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Niederlande

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ES gibt wenige Nationen, die ständig aufpassen müssen, daß das Meer nicht ihr Land überschwemmt. Doch die Bewohner der Niederlande befinden sich in einer solchen Situation. Im Westen und im Norden, hinter natürlichen Dünen und aufgeschütteten Deichen, liegt die Nordsee, und mehr als einmal überflutete sie große Teile des jetzt fruchtbarsten Gebietes.

Ein weiteres Merkmal dieses Landes wird durch den Namen Holland angedeutet. Wegen der Wälder, die sich früher hinter den Dünen im Westen ausbreiteten, war dieser Teil des Landes als Holtland (Baumland) bekannt, und aus dieser Bezeichnung entstand der Name Holland. Obwohl die Niederlande zu den am dichtesten bevölkerten Ländern der Erde gehören, gibt es im Landesinnern und im Osten noch ziemlich große Waldgebiete. Die westlichen und nördlichen Landesteile sind mit vielen Seen übersät. Ja, Wasser ist reichlich vorhanden, und deshalb kommen einem, wenn man an Holland denkt, automatisch auch Deiche, Windmühlen und Holzschuhe in den Sinn.

Jahrhundertelang brachte man die Niederlande hauptsächlich mit der Schiffahrt in Verbindung. Im 17. Jahrhundert wuchsen sie zur führenden See- und Handelsmacht heran. In der ganzen Welt besaßen sie Kolonien, und von dort brachten sie auf dem Seeweg Güter, die sie auf Flüssen ins Innere Europas transportierten. Nach Kriegen im 18. Jahrhundert mußten die Holländer die Vormachtstellung auf See an England abtreten. Gegen Ende des darauffolgenden Jahrhunderts bot sich dem niederländischen Volk jedoch eine neue Gelegenheit.

EINE ZEIT GEISTIGEN ERWACHENS

Im Jahre 1891 reiste Charles Taze Russell durch Europa, um zu sehen, was getan werden könnte, „um die Ausbreitung der Wahrheit dort zu fördern“. Er besuchte Rotterdam, Amsterdam und Den Haag. Den Niederländern stand nicht irgendein neues geschäftliches Unternehmen in Aussicht. Es war vielmehr die Gelegenheit, die Vorsätze des Schöpfers des Himmels und der Erde kennenzulernen und seine Zeugen sein zu dürfen. Wo könnten aber Arbeiter gefunden werden, die sich für dieses Werk zur Verfügung stellen würden?

Um die Jahrhundertwende zog der junge Heinrich Brinkhoff, ein Lutheraner, nach Haarlem (Niederlande), um dort als Missionar tätig zu sein. Er war zwar eifrig, aber es mangelte ihm an genauer Erkenntnis. Es dauerte nicht lange, und er schloß sich den Baptisten des siebenten Tages an; er war aber noch immer auf der Suche nach der Wahrheit. Er begann auch, biblische Literatur zu lesen, die von der Watch Tower Society und den Internationalen Bibelforschern veröffentlicht wurde. Sein Interesse daran wurde so groß, daß die Baptisten mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten. Er brannte darauf, das Gelernte auch anderen mitzuteilen. Deshalb übersetzte er einige von der Wachtturm-Gesellschaft veröffentlichte Publikationen: den ersten Band der Schriftstudien, das kleine Buch Speise für denkende Christen und einige Traktate. Danach verbreitete er sie. Nach einiger Zeit begann der Same der Wahrheit aufzugehen.

Bald schlossen sich ihm in Rotterdam eine ältere Frau, Schwester Kropff, an und in Amsterdam ein junger Mann, Frits Peters. Als Ruurd Hallema seine Eltern in Friesland besuchte, begann er, diese Schriften zu verbreiten. So erhielt J. Andringa eines der Bücher. Was er las, klang in seinen Ohren wie Musik. Er war schon mit vielen Dingen in der Kirche nicht einverstanden, und als im Ersten Weltkrieg der Geistliche an einem Sonntag um den Sieg für die Alliierten betete, trat Andringa aus der Kirche aus und stellte sein Leben in den Dienst des wahren Gottes.

In den Kriegsjahren bildete sich in Rotterdam und in Amsterdam eine kleine Gruppe von Bibelforschern. Im Jahre 1918 gaben sie sogar aus eigenem Antrieb drei Ausgaben des Wachtturms in Niederländisch heraus, aber zur damaligen Zeit wurde offensichtlich wenig Interesse dafür gezeigt.

BESSERE ORGANISATION REGT DAS WACHSTUM AN

Im Jahre 1920 besuchte J. F. Rutherford, der damalige Präsident der Watch Tower Society, Europa und eröffnete in der Schweiz das Zentraleuropäische Büro der Gesellschaft. Die Niederlande kamen unter die Aufsicht dieses Büros. Bruder Rutherford bat Adriaan Block, der in Mülhausen (Frankreich) eine gutgehende Zahnarztpraxis hatte, nach Holland zurückzukehren, um dort die Aufsicht über die Versammlungen zu übernehmen. Dieser Aufforderung kam er 1921 nach. Im darauffolgenden Jahr wurden Vorkehrungen für die Eröffnung eines Zweigbüros direkt in Amsterdam getroffen. In den Niederlanden hatte es unter den Brüdern etwas Unruhe gegeben, aber durch die bessere Organisation war bald Fortschritt zu erkennen. Die Brüder setzten ihre Kraft im Predigen der guten Botschaft vom Königreich ein, und diese Botschaft wurde im ganzen Land verbreitet wie nie zuvor.

Das Königreichswerk erhielt einen weiteren Aufschwung, als Bruder Rutherford 1923 persönlich nach Amsterdam kam. In der großen Halle in der Diamantenbörse hielt er den begeisternden Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“. In Zusammenarbeit mit Willem Vogt, einem Niederländer, der in der Nachrichtentechnik Pionierarbeit geleistet hatte, wurde der Vortrag von der Diamantenbörse direkt übertragen, so daß er im ganzen Land gehört werden konnte. Es war das erste Mal, daß in den Niederlanden derartiges unternommen wurde.

Unter den Zuhörern befand sich damals der 19jährige Arnold Werner. Er hatte sich ernsthaft bemüht, mehr über Gott zu erfahren. Deshalb besuchte er den Religionsunterricht in der reformierten Kirche, doch er erhielt dort keine befriedigenden Antworten auf seine Fragen. Zur gleichen Zeit nahm sein Bruder Tom mit den Internationalen Bibelforschern — so wurden Jehovas Zeugen damals genannt — Verbindung auf, und seine Fragen wurden ihm direkt aus der Bibel beantwortet. Für Arnold war der Vortrag in der Diamantenbörse ein Wendepunkt in seinem Leben.

VOLLZEITPREDIGER TÄTIG

Im darauffolgenden Jahr begannen Tom Werner und Otto Lehmann ihre ganze Zeit darauf zu verwenden, biblische Literatur zu verbreiten. Auch Bruder Block unternahm vom Zweigbüro aus viele Reisen, um Vorträge zu halten, die die Studiengruppen ermunterten. In jenem Jahr — auf einem eintägigen nationalen Kongreß im April — befand sich Arnold Werner unter denen, die sich im Wasser taufen ließen.

Arnold — ein sportbegeisterter junger Mann — kaufte sich ein schönes Segelboot. Doch kurz nach seiner Taufe verkaufte er das Boot und unternahm mit einem großen Teil des Geldes Reisen in Städte, die mit der Eisenbahn zu erreichen waren, um die Resolution „Aufruf an die Führer der Welt“ zu verteilen. In dieser Resolution wurden alle Menschen aufgefordert, Gottes Königreich anzuerkennen, und es wurde darin die Untreue der Christenheit bloßgestellt, die einen Ersatz, den Völkerbund, unterstützte. Arnold verbreitete persönlich Zehntausende der Traktate, die diese Resolution enthielten.

Nach einiger Zeit taten sich Arnold und sein Bruder Tom zusammen, und während sie im Land umherreisten, wohnten sie in einem fahrbaren Haus, das auf einen Ford-LKW, Modell T, gebaut worden war. Sie verteilten zusammen die Resolution „Offene Anklage gegen die Geistlichkeit“, in der die Christenheit aufs schärfste bloßgestellt wurde. Furchtlos gingen sie in Gebiete, wo damals die katholische Kirche noch sehr viel Macht hatte. In Helmond kamen mitten auf der Straße mehrere Frauen zusammen und schrieen hysterisch: „Unsere heilige Kirche wird angeklagt!“ Die Brüder setzten ihr Werk jedoch ruhig fort.

Kurz danach kam der Priester und sagte zu ihnen: „Was in dem Traktat gesagt wird, stimmt nicht. Hören Sie sofort auf, es zu verteilen.“ Die beiden Brüder erwiderten jedoch: „Wissen Sie, wir sind davon überzeugt, daß sich das, was in der Resolution gesagt wird, auf die Bibel stützt. Wir betrachten es als unsere Pflicht, diese Wahrheiten den Menschen bekanntzumachen. Wenn Sie uns allerdings anhand der Bibel zeigen können, daß die Resolution nicht die Wahrheit enthält, werden wir natürlich sofort mit der Verbreitung aufhören.“ „Gut“, antwortete er ziemlich erleichtert, „kommen Sie heute nachmittag gegen 2 Uhr ins katholische Pfarrhaus.“ Es war gerade 11 Uhr vormittags. „In Ordnung“, sagten die Brüder und fuhren mit der Verteilung der Traktate fort.

Als der Geistliche das jedoch sah, sagte er ganz aufgeregt: „Ja, Sie müssen aber sofort mit der Verteilung aufhören.“ Die Brüder entgegneten: „Doch bis jetzt sind wir noch davon überzeugt, daß die Resolution die Wahrheit enthält, und solange Sie uns nicht das Gegenteil bewiesen haben, werden wir fortfahren, unsere Pflicht zu tun.“ Daraufhin sagte der Geistliche: „Dann kommen Sie sogleich zu mir!“ Er konnte natürlich nichts von dem, was in der Resolution gesagt wurde, widerlegen, und so fuhren die Brüder fort, bis sie alle Leute der Stadt erreicht hatten.

PRÜFUNGEN DER LAUTERKEIT BEWIRKEN EINE SICHTUNG

Jehova hat seinen Dienern seine Vorsätze Schritt für Schritt offenbart. In Sprüche 4:18 wird dieser Gedanke wie folgt ausgedrückt: „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Licht, das heller und heller wird, bis es voller Tag ist.“ Jehova ändert seinen Vorsatz nicht, aber seine Diener mußten ihr Verständnis darüber, wann und wie er zur Durchführung gebracht wird, dem immer heller werdenden Licht anpassen. Solche Änderungen können zu schweren Prüfungen der Lauterkeit werden. Das geschah im Jahre 1925. Damals sagten sich mehrere von der Organisation los. Anfangs hatten sie miteinander mehr oder weniger engen Kontakt, doch dann ging jeder seine eigenen Wege. Einige sagten sogar: „Wenn sich unsere Erwartungen nicht bis 1925 erfüllen, dann werf’ ich meine Bibel ins Feuer.“ Sie hatten offensichtlich aus dem Sinn verloren, worauf es in Wirklichkeit ankam, und waren des Dienstes Gottes überdrüssig geworden. Außerdem waren sie mehr darauf bedacht, sofort ihren Lohn zu bekommen, als anderen zu helfen, aus den liebevollen Vorkehrungen Gottes Nutzen zu ziehen.

Sowohl die Brüder in den Niederlanden als auch Jehovas Diener auf der ganzen Erde wurden mit einer entscheidenden Frage konfrontiert: Wer wird Jehova ehren? Jeder einzelne, der sich gegenüber Jehova und seiner sichtbaren Organisation als treu erweisen wollte, mußte diese Frage auf eine positive Weise beantworten.

Im Jahre 1927 wurde Arnold Werner zum Zweigdiener ernannt, und Adriaan Block wurde abgelöst. Eine solche Änderung kann zu einer Prüfung werden. Mehrere Jahre arbeitete Bruder Block jedoch mit seinem Nachfolger treu zusammen, aber mit der Zeit ließ er in seiner Treue nach. Daraufhin löste sich die Versammlung, der er vorstand, auf, und viele, die mit ihr verbunden gewesen waren, entwickelten sich während des Zweiten Weltkrieges tatsächlich zu Gegnern des Volkes Jehovas.

WILLIGE ARBEITER HÖREN AUF DEN RUF

Anfang 1927 erging der Ruf nach mehr Vollzeitpredigern der guten Botschaft — damals nannte man sie Kolporteure. Bald gab es in den Niederlanden acht Kolporteure. Die Verbreitung biblischer Literatur nahm damit einen gewaltigen Aufschwung. In jenem Jahr verdoppelte sie sich, und das wiederholte sich 1928. Es wurde viel Samen der Königreichswahrheit ausgesät.

Einige dieser eifrigen Arbeiter kamen aus Frankreich. Dort wurde auf einem Kongreß den Polnisch sprechenden Brüdern erklärt, es würden Freiwillige benötigt, die den im Süden der Niederlande wohnenden Polnisch sprechenden Bergleuten die gute Botschaft brächten. André Kowalski und sein Partner packten Ende 1927 ihre Sachen und zogen in die Provinz Limburg. Sie fanden dort nicht nur viele interessierte Personen, sondern André wurde auch mit einer guten Frau belohnt, einer eifrigen Pionierschwester, die gekommen war, um die Brüder in ihrer Zuteilung zu unterstützen.

Dieses Gebiet befand sich lange Zeit in der Knechtschaft der katholischen Kirche. Folglich nahm mit dem Interesse an der guten Botschaft auch der Widerstand zu. Fast täglich forderte man die Brüder auf, ihre Arbeit einzustellen, und oft wurden sie auf die Polizeiwache geschleppt und dort stundenlang festgehalten. Als sie an einem Sonntagmorgen in einem Dorf einige Besuche durchführten, gaben Dorfbewohner dem Geistlichen Bescheid. Polizisten, angeführt von dem Bürgermeister, umringten die Brüder, nahmen sie fest und führten sie zum Rathaus. Die Brüder hatten natürlich kein Gesetz übertreten, und so wurden sie bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Inzwischen hatten sich viele Neugierige eingefunden, die wissen wollten, wie die Sache ausgehen würde. Als die Brüder aus dem Gebäude kamen, riefen sie der Menge zu: „Sehen Sie, wir sind immer noch hier!“ Dann boten sie ihnen biblische Literatur an, und bald waren ihre Taschen leer.

FÜR DIE WAHRHEIT STELLUNG BEZIEHEN

In jenen Tagen wurden nicht viele Rückbesuche und Heimbibelstudien durchgeführt. Wer also die wahre Anbetung annehmen wollte, mußte selbst die Initiative ergreifen und nach der Wahrheit suchen. Ulrich Kress, ein Bergmann, tat dies. Im Frühjahr 1930 wurde er nach einem kurzen Gespräch in einem Wartezimmer von August Lach eingeladen, ihn zu Hause zu besuchen. Ulrich nahm die Einladung an, und nachdem er eine Ausgabe der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter (jetzt als Erwachet! bekannt) gelesen hatte, ging er am nächsten Abend wiederum zu August, doch diesmal mit vielen Fragen. Er war über die Antworten aus der Bibel erstaunt. Bevor er sich verabschiedete, fragte er: „Was tun Sie am Sonntag?“ August antwortete: „Am Sonntag habe ich keine Zeit. Morgens gehe ich von Haus zu Haus, um Das Goldene Zeitalter zu verbreiten, und nachmittags besuche ich eine biblische Zusammenkunft.“ Ulrich wollte ihn begleiten.

Am Sonntagmorgen erhielt Ulrich etwa folgende Anweisungen: „Hier haben Sie einige Zeitschriften und Broschüren; sie kosten soundso viel. Sie bearbeiten die linke Straßenseite und ich die rechte. Wenn Sie vor mir am Ende ankommen, können Sie mir auf der rechten Seite entgegenarbeiten. Hat die Tür keine Klingel, dann klopfen Sie einfach.“ Das war alles.

Nach etwa zwei Stunden traf sich die Gruppe an einer Straßenecke und tauschte Erfahrungen aus. Sie schienen ihr Vergnügen daran zu haben. Einer erzählte, er sei mit dem Besenstiel verprügelt worden. Ulrich konnte nicht verstehen, wie man sich über solche Erlebnisse freuen konnte. Aber ihre Freude machte ihm Mut (Mat. 5:10-12).

Die Kongresse waren damals klein im Vergleich zu heute. Auf dem Kongreß in Den Haag waren 1929 siebzig Personen anwesend. Anläßlich des Besuchs Bruder Rutherfords im Jahre 1933 waren es nur 165. Doch die Brüder freuten sich sehr auf jeden Kongreß.

UNTERKUNFT FÜR DIE PIONIERE

Anfang der 30er Jahre forderte das Zentraleuropäische Büro junge Männer und Frauen aus ganz Europa auf, ihren Glauben dadurch zu beweisen, daß sie in ein Land zögen, wo Hilfe dringender benötigt werde. In religiöser Hinsicht waren die Niederlande eine „harte Nuß“. Aber die Holländer waren für ihre Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen und Fremden bekannt; deshalb nahmen Pioniere aus den Nachbarländern ihren Dienst in den Niederlanden auf. Viele waren aus Deutschland. Eine Anzahl Holländer schlossen sich ihnen im Vollzeitdienst an. Einige gaben ein gemütliches Heim und eine gutbezahlte Stellung auf. Mehrere waren neu im Dienst Jehovas. Max Henning aus Deutschland war nicht einmal getauft, als er dem Ruf nach Arbeitern folgte. Doch alle waren bereit, als Pioniere hart zu arbeiten.

Zur Unterstützung dieser Vollzeitdiener mietete das Zweigbüro Wohnungen, in denen die Pioniere unterkommen konnten. In Tilburg teilten sich sechs Pioniere eine Wohnung, in Amsterdam neun Pioniere. Später richtete man in Eindhoven, Heemstede und Leersum Pionierheime ein. Es war vereinbart, daß jeder Pionier sämtliche Einnahmen aus der Literaturabgabe in die gemeinsame Kasse legte. Alle beteiligten sich an den Arbeiten, die notwendig waren, um das Heim in Ordnung zu halten. Ein Bruder, der Schuhe reparieren konnte, tat dies, ein anderer schnitt die Haare usw. Blieb am Monatsende Geld übrig, nachdem alle Kosten in Verbindung mit dem Heim gedeckt waren, wurde es unter die Pioniere verteilt. Gewöhnlich war das nicht sehr viel.

Gegen Ende des Jahres 1931 mietete die Gesellschaft zur Förderung des Predigtwerkes ein Boot. Es trug den Namen Almina und lag im Kanal der Stadt Zwolle vor Anker. Dieses fahrbare Heim war eine gute Unterkunft für die Pioniere, wenn sie die an den Wasserwegen gelegenen Städte bearbeiteten. Da war aber ein Problem: Die Pioniere, die dem Boot zugeteilt waren, wußten über die Handhabung des Bootes soviel wie über das Fliegen zum Mond. Als Ferdinand Holtorf dann verlauten ließ, daß er früher Seemann gewesen war, wurde er natürlich gleich der Almina zugeteilt, und er ging unverzüglich nach Zwolle.

