sie den aus dem Gottesdienst kommenden Personen die Zeitschriften an. Was war das Ergebnis? Zwei Jahre später, und zwar im Jahre 1906, wurde in Denain eine Versammlung gegründet.

Andere Studiengruppen wurden gebildet, während Jean-Baptiste Tilmant und seine Mitarbeiter mutig die biblischen Wahrheiten verbreiteten. Eine solche Ausdehnung machte ein Literaturdepot notwendig, und so wurde in der Wohnung von Bruder Tilmant in Jumet-Gohissart eines eingerichtet.

VON FRANKREICH NACH BELGIEN

Belgien ist zwar ein unmittelbarer Nachbar Frankreichs, doch von nun an gingen die belgischen Brüder nicht mehr nach Frankreich, sondern die französischen Brüder kamen nach Belgien. Die in Frankreich gebildeten Gruppen wuchsen schnell. So versammelten sich im Jahre 1913 über 1 000 Personen in Denain, um den Vortrag von Bruder J. F. Rutherford zu hören.

François Caré, der die Wahrheit in Frankreich kennengelernt hatte, kam im Jahre 1910 nach Lüttich, um einen protestantischen Freund namens Edouard Verdière zu besuchen. Bruder Caré konnte die Wahrheit, die wie ein Feuer in ihm brannte, nicht länger für sich behalten, und daher wollte er seinem Freund helfen, der falschen Religion den Rücken zu kehren. Herr Verdière reagierte jedoch so feindselig, daß Bruder Caré schließlich sagte: „Ich habe keine Lust, länger mit dir darüber zu reden. Ich werde meine Perlen nicht Schweinen vorwerfen.“ Daraufhin ging Bruder Caré schlafen.

Während der Nacht ging Herrn Verdière dieser Satz nicht mehr aus dem Sinn, und am nächsten Morgen fragte er den Bruder, was er damit gemeint habe. Der Bruder erwiderte, daß er kein Wort mehr über die Wahrheit verlieren wolle, weil es klar auf der Hand liege, daß die „Perlen“ nicht geschätzt würden. Der Mann war zur Versöhnung bereit, und nachdem er nach Frankreich zurückgekehrt war, sandte Bruder Caré seinem Freund, der in einem Kohlenbergwerk arbeitete, regelmäßig die Zeitschriften. Er hatte ihm auch einige Bände der Schriftstudien gesandt. Sehr schnell nahm sein Freund Verdière die Wahrheit an, und er begann, öffentliche Vorträge zu halten. Tatsächlich war er einer der Brüder, die anläßlich der Beerdigung von Jean-Baptiste Tilmant im Jahre 1911 sprachen.

So begann das Licht der Wahrheit, die geistige Finsternis in diesem Teil Belgiens (in Lüttich) zu durchdringen.

WIDERSTAND VON SEITEN DER GEISTLICHKEIT

In demselben Kohlenbergwerk, wo Edouard Verdière arbeitete, gab es einen anderen aufrichtigen Wahrheitssucher namens Leonard Smets. Leonard Smets war ein sehr aufrichtiger Katholik, der regelmäßig mit seiner Familie den Gottesdienst besuchte. Sogar auf dem Weg zur Kirche betete er den Rosenkranz. Er war flämischer Herkunft und siedelte sich in Heure-le-Romain, nicht weit von Vivegnis (Lüttich), an. Im Jahre 1900 bot ihm ein Protestant die Bibel an und sagte: „Ich habe das Buch Gottes.“

Eines Tages bei der Beichte erzählte Leonard Smets dem Priester, er habe in der Bibel gelesen. Der Priester erwiderte, daß, wenn er von seiner Sünde freigesprochen werden möchte, er ihm zuerst die Bibel bringen müsse. Von dem Tage an ging Leonard Smets nicht mehr in die katholische Kirche und dachte sich: „Wenn sie wirklich aufrichtig sind, werden sie nach mir sehen, denn es ist ihre Aufgabe, nach den verlorenen Schafen zu suchen.“ Aber der Priester ließ sich nie blicken. So begann Leonard Smets die protestantischen Gottesdienste zu besuchen.

An seinem Arbeitsplatz im Kohlenbergwerk las Smets in seinem Neuen Testament. Eines Tages bemerkte dies Verdière, und um herauszubekommen, welcher Religion er angehörte, sang er eine protestantische Hymne. Dies erregte die Aufmerksamkeit von Smets, und er fragte Verdière, ob auch er ein Protestant sei. Verdière erwiderte: „Ich war einer, aber ich habe etwas Besseres für Sie.“ Damit reichte er ihm ein Exemplar der Zeitschrift Zions Wacht-Turm und gab ihm ein gründliches Zeugnis. Das war im Jahre 1912.

Leonard Smets wiederum behielt diese gute Botschaft nicht für sich, sondern erzählte seinem flämischen Mitarbeiter Joseph Poelmans, einem Vater von sieben Kindern, davon. Abgestoßen von den Lehren des Katholizismus, hatte sich dieser Mann ebenfalls dem Protestantismus zugewandt. Nachdem er jedoch die Zeitschrift gelesen hatte, die Smets ihm gegeben hatte, erkannte auch er, daß es die Wahrheit war.

Zur gegebenen Zeit beschlossen diese drei Bergarbeiter, Verdière, Smets und Poelmans, zu dem protestantischen Geistlichen von Herstal (Lüttich) zu gehen und ihn über die Unsterblichkeit der Seele, die Dreieinigkeit und das Höllenfeuer zu befragen. Anstatt ihnen zu helfen, wurde der Pastor sehr böse und jagte sie davon! Sie stellten fest, daß er nicht besser war als der katholische Priester. So begannen die drei, regelmäßig die Heilige Schrift zu studieren, und benutzten dabei die Zeitschriften, die sie aus Frankreich erhalten hatten.

WIDERSTAND VON SEITEN DER FAMILIE

Bruder Smets’ Frau, die weder lesen noch schreiben konnte, leistete der Wahrheit, für die ihr Mann einstand, einen so starken Widerstand, daß sie entschlossen war, ihn mit den acht Kindern zu verlassen. Eines Tages, bevor ihr Mann von der Arbeit zurückgekehrt war, rief sie ihre Kinder zu sich, um ihnen von ihrer Absicht zu erzählen. Ihr 15jähriger Sohn Marcel, der älteste, der später ein Zeuge wurde, fragte seine Mutter: „Schlägt Vater dich? Ist er ein Trinker? Behält er seinen Lohn für sich?“ Frau Smets erwiderte: „Nein.“ Daraufhin sagte Marcel zu seiner Mutter, daß er nicht mitgehen werde. In diesem Moment kehrte der Vater von der Arbeit zurück und sagte in ruhigem Ton zu seiner Familie: „Wenn ihr geht, werde ich euch trotzdem bei der Gartenarbeit helfen und auch das Holz hacken.“ Nach dieser liebevollen Äußerung war bei dieser Familie von Trennung nicht mehr die Rede.

WACHSTUM BIS ZUM JAHRE 1912

Im Jahre 1912 gab es sieben Gruppen, die sich zum Studium und zum Dienst versammelten, und zwar in Haine St. Paul, Flémalle-Haute, Engis, Amay, Ampsin, Lüttich und Jumet-Gohissart, wo die erste Gruppe im Jahre 1902 gebildet worden war. Diese Studiengruppen kamen einmal im Monat zusammen, und Bruder Weber vom Schweizer Zweigbüro besuchte sie in regelmäßigen Abständen.

IHR ERSTER GLAUBENSSTÄRKENDER KONGRESS

Zu Beginn des folgenden Jahres besuchte Bruder J. F. Rutherford die Brüder in Belgien. Sie hielten ihren ersten Kongreß in Jumet-Gohissart ab. Wie sehr doch dieser Kongreß ihren Glauben an die Aufrichtung des messianischen Königreiches stärkte, die nun so nahe bevorstand.

IHR ERSTER INTERNATIONALER KONGRESS

Einige Monate später, am 31. August 1913, hatten dieselben Brüder das Vorrecht, einen anderen Kongreß, und zwar dieses Mal nicht in Belgien, sondern in Paris (Frankreich), zu besuchen. Hier versammelten sie sich zu einem eintägigen internationalen Kongreß mit anderen Bibelforschern, die aus der Schweiz, aus Deutschland und Frankreich gekommen waren, um den Präsidenten der Watch Tower Society, C. T. Russell, zu hören. Bruder Russell kam gerade von einem etwas größeren Kongreß in Southport (England), aber dennoch war er sichtlich bewegt, eine Zuhörerschaft von 70 eifrigen Brüdern und Schwestern zu sehen, die weit gereist waren und aus vier verschiedenen Ländern stammten. Obwohl er ihre Sprache nicht verstand, konnte er doch ihr tiefes Interesse für die Wahrheit erkennen, das sich auf ihren Gesichtern widerspiegelte. Mit Hilfe eines Dolmetschers wurden auch sie durch die Bekanntmachung gestärkt, daß 1914 ein gekennzeichnetes Jahr sein würde. Welch ein denkwürdiger Tag das doch war!

1914 — EIN GEKENNZEICHNETES JAHR

Vor Beginn dieses gekennzeichneten Jahres oder gegen Ende des Jahres 1913 waren bei den Zusammenkünften dieser Studiengruppen durchschnittlich 70 Personen anwesend. Dann kam 1914, und die Menschen hatten nicht vergessen, was diese treuen Verkündiger für dieses Jahr vorhergesagt hatten. Während die Brüder eifrig damit beschäftigt waren, in ihrem Garten die Kartoffeln auszugraben, machten sich die Leute über sie lustig, denn im Jahre 1913 hatten die Brüder gesagt, daß man im Jahre 1914 die Kartoffeln unter Kanonendonner ausgraben würde. Kurz danach brach der Erste Weltkrieg in Europa aus und verwandelte Belgien in ein Schlachtfeld. Der Beweis, daß die Heidenzeiten tatsächlich zu Ende waren, ermunterte diese Bibelforscher, in ihrem Predigtwerk fortzufahren (Luk. 21:24-26).

Während des Krieges waren diese bescheidenen Bergarbeiter auch eifrige Kongreßbesucher. Um zu einem Kongreß zu gelangen, gingen sie von Lüttich nach Charleroi 99 km zu Fuß, und zwar entlang der Eisenbahnlinie.

In den Jahren nach 1914 sollte der Glaube eines jeden völlig geprüft werden (Offb. 2:10). Obwohl sich das Jahr 1914 als das gekennzeichnete Jahr erwies, von dem in der Bibel gesprochen wird, war es jedoch für die Christenversammlung noch nicht an der Zeit, in den Himmel aufzufahren, wie viele Brüder es erwartet hatten. Ein beispielloses Zeugniswerk mußte noch durchgeführt werden. Wer würde sich gegenüber Christi Gebot, „diese gute Botschaft vom Königreich“ vor dem Ende zu predigen, als gehorsam erweisen? (Mat. 24:14). Es gab etliche, denen es an Eifer mangelte sowie an dem Wunsch, Gottes Königreich öffentlich zu predigen, und so wendeten sie sich von Jehovas Volk ab. Flugblätter, die mehr Gewicht auf persönliche Meinungen als auf Gottes geoffenbarte Wahrheiten legten, wurden nun unter diesen kleinen Gruppen in Umlauf gesetzt.

EIN REINIGUNGSWERK WIRD DURCHGEFÜHRT

Nach der im Jahre 1918 durchgeführten Reinigung, bei der diejenigen herausgesammelt wurden, die gegen das Erntewerk waren, blieben nur fünf treue Diener Jehovas zurück, die das Königreich Gottes bekanntmachten. Dazu gehörten das Ehepaar Tilmant, Bruder Fontaine aus Haine St. Paul und Bruder Smets und Bruder Poelmans aus Lüttich. Selbst Edouard Verdière, der so eifrig öffentliche Vorträge gehalten und das Photo-Drama der Schöpfung vorgeführt hatte, war nicht mehr unter ihnen. Bruder Poelmans konnte die Tränen nicht zurückhalten, als er sah, daß sich so viele Brüder von Jehovas Organisation zurückzogen. Etwa 30 Jahre später, so um das Jahr 1950, kehrte Edouard Verdière zu Jehovas Organisation zurück, und er fuhr fort, bis zu seinem Tod mit den Brüdern Gemeinschaft zu pflegen.

Flugblätter, die vom „bösen Sklaven“ gedruckt worden waren, zirkulierten weiter in den Studiengruppen. Unerschütterlicher Glaube an Jehova und seine sichtbare Organisation war lebenswichtig für jemanden, der seinen Stand gegenüber den Personen bewahren wollte, die hofften, den Glauben der treuen Brüder untergraben zu können. Während einer Zusammenkunft hielt Bruder Poelmans einen klaren und begeisternden Vortrag mit dem Wunsch, das Vertrauen der Brüder in Jehovas Organisation zu stärken. Der nächste Sprecher zog sich jedoch zurück, weil er einen Vortrag ausgearbeitet hatte, der sich von dem, den Bruder Poelmans gehalten hatte, gründlich unterschied.

Diejenigen, die treu geblieben waren, verloren nicht den Mut. Wie nie zuvor und mit vermehrtem Eifer machten sie das messianische Königreich im ganzen Land bekannt und verkündeten: „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben.“ Die Folge war, daß zwei Jahre später, im Jahre 1920, die Anwesendenzahl beim Gedächtnismahl in Jumet-Gohissart und Charleroi 14 betrug und in Lüttich sogar 40. Diejenigen, die 1918 aufgehört hatten, sich mit Jehovas Volk zu versammeln — entweder aus Menschenfurcht oder weil sie sich geweigert hatten, mit dem „treuen und verständigen Sklaven“ zusammenzuarbeiten —, gerieten in Vergessenheit.

JEHOVA SEGNET DIE DEMÜTIGEN

Die niederländisch sprechende Bevölkerung in Belgien brauchte nicht mehr lange auf die Königreichsbotschaft zu verzichten. Bruder J. Poelmans fuhr die 120 km von Lüttich nach Antwerpen mit dem Fahrrad und verbreitete das Wort der Wahrheit unter den Menschen in Belgiens größter Stadt.

Allerdings war Bruder Poelmans’ Aktivität nicht auf Antwerpen beschränkt. Er und Bruder L. Smets predigten auch in Lüttich von Haus zu Haus, wo sie die einzigen waren, die das taten. Beide konnten nicht gut schreiben, und so beauftragten sie diejenigen, die sich nicht am Haus-zu-Haus-Dienst beteiligten, ihre Predigtdienstberichtszettel auszufüllen. Ihre Berichte wurden dem Schweizer Zweigbüro übersandt, das bis zum Jahre 1929 das Werk in Belgien beaufsichtigte. Die Brüder im Schweizer Büro bestanden jedoch darauf, daß die beiden Brüder ihre Berichte, so gut es ihnen möglich war, selbst ausfüllten.

Bruder Smets hatte sich ein bemerkenswertes Bibelverständnis angeeignet. Im Jahre 1931 gab er seine Arbeit im Kohlenbergwerk auf und begann einen Dienst, den man heute als Hilfspionierdienst bezeichnen würde. Ebenso wie der Apostel Paulus bürdete er niemandem eine Last auf, sondern arbeitete als Schuster, um für sich und seine Familie zu sorgen. Selbst während er Schuhe reparierte, brachte er es fertig, seine Bibel zu lesen, die er aufgeschlagen vor sich liegen hatte. Bis zu seinem Tode, der ihn im Jahre 1964 im Alter von 95 Jahren ereilte, hatte er sich einen außergewöhnlich klaren Geist erhalten.

VERKÜNDET DAS KÖNIGREICH!

Im Jahre 1922 hatte Bruder Poelmans die Gelegenheit, einem Kongreß in Denain (Frankreich) beizuwohnen, wo, wie er berichtete, ein Bruder ein großes Spruchband hochhielt und mit lauter Stimme ausrief: „Der König kommt. Verkündet den König und sein Königreich.“ An diesem Morgen zogen alle Kongreßteilnehmer hinaus und machten das aufgerichtete Königreich Gottes von Haus zu Haus bekannt.

VERMEHRTE TÄTIGKEIT IN LÜTTICH

In dem Gebiet von Lüttich, wo Bruder Smets und Bruder Poelmans jede Gelegenheit des Zeugnisgebens nutzten, erhielt das Werk seinen größten Auftrieb. Die Bewohner hatten bemerkt, daß Bruder Poelmans flämischer Herkunft war, und so gaben sie ihm den Spitznamen „der kleine Flame“. Selbst während einer Parade im Jahre 1925, die zu Ehren des damaligen Königs von Belgien, Albert I., stattfand, machten Bruder Smets und Bruder Poelmans guten Gebrauch von ihrer Zeit. Sie mischten sich unter die anderen Teilnehmer der Parade und hielten ein großes Spruchband hoch mit den Worten: „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!“ Sie gingen bis zum Ende mit, ohne irgendeine Störung.

Die kleine Gruppe in Lüttich (13 Personen) wuchs weiter, als sich ihnen im Jahre 1928 ein anderer mutiger Königreichsverkündiger anschloß. Es war Ernest Heuse sen. Im Alter von 82 Jahren ist er immer noch im Pionierdienst. Heute sind auch seine drei Söhne mit ihren Frauen sowie seine drei Enkelkinder und die Frauen der beiden verheirateten Enkelkinder im Vollzeitdienst tätig — insgesamt 12 Glieder der Familie. Gemeinsam waren sie Ende 1982 244 Jahre im Vollzeitdienst. Die meisten von ihnen sind Sonderpioniere; einige sind im Kreis- und Bezirksdienst tätig, und einer von ihnen dient im Zweigkomitee.

Während die Brüder Poelmans, Smets und Heuse fleißig Gottes Königreich von Haus zu Haus bekanntmachten, kritisierten die anderen Brüder sie, indem sie sagten, sie seien unfähig, ein solches Werk durchzuführen. Diese Kritiker hatten vergessen, daß „Gott ... das Schwache der Welt auserwählt, damit er das Starke beschäme“ (1. Kor. 1:27). Diejenigen, die nicht auf Fortschritt bedacht waren und sich von der früheren Lebensweise, die durch falsches religiöses Gedankengut beeinflußt war, nicht trennen wollten, weigerten sich, die neue christusähnliche Persönlichkeit anzuziehen. Als Beispiel könnte man die Einstellung des Bruders anführen, der bei den Zusammenkünften in dieser kleinen Gruppe in Lüttich den Vorsitz hatte. Wie die religiösen Führer machte er lieber auf sich selbst als einen ernannten Ältesten aufmerksam, anstatt in den Predigtdienst zu gehen. Vor dem Wachtturm-Studium wurde ihm, da er ja der Vorsitzende war, eine Tasse Tee und ein Stück Kuchen serviert, das er sich dann vor allen Anwesenden schmecken ließ. Dann begann die Zusammenkunft.

Menschenfurcht hielt andere davon zurück, während des Tages mit den Publikationen von Tür zu Tür zu gehen, und so warteten sie, bis es dunkel wurde. Dann schoben sie einige Traktate unter die Türen, oder sie bezahlten sogar Rentner, die dies für sie taten. Jehova bewies jedoch, daß er mit denen war, die ihn wirklich liebten und die sich nicht fürchteten, sein Wort der Wahrheit am hellichten Tag zu verbreiten.

AUSDEHNUNG IN DER FLÄMISCHEN REGION

Bruder Poelmans fuhr fort, die flämische Region zu besuchen. Im Jahre 1928 machte er einen Rückbesuch in Genk-Winterslag bei einem ehemaligen Bergarbeiter, der polnischer Herkunft war. Dieser Rückbesuch bei André Wozniak führte dazu, daß dieser die Wahrheit annahm. Von diesem Jahr an ging die Verbreitung der Königreichsbotschaft in dem niederländischsprachigen Teil des Landes wirklich voran. Bis dahin gab es nur in dem französischsprachigen Teil Belgiens Studiengruppen.

Im Jahre 1930, zwei Jahre später, begann Bruder Wozniak mit dem Kolporteurwerk oder allgemeinen Pionierdienst, wie man heute dazu sagt. Er erwies sich als einer der mutigsten Kolporteure der guten Botschaft in der flämischen Region. Er war ein tatkräftiger Mann, aufrichtig und den Königreichsinteressen völlig ergeben. Bruder Wozniak diente treu bis zu seinem Tode im Alter von 74 Jahren. Er war 43 Jahre im Vollzeitdienst gewesen, was auch seinen Dienst als Kreisaufseher und Sonderpionier einschloß.

ZWEIGBÜRO EINGERICHTET

Im Jahre 1929 war der Zeitpunkt gekommen, in Belgien ein Zweigbüro einzurichten. Brüssel wurde als der geeignetste Ort ausgewählt. Bruder Van Eijck aus Holland diente als Zweigaufseher. Dieser Zweig stand noch unter der direkten Aufsicht des Berner Büros. Bruder Martin Harbeck war der Verantwortliche. Aber mit der Zeit wurde der belgische Zweig direkt der Aufsicht des Hauptbüros der Gesellschaft in Brooklyn unterstellt.

Zum ersten Mal wurden ausführliche Berichte über die Predigttätigkeit geführt, und sie zeigten, daß im Jahre 1929 28 Verkündiger tätig waren, um anderen zu helfen, von der religiösen Knechtschaft befreit zu werden. Unter diesen Verkündigern befanden sich auch neun Kolporteure, die zusammen mit den Verkündigern oder Bibelklassenarbeitern, wie sie damals genannt wurden, in jenem Jahr 41 358 Bücher und Broschüren verbreiteten.

WEITERE AUSDEHNUNG

Die Ernte war groß, aber Arbeiter des Herrn gab es damals im Jahre 1930 in Belgien nur wenige. Nur 27 von den 46 Brüdern verkündigten den damals 7 000 000 Einwohnern des Landes Gottes Königreich von Haus zu Haus.

Trotzdem fühlten sich die Brüder und besonders die neugebildete Gruppe in Brüssel sehr ermuntert, als sie in jenem Jahr ihren Kongreß in Brüssel abhalten konnten. Von den 100 Anwesenden waren insgesamt 20 aus Frankreich, der Schweiz und aus England gekommen. Obwohl 12 verschiedene Sprachen unter ihnen vertreten waren, verspürten die Brüder ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Auf diesem Kongreß entschloß sich Bruder Wozniak, den Pionierdienst aufzunehmen. Er besorgte sich ausreichend Literatur, womit es ihm möglich war, in einer anderen niederländischsprachigen Provinz Belgiens, in Limburg, Zeugnis zu geben.

In demselben Jahr siedelten sich einige englische Pioniere in Flandern an. Eine Pionierin, Schwester Louie Berry, hatte das Vorrecht, bei einer Zusammenkunft in Brüssel dabeizusein, wo 13 Bibelforscher in einer Küche zusammensaßen, um die Worte aus Jesaja 60:22: „Der Kleine selbst wird zu einem Tausend werden und der Geringe zu einer mächtigen Nation“ zu besprechen. Diese Worte würden sich sicherlich auch in Belgien bewahrheiten.

Der erste große internationale Kongreß, bei dem im Mai 1931 3 000 Brüder aus 23 Ländern in Paris zusammenkamen, gab den belgischen Brüdern die nötige Antriebskraft und Entschlossenheit, in dem ihnen von Gott aufgetragenen Werk nach besten Kräften voranzudrängen.

Aber wie sollte eine kleine Gruppe von 27 Verkündigern es bewerkstelligen, die gute Botschaft im ganzen Land zu verbreiten, und das angesichts wiederholter Angriffe von seiten der katholischen Kirche, die ständig Leute anstachelte, Druck auf die Polizei auszuüben mit dem Ziel, die ausländischen Pioniere des Landes zu verweisen? Aber Jehovas Hand beschützte die furchtlosen Verkündiger, die dem Gebot Christi, die gute Botschaft vom Königreich zu predigen, nachkamen (Jes. 51:16; Mat. 24:14).

STANDHAFTIGKEIT DER PIONIERE

Die meisten Pioniere in Belgien waren aus England, Frankreich und der Schweiz gekommen. Diejenigen, denen es schwerfiel, Niederländisch oder Französisch zu sprechen, benutzten beim Zeugnisgeben die Zeugniskarte. Diese ausländischen Brüder erzielten ausgezeichnete Ergebnisse. Ein polnischer Bruder verbreitete zum Beispiel im Jahr 1931 2 110 Bücher und 10 338 Broschüren, und ein englischer Pionier gab 15 000 Broschüren ab. Obwohl sie Widerstand zu überwinden hatten, waren diese Ergebnisse erreicht worden. Sobald die Pioniere in einem katholischen Dorf eintrafen, rannte der Priester schnell zur Polizei, um ihre Festnahme zu veranlassen. Aber die Pioniere predigten unbeirrt weiter und erwiesen sich für die kleinen Gruppen als eine echte Stütze und Ermunterung.

GESETZLICHE KÖRPERSCHAFT GEBILDET

Zweifellos waren die Gegner der Wahrheit nicht erfreut, und sie unternahmen große Anstrengungen, um zu veranlassen, daß die Verkündiger verhaftet und die ausländischen Pioniere des Landes verwiesen wurden. Damit die Organisation eine gesetzliche Vertretung hatte, wurde unter dem Namen Watch Tower Bible and Tract Society eine gemeinnützige Körperschaft gebildet und nach den Gesetzesvorschriften im belgischen offiziellen Blatt Le Moniteur Belge am 7. Mai 1932 eingetragen.

In dem gleichen Jahr (1932), unmittelbar bevor Papst Pius XI. das Jahr 1933 zum „Heiligen Jahr“ erklärt hatte und vor der Machtergreifung des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland, hatten die belgischen Brüder über 196 000 Bücher und Broschüren verbreitet, das heißt mehr als doppelt soviel wie in dem vorangegangenen Jahr.

ÄNGSTLICHE KATHOLIKEN

Die Gegner hörten nicht auf, Widerstand zu leisten. Drohungen, die ausländischen Pioniere des Landes zu verweisen und die Verkündiger zu inhaftieren, gingen Hand in Hand mit den Predigten der katholischen Priester, die ihre Anhänger gegen die Verkündiger von Gottes Königreich aufhetzten. Die Menschen waren vor Furcht wie gelähmt. In der katholischen Provinz Limburg war die Landbevölkerung sogar der Meinung, daß Bruder Wozniak der Teufel selbst sei, und wo immer ihm Leute begegneten, bekreuzigten sie sich. Um diesem Störfaktor zu begegnen, kaufte sich Bruder Wozniak einen schwarzen Filzhut (Melone), der ihm ein vornehmes Aussehen verlieh. Nun betrachteten die Leute ihn als einen ehrwürdigen Herrn. Was war das Ergebnis? Er verbreitete im Durchschnitt täglich 10 Bücher und 100 Broschüren.

DER WIDERSTAND NIMMT ZU

Im deutschsprachigen Teil Belgiens begannen sich nationalsozialistische Gruppen zu bilden, die die Brüder Belflamme und Novak bedrängten, als diese Zeitschriften in der Stadt Eupen verbreiteten. Eine Gruppe von 12 jungen Nationalsozialisten entrissen ihnen auf brutale Weise ihre Predigtdiensttaschen. Die Angriffe wurden so rücksichtslos und unverschämt, daß die Polizei eingreifen mußte, um die Brüder zu schützen.

Anderswo verboten die Behörden den ausländischen Pionieren, das Königreich zu predigen, und einige Pioniere wurden sogar des Landes verwiesen. Von den 26 Pionieren, die im Jahre 1933 berichtet hatten, waren nur noch sechs im Land geblieben. Die im Jahre 1934 gestellten Bittgesuche an König Leopold III., den Premierminister und den Justizminister wurden abgewiesen. Obwohl Bruder Wozniak von der Polizei gesucht wurde, entging er der Ausweisung. Nach einem Regierungswechsel wurde der Justizminister durch einen liberal denkenden Mann ersetzt, der Bruder Wozniak erlaubte, in Belgien zu bleiben.

IN DEN ARDENNEN

Eines Tages, im Jahre 1934, unterhielten sich zwei leibliche Brüder, beide Katholiken, in einem Dorf des Großherzogtums Luxemburg über Religion. „Wenn es nichts anderes gibt als das, was die Priester uns beigebracht haben“, sagte der eine, „wissen wir eigentlich nichts von Gott.“ Dann fügte einer von ihnen hinzu: „Wenn wir nur eine Bibel hätten!“ Einige Tage später ging ihr Wunsch in Erfüllung, als ein Zeuge Jehovas an ihre Tür klopfte. Diese beiden aufrichtigen Wahrheitssucher waren nun im Besitz des Wortes Gottes.

Kurz darauf starb der eine, und der andere zog nach Brüssel, wo er zu einer der Säulen des Königreichswerkes in Belgien wurde. Dieser Bruder, Emile Schrantz, trat 1936 in den Pionierdienst ein. Obwohl er geduldig und demütig war, verfolgte er doch mit Dynamik seine dienstliche Laufbahn überall im niederländisch- und französischsprachigen Raum Belgiens. Während des Zweiten Weltkrieges, als die Brüder gezwungen waren, in den Untergrund zu gehen, diente er als Zonendiener oder Kreisaufseher, wie wir heute sagen. Er war ein Mann des Glaubens und der Tatkraft, und heute, trotz seines Alters, dient er noch als Sonderpionier.

Er begann seinen „Reise“-Pionierdienst in einer Region Belgiens, die als Ardennen bekannt ist. Er fuhr mit dem Fahrrad durch dieses dünnbesiedelte Land, wo kleine Städte und Dörfer verstreut an den bewaldeten Hängen lagen und die Menschen in abergläubischer Furcht vor den Priestern lebten. Oft hielt die Polizei ihn an, aber er kam ihren Anweisungen, mit dem Predigen des Königreiches aufzuhören, nicht nach. Nachdem er in Bastogne mehrere Male in der Woche angehalten worden war, wurde er schließlich zur Polizeiwache mitgenommen, und der Polizeichef befahl ihm, mit dieser Predigttätigkeit sofort aufzuhören. Bruder Schrantz’ Antwort war ein schlichtes „Nein“. Trotz der vielen Drohungen, die den gegnerischen Einfluß der Geistlichen verrieten, hörte er nie auf zu predigen.

Ermunternde Worte waren kaum zu hören. Nur sehr selten luden die Leute ihn in ihre Wohnung ein, um zu hören, was er zu sagen hatte. Jehova erwies sich jedoch für ihn als Hauptquelle der Ermunterung. Die einzige Verbindung, die er zu den Brüdern hatte, bestand in den Briefen, die er von der Gesellschaft erhielt und in denen ihm geraten wurde, dem Beispiel der Propheten zu folgen. Wenn er entmutigt war, zog er sich an den Rand eines Waldes zurück, las nochmals einen Artikel über das Los der Propheten in der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter und kehrte dann zur Straße zurück.

Dank seiner biblischen Lehrtätigkeit kamen einige von der einfachen Landbevölkerung der Ardennen zur Wahrheit und lernten Jehova kennen. Gegenwärtig gibt es in diesem Gebiet sieben Versammlungen, die dem wahren Gott dienen.

DIE „GROSSE VOLKSMENGE“ TRITT IN ERSCHEINUNG

Vom Jahre 1935 an trat die „große Volksmenge“ deutlich in Erscheinung. Diese neuen Mitverbundenen in Belgien zeigten im Dienst Jehovas den gleichen Eifer wie die Gesalbten. Sie freuten sich über ihre Vorrechte. So erklärte Bruder J. F. Rutherford auf dem Kongreß im Jahre 1935 in Washington (D. C.), daß der Platz, den Jehova uns zuweist, zweifellos der beste ist. Dieser überaus wichtige Vortrag wurde nach Brüssel übertragen, und der anhaltende Applaus der Anwesenden in Washington überzeugte selbst die Brüder in Brüssel, die kein Englisch verstanden, daß eine wichtige Botschaft bis an die Enden der Erde übermittelt wurde.

Zu den 13 Versammlungen, die es damals in Belgien gab, gehörten drei polnischsprachige, und zwar in Lüttich, Charleroi und Beringen, und drei weitere, die aus deutschen Brüdern bestanden, in Genk, Eisden und Roux. Eine weitere Versammlung, bestehend aus 10 Verkündigern, wurde in Ieper (Ypres), einer flämischen Stadt, gegründet, die im Ersten Weltkrieg völlig zerstört worden war. Im Jahre 1936 hielt man in dieser katholischen Stadt einen Kongreß ab. Die 50 Brüder, die sich versammelt hatten, waren außer sich vor Freude, als sie 55 Brüder aus Frankreich begrüßen konnten, die sich ihnen in der Haus-zu-Haus-Tätigkeit anschlossen. Bruder Harbeck und Bruder Gertz aus der Schweiz waren unter den Rednern. Nun gibt es in dem Gebiet, in dem damals die 10 Zeugen der Versammlung Ieper arbeiteten, 15 Versammlungen.

DIE WELTAUSSTELLUNG IN BRÜSSEL IM JAHRE 1935

Die Brüsseler Weltausstellung im Jahre 1935 trug ganz besonders dazu bei, daß die belgischen Behörden in ihrer Einstellung gegenüber dem Königreichswerk nachgiebiger wurden. Die Brüder nutzten die Gelegenheit und richteten auf dem Gelände der Weltausstellung einen Literaturstand ein. Ein riesiges Plakat mit den Worten „Watch Tower Bible and Tract Society“ und „Jehovah’s Witnesses“ zog Tausende von Besuchern an. Viele Personen kamen zweimal, um sich mit Literatur einzudecken, während andere direkt zum Zweigbüro gingen und dort eine ganze Reihe von Büchern erwarben. Tausende von Katalogen wurden an Vorübergehende verteilt, und einige sagten: „Das ist das Beste, was wir auf der ganzen Weltausstellung gefunden haben!“

Die Priester wurden wütend, als sie den Literaturstand der Gesellschaft auf der Weltausstellung bemerkten. Einer von ihnen näherte sich den Brüdern und fragte, ob sie eine Verkaufslizenz für die Bücher hätten. Ein anderer nahm einige Bücher in die Hand und ließ sie plötzlich fallen, so, als wäre er vom Blitz getroffen worden.

Bücher in 35 Sprachen lagen außerdem in zwei großen Schaufenstern der Abteilung Graphik aus. Der Gesellschaft wurde in dieser Abteilung sogar eine Silbermedaille zuerkannt. Doch für die Brüder war die Erlangung des gesetzlichen Rechts, die gute Botschaft zu predigen, von größerer Bedeutung. Wiederum konnten ausländische Pioniere in das Land einreisen, wodurch ihre Zahl auf 14 stieg.

MUTIGE POLNISCHE BRÜDER

In Charleroi leisteten polnische Brüder, die sich ihren Lebensunterhalt in Kohlenbergwerken verdienten, sehr viel für die Förderung des Werkes. Bruder François Brzoska, François Hankus, Albin Glowacz und Jean Radojewski, unterstützt von einem deutschen Pionier, zögerten trotz ihrer begrenzten Französischkenntnisse nicht, das Königreich bekanntzumachen. Außer ihnen arbeiteten einige mutige englische Pioniere, besonders Schwester Mona Pratt, Louie und Nancy Berry, Bruder Ernest Senior und Bruder und Schwester Trinder, Seite an Seite, um dieses überaus wichtige Königreichswerk durchzuführen.

DER EINFLUSS DER GEISTLICHKEIT LÄSST NACH

Nachdem die Brüder vier Jahre lang in Rechtskämpfe mit der von der Geistlichkeit beeinflußten Polizei verwickelt waren, bemerkten sie, daß die Behörden eine versöhnliche Haltung einnahmen. Ein Beispiel dafür ist der Fall eines Pioniers, der von einem katholischen Bürgermeister beschuldigt worden war, ohne Erlaubnis von Haus zu Haus gegangen zu sein, und dann vor einem Richter erscheinen mußte. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion zwischen dem Richter und dem Bürgermeister. Sie wurde beendet, als der Richter wütend auf den Tisch schlug und erklärte: „Ich bin hier der Richter; dieser Mann ist frei, weil er ein gutes Werk tut. Oder möchten Sie, daß ich auch gegen die katholischen Nonnen vorgehe, wenn sie von Tür zu Tür gehen?“

GRAMMOPHONE AUF DREIRÄDERN

Die Brüder konstruierten zwei tragbare Grammophone. In Lüttich montierte man eines dieser Grammophone, das man von den Ersparnissen der Brüder Smets und Poelmans gekauft hatte, auf ein Dreirad, das mit all seinem Zubehör und der Batterie 55 kg wog. Sie gingen von Marktplatz zu Marktplatz und stellten sich auch vor Kirchen auf. Der Schallplattenvortrag war noch in einer Entfernung von einigen hundert Metern zu hören. Wegen des Gewichts zogen zwei Brüder das Dreirad, auf das sie manchmal auch eins oder zwei ihrer Kinder setzten. Sie ließen das Gerät nie aus den Augen, denn in Visé war es von einigen katholischen Jugendlichen umringt worden, die versucht hatten, es umzustoßen. Im Jahre 1935 verbrachten die Brüder an 27 Tagen jeweils 10 Stunden in diesem Werk. Unter den 3 595 Zuhörern verbreiteten sie 369 Broschüren, 79 Exemplare der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter, 7 Bücher und eine Bibel.

EIN BEISPIEL DER TREUE

Während des Jahres 1936 kamen neue Pioniere nach Belgien. Einer von ihnen war Werner Schutz aus der Schweiz. Seine Zuteilung war Frankreich gewesen, und er hatte dort gedient, bis die Polizei in Bar-le-Duc ihn im Jahre 1935 auswies. Im Januar 1936 traf er im Zweigbüro in Brüssel ein. Nun mußte er eine neue Sprache lernen — Niederländisch —, denn er diente in der flämischen Stadt Antwerpen. Damals war Bruder Schutz der einzige Zeuge in dieser Stadt mit mehr als 300 000 Einwohnern gewesen, obwohl das Gebiet bereits teilweise von Bruder Poelmans und den englischen Schwestern Nancy Berry und Jessie Whitmore bearbeitet worden war.

Das Jahr 1936 war für die belgischen Brüder bemerkenswert, denen es möglich war, in Luzern (Schweiz) einen Kongreß zu besuchen, auf dem Bruder Rutherford in einem Saal, der von der Polizei bewacht wurde, einen öffentlichen Vortrag hielt. Auch Bruder Schutz war — nachdem er 700 km mit dem Fahrrad von Antwerpen nach Luzern zurückgelegt hatte — auf diesem Kongreß anwesend.

Bruder Schutz erwies sich bis zu seinem Tod im Jahre 1972 als ein mutiger Kämpfer für die Theokratie und hatte bis dahin 47 Jahre im Vollzeitdienst verbracht. Selbst während der nationalsozialistischen Besetzung fuhr er mit seiner Predigttätigkeit fort, und zusammen mit den Brüdern Wozniak, Schrantz und Hartstang erwies er sich als eine der Hauptstützen des Ausdehnungswerkes in jener Zeit.

KRIEGSWOLKEN ZIEHEN SICH ZUSAMMEN

Im Jahre 1937 wurde die Gefahr eines Zweiten Weltkrieges immer drohender. Aufgepeitschte nationalistische Gefühle wurden von den Katholiken ausgenutzt, um die Polizei erneut unter Druck zu setzen, die Brüder zu verhaften. Samen der Wahrheit gingen dennoch auf, und zwar nicht nur in Antwerpen, sondern überall im flämischen Gebiet. In Gent, dem Geburtsort des spanischen Kaisers Karl V., waren die Pioniere damit beschäftigt, das Königreichs„banner“ flattern zu lassen, damit die mehr als 160 000 Bewohner dieser Stadt mit der Königreichswahrheit bekannt gemacht wurden, von der sie nie etwas gehört hatten. Gegen Ende des Dienstjahres 1937 waren 16 Versammlungen für die weitere Tätigkeit im Land gegründet worden.

THEOKRATISCHE ORDNUNG WIEDERHERGESTELLT

Es gab viel Grund zur Freude, als im Jahre 1938 die theokratische Ordnung in der Christenversammlung wiederhergestellt wurde. Doch einige Wahlälteste, die ausgezeichnete öffentliche Redner waren, erkannten diese göttliche Einrichtung nicht bereitwillig an. In einer Versammlung in der Provinz Limburg setzten einige Brüder die demokratische Methode, Älteste zu wählen, fort. Bruder Wozniak half ihnen jedoch, die richtige Ansicht zu erlangen. Die Besuche von drei Kreisaufsehern bewirkten, daß die 20 Versammlungen wieder gediehen. Die 22 Pioniere, die damals tätig waren, überfluteten das Land mit Königreichsliteratur, und die 135 Verkündiger, die mit ihnen zusammenarbeiteten, waren besser organisiert.

ERNEUTES AUFFLAMMEN DES NATIONALISMUS

Belgien hatte alle seine Truppen gegen einen bevorstehenden Angriff der Nationalsozialisten mobilisiert. Erneut nutzte die Geistlichkeit das aufkommende Fieber des Nationalismus, um die Bekanntmachung der guten Botschaft vom Königreich zu verhindern. Immer häufiger wurden Brüder von den Militärbehörden oder der belgischen Polizei zu Verhören gerufen.