Die Almina war ein gutes Boot, doch sie hatte weder einen Motor noch ein Segel. Wie sollte man sie also in Bewegung setzen? „Haben wir einen starken Bruder an Bord?“ So wurde das Problem gelöst. Der starke Bruder sollte das „Pferd“ sein, und während er am Kanal entlangging, sollte er das Boot mit einem Seil ziehen. Es ging also los. Die Pioniere, die auf dem Boot wohnten, arbeiteten landeinwärts nach Nordosten und verrichteten gute Arbeit. Eine der Städte, in denen sie predigten, war Emmen. Damals hätte niemand vermutet, daß sich etwa 50 Jahre später ein modernes Zweigbüro und eine Druckerei der Watch Tower Society dort befinden würden.

SCHNELLES WACHSTUM BEWIRKT POLIZEILICHES EINSCHREITEN

Mit der vermehrten Predigttätigkeit nahm auch der Widerstand von seiten der Geistlichkeit zu. In der Umgebung von Tilburg war dies zu verspüren. Wenn Verkündiger eine Ortschaft zwei Tage hintereinander bearbeiteten, wurden sie von Pöbelrotten mit Mistgabeln vertrieben und mit Steinen beworfen. Damit die Pioniere ihre Kosten decken und in dem Gebiet bleiben konnten, um dort ein gründliches Zeugnis zu geben, war es oft nötig, daß sie ungefähr für einen Monat in einen anderen Teil des Landes zogen, wo Menschen wohnten, die ihnen freundlicher gesinnt waren und wo sie mehr Literatur abgeben konnten. Danach setzten sie ihre Arbeit um Tilburg herum fort.

Die Bewohner des Pionierheims in Tilburg waren großem Druck ausgesetzt. Manchmal wurde ihnen das Licht, das Wasser und das Gas abgestellt. Man versuchte sogar, ihr Haus in Brand zu stecken. Denjenigen, die aus dem Ausland gekommen waren, um dort zu predigen, wurde mit Ausweisung gedroht, falls das Werk der Zeugen Jehovas in jenem Landesteil fortgesetzt würde. Und tatsächlich, eines Abends kam Bruder Sonnenschein sen. nicht nach Hause. Als man in Tilburg zur Polizei ging, lautete die Antwort, Jehovas Zeugen hätten unter der Bevölkerung Unruhe verursacht und der Vermißte sei wahrscheinlich des Landes verwiesen worden. Und so war es wirklich. Die Ortsbehörde hatte entschieden, unseren Bruder den Nationalsozialisten nach Deutschland auszuliefern. Daraufhin kam er ins Konzentrationslager. Bruder Lange, Bruder Gädeke und Bruder Backes erlitten das gleiche Schicksal. Schließlich wurde das Heim in Tilburg aufgelöst, und die Pioniere erhielten andere Zuteilungen.

Einige Juristen im Land waren darüber sehr aufgebracht, und auch die Presse nahm dazu Stellung. In der Zeitung Het Volk vom 10. April 1934 wurden eine Anzahl Juristen zitiert, die sich zu dieser Angelegenheit geäußert hatten. Ein Rechtsanwalt sagte: „Da man den Ausländern jegliche Rechte versagt, ... wird die in den Niederlanden in Ehren gehaltene Tradition des Asylrechts in anderen Ländern in Mißkredit gebracht.“ Im Parlament wurde der Justizminister aufgefordert, seinen Einfluß geltend zu machen, um den örtlichen Polizeibehörden die Befugnis zu entziehen, jemanden des Landes zu verweisen.

Das Ladenschlußgesetz wurde ebenfalls auf Jehovas Zeugen angewandt; so war es ihnen nicht erlaubt, sonntags öffentlich biblische Literatur für einen Kostenbeitrag anzubieten. Man reichte bei dem Ministerium für Wirtschaftsangelegenheiten Beschwerde ein, was aber nichts nützte. Trotz dieser Schläge wurde die Königreichsbotschaft immer weiter verbreitet.

„SENDE DEIN BROT AUS AUF DIE OBERFLÄCHE DER WASSER“

Im Sommer 1934 ließen Pioniere in der Nähe von Rotterdam bei einer Frau vier Broschüren zurück. Etwas später am selben Tag kam ihr Sohn Jan von einem Fußballspiel nach Hause und fand die Broschüren auf dem Tisch. Seine Eltern waren zwar sehr religiös, doch Jan verlor immer mehr das Interesse an Religion. Er befaßte sich sogar mit dem Kommunismus. Als er aber die Broschüren gelesen hatte, wußte er, daß sie die Wahrheit enthalten. Die Pioniere kamen nicht wieder. In jenen Tagen wurde im Predigtwerk folgender Grundsatz angewandt: „Sende dein Brot aus auf die Oberfläche der Wasser, denn im Verlauf vieler Tage wirst du es wiederfinden“ (Pred. 11:1). Man verbrachte viel Zeit damit, die Königreichsbotschaft zu verbreiten, obwohl die Ergebnisse nicht immer gleich zu sehen waren. Jan wartete aber nicht „viele Tage“, bis er das Gelernte in die Tat umsetzte. Er redete mit allen, die ihm zuhörten. Seine Freundin schloß sich ihm in der Predigttätigkeit an, und noch heute dienen sie Jehova gemeinsam.

Ferdinand Holtorf, der im Norden, in Groningen, tätig war, erhielt vom Zweigbüro den Auftrag, mit einem Mann Verbindung aufzunehmen, der auf dem Lande wohnte und große Mengen Broschüren zum Verbreiten bestellt hatte. Nach langem Suchen konnte er Tjeerd de Bruijn ausfindig machen. Es stellte sich heraus, daß dieser von Ferdinands Frau ein Jahr zuvor drei Broschüren entgegengenommen hatte, dann aber umgezogen war. Er konnte nicht anders, als mit anderen über die wunderbaren Wahrheiten, die er lernte, zu sprechen. Tjeerd mußte zwei Stunden mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und abends wieder zwei Stunden zurück, und seine Arbeit, die er auf einem Deich verrichtete, war nicht leicht. Außerdem mußte er nach Feierabend seinen Garten bearbeiten. Aber Wertschätzung für die Wahrheit bewog ihn, anschließend noch Ferdinand im Predigtdienst zu begleiten, und das manchmal bis Mitternacht.

Hauptsächlich in Landgebieten, wo die kalvinistische reformierte Kirche viel Macht besaß, mußten die Pioniere besonders auf ihre Kleidung achten, damit sie wirkungsvoll Zeugnis geben konnten. Die Leute dort fanden schwarze Kleidung besonders sittsam, und sie dachten, sie solle soviel wie möglich vom Körper bedecken. Die Pionierschwestern aus Deutschland waren an eine Art Kleidung gewöhnt, die diese Leute nicht als schicklich empfanden. Oft wurden sie schroff abgewiesen mit Worten wie: „Sie mit Ihren hellen Kleidern und Strümpfen und Ihrem kurzen Haar wollen uns etwas über Gott erzählen?“ Die Pioniere stellten aber fest, daß Jopie de Jong, ein Pionier von dort, der früher zur kalvinistischen reformierten Kirche gehört hatte und die Leute verstand, sehr erfolgreich war. Kein Wunder, denn er trug im Predigtdienst eine gestreifte gute Hose und eine Melone! Die anderen Pioniere paßten also ihre Kleidung der Einstellung der Leute an.

HÄRTEN KÖNNEN DAS WERK NICHT BEHINDERN

Die Pioniere scheuten sich nicht vor einem Leben voller Härten. In besonderen Zeugnisperioden war es nicht ungewöhnlich, daß sie 100 Stunden wöchentlich im Predigtdienst verbrachten. Am Ende des Frühlings und am Anfang des Herbstes begannen sie in Landgebieten um 7 Uhr morgens mit dem Dienst und aßen unterwegs ihr Frühstück. Sie machten mittags keine Pause, sondern aßen etwas, während sie von einem Haus zum anderen gingen. Nach 14stündiger Predigttätigkeit, um 9 Uhr abends, begaben sie sich endlich auf den Nachhauseweg. Es kam nicht selten vor, daß sie während einer solchen Woche 400 oder sogar bis zu 800 Broschüren abgaben.

Aber die wirtschaftliche Lage des Landes wurde in der Mitte der 30er Jahre schlechter. Es gab viel Arbeitslosigkeit, und es fiel den Menschen schwerer, die Literatur zu bezahlen.

Die Geschehnisse in Deutschland hatten ebenfalls einen Einfluß — anfangs allerdings nur indirekt. Als Arthur Winkler und seine Frau Käthe von Deutschland in die Niederlande kamen, um Pionierdienst zu verrichten, erzählten sie von den Schrecknissen in den Konzentrationslagern. Danach dachten die holländischen Brüder ernsthaft an die Möglichkeit, daß solche Prüfungen eines Tages auch über sie kommen könnten.

Die Behörden in den Niederlanden achteten sorgfältig darauf, daß sie Adolf Hitler nicht kränkten. Als im Oktober 1934 Zeugen Jehovas aus 50 Ländern Telegramme verschickten, um gegen Hitlers unmenschliche Behandlung der Zeugen Jehovas in Deutschland zu protestieren, weigerten sich in den Niederlanden viele Postbeamte, diese Telegramme anzunehmen. Trotzdem nahmen immer mehr Menschen die Wahrheit an, und einige von ihnen wurden geistige Säulen.

MUTIGES ZEUGNISGEBEN MIT GRAMMOPHONEN

Bald wurde ein weiteres Gerät im Predigtdienst eingeführt: das Grammophon. Alle Verkündiger brannten darauf, es zu benutzen. Kasper Keim, ein deutscher Pionier, der 1938 in Enschede tätig war, freute sich, einen „Aaron“ zu haben, der für ihn das Sprechen übernehmen würde, denn er war „schwerfällig von Mund und schwerfällig von Zunge“, wenn er versuchte, Niederländisch zu sprechen. (Vergleiche 2. Mose 4:10, 14-16.) Er fragte Schwester Albrecht, wie er seinen „Aaron“ einführen könne, und sie schlug ihm vor: „Wenn du an die Tür kommst und jemand öffnet, dann frage einfach: ‚Meine Dame oder mein Herr, haben Sie fünf Minuten Zeit?‘ Wenn sie ja sagen, dann spiele die Schallplatte ab.“ Am nächsten Morgen klingelte Kasper zuversichtlich an der ersten Tür. Als eine Frau aufmachte, sagte er beherzt: „Meine Dame, Sie haben fünf Minuten Zeit!“ An einer Tür nach der anderen waren die Wohnungsinhaber so verblüfft, daß sie einfach dastanden und zuhörten.

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage wollten die Verkündiger im Predigtdienst Grammophone benutzen. Im Norden des Landes verkaufte Tjeerd de Bruijn sofort seine Ziege, um sich ein Grammophon kaufen zu können. Dann stellte er sich an einen Kirchenausgang und ließ die herauskommenden Pfarrkinder in den Genuß einer zweiten Predigt kommen.

In Soest nahm Schwester J. de Bree ihr Grammophon mit in ein Geschäftsviertel, stellte es auf und ließ die Schallplatten abspielen; manchmal hörten bis zu 30 Leute zu. Wenn die Pioniere, die in Deventer arbeiteten, in den Häfen an der IJssel Zeugnis gaben, aßen sie ihr Mittagbrot dort, wo sich mehrere Leute aufhielten. Während des Essens ließen sie die Schallplatten abspielen, so daß andere es hören konnten. Manchmal hörten bis zu 25 Personen zu, die danach Fragen stellten. Man benutzte auch einen besonders hergerichteten Wohnwagen mit einziehbarem Lautsprecher. Das Predigtwerk wurde also in immer größerem Ausmaß durchgeführt.

VERMEHRTER DRUCK AUF DEUTSCHE PIONIERE

Da die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Deutschland zunahm, kamen immer mehr über die Grenze in die Niederlande. Die holländischen Brüder halfen, indem sie Unterkünfte bereitstellten, doch sie achteten darauf, daß sie über die deutschen Brüder nichts ausplauderten.

Einige Polizeibeamte waren jedoch den Nationalsozialisten gut gesinnt. Deshalb wurde im Oktober 1937 Karl Kemena, der kurz zuvor über die Grenze gekommen war, auf Veranlassung des Bürgermeisters in Ootmarsum festgenommen. Man hielt Karl im Gefängnis in Almelo drei Monate fest, bis sich schließlich freundlichere Beamte für ihn einsetzten. Er nutzte aber die Zeit und lernte Niederländisch, damit er nach seiner Freilassung für das Predigtwerk besser ausgerüstet sei. Im darauffolgenden Jahr wurde er an einem anderen Ort festgenommen, doch nach einigen Monaten Gefängnisaufenthalt wieder auf freien Fuß gesetzt.

Das Land lebte in Furcht vor einem Krieg. Am 15. März 1938 konnte man Premierminister Dr. H. Colijn über Radio sagen hören: „Ich möchte mit der Bitte abschließen, daß der allmächtige Gott unseren Teil der Welt, also unser Vaterland, vor einem neuen Harmagedon beschützen möge.“ Gerade zu dieser Zeit verbreiteten die Brüder die Broschüre Harmagedon, in der erklärt wurde, was die Bibel darüber sagt. In einigen Gebieten konnten die Pioniere mit der Nachfrage kaum Schritt halten.

Die Gestapo wollte jedoch Hand an die deutschen Zeugen Jehovas legen, die sich in den Niederlanden aufhielten. Sie schmuggelten einen Agenten namens Hilgers in die Reihen der Brüder ein. Doch er verriet sich schon bald durch die Art und Weise, wie er sich gab, und man erkannte, daß er kein Zeuge Jehovas war. So konnte er nicht viel Schaden anrichten.

Es braute sich aber noch mehr zusammen. Am 23. Juli machte der Bürgermeister von Leersum dem Zweigbüro der Gesellschaft folgende Mitteilung: „Zufolge des Briefes, den ich heute vom Justizminister, der als Polizeipräsident von Amsterdam amtet, erhielt, erachte ich es als meine Pflicht, Sie wissen zu lassen, daß Sie und alle anderen Glieder der Watch Tower Society von jeglichem Hausieren abstehen müssen, da sonst die Ausländer des Landes verwiesen werden.“ Wie sich herausstellte, bezog sich dies auf diejenigen, die „keine niederländischen Staatsbürger“ waren, und zwar nicht nur auf diejenigen, die in Leersum wohnten, sondern die des ganzen Landes. Daraufhin waren die deutschen Pioniere etwas verunsichert, doch das dauerte nicht lange an. Da sie nicht mehr von Haus zu Haus predigen durften, konzentrierten sie sich auf Rückbesuche, wodurch sich der Fluch in einen Segen umwandelte.

DAMALS WAREN DIE ZUSAMMENKÜNFTE GANZ ANDERS

Die Zusammenkünfte der Versammlung haben immer zur Stärkung des Volkes Jehovas beigetragen. Aber an gewissen Dingen war zu erkennen, wie nötig eine bessere Organisation und weiteres geistiges Wachstum waren. Zum Beispiel wurde manchmal während des Wachtturm-Studiums Kaffee serviert. Und die Luft war nicht immer frei von Tabakrauch.

Cornelis Dortland erinnert sich noch an das erste Gedächtnismahl, dem er beiwohnte. Ein Tisch war gedeckt mit 50 Tellern — auf jedem lag ein Stück Brot — und mit 50 gefüllten Weingläsern. Er sagt: „Von der Zeit jenes Gedächtnismahls an haben mir Beharrlichkeit und Glauben geholfen zu warten, und so habe ich gesehen, wie Jehova sein Volk belehrt. Ich habe viele gesehen, die sich von ihm reinigen und in Zucht nehmen ließen; und diejenigen, die sich zu wichtig vorkamen, sind verschwunden.“

Interessant sind auch die Worte von Ferdinand Holtorf, die eine ausgeglichene Einstellung verraten. Er hat 54 Jahre im theokratischen Dienst verbracht, und er sagt: „Immer wenn wir Älteren zusammen sind und Erfahrungen aus der Vergangenheit austauschen, sind wir sehr bewegt, wenn wir darüber nachdenken, wie Jehova sein Volk geleitet und auf größere Segnungen vorbereitet hat. Wir sind stolz darauf, daß uns Jehova trotz unserer Fehler und Schwächen gebraucht hat, seinen Willen durchzuführen, und daß wir diese einzigartigen Erfahrungen machen durften. Wir können sie anderen erzählen, um sie zu ermuntern, in härteren Prüfungen, die auf uns zukommen mögen, durchzuhalten.“

THEOKRATISCHE ORDNUNG STÄRKT DIE ORGANISATION

Anfang des Dienstjahres 1939 studierten die Brüder in den Niederlanden und in vielen anderen Ländern die Wachtturm-Artikel über die theokratische Organisation. Durch dieses Studium wurde ihnen geholfen, ihr Verhältnis zu Jehova Gott und Jesus Christus besser zu verstehen. Es wurde ihnen klargemacht, wie sich die theokratische Ordnung auf die Tätigkeiten innerhalb der Versammlung auswirken sollte. Die Artikel zeigten, daß in einigen Versammlungen Zank und Streit geherrscht hatte, wiesen aber dann darauf hin, daß Jesaja 60:17 bedeuten muß, „daß die Zeit kommt, da in der Organisation des Herrn auf der ganzen Erde Friede herrscht“. Diejenigen, die anderer Meinung waren oder mehr an ihrem eigenen Namen interessiert waren, als an der Ehre des Namens Gottes, offenbarten sich bald.

Die Versammlung in Eindhoven wurde aufgelöst, und die Verkündigergruppe Südlimburg, die aus 17 Verkündigern bestand, schrumpfte auf 10 zusammen. Diejenigen jedoch, die blieben, waren loyal. Diny Langenberg, die mit der Versammlung Deventer verbunden war, erinnert sich daran, daß dort Willy Martens zum Versammlungsdiener gewählt worden war. Die Versammlung wurde aber von der Gesellschaft benachrichtigt, daß nun Albert van Duren ernannt worden sei. Bruder Martens gab den weisen Rat: „Was die Gesellschaft tut, ist gut; wir werden gehorchen und Bruder van Duren voll unterstützen.“ Das wirkte sich für die Gruppe segensreich aus.

Die Wiederherstellung der theokratischen Ordnung brachte Einheit unter die Brüder. Bis zum Jahre 1939 hatten die Pioniere den Löwenanteil am Predigtwerk. Doch als die Zahl der Versammlungsverkündiger zunahm, verrichteten diese etwa die Hälfte der Arbeit. Dadurch, daß sie lernten, die theokratischen Richtlinien zu befolgen, wurden sie für die kommenden turbulenten Jahre gestärkt.