Eines Tages, es war in Braine-le-Comte, ließ eine Schwester die Zeitschrift Trost bei einer Dame zurück, deren Mann in der Armee war. Das Bild auf der Titelseite zeigte Hitler, auf einem wilden Tier reitend, das auf der Menschheit herumtrampelte. Als der Mann nach Hause kam und das Bild von Hitler sah, griff er die Zeitschrift und eilte zu den Kasernen zurück, um die Offiziere zu warnen und ihnen zu sagen, daß Jehovas Zeugen da waren. An demselben Abend nahmen drei Offiziere die Brüder fest und beschuldigten sie, als Spione für Hitler zu arbeiten. Obwohl die Brüder die Angelegenheit deutlich erklärten, weigerten sich diese Offiziere, verblendet von Satan, ihnen zuzuhören, und sagten ihnen, daß sie sich wegen Spionage vor dem Kriegsgericht zu verantworten hätten. Der Ausbruch des Krieges hinderte diese Militärbehörden an der Ausführung ihrer Pläne.

Trotz der Drohungen von seiten der Polizei, die von den Geistlichen angestachelt worden war, machte das Werk in der Hafenstadt Antwerpen, wo Bruder Schrantz und Bruder Wozniak fortfuhren, die Grundlage für die erste Versammlung zu legen, gute Fortschritte. Bruder Schrantz ließ sich von Polizeiinspektoren nicht einschüchtern, die sagten: „Wenn Sie ein Märtyrer werden wollen, werden Sie in der rue des Béguines (Gefängnis von Antwerpen) landen.“ Doch Bruder Schrantz’ christliche Karriere endete nicht in der rue des Béguines. Dank der Führung und des Schutzes Jehovas ist er immer noch im Pionierdienst tätig, obgleich die Nationalsozialisten ihn 1940 in dieses Gefängnis brachten, weil er sich geweigert hatte, ihnen die Adresse von Bruder Wozniak, seinem Pionierpartner, zu geben.

In der Provinz Limburg sahen die Brüder, wie ein katholischer Priester einem Polizeibeamten zeigte, in welchem Block die Zeugen die gute Botschaft verkündigten. Bruder Vincent Golic und seine Gefährten mußten aufhören, und ihnen wurden lange Gefängnisstrafen angedroht, falls sie weiter von Haus zu Haus predigten.

In dem französischsprachigen Teil Belgiens kam der gleiche Widerstand direkt von den Priestern, die darüber ärgerlich waren, daß die Pioniere in ihre Weidegründe eindrangen. Sie benutzten jedes Mittel, das ihnen zur Verfügung stand, um sie loszuwerden: Sie warnten ihre Herde, bedrohten die Pioniere, wandten sich an die Staatspolizei und beauftragten Kinder, die Brüder mit Steinen zu bewerfen und die Reifen ihrer Fahrräder zu durchstechen. Außerdem sammelten sie die Literatur wieder ein, die die Brüder verbreitet hatten. Nichtsdestoweniger sagten die Dorfbewohner des öfteren zu ihnen: „Geben Sie mir mehrere Broschüren; wenn der Priester kommt, gebe ich ihm eine, damit er zufrieden ist, und die anderen behalte ich für mich, um darin zu lesen.“

In Ciney leistete ein katholischer Mönch vom Orden der „Weißen Väter“ Schwester Mona Pratt und ihrer Partnerin großen Widerstand, indem er ihnen befahl, ihre Tätigkeit sofort abzubrechen. Die beiden Zeuginnen antworteten, daß Gott sie für dieses Königreichswerk ordiniert habe. „Ich gehöre einem heiligen Orden an“, erwiderte der Mönch, „und ich kann Sie daher dieses Amtes entheben, in das Sie von Gott eingesetzt wurden.“

Die beiden Pionierschwestern nahmen ihr Fahrrad und begaben sich mutig in das nächste Dorf, wo sie Exemplare der Broschüre Weltweiter Krieg nahe an die Menschen verteilten. Der Priester folgte ihnen und forderte die gesamte Landbevölkerung auf, ihm die Broschüren auszuhändigen. Es gelang ihm, einige wenige einzusammeln, denn an vielen Türen, wo zwei Broschüren zurückgelassen worden waren, gaben die Leute ihm nur eine. Dann kam er mit den wenigen Broschüren, die er eingetrieben hatte, auf die Schwestern zu und sagte ihnen, daß er nun ein riesiges Feuer machen wolle. All das schadete der Wahrheit nicht. Heute gibt es in Dinant, Namur und Ciney, wo diese englischen Pioniere einst das Wort Jehovas predigten, blühende Versammlungen.

BEISPIELLOSES ZEUGNIS IN DER VORKRIEGSZEIT

Vor der Invasion der Nationalsozialisten in Belgien war bereits ein beispielloses Zeugnis gegeben worden. Bis zum Jahre 1939 waren 218 Verkündiger und 33 Pioniere — eine Höchstzahl — im Königreichsdienst geschult worden, und theokratische Dienstvorkehrungen waren wieder eingeführt worden. In den 11 Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg waren sie in der Lage gewesen, einen beträchtlichen Teil des Landes zu bearbeiten und fast 1 500 000 Bücher und Broschüren zu verbreiten. Im Jahre 1939 waren 11 neue Versammlungen gegründet worden, und so gab es insgesamt 31 Versammlungen. Aber was würde aus diesem gutbepflanzten Feld in den Jahren der Besetzung durch die Nationalsozialisten werden?

VERBOT ... KRIEG!

Schon bevor Hitlers Horden einfielen, gab es die ersten Angriffe gegen das Königreichswerk. Am 30. März 1940 erklärte der Innenminister, daß die gesamte Literatur der Gesellschaft verboten sei. Dies geschah unter dem Vorwand, die Literatur übe sowohl auf den Sinn der Soldaten als auch auf den der Bevölkerung einen verheerenden Einfluß aus. Die belgische Regierung kam jedoch nicht dazu, dieses Gesetz in Kraft zu setzen, denn knapp zwei Monate später kamen die Nationalsozialisten, und sie waren es, die diese Verordnung durchsetzten.

Am 10. Mai 1940 verwandelte sich Belgien erneut in ein Schlachtfeld. Die englischen Pioniere fragten sich, was sie nun tun sollten. Sie warteten auf Anweisungen vom Zweigbüro, aber auf ihre Anfragen hin fanden sie heraus, daß der neue Zweigaufseher verschwunden war. Sie folgten dem Rat, den das Konsulat ihnen gegeben hatte, und kehrten nach England zurück, jedoch ohne Schwester Pratt. Sie setzte ihre Predigttätigkeit im Untergrund fort, genauso wie Bruder François Brzoska, der polnischer Herkunft war und später ihr Ehemann wurde.

Beim Zeugnisgeben während des Krieges betrat Schwester Brzoska einmal ahnungslos den Laden eines Agenten der Nationalsozialisten. Erst als ihr Blick auf ein riesiges Hitlerbild fiel, wurde ihr bewußt, in welcher Gefahr sie schwebte. Es war zu spät, umzukehren, denn der Nationalsozialist stand direkt vor ihr. Sie bot ihm ein Neues Testament an und sagte, daß es die Hoffnung auf eine neue Ordnung enthalte, in der Frieden herrschen und ewiges Leben möglich sein werde.

„O ja“, erwiderte er, „ich glaube an eine neue Ordnung der Dinge, und ich weiß“, sagte er, indem er auf das Foto Hitlers wies, „daß er daran arbeitet, eine Ordnung aufzurichten, die tausend Jahre dauern wird. Natürlich wissen wir nicht, wann es soweit sein wird, denn zuvor muß eine Brut vollständig ausgerottet werden.“

Schwester Brzoska sagte, daß er zweifellos die Juden im Sinn habe. „Nein“, antwortete er, „die Engländer!“ Er hatte einen ausgesprochenen Haß auf die Engländer, und während er die Schwester beobachtete, die mit einem Akzent sprach, denn sie war britischer Herkunft, fragte er: „Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?“

Schwester Brzoska antwortete: „Die polnische.“ (Offensichtlich durch die Heirat.) „Gut“, sagte er, „aber Sie werden nichts erreichen, bis alle Engländer ausgerottet sind, und wenn ich nur einen zu fassen bekäme, es wäre mir ein Vergnügen, ihn persönlich im Interesse der Menschheit zu vernichten.“ Man kann sich vorstellen, daß der Schwester die Knie schlotterten. Aber wie erleichtert sie doch war, als dieser Mann nicht nur ein Exemplar des Neuen Testaments entgegennahm, sondern noch ein zweites für seinen Freund erbat. Er hatte nicht bemerkt, daß er die Gelegenheit seines Lebens gehabt hatte, jemanden von dieser „englischen Brut“ zu vernichten.

1940 — UNTER NATIONALSOZIALISTISCHER BEDRÜCKUNG

Jehova bereitete sein Volk auf unverminderte Bedrückung von seiten des nationalsozialistischen „Königs des Nordens“ (Dan. 11:40) vor. So wurden die Brüder in ihrer ausschließlichen Ergebenheit gegenüber Jehova durch den Studienartikel über Neutralität, der in der französischen Ausgabe des Wachtturms vom Januar 1940 erschien, gestärkt. Das war gerade im richtigen Moment — unmittelbar vor der Invasion der Nationalsozialisten. Die Broschüre Faschismus oder Freiheit war auch noch gerade zur rechten Zeit an die Versammlungen versandt worden.

Beim Einmarsch von Hitlers Truppen dachten die Brüder, der Krieg von Harmagedon habe begonnen. Aus Furcht, die Nationalsozialisten könnten bei ihnen die Broschüren finden, begannen einige Brüder damit, sie zu verbreiten. In der Gegend von Charleroi hatte Bruder Albin Glowacz nur 15 Tage vor Ausbruch des Krieges 20 Kartons Broschüren erhalten, und er begann sie in die Briefkästen zu werfen. Weitere Broschüren wurden an Flüchtlinge verteilt, die auf dem Weg nach Frankreich waren. Und in Lüttich wurden die Broschüren an die Passanten auf der Straße ausgehändigt.

Da keine Anweisungen vom Büro der Gesellschaft in Brüssel eintrafen, sorgte Bruder Wozniak dafür, daß das Werk fortgesetzt wurde. Er setzte sich mit den Brüdern in Verbindung und versicherte ihnen, daß Harmagedon noch nicht begonnen habe, und regte an, die Veröffentlichungen nicht weiter gratis zu verbreiten. „Bewahrt sie auf“, sagte er, „ihr werdet sie noch benötigen“, und er ermunterte die Brüder, die Literatur für das noch bevorstehende Werk aufzuheben und zu verstecken.

Im Zweigbüro waren die Veröffentlichungen in den Wänden oder unter dem Holzfußboden versteckt worden. Das war so gut gemacht, daß Hitlers Soldaten, die im Oktober 1940 die Büros durchsuchten, nichts fanden. Später wurden die Veröffentlichungen in sicherere Verstecke gebracht. Bruder und Schwester Coenen zum Beispiel benutzten dazu einen Handkarren, mit dem sie äußerst vorsichtig die meiste Literatur wegschafften. Es gelang ihnen, den Weg 6mal zu gehen, ohne ein einziges Mal angehalten zu werden. Bruder Michiels half Bruder Floryn im Erdgeschoß seines Hauses, das als Lager diente, 500 Bücher und 4 000 Broschüren zu verstecken. Alles war hinter Regalen versteckt. Unglücklicherweise entdeckte die Gestapo dieses Lager, als sie Bruder Floryn im Juni 1941 verhaftete. Daraufhin wurde er in ein Konzentrationslager der Nationalsozialisten gebracht. Weil die Literatur knapp war, wurden die Veröffentlichungen nicht mehr gegen einen Betrag zurückgelassen, sondern ausgeliehen, wodurch eine größere Anzahl Personen Nutzen daraus ziehen konnte.

Satan schien das Königreichswerk in Belgien beträchtlich geschwächt zu haben. Es gefiel ihm bestimmt nicht, daß im Jahre 1940 eine Höchstzahl von 275 Verkündigern und 34 Pionieren zu verzeichnen war, die das Königreich bekanntmachten. Er nutzte die Schließung des Zweigbüros aus und gebrauchte die totalitären Horden für seine Zwecke und verbreitete Furcht und Panik in den Versammlungen. In Brüssel zum Beispiel wurden mehr als 50 % der Brüder untätig. Nur eine kleine Gruppe von Verkündigern fuhr fort, das Königreich in diesen schwierigen Zeiten an die erste Stelle in ihrem Leben zu setzen. Im Jahre 1941 waren nur noch 86 Verkündiger tätig, und 14 Versammlungen hatten aufgehört zu existieren. Aber Satans Jubel sollte nur von kurzer Dauer sein.

REORGANISATION IM UNTERGRUND

Der Geist Jehovas bewirkte, daß die Brüder die Notwendigkeit der Reorganisation erkannten, damit das Predigtwerk im Untergrund weitergehen konnte. Bruder Wozniak, der Kreisaufseher war, sprach darüber mit dem Zweigaufseher, der aber nicht die Initiative ergriff, weil er von der Gestapo gewarnt worden war und sich beobachtet fühlte. Das geheime Treffen der Aufseher, das er geplant hatte, fand nicht statt, und so bat Bruder Wozniak den Bruder, der das Untergrundwerk in Holland leitete, auch das Werk in Belgien zu leiten.

Damals stand Bruder Winkler dem Werk in Holland vor, und er beauftragte Bruder Hartstang, der in der Untergrundtätigkeit viel Erfahrung hatte, im Juli 1941 nach Belgien zu gehen, um die große Verantwortung der Neuorganisierung des Werkes zu übernehmen.

BESCHAFFUNG UND VERVIELFÄLTIGUNG DES WACHTTURMS

Die Brüder in Belgien warteten jedoch nicht bis zur Ankunft von Bruder Hartstang, sondern trafen schon zuvor Vorkehrungen, um geistige Speise zu erhalten. Zunächst mußten sie sich jeweils ein Exemplar des Wachtturms beschaffen, um ihn zu übersetzen und um die Brüder dann mit Exemplaren versorgen zu können. Ein Bruder erklärte sich bereit, regelmäßig nach Holland zu fahren, um ein Exemplar zu beschaffen. Er entfernte den Sattel von seinem Fahrrad, steckte einen zusammengerollten Wachtturm in den hohlen Rahmen, befestigte den Sattel wieder ordnungsgemäß und fuhr so über die Grenze.

Einmal im Besitz eines Manuskripts, ließ Bruder Wozniak es ins Polnische, Deutsche und Französische übersetzen. Um eine ausreichende Anzahl Exemplare des Wachtturms herstellen zu können, war Vervielfältigungsmaterial nötig. Selbst Schreibmaschinen waren knapp, sie waren geradezu kostbar. Ein glaubensschwach gewordener Bruder in Antwerpen besaß eine Schreibmaschine, die eine Zeitlang zum Schreiben von Briefen und anderen Anweisungen hinsichtlich der Neuorganisierung des Werkes benutzt worden war. Da dieser Bruder nun mit einer Sekte in Verbindung stand, die aus der Klasse des „bösen Sklaven“ hervorgegangen war, mußte er gemieden werden, aber die Schreibmaschine wurde dennoch benötigt. Was war zu tun?

Bruder Floryn und Bruder Wozniak gingen zu diesem Bruder mit der Absicht, die Schreibmaschine zu kaufen. Aber er lehnte ab. Wie konnte man ihn dazu bringen, sie dennoch zu verkaufen? Da er nicht ganzherzig für Jehova und seine Organisation eintrat, mangelte es diesem Mann an der Furchtlosigkeit und dem Mut, durch den sich Jehovas treue Diener auszeichnen. Bruder Floryn bemerkte, daß die Schreibmaschine bereits für die Untergrundtätigkeit benutzt worden sei, und da sich jede Schreibmaschine durch ein typisches Schriftbild auszeichne, wäre es für die Gestapo ein leichtes, diese Maschine als diejenige zu erkennen, mit der die betreffenden Texte geschrieben worden seien. Sie sei daher eine ständige Gefahr für den Besitzer. Jetzt war er bereit, den Brüdern die Schreibmaschine zu verkaufen, ja er war froh, sie los zu sein!

DAS HERSTELLEN VON LITERATUR IM UNTERGRUND

In dem Bergwerksgebiet von Limburg gab es eine kleine Gruppe ausländischer Brüder. Es wurde zu einem Druckzentrum während der Untergrundtätigkeit. Die Familien Golic und Pajk sowie andere Familien stellten ihre Wohnungen zur Verfügung. Dort übersetzten sie den Wachtturm ins Deutsche, Niederländische, Italienische, Polnische und ins Slowenische. Dann schrieben sie alles auf alten Schreibmaschinen mit vielen Durchschlägen. Um das Geräusch der Schreibmaschinen zu dämpfen, hängte die Familie Pajk schwere Wolldecken vor die Fenster, während die Familie Golic Doppelfenster einsetzte. Trotzdem blieb den Nachbarn die Untergrundtätigkeit nicht verborgen, denn die Brüder holten häufig Literatur ab. Niemand verriet sie jedoch, denn die Belgier betrachteten alles, was im Untergrund geschah, als etwas, was gegen das verhaßte nationalsozialistische Regime gerichtet war. Diese Brüder druckten sogar das Buch Kinder in Slowenisch.

UNTERGRUNDZENTRUM

Eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung von Literatur im Untergrund befand sich in der Wohnung der Familie Doyen in Ougrée, in der Nähe von Lüttich. Man hätte es auch Untergrundbethel nennen können. Die Ausrüstung bestand aus zwei Schreibmaschinen und einem Vervielfältigungsapparat. Es ging zu wie in einem Bienenstock. Bruder und Schwester Hartstang wohnten und arbeiteten dort fast die ganze Zeit.

Außerdem arbeitete Bruder Fritz Schneider dort, der deutscher Herkunft war. Er war der Drucker. Zeitweise hielt sich auch Bruder Werner Schutz in dieser Wohnung auf und übersetzte entweder vom Deutschen ins Französische oder vom Niederländischen ins Französische. Diese beiden Brüder wurden in der Nähe untergebracht. Der Informator (nun Unser Königreichsdienst) und sogar das Buch Kinder wurden in der Wohnung der Familie Doyen in Polnisch gedruckt.

Etwas anderes, was in Verbindung mit der Familie Doyen noch erwähnenswert ist, ist der Umstand, daß der Vater nicht in der Wahrheit war. Ein Sohn war in Kriegsgefangenschaft, und zwei andere waren schon dafür bestimmt, als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert zu werden. Hätten sie sich geweigert und sich versteckt, so wäre die Wohnung ständig von deutschen Soldaten überwacht worden und als Zentrale für die Untergrundtätigkeit und für die Herstellung von biblischer Literatur nicht mehr in Frage gekommen. Obwohl nur einer der Söhne an der Wahrheit interessiert war, ließen sie es zu, daß man sie beide deportierte, so daß ihre Wohnung weiterhin für das Werk zur Verfügung stand.

Manch einer mag sich fragen, wie eine derart intensive Tätigkeit, die der in einem Bienenstock glich, von den Nachbarn unbemerkt bleiben konnte. Manchmal gingen Brüder ein und aus und trugen nicht weniger als vier Koffer oder Pakete heraus. Aber genauso wie in dem anderen Zentrum in Limburg bewahrten auch hier die Nachbarn vollständiges Stillschweigen. Sie betrachteten das Ganze als eine Art Widerstand gegen die nationalsozialistischen Eindringlinge.

DEN FEINDEN ENTGEHEN

Um den Feind von seiner Fährte abzulenken, machte Bruder Hartstang von Zeit zu Zeit Rundreisen, wobei er die Brüder besuchte und sogar nach Frankreich reiste. Tatsächlich ging Bruder Hartstang eine Zeitlang heimlich über die französische Grenze, und zwar alle 14 Tage, um die englische Ausgabe des Wachtturms zu holen, die aus der Schweiz nach Frankreich gebracht wurde. Es versteht sich von selbst, daß dies schwere Zeiten für Schwester Hartstang waren, da sie nie wußte, ob ihr Mann zurückkehren würde.

ZUSAMMENARBEIT MIT WELTLICHEN DRUCKEREIEN

Manchmal hielt sich Bruder Hartstang in der Wohnung von Bruder Ista in Brüssel auf. Dieser Bruder war eine große Hilfe, wenn es um die Versorgung der Brüder mit geistiger Speise ging. Er setzte sich mit Herrn De Prince von der Erasmus-Druckerei in Brüssel in Verbindung, und gegen Ende der Besetzung durch die Nationalsozialisten erklärte sich dieser Mann bereit, im Untergrund für uns zu drucken. Es wurde nicht nur Der Wachtturm gedruckt, sondern auch 6 000 Exemplare des Buches Kinder.

Da das Predigtwerk in dem flämischen Gebiet nicht so gut entwickelt war wie in dem wallonischen, war die Literatur in Niederländisch knapp. Bruder Wozniak gelang es, 10 000 Exemplare der Broschüre Entscheidung in Niederländisch bei einem Drucker in Charleroi drucken zu lassen, nicht weil er den Zeugen gut gesinnt war, sondern weil er ein fanatischer Gegner der Deutschen war.

EIN RISKANTES UNTERNEHMEN

Publikationen wurden sogar heimlich in einem Boot von Holland nach Belgien geschafft. Ein niederländischer Bruder besaß ein Boot mit dem Namen Lichtdrager. Er versteckte Literatur in seinem Boot und entlud sie in Bree (Limburg) und in dem Bezirk von Kortrijk. Mit dem Fahrrad fuhren die Brüder an den Ort, wo die Literatur ausgeladen wurde, und nahmen die Kartons mit nach Hause.

All das geschah natürlich nicht ohne Risiko. Eines Tages wurde ein Bruder, der einen Karton mit dem Buch Kinder bei sich hatte, von einer deutschen Polizeistreife, die Schwarzmarktschmugglern auf der Spur war, angehalten. Als der Soldat den Inhalt des Kartons sah, rief er aus: „Oh, das ist für Kinder!“ und ließ den Bruder weiterfahren.

Ein anderes Boot mit Namen Dolphijn fuhr 5mal mit Literatur über die belgisch-holländische Grenze.

LITERATURTRANSPORTE

Wenn schon die Herstellung der Literatur im Untergrund ein Problem darstellte, so kam durch die Verteilung in alle Teile des Landes ein weiteres hinzu. Es war nicht möglich, die Eisenbahn oder die Post zu benutzen, denn diese standen unter Militärkontrolle. Außerdem war die Benutzung eines Autos ausgeschlossen, weil Benzin knapp war. Da war noch das Fahrrad, aber selbst hier gab es Probleme mit den Reifen; man konnte einfach keine bekommen. Die Brüder in Limburg erwiesen sich als Spezialisten, indem sie aus alten Autoreifen Fahrradreifen machten. Diese waren zwar nicht sehr elastisch, aber die Hauptsache war, man kam voran.

Brüder, die Literatur transportierten, waren so schwer beladen, daß es fast unmöglich schien, sie nicht zu bemerken. Außerdem riskierten sie, für Schmuggler gehalten zu werden, die den Schwarzmarkt belieferten. Bruder Wozniak, Bruder Schrantz, Bruder Floryn und Bruder Schutz, die diesen besonderen Dienst durchführten, setzten ihre Tätigkeit jedoch mutig fort.

JEHOVAS SCHUTZ

Als Bruder Schrantz einmal in der Nähe von Mecheln unterwegs war, verlor er auf seinem Fahrrad, das mit Literatur hoch beladen war, das Gleichgewicht und stürzte unmittelbar vor einem deutschen Soldaten zu Boden. Der Soldat half ihm, aufzustehen und die Literatur wieder aufs Fahrrad zu packen, und wünschte ihm eine angenehme Reise. Um ihre Brüder mit den Veröffentlichungen zu versorgen, reisten diese Brüder, die nur unzureichend ernährt waren, oft schwer beladen 110 bis 160 km weit.

Einmal war Bruder Schutz mit Literatur in Richtung Charleroi unterwegs, aber er kam am Bestimmungsort nicht an. Nach einigen Tagen machten sich Bruder E. Heuse sen. und Bruder Schrantz Sorgen und begannen nach ihm zu suchen. Schließlich fanden sie ihn in einem Krankenhaus in Lüttich. Er war bei einem Bombenangriff in der Nähe von Val St. Lambert verwundet worden. Dieses Erlebnis schien ihm seelisch nicht geschadet zu haben; im Gegenteil, er hatte schon lange nicht mehr so gut gegessen! Nur eine Sache machte ihm Sorgen: Wo war das Fahrrad mit der Literatur?

Die Brüder suchten überall, und schließlich fanden sie das Fahrrad mit der kostbaren Fracht in einer katholischen Anstalt. Die Nonnen hatten auf alles gut aufgepaßt, und nun gaben sie es zurück, ohne zu ahnen, was in dem Gepäck war!

Manchmal war das Wetter so schlecht, daß man mit dem Zug reisen mußte — trotz des Risikos einer Kontrolle durch die Feldgendarmen (deutsche Militärpolizei) und die Gestapo. Eines Tages geriet Bruder Schutz in eine solche Zugkontrolle. Er trug zwei schwere Koffer. Einer war mit Literatur gefüllt, und der andere war voller Kohlen, die ihm die Brüder, die in den Bergwerken arbeiteten, mitgegeben hatten. Welch eine Erleichterung war es doch für den Bruder, als die Soldaten sich dafür entschieden, in den Koffer mit den Kohlen zu schauen! Als sie den Inhalt sahen, brachen sie in Gelächter aus und gingen ihres Weges. Ein anderes Mal forderte ein Beamter der Gestapo ihn auf, den Koffer mit der Literatur zu öffnen. Nachdem er einen flüchtigen Blick darauf geworfen hatte und die Aufschrift „Adam und Eva“ gesehen hatte, rief der Gestapobeamte aus: „Gehen Sie nur weiter mit diesem Blödsinn!“ Das tat er schnellstens. Bruder Schutz, der Schweizer war, stand bei den Deutschen weniger in Verdacht.

Außerdem verdächtigte man Schwestern weniger als Brüder. Aus diesem Grund war Schwester Marie Smets sozusagen die Verbindung zwischen Lüttich und Namur, und sie reiste stets schwer beladen — je nach Witterungsbedingungen — mit dem Fahrrad oder mit dem Zug. Eines Tages ging sie mit zwei schweren Koffern und mit Fahrradreifen um den Hals zum Bahnhof, aber der Zug kam nicht. Nachdem sie zwei Stunden gewartet hatte, wurde die Ankunft eines deutschen Militärzuges angekündigt, den Zivilisten benutzen durften. So geschah es, daß sie schwer beladen mit Untergrundliteratur in einem Militärzug reiste. Unbeschadet erreichte sie morgens um 5 Uhr das Haus von Bruder Fevrier in Namur.

FURCHTLOSE JUNGE BRÜDER

Junge Brüder wurden ebenfalls für den Transport von Literatur eingesetzt; und auch sie bewiesen christlichen Mut. Bruder Ernest Heuse jr. war 16 Jahre alt, als er von Lüttich nach Verviers reiste. Er berichtet wie folgt von seinem Erlebnis: „Nur wenige Minuten nach der Abreise bestiegen Feldgendarmen den Zug. Es waren sechs. Sie schrien: ,Hände hoch!‘ Jeder gehorchte. Offensichtlich suchten sie jemand Bestimmtes, und der erste zeigte mit dem Finger auf mich. Sie befahlen mir aufzustehen; ich dachte, jemand hätte mich verraten. Einer drückte mir von hinten die Pistole in den Rücken, ein anderer stand vor mir und ein dritter an meiner Seite. Sie fragten nach meinen Ausweispapieren, und als ich sie aus meiner Tasche ziehen wollte, schlug einer mir auf die Hand und nahm die Brieftasche selbst heraus. Sie durchsuchten mich von Kopf bis Fuß. Als sie gingen, hatte ich das Gefühl, daß sie etwas vergessen hatten.

Ein älterer Herr, der mir gegenübersaß, bemerkte, daß die Polizei vergessen hatte, mein Gepäck zu kontrollieren. Erst dann erinnerte ich mich, daß ich Gepäck bei mir hatte. Hätte ich an das Gepäck gedacht, während sie mich durchsuchten, wäre ich wahrscheinlich nervös geworden, denn ich hatte einige Durchschläge des Wachtturms über die Prophezeiung Daniels von dem König des Nordens und dem König des Südens bei mir sowie einige Broschüren, betitelt Faschismus oder Freiheit. Der ältere Herr meinte, daß sie mein Gepäck wahrscheinlich deshalb übersehen hätten, weil die drei für das Gepäck zuständigen Beamten wohl gedacht hätten, daß die drei, die meine Papiere kontrollierten, auch mein Gepäck kontrolliert hätten, und so seien sie einfach weitergegangen. Ich persönlich glaubte jedoch, daß dies Jehovas Schutz zuzuschreiben war.“

VERBINDUNG MIT DEM ZWEIGBÜRO

Man mag sich nun fragen, wie die Veröffentlichungen an die Versammlungen verteilt wurden. Laßt uns nun sehen, wie dies zum Beispiel in einem der Zentren, nämlich in der Wohnung von Bruder Fevrier, geschah. Er erhielt die Literatur in Form von kleinen Päckchen, die keine Aufschrift trugen, sondern nur eine Nummer. Die Versammlung, für die das Päckchen bestimmt war, sandte jemanden, um es abzuholen, und das geschah oft bei Nacht. Der Bote sagte einfach: „Ich möchte Paket Nummer 22.“ Sowie er das Paket an sich genommen hatte, ging er, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schnell weg.

Die Predigtdienstberichte wurden auf folgende Weise eingesammelt: Jede Versammlung war durch einen Buchstaben gekennzeichnet, während die einzelnen Verkündiger eine Nummer hatten. Die Versammlung wurde in Studiengruppen unterteilt, die aus 8 bis 10 Personen bestanden, und man kannte nur den Verantwortlichen der Gruppe, oftmals war nicht einmal sein Name oder seine Adresse bekannt. Dieser Bruder sammelte die Berichte ein und übergab sie dem vorsitzführenden Aufseher der Versammlung, den nur die Verantwortlichen der Studiengruppen kannten.

Nachdem der Bericht vollständig war, ging es nur noch darum, auf den Kreisaufseher zu warten, der der Mittelsmann zwischen den Versammlungen und dem Untergrundbethel war. Er sammelte die Berichte ein und notierte den Bedarf der Versammlung an Exemplaren des Wachtturms und des Informators (jetzt Unser Königreichsdienst). Er hielt den Dienstbericht in Geheimschrift fest, so daß, falls man den Bericht bei ihm finden würde, es für einen Außenstehenden unmöglich wäre, ihn zu entziffern.

ZUSAMMENKÜNFTE IN DER BESATZUNGSZEIT

Jeder verstand die Wichtigkeit, zur gegenseitigen Ermunterung zusammenzukommen. Die Brüder kamen in kleinen Gruppen in Privatwohnungen zusammen. Viele Vorsichtsmaßnahmen waren zu beachten: 1. Die Brüder durften nicht zusammen eintreffen; das Ankommen und Weggehen ging in zeitlichen Abständen vor sich, um nicht die Aufmerksamkeit anderer zu erwecken. 2. Der Ort der Zusammenkunft wurde von Woche zu Woche geändert und wenn möglich auch Tag und Stunde. Folglich war es unerläßlich, bei jeder Zusammenkunft anwesend zu sein, um zu wissen, wo die nächste stattfinden würde. Selbstverständlich konnte niemand von sich aus einen Interessierten zu den Zusammenkünften mitbringen; der Betreffende mußte zuerst auf seine Aufrichtigkeit hin geprüft werden. 3. In Zeiten großer Gefahr hatte die Zusammenkunft den Anstrich eines Familientreffens. Zum Beispiel war der Tisch für ein gemeinsames Mahl gedeckt. Falls irgend etwas Unerwartetes eintrat, wurde das Studienmaterial außer Sichtweite gebracht, und man blieb am Tisch sitzen, so, als würde man auf die Mahlzeit warten. Dieses Vorgehen zerstreute jeden Verdacht eines religiösen Zusammenkommens von 10 Personen.

Das Studienmaterial war passend für diese Zeit. Es bestand aus Bibelberichten, die für Gottes Volk heute prophetische Bedeutung haben. Unter anderem waren es Berichte über Ehud, Barak, Debora, Jephtha und Daniel. Manchmal wurde Stoff wie zum Beispiel die Prophezeiung Michas über eine Zeitspanne von mehreren Monaten studiert. Diese reichhaltige geistige Speise war genau das, was die Brüder für ihren Kampf gegen die politisch-religiösen Elemente ausrüstete, die versuchten, sie auszurotten, genauso, wie es in den historischen und prophetischen Berichten vorhergesagt worden war.

DIE GESTAPO SUCHT BRUDER WOZNIAK

Schon lange vor dem Jahre 1940 hatte das nationalsozialistische Regime seine grausame Absicht, Jehovas Zeugen zu vernichten, erkennen lassen. Es ist daher verständlich, daß diese Agenten des Todes, sobald sie in Belgien eindrangen, versuchten, das Werk der Zeugen zu vernichten. Ihr Hauptziel waren die Furchtlosen und diejenigen, die sich durch besondere Aktivität auszeichneten. Der Mann, auf den sie es besonders abgesehen hatten, um ihn zu vernichten, war Bruder André Wozniak, der damals mit Bruder Schrantz in Antwerpen im Pionierdienst stand.

Eines Tages, als Bruder Wozniak nicht zu Hause war, sondern gerade die Versammlungen besuchte, um sie zu stärken und ihre Tätigkeit zu organisieren, erschien die Gestapo und durchsuchte seine Wohnung. Bruder Schrantz wurde zu einem Verhör mitgenommen. Während des Verhörs mußte er außerordentlich vorsichtig sein, um seinen Partner nicht zu verraten. Es wurde ihm zum Beispiel eine Liste mit Namen von Brüdern vorgelegt, und er wurde gefragt, ob er sie kenne. Er entgegnete, daß er einige kennen würde, und wählte solche aus, die entweder tot waren oder das Land verlassen hatten. Als er gefragt wurde, wo sein Freund sei, antwortete er: „Er besucht seine Verwandten, aber wir kümmern uns nicht um die jeweiligen Privatangelegenheiten des anderen; das ist der einzige Weg, um Probleme zwischen Freunden zu vermeiden.“ Der Gestapobeamte stimmte zu und sagte, das sei das Beste, was man tun könne. Der Bruder wurde nach 40 Tagen Gefängnisaufenthalt entlassen; wahrscheinlich hatten die Beamten gehofft, er würde sie schließlich zu Bruder Wozniak führen. Um sie von der Fährte abzulenken, zog Bruder Schrantz in ein anderes Gebiet, und zwar in die Ardennen.

VON DER GESTAPO IN EINE FALLE GELOCKT

Einige Zeit später hatte Bruder Wozniak ein unvergeßliches Erlebnis. Lassen wir ihn selbst erzählen: „Es war Anfang Juni 1941. Um die Brüder in der Nähe von Charleroi zu stärken, fuhr ich mit dem Fahrrad zur Wohnung von Bruder Hankus in Couillet, wo ich übernachten wollte. Im Falle von Gefahr war vereinbart worden, daß ich vom Dachboden aus auf das Dach klettern sollte, um auf diese Weise über die Dächer der benachbarten Häuser zu entkommen.

Am nächsten Morgen um 7 Uhr erwachte ich und hörte, wie jemand rief: ‚Aufmachen!‘ Ich sah aus dem Fenster und erblickte drei Männer in Zivilkleidung — es war die Gestapo! Halb angezogen, Hose und Jacke über dem Arm, kletterte ich eilig die Treppe zum Dachboden hinauf. Ich versteckte mich, so gut ich konnte, zwischen dem Dach und der Decke des Dachbodens. Alles ging blitzschnell, denn im nächsten Moment waren die Gestapobeamten auf dem Boden. Als sie niemand sahen, gingen sie wieder hinunter und fragten Bruder Hankus, wo ich sei. Als er keine Antwort gab, begannen sie ihn zu schlagen. Mein Herz schlug so stark, daß ich meinte, man müsse es hören.

Ich betete zu Jehova, er möge sie mit Blindheit schlagen. Unglaublich, aber wahr: Sie durchsuchten das ganze Haus vom Keller bis zum Dachboden, begleitet von Bruder Hankus, ohne mich zu entdecken! Schließlich fanden sie mein Fahrrad und meine Tasche und schlugen fürchterlich auf Bruder Hankus ein. Aber er blieb stark und verriet mich nicht. Dann brachten zwei Beamte ihn ins Gefängnis.

Der andere Beamte blieb mit einem schußbereiten Revolver im Haus und bewachte Schwester Hankus. Alle zwei Stunden wurden die Wachen abgelöst. Was mich betraf, ich befand mich unter den Dachziegeln; es war heiß, und ich war hungrig, aber ganz besonders plagte mich der Durst. Etwa gegen Mittag hörte ich eine sanfte Stimme sagen: ‚Komm nun runter, sie sind weg!‘ Um ein Haar hätte ich mein Versteck verlassen und wäre hinuntergegangen, da alles so ruhig war, aber ich verharrte regungslos. Später erzählte mir die Schwester, daß es die Stimme des Beamten gewesen sei, der mich überlisten wollte, mich selbst preiszugeben.“

ENDLICH BEFREIT

Dunkelheit brach herein, und Bruder Wozniak konnte den Durst fast nicht mehr ertragen. Er berichtet: „Außerdem war ich sehr müde und hatte Angst einzuschlafen, weil ich einen sehr tiefen Schlaf habe und oft laut schnarche. In meiner unbequemen Lage einzuschlafen und zu schnarchen hätte bedeutet, daß man mich entdeckt hätte. Um wach zu bleiben, stach ich mich fortwährend mit einer Nadel, bis ich blutete; aber schließlich verließen mich meine Kräfte, und ich dachte, alles sei verloren.

Um Mitternacht wurde der Schwester erlaubt, ins Bett zu gehen. Sie brachte es fertig, mir etwas Brot und Wasser zu bringen, und ich erzählte ihr von meinem Fluchtplan. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus gelangte ich auf das flache Dach und ließ mich an der Regenrinne hinuntergleiten. Schließlich sprang ich etwa 4 m tief und landete im Garten. Es war unmöglich, zu diesem Zeitpunkt weiterzugehen, denn ich wäre von einer Polizeistreife angehalten worden. So versteckte ich mich und wartete auf den Tagesanbruch.

Gegen Morgen sah ich eine Frau in ihrem Garten. Als ich sie um etwas Wasser bat, stand ihr die Angst im Gesicht geschrieben. Sie brachte mir jedoch etwas Wasser, Seife und ein Rasiermesser. Da ich barfuß war, bat ich sie, mir ein paar leichte Straßenschuhe zu kaufen. Als nächstes berichtete mir eine interessierte Person, daß die Gestapo an jenem Morgen um 7 Uhr weggegangen sei und mein Fahrrad mitgenommen habe. Aber man gab mir das Fahrrad von Bruder Hankus, und schnell wie ein Pfeil fuhr ich zur Wohnung von Bruder Brzoska, wo ich eine Büchertasche und eine Bibel erhielt. Nachdem ich einen Tag und eine Nacht geschlafen hatte, ging es weiter zur nächsten Versammlung.“

PLÖTZLICHE ÄNDERUNG DER PLÄNE

Als Bruder Wozniak dort angekommen war, begab er sich in die Wohnung von Bruder Albin Glowacz, wo er während der Zeit seines Besuches bleiben wollte. „Ich hatte geplant, eine Woche bei ihm zu bleiben“, sagte Bruder Wozniak, „aber während der Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere.“ Es kam ihm, wie er berichtet, in den Sinn, seine Pläne zu ändern. „Beim Frühstück eröffnete ich Bruder Glowacz, daß ich beabsichtigte, noch am selben Tag die nächste Versammlung in Carnières zu besuchen. Er versuchte, mich umzustimmen, und erwähnte sogar die vorhandene gute Kost wie Weizenbrot und Butter, etwas, was damals wirklich einladend klang. Nichts konnte mich jedoch von meinem Plan abbringen, und so fuhr ich nach Carnières.

Am nächsten Tag erfuhr ich zu meinem Entsetzen, daß die Gestapo noch am selben Vormittag in der Wohnung von Bruder Glowacz erschienen war und ihn ins Gefängnis weggeführt hatte, von wo aus er schließlich ins Konzentrationslager eingeliefert werden sollte! Wie froh ich doch war, daß ich mich nicht durch gutes Brot und Butter hatte zurückhalten lassen! Eins stand fest: Die Beamten der Gestapo waren mir auf den Fersen. Ich mußte versuchen, sie abzuhängen.

Ich kehrte nach Antwerpen zurück, wo ich erfuhr, daß unser Zimmer versiegelt worden war, daß die Frau des Hausbesitzers, die an der Wahrheit interessiert war, von der Gestapo abgeholt worden war und daß der Besitzer verpflichtet war, mich bei der Gestapo anzuzeigen, sobald ich eintreffen würde. Auch hier verschlimmerte sich die Lage zusehends; ich mußte Antwerpen sofort verlassen.