WOLKEN DES KRIEGES ZIEHEN SICH ZUSAMMEN

Als Hitler 1938 Österreich annektierte, waren einige geneigt zu denken, daß das sein großes Ziel im Leben gewesen und er nun zufrieden sei. Aber das war nicht der Fall. Am 15. März 1939 marschierten Hitlers Truppen in Prag ein. Da die Brüder dort damit rechneten, daß die Gestapo bald an ihrer Tür stehen würde, fingen sie sofort an, ihre Druckmaschinen abzubauen. Als am 30. März die Gestapo kam, waren die Maschinen bereits außer Landes. Drei Druckpressen wurden schließlich in die Niederlande gebracht.

Es wurde immer schwieriger, mit der Druckerei in der Schweiz die Verbindung aufrechtzuerhalten; so war es höchste Zeit, daß Druckmaschinen kamen. Es wurde sofort dafür gesorgt, daß in einer gemieteten Halle in Haarlem unsere eigene Druckerei eingerichtet wurde. Die Brüder waren darauf bedacht, die Königreichsbotschaft so weit wie möglich zu verbreiten.

Zu jener Zeit begann man mit den Informationsmärschen. Die Verkündiger hängten sich vorn und hinten Plakate über die Schulter oder trugen hoch an Stäben befestigte Plakate. Darauf waren gezielte Fragen zu lesen wie: „Faschismus oder Freiheit — was wählst du?“ Vorübergehenden wurde die Broschüre Faschismus oder Freiheit angeboten. Andere Verkündiger stellten beleuchtete Plakate in die Fenster ihrer Wohnungen mit Slogans wie: „Gottes Königreich herrscht — ist das Ende der Welt nahe?“ oder „Was wählst du — die Theokratie oder die Diktatur?“

Die Furcht vor dem Krieg machte alle nervös. Die Behörden waren darauf bedacht, Hitler nicht zu kränken. Und als seine Armee in Polen einmarschierte und Frankreich und England in den Krieg hineingezogen wurden, begannen mehr Leute Jehovas Zeugen zuzuhören. Das damals verbreitete Buch Feinde und die Broschüre Faschismus oder Freiheit sprachen eine deutliche Sprache. Als Folge davon wurde die Literatur beschlagnahmt, und diejenigen, die sie verbreitet hatten, wurden eingesperrt. Oft lautete die Anklage auf Beleidigung eines „freundlichen Staatsmannes“, und man meinte damit Hitler, der vielen, die verantwortliche Stellungen innehatten, große Angst eingejagt hatte.

DIE HANDLUNGSWEISE DER KATHOLISCHEN AKTION ERWEIST SICH ALS BUMERANG

Die Katholische Aktion nutzte diese Zeit allgemeiner Furcht aus, um Jehovas Zeugen einen wuchtigen Schlag zu versetzen. Die Verbreitung der Broschüren Schau den Tatsachen ins Auge und Heilung, in denen die katholische Hierarchie klar und deutlich bloßgestellt wurde, machte die Geistlichkeit wütend. Arnold Werner, der Zweigdiener, wurde in Haarlem aufgefordert, vor Gericht zu erscheinen, und er wurde angeklagt, eine Gruppe der holländischen Bevölkerung beleidigt zu haben. Die Vorladung enthielt eine lange Liste von angeblich anstößigen Zitaten aus den erwähnten Broschüren. Es wurden besonders Auszüge hervorgehoben, in denen die katholische Hierarchie angeklagt wurde, auf betrügerische Weise den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, indem sie behaupte, die Toten könnten mit Geld aus dem Fegefeuer befreit werden, einem Ort, an dem sie sich in Wirklichkeit gar nicht befänden und dessen Existenz die Kirche nicht beweisen könne.

Die Katholische Aktion sandte Pater Henri de Greeve, eine einflußreiche Persönlichkeit, zur Gerichtsverhandlung am 5. Oktober 1939. Er sollte als Hauptzeuge für die Hierarchie vor Gericht erscheinen. Als er in den Zeugenstand gerufen wurde, erklärte er, daß er als Vertreter der holländischen katholischen Priesterschaft anwesend sei und daß alle Priester und die anderen Geistlichen durch den Inhalt der Broschüre Heilung sehr beleidigt worden seien. Er jammerte: „Mein größter Grund zur Klage ist, daß Außenstehende den Eindruck bekommen könnten, die Priester seien nur ein Haufen Schurken und Schwindler.“ Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe von 300 Gulden oder drei Wochen Gefängnis für Werner.

Dann trat Arnold Werner in den Zeugenstand. Mit der katholischen Bibelübersetzung von Petrus Canisius bewies er, daß das, was in der Broschüre über die katholischen Lehren gesagt wird, mit der katholischen Bibel übereinstimmt. Als er dann noch erklärte, Jehovas Zeugen seien Freunde aufrichtiger Katholiken, schnaubte de Greeve vor Wut. Der Anwalt der Gesellschaft fragte danach de Greeve, ob er ein Glied der Hierarchie sei. Dieser verneinte. Als er gefragt wurde, ob er die Lehre vom Höllenfeuer und vom Fegefeuer beweisen könne, antwortete er: „Ich kann sie nicht beweisen; ich kann sie nur glauben.“ Da es in der Broschüre hieß, die Kirche nehme auf betrügerische Weise von den Leuten Geld entgegen für etwas, was sie nicht beweisen könne, wurde die Anklage gegen unseren Bruder fallengelassen. Wutentbrannt und als geschlagener Mann rannte de Greeve aus dem Gerichtsgebäude. Für die Brüder war es ein Tag des Sieges und der Freude.

AUS DER KNECHTSCHAFT BEFREIT

Der Druck nahm zwar immer mehr zu, doch das Predigen der Königreichsbotschaft wurde fortgesetzt, und viele Menschen wurden aus der geistigen Knechtschaft befreit. Henk Toonstra gehörte zur Sanitätstruppe, als er von seinem Schwager einige Broschüren der Gesellschaft erhielt. Nachdem er erkannt hatte, was die Bibel lehrte, konnte er es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, Soldat zu bleiben. Er schickte etwas von der Literatur seinem älteren Bruder Oeds und schrieb dazu: „Ich weiß, daß du nicht dumm bist und eine gute Bibelkenntnis hast. Lege die Broschüren jetzt nicht mit einem mitleidigen Lächeln beiseite, sondern lies sie erst einmal aufmerksam und vor allem kritisch durch.“ Oeds befolgte diesen Rat. Dann gab er die Broschüren auch seiner Frau. Sie dankten Gott inbrünstig für die neugefundene Wahrheit.

Zu jener Zeit befand sich in Den Haag ein junger Mann namens van de Eijkhoff, der ständig mit der Geisterwelt Kontakt hatte. Er konnte durch einen geschlossenen Briefumschlag Briefe lesen und vieles andere mehr. Es wurde ihm immer ins Ohr geflüstert, was er tun und was er sagen sollte. Als er erfuhr, daß dies die Stimmen von Dämonen waren, schien es, als bekäme er immer mehr Schwierigkeiten. Er mußte sich entscheiden. Zum ersten Mal in seinem Leben betete er laut zu Jehova und bat ihn, er möge ihm doch vergeben, daß er den Dämonen gedient habe, und er versprach, von nun an den Willen Jehovas zu tun. Bruder van de Eijkhoff erinnert sich: „Von dem Moment an, da ich mich entschieden hatte, hörte ich keine Stimmen mehr. Alles war nun ruhig und friedlich, und ich war wieder ich selbst.“ Aber die Spannungen auf internationaler Ebene hatten ihren Höhepunkt erreicht.

DER KRIEG BRICHT AUS

Im Januar 1940 enthielt der niederländische Wachtturm Studienmaterial über die christliche Neutralität. Wie zeitgemäß dies doch war!

Obwohl es den Anschein hatte, daß man kurz vor dem Ausbruch des Krieges stand, schienen sich die Leute daran zu gewöhnen, mit dieser Gefahr zu leben. Der 9. Mai war scheinbar ein Frühlingstag wie jeder andere, und die Leute gingen wie immer ihren Beschäftigungen nach. Doch um 20.45 Uhr wurden vom Hauptquartier alle Kompanien per Fernschreiben zur Alarmbereitschaft aufgerufen. Am 10. Mai, 3.55 Uhr morgens tobte der Krieg an der Front im Osten des Landes. Aber die holländische Armee konnte den deutschen Streitkräften nicht lange widerstehen, und in vier Tagen war auch der letzte Widerstand gebrochen. Das Land wurde besetzt, und es begann eine Zeit der Bedrückung. Für unsere Brüder bedeutete es grausame Verfolgung.

IN DAS BETHEL UND IN EIN PIONIERHEIM GEWALTSAM EINGEDRUNGEN

Am Morgen des 10. Mai, während der Krieg seinen Verlauf nahm, befahl das Militär, alle deutschen Staatsbürger in den Niederlanden festzunehmen. Am Abend drangen holländische Soldaten mit aufgesteckten Bajonetten in das Bethel in Heemstede ein. Sie waren von der Ruhe und der Freundlichkeit der Brüder und Schwestern, die sie zu einer Tasse Kaffee einluden, peinlich berührt. Trotzdem wurden die anwesenden deutschen Brüder festgenommen. Zu Anfang desselben Jahres sah sich Arnold Werner aus familiären Gründen gezwungen, sein Amt als Zweigdiener niederzulegen, und an seiner Stelle war Arthur Winkler ernannt worden. Nun wurden Bruder Winkler und Fritz Hartstang mitgenommen, allerdings nur für ziemlich kurze Zeit.

Am nächsten Morgen trafen diejenigen, die im Büro zurückgelassen worden waren, Vorsichtsmaßregeln. Namen und Anschriften sowie andere Informationen, die der Feind benutzen könnte, um das Königreichswerk zu behindern, wurden an einer sorgfältig ausgewählten Stelle versteckt. Soviel Literatur wie möglich wurde in die erreichbaren Versammlungen gebracht. Die Brüder verwandten nun ein neues Buchhaltungssystem, und zwar benutzten sie Zahlen statt Namen.

Am selben Morgen drang eine Abteilung Soldaten in das Pionierheim in Leersum ein. Obwohl sich dort nur holländische Pioniere und keine Deutschen befanden, lud man sie alle in ein Militärfahrzeug und brachte sie fort, um sie zu verhören. Der Bürgermeister behandelte sie an diesem Abend zuvorkommend und stellte ihre Identität fest; dann brachte man sie ins Pionierheim zurück, sehr zum Ärger der Nachbarn, die sich schon darüber gefreut hatten, daß man die Pioniere abgeholt hatte.

DIE GEISTIGE SPEISE BESCHÜTZT

Kurz vor Ausbruch des Krieges war auf dem Güterbahnhof in Rotterdam eine Sendung von 100 000 Broschüren und Ausgaben der Zeitschrift Trost (zuvor Das Goldene Zeitalter) angekommen. Als die Stadt am 14. Mai bombardiert wurde, brannte der Güterbahnhof aus. Aber als die Flammen erloschen, lag die gesamte Lieferung unbeschädigt inmitten des Schutts und der Asche. Später lud der Frachtführer alles auf einen Lastwagen und brachte es zum Zweigbüro der Gesellschaft. Als er dort ankam, war er blaß und zitterte am ganzen Körper. Er fragte: „Was in aller Welt ist in diesen Kartons? Der Güterbahnhof in Rotterdam brannte nieder, doch trotz allem passierte ihnen nichts. Und nicht nur das, ich bin jetzt von Rotterdam gekommen und wurde nicht ein einziges Mal von der Streife angehalten. Aber während der ganzen Zeit wurden alle Autos und andere Fahrzeuge sowie alle Fußgänger vor mir und hinter mir angehalten. Nur ich konnte einfach durchfahren.“ Die Antwort des Bruders war einfach: „Die Kartons enthalten eine Botschaft, die die Leute hören müssen.“ Der Fahrer freute sich, ebenfalls einige Exemplare zu erhalten. Dann wurde der Rest der Ladung so schnell wie möglich an die Versammlungen verteilt.

Eine weitere Ladung, die sich im Kriegsgewühl verfing, wurde in einem Lagerraum in Papendrecht untergebracht, das auf dem vom Wasser umgebenen Alblasserwaard lag. Um von dort an Land zu kommen, mußte man entweder eine Brücke oder eine Fähre benutzen, die alle von SS-Männern kontrolliert wurden. Paul Jansen und einige andere Brüder machten sich auf den Weg, um die Kartons zu holen. Sie luden die Literatur auf einen gemieteten Handwagen. Während sie die Plane festbanden, schlug Paul das Herz bis zum Hals. Aus Furcht? Natürlich hatten sie Angst. Aber sie hatten auch Glauben — und ihr Glaube war größer als ihre Furcht. Als sie sich der Fähre näherten, wurden die Brüder immer ruhiger. Dann wurde der Handwagen auf die Fähre geschoben. Sie alle erkannten, daß sie nur durch völliges Vertrauen auf Jehova heil hier herauskommen konnten. Jeder richtete ein stilles, jedoch inbrünstiges Gebet an Jehova. Und bald befand sich die Literatur sicher in den Versammlungen. Das war eine neue Lektion für die Brüder, eine Lektion, die mit Glauben und Vertrauen auf Jehova zu tun hatte und durch die sie lernten, welche Macht das Gebet hat. Außerdem war es für sie eine Lektion in christlichem Mut. Solche Beweise der Fürsorge Jehovas und die Tatsache, daß die im Wachtturm enthaltene geistige Speise die Brüder weiterhin rechtzeitig erreichte, waren in der Tat glaubensstärkend.

DAS ZUSAMMENKOMMEN UND DAS PREDIGEN WÄHREND DES KRIEGES NICHT AUFGEGEBEN

Durch den Krieg wurden alle möglichen Aktivitäten des täglichen Lebens unterbrochen. Anfangs waren die Zeugen etwas verwirrt. Aber das Reorganisieren der Zusammenkünfte der Versammlung war mit das erste, was vorgenommen wurde. Die Brüder benötigten regelmäßig geistige Speise. Es war nun nicht weise, in großen Gruppen zusammenzukommen; deshalb unterteilte man die Versammlungen in Gruppen von nicht mehr als 10 Personen, die sich in Privatwohnungen versammelten. Die Zusammenkunftsorte wurden ständig gewechselt, um die Spur vor dem Feind zu verwischen. Es bedurfte nur etwas Ermunterung, und das Predigtwerk ging wieder voran.

Die Brüder bewiesen Mut. Sowohl die Pionierheime auf dem Festland als auch diejenigen auf den Booten der Gesellschaft übten wieder ihre Funktion aus. Im Sommer 1940 wurde den Leuten im ganzen Land die Königreichsbotschaft überbracht, und man verbreitete viel Literatur. Zu jener Zeit, als ganze Gebiete wegen des Krieges evakuiert werden mußten, war die Verbreitung der herzerwärmenden Botschaft, die die Broschüre Flüchtlinge enthielt, sehr zeitgemäß.

Nach den anfänglichen Vorsichtsmaßnahmen wurde im Zweigbüro die Tätigkeit fortgesetzt. Die Brüder, die bei Kriegsausbruch eingesperrt worden waren, wurden bald wieder freigelassen. Die Besatzungstruppen hatten noch genug mit anderen Problemen zu tun, als daß sie die Brüder behindert hätten. Doch das dauerte nicht lange an.

DIE SCHLINGE WIRD ZUGEZOGEN

Am 29. Mai 1940 erklärte Reichskommissar Seyss-Inquart, daß die Organisation der Zeugen Jehovas verboten worden sei. In der Presse erschien jedoch nur eine kurze Notiz. Eine Zeitlang wurde nichts unternommen, um diese Erklärung in Kraft treten zu lassen. Dennoch schien es sicher zu sein, daß man bald in die Büros der Gesellschaft eindringen würde.

Die Brüder drängten Arthur Winkler, in den Untergrund zu gehen, damit er nicht früher als nötig in die Hände der Gestapo fallen würde. Er war umsichtig genug, um während der folgenden Monate ständig seinen Unterkunftsort zu wechseln; oft waren ihm die Bevollmächtigten der Nationalsozialisten dicht auf den Fersen.

Der Juni war noch nicht zu Ende, als drei Gestapobeamte ins Zweigbüro kamen. Als Helene Hartstang 9 Uhr morgens die Treppe hinunterkam, sah sie, wie sie mit Arnold Werner sprachen, der damals in der Übersetzung tätig war. „Guten Morgen, meine Herren“, sagte sie und versuchte sich so unbefangen wie möglich zu geben. Sie ging durch die Küche in die Garage. Dann schwang sie sich auf ihr Fahrrad und fuhr, so schnell sie konnte, über 4 km zur Druckerei, um die dort arbeitenden deutschen Brüder zu warnen.

Unterdessen durchsuchte die Gestapo das Zweigbüro. Die Beamten fragten, wo R. A. Winkler stecke. Aber natürlich war all das, was sie suchten, dort nicht mehr zu finden. Bruder Werner hörte sie murmeln: „Wir sind zu spät gekommen.“ Danach fuhren sie zur Druckerei. Doch die deutschen Brüder hatten sich schon davongemacht. Obwohl die Oktoberausgabe der Zeitschrift Trost gedruckt wurde, verließ die Gestapo die Druckerei, ohne sie zu schließen. Nach zwei Tagen kam sie jedoch in das Zweigbüro der Gesellschaft zurück.

Diesmal blieben die Beamten drei Tage, beantworteten die Telefongespräche und öffneten allen Besuchern die Tür. Immer wenn Brüder, die sich versteckt hielten, das Büro anriefen, wurde ihnen klar, daß „die Luft nicht rein war“. Besucher witterten durch den Geruch von Tabakrauch Gefahr, und sie entschuldigten sich schnell, nachdem sie nach jemand gefragt hatten, von dem sie wußten, daß er dort nicht wohnte. Am 6. Juli wurden schließlich die Türen des Zweigbüros und der Druckerei versiegelt. Die Druckmaschinen, die aus der Tschechoslowakei gekommen waren, waren nicht einmal ein Jahr benutzt worden, aber man hatte die Zeit gut genutzt, um einen großen Vorrat an Literatur herzustellen.

ZEITGEMÄSSE ANLEITUNG FÜR DEN PREDIGTDIENST

Um die Brüder für das, was auf sie zukommen könnte zu stärken, enthielt die niederländische Ausgabe des Wachtturms vom Juni 1940 einen Bericht über die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Deutschland, über die Qualen, die sie erdulden mußten, und die Todesurteile, die verhängt worden waren. Am 15. Juni, ehe man die Tür des Zweigbüros versiegelte, wurde ein Rundschreiben an alle Verkündiger geschickt, in dem besprochen wurde, wie Jesus unter verschiedenen Umständen Vorsicht hatte walten lassen. Es enthielt den Rat, im Haus-zu-Haus-Dienst auf die Verbreitung des Buches Feinde und der Broschüre Warnung zu verzichten, wohingegen die anderen Publikationen weiterhin ruhig benutzt werden könnten.