So machte ich mich auf den Weg nach Limburg, um die Versammlungen zu besuchen. Zwei Stunden nach meiner Abreise aus Waterschei, wo ich mich aufgehalten hatte, drang die Gestapo in das Haus ein und durchsuchte alles. Die Situation verschlimmerte sich rasch. Sie waren entschlossen, mich zu finden — offensichtlich von Dämonen beeinflußt.“

BRUDER FLORYN GERÄT IN EINE FALLE

An demselben Tag, als Bruder Wozniak abgereist war, das heißt nach der Festnahme von Bruder Hankus, erreichte Bruder Floryn, der der Verbindungsmann war, mit dem Fahrrad die Wohnung von Bruder Hankus, und zwar mit 400 Broschüren und 24 Büchern. Es war der 7. Juni 1941. Da Schwester Hankus’ Mann gerade verhaftet worden war, bat sie den Bruder, so schnell wie möglich wieder abzufahren. Das tat er, aber nicht ohne Bruder Wozniaks Schuhe mitzunehmen, die er woanders hinbrachte. Er hätte zur Wohnung von Bruder Glowacz fahren sollen, aber angesichts der Ereignisse kehrte er noch an demselben Abend müde und erschöpft in seine Wohnung nach Brüssel zurück.

Zu Hause angekommen, erfuhr er, daß die Gestapo das ganze Haus durchsucht hatte und die gesamte Literatur, die versteckt gewesen war, mitgenommen hatte: 20 Bibeln, 500 Bücher und 4 000 Broschüren. Seine Frau und seine Schwiegereltern waren den ganzen Tag bewacht worden. Er war in eine Falle geraten. Am nächsten Morgen um 5 Uhr erschien die Gestapo und führte ihn in Handschellen ab. Er kam ins Gefängnis und später in deutsche Konzentrationslager, wo man ihn bis Kriegsende festhielt. Seiner Frau widerfuhr ein Jahr später das gleiche Schicksal; sie mußte ihre beiden kleinen Kinder der Obhut ihrer Eltern überlassen.

VERSTÄRKTE GESTAPOTÄTIGKEIT

Etwa um dieselbe Zeit nahm ein Gestapochef, der in Deutschland schon viele Zeugen festgenommen hatte, seine Arbeit in Belgien auf. Es war nicht lange nach seiner Ankunft in Brüssel, daß sich diese Festnahmen ereigneten und die Suche nach Bruder Wozniak intensiviert wurde. Unter den Inhaftierten befanden sich Bruder Midi, Bruder Schockaert, Bruder Martin (der ehemalige Zweigaufseher) sowie Bruder und Schwester Michiels und Bruder und Schwester Coenen.

Bruder Hankus, der Bruder Wozniak in seiner Wohnung versteckt hatte und dafür von der Gestapo verhaftet worden war, wurde von den Beamten Hitlers bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, weil er sich weigerte, die Namen von Brüdern zu nennen. Am 6. Juli 1941 kam er in das Gefängnis St. Gilles in Brüssel. Bruder Hankus weigerte sich trotz Folterungen, Namen preiszugeben. Dann brachte man ihn nach Löwen in das Zentralgefängnis, von wo aus die Nationalsozialisten ihn in ein Vernichtungslager bringen ließen. Als der Krieg zu Ende war, wurde er aus dem Konzentrationslager entlassen und diente viele Jahre als Aufseher in einer Versammlung.

REORGANISIERUNG IM ZWEIG TROTZ GEFAHREN

Einen Monat nach der Serie von Verhaftungen kam Bruder Hartstang heimlich von Holland nach Belgien, um das Predigtwerk neu zu organisieren. In der Wohnung einer Schwester in Antwerpen hielt er mit drei Kreisaufsehern und zwei Brüdern, die die Verbindung aufrechterhielten, eine private Zusammenkunft ab. Die Schwester wohnte allein im Erdgeschoß. Bei dieser Gelegenheit entgingen die sechs Brüder nur um Haaresbreite einer Verhaftung durch die Gestapo. Wie ging das vor sich?

Während der Zusammenkunft klingelte es. Wer stand draußen? Drei Gestapobeamte! Sie erkundigten sich nach einem Juden und seinem Sohn, die im 2. Stock wohnen sollten. Die Schwester sagte ihnen, daß die Juden bei Ausbruch des Krieges geflohen seien. Einer der Beamten hielt am Eingang Wache, während die beiden anderen jede Ecke der oberen Stockwerke und des Dachbodens absuchten.

In der Zwischenzeit beteten die Brüder zu Jehova, er möge die Feinde mit Blindheit schlagen. Wären sie entdeckt worden, hätte das bedeutet, daß alle führenden Aufseher in Belgien mit einem Schlag verhaftet worden wären. Aber Jehova ließ es nicht zu. Die Gestapo zog sich zurück, und das gleiche taten auch die Brüder, einer nach dem anderen, um nie mehr diese Wohnung zu betreten. Zwei Wochen später kehrte die Gestapo unerwartet zurück, und dieses Mal durchsuchte sie das ganze Haus.

BEMÜHUNGEN DER FEINDE, BRUDER HARTSTANG ZUR STRECKE ZU BRINGEN

Zwar hielt sich Bruder Hartstang zunächst allein in Belgien auf, aber seine Frau kam sechs Monate später nach. Sie reiste auf dieselbe Weise, und zwar mit dem Fahrrad auf den wenig befahrenen Landstraßen entlang der belgisch-holländischen Grenze. Während der ganzen Kriegszeit war Schwester Hartstang an der Seite ihres Mannes, ausgenommen, wenn er besonders gefährliche Reisen zu machen hatte.

Im Handumdrehen hatte die Gestapo herausgefunden, daß sich Bruder Hartstang in Belgien aufhielt, und sie gingen daran, ihn zur Strecke zu bringen. Der Feind hatte aus einem beschlagnahmten Brief die ungefähren Aufenthaltsorte des Bruders und seiner Frau erfahren. Ausgerüstet mit großen Fotografien des Ehepaares, suchte die Gestapo überall, genauso wie sie bei der Suche nach einem gefährlichen Kriminellen vorging. Aber der Bruder und seine Frau entgingen stets den Fallen, die man ihnen stellte, manchmal war es nur eine Sache von Sekunden. Irgendwie wurden sie bewahrt.

Eines Tages saß der zuvor erwähnte Gestapochef, durch den die heftige Verfolgungswelle gegen die Zeugen ausgelöst worden war und der entschlossen war, Bruder Hartstang in eine Falle zu locken, am Fenster seines Büros und hörte das Dröhnen eines Flugzeugmotors. In dem Glauben, es handle sich um ein deutsches Flugzeug, ging er nicht in Deckung. Plötzlich wurde vom Flugzeug aus mit Maschinengewehren das Feuer eröffnet, und der Gestapochef wurde tödlich getroffen. Es stellte sich heraus, daß es sich um ein britisches Flugzeug gehandelt hatte, das von einem belgischen Piloten gesteuert wurde.

DER FEIND MIT BLINDHEIT GESCHLAGEN

Viele Erfahrungen zeigen, daß Jehovas Engel den Feind mit Blindheit schlagen kann. Zum Beispiel waren Schwester Michelic und Schwester Golic damit beauftragt worden, einen Brief von Limburg nach Holland zu bringen, der für den Bruder bestimmt war, der in jenem Land die Leitung des Werkes innehatte. Die Angelegenheit mußte im geheimen geschehen. Schwester Golic steckte den Brief in ihre Handtasche, und so machten sie sich auf und gingen über die Landstraßen nach Holland. Sie wurden von Zollbeamten angehalten und durchsucht. Zunächst war Schwester Michelic an der Reihe, und man kontrollierte unter anderem auch ihre Handtasche. Zufällig hatten Schwester Golic und Schwester Michelic die gleichen Handtaschen. Als Schwester Golic an der Reihe war, nahm der Beamte ihre Handtasche. Er gab sie ihr jedoch sofort zurück und sagte: „Oh, ich habe sie bereits durchgesehen!“ Auf diese Weise bekam sie ihre Handtasche mit dem kostbaren Brief zurück.

Bei einer anderen Gelegenheit in Namur half Bruder Fevrier Bruder Schutz, das schwere Gepäck zum Bahnhof zu schaffen. In Montagne-Sainte-Barbe wurden sie von einer deutschen Streife angehalten. Es war unmöglich umzukehren. Bruder Schutz sagte zu Bruder Fevrier: „Verhalte dich so, als würden wir nicht zusammengehören; vielleicht kommt einer von uns durch.“

Bruder Fevrier blieb zurück. Bruder Schutz kam wahrscheinlich aufgrund seines Schweizer Passes unbehelligt durch die Kontrolle. Dann kam Bruder Fevrier an die Reihe und überreichte seine Ausweispapiere. Er hatte einen Ausweis (Passierschein für die Zeit nach Einbruch der Dunkelheit), den die Besatzungsmächte für die Eisenbahner herausgegeben hatten. Der Soldat war zufrieden. Jedoch bat er den Bruder, sein Gepäck zu öffnen, worin sich ein Wachtturm-Studienartikel über den Krieg zwischen dem nationalsozialistischen König des Nordens und dem demokratischen König des Südens aus Daniels Prophezeiung befand. So wie Nehemia sandte der Bruder ein Stoßgebet zum Himmel (Neh. 2:4). Er beugte sich vor, um das Gepäck zu öffnen. Genau in diesem Moment fuhr ein Lastwagen vor, zu dem der Soldat schnell hinüberlief, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern. Dabei vergaß er den Bruder, der — mit einem Seufzer der Erleichterung — unbemerkt entwich.

Es war in Ougrée, wo Bruder Armand Hebrant von einem Besuch in der Wohnung von Bruder Heuse zurückkehrte. In seiner Tasche hatte er drei Ausweise mit falschen Namen. Einer war für Bruder Hartstang bestimmt, der im Untergrund tätig war, und ein anderer für Bruder Schrantz, den Kreisaufseher. Bruder Hebrant wurde auf der Brücke, die sich über die Maas spannt, von einer Polizeistreife angehalten und von Kopf bis Fuß systematisch durchsucht.

Alle seine Jackentaschen wurden durchsucht sowie die Innentasche seines Mantels. Jedesmal strich der Soldat über die Stelle, wo sich die Ausweise befanden. Aus Versehen griff er die Jacke und den Mantel gleichzeitig und steckte seine Hand in die Innentasche der Jacke. Der Bruder jedoch spürte deutlich die Dokumente, wenn der Soldat von außen seinen Mantel abtastete. Mehrere Male wiederholte der Soldat die gleichen Bewegungen, und jedesmal vergaß er die betreffende Tasche, so, als hielten unsichtbare Hände ihn zurück. Die drei Ausweise waren mit Fotos von Brüdern versehen, doch mit falschen Namen. Der Bruder hätte keine plausible Erklärung geben können, wenn man die Ausweise bei ihm gefunden hätte.

STRATEGISCHES VORGEHEN

Bruder Gheys berichtet, wie er strategisch vorging und den Feind täuschte. Nachdem er einige interessierte Personen besucht hatte, wurde er in der Nacht von einer deutschen Streife angehalten. Ein Soldat drückte ihm das Gewehr in den Rücken, während ein anderer mit der Taschenlampe in sein Gesicht leuchtete. Sie verlangten seine Ausweispapiere. Um sie ihnen geben zu können, mußte er seine Aktentasche zwischen die Knie klemmen. Dann begannen sie, ihn zu durchsuchen. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern, aber auch aus strategischen Gründen, streckte er seine Arme in die Luft, während er in der einen Hand seine Aktentasche hielt. Die Soldaten kontrollierten sorgfältig seine Kleidung, vergaßen aber seine Aktentasche, in der sich Literatur befand.

UNTER DEM SCHUTZ VON ENGELN

Manchmal war es offensichtlich, daß die Ereignisse gelenkt wurden, um die Brüder zu schützen. Eines Tages kehrte Bruder Hartstang mit dem Oberleitungsbus, mit dem er gewöhnlich bis zur Endstation fuhr, in seinen Unterschlupf bei Ougrée zurück. Plötzlich entschied er sich, schon vor der Endstation auszusteigen, um sich noch etwas Bewegung zu verschaffen, denn er war oft gezwungen, im Haus zu bleiben. Als er an seinem Ziel ankam, waren alle Anwesenden weiß wie eine Kalkwand. Die deutschen Soldaten hatten an der Endstation eine strikte Kontrolle durchgeführt, und die Familie hatte für den Bruder das Schlimmste befürchtet. Ohne es zu wissen, war er der Falle entgangen.

In seiner Unterkunft befanden sich außer der geheimen Druckausrüstung auch Veröffentlichungen, die gedruckt werden sollten. Im Hof wohnte noch ein Mann. Er war taub und an Jahren schon fortgeschritten und stand nie vor 8 oder 9 Uhr auf. Eines Morgens stand er jedoch schon um 4 Uhr auf. Niemand hat je herausgefunden, weshalb. Jedenfalls trat er hinaus auf den Hof, um etwas frische Luft zu schöpfen. Im selben Moment traf eine deutsche Streife ein, die drohend ihre Revolver schwang.

Es handelte sich um eine Razzia, die auf einen spontanen Streik der Arbeiter der Firma Cockerill erfolgte. Der Streik war durch die Deportation von 500 Arbeitern heraufbeschworen worden. Die Deutschen hatten die Adresse eines Streikführers, und nun suchten sie nach ihm. Sie fragten den alten Mann, wo diese Person wohne. So unglaublich es auch schien, dieser alte, taube Mann verstand, wonach die Soldaten fragten, und wies ihnen den Weg zur nächsten Straße, wo der gesuchte Mann wohnte. Wäre der alte Mann zu der ungewöhnlichen Stunde nicht draußen gewesen, wären die Soldaten weiter in den Hof vorgedrungen und hätten, wie es ihre Gewohnheit war, auch an Bruder Hartstangs Tür getrommelt. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was sich drinnen alles abgespielt hätte und wie gründlich die Soldaten noch weitergesucht hätten, wenn ihnen dieser „Volltreffer“ gelungen wäre und sie das Lager entdeckt hätten. Aber Jehova überwachte alles.

Der Raum, in dem die Veröffentlichungen gedruckt wurden, war gleichzeitig das Schlafzimmer von Bruder und Schwester Hartstang. Früher war er ein Schweinestall gewesen, und von außen sah er immer noch so aus. Gewöhnlich standen Bruder und Schwester Hartstang zwischen 6.30 und 7 Uhr auf und betrachteten den Tagestext. Aber eines Morgens wachten sie einfach nicht zur gewohnten Zeit auf, und das diente zu ihrem Schutz. Was ging draußen vor?

In den frühen Morgenstunden hatten die deutschen Soldaten das gesamte Gebiet umstellt, und sie durchsuchten systematisch jede Wohnung, wahrscheinlich, um Bruder Hartstang zu finden. Bei dieser Gelegenheit klopften sie an die Tür des alten, tauben Mannes, der zuvor schon erwähnt wurde, und machten sich, wie es ihre Art war, lautstark bemerkbar, und das nur zwei Meter von Bruder und Schwester Hartstang entfernt! Die Soldaten klopften jedoch nicht an die Tür des „Schweinestalls“, und das Ehepaar wachte trotz des Lärms, der draußen herrschte, nicht auf. Wären sie wach geworden, hätte dies wahrscheinlich zu ihrer Verhaftung geführt. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie ihre natürliche Reaktion gewesen wäre: Sie hätten versucht, durch eine andere Tür zu entkommen, und wären genau in die Falle geraten. Glücklicherweise sorgten Jehovas Engel für einen tiefen Schlaf und verhinderten dadurch irgendwelche spontanen Handlungen mit vielleicht katastrophalen Folgen. Erst nachdem die Soldaten weg waren, erfuhren die Hartstangs, was vorgefallen war.

MUT ERFORDERLICH

Bruder Schutz machte eine andere typische Erfahrung. In Tournai wurde er von der wallonischen Garde verhaftet, das heißt von Belgiern, die für die Gestapo arbeiteten. Seine Ausweispapiere waren nicht in Ordnung, so daß er zum Hauptquartier mitgenommen wurde. Dort wurde er durchsucht und kam später ins Gefängnis von Tournai. Nachdem er verhört worden war, wurde ihm gesagt, er solle nach Hause gehen und seine Papiere von den örtlichen Behörden in Ordnung bringen lassen. Seinen Koffer, der eine Anzahl Broschüren Faschismus oder Freiheit enthielt, mußte er im Hauptquartier zurücklassen.

Er ging nach Kortrijk, ließ seine Papiere in Ordnung bringen und kehrte nach Tournai zurück, um sie vorzuzeigen und seinen Koffer abzuholen. Um das zu tun, war Mut erforderlich, besonders wenn man bedenkt, was in Verbindung mit dem Kofferinhalt hätte geschehen können. Alles ging glatt, und der Koffer wurde ihm zurückgegeben. Bestimmt war es auf das Eingreifen der Engel zurückzuführen, daß der Feind den Koffer nicht geöffnet hatte.

AUSHARREN BIS ANS ENDE

Nicht alle Brüder entgingen den Fängen der Nationalsozialisten. Vierzehn Brüder und Schwestern wurden eingesperrt und mußten eine harte Behandlung erdulden, während sie in üblicher Gestapomanier verhört wurden. Manche wurden nach einigen Wochen oder Monaten entlassen. Sieben Personen, unter denen auch zwei Schwestern waren, wurden deportiert und in Konzentrationslager oder Gefängnisse gebracht. Bruder Alphonse Midi starb im Gefängnis, und Bruder Lodewijk Schockaert wurde getötet.

Bruder Midi wurde wegen sogenannter Propaganda gegen Deutschland zu 55 Monaten Gefängnis verurteilt, weil bei ihm Exemplare der Broschüre Faschismus oder Freiheit gefunden worden waren. Er starb im Jahre 1943 im Gefängnis von Hagen an den Folgen von Gangrän, die aufgrund einer vernachlässigten Wunde eingesetzt hatte. Er starb in seiner Zelle, verlassen von den Gefängniswärtern, die ihm keine ärztliche Hilfe hatten zuteil werden lassen.

Bruder Schockaert war Kommunist gewesen, bevor er die Wahrheit angenommen hatte. Die Nationalsozialisten verhafteten ihn und bezichtigten ihn, ein Kommunist zu sein. Sobald er im Lager Sachsenhausen in Deutschland angekommen war, ging er zum SS-Lagerkommandanten, um ihm zu sagen, daß er ein Zeuge Jehovas sei und kein Kommunist. Er erhielt einen lilafarbenen Winkel, das Erkennungszeichen der Zeugen Jehovas im Lager. Im Jahre 1943 wurde er auf dem Transport in ein anderes Lager von SS-Soldaten erschossen.

Wie erging es Bruder Hankus? Er starb im Jahre 1954 an den Folgen der schlechten Behandlung während des Krieges. Seine Frau harrte in all den Kriegsjahren treu aus und war bis zu ihrem Tod am 16. Mai 1982 im Dienst tätig.

ANSTRENGUNGEN DER SS, DIE CHRISTLICHE NEUTRALITÄT ZU BRECHEN

Bei Verhaftungen von Zeugen Jehovas ging man immer nach demselben Schema vor. Zuerst kam das Verhör nach SS-Methoden. Durch Verlockungen, mit List oder Brutalität versuchte die SS, die Zeugen dazu zu bringen, die Namen anderer Zeugen preiszugeben und dann ihren Glauben zu verleugnen.

Bruder Glowacz machte folgende Erfahrung: Nach seiner Verhaftung wurde er im Büro der SS verhört. Vor ihm auf dem Tisch lagen ein Laib Weißbrot, einige Würstchen und Birnen. Wenn der Zeuge bereit gewesen wäre auszusagen, hätte er nach Herzenslust essen können. War dies nicht der Fall, konnte er sich auf die übelste Behandlung gefaßt machen. Als Bruder Glowacz dem Fragesteller sagte, daß er nach dem Grundsatz handeln werde, den der Apostel Petrus gemäß Apostelgeschichte 5:29 zum Ausdruck gebracht habe: „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen“, schrie der Nationalsozialist wutentbrannt: „In Ordnung, Sie werden so lange im Gefängnis bleiben, bis Ihr Bart so lang ist wie der des Apostels Petrus!“ Genau das geschah. Der Bruder durfte sich während seines 9monatigen Gefängnisaufenthaltes nicht rasieren.

LEBEN IM KONZENTRATIONSLAGER

Bruder Hankus, Bruder Michiels, Bruder Floryn und Bruder Glowacz wurden in verschiedene Gefängnisse und Konzentrationslager eingeliefert, eines davon befand sich in der Nähe von Straßburg. Dort wurden sie unaufhörlich wegen jeder Kleinigkeit entweder mit einem Stock oder mit einer Peitsche geschlagen. Die Zeugen wurden von der SS Himmelhunde genannt. Nahrungsmittel waren auf ein Minimum beschränkt. Jedoch wurde von ihnen erwartet, mit den primitivsten Werkzeugen beim Straßenbau Schwerstarbeit zu leisten. Eine der Arbeiten bestand darin, kleine Waggons mit Steinen zu beladen und sie dann auf den Schienen zu der betreffenden Stelle zu schieben, wo sie benötigt wurden. Manchmal entgleiste ein Waggon, und der Kommandoführer hielt dann die anderen Gefangenen zurück und zwang die vier Brüder, den Waggon allein wieder auf die Schienen zurückzuschieben, obwohl sein Gewicht mehr als eine Tonne betrug.

Eines Tages hörte ein Bruder, wie ein Obergefreiter zum Kommandoführer sagte: „Diese Bibelforscher sind erstaunliche Leute; die anderen Gefangenen sterben wie die Fliegen, obwohl sie oft physisch stärker sind, während die Bibelforscher krafterfüllt weitermachen. Ich glaube, Jehova hilft ihnen.“

NEUTRALITÄT SOGAR IM LAGER GETESTET

Bruder Glowacz berichtet von einer Begebenheit, die sich in Buchenwald zutrug: „Wir Zeugen sollten auf die Probe gestellt werden, und zu diesem Zweck wurde uns befohlen, uns bei dem Kommando zu melden, das in der Waffenfabrik eingesetzt war. Auch wir sollten in der Rüstungsindustrie arbeiten. Nach dem Appell am nächsten Morgen weigerten sich alle Brüder, sich dem besonderen Kommando anzuschließen. Ein Bruder trat vor den Lagerkommandanten und erklärte, daß sie jede Arbeit annehmen würden, ausgenommen das Herstellen von Waffen. In seiner rasenden Wut befahl der Kommandant der SS, uns alle zur Hinrichtungsstätte zu schaffen und die Maschinengewehre in Anschlag zu bringen. Das wurde getan.

Dann sagte der Kommandant: ‚Überlegt es euch gut, und dann sagt mir, ob ihr die Arbeit annehmt oder nicht. Wenn ihr euch weigert, werde ich den Befehl geben, euch alle erschießen zu lassen.‘ Er wiederholte seine Drohung, aber wir alle standen gelassen da, ohne uns zu bewegen oder ein Wort zu sagen. Als er sah, daß er nichts ausrichten konnte, änderte er seine Taktik und sagte: ‚Hitler ist ein sehr mitfühlender Mann; er möchte nicht, daß ihr erschossen werdet. Jeder von euch wird nun mit der gewohnten Arbeit fortfahren.‘ “

GEGENSEITIGE HILFE WÄHREND DER BESATZUNGSZEIT

Die Brüder, die die Herstellung bibelerklärender Literatur im Untergrund beaufsichtigten, erhielten von keiner Seite irgendeine finanzielle Unterstützung. Sie bekamen nicht einmal Lebensmittelmarken, um die notwendigen Nahrungsmittel kaufen zu können. Material wie Papier mußte auf dem schwarzen Markt beschafft werden. Wie konnte all die Arbeit überhaupt fortgesetzt werden?

In jeder Versammlung kamen Geschenke und Lebensmittelmarken zusammen, die die Brüder von ihren ohnehin schon dürftigen Mitteln abgezweigt hatten und die dann dem Kreisaufseher zusammen mit den Predigtdienstberichten übergeben wurden. Auf diese Weise erhielten die verfolgten Brüder die nötigen Mittel, wodurch sie in der Lage waren, die notwendige geistige Speise herzustellen.

Sogar die Kinder waren eine Hilfe. Eines Abends trafen unerwartet zwei Brüder bei der Familie Golic ein. Es war Bruder Hartstang und sein Gefährte. Der Tisch war für das Abendbrot gedeckt. Die beiden Kinder, Antoine und Ann-Marie, schienen bereits gegessen zu haben und begaben sich ins Bett. Erst nach dem Krieg erfuhr Bruder Hartstang, daß er und sein Gefährte das gegessen hatten, was für die Kinder bestimmt gewesen war. Es gab im ganzen Haus keine weiteren Lebensmittel, und die Kinder hatten sich spontan bereit erklärt, ihre Mahlzeit den Brüdern zu geben, und waren ohne Abendbrot ins Bett gegangen. Dadurch hatten sie eine beispielhafte Rücksichtnahme auf Vertreter der theokratischen Organisation gezeigt.

WIE DAS PREDIGTWERK DURCHGEFÜHRT WURDE

Sobald das Zeugniswerk im Untergrund organisiert worden war, begnügten sich die Brüder nicht mehr länger mit dem informellen Zeugnisgeben. Sie gingen systematischer vor, obwohl sie dabei sehr vorsichtig waren. Nur die Bibel wurde im Haus-zu-Haus-Dienst benutzt. Die Brüder boten auch Exemplare des Neuen Testaments und die Evangelien an, was nur möglich war, wenn sie in protestantischen Buchhandlungen solche Publikationen kaufen konnten. Das allerdings war mit Schwierigkeiten verbunden. Tatsächlich knirschten die protestantischen Pastoren wegen der Tätigkeit der Zeugen mit den Zähnen und weigerten sich, sie mit Bibeln zu versorgen, wenn sie erfuhren, für welchen Zweck diese vorgesehen waren.

Es war also nötig, List anzuwenden, um in den Besitz protestantischer Bibeln zu gelangen. Die Anstrengungen waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Bruder Jules Ista berichtet, wie er eines Tages zu der evangelischen Mission in Brüssel ging, um einige Exemplare des Neuen Testaments zu erwerben. Der Geschäftsführer fragte den Bruder, für welche Kirche sie bestimmt seien. Der Bruder versuchte der Frage auszuweichen, aber als der Geistliche, der das Geschäft leitete, erfuhr, wer er war, spuckte er ihm ins Gesicht, nannte ihn einen dreckigen Bibelforscher und weigerte sich, ihm die Bibeln zu verkaufen.

Einige der Veröffentlichungen der Gesellschaft wie die Broschüren Aufgedeckt und Flüchtlinge standen den Brüdern zur Verfügung. Sie wurden mit großer Sorgfalt verwendet. Man richtete einen Ausleihdienst ein, so daß dieselben Publikationen vielen Menschen zugänglich gemacht werden konnten. Außerdem erinnerten sich die Brüder an die Namen von Personen, die vor dem Krieg Bücher entgegengenommen hatten. Sie besuchten sie und ermunterten sie, die Publikationen zu lesen, und versuchten auf diese Weise, ihr Interesse zu wecken. Zeigten diese Personen kein Interesse, schlugen die Brüder die Rückgabe der Publikation vor, damit jemand anders Nutzen daraus ziehen möge. Manchmal gab der Betreffende sie zurück. Es kam auch vor, daß der Wohnungsinhaber sich weigerte, die Publikation zurückzugeben, dann aber aus Neugierde begann, darin zu lesen, und an der Königreichsbotschaft Interesse fand. Auf diese Weise kamen sogar einige in die Wahrheit.

VORSICHT IM HAUS-ZU-HAUS-DIENST

In Verbindung mit der Haus-zu-Haus-Tätigkeit wurden Anweisungen gegeben, außerordentliche Vorsicht walten zu lassen. Zum Beispiel war es wichtig, allein zu arbeiten. Man begann in einem Haus zu predigen und setzte einige Häuser weiter in derselben Straße den Dienst fort, um nicht aufzufallen. Wenn die Brüder bei gewissen Häusern Bedenken hatten, ließen sie diese aus. Falls ein Verkündiger in einer Wohnung eine Uniform sah, gab er kein Zeugnis, sondern fragte irgend etwas Belangloses.

Eines Tages sprach ein Bruder an einer Tür vor, ohne zu wissen, daß die Wohnung von einem Gestapobeamten besetzt war. Der Beamte bat ihn herein, verlangte seine Ausweispapiere, schloß die Tür ab und begab sich zum Telefon, um den Zeugen abholen zu lassen. In der Zwischenzeit kam die Frau des Beamten herein und sagte dem Bruder, er solle sich eilends entfernen, was er sich natürlich nicht zweimal sagen ließ!

RÜCKBESUCHE

Wenn jemand Interesse zeigte, wurden mehrere Besuche anhand von vorbereiteten Themen gemacht, um die Besprechung der biblischen Grundlehren zu erleichtern. Broschüren wie Aufgedeckt und Flüchtlinge wurden ebenfalls benutzt, womit das begann, was man als Vorläufer der heutigen Bibelstudien bezeichnen könnte.

Damals wurden Personen, mit denen man Bibelstudien durchführte, nicht so schnell zu den Zusammenkünften eingeladen wie heute. Gewöhnlich wurde der Betreffende erst mit einer Studiengruppe bekannt gemacht, nachdem er mit dem Predigtdienst begonnen hatte. Es hätte ja sein können, daß er ein Spitzel war.

TAUFEN IN WOHNUNGEN

Taufen fanden heimlich in Wohnungen statt. Bei einer Gelegenheit wurden in dem winzigen Haus von Bruder Heuse in Sclessin, in der Nähe von Lüttich, 40 Personen getauft. Bei einer anderen Gelegenheit wurden in der Wohnung von Bruder Wladek in Waterschei 27 Personen getauft. Diese Tätigkeit blieb nicht immer unbemerkt. Kinder, die draußen spielten, hörte man sagen: „Sie halten eine protestantische Messe ab.“

VERMEHRTE SEGNUNGEN

Im Jahre 1941 schien es, als hätte der Feind den Sieg errungen — die Zahl der Verkündiger war von 275 auf 86 gesunken. Aber 1942 war die Zahl der Königreichskämpfer wieder auf 253 angestiegen, was 8 Pioniere einschloß. In diesem von Kriegswirren heimgesuchten Jahr hatten die Brüder 10 000 Exemplare der Broschüre Entscheidung — Reichtum oder Ruin? und 7 455 Exemplare des Wachtturms in Niederländisch gedruckt. Während des Jahres 1943 bewirkte Jehova, daß die Zahl der Königreichsverkündiger in Belgien auf 396 anstieg. Sie waren mehr als 46 000 Stunden tätig und verbreiteten 7 868 Bücher, 17 106 Broschüren und 2 234 Zeitschriften. Die Zahl der Versammlungen stieg auf 19. Die Druckerei im Untergrund stellte 11 000 Broschüren und 14 500 Zeitschriften her.

Die Tätigkeit des darauffolgenden Jahres wurde noch mehr gesegnet. Nun stieg die Zahl der Diener Gottes auf 545. Welch ein Sieg Jehovas über die falsche Religion und ihre tyrannischen Verbündeten! Die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl belief sich auf 609, und 6 000 Exemplare des Buches Kinder wurden in Zusammenarbeit mit einem Drucker in Brüssel hergestellt.

Von 1942 bis 1944 bewältigten die Brüder ein gewaltiges Werk. Sie druckten mehr als 64 000 Bücher, Broschüren und Zeitschriften. Wenn man dann noch den Lagerbestand berücksichtigt, der in der Zeit der nationalsozialistischen Invasion versteckt worden war, gelang es den Brüdern, während des Krieges insgesamt 107 587 Bücher, Broschüren und Zeitschriften zu verbreiten. Den Nationalsozialisten war es nicht gelungen, das Werk zu vernichten, noch fanden sie jemals das Bethel, wo bei Kriegsende fünf Brüder tätig waren.

ANWEISUNGEN GENAUSTENS BEFOLGT

Die Brüder beachteten peinlich genau die Anweisungen der Gesellschaft und versuchten nicht, mehr zu erfahren, als nötig war. Sogar die Kinder folgten sorgfältig den Anweisungen. Zum Beispiel brachte Bruder Schrantz eines Tages einen Karton Publikationen in das Haus von Bruder Golic in Waterschei. Nur die kleine 9jährige Ann-Marie war zu Hause. Bruder Schrantz gab ihr den Karton und trug ihr auf, niemandem davon zu erzählen, ausgenommen ihrem Vater.

Sie versteckte den Karton unter dem Bett. Als ihre Mutter nach Hause kam, verlor sie kein Wort über den Besuch von Bruder Schrantz. Dann kam die Zeit, ins Bett zu gehen, aber Ann-Marie wollte nicht. Sie mußte auf ihren Vater warten. Schwester Golic erschien das alles sehr geheimnisvoll. Ann-Marie blieb auf, bis ihr Vater nach Hause kam, und erst dann — und auch nur ihrem Vater — erzählte sie von dem Besuch und sagte ihm, daß sich unter dem Bett ein Karton Literatur befand.

1944 — DER KRIEG NÄHERT SICH DEM ENDE

Das Land jubelte, als die Alliierten die deutschen Truppen allmählich in ihr eigenes Land zurückdrängten. Die Gestapo und ihre Beamten waren nicht mehr da! So hatten die Brüder nur einen Gedanken: so bald wie möglich einen Kongreß zu veranstalten. Zusammenkünfte wurden schnell organisiert; der Wunsch, sich zu versammeln, war sehr stark. Am 23. Dezember 1944 fand in Waterschei in einem ungeheizten Saal, der keine Fenster hatte, ein Kongreß mit 70 Anwesenden statt.

Zur gleichen Zeit wurde ein anderer Kongreß in Lüttich organisiert, und zwar in einem Saal, der Spuren des noch anhaltenden Krieges aufwies. Später wurden Kongresse in Brüssel und Charleroi abgehalten. Bruder Hartstang war auf jedem der Kongresse anwesend. Aber jetzt benutzte er seinen richtigen Namen.

BEDROHUNG DURCH DIE FLIEGENDE RAKETENBOMBE

Aber Hitler wollte die Niederlage nicht zugeben. Während des Jahres 1944 begann er, seine neue Waffe einzusetzen, die fliegende Raketenbombe, die von den Deutschen als Vergeltungswaffe Nr. 1 bezeichnet wurde. Nachdem seine Armeen zurückgedrängt worden waren, setzte er die Waffe zuerst gegen England und später gegen Belgien ein. Diese ferngelenkte Rakete, bekannt als V 1, enthielt etwa eine Tonne Sprengstoff. Die V 1 wurde auf die Industriezentren und Hafenanlagen von Lüttich und Antwerpen abgeworfen, wodurch weitreichende Verheerungen angerichtet wurden, und viele Menschen kamen um. Trotz dieser Zustände wurde zu Beginn des Jahres 1945 in Lüttich ein Kongreß geplant, der im Saal des Invalidenheims stattfinden sollte und eine weitreichendere Ankündigung erfuhr als üblich. Die Angst vor der V 1 lastete schwer auf der Stadt.

Der Saal, der 500 Personen Platz bot, war voll besetzt. Während der Kongreß seinen Fortgang nahm, hörte man das ferngelenkte Geschoß näher kommen. Das laute, abgehackte Geräusch des Motors war typisch. Solange das Geräusch des Triebwerks zu hören war, bestand keine Gefahr. Wenn das Triebwerk jedoch aussetzte, flog die Bombe nicht weiter, sondern stürzte zur Erde. Eine solche Bombe flog nun über die Stadt. Plötzlich setzte der Motor aus, und die Bombe fiel zur Erde. Wo würde sie niedergehen?

Im Saal sangen die Brüder gerade ein Lied, und keiner rührte sich vom Platz. Im Gegensatz dazu flohen das gesamte Personal sowie der Direktor zu den Bunkern. Die V 1 explodierte nicht weit vom Saal entfernt. Als Bruder E. Heuse sen. und Bruder M. Smets am nächsten Tag den Direktor aufsuchten, um die Saalmiete zu bezahlen, rief er aus: „Um alles in der Welt, was sind Sie für Leute? Als gestern die V 1 niederging, rührte sich keiner im Saal!“ Es war eine Gelegenheit, ihm ein ausführliches Zeugnis zu geben.

AUS DEM UNTERGRUND HERVORGETRETEN

Sobald die deutschen Truppen weg waren, wurde in Brüssel ein Bethelheim eingerichtet, und zwar in der Wohnung von Bruder Notebaert. Danach mietete Bruder Hartstang zwei Räume in der rue Rubens in Schaerbeek. Ein Raum diente als Schlafzimmer und Büro und der andere als Küche und Versandabteilung. Es war Winter, und Kohlen waren knapp und rationiert. Es war so kalt, daß Bruder und Schwester Hartstang im Bett sitzend arbeiteten.

Damals fand in La Cour de Tilmont ein Kongreß statt. Brüder aus den Bergwerksgebieten von Limburg und Lüttich sah man mit schweren Koffern und Paketen anreisen und vor dem Bethelheim haltmachen, bevor sie ihre Reise zum Kongreß fortsetzten. Woran trugen sie so schwer? Waren das Kohlen? Ja, diesen Brüdern, die Bergarbeiter waren, mangelte es nicht an Heizmaterial, und sie wollten, daß ihren weniger begünstigten Brüdern im Bethel dieser Umstand zugute kam. Deswegen wurde der Keller im Bethel mit Kohlen aufgefüllt.

Mitarbeiter wurden benötigt, um die Arbeit im Bethel zu organisieren. Ein Aufruf erging, und ein junger Bruder namens José Nicolas Minet kam ins Bethel. Wegen Platzmangels konnte er nicht in der rue Rubens wohnen, und so arbeitete er zwar tagsüber dort, aber nachts schlief er in der Wohnung von Bruder Notebaert. Man brauchte dringend mehr Unterkünfte, aber es herrschte Wohnungsnot in der Stadt. Nach vielem Suchen mietete man schließlich in Ixelles, in der rue Wayenberg Nr. 47 ein Haus. Weil sich aber die Zahl der Mitarbeiter erhöht hatte, konnten Bruder und Schwester Hartstang nicht mehr in diesem Haus wohnen.

DAS WERK WIRD REORGANISIERT

Den Brüdern erging es ähnlich wie jemandem, der Schwierigkeiten hat, sich nach einer langen Zeit der Dunkelheit wieder an das Tageslicht zu gewöhnen. Die Versammlungen wurden eingeladen, ihre Berichte auf einer dafür vorgesehenen Postkarte einzusenden. Die Karte wurde zwar benutzt, aber man steckte sie in einen Umschlag, um die Information geheimzuhalten! Initialen wurden weiterhin benutzt, um den Absender zu bezeichnen, und die Versammlungen wurden durch einen Kode gekennzeichnet, wie man es im Krieg gemacht hatte, anstatt den Namen des Ortes anzugeben, wie es nun vorgeschlagen wurde.

Die Nachwirkungen der Tätigkeit der nationalsozialistischen Geheimpolizei waren dermaßen stark, daß die Gesellschaft die Brüder noch etwa eineinhalb Jahre nach Abzug der SS daran erinnern mußte, daß sie nicht mehr im Untergrund tätig waren, sondern in aller Öffentlichkeit arbeiten konnten.

Ein Grund dafür, warum sie sich nur langsam an die neue Situation gewöhnten, war die Tatsache, daß die Mehrheit der Brüder in Belgien niemals kennengelernt hatte, was es bedeutete, in Freiheit zu predigen. Die Zahl der Verkündiger war nun von 86 zu Beginn des Krieges auf 747 im August 1945 angewachsen. Um den Stand ihrer Brüder in anderen Ländern zu erreichen, in denen das Werk nicht verboten war, mußten sie, was das Predigen und die organisatorischen Methoden anbetraf, noch viel lernen.

Im Dezember 1945 machte der Präsident der Gesellschaft, N. H. Knorr, begleitet von Bruder M. G. Henschel, einen Besuch in Brüssel, um zu sehen, was zur Beschleunigung der Reorganisierung des Zeugniswerkes getan werden könnte. Am 15. Januar 1946 traf dann der erste in Gilead geschulte Missionar in Belgien ein. Es war Bruder Calvin Holmes, der sich als eine große Hilfe in der Reorganisation des Werkes erweisen sollte. Er ging in Ostende an Land und wurde am Bahnhof in Brüssel von der gesamten Bethelfamilie begrüßt. Es war ein großes Ereignis!

Bruder Holmes wurde zum Zweigaufseher ernannt. Mit freudigem Herzen nahm Bruder Hartstang die neuen Regelungen auf — er, der in all den schwierigen Jahren alles getan hatte, was er konnte. Bruder Hartstang war als ein sehr demütiger Bruder bekannt, aber auch als ein begeisterter und entschlossener Arbeiter im Dienst Jehovas. Bis zu seinem Tode am 5. April 1964 war er treu im Dienst tätig. Schwester Hartstang, die nun 81 Jahre alt ist, dient Jehova immer noch im Bethelheim in Holland.

LÄUTERUNG IN DEN VERSAMMLUNGEN

In einigen Versammlungen war ein Läuterungswerk nötig, und Bruder Holmes unternahm sofort Schritte, was nicht immer leicht für ihn war, denn er sprach weder Französisch noch Niederländisch. An einigen Orten mußte dieses Läuterungswerk mit viel Strenge durchgeführt werden, zum Beispiel in Brüssel und Ieper, um unmoralische Personen, die Unruhe und Zwietracht stifteten, zu entfernen. Bruder Holmes besuchte jedes Wochenende eine andere Versammlung und stellte auf diese Weise eine engere Verbindung mit der Gesellschaft her.