Zehn Tage später wurde ein weiterer Brief verschickt, diesmal an alle Kreis- und Versammlungsdiener. Darin wurde eine Vorsichtsmaßnahme erklärt, die die Gefahr verringern würde, daß zukünftige Ausgaben des Informators (jetzt Unser Königreichsdienst) in die Hände des Feindes fielen: Von nun an sollten alle Exemplare des Informators nach jeder Zusammenkunft, in der sie gebraucht wurden, eingesammelt werden. Nachdem eine Ausgabe vollständig durchgenommen worden war, kam ein Exemplar in die Ablage, und die übrigen wurden vom Versammlungsdiener vernichtet.

Um für die geistigen Bedürfnisse der Brüder zu sorgen, bediente man sich nun weltlicher Drucker. Die Brüder mußten nicht auf die geistige Speise verzichten. Henk Toonstra kann sich noch gut an die Zeit erinnern: „Wir sind noch immer tief bewegt, wenn wir an jene Zeit zurückdenken. Wie begeistert wir doch waren, als Der Wachtturm immer rechtzeitig erschien, auch wenn er ein anderes Deckblatt hatte! Und die Erklärungen der Prophezeiungen und ihre Anwendung auf unsere Zeit verschlangen wir geradezu.“

REGELUNGEN FÜR DIE TÄTIGKEIT IM UNTERGRUND TRETEN IN KRAFT

Im Sommer 1940 wurden weitere Schritte unternommen, um die Organisation zu festigen. Im August wurde ein Brief an die Versammlungen geschickt, in dem erklärt wurde, daß keine Briefe mehr durch die Post ans Zweigbüro geschickt werden sollten. Die Versammlungsdiener würden dafür sorgen, daß die Briefe zu den verantwortlichen Brüdern gelangten.

Von nun an würden die Verkündiger nur wissen, wo ihr Studiendiener wohnte, der ihrer kleinen Gruppe diente. Die Adressen der anderen Diener in der Versammlung waren ihnen unbekannt, nur ihre Tarnnamen kannten sie. Man dachte sich alle möglichen Decknamen aus: „Langer Bep“, „Schwarzer Koos“, „Blonder Gerrit“, „Remie“ und „Alte Truus“.

Mit interessierten Personen wurden weiterhin Bibelstudien durchgeführt. Um sich aber davor zu schützen, daß Spione eingeschleust würden, durfte niemand ohne die Zustimmung des Versammlungsdieners einen Interessierten zur Zusammenkunft mitbringen. In den darauffolgenden Monaten erwies sich diese Regelung immer wieder als weise. Es war äußerst wichtig, daß die Verkündiger nur ihr eigenes Studium besuchten und auch nicht herauszufinden suchten, wo sich eine andere Gruppe versammelte. Niemand durfte die Adresse seines Studiums ausplaudern, selbst nicht sehr vertrauten Freunden. Wer sich nicht an diese Regel hielt, mußte damit rechnen, daß ihm der Besuch der Zusammenkünfte verboten wurde.

Im Predigtdienst machten die Verkündiger gute Notizen über die Personen, die sich gegenüber dem Werk der Zeugen Jehovas feindselig verhielten. Die Namen und Anschriften dieser Personen bewahrte man in den Gebietskarten auf, und in der Zukunft wurden besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, ehe man, wenn überhaupt, wieder an ihre Tür ging.

Da Jehovas Geist auf seinen Dienern ruhte, ging das Werk nicht zurück, sondern nahm gewaltig zu. Gemäß dem Bericht für das Dienstjahr, das im August 1940 endete, nahmen 501 Personen am Verkündigen der guten Botschaft teil, was eine Zunahme von 58 Prozent darstellte. Die Literaturabgabe vermehrte sich um fast 100 Prozent, und es wurden 77 Prozent mehr Stunden im Predigtdienst verbracht. Die Art und Weise, wie die Brüder handelten, brachte in der Tat Ehre auf Jehovas Namen.

Im September 1940 wurde es notwendig, einen Kurierdienst einzuführen, mit dessen Hilfe Literatur und Briefe im ganzen Land verschickt wurden. Wilhelmina Bakker — sie war erst drei Monate zuvor getauft worden — war eine der ersten, die sich an diesem Dienst beteiligten. (Sie ist immer noch Pionier und jetzt mit Max Henning verheiratet.) Ihr erster Auftrag war, einen Koffer mit Literatur der Mannschaft auf dem Lichtdrager (ein von Pionieren bewohntes Hausboot) nach Sneek zu bringen. Als sie jedoch in der Stadt ankam, stellte sie fest, daß die Pioniere gezwungen gewesen waren zu fliehen, und das Boot befand sich nicht mehr dort. Es war zu spät am Abend, als daß sie noch nach Amsterdam hätte zurückkehren können, und es gab keine Zeugen Jehovas in der Stadt; so mußte sie in einem Hotel übernachten. „Ich sehe noch immer das verdutzte Gesicht des Portiers vor mir, der so nett war und meinen Koffer auf mein Zimmer brachte; der Koffer war nämlich so schwer wie Blei“, sagte Wilhelmina vor kurzem.

EINE WELLE VON VERHAFTUNGEN UND VERHÖREN

Im September wurde eine Welle von Verhaftungen ausgelöst. Am 12. September 1940 nahmen zwei SS-Offiziere Arnold Werner in Haft und brachten ihn direkt nach Scheveningen ins Gefängnis. Man gab ihm einen Bleistift und ein Stück Papier und sagte, er solle alles über die Aktivitäten der Zeugen Jehovas aufschreiben, über die Versammlungen in den Niederlanden, ihre Führer und besonders ihren Literaturvorrat. „Dann können Sie nach Hause gehen“, fügten sie hinzu. Bruder Werner verriet nichts, was das Werk des Volkes Jehovas hätte schädigen können, und so durfte er nicht nach Hause gehen.

Einige Tage später wurde Herman Tollenaar von der Gestapo festgenommen, als er gerade dabei war, die letzte Rate für das Pionierheim in Leersum, das verkauft worden war, zu kassieren. Mehrere Pioniere dieses Heims wurden ebenfalls gefaßt. Im Oktober wurde Eliza de Vries, ein Kreisaufseher, in Haft genommen, als er in Friesland gerade einer Versammlung diente. In der Provinz Groningen erwachte Evert Dost eines Morgens — er hatte geschlafen wie ein Stein — und stellte fest, daß zwei Gestapobeamte an seinem Bett standen. Sie forderten ihn auf, sich anzuziehen und mit ihnen zu kommen. Bald lud man alle Häftlinge aus dem Norden in einen Bus und transportierte sie nach Scheveningen ins Gefängnis, wo schon einige andere Brüder waren.

Dann wurden sie stundenlang verhört, doch bis dahin hatte man sie noch nicht mißhandelt. Es schien, als würden nur Informationen gesammelt, um die Organisation zu sprengen. Bald wurden aber andere Methoden angewandt.

GRÖBERE BEHANDLUNG

Am 18. Oktober wurde die Wohnung von Steve Heiwegen, der in Harskamp wohnte, von der Gestapo durchsucht. Steve arbeitete hart und kümmerte sich gut um die Königreichsinteressen und um seine junge Familie. Am selben Abend kamen die Beamten zurück, nahmen ihn fest und brachten ihn nach Arnheim. Er wurde rauher behandelt als die Brüder in Scheveningen. Die Gestapo drohte ihm: „Wenn Sie uns nicht sagen, wo Winkler ist, werden wir Ihre Frau und Ihre Kinder hierherbringen und sie vor Ihren eigenen Augen zerreißen, und Sie werden zu Tode geprügelt werden. Sie dreckiger Bibelforscher, wo sind die anderen? Wenn Sie uns das nicht verraten, werden wir Sie erschießen.“ Während man auf diese Weise mit ihm sprach, schlug man auf ihn ein. Er mußte einen Tag und eine Nacht ohne Essen und Trinken auf einem Sarg sitzen. Außerdem zwang man ihn, Hunderte von Kniebeugen zu machen.

Als sie damit nichts erreichten, kam ein anderer, scheinbar sehr gütiger Mann zu ihm. Es hatte den Anschein, als würde er aus Mitleid fast weinen, als er sagte: „Sagen Sie mir alles. Diese Deutschen sind zu allem fähig. Was nützt es? Wir hatten schon mehrere Ihrer Leute hier. Sie sagten uns alles, was sie wußten, und jetzt sind sie wieder bei ihren Familien, bei ihren Frauen und Kindern. Kommen Sie. Ich kenne die Deutschen gut; ich werde für Sie ein gutes Wort einlegen.“ Steve antwortete nicht. Er erinnert sich: „Daraufhin wurde er so wütend, daß er mich plötzlich mitten ins Gesicht schlug, mich mehrere Male trat, einen Revolver aus der Manteltasche zog und wie ein Verrückter in Deutsch fluchte. Er gab mir zehn Sekunden Zeit, preßte mir die Pistole an die Schläfe und sagte, wenn ich bis zehn nichts verraten würde, werde er abdrücken. Er fing langsam an zu zählen — eins, zwei, drei, vier, ... fünf, ... sechs, ... s i e b e n, ... a c h t, ... n e u n ... Er hielt inne (gerade lange genug für mich, um ein Gebet zu sprechen), versetzte mir einen wuchtigen Schlag und warf mich in einen dunklen, kleinen Raum.“ Dieses Erlebnis wühlte Steve sehr auf, aber danach geschah nichts weiter.

Die Brüder, die noch in Freiheit waren, hatten inzwischen gemerkt, daß sie vorsichtiger sein mußten. Der Feind wußte, daß Jehovas Zeugen gern bereit sind, allen zu helfen, die die Lehren der Bibel kennenlernen wollen, und daß sie dabei sogar ihre eigene Sicherheit aufs Spiel setzen. Einige Gegner täuschten in dem Bemühen, sich in die Organisation einzuschleichen, Interesse vor. Um diejenigen zu erkennen, die wirklich die Wahrheit kennenlernen wollten, war Urteilsvermögen notwendig. Die Regelungen, die schon getroffen worden waren, um das Einschleusen von Spionen in die Versammlungsbuchstudiengruppen zu verhindern, erwiesen sich wirklich als Schutz.

FÜR EINIGE KOMMT ETWAS ERLEICHTERUNG

Im Dezember folgten keine weiteren Inhaftierungen, und die meisten Zeugen Jehovas, die sich im Gefängnis befanden, wurden auf freien Fuß gesetzt. Der größte Teil von ihnen nahm sogleich wieder eifrig den Predigtdienst auf. Doch bei Arnold Werner dauerte es etwas länger, bis er sich wieder voll und ganz an den Aktivitäten der Versammlung beteiligte.

Aus dem Gefängnis in Scheveningen wurden mit Ausnahme von Carl Hultman alle freigelassen. Und Herman Tollenaar wurde in das Konzentrationslager in Oranienburg gebracht, von wo er nie mehr zurückkehrte.

DAS NAZI-UNGEHEUER SCHLÄGT UM SICH

Der Januar des Jahres 1941 war ein bitterkalter Monat, und es schien, als ob das Nazi-Ungeheuer in einen tiefen Winterschlaf gefallen sei. Aber im Februar wurde es wärmer, und das Ungeheuer wachte auf und schlug um sich, um Beute zu machen. Die Brüder waren im Predigtdienst sehr fleißig, doch gewöhnlich wurden sie nicht während dieser Tätigkeit festgenommen. Wahrscheinlich waren den Nationalsozialisten durch Verrat Namen und Anschriften in die Hände gefallen.

Am 10. Februar hielt sich Wim Laros mit seiner vierjährigen Tochter in Delft in seiner Wohnung auf, und seine Frau war im Predigtdienst unterwegs. Nicht sie wurde inhaftiert, sondern er. Als er von der Polizei abgeholt wurde, ließ er seine Tochter bei Nachbarn zurück. Im Gefängnis in Den Haag angekommen, erfuhr Wim, daß mindestens zehn weitere Brüder aus derselben Gegend von der Gestapo gefaßt worden waren.

Etwa zur gleichen Zeit fiel die Gestapo über ein Literaturversteck her, das 250 Kilometer nordöstlich in der kleinen Stadt Dronrijp lag, und beschlagnahmte alles. Gosse Wulder entkam mit knapper Not ihren Klauen und begab sich nach Groningen. Auf dem Weg traf er Klaas de Vries, den Versammlungsdiener von Groningen, der mit dem Fahrrad unterwegs war und eine Ladung Literatur bei sich hatte. Sie gingen zusammen in die Wohnung von Tjeerd de Bruijn, der, wie sie erfuhren, gerade festgenommen worden war. Kurz nachdem sie dort angekommen waren, stand ein Polizist des Ortes an der Hintertür, und nun wurden auch diese zwei Brüder inhaftiert. Als später am Abend die Gestapo sie auf freien Fuß setzen wollte, sagte der Beamte, der sie festgenommen hatte und sich bei den Nationalsozialisten beliebt machen wollte: „Dieser Zeuge Jehovas ist Klaas de Vries von dem Boot Lichtdrager, den sie schon so lange gesucht haben.“ Daraufhin verwandelte sich der Gestapobeamte geradezu in einen Dämon.

Man rief den Gestapochef Könings, und das Verhör begann. Aber mit Jehovas Hilfe war Klaas in der Lage, nichts zu verraten. Schließlich brachte man ihn in eine Einzelzelle, wo er zwölf Tage blieb und nur Wasser und Brot bekam. Danach verhörte man ihn aufs neue. Man richtete eine Pistole auf ihn, drohte ihm mit dem Tod und gab ihm zwei Minuten Zeit, um zu verraten, wo sich Arthur Winkler, die Druckerei und die Lichtdrager befanden, und um andere wichtige Informationen preiszugeben. Das einzige, was Klaas sagte, war: „Sie werden nichts weiter aus mir herausbekommen. Was ich zu sagen hatte, habe ich unterschrieben, und wenn Sie mehr wissen möchten, müssen Sie sich an jemand anders wenden, denn ich bin kein Verräter.“ Dreimal wurde er mit der Pistole bedroht, aber sein Nein blieb ein Nein. Schließlich gab die Gestapo auf, und Klaas wurde in das Gefängnis in Leeuwarden gebracht, wo er wieder mit Gosse Wulder zusammentraf.

Selbst Abonnenten der Zeitschriften der Gesellschaft wurden verhört, in vielen Fällen Mann und Frau.

Der Feind wollte mit seiner Taktik bewirken, daß die Brüder völlig ohne geistige Speise sein würden. Deshalb war es den Zeugen Jehovas im Gefängnis nicht erlaubt, eine Bibel zu haben. Sie erhielten nur den von der Gefängnisbehörde genehmigten Lesestoff. Die Brüder mußten sich also von dem geistig ernähren, was sie von ihrem früheren persönlichen Studium und dem Studium in den Zusammenkünften im Gedächtnis behalten hatten. Unter diesen schwierigen Umständen wurde deutlich, wie wichtig gute Studiengewohnheiten sind. Aber diese Erlebnisse waren erst der Anfang.

BARFUSS IN DEN SCHNEE

Die Gestapo bekämpfte mit aller Macht die Organisation der Zeugen Jehovas. Sie verfolgte alle Brüder in führenden Stellungen. Im Norden wurde Eliza de Vries, ein Kreisaufseher, der sich schon einmal im Gefängnis befunden hatte, wiederum festgenommen. In Den Haag war der Feind Erwin Klose auf der Spur. Eines Tages im Februar hatte er ihn beinahe gefaßt.

Erwin Klose erzählt: „Bevor ich an diesem Abend zu Bett ging, legte ich meine Kleidung so hin, daß ich mich notfalls in zwei Minuten hätte anziehen können. Ich hatte mit den Kindern jeden Abend darüber gesprochen und für den Notfall geübt. Dann war es soweit. Die Gestapo hatte einen Überfall auf alle ihr bekannten Zeugen Jehovas geplant. Um fünf Uhr morgens hörte man, daß anhaltend gegen die Tür gehämmert wurde. Die Schwester kam in mein Schlafzimmer, um mich zu warnen. Jetzt machte sich alles, was wir vorher geübt hatten, bezahlt. Ich nahm ein Kind — es war neun Jahre alt — und legte es in mein ‚warmes‘ Bett. Zum Anziehen hatte ich keine Zeit. Ich ergriff meine Tasche, steckte meine Sachen hinein, setzte meinen Hut auf, zog meinen Mantel an und sprang aus einem der hinteren Fenster in den Schnee. Es blieb keine Zeit, um die Schuhe anzuziehen. Glücklicherweise hatte Jehova bewirkt, daß die Beamten nicht daran gedacht hatten, im Hof eine Wache aufzustellen. Ich rannte zu Leuten, mit denen ich studiert hatte — man darf nicht vergessen, daß es ungefähr halb sechs morgens war, und zwar im dunklen Winter. Als ich an die Tür klopfte, schaute der Mann heraus, kam, ohne ein Wort zu sagen, die Treppe herunter und nahm mich mit herein. Alle drei Personen, die zu dieser Familie gehörten, wurden später Zeugen Jehovas.“

GÖTTLICHE HILFE BEIM ERDULDEN GRAUSAMER QUALEN

Da die Gestapo unbedingt Informationen aus den Brüdern herauspressen wollte, wurden sie häufig grausam gequält. Zum Beispiel mußte Cor de Vreede in dem Hauptquartier der Gestapo in Groningen auf Veranlassung des Gestapochefs Könings eine unbarmherzige und brutale Behandlung über sich ergehen lassen. Cor war entschlossen, nichts zu verraten, was der Organisation schaden würde. „Sie schlugen mich, traten mich mit ihren Stiefeln in den Leib, an die Beine und auch an die Knie“, erinnert er sich. „Hauptsächlich war es Könings, der dies tat. Er war davon überzeugt, daß ich diejenigen kannte, hinter denen er her war, doch ich weigerte mich, sie zu verraten. Jehova gab mir die Kraft. Ich fühlte keine Schmerzen; nur mein Kopf war schrecklich angeschwollen und an den Beinen hatte ich viele blaue Flecken.“ Schließlich gaben sie auf. Cor und drei weitere Brüder, die zur selben Zeit festgenommen worden waren, wurden dann in das Gefängnis in Assen gesteckt.

Es kam nun immer häufiger vor, daß jemand verhaftet wurde. Zwischen dem 18. und dem 21. März wurden viele gefaßt. Zweiundzwanzig von ihnen wurden später in Konzentrationslager eingeliefert oder mußten lange Zeit in Gefängnissen zubringen. Einige kamen nie wieder.

DAS PREDIGTWERK WIRD TROTZ GEFAHR FORTGESETZT

Angesichts des immer größer werdenden Widerstandes trafen Jehovas Zeugen noch striktere Vorsichtsmaßnahmen. An nationalsozialistischen Feiertagen oder bei anderen Gelegenheiten, wenn Angehörige der nationalsozialistischen Partei ihre Flagge hißten, schrieben Verkündiger die Namen und Adressen dieser Parteimitglieder auf und setzten sie ebenfalls auf die Liste, auf der die Gegner notiert waren. Autonummern von Fahrzeugen der Gestapo und anderer Polizisten wurden ebenfalls aufgeschrieben, und die Verkündiger ließen alle Türen aus, vor denen ein solches Auto geparkt war.

Trotz aller Vorsicht mußten die Brüder des öfteren feststellen, daß sie einem Wohnungsinhaber gegenüberstanden, der nur allzugern einen Zeugen Jehovas verriet. Wenn ein Verkündiger die Situation noch rechtzeitig erkannte, erzählte er einfach etwas anderes, zum Beispiel: „Ich suche Herrn Bartels, und ich bin überzeugt, daß er hier in der Nähe wohnt. Ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen.“ Oder der Verkündiger hatte einige weltliche Zeitschriften bei sich und bot diese im Abonnement an. Das ging oft gut. Und wenn Verkündiger ein mehrstöckiges Gebäude bearbeiteten, fingen sie im obersten Stockwerk an und gingen dann abwärts. Wenn sie also auf einen großen Gegner stießen, konnte er ihnen auf diese Weise nicht so leicht den Fluchtweg versperren.

Wurden interessierte Personen gefunden, dann schrieb man die Adresse sorgfältig auf, aber man benutzte dabei ein verschlüsseltes System, das nur der Studiengruppe bekannt war. Zum Beispiel zählte eine Gruppe zu jeder Hausnummer 11 hinzu; so wurde die Zahl 43 die Zahl 54.

Zum Schutz der Studiengruppe war es Rauchern nicht erlaubt, die Zusammenkünfte zu besuchen; allerdings konnte mit ihnen ein Studium durchgeführt werden, und andere Raucher durften dabeisein. Man hielt Personen, die die biblischen Grundsätze, nach denen das Rauchen unchristlich ist, mißachteten, nicht für zuverlässig genug, als daß man ihnen Informationen hätte anvertrauen können, von denen das Leben anderer Menschen abhing.

Die Brüder entwickelten einen besonderen Wortschatz, damit sie sich, ohne die Aufmerksamkeit des Feindes zu erregen, untereinander etwas mitteilen konnten. Die Gesellschaft war als die „Mutter“ bekannt. Eine Broschüre war „Milchspeise“, Der Wachtturm „Schwarzbrot“, eine scharfe Resolution „Roggenbrot“. Wenn eine Frau ihren Mann im Konzentrationslager wissen lassen wollte, daß Johnny sich hatte taufen lassen und sich nun am Predigtdienst beteiligte, schrieb sie: „Johnny hat sich freigeschwommen und ist jetzt im Wanderverein.“ Diese Vorsichtsmaßregeln wurden getroffen, um unnötige Festnahmen zu vermeiden und den Dienst so ungehindert wie möglich durchführen zu können.

SATANS ANGRIFFE, MIT DENEN MAN NICHT RECHNETE

Die Brüder rechneten mit Verhaftungen und Verhören. Doch es kamen auch Prüfungen der Lauterkeit von ganz anderer Seite. „Bist du erst einmal verhaftet, dann kannst du nichts weiter dagegen tun“, sagte Jan ter Schegget, der diese Erfahrung machte. „Abgesehen von den wenigen Nahrungsmitteln, die man erhielt, den Verhören und den gelegentlichen Schlägen und Qualen, war es ganz erträglich. Wird man aber auf freien Fuß gesetzt, dann ist es eine große Prüfung, den Dienst für Jehova wiederaufzunehmen. Darin bestand für viele die Schwierigkeit. Im Gefängnis waren sie treu, aber danach ...? Und Satan weiß das.“

Als Steve Heiwegen aus dem Gefängnis entlassen wurde, warteten also andere Prüfungen auf ihn. Er hatte unter Drohungen und Schlägen der Gestapo ausgeharrt. Es erforderte aber großen Glauben und Mut, wieder mit dem Predigtdienst zu beginnen, besonders als er feststellte, daß andere Brüder furchtsam geworden waren. In dieser Beziehung errang er einen Sieg. Doch es sollte noch mehr folgen.

Eines Tages besuchte ihn ein Bruder, ein langjähriger Freund, vor dem Steve große Achtung hatte. Während der Bruder sprach, war er angespannt und nervös. Steve traute seinen Ohren kaum. Der Mann wandte Zitate aus den Publikationen der Gesellschaft falsch an und behauptete, das Predigtwerk sei vollendet und die Gesellschaft erfülle eigentlich keinen Zweck mehr und könne ebensogut aufgelöst werden. Er verleumdete die Brüder, die im Büro der Gesellschaft tätig waren, und sagte, diejenigen, die die Verkündiger zum Predigen anspornten, würden diese irreführen, wohingegen sie selbst aus der Gefahrenzone blieben. Als der Mann feststellte, daß Steve der Verleumdung nicht glaubte, schickte er eine ehemalige Pionierschwester zu ihm. Sie wandte weibliche List und allerlei Schmeicheleien an; sie tat, was sie konnte, um Steve dazu zu bringen, seinen Glauben und seine Loyalität aufzugeben. Doch sie konnte bei ihm nichts erreichen.

Der nächste Schlag kam, als der Versammlungsdiener auf die schiefe Bahn geriet. Er wurde in Unsittlichkeit verwickelt, beging Diebstahl, ließ sich zu Betrug hinreißen und schikanierte treue Brüder. Glücklicherweise sorgten die Engel dafür, daß er entfernt wurde. Etwa um die gleiche Zeit wurde auch ein Kreisaufseher untreu. Aufgrund des Druckes, den die Gestapo auf ihn ausübte, verriet er viele aus seinem kleinen Kreis. Auf diese Weise brachte der Teufel einen Schlag nach dem anderen über das Volk des Herrn. Wie wichtig ist es also, daß wahre Christen ein inniges persönliches Verhältnis zu Jehova entwickeln, seine sichtbare Organisation wertschätzen und nicht zulassen, daß die falsche Handlungsweise und die negative Einstellung untreuer Brüder sie vom Weg der Wahrheit abbringen!

GESANG AUS DEM GEFÄNGNIS

Der warnende Ruf „Wim, Polizei!“ weckte Willem Kettelarij aus dem Schlaf. Während Polizisten einen der unteren Räume durchsuchten, zog sich Willem an, ergriff zwei Kisten mit Büchern, stieg aus dem Fenster und eilte in die Wohnung eines anderen Bruders. Bei dieser Razzia wurden 17 Zeugen Jehovas aus der ganzen Stadt festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Als sich die Situation wieder beruhigt hatte, mietete sich Willem ein Fahrrad und schaffte die Literatur aus der Wohnung der Brüder fort und brachte sie an einen sichereren Ort.

Er mußte direkt an dem Gefängnis vorbei, wo die 17 Zeugen Jehovas festgehalten wurden. Als er sich dem Gefängnis näherte, konnte er hören, wie Leute sangen; sie sangen inbrünstig. Dann erkannte er die Melodie. Ihm lief es kalt über den Rücken. Die 17 gefangenen Brüder und Schwestern sangen freudig Königreichslieder, als ob sie ihn ermuntern wollten, den Kampf fortzusetzen und die Hände nicht erschlaffen zu lassen. Wenn er diese Lieder hört, kommen ihm noch heute, 44 Jahre später, Tränen in die Augen, denn sie erinnern ihn an diesen bedeutungsvollen Samstag.

IHR GEWISSEN REGTE SICH NICHT

Die meisten Zeugen Jehovas in den Niederlanden wurden nicht von der Gestapo, sondern von der holländischen Polizei festgenommen. Als die Verfolgung schlimmer wurde, druckte die Gesellschaft ein Traktat, in dem das Werk der Zeugen Jehovas im Licht der Bibel erklärt wurde. Man schickte es an alle Polizeiwachen der holländischen Polizei. Doch insgesamt gesehen regte sich ihr Gewissen nicht. Ihr Herz spornte sie nicht an, den gesalbten Brüdern Christi und ihren Gefährten Gutes zu tun (Mat. 25:42-45). In einem später erschienenen Geschichtswerk hieß es über die Behandlung der Zeugen Jehovas während jener Zeit: „Es ist unverständlich, daß holländische Polizisten immer wieder diese Leute einsperrten und sie wie Vieh, das man zur Schlachtbank führt, den Deutschen auslieferte.“ Und was geschah dann mit unseren Brüdern?

Am Dienstag, dem 8. Juli, wurde zum Beispiel der Bahnhof von Utrecht zum Schauplatz einer herzzerreißenden Szene. Frühmorgens wurden kleine Gruppen von Brüdern, die aus allen Teilen des Landes stammten, in offenen Lastwagen zum Bahnhof gebracht. Man lud 44 Zeugen Jehovas und andere Häftlinge in einen Eisenbahnwaggon, der sich bald auf dem Weg nach Sachsenhausen befand, einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten in der Nähe von Berlin.

Während der Zug gen Osten ratterte, kam eine kleine Gruppe von Personen am Strand von Scheveningen in einem Zelt zusammen. Unauffällig wurde die Taufansprache gehalten, und durch ein Ballspiel getarnt, gingen sie zum Untertauchen ins Wasser. Trotz der heftigen Angriffe des Feindes nahm die Zahl der Königreichsverkündiger in jenem Jahr um 27 Prozent zu.

DIE KRAFT, DURCH DIE DAS AUSHARREN MÖGLICH WAR

Zu Beginn des Dienstjahres 1942 befand sich das Zweigbüro in Amsterdam, und dort wurden auch die Druckschriften hergestellt. Der Zweigdiener, Bruder Winkler, hatte bis dahin der Gestapo entkommen können, aber man hatte Brüder brutal geschlagen, weil sie ihn unbedingt zur Strecke bringen wollte. Am 21. Oktober machte die Gestapo eine routinemäßige Durchsuchung in der Druckerei in Eikelenboom in der Altstadt von Amsterdam, als gerade Der Wachtturm gedruckt wurde. Dort müssen sie herausgefunden haben, wo man die Literatur lagerte. Nur wenige Minuten später stürzten sie in das Gebäude, das von den Brüdern benutzt wurde. Und dort fanden sie Bruder Winkler.

Sie rieben sich vor Freude die Hände und sagten hämisch: „Haha! Wir haben Winkler erwischt.“ Alois Stuhlmiller und Wilhelmina Bakker, eine Kurierin, waren bei ihm. Alle wurden verhaftet, und alles wurde beschlagnahmt.

Über eine Woche versuchte die Gestapo, Bruder Winkler dazu zu bringen, mit ihr zusammenzuarbeiten und ihr Informationen preiszugeben. Die Beamten sagten ihm, daß es nutzlos sei, für eine aussichtslose Sache zu kämpfen. Außerdem versprachen sie ihm, daß diejenigen, die er verraten würde, nicht erfahren würden, wer es getan habe, und daß sie nicht geschlagen, sondern nur auf eindringliche Weise warnend darauf hingewiesen würden, sich zu bessern und sich in den Dienst der Sache des Führers zu stellen. Die Beamten versicherten ihm, er könne sein Los erleichtern. Als er am 1. November wiederum verhört wurde, erklärte ihnen Bruder Winkler indes klar und deutlich, sie sollten nicht erwarten, daß er mit ihnen zusammenarbeiten werde. Daraufhin zog einer die Vorhänge zu und stellte das Radio auf volle Lautstärke. Dann begannen sie, ihn unbarmherzig zu schlagen.

Bruder Winkler wurde geschlagen, bis er bewußtlos war. Als er erwachte, sagten sie höhnisch: „So, wir dachten nicht, daß Sie so unvernünftig sind. Wer so gut organisieren kann und so intelligent ist und wer ein so guter Kämpfer für eine aussichtslose Sache ist, der sollte eigentlich mehr Grips haben. Wir brauchen Leute wie Sie. Bedenken Sie doch, wieviel besser Sie es haben könnten. Sagen Sie uns, wo Ihre Frau ist; wir geben Ihnen unser Ehrenwort, daß sie nicht geschlagen wird. Wenn Sie schlau sind und mitmachen, können Sie Ihre Gefängniszelle für eine Villa eintauschen und Ihre Schmach und Schande für Ehre, Geld und Ansehen.“ Bruder Winkler gab keine Antwort. Dann begann die zweite Runde.

Zuerst war Obersturmführer Barbie an der Reihe, und als er müde war, löste ihn Oberscharführer Engelsman ab. Schließlich verlor Bruder Winkler die Besinnung. All das dauerte von ein Uhr nachmittags bis Mitternacht. Bruder Winkler erinnerte sich an die Verheißung Jehovas, er werde seinen Dienern beistehen; das stärkte ihn, so daß er alles ertragen konnte. Um ein Uhr morgens übergab man ihn dem Gefängniswärter. Mit ausgeschlagenen Zähnen, ausgerenktem Unterkiefer und einem wundgeschlagenen Körper wurde er in die Dunkelzelle gebracht. „Wissen Sie, warum ich Sie hierher bringe?“ fragte ihn der Wärter. „Weil man nichts aus Ihnen herausbekommen hat. Man denkt, man könne Sie mit dieser Art Behandlung kleinkriegen. Ich werde jedoch dafür sorgen, daß Sie Licht haben und etwas Warmes zu essen bekommen.“ Bruder Winkler dankte Jehova für den Sieg.

Tage vergingen. Langsam besserte sich Bruder Winklers Zustand, aber er war erschöpft. Als er an das nächste Verhör am 10. November dachte, fragte er sich, was wohl geschehen werde, und er bat Jehova um Führung.

„Zu diesem Zeitpunkt verspürte ich ein großes Verlangen nach geistiger Speise“, erinnerte sich Bruder Winkler später. „Nach einigen Tagen kam derselbe freundliche Gefängniswärter und fragte, ob er etwas für mich tun könne.“ Offensichtlich hatte Bruder Winkler zu ihm etwas Vertrauen, denn er fragte den Mann, ob er ihm von seiner Frau — Schwester Winkler — eine Bibel besorgen könne. „Ja“, sagte der Wärter, „schreiben Sie einen kurzen Brief. Ich bringe Ihnen Bleistift und Papier.“

„Den 10. November 1941 werde ich nie vergessen“, fuhr Bruder Winkler fort. „Die Zellentür flog auf, und jemand warf eine Taschenbibel in die Zelle; und ehe ich begriffen hatte, was vor sich gegangen war, schlug die Tür wieder zu. Die Freude war groß. Von der Gestapo aus durfte ich nichts zum Lesen haben, und nun war ich durch Jehovas unverdiente Güte zu einer Bibel gekommen. Wie glücklich war ich doch, täglich die wohltuenden Worte der Wahrheit aus Gottes Wort zu lesen! Zwar mußte ich es heimlich tun, aber ich merkte, wie ich geistig gestärkt wurde.“

Schließlich brachte man ihn in das Konzentrationslager Vught und dann nach Sachsenhausen. Dort plagte ihn eine Krankheit nach der anderen. Normalerweise wäre er vergast und verbrannt worden. Aber dank der liebevollen Fürsorge eines schwedischen Arztes blieb Arthur Winkler am Leben und konnte den Marsch in die Freiheit erleben.

„DIE FREUDE JEHOVAS IST EURE FESTE“

Das Leben im Konzentrationslager war eine schreckliche Erfahrung. Dennoch machten die Verfolgten auch freudige Erfahrungen, Erfahrungen, die sie um nichts in der Welt missen wollten. Sie erlebten zum Beispiel die Freude, daß sie bei den Verhören ihr Ausharren und ihre Treue zu Jehova bewiesen und nichts verrieten, was den Brüdern zum Schaden gewesen wäre (Mat. 10:22; Luk. 6:22, 23). Sie erlebten die Freude, jemandem zu begegnen, der einen lila Winkel (das Kennzeichen von Jehovas Zeugen in den Lagern) trug und ihnen zulächelte, zunickte oder zuwinkte. Dann gab es die einzigartigen Augenblicke, in denen man in Übereinstimmung mit Hebräer 10:24, 25 sogar einige Gedanken aus Gottes Wort austauschte.

Als die niederländischen Brüder im Lager ankamen, fanden sie viele deutsche Brüder vor, die schon bis zu acht Jahren dort verbracht hatten. Welche Freude war es doch, ihnen den Inhalt der kürzlich studierten Publikationen mitteilen zu können! Je mehr jemand studiert hatte, desto mehr konnte er geben. Je mehr er geben konnte, desto glücklicher war er. Je glücklicher er war, desto besser konnte er mit dem Lagerleben fertig werden. In Nehemia 8:10 heißt es diesbezüglich: „Die Freude Jehovas ist eure Feste.“

TROTZ GEFANGENSCHAFT PREDIGEN

Jehovas Zeugen predigten Gottes Königreich auch im Gefängnis oder im Konzentrationslager. Piet van der Molen, der heute zur Versammlung in Hengelo gehört, ist dafür ein lebendiges Beispiel. Als er festgenommen und in das KZ Amersfoort gebracht wurde, war er kein Zeuge Jehovas. Im Lager fielen ihm die verschiedenfarbigen Winkel auf der Kleidung der Häftlinge auf. Schwarz war die Farbe für Asoziale, zu denen auch Schwarzhändler gerechnet wurden. Rot kennzeichnete politische Gefangene. Einmal stand Piet neben jemand, der einen lila Winkel trug. Piet wollte wissen, wer der Mann war und warum er sich im Lager befand. Piet war erstaunt, als er erfuhr, daß der Mann ein Zeuge Jehovas war und nur deshalb gefangengehalten wurde, weil er die Botschaft der Bibel von Haus zu Haus gepredigt hatte. Er hörte dem Zeugen Jehovas, der ihm seinen Glauben erklärte, gut zu; und bald war auch Piet ein Zeuge.

Bruder van de Eijkhoff wurde zuerst von der Gestapo verhört, grausam mißhandelt und dann in eine Zelle geworfen, in der sich vier andere Häftlinge befanden. Er ergriff die Gelegenheit und gab ihnen eine Woche Zeugnis. Eines Tages hörte er einen Schwall von Flüchen. Es war der Gestapochef Engelsman. Die Zellentür flog auf, und Engelsman brüllte die Wärter an: „Wie konnten Sie nur so schwachsinnig sein und diesen halsstarrigen Zeugen Jehovas mit anderen Leuten zusammentun? Er wird sie auch zu Zeugen Jehovas machen.“ Daraufhin wurden die vier Häftlinge in eine andere Zelle gebracht.