KAUF EINES BETHELHEIMS

Das gemietete Haus, das als Bethel diente, wurde zu klein. Nach langem Suchen wurde ein Haus mit einer großen Werkstatt an der Rückseite gekauft. Es befand sich in einem Vorort von Brüssel, in Schaerbeek, Avenue General Eisenhower Nr. 28. Verglichen mit dem, was die Familie bis zu diesem Zeitpunkt gekannt hatte, war dieses Haus ein Palast. Größere Mengen an Literatur konnten hier gelagert werden, um den ständig wachsenden Bedarf zu decken. Möbel waren knapp. Glücklicherweise hatte der Schweizer Zweig gerade eine alte Farm verkauft, und die Möbel von dort wurden als Geschenk nach Belgien gesandt, wofür man sehr dankbar war.

PIONIERDIENST

Im Jahre 1945 erging ein Ruf nach Pionieren, und im Oktober desselben Jahres gab es 18 Pioniere in Belgien. Im Dezember war die Zahl auf 24 gestiegen, und 3 Sonderpioniere wurden ernannt. Das Leben eines Pioniers war in jenen Tagen nicht leicht. Ein Pionier berichtete, daß er auf einer Matratze auf dem Fußboden schlief. Seine gesamte Küchenausrüstung bestand aus einem Kochtopf und einer Pfanne. Jedenfalls waren die Mahlzeiten einfach, aber Jehova ließ seine Diener nie im Stich.

HILFE VON AMERIKANISCHEN BRÜDERN

Ein Bruder, dessen Eltern keine Zeugen waren, gab seine gutbezahlte Stellung auf und wurde Pionier. Als er von zu Hause wegging, sagte seine schluchzende Mutter zu ihm: „Wer wird für dich sorgen? Wovon wirst du dir Kleidung kaufen?“ Er antwortete: „Die Vögel säen nicht, und dennoch bleiben sie am Leben und haben das zum Leben Notwendige!“

Einige Monate später wurde dieser Pionier zu einem Besuch ins Bethel nach Brüssel eingeladen. Brüder in den Vereinigten Staaten hatten eine große Menge Kleidung zusammengetragen, und die Gesellschaft hatte einiges davon nach Belgien geschickt, um den Brüdern zu helfen, die zufolge des Krieges Not litten. Die Pioniere waren die ersten, denen diese gespendete Kleidung zugute kam, und dieser Bruder erhielt zwei Anzüge, einen Mantel, einige Hemden und zwei Paar Schuhe. Nicht lange danach besuchte er seine Mutter, die, als sie ihn sah, ausrief: „Wie gut du gekleidet bist! Woher hast du all diese guten Sachen?“ Lächelnd antwortete der Bruder: „Vom Himmel!“

Diese Kleidersendung, die insgesamt 10 500 kg wog, zusätzlich zu den 1 550 kg Schuhen, hatten die amerikanischen Brüder in den Jahren 1946 und 1947 geschickt. Die Sendung wurde unter 1 431 Brüder verteilt, und so waren sie in der Lage, ordentlich gekleidet die gute Botschaft vom Königreich zu predigen.

Etwa zur gleichen Zeit wurde auch ein großer Nachkriegskongreß abgehalten. Er fand in dem Cirque Royal in Brüssel statt, und zwar vom 4. bis 6. Oktober 1946. Das Programm wurde in zwei Sprachen dargeboten, und etwa 2 000 Personen hörten den öffentlichen Vortrag „Der Fürst des Friedens“.

NATIONALISTISCHE BEDRÜCKUNG FLAMMT ERNEUT AUF

Das nationalsozialistische Regime war besiegt worden, aber der nationalistische Geist wurde bösartiger denn je. Satan benutzte ihn als neue Waffe gegen diejenigen, die Gottes Königreich repräsentierten. Die ausländischen Brüder, die den Fängen der Nationalsozialisten entgangen waren und nun nicht länger im Untergrund tätig zu sein brauchten, meldeten sich bei den belgischen und den amerikanischen Behörden. Bruder und Schwester Hartstang erbaten eine Aufenthaltserlaubnis von den Behörden. Sie wurde nicht nur verweigert, sondern am 4. Juni 1947 teilte der Justizminister ihnen mit, daß sie innerhalb von 8 Tagen das Land verlassen mußten! Alle Bittgesuche gegen diese ungerechte Entscheidung erwiesen sich als wirkungslos.

Weil sie deutsche Staatsbürger waren, kamen die Pioniere Fritz Schneider, Erwin Klose und Willy Klopper ins Gefängnis und wurden angeklagt, Agenten der Nationalsozialisten zu sein. Das war wirklich die Höhe — sie waren es doch gewesen, die von der Gestapo wie wilde Tiere gejagt worden waren! Bruder Schneider wurde inhaftiert und kehrte später nach Deutschland zurück — ein kranker Mann, der sich ein Lungenleiden zugezogen hatte. Er starb einige Jahre später. Bruder Klose war 11 Monate lang mit Nationalsozialisten eingesperrt, trotz Hunderter von Bittgesuchen, die von Brüdern und sogar von örtlichen Behörden eingereicht worden waren. Die amerikanischen und die britischen Militärbehörden versuchten vergeblich zu beweisen, daß er ein Nationalsozialist sei.

BESUCHER AUS DEM HAUPTBÜRO IN BROOKLYN

Trotz Widerstandes von seiten nationalistischer Elemente überschritt die Zahl der Verkündiger zum ersten Mal die Tausendergrenze. Es gab 57 Pioniere. Im Juni 1947 besuchten Bruder F. W. Franz und Bruder Grant Suiter Belgien. Bei dieser Gelegenheit fanden zwei Kongresse gleichzeitig statt, einer in niederländischer und der andere in französischer Sprache. Die Besucher aus dem Hauptbüro der Gesellschaft halfen, die Arbeit im Zweigbüro wirksamer zu organisieren und die Organisation in ihrem theokratischen Aufbau zu stärken.

Einige Monate später fand der erste Nachkriegskreiskongreß in La Louvière statt. Der Kreis bestand aus 295 Verkündigern, und eine begeisterte Menge von 485 Personen war beim öffentlichen Vortrag anwesend. In jenem Jahr waren bei der Gedächtnismahlfeier 1 525 Personen anwesend, verglichen mit 1 099 Personen im Jahr zuvor.

WEITERE MISSIONARE TREFFEN EIN

Die Gesellschaft versuchte, weitere Missionare auszusenden, um den Brüdern zu helfen, aber der Widerstand der nationalistischen Elemente verzögerte ihre Ankunft. Gegen Ende des Jahres 1947 trafen Bruder und Schwester Buisset ein, und sie blieben viele Jahre lang als Missionare in Belgien. Im Jahre 1948 kamen fünf andere Missionare, unter denen sich auch Elmer Johnston befand, der bis zu seinem Tod im Jahre 1972 treu in seiner Missionarzuteilung diente.

Im Jahre 1949 trafen 10 weitere Missionare ein, zu denen auch Allan Coville und Gijsbertus van der Bijl gehörten; Markus Hartlief kam im Jahre 1955, und Aalzen Wiegersma traf 1965 ein. Alle vier sind noch in Belgien und dienen als reisende Aufseher.

PRIESTER ÜBEN DRUCK AUS

Als der Name Jehova in der Öffentlichkeit bekannter wurde, widerstand die Geistlichkeit den Zeugen Jehovas in vielfältiger Weise. In Lantin wurden zum Beispiel die Brüder auf Veranlassung eines Priesters aus dem Dorf gejagt, indem man Feuerwerkskörper nach ihnen warf. In Bolland, einem kleinen Dorf in der Nähe von Herve, verteilte der Priester ein Merkblatt an seine Gemeindeglieder, in dem ihnen gesagt wurde, was sie zu tun hätten, wenn Jehovas Zeugen vorsprächen: „1. Schließe deine Tür vor diesen Hausierern des Teufels. 2. Falls sie unversehens eintreten, dann drehe dein Radio ganz auf oder, wenn das nicht möglich ist, schlage zwei Topfdeckel gegeneinander, was die gleiche Wirkung erzielen wird.“

Wegen des Druckes von seiten der Geistlichkeit war es sehr schwer, Säle zu mieten, in denen Vorträge gehalten werden konnten. In Tervueren sagte der Priester dem Besitzer eines Saales, er würde es lieber sehen, wenn der Saal an Kommunisten vermietet würde als an die Propagandisten dieses neuen Gottes. In einem anderen Dorf trommelte der Priester alle Kinder zusammen und schickte sie zu dem Saal, wo sie mit Topfdeckeln einen solchen Lärm machten, daß es unmöglich war, den Vortrag zu halten. Bei einer anderen Gelegenheit drohte der Priester dem Besitzer eines Saales, daß er, falls die Vermietung an Jehovas Zeugen zustande komme, sein Geschäft boykottieren werde. Er werde dafür sorgen, daß kein Gemeindemitglied den Laden des Mannes betrete.

Die geistige Einstellung, die damals bei den Dorfbewohnern gegenüber den Zeugen vorherrschte, läßt sich gut durch die folgende Erfahrung veranschaulichen. Bruder Schrantz mußte einen Bruder besuchen, dessen Adresse er nicht kannte. So fragte er einfach den nächsten Dorfbewohner, den er traf: „Wissen Sie, wo der Mann mit der eigenartigen Religion wohnt?“ Sofort wurde ihm das Haus gezeigt, ohne daß er den Namen des Bruders überhaupt erwähnt hatte!

VERSAND VON BIBLISCHER LITERATUR WIRD VERBOTEN

Im Jahre 1950 befand sich Belgien wegen der Rückkehr des Königs Leopold III. in einem Zustand des Aufruhrs. Als der König aus dem Exil zurückkehrte, zeigte es sich, daß die belgische Bevölkerung hinsichtlich der Frage der Monarchie uneins war, was sie durch Demonstrationen, Streiks und Bürgerkriegsdrohungen zum Ausdruck brachte. Inmitten dieser Unruhen bewahrten die Zeugen, die nun 2 462 Diener Gottes zählten, eine neutrale Haltung. In dieser Zeit nationalen Tumults, nur 2 Tage nachdem eine neue katholische Regierung zur Macht gekommen war, ging Satan erneut daran, das Königreichswerk lahmzulegen.

Am 6. Juni 1950 verbot der Verkehrsminister — sozusagen ohne Vorwarnung — den Versand der Publikationen der Gesellschaft mit der belgischen Eisenbahn und Post. Die Regierung ignorierte sämtliche Briefe, die der Zweig hinsichtlich dieser Angelegenheit schrieb. Auf welche Weise würden die Brüder und Abonnenten nun geistige Speise erhalten?

Die Gesellschaft sorgte dafür, daß die Zeitschriften und die Literatur per Lastwagen an alle Versammlungen geliefert wurden. Dann brachten die Verkündiger die Zeitschriften zu den Abonnenten. Hierdurch hatten die Brüder die Gelegenheit, die Abonnenten regelmäßig zu besuchen, und Jehova segnete diese Vorkehrung reichlich.

Erst am 30. Oktober 1981 — nachdem man in den 31 vorangegangenen Jahren wiederholt Bittgesuche eingereicht hatte — hob die belgische Regierung das Verbot, Literatur der Gesellschaft zu versenden, auf!

IN DEN ARDENNEN UND IM FLÄMISCHEN GEBIET

Im Jahre 1951 überschritt die Zahl der Verkündiger die Dreitausendergrenze. Die geistige Wohlfahrt der 80 Versammlungen beunruhigte die Geistlichkeit aufs äußerste; sie beklagte, daß selbst in streng katholischen Dörfern in den Ardennen Versammlungen der Zeugen entstanden. Die belgische katholische Zeitschrift L’Avenir du Luxembourg (die belgische Provinz Luxemburg) vom 2. Dezember 1950 brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck: „Wir wissen nicht, was vor sich geht ..., aber wir beobachten, daß Jehovas Zeugen in einigen Dörfern in der Nachbarschaft von Neufchâteau und Bertrix Fuß gefaßt haben.“

Obwohl der Einfluß der Geistlichkeit auf die Menschen in größeren und kleineren Städten nachgelassen hatte, versuchten die Priester weiterhin, die Dorfbewohner fest im Griff zu behalten. In Erps Kwerps (flämisches Gebiet) befahl ein Priester einem Pionier, das Dorf zu verlassen, aber der Bruder weigerte sich. Am nächsten Tag wiederholte der Priester seine Aufforderung. Da der Bruder sich noch immer weigerte, begleitete ihn der Priester von Haus zu Haus und beschuldigte ihn, ein Protestant zu sein und Bibeln zu verkaufen, die die Menschen nicht lesen dürften. An jeder Tür widerlegte der Pionier die Anschuldigungen des Priesters. So ging es drei Stunden lang. Schließlich hörte der Priester auf, mit von Haus zu Haus zu gehen. Er ging mitten auf die Straße und sprach laut mit den Passanten, während er dem Bruder weiterhin folgte. Am dritten Tag lief der Priester erneut hinter dem Pionier her, aber dieses Mal rief der Bruder die Polizei, und der Priester verschwand. Die Polizei befolgte nicht mehr den leisesten Wink der Geistlichkeit.

DIE BEHÖRDEN SIND MISSTRAUISCH

Da die Zeugen auf ihre christliche Neutralität pochten, mißtrauten die Behörden anscheinend dem friedlichen und erzieherischen Werk der Organisation. Zwei Polizisten in Zivil waren bei fast allen öffentlichen Vorträgen zugegen. Sie machten während des Vortrags Notizen. Sobald ein öffentlicher Vortrag angekündigt wurde, mischten sich zwei Polizisten unter die Zuhörerschaft, und das geschah sogar in kleinen Versammlungen von etwa 15 Verkündigern. Oftmals mußten die Polizisten mit der kleinen Küche eines Bruders vorliebnehmen, die in einen Königreichssaal verwandelt worden war. Angesichts der damals herrschenden Verhältnisse hielt man es für ratsam, daß ausländische Brüder, einschließlich reisender Aufseher, keine öffentlichen Vorträge hielten.

PRIESTER SETZEN FRÜHERE METHODEN WIEDER FORT

Die Brüder waren nun in der Lage, dem nichtzugeteilten Gebiet mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Während des Jahres 1952 bearbeiteten die Verkündiger trotz hartnäckigen Widerstandes von seiten der Priester 591 Städte und Dörfer. Die Priester hatten nicht damit gerechnet, daß die Zeugen je zurückkehren würden, jedenfalls nicht in diese abgelegenen Gebiete. Dieses Mal hatten sie bei ihren gewohnten Methoden keine polizeiliche Unterstützung. Sie hetzten die Leute auf, die Zeugen aus der Stadt zu jagen. Während eines Kreiskongresses in Bastogne riß ein Priester einige Seiten aus der katholischen Bibel heraus, die eine Schwester im Zeugniswerk benutzte, und eine andere Schwester wurde von einer fanatischen Frau, die von einem Priester angestiftet worden war, geschlagen.

In Antwerpen versuchten andere falsche Hirten, eine behinderte Schwester vom Straßendienst zurückzuhalten, den sie im Rollstuhl in der Nähe eines Geschäftes durchführte. Der Geschäftsinhaber versuchte, sie loszuwerden. Zuerst rief er die Polizei, aber der Polizist sagte ihm, die Zeugin habe das Recht dazu. Dann beauftragte er zwei Priester, die die Schwester überreden sollten, ihren Platz zu verlassen, aber das war umsonst. Daraufhin beschlossen die Priester, sie in ihrem Rollstuhl auf der Straße weiterzuschieben. In diesem Moment kamen einige Taxifahrer schnell von der anderen Straßenseite herübergelaufen. Sie hatten alles beobachtet und gaben den Priestern zu verstehen, daß sie sich, falls sie Schwierigkeiten vermeiden wollten, besser auf und davon machten. Es versteht sich von selbst, daß sie hastig davoneilten.

FORTSCHRITT MIT DER HILFE VON MISSIONAREN

Trotz des Widerstandes stieg die Zahl der Verkündiger auf 3 623. Die Gileadabsolventen fuhren fort, die Brüder zu stärken und ihnen zu helfen, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. Sehr bald betrachtete man Belgien nicht mehr als ein Missionargebiet, so daß die Mehrzahl der Missionare in Aufsichtsstellungen im Bethel oder als reisende Aufseher eingesetzt wurden. Damals waren alle Bezirks- und Kreisaufseher Ausländer, und im Zweigbüro arbeiteten nur drei belgische Brüder.

ZWEIGAUFSEHER AUSGEWIESEN

Wieder einmal brachten die Vertreter der katholischen Regierung ihren Haß zum Ausdruck, indem sie die Brüder in leitenden Stellungen attackierten. Am 11. April 1953 erhielt Bruder Calvin Holmes, der Zweigaufseher, eine Mitteilung, die besagte, daß er das Land verlassen müsse, obwohl er mit einer belgischen Schwester verheiratet war. Bruder G. van der Bijl wurde an seiner Stelle zum Zweigaufseher ernannt.

Und wie erging es Bruder André Wozniak, den die Gestapo nicht fassen konnte und den im Jahre 1934 eine frühere katholische Regierung auszuweisen versucht hatte, aber erfolglos? Dieser Bruder wurde nun vor ein Komitee geladen, das seine Ausweisung aus dem Land entschied. Aber bevor dieser Beschluß in die Tat umgesetzt werden konnte, gab es einen Regierungswechsel. Der neue Justizminister, der kein Katholik war, entschied, den Beschluß, Bruder Wozniak auszuweisen, nicht auszuführen. So wie im Jahre 1934 entging er wieder seinen Verfolgern.

Die neue Regierung, liberaler als die vorausgegangene, war gegenüber dem Königreichswerk einigermaßen günstig eingestellt. Tatsächlich schrieb ein Minister am 28. Juli 1954 einen Brief an die Gesellschaft, in dem es hieß, daß das Verbreiten von Bibeln und bibelerklärender Literatur nicht als Hausieren bezeichnet werden könne, sondern vielmehr ein wohltätiges, gemeinnütziges Werk darstelle.

KONGRESSZEIT

Wegen der günstigen geographischen Lage Belgiens — es liegt zwischen London, Nürnberg, Paris und Den Haag — war es für die Brüder im Jahre 1955 nicht schwer, einen der internationalen Kongresse „Triumphierendes Königreich“ zu besuchen. Es wurden zwei Sonderzüge eingesetzt. Französische Beamte hielten einen der Züge an der französischen Grenze an. Über Lautsprecher rief ein Beamter der französischen Staatspolizei die Namen einiger Brüder aus, denen es aus „Sicherheitsgründen“ verboten wurde, nach Frankreich einzureisen. Die betreffenden Brüder verließen den Sonderzug und erreichten dann mit einem regulären Zug auf einem Umweg durch das Großherzogtum Luxemburg den Kongreß.

FREUNDLICHE BEHANDLUNG VON SEITEN DER BEHÖRDEN

Als der Widerstand von seiten der Geistlichkeit zurückging, bekamen die Behörden mehr Respekt vor dem Königreichswerk. Tatsächlich gingen sie so weit, Entscheidungen zugunsten der Brüder zu treffen, durch die ihr verfassungsmäßiges Recht auf Anbetung garantiert wurde. Durch einen königlichen Erlaß vom 8. Januar 1958, der in der Ausgabe der Zeitschrift Official Journal vom 14. März 1958 veröffentlicht wurde, wurden alle am 8. Juni 1957 getroffenen Maßnahmen des Bürgermeisters und der Ratsherren der Stadt Anvaing aufgehoben, die sich gegen das Halten von öffentlichen Vorträgen im Freien richteten. In dem königlichen Erlaß wurde der Stadtrat beschuldigt, mit diesem Verbot seine Befugnisse überschritten zu haben.

Druck von seiten der Geistlichkeit wurde nur noch in abgelegenen Gebieten wie Orp-le-Grand verspürt. In Verbindung mit einem Kreiskongreß, der in dieser Stadt vom 23. bis zum 25. Mai 1958 stattfinden sollte, hatte man Vorkehrungen getroffen, viele Brüder in einem großen Haus unterzubringen. Kurz vor dem Kongreß veranlaßte der Gemeindegeistliche, daß diese Unterkünfte abgesagt wurden. Außerdem zwang er den Bäcker am Ort, seine Zusage, für das Mittagessen am Sonntag in der Cafeteria Brot zu liefern, rückgängig zu machen. All das bewirkte jedoch nicht, daß die Brüder auf die nötige Verpflegung und den Schlaf verzichten mußten. In der Kongreßhalle selbst wurde ein großer Schlafsaal eingerichtet, und große strohgefüllte Säcke dienten als Betten. Trotz des Widerstandes besuchten 532 Personen den Kongreß.