Die Namen der vier Gefangenen standen aber noch an der Zellentür. Mittags wurden daher weiterhin vier Essenrationen durch die Öffnung geschoben. Bruder van de Eijkhoff erhielt also vier Brötchen, vier Portionen Butter, vier Stücke Käse und vier kleine Zuckerbeutel. Das ging so einige Tage weiter. Als er mit dem Zug in ein Konzentrationslager transportiert wurde, hatte er einen beträchtlichen Vorrat an Nahrungsmitteln, die er mit einigen Brüdern, die ganz überrascht waren, teilen konnte. Sie konnten erkennen, daß Jehova in seiner Barmherzigkeit für die Bedürftigen sorgt. Ja, sowohl im Gefängnis als auch außerhalb gab es viele Beweise für die Wirksamkeit des Geistes Gottes.

Die Inhaftierung Arthur Winklers brachte das Königreichswerk in den Niederlanden nicht zum Stillstand. Willem Reijntjes übernahm die Verantwortung. Er war seit 1939 in der Wahrheit und nun gerade 28 Jahre alt. Doch Jehovas Geist konnte ihn stärken. Obwohl viel von dem Papiervorrat der Gesellschaft beschlagnahmt und Hunderte von Druckereien von den Nationalsozialisten geschlossen worden waren, lenkte der Herr die Dinge auf eine Weise, daß die Gesellschaft immer das nötige Papier hatte, und es gab immer Drucker, die bereit waren, für die Gesellschaft zu arbeiten.

Bis zum Ende des Dienstjahres 1942 hatte die Zahl der Verkündiger um 51 Prozent zugenommen, und in diesem einen Jahr wurden 763 Personen als Zeichen ihrer Hingabe untergetaucht. Sogar Engelsman, ein Handlanger der Nationalsozialisten, gab einmal zu: „Je mehr man die Zeugen Jehovas verfolgt, desto mehr werden sie.“ Es strömten mehr Leute in die Organisation Jehovas, als die Nationalsozialisten verhaften und in die Konzentrationslager schicken konnten. Jehovas Segen ruhte auf seinem Volk. Ihr Werk war nicht Menschenwerk, sondern das Werk Gottes. (Vergleiche Apostelgeschichte 5:38, 39.)

ABTRÜNNIGKEIT SCHLEICHT SICH EIN

Zu der brutalen Behandlung von seiten der Nationalsozialisten kam jetzt auch noch der Druck hinzu, den Abtrünnige auf die Arbeiter im holländischen Gebiet ausübten. Im Jahre 1942 rief der Versammlungsdiener in Den Haag alle Buchstudienleiter zusammen und versuchte sie zu überreden, seine falschen Ansichten anzunehmen.

Die Abtrünnigen in Den Haag, die von den treuen Brüdern als das „neue Licht“ bezeichnet wurden (weil einer der Abtrünnigen behauptete, sie hätten ihr „Licht“ direkt vom Himmel erhalten), waren aktiv und untergruben den Glauben anderer. Sie verglichen den Ansporn der Gesellschaft zu predigen mit den Kinderopfern, die dem Molech dargebracht worden waren, da diejenigen, die der Aufforderung nachkamen, Gefahr liefen, in ein Konzentrationslager gesteckt zu werden. Sie führten Jesaja 26:20 an und behaupteten, daß die Zeit gekommen sei, das Predigen einzustellen und ruhig zu bleiben. Sie argumentierten, das Zeugniswerk sei beendet.

Einige fielen ihrem Einfluß zum Opfer, zum Beispiel diejenigen, die die schlechte Behandlung im Konzentrationslager nicht ertragen konnten und sich Erleichterung verschafft hatten, indem sie ihrem Glauben abschworen. (Vergleiche Hebräer 11:35.) Und diejenigen, die persönliche ehrgeizige Ziele verfolgten, diese aber innerhalb der Organisation nicht erreichen konnten, waren ebenfalls für die Denkweise der Abtrünnigen anfällig. Zu Beginn des Krieges war die Versammlung in Gouda die größte Versammlung im Land. Viele Treue wurden inhaftiert. Aber 1943 kam die Mehrheit der Zurückgebliebenen unter den Einfluß der Abtrünnigen. Dennoch wuchs weiterhin die Zahl der wahren Anbeter im ganzen Land.

Obwohl die Brüder von den Gegnern festgenommen, ins Gefängnis und ins Konzentrationslager gesteckt sowie getötet wurden, nahm die Zahl der Königreichsverkündiger in zwei Jahren um 115 Prozent zu, und somit wurde 1943 eine neue Höchstzahl, 1 379 Verkündiger, erreicht. Daraus ging deutlich hervor, daß das Werk noch nicht zu Ende war. Jehova segnete seine Diener selbst unter den widrigsten Umständen mit Wachstum.

EINE BESONDERE GRUPPE WIRD SCHWER GEPRÜFT

Königreichsverkündiger, die jüdischer Herkunft waren, wurden nicht nur wegen ihres Glaubens schwer geprüft, sondern auch, weil sie Juden waren. Rachel Sacksioni, eine Verkündigerin, die zu dieser Gruppe gehörte und die gut unterscheiden konnte, wann es besser war, hervorzuheben, daß sie eine Jüdin sei, oder zu sagen, sie sei eine Zeugin Jehovas, befreite sich oft durch ihr Unterscheidungsvermögen aus gefährlichen Situationen, die zu ihrer Verhaftung und möglicherweise zu ihrem Tod geführt hätten.

Eines Abends — Rachel Sacksioni fuhr mit einem Bruder, der sie auf den Gepäckträger seines Fahrrads genommen hatte, gerade nach Hause — hielt die holländische Polizei sie an, weil das Rücklicht nicht funktionierte. Als die Polizisten feststellten, daß Rachel eine Jüdin war, drängten sie: „Beeilt euch, fahrt weiter.“ Einige Polizisten wollten gern auf diese Weise helfen.

Wenn Rachel predigen gehen wollte, mußte sie gewöhnlich in der Dunkelheit stundenlange Fußmärsche zurücklegen, damit sie nicht entdeckt wurde. Sie konnte nicht die Straßenbahn benutzen, denn Spione waren ständig auf der Suche nach Juden. Schließlich wurde sie am 10. Mai 1944 — sie stand gerade im Predigtdienst — festgenommen. Zuerst wurde sie in das Konzentrationslager in Westerbork gebracht. Zwei Tage später sollte sie nach Auschwitz kommen, einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten für Juden. Sie war schon auf einen der Viehwagen, mit denen Juden abtransportiert werden sollten, geladen worden, als ihr Name aufgerufen wurde. Ohne Erklärung war ihr Bestimmungsort geändert worden, sie sollte nun nach Bergen-Belsen kommen. Von dort brachte man sie nach Beendorff, dann nach Malmö in Schweden, und nach einiger Zeit kehrte sie in die Niederlande zurück — dankbar, am Leben zu sein.

Als sie die Zeugnistätigkeit nach dem Krieg wiederaufnahm, waren ihre Prüfungen noch nicht ganz zu Ende. Manchmal traf sie auf Mitglieder der nationalsozialistischen Partei, die ihr ganz offen sagten, daß sie Hitler unterstützt hätten. Sie gab zu: „Ich mußte mich sehr zusammenreißen, daß ich zu diesen Leuten freundlich bleiben konnte. Sie gehörten zu denen, die mir und vielen anderen große Schmerzen zugefügt hatten. [Zwei von Rachels Kindern waren gestorben, als sie sich im Konzentrationslager befand.] Und jetzt sollte ich mit ihnen über das Königreich Gottes sowie über die wunderbare Zukunft sprechen, die Gott auch ihnen in Aussicht stellt. Ich mußte oft an die Worte aus 5. Mose 32:35 denken und mir immer wieder sagen, daß Jehova das Herz sieht. Und Jehova belohnt jemanden, der eine solche Einstellung hat; ich habe es selbst erlebt.“ Sie begann mit einer Mutter und ihren drei Töchtern ein Heimbibelstudium, während der Mann dieser Frau sich im Gefängnis befand, weil er ein Nationalsozialist gewesen war. Wenn Rachel sie besuchte, konnte sie hören, wie die Nachbarn sagten: „Sieh mal, diese Jüdin besucht diese Nationalsozialisten.“ Nach einiger Zeit gaben sich die Mutter und alle drei Töchter Jehova hin.

MIT NAHRUNGSMITTELKNAPPHEIT FERTIG WERDEN

Wir möchten nun zum Winter des Jahres 1943/44 zurückkehren. Es war bitterkalt, besonders im Januar. Man merkte, wie die Nahrungsmittelknappheit immer größer wurde. Viele Leute versuchten, zusätzlich zu ihrer kargen Essenration vom Land Nahrungsmittel zu besorgen. Gegen Ende des Jahres wurden sogar Tulpenzwiebeln und Spinatsamen gegessen.

Auch unsere Brüder mußten feststellen, daß Hunger weh tut. Sie benötigten Nahrungsmittel, um weiterhin ihren Predigtdienst durchführen zu können. Für Pioniere und Kreisdiener, die im Untergrund tätig waren, war es besonders problematisch, auf gewöhnlichem Wege zu Lebensmittelkarten zu kommen. Dann gab es die Kranken und die Schwestern, die kein Einkommen hatten, weil sich ihre Männer im Konzentrationslager befanden. Viele Brüder und Schwestern spendeten Wertsachen, die verkauft werden sollten, damit für bedürftige Brüder Nahrungsmittel gekauft werden konnten. Wer Reis bekam, stellte ihn denjenigen zur Verfügung, die an Ruhr erkrankt waren. Es wurden auch besondere Vorkehrungen getroffen, damit die Brüder in der Stadt Nahrungsmittel vom Lande erhielten.

Nahrungsmittel wurden jedoch hauptsächlich östlich und nördlich der IJssel produziert, und über diesen Fluß führten nur drei Brücken. Die nördlichen Provinzen, Friesland und Groningen, konnten über den Abschlußdamm erreicht werden. Doch alle Übergänge waren von Truppen der SS gut bewacht. Überall war der Zentrale Kontrolldienst (CCD) tätig, um der illegalen Einfuhr von Nahrungsmitteln in die Städte Einhalt zu gebieten. Die Brüder halfen sich jedoch gegenseitig auf liebevolle Weise.

Als sich Gerrit Böhmermann und einige andere Brüder einmal auf dem Weg in das südlich gelegene Amsterdam befanden, um Nahrungsmittel zu transportieren, die benötigt wurden, kamen sie mit ihren vollbeladenen Fahrrädern — die Ladung war mit einer Plane bedeckt — durch Alkmaar, als plötzlich auf dem Marktplatz ein Kontrollpunkt vor ihnen sichtbar wurde. „Wir hatten keine andere Wahl, als uns völlig auf Jehova zu verlassen“, sagt Gerrit, der damals die Kolonne anführte. Er fuhr mit kaum verringerter Geschwindigkeit entschlossen auf einen Beamten zu und rief laut: „Wo geht’s nach Amsterdam?“ Der Beamte trat zur Seite, zeigte nach vorn und rief: „Geradeaus!“ „Danke schön!“ antwortete Gerrit und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit weiter, während ihn eine verdutzte Menschenmenge beobachtete.

„Wie hast du das nur geschafft?“ fragte ihn einer der Brüder, während sie kräftig in die Pedale traten. „Wenn Jehova mit uns ist, wer kann da gegen uns sein?“ sagte ein anderer triumphierend. „Seid still!“ ermahnten die anderen, denn sie wollten Jehova nicht ungebührlich auf die Probe stellen. Zu Hause angekommen, ließen sie die glücklichen Gesichter der Brüder und der Eifer im Dienst Jehovas die Schrecken der Fahrt vergessen.

Einmal gelang es einigen Brüdern, die bereit waren, unter Einsatz ihrer Freiheit anderen zu helfen, ein ganzes Boot voll Kartoffeln — 11 850 kg — nach Amsterdam zu schaffen. Bruder de Haan vertäute das Boot gegenüber der St.-Nicholas-Kirche. Dort wurden die Kartoffeln 15kiloweise in Säcke abgefüllt und dann in Handkarren durch den verkehrsreichsten Teil der Stadt an einen Ort gebracht, wo sie vorübergehend aufbewahrt wurden. Der Stadtaufseher fuhr dabei mit dem Fahrrad auf der Straße auf und ab, um auf Gefahren aufmerksam zu machen. Als die Brüder von Polizisten angehalten wurden, sagten sie wahrheitsgemäß, wie sie an die Kartoffeln gekommen seien. Die Beamten waren so beeindruckt von ihrer Offenheit, daß sie nichts gegen sie unternahmen; sie baten lediglich je um einen Sack für ihre Familien. Von dem Vorratsraum wurden die Kartoffeln in die Wohnungen der Brüder geschafft. In jenen schweren Zeiten nahm die Zahl derer, die für die Wahrheit Stellung bezogen, weiterhin zu.

UNTER GROSSEN SCHWIERIGKEITEN NAHM ER DIE WAHRHEIT AN

Jeden Tag war Marinus de Boer, ein 17jähriger junger Mann, darauf bedacht, bald an seinen Arbeitsplatz — er war Tischler — zu kommen, nicht so sehr wegen der Arbeit, sondern weil er mit seinem Freund Maarten Schroot zusammensein wollte. Maarten hatte bei Marinus Interesse für die Wahrheit geweckt und dafür gesorgt, daß mit ihm die Bibel studiert wurde, daß er die Zusammenkünfte besuchte und sich sogar am Predigtdienst beteiligte. Doch es gab noch so viel zu lernen, und jeden Tag sprachen sie darüber, wie man in verschiedenen Situationen, in die man als Christ in jenen schweren Zeiten hineinkommen konnte, biblische Grundsätze anwandte.

Dann kam eines Tages — es war im Jahre 1944 — Maarten nicht zur Arbeit. Sobald es Abend war, forschte Marinus nach und fand heraus, daß sein Freund am Abend zuvor von der Polizei verhaftet worden war. Als Marinus nach Hause kam, war er überrascht, dort zwei Fremde vorzufinden: einen ehemaligen Bruder, der ein Verräter geworden war, und einen Gestapoagenten. Marinus wurde festgenommen.

Einige Tage war Marinus mit Brüdern in einer Zelle. Dann kam er sechs Wochen zu Häftlingen, die alle möglichen schweren Verbrechen begangen hatten. Unter diesen Umständen lernte er, was es bedeutet, völlig auf Jehova zu vertrauen, wenn man allein ist. Nachdem er von der Gestapo verhört worden war, brachte man ihn wieder zu den Brüdern. Er brauchte Ermunterung und Unterstützung, doch statt dessen erwartete ihn etwas anderes.

Er erinnert sich: „Es war für mich eine Enttäuschung. Sobald ich in die Zelle kam, überschütteten sie mich mit einem Schwall von Fragen und wollten wissen, ob ich irgendwelche Namen verraten hätte u. ä. Einige kamen zu mir und sagten, ich brauchte nicht treu zu bleiben, denn ich sei ja noch kein getaufter Zeuge Jehovas. Andere, die das beobachteten, sagten zu mir, ich müsse auf jeden Fall treu bleiben, ob ich getauft sei oder nicht. Nach all diesem wußte ich nicht mehr, was richtig und was falsch war. Müde und niedergeschlagen setzte ich mich in eine Ecke und dachte nach. Bald setzte sich ein Bruder neben mich, legte mir den Arm um die Schulter und fragte: ‚Sollen wir in der Bibel lesen?‘ Mit sanfter Stimme las er einen Vers hier und einen Vers dort. Es war eine Predigt direkt aus der Bibel, und ich fühlte mich besser. Als er sah, daß ich ermuntert worden war, verließ er mich auf dieselbe freundliche Weise, wie er gekommen war.“ Solche ihm erwiesenen Freundlichkeiten und ein Studium des Wortes Gottes halfen Marinus, trotz der erschwerten Umstände, der Unreife einiger Zeugen Jehovas und der Untreue einiger ehemaliger Brüder sich schließlich Jehova hinzugeben; er wurde noch im Konzentrationslager getauft. Heute ist er ein reisender Aufseher. Passenderweise diente er im August 1985 auf dem Kongreß „Bewahrer der Lauterkeit“, der in Utrecht stattfand und den über 40 000 Personen besuchten, als Kongreßaufseher.

VERZWEIFELTE ANSTRENGUNGEN EINES GESCHLAGENEN FEINDES

Während die nationalsozialistische Besatzungsmacht merkte, daß sich ihre Niederlage näherte, verschlimmerte sie die Verfolgung immer mehr. Als sich also Jan van der Berg, ein 20jähriger Pionier, weigerte, an einem Militärprojekt zu arbeiten, sagte der Kommandeur zu Jan warnend, er werde in fünf Minuten erschossen, wenn er seine Meinung nicht ändere. Man zwang Jan, sein eigenes Grab auszuheben und sich halbnackt davorzustellen. Nachdem man ihn noch weiter bedroht und gleichzeitig einige Schüsse abgegeben hatte, verprügelte man ihn. Später sagte Jan: „Die Schläge merkte ich kaum, ja ich verspürte nicht die geringsten Schmerzen.“ Danach mußte er alle Art Gymnastik treiben.

Im Oktober und im November des Jahres 1944 gab sich der Teufel alle Mühe, den Brüdern Angst einzujagen. Am 11. Oktober wurden im Osten des Landes drei Zeugen Jehovas festgenommen. Als sie sich weigerten, Arbeiten zu verrichten, die ihr christliches Gewissen verletzen würden, wurde unverzüglich ihre Hinrichtung angeordnet. Man führte die drei in den Garten des Hauses des Bürgermeisters, wo die Gestapo ihr Hauptquartier hatte, und sie wurden erschossen. Man begrub sie direkt dort im Garten.

Am 10. November wurde Bernard Polman in Zelhem inhaftiert. Als er sich weigerte, Arbeiten zu verrichten, die militärischen Charakter hatten, wurde er brutal geschlagen. Seine zwei leiblichen Schwestern besuchten ihn im Gefängnis und waren entsetzt, als sie ihn sahen. Sie fragten ihn, ob sie irgend etwas für ihn tun könnten. Er forderte sie auf, nach Hause zu gehen und anzufangen, die Bibel zu studieren. Nach weiteren Mißhandlungen durchlöcherten SS-Männer auf grauenhafte Weise seinen Körper mit Kugeln wie ein Sieb. Sie hielten ihn nicht für würdig, auf einem Friedhof begraben zu werden, und deshalb verscharrten sie seine Leiche am Fuß eines Deiches in der Nähe von Babberich.

DER HUNGER FORDERT EINEN HOHEN TRIBUT

Im Winter 1944/45 herrschte große Hungersnot. Zehntausende starben, und das manchmal direkt auf der Straße. Viel von den noch vorhandenen Nahrungsmitteln hatten Schwarzhändler in ihre Gewalt bekommen, wodurch die Preise in die Höhe schnellten. Brot war 210mal teurer als sonst, und für Kartoffeln mußte man den 70fachen Preis bezahlen. Tausende von Menschen, die schon durch den Hunger geschwächt waren, gingen auf die Suche nach Nahrungsmitteln. Das taten hauptsächlich die Frauen, denn für die Männer war es gefährlich, hinauszugehen, weil die Nationalsozialisten ständig nach Männern Ausschau hielten, die sie für Sklavenarbeiten gebrauchen konnten. Einige Bauern berichteten, daß täglich bis zu 250 Personen zu ihnen kamen, die verzweifelt nach Nahrungsmitteln suchten.

Unsere Brüder strengten sich sehr an, das Predigtwerk fortzusetzen und sich durch nichts ablenken zu lassen, weder durch den Kampf um das Leben noch durch den Gedanken, bald von den Alliierten befreit zu werden. Sie mußten zwar für sich und ihre Familien sorgen, doch sie wußten, daß es unerläßlich war, die Königreichsinteressen an die erste Stelle zu setzen. Die Vorkehrungen, die unsere Brüder getroffen hatten, damit die in den großen Städten lebenden Zeugen Jehovas Nahrungsmittel erhielten, waren diesen in jener Zeit eine große Hilfe.

BEFREIUNG AUS DEN KONZENTRATIONSLAGERN

Im Frühjahr 1945 näherten sich die Heere der Alliierten Deutschland vom Osten und vom Westen her. Am 11. April wurden die Tore des Lagers Buchenwald aufgerissen. Am 19. April wurden 213 Brüder und 17 Schwestern mit anderen Häftlingen aus Sachsenhausen evakuiert, um zu verhindern, daß sie den Russen in die Hände fielen. Obwohl viele der anderen Häftlinge auf dem Wege starben oder getötet wurden, bewahrte Jehova auf wunderbare Weise seine Diener vor Schaden. Ein SS-Mann vertraute ihnen einen Handwagen, beladen mit Kriegsbeute, an, weil er wußte, daß Jehovas Zeugen ehrlich sind. Mit diesem Wagen konnte den Kränksten, Bruder Winkler eingeschlossen, geholfen werden, den Weg sicher zu überstehen. Am 28. April wurden die Häftlinge des Lagers Ravensbrück evakuiert; darunter befanden sich auch einige holländische Zeugen Jehovas. Am 29. April wurden auch die Tore des Lagers Dachau geöffnet.

Bald kehrten die Brüder, die aus den Niederlanden waren, in die Heimat zurück, einer nach dem anderen. Einige, die sehr krank waren, mußten einige Zeit in Sanatorien in der Schweiz und in Schweden zubringen. Andere wurden wegen Seuchengefahr in Lagern in den Niederlanden, die sich in der Nähe der deutschen Grenze befanden, zurückgehalten. Als die Brüder erfuhren, daß sich unter den ehemaligen Häftlingen, die vorübergehend in einem Gebäude in Eindhoven untergebracht worden waren, einige Zeugen Jehovas befanden, versammelten sie sich davor und hießen sie mit Königreichsliedern willkommen.

Als sich Marinus de Boer seinem Zuhause in Rotterdam näherte, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er hatte seit dem Tag seiner Inhaftierung nichts mehr von seiner Mutter und seinen Schwestern gehört. Er fragte sich: „Sind sie noch am Leben? Wie denken sie darüber, daß ich wegen meines Glaubens im Konzentrationslager war? Wie werden sie reagieren, wenn ich versuche, mit ihnen über die Wahrheit zu sprechen?“ Als sich Marinus dem Haus näherte, sah ihn ein Nachbar, und dieser rannte, so schnell er konnte, zu Marinus’ Mutter. Ganz außer Atem rief er: „Er lebt noch!“ Als Marinus näher kam — er war völlig abgemagert und erschöpft — begriff seine Mutter endlich, warum der Nachbar so aufgeregt war. Und wie überglücklich war Marinus, als er erfuhr, daß seine Mutter und seine Schwestern, kurz nachdem er ins Gefängnis gekommen war, die Wahrheit angenommen hatten! In jenen Tagen konnte man in vielen Häusern ähnliche herzergreifende Szenen beobachten.

DER WIEDERAUFBAU IN DER NACHKRIEGSZEIT

Während der Zeit der deutschen Besatzung hatten die Brüder, die mit dem Zweigbüro der Gesellschaft verbunden waren, 76 Briefe durch Kuriere verschickt, um ihren Mitstreitern zu helfen und sie zu ermuntern. Sobald der Krieg zu Ende war, sandte man eine vervielfältigte Ausgabe des Informators (jetzt Unser Königreichsdienst) an alle Versammlungen. Er fing mit den Worten an: „Der Text für das Jahr 1945 ist ein Gebot: ‚Geht daher hin, und macht Jünger aus Menschen aller Nationen.‘ “ Die Brüder reagierten auf einzigartige Weise auf die Anweisung, vereint tätig zu sein. Die Zahl der Täuflinge in jenem Monat betrug etwa zehn Prozent der Verkündiger im ganzen Land.

Zuerst mußte man die Aufmerksamkeit dem Zusammenlegen kleiner Studiengruppen zuwenden, damit Versammlungen gebildet sowie Zusammenkünfte durchgeführt werden konnten, die von größeren Personengruppen besucht wurden. Obwohl sich die Zahl der Versammlungen während der Kriegsjahre nur um drei erhöht hatte, war die Zahl der Verkündiger vom Sommer 1940 bis August 1945 von 500 auf 3 125 angestiegen, was eine neue Höchstzahl darstellte.

Manche dachten, Harmagedon sei nicht mehr fern, aber jetzt erfuhren sie, daß noch viel Arbeit zu tun war. Sie hörten die Neuigkeit über die Einrichtung der Gileadschule, wo Missionare geschult werden sollten, und über die Durchführung großer Kongresse in anderen Ländern. Durch viele Berichte von Brüdern, die in den Konzentrationslagern ihre Lauterkeit bewahrt hatten, wurden sie gestärkt. Sie erfuhren von dem gewaltigen Zuwachs an Königreichsverkündigern in den Niederlanden selbst. Dann erhielten sie auch die freudige Nachricht, daß die Gesellschaft einen eintägigen nationalen Kongreß plante, der am 5. August in Amsterdam stattfinden sollte. Sie konnten nur erahnen, wie er ausfallen würde. Aber die Brüder aus allen Teilen des Landes waren entschlossen, ihm beizuwohnen.

DER ERSTE KONGRESS NACH DEM KRIEG

Es stellte sich heraus, daß man für die Nacht vor dem Kongreß für etwa 2 000 Personen in Amsterdam Unterkünfte besorgen mußte. Hotels kamen nicht in Frage. Alle mußten in den Wohnungen der Brüder untergebracht werden. In der ganzen Stadt konnte man Zeugen Jehovas Heubündel in ihre Wohnungen schleppen sehen, die sie dann auf dem Boden ausbreiteten. Für die wenigen Nächte erfüllte das seinen Zweck.

Es war aber nicht so einfach, nach Amsterdam zu kommen. In vielen Gegenden fuhren weder Züge noch Busse. Eine ganze Anzahl hatte nicht einmal ein Fahrrad, und von denen, die eins besaßen, waren mehrere noch zu schwach, um damit eine so weite Strecke zurückzulegen. Aus der nördlichen Provinz Friesland kamen die Brüder in einem Lastwagen, mit dem von den Bauern die Milchkannen für die Molkerei eingesammelt wurden. Von Apeldoorn aus legten einige den ersten Teil der Fahrt mit dem Fahrrad zurück und den letzten mit einem Schiff. Die Brüder in Zutphen machten einen Mann ausfindig, der bereit war, in seinem Möbelwagen Bänke aufzustellen, damit er die Brüder fahren konnte. Die Zeugen Jehovas aus Harskamp kamen mit einem Lastwagen, in dem gewöhnlich Vieh transportiert wurde. Und aus dem entfernt gelegenen Limburg kamen viele per Anhalter.

Die Gefühle derer, die diesem Kongreß beiwohnten, waren schwer zu beschreiben. Sie lachten und weinten. Sie sangen und dankten Jehova für seine Güte. Einige fanden Angehörige wieder, von denen sie glaubten, sie seien tot. Andere, die gehofft hatten, Angehörige wiederzufinden, suchten vergebens. Es war ein unvergeßlicher Tag. An jenem Abend hörten 4 000 Personen mit gespannter Aufmerksamkeit dem öffentlichen Vortrag zu.

Damals stellte es sich heraus, daß viele nicht mehr aus den Konzentrationslagern zurückgekehrt waren. Insgesamt waren 426 Zeugen Jehovas festgenommen und eingesperrt worden — in diese Zahl sind diejenigen nicht eingeschlossen, die nach weniger als einer Woche wieder freigelassen worden waren. Von diesen 426 starben 117 an den Folgen von Mißhandlungen. Man darf nicht vergessen, daß es in den Niederlanden nur 500 Zeugen Jehovas gab, als die Nationalsozialisten das Land überfluteten. Ein großer Teil bekam also am eigenen Leibe Verfolgung zu verspüren.

SATANS AGENTEN SETZEN ZU EINEM WEITEREN ANGRIFF AN

Der Angriff Satans durch die Nationalsozialisten war offensichtlich fehlgeschlagen. Die Brüder mußten zwar Grausamkeiten erdulden, doch die meisten blieben treu. Darüber hinaus haben sich Jehovas Zeugen versechsfacht, und ein großer Teil der Bevölkerung achtete sie nun wegen ihres Mutes. Aber Satan bediente sich noch anderer Angriffsmethoden.

Genau in dem Monat, in dem der Kongreß stattfand, erschien eine unglaubliche Anzahl von Artikeln in fast allen Zeitungen des Landes, die einen religiösen Charakter hatten, in denen Jehovas Zeugen falsch dargestellt und verleumdet wurden. Wie zu erwarten war, wurden selbst wohlwollende, aufrichtige Personen durch diesen Verleumdungsfeldzug beeinflußt.

Am 10. November befand sich Pater Henri de Greeve wiederum an der Spitze derer, die Jehovas Zeugen angriffen. Er war sehr aufgebracht, weil die Regierung ihnen Papier zum Drucken bewilligte, und deshalb sagte er in einer Radiosendung: „Ich kann den Damen und Herren vom Wachtturm versichern, daß wir entschlossen sind, ihnen zu widerstehen, und daß wir ihre scheinheilige Hetze nicht tolerieren werden. Und wenn sie trotzdem fortfahren, uns in den Schmutz zu ziehen, werden wir veranlassen, daß alle unsere katholischen Jugendgruppen und Studenten, die Mitglieder der Katholischen Aktion, die katholischen Bauernvereine, die Vereinigungen des Mittelstandes und die Arbeitervereine ... die Regierung mit Bittschriften, Anträgen und Protestkundgebungen bombardieren, bis die Mäuler dieser scheinheiligen Hetzer gestopft sind und die Zeitschrift, die sie benutzen, um andere in den Schmutz zu ziehen, zurückgehalten wird.“ Daraufhin wurde die Katholische Aktion aktiv und ging entschieden gegen Jehovas Zeugen vor. Doch die Katholiken waren nicht die einzigen Gegner.

Auch die protestantische Geistlichkeit erhob ihre Stimme. Abgesehen davon, daß sich protestantische Prediger religiöser Zeitschriften bedienten, hielten sie im ganzen Land in Kirchen und vor Vereinen Vorträge über Jehovas Zeugen. Zu Anfang besuchten die Brüder diese Zusammenkünfte und stellten am Schluß Fragen. Das führte oft zu Debatten. Aber die Methoden, die die Geistlichen bei diesen Gelegenheiten anwandten, ließen erkennen, daß sie nicht interessiert waren, die Leute die Wahrheit hören zu lassen. Die Brüder erkannten bald, daß der Teufel versuchte, sie durch nutzlose Diskussionen mit Leuten, die die Gerechtigkeit nicht liebten, abzulenken, und sie sahen ein, daß sie ihre Zeit für den Predigtdienst verwenden und nach Menschen suchen sollten, die wirklich zuhören wollten, und daß sie diesen helfen mußten.

LIEBEVOLLE AUFMERKSAMKEIT VOM HAUPTBÜRO BESCHLEUNIGT DAS WERK

Im Spätherbst des Jahres 1945 kamen N. H. Knorr, der damalige Präsident der Wachtturm-Gesellschaft, und sein Sekretär, M. G. Henschel, nach Europa und wendeten dem Wiederaufbau des Werkes ihre Aufmerksamkeit zu. Sie fuhren von Brüssel aus mit dem Zug, und wegen der Kriegsschäden mußten sie einen großen Umweg machen, um nach Amsterdam zu kommen. Am 4. Dezember wurde eine Zusammenkunft mit den Brüdern vom Zweigbüro, den Kreisaufsehern und mehreren Brüdern aus den Versammlungen Amsterdams durchgeführt. Viele Probleme wurden behandelt und viele Fragen beantwortet.

Nach dieser Zusammenkunft wurde in Verbindung mit den Zusammenkünften der Versammlung etwas Neues eingeführt: der öffentliche Vortrag. Damals gab es nicht viele Brüder, die befähigt waren, öffentliche Vorträge zu halten, aber es wurde ein Anfang gemacht, und danach strengten sich die Brüder sehr an, um diese Fähigkeit zu erlangen.

Während der Zusammenkunft mit Bruder Knorr und Bruder Henschel wurde eine weitere Angelegenheit besprochen, und daraufhin erhielten die Brüder im Winter desselben Jahres und im darauffolgenden Frühjahr Hilfsgüter. Aus Dänemark kamen 137 Pakete mit Nahrungsmitteln, durch die die größten Bedürfnisse gestillt werden konnten. Außerdem schickten Brüder aus finanziell bessergestellten Ländern 34 Tonnen Kleidung als Geschenk. Die niederländischen Zeugen Jehovas schätzten diesen Ausdruck liebevoller Fürsorge sehr. Als die Sachen verteilt wurden, dachte man zuerst an die Bedürfnisse der Pioniere, damit sie weiterhin ihr Hauptaugenmerk auf den Predigtdienst lenken konnten.

In dieser Zeit wurde das Zweigbüro zweimal verlegt, und schließlich fand man ein geeignetes Gebäude in Amsterdam, Koningslaan Nr. 1. Hier war es endlich möglich, daß alle Glieder der kleinen Bethelfamilie im selben Haus wohnen und arbeiten konnten.

SCHNELL AUFEINANDERFOLGENDE THEOKRATISCHE MEILENSTEINE

Als sich die Bethelfamilie gerade in ihrem neuen Heim häuslich niedergelassen hatte, begann ein anderes Kapitel in der theokratischen Geschichte der Niederlande. Zum ersten Mal wurde jemand aus diesem Land zur Wachtturm-Bibelschule Gilead geschickt. Seitdem hat man Gileadabsolventen aus den Niederlanden nach Indonesien, Irian Barat (Westteil Neuguineas), in den Iran, nach Belgien, Luxemburg, Island, in die Türkei, auf die Niederländischen Antillen, nach Chile, Ecuador, Surinam, Kenia und Südafrika gesandt. Andere sind, ohne die Gileadschule zu absolvieren, nach Irland gegangen.

Im ersten Dienstjahr nach dem Krieg war eine 64prozentige Zunahme in der Durchschnittszahl der Königreichsverkündiger zu verzeichnen. Und die Pioniere verdoppelten sich, die Zahl stieg von 50 auf 101 an. In jenem Jahr benutzte man auch das erste Mal regelmäßig ein bestimmtes Gebäude als Königreichssaal.

Das Dienstjahr 1947 nahm mit einem wunderschönen zweitägigen Kongreß in Den Haag einen guten Anfang, und einer der Höhepunkte war die Taufe von 525 neuen Brüdern und Schwestern. In dem erwähnten Jahr wurde in den Versammlungen die Theokratische Predigtdienstschule eingeführt, und es wurde dafür gesorgt, daß Kreisaufseher die Versammlungen besuchten, die Verkündiger ermunterten und im Predigtdienst schulten.

DER MATERIALISMUS, EINE WEITERE GEFAHR

Auf dem ersten Kongreß nach dem Krieg, am 5. August 1945, äußerte Bruder Winkler ernste, warnende Worte. Er warnte vor einer weiteren Gefahr, die jetzt, da die Brüder größere Freiheit hatten, auf sie zukommen würde: der Schlinge des Materialismus und der Versuchung, sich hauptsächlich auf die Pflichten des täglichen Lebens zu konzentrieren. Als Folge davon würden sie dann in ihrem Dienst für Gott nachlassen.

Nur drei Jahre später fügte man dem Jahresbericht der Niederlande folgende Worte hinzu: „Es scheint, daß einige Brüder aus dem Kommentar, der in dem Wachtturm-Artikel ‚Nächstenliebe‘ über das ‚Scherflein der Witwe‘ (Abs. 35—37) gemacht wurde, falsche Schlußfolgerungen gezogen haben. Es gibt Anzeichen dafür, daß sich einige der Illusion hingeben, die wenigen Stunden, die sie jeden Monat tätig seien, seien wie das Scherflein der Witwe und man könne nichts dagegen einwenden und niemand habe das Recht, sie auf ihre Trägheit aufmerksam zu machen. (Vorher wendeten sie mehr Zeit für den Dienst des Herrn auf.) Sie vergessen, daß das Scherflein der Witwe alles darstellte, was sie geben konnte.“ Ja, der Wohlstand nach dem Krieg ermöglichte es vielen, finanziell vorwärtszukommen, und einige unserer Brüder vergaßen, daß auch der Materialismus eine Schlinge Satans ist, mit der er Jehovas Diener vom Dienst für das Königreich fortlocken will.

PROBLEME DURCH GESETZLICHE MASSNAHMEN

Im Jahre 1949 legten die Stadtbehörden den Überbringern einer Botschaft von etwas Besserem durch gesetzliche Maßnahmen Hindernisse in den Weg. Man setzte eine Anklageschrift auf, in der erwähnt wurde, daß ein Bruder, der ein Plakat getragen und Handzettel verbreitet habe, sich nicht an die amtliche Verordnung gehalten habe. Zwei Monate später wurde eine Schwester, die sich am Haus-zu-Haus-Dienst beteiligt hatte, beschuldigt, am Sonntag Literatur verkauft zu haben. Wie gingen beide Fälle aus?

Das Berufungsgericht erhielt im ersten Fall die Entscheidung der unteren Instanz aufrecht, die lautete, die Verteilung von Propagandaschriften auf den Straßen sei verboten, da sie gegen die öffentliche Ordnung verstoße und den Verkehr gefährde. Es gab natürlich kein Gesetz, das verbot, mit den Menschen auf der Straße zu sprechen. Das Urteil in dem zweiten erwähnten Fall fiel zu unseren Gunsten aus. Die gerichtliche Entscheidung lautete: Die Angeklagte hat lediglich ihre Glaubensansichten verbreitet.