KEINE SPRACHSCHRANKEN

Ein Höhepunkt des Dienstjahres 1959 war der Landeskongreß „Wachsame Diener“, der im Sportpalast in Brüssel stattfand. Der öffentliche Vortrag wurde gleichzeitig in Französisch und Niederländisch gehalten, und 6 896 Personen hörten ihn. Auf diesem fünftägigen Kongreß ließen sich 378 neue Zeugen taufen. Was auf diesem Kongreß hervorstach, war die Einheit unter den flämischen Brüdern, die Niederländisch sprachen, und den wallonischen Brüdern (französischsprachig), die im gleichen Auditorium einträchtig beisammensaßen. Die Lautsprecheranlage hatte man so installiert, daß jeder das Programm in seiner Sprache hören konnte. Um das zu ermöglichen, wurde die Zuhörerschaft in zwei Gruppen geteilt. Ein solcher zweisprachiger Kongreß blieb nicht unbemerkt, und überall wurde davon gesprochen.

Außerdem wurde durch diesen Kongreß bewiesen, daß Sprachschranken unter wahren Christen keine Trennung verursachen. Im Gegensatz dazu ist die Bevölkerung in Belgien aufgrund von Sprachstreitigkeiten stark entzweit; in gewissen katholischen Kirchen in Antwerpen und Vilvoorde mußte die Polizei eingreifen und flämische Katholiken von wallonischen Katholiken trennen. Der Grund? Einige flämische Katholiken konnten es nicht ertragen, daß ihr Priester die Messe in Französisch zelebrierte!

BEFREIUNG VON DER VERMÖGENSSTEUER

Im Jahre 1960 wurde in diesem Land ein wichtiger Schritt in der Verteidigung und gesetzlichen Befestigung der guten Botschaft getan. In jenem Jahr gab es im ganzen Land über 7 000 Verkündiger, und 10 237 Personen waren beim Gedächtnismahl anwesend. Die Königreichssäle wurden zu klein, und etliche Versammlungen hatten damit begonnen, ihre Säle zu vergrößern oder neue zu bauen. Die Versammlungen, die einen Königreichssaal ihr eigen nannten, erbaten die gleiche Befreiung von der Vermögenssteuer, wie sie den Kirchen gewährt wird. Ihre Bitte wurde unter dem Vorwand, Jehovas Zeugen stellten keine Religion dar, abgelehnt. Außerdem, so behauptete die Steuerbehörde, werde in den Königreichssälen keine öffentliche Anbetung durchgeführt. Natürlich waren solche Behauptungen völlig aus der Luft gegriffen.

Das Berufungsgericht in Lüttich wies in seiner Entscheidung vom 29. Juni 1960 die Behauptungen des Staates zurück. Nun wurde die Befreiung von der Vermögenssteuer auch bei Königreichssälen wirksam. Darüber hinaus entschied das Gericht, daß der Staat den Brüdern die bereits bezahlten Steuern für die Säle zurückerstatten mußte.

FREMDSPRACHIGE VERKÜNDIGER

In diesem kleinen Land von 30 513 km2 lebt der überwiegende Teil der Bevölkerung in großen und kleineren Städten. Da die meisten in der Industrie beschäftigt sind, kann man sich leicht vorstellen, warum es so viele Gastarbeiter im Land gibt. Tatsächlich stammen etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus dem Ausland, und etwa ein Drittel davon sind Italiener.

Nach ihrer Ankunft arbeiteten sie hauptsächlich in den Kohlenbergwerken. So war es erneut in der Gegend von Charleroi, Lüttich und Limburg, daß sich die Wahrheit unter der fremdsprachigen Bevölkerung ausbreitete. Man verlor keine Zeit beim Einrichten von Bibelstudien, und um diesen aufrichtigen Menschen besser helfen zu können, erlernten einige belgische Brüder sogar die italienische Sprache.

SPRACHUNTERRICHT

Der Bericht des Jahres 1962 zeigte, daß etwa 40 Prozent der Verkündiger Ausländer waren, und sie waren nicht in der Lage, sich klar und deutlich in Französisch oder Niederländisch auszudrücken. Um diesem Problem zu begegnen, wurde im Königreichsdienst vom Februar 1962 angekündigt, daß eine neue Schule eingerichtet werde, um diesen Brüdern zu einer besseren Kenntnis der Landessprache zu verhelfen. Anstatt die Theokratische Predigtdienstschule zu besuchen, lernten die Verkündiger die Landessprache lesen und sprechen, und zwar mit Hilfe des Buches Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies. Dadurch wurde ihnen sehr geholfen, Lehrer des Wortes zu sein. Nun waren sie in der Lage, biblische Gespräche zu führen und nicht nur Zeitschriften anzubieten. Heute dienen einige von ihnen als Älteste und Dienstamtgehilfen in den Versammlungen.

FREMDSPRACHIGE VERSAMMLUNGEN

Ein besonderes Ereignis, das erste dieser Art in Belgien, fand vom 7. bis 11. Juli 1965 statt. In Charleroi, wo 63 Jahre zuvor die Wahrheit Fuß gefaßt hatte, wurde ein großer internationaler Kongreß abgehalten. Außer den belgischen Brüdern waren auch Brüder aus Nordfrankreich und Paris anwesend, und am Sonntag verzeichnete man eine Höchstzahl von 11 710 Anwesenden.

Auf diesem Kongreß wurde das Programm auch in italienischer Sprache dargeboten, wie dies schon einige Jahre üblich war. Aber die italienischen Brüder waren nicht länger nur eine Handvoll, denn 725 waren bei dem Kongreß „Wort der Wahrheit“ anwesend. Wie dankbar sie doch waren, als Bruder Knorr ankündigte, daß zehn italienischsprachige Versammlungen in Belgien gegründet werden sollten! Diese Neuigkeit wurde mit brausendem Beifall begrüßt. Eine große Zunahme war die Folge. Zu der Zeit, als dieser Bericht verfaßt wurde, gab es 2 500 italienische Verkündiger in 32 Versammlungen, die 3 Kreise bildeten.

Weitere schafähnliche Personen wurden unter der griechisch-, spanisch-, portugiesisch-, türkisch- und englischsprachigen Bevölkerung gefunden. Unter den neugegründeten Versammlungen gibt es eine portugiesische, drei englische, sieben spanische und acht griechische. Diese Brüder aus dem Ausland zeichnen sich durch großen Eifer für Jehova aus, und ihr Ausharren ist beispielhaft. Betrachte die griechische Versammlung in Brüssel: Alle 47 getauften Verkündiger waren irgendwann während des Dienstjahres mindestens einmal als Hilfspionier tätig!

EIN NEUES BETHELHEIM

Über 20 Jahre lang hatte das Bethel in der Avenue General Eisenhower Nr. 28 in Brüssel-Schaerbeek in ausreichendem Maße den Anforderungen des Königreichswerkes entsprochen. Aber es gab nicht genug Platz für die Lagerung von Literatur, und auch nicht alle Mitarbeiter der Bethelfamilie fanden Platz unter dem einen Dach. Im Jahre 1966 wurde der damalige Zweigaufseher, Bruder Marcel Gillet, der gegenwärtig als Koordinator im Zweigkomitee dient, von Bruder Knorr informiert, daß ein neues Bethel gebaut werden würde. Im November 1966 begann man mit den Bauarbeiten. Im Februar 1968 war ein ausgezeichnetes, geräumiges Bethelheim in dem Brüsseler Vorort Kraainem bezugsfertig. Welch ein Unterschied zu den im Jahre 1945 gemieteten Räumen!

VERWIRRUNG IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE

Während über 10 000 Königreichsverkündiger in den niederländisch- und französischsprachigen Teilen Belgiens sich einer herzlichen Gemeinschaft erfreuten, brach in der katholischen Kirche Verwirrung, Haß und Anarchie aus. Dieses Mal verschonten die Tageszeitungen die Kirche nicht, sondern verhöhnten sie sogar. Viele Katholiken erklärten den Brüdern gegenüber freimütig: „Nichts läuft richtig in unserer Kirche“, „Das ist das Ende der katholischen Kirche“ und „Wir können nicht mehr beten.“

In den Kirchen selbst brachen unter den Katholiken Tumulte aus. In Antwerpen, Vilvoorde und anderswo griffen flämische Katholiken die Kirchen an, weil die Messe in diesen Städten für dort lebende französischsprachige Kirchgänger in Französisch zelebriert wurde. Die Polizei mußte gerufen werden, um den Tumulten ein Ende zu bereiten. Die Zeiten waren vorbei, als der katholische Priester die Brüder von der Polizei aus der Stadt jagen ließ. In Antwerpen schrieben katholische Extremisten an die Wände: „Hört auf, in Vilvoorde die Messe in Französisch abzuhalten!“ Vilvoorde ist die Stadt, in der die Geistlichkeit den Bibelübersetzer William Tyndale erdrosseln und verbrennen ließ und wo heute eine Versammlung von 70 Verkündigern des Königreiches Gottes existiert, die die Bibel über alles schätzen. In Löwen, bekannt für seine katholische Universität, schrien junge Priester in den Straßen: „Nieder mit dem Bischof!“ Schließlich mußte die Regierung eingreifen und die Ordnung wiederherstellen.

EINGESPERRT WEGEN DER NEUTRALITÄTSFRAGE

Im Laufe der Jahre wurden Hunderte unserer jungen Brüder wegen der Neutralitätsfrage eingesperrt. Gegenwärtig werden unsere Brüder zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sich weigern, ihre christliche Neutralität zu verletzen. Über einen Zeitraum von fast 40 Jahren wurde Brüdern im Gefängnis nicht erlaubt, sich zu versammeln oder Besuch von Versammlungsältesten zu empfangen. Erst am 5. August 1976 erteilte ein großzügiger Justizminister bevollmächtigten Ältesten die Erlaubnis, die Brüder zu besuchen.

EIN UNVERGESSLICHES EREIGNIS

Der internationale Kongreß „Göttlicher Sieg“, der vom 8. bis 12. August 1973 in Brüssel stattfand, war ein unvergeßliches Ereignis. Dieser Kongreß war nicht nur deshalb denkwürdig, weil eine Rekordanwesendenzahl erreicht wurde, sondern auch deshalb, weil dieses Mal unsere spanischen und portugiesischen Brüder eingeladen worden waren, nach Brüssel zu kommen. Ihnen war noch nicht das Recht gewährt worden, sich in ihrem eigenen Land mit anderen frei zu versammeln, und so kamen sie in Scharen. Die Höchstzahl der Anwesenden beim spanischen Programm betrug 19 687 und beim französischen 14 625. Unsere flämischen Brüder konnten 11 101 Anwesende und unsere portugiesischen 8 152 verzeichnen. Insgesamt belief sich die Zahl der Anwesenden auf 53 565.

Die belgischen Brüder hatten sich darauf vorbereitet, ihren spanischen und portugiesischen Brüdern angesichts der Verfolgung, der diese jahrelang ausgesetzt waren, einen herzlichen Empfang zu bereiten und ihnen gegenüber ihre von Herzen kommende Liebe und Gastfreundschaft zum Ausdruck zu bringen. Die spanischen und portugiesischen Brüder und Schwestern, die wiederum für ihre Gastfreundschaft bekannt sind, waren ihrerseits entschlossen, ihre Liebe und überströmende Dankbarkeit dafür zum Ausdruck zu bringen, daß es ihnen möglich war, mit ihren Brüdern in Belgien zusammenzukommen. Zahllos waren die Gesten herzlicher Zuneigung und endlos der Austausch von Geschenken bei diesem freudigen Anlaß.

AUSLÄNDISCHE VERKÜNDIGER KEHREN NACH HAUSE ZURÜCK

Viele Organisationen wie die NATO (Nordatlantikpaktorganisation), die EG (Europäische Gemeinschaft) und SHAPE (Europäisches NATO-Hauptquartier) haben ihren Sitz in Belgien. Dadurch leben in diesem Land viele Menschen der verschiedensten Nationalitäten. Aufgrund dieser Umstände lernen etliche die Wahrheit hier in Belgien kennen und kehren dann als Zeugen Jehovas in ihr Heimatland zurück. Im Laufe der Zeit traf dies auch auf viele Italiener, Spanier und Griechen zu, die eigentlich gekommen waren, um hier in den Kohlenbergwerken zu arbeiten. Dann, nach verschieden langem Aufenthalt in Belgien, kehrten sie nach Hause zurück und trugen in ihren Heimatländern sehr zum Fortschritt des Predigtwerkes bei. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage haben diese Rückreisetrecks an Zahl zugenommen.

GEGENWÄRTIGE GEISTIGE WOHLFAHRT

Heute ist die „gute Botschaft vom Königreich“ überall in Belgien bekannt. Es gibt kein nichtzugeteiltes Gebiet mehr. Das ganze Land ist den 288 Versammlungen zugeteilt worden. Im April 1983 betrug die Höchstzahl der Verkündiger in Belgien 20 018.

Wie ist die gegenwärtige Situation im Land? Wie reagieren die Menschen im allgemeinen auf die Predigttätigkeit? Der einstmals durch die katholische Religion ausgeübte Einfluß ist größtenteils geschwunden. Selbst wenn viele Katholiken noch behaupten, religiös zu sein, liegt es doch auf der Hand, daß der materielle Wohlstand viele dazu verleitet hat, eine materialistische Einstellung zu entwickeln. Diese Einstellung sowie ein totales Desinteresse an religiösen Dingen hat unter den Menschen eine enorme Gleichgültigkeit bewirkt. Es ist somit schwierig, mit ihnen über Gott und seinen Vorsatz zu sprechen. Diese Einstellung stellt für die Verkündiger eine Herausforderung dar und spornt sie an, es mit wirkungsvollen Einleitungen zu versuchen in dem Bemühen, Interesse an der Königreichsbotschaft zu wecken.

KONGRESS-SÄLE

Das Mieten von Sälen für Kreiskongresse war oft mit hohen Kosten verbunden, und viele entsprachen nicht unseren Bedürfnissen. So beschlossen die Kreise, eigene Säle zu erwerben. Im Jahre 1980 wurden zwei Säle gekauft, und zwar einer in Bioul und der andere in Bornem. Mit Begeisterung gingen die Brüder und Schwestern daran, Geld und Zeit darauf zu verwenden, diese Säle so herzurichten, daß Kongresse darin stattfinden konnten. Da die Kongreßsäle stets saubergehalten werden, brauchen die Brüder nicht mehr vor Benutzung des Saales Reinigungsaktionen durchzuführen.

JEHOVAS LIEBENDE GÜTE — EINE KRONE

Im Jahre 1902 mag sich Bruder Tilmant, der erste Königreichsverkündiger in Belgien, gefragt haben: „Wie ... werden sie hören, ohne daß jemand predigt?“ (Röm. 10:14). Wer hätte gedacht, daß die Samenkörner der Wahrheit, die von diesem treuen Bruder damals gesät worden waren, im Verlauf von 80 Jahren mehr als 19 000 mutige Zeugen für Jehova hervorbringen würden?

Man kann sich vorstellen, wie begeistert Bruder Smets und Bruder Poelmans waren, als sie 1952 feststellten, daß die Zahl der Verkündiger von den fünf Personen, die in der Prüfung im Jahre 1918 Jehova treu geblieben waren, auf über 3 500 angewachsen war!

Diese mutigen Christen starben, aber sie hatten das im Sinn, was Jesus gesagt hatte: „Freut euch und springt vor Freude, da euer Lohn groß ist in den Himmeln“ (Mat. 5:12). Jetzt, da sie Miterben mit Christus in den Himmeln sind, kann man sich vorstellen, welche Freude sie empfinden, Jehovas reichen Segen auf seinem Volk ruhen zu sehen.

Möge Jehova für seine liebende Güte gepriesen werden! Wir danken ihm, daß er in der Neuzeit so viele treue Zeugen erweckt hat. Tatsächlich bedauerten wir eines bei der Zusammenstellung dieses Berichtes: den Platzmangel, der uns daran gehindert hat, Hunderte von Brüdern und Schwestern zu erwähnen, die wie Andronikus und Junias — obwohl weniger bekannt — gleich Säulen und ‘angesehenen Männern’ waren, die treu im Werk des Herrn gearbeitet haben (Röm. 16:7).

Die ausgezeichneten Beispiele des Ausharrens dieser treuen Brüder sowie die Art, wie Jehova sein Volk hier in Belgien durch „den treuen und verständigen Sklaven“ geleitet hat, stellen eine machtvolle Quelle der Ermunterung für uns alle dar. Das spornt uns an, fortzufahren, ‘den vortrefflichen Kampf des Glaubens zu kämpfen’, bis zu dem Tage, da Jehova durch seinen König Jesus Christus sagen wird: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet worden seid, ererbt das Königreich, das von der Grundlegung der Welt an für euch bereitet ist“ (1. Tim. 6:12; Mat. 25:34).

Wenn dieser herrliche Tag anbricht, werden die Wiesen und Felder Belgiens nicht mehr in der Gefahr stehen, in ein Schlachtfeld umgewandelt zu werden, wie dies seit 1914 zweimal geschehen ist. Nein, diese Felder sowie das übrige Europa, ja die ganze Erde wird in ein weltweites Paradies umgewandelt werden, und Krieg und Bedrückung werden verschwunden sein. Bis dahin werden alle, die Gerechtigkeit lieben, in Belgien und sonstwo auf der Erde die Worte des Apostels Johannes wiederholen: „Amen! Komm, Herr Jesus“ (Offb. 22:20).

[Fußnote]

^ Abs. 8 Später wurden diese Bände Schriftstudien genannt.

[Karte auf Seite 39]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Belgien

Antwerpen

Bornem

Mecheln

Vilvoorde

Erps Kwerps

Löwen

Kraainem

Schaerbeek

Brüssel

Ixelles

Tervueren

Orp-le-Grand

Beringen

Bree

Waterschei

Eisden

Genk

Heure-le-Romain

Vivegnis

Vise

Herstal

Lantin

Lüttich

Bolland

Flémalle-Haute

Engis

Ampsin

Amay

Sclessin

Herve

Ougrée

Eupen

Verviers

Val St. Lambert

Maas (Meuse)

Namur

Bioul

Dinant

Ciney

Bertrix

Bastogne

Neufchâteau

La Louvière

Haine St. Paul

Carnières

Roux

Jumet

Charleroi

Couillet

Braine-le-Comte

Tournai

Anvaing

Kortrijk

Ieper (Ypres)

Ostende

Gent

[Bild auf Seite 47]

Bruder Ernest Heuse sen. und Familie — alle im Vollzeitdienst

[Bild auf Seite 48]

Auf einem Kongreß in Lüttich (1952) freuen sich Bruder Poelmans und Bruder Smets, daß die Zahl der Verkündiger von 5 auf mehr als 3 000 angewachsen war

[Bild auf Seite 55]

Bruder Emile Schrantz mit seiner Frau im Kreisdienst (Bruder Fevrier rechts). Zur nächsten Versammlung ging es mit dem Fahrrad.

[Bild auf Seite 58]

Werner Schütz, ein mutiger Kämpfer für die Theokratie. Bis zu seinem Tode im Jahre 1972 war er im Vollzeitdienst tätig — insgesamt 47 Jahre.

[Bild auf Seite 81]

André Wozniak, der im Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselstellung in der Fortführung des Königreichswerkes im Untergrund innehatte, wurde von der Gestapo gesucht, aber nie gefunden

[Bild auf Seite 89]

Bruder und Schwester Hartstang reisten heimlich von Holland nach Belgien. Er diente in der schwierigen Zeit als Zweigaufseher und entging der Gefangennahme durch einen entschiedenen Gestapochef.

[Bilder auf Seite 90]

François Hankus befand sich unter den 14 Brüdern und Schwestern, die in verschiedene Gefängnisse und Konzentrationslager in Deutschland gebracht wurden

Schwester Hankus harrte treu aus und blieb während der Haft ihres Mannes und auch danach tätig. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1982 stand sie im Predigtdienst.

[Bild auf Seite 92]

Bruder und Schwester Floryn nach ihrer Rückkehr aus dem Konzentrationslager

[Bild auf Seite 95]

Bruder Glowacz, einer der Zeugen, denen in Buchenwald die Hinrichtung drohte, weil sie sich geweigert hatten, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten

[Bild auf Seite 118]

Das Gebäude des belgischen Zweigbüros in dem Brüsseler Vorort Kraainem

[Bilder auf Seite 123]

Ansicht des Kongreßsaales in Bioul, eines der Gebäude, die 1980 gekauft wurden

Innenansicht des Kongreßsaales in Bornem