Als sich die Fälle in Verbindung mit dem öffentlichen Predigtdienst verminderten, konzentrierte sich die Rechtsabteilung des Zweigbüro hauptsächlich darauf, die gesetzliche Anerkennung für Jehovas Zeugen als Religionsdiener zu erlangen. Laut Gesetz waren Religionsdiener und diejenigen, die sich als Religionsdiener ausbilden ließen, vom Militärdienst befreit. Doch der Haken an der Sache war, daß der Name der Religionsorganisation auf einer Liste stehen mußte, die vom Verteidigungsministerium geführt wurde, und Jehovas Zeugen waren nicht darauf aufgeführt. Nachdem die Brüder wiederholt versucht hatten zu beweisen, daß alle Verkündiger Religionsdiener seien, die Beweisführung aber nicht anerkannt wurde, wies Bruder Knorr sie richtigerweise darauf hin, daß sie in Anbetracht des bestehenden Gesetzes in diesem Punkt keine rechtliche Grundlage hätten. Sie müßten die Aufmerksamkeit darauf lenken, worum es eigentlich ginge: die christliche Neutralität. Nach vielen Jahren trafen der Verteidigungs- und der Justizminister schließlich eine vorläufige Regelung, durch die es möglich wurde, daß bei einem getauften, aktiven männlichen Zeugen Jehovas der Militärdienst „aufgeschoben“ werden konnte, wenn ein von den Ältesten der Ortsversammlung unterzeichneter Brief vorgelegt wurde.

NEUE WERKZEUGE FÜR DEN PREDIGTDIENST

Jehovas Organisation sorgte weiterhin großzügig für geistige Erbauung. Viele verschiedene Publikationen wurden nach und nach veröffentlicht, die im Versammlungsbuchstudium und im Predigtdienst benutzt wurden. Die Zeitschrift Erwachet! begann mit der Ausgabe vom 8. Dezember 1951 in Niederländisch zu erscheinen. Dadurch, daß diese Zeitschrift im Predigtdienst verwandt wurde, steigerte sich auch die Verbreitung des Wachtturms. Bis dahin belief sich die Höchstzahl der gedruckten Ausgaben des Wachtturms auf 19 200. Heute werden durchschnittlich von jeder Ausgabe 186 450 Exemplare gedruckt und 171 100 Exemplare der Zeitschrift Erwachet!

Im Jahre 1954 wurde das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ in Niederländisch veröffentlicht, und mit Hilfe dieses Buches wurden viele Jahre Heimbibelstudien durchgeführt. Später erhielten die Brüder das interessante Buch „Dein Wille geschehe auf Erden“, das eine ausgezeichnete Erklärung der mit fester Speise zu vergleichenden Prophezeiungen des Buches Daniel enthält. Andere Publikationen enthielten begeisternde Erklärungen über Bibelbücher wie Hesekiel, Haggai, Sacharja, Offenbarung und einen großen Teil des Buches Jesaja. Durch diese Veröffentlichungen wurde das Geistiggesinntsein der Brüder sehr gefördert.

EINE ZEIT GROSSER FREUDE

Vor dem Kongreß in Amsterdam im Jahre 1961 wurden der Zweigdiener und sein Gehilfe eingeladen, dem Kongreß in London und einer Zusammenkunft für europäische Zweigdiener beizuwohnen. Einer der Höhepunkte der Besprechung betraf die Arbeit in Verbindung mit der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift, denn sie sollte neben der schon vorhandenen englischen Übersetzung auch in anderen Sprachen veröffentlicht werden, Niederländisch eingeschlossen. Das war wirklich begeisternd! Eine genaue Bibelübersetzung in heutigem Niederländisch würde sich in den Niederlanden sehr gut auf den Predigtdienst auswirken.

Bald war eine niederländische Übersetzerin auf dem Weg nach Brooklyn (New York), wo sie und andere Übersetzer — für die deutsche, französische, spanische, portugiesische und italienische Ausgabe — zusammen mit dem Übersetzungskomitee der New World Translation an die Arbeit gingen. Auf dem internationalen Kongreß 1963 wurden die Christlichen Griechischen Schriften in Niederländisch freigegeben. Und sechs Jahre später wurde in Nürnberg die begeisternde Nachricht bekanntgegeben, daß es nur noch einige Wochen dauern werde, bis die Gesamtausgabe der Neuen-Welt-Übersetzung in Niederländisch fertiggestellt sei. Im September 1969 kam sie dann in den Niederlanden an. Welche Freude das doch war!

ÄNDERUNGEN IN DER LEITUNG DES ZWEIGES

Wegen der grausamen Mißhandlungen, die Bruder Winkler durch die Gestapo und im Konzentrationslager erleiden mußte, wäre es für ihn schwer gewesen, weiterhin die Verantwortung für die Aufsicht des Königreichswerkes in den Niederlanden zu tragen. Bruder Knorr erkannte dies, und deshalb sorgte er dafür, daß Henri F. Zinser, der 1946 die Gileadschule absolviert hatte, Zweigaufseher wurde. Er diente in dieser Stellung für eine relativ kurze Zeit, und im August 1947 wurde er durch den ersten niederländischen Gileadabsolventen ersetzt. Traurigerweise wandte er sich von Jehovas Organisation ab.

Die Ernennung Paul Kushnirs zum Zweigaufseher im September 1950 hatte zur Folge, daß das Werk besser organisiert wurde und zwischen dem Zweigbüro und denen, die im Predigtdienst hart arbeiteten, ein engerer Kontakt bestand. Fünfzehn Jahre kam er seiner Verantwortung gut nach, bis Familienpflichten, denen er besser außerhalb des Bethels nachkommen konnte, eine Änderung notwendig machten. Danach war bis 1976 Robert Engelkamp Zweigaufseher. In jenem Jahr wurde wie in allen Zweigen die Aufsicht einem Komitee von reifen Brüdern übertragen. In den Niederlanden gehören sechs Brüder zum Zweigkomitee, und Paul Kushnir dient jetzt als Koordinator.

STÄRKUNG DER ORGANISATION

Jehova stärkte seine sichtbare Organisation auf verschiedene Weise. Um das Werk zu vereinheitlichen, traf man Vorkehrungen, daß zur Zeit des internationalen Kongresses, der 1953 in New York stattfand, alle Zweigaufseher dort zusammenkamen. Die Aufmerksamkeit wurde besonders auf den Predigtdienst gelenkt, damit die Königreichsbotschaft auf der ganzen Erde zu einem Zeugnis gepredigt werden würde, bevor das Ende käme. Der Zeitplan der Kreisaufseher wurde abgeändert, damit dem Predigtdienst mehr Beachtung geschenkt werden konnte und nicht so viel Zeit darauf verwendet wurde, Probleme zwischen Personen zu lösen, die nicht wirklich daran interessiert waren, die Königreichsinteressen an die erste Stelle zu setzen. Ähnliche Zusammenkünfte, zu denen alle Brüder eingeladen wurden, die in den Zweigen die Aufsicht führen, haben seither stattgefunden, wenn die Umstände es erforderten; außerdem haben diese Brüder in der Gileadschule eine besondere Schulung erhalten. Dabei wurde immer das Predigen der guten Botschaft und die Sorge um das geistige Wohlergehen der Brüder betont.

Beginnend mit dem Jahre 1954, wurden auch die Filme der Gesellschaft in den Niederlanden gezeigt. Die Filme halfen den Brüdern, ein klareres Bild von der Organisation zu erhalten und zu erkennen, in welchem Ausmaß ihre Tätigkeit in allen Teilen der Erde Frucht trägt. Ausgezeichnete Bücher, in denen organisatorische Angelegenheiten behandelt werden — wie „Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuß“ und Organisiert, unseren Dienst durchzuführen —, haben es ermöglicht, daß jeder mit der Organisation besser zusammenarbeitet und versteht, wie das Werk durchgeführt wird und welche Möglichkeiten jeder einzelne hat, daran teilzunehmen.

Es wurden auch neue Publikationen veröffentlicht, die in Verbindung mit der Theokratischen Predigtdienstschule in den Versammlungen benutzt werden, u. a. „Ausgerüstet für jedes gute Werk“, Zum Predigtdienst befähigt, „Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich“ und Leitfaden für die Theokratische Predigtdienstschule. Sie waren für jeden Königreichsverkündiger eine wertvolle Hilfe, mit der Bibel besser vertraut zu werden und ihre Lehren anderen zu erklären, sei es nun im Predigtdienst oder wenn Brüder vom Podium aus sprachen.

Auch der Schulung der Ältesten ist besondere Beachtung geschenkt worden, sowohl derjenigen, die regulär mit einer bestimmten Versammlung zusammenarbeiten, als auch derjenigen, deren Aufgabe es erfordert zu reisen. Sie sind wiederholt zusammengekommen, um in der Königreichsdienstschule schon Gelerntes aufzufrischen und um unterwiesen zu werden. In dieser Schule wurde Stoff aus der Bibel behandelt, der mit ihrer besonderen Aufgabe zu tun hat, und sie erhielten von der leitenden Körperschaft hinsichtlich ihrer Arbeit praktischen Rat.

RAT, UM DAS WERK ERTRAGREICHER ZU MACHEN

Als 1965 Wilfred Gooch aus dem Londoner Zweigbüro die Niederlande als Zonenaufseher besuchte, sprach er offen über einige Arbeitsgebiete, die der Aufmerksamkeit bedurften. Während der vorangegangenen fünf Jahre hatten etwa 2 000 getaufte Personen die Reihen der Königreichsverkündiger verlassen. Er spornte die Brüder aus dem Zweigbüro an, sich klar und deutlich auszudrücken, wenn sie mit Brüdern im Land diese Angelegenheit besprächen, und sicherzugehen, daß sie verstünden, worum es bei diesem Problem ginge und was getan werden könne, um diesen Personen zu helfen. Er betonte auch den Wert des „Ferienpionierdienstes“ (heute der Hilfspionierdienst), und die Brüder reagierten darauf in hervorragender Weise. Im darauffolgenden April nahm die Zahl derer, die sich an diesem freudigen Dienst beteiligten, um 66 Prozent zu; es waren insgesamt 1 130 — eine neue Höchstzahl!

Im Jahre 1968 wurde den Brüdern auf dem Bezirkskongreß ein neues Instrument für den Predigtdienst in die Hände gelegt: das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt. Die Brüder waren begeistert. Doch anscheinend dachten einige, daß die Art und Weise, wie man beim Studium vorgehen solle, zu drastisch sei. Sie konnten sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, daß ein Studium nach sechs Monaten abgebrochen werden sollte, wenn der Betreffende nicht wirklich Früchte hervorbrachte. Wer sich jedoch an die Anweisungen der Gesellschaft hielt, konnte herzerfreuende Ergebnisse erzielen.

Jahr für Jahr nahm die Zahl der Lobpreiser Jehovas zu. Als zum ersten Mal die Zahl der Verkündiger auf 15 000 anstieg, kamen Bruder Winkler Tränen in die Augen, und er sagte: „Wie dankbar bin ich doch Jehova, daß ich es noch erlebe, 15 000 Verkündiger in diesem Land zu sehen! Vor über 30 Jahren saßen wir, die deutschen Pioniere, am Straßenrand und weinten, weil wir entmutigt waren, denn niemand wollte uns zuhören. Doch Jehova gab uns die Kraft, um vorwärts zu gehen. Und jetzt könnte ich weinen vor Freude.“ Im Jahre 1976 wurde eine Verkündigerhöchstzahl von 29 723 erreicht. In den darauffolgenden Jahren wurden einige müde und hörten auf, Jehova zu dienen, aber die große Mehrheit hielt an ihrem einzigartigen Vorrecht fest, aktive Zeugen für Jehova, den rechtmäßigen Souverän des Universums, zu sein.

TREUE DIENER WERDEN BELOHNT

Im Jahre 1931 war Fritz Hartstang als Pionier in die Niederlande gekommen. Später wurde er als Glied der Bethelfamilie der Aufseher der Dienstabteilung. Aber 1962 mußte er sich einer schweren Magenoperation unterziehen. Schließlich erkrankte er an Krebs. Dieses Leiden zehrte an seiner Lebenskraft, bis er am 5. April 1964 starb. Die letzten Monate nahmen ihn sehr mit, denn er mußte ein Vorrecht nach dem anderen aufgeben, Vorrechte, die ihm so große Freude bereiteten. Doch er hat gewiß Jehovas Segen verspürt, und in der Heiligen Schrift wird denen, die die himmlische Hoffnung haben und in der heutigen Zeit in Treue sterben, versichert, daß „die Dinge, die sie getan haben, ... gleich mit ihnen“ gehen (Offb. 14:13). Seine Frau Helene, die in ihrem 82. Lebensjahr steht, dient noch immer im Bethel und ist ein gutes Beispiel des Ausharrens.

Die älteren Glieder der Bethelfamilie erinnern sich noch gut an Mathilde Stuhlmiller. Sie mußte viele Jahre mit schlechter Gesundheit kämpfen, doch sie war immer optimistisch, denn sie hegte die Hoffnung, Jehova auf einer paradiesischen Erde in vollkommener Gesundheit ewig dienen zu können. Fast bis zu ihrem Tod im Jahre 1969 arbeitete sie mit, und sogar auf ihrem Krankenbett verrichtete sie Arbeiten für die Übersetzungsabteilung.

Arthur Winkler wird allen stets als ein Bruder in Erinnerung bleiben, der sich im Werk des Herrn verausgabte (1. Kor. 15:58). Obwohl er im Konzentrationslager viel leiden mußte, diente er noch viele weitere Jahre. Doch dann wurde er schwer krank, und er hatte große Schmerzen. Während dieser Zeit besuchte ihn Bruder Knorr und tröstete ihn damit, daß seine himmlische Belohnung sicherlich nicht mehr fern sei und daß dies die Verwirklichung dessen sei, worauf Arthur viele Jahre hingearbeitet habe. Am 22. Juni 1972 schloß er schließlich die Augen. Und seine treue Frau Käthe, die sehr geistig gesinnt war und großen Eifer für den Predigtdienst bekundete, erhielt im April 1982 ihre himmlische Belohnung.

Angespornt durch diese hervorragenden Beispiele, dürfen nun die Jüngeren — viele von ihnen gehören zu den „anderen Schafen“ des Herrn — das Königreichswerk fortsetzen, bis dieses alte System zu Ende geht (Joh. 10:16).

ERWEITERUNG DES ZWEIGBÜROS NOTWENDIG

Von 1946 an befand sich das Zweigbüro in Amsterdam, Koningslaan Nr. 1. Doch 1960 war es nicht mehr groß genug, obwohl einige Änderungen vorgenommen worden waren. Deshalb wurde in Amsterdam ein schönes neues Gebäude errichtet, das groß genug war, um auch zukünftigem Wachstum gerecht zu werden. Seit dem Jahre 1964 wurde dieses Bethelheim benutzt, und seit 1967 befand sich dort auch eine kleine Druckerei. Das Gebäude wurde 1972 und 1977 vergrößert.

Als der letzte Anbau von Lloyd Barry, einem Glied der leitenden Körperschaft, seiner Bestimmung übergeben wurde, erwähnte er, daß Pläne gemacht worden seien, die Druckerei in den Niederlanden zu vergrößern. Es sollte eine große Rotationsmaschine aufgestellt werden, so daß die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! in den Niederlanden gedruckt werden könnten und die Druckerei in England entlastet würde. Deshalb benötigte man ein größeres Zweigbüro.

Im Jahre 1978 begann man mit der Suche nach einem geeigneten Grundstück. Bis 1980 wurde nichts gefunden, und so stellte man beim Amt für Städtebau und Landschaftsplanung einen Antrag. In einem Gespräch hörte ein Beamter aufmerksam zu, was Jehovas Zeugen zu sagen hatten, und erwiderte darauf: „Jehovas Zeugen haben im Zweiten Weltkrieg in unserem Land ein einmaliges Werk verrichtet, und bedauerlicherweise wird das nur zu oft vergessen. Ich werde dafür sorgen, daß Ihre Zentrale in eine der drei nördlichen Provinzen der Niederlande kommen wird.“ Innerhalb von zwei Tagen wurde ein Grundstück in Emmen gefunden.

Im Oktober 1983 wurden die fertiggestellten Gebäude ihrer Bestimmung übergeben. In der Fabrik installierte man eine umgebaute M.A.N.-Rollenoffsetdruckanlage, die 17 000 Zeitschriften in der Stunde drucken kann. Oberhalb der Druckerei ist ein modernes elektronisches Fotosatzgerät in Betrieb, das von Gott hingegebenen Zeugen Jehovas im Hauptbüro entwickelt wurde. Mit dieser Ausrüstung können alle Zeugen Jehovas, die in den Niederlanden, im flämischsprachigen Teil Belgiens und in Surinam wohnen, besser mit Literatur versorgt werden. Wir sind Jehova und seiner Organisation dafür sehr dankbar.

EIN DEUTLICHER UNTERSCHIED

Bis hierher war es ein weiter Weg. Vor 80 Jahren nahmen in den Niederlanden die ersten Personen die Wahrheit an. Sie setzten sich mutig im Werk des Herrn ein trotz Gleichgültigkeit, Widerstand und anderer anscheinend unüberwindlicher Probleme. Es gab Zeiten, in denen man mit schweren Prüfungen wie hartnäckige Verfolgung, Verrat durch falsche Brüder und durch den Materialismus hervorgerufene Gleichgültigkeit fertig werden mußte. In diesen Jahren sind viele Menschen in Jehovas Organisation geströmt. Einige mußten ausgeschlossen werden, weil sie sich nicht an christliche Maßstäbe hielten. Viele haben die Organisation verlassen, weil sie in dem christlichen Wettlauf nicht ausharrten und weil sie sich durch die Verlockungen der Welt ablenken ließen, obwohl einige von ihnen früher trotz der Verfolgung, die die Nationalsozialisten über sie gebracht hatten, ausgeharrt hatten. Diese 80 Jahre waren eine lange Zeit, doch der Unterschied wurde deutlich „zwischen einem, der Gott dient, und einem, der ihm nicht gedient hat“ (Mal. 3:18).

[Karte auf Seite 115]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

NIEDERLANDE

GRONINGEN

LEEUWARDEN

GRONINGEN

ASSEN

FRIESLAND

SNEEK

WESTERBORK

EMMEN

ZWOLLE

IJSSEL

ALKMAAR

HAARLEM

AMSTERDAM

HEEMSTEDE

AMERSFOORT

OOTMARSUM

ALMELO

DEVENTER

ENSCHEDE

DEN HAAG

UTRECHT

HARSKAMP

ZUTPHEN

DELFT

GOUDA

ZELHEM

ROTTERDAM

ARNHEIM

PAPENDRECHT

VUGHT

TILBURG

HELMOND

EINDHOVEN

LIMBURG

WESTDEUTSCHLAND

BELGIEN

[Bild auf Seite 123]

Eifrige Gruppe vor dem Pionierheim in Leersum

[Bild auf Seite 139]

Fritz und Helene Hartstang kamen aus Deutschland, um als Pioniere zu dienen

[Bild auf Seite 147]

Das Boot „Lichtdrager“ diente Pionieren als fahrbare Unterkunft

[Bild auf Seite 156]

Arthur und Käthe Winkler verausgabten sich im Dienst Jehovas

[Bild auf Seite 184]

Das vor kurzem errichtete Zweigbüro in Emmen