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Barbados, Westindische Inseln

Barbados, Westindische Inseln

Barbados, Westindische Inseln

WILLKOMMEN auf Barbados — dem „Land der fliegenden Fische“ und dem Tor zu den Westindischen Inseln. Wußtest du, daß diese winzige Insel zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Erde gehört? Ihre Landfläche von rund 430 km2 wird von über 253 500 Menschen bewohnt. Aber wie jeder weiß, zeichnet sich etwas Schönes nicht unbedingt durch Größe aus, was auf diese östlichste Insel des karibischen Archipels sicherlich zutrifft.

Die Ostküste von Barbados bietet ein malerisches Bild — sanft abfallende Hügel, von wo aus man die schaumgekrönten Wellen des unruhigen Atlantischen Ozeans überblicken kann. Die Westküste hingegen wird von weißen Stränden gesäumt, die von den friedlicheren Wassern des Karibischen Meeres umspült werden.

Einst war Zuckerrohr der wirtschaftliche „König“ auf Barbados. Aber in letzter Zeit ist der Tourismus zur Haupteinnahmequelle geworden. Jedes Jahr hat diese Insel Tausende von Besuchern zu Gast, die die Gesamtbevölkerung zahlenmäßig übertreffen.

Vom Jahre 1627 an, als britische Kolonisten Barbados besiedelten, bis zur Unabhängigkeit 1966 hat eine enge Verbindung zu Großbritannien bestanden und folglich auch zur anglikanischen Kirche. Inwieweit berührte dies das tägliche Leben? Man erließ einmal sogar ein Gesetz, das Familiengebete und den Kirchenbesuch vorschrieb. Morgen- und Abendgebete wurden zur Pflicht gemacht. Wer es unterließ zu beten, mußte als Strafe 18 kg Zucker entrichten. Jeder war verpflichtet, den Anweisungen und Regeln der Kirche absolut zu gehorchen. Deshalb beschrieb ein Historiker die Barbadier als „äußerst steife und förmliche Anglikaner“. Aber die Situation hat sich etwas geändert, denn gegenwärtig gibt es dort 141 verschiedene sogenannte christliche Sekten und Konfessionen. Würde der wahre Glaube in solch einer religiösen Hochburg gedeihen können?

Samen der Königreichswahrheit säen

Im Jahre 1905, neun Jahre vor der Aufrichtung des messianischen Königreiches im Himmel, begann Joseph Brathwaite als Kolporteur, wie die Vollzeitprediger der Zeugen Jehovas damals genannt wurden, auf Barbados Zeugnis zu geben. Er hatte die Wahrheit in Britisch-Guayana (heute Guyana) kennengelernt. Kurz danach nahmen wahrheitshungrige Menschen wie Algernon Symmonds und seine Frau Maud freudig die Königreichsbotschaft an. Beide ließen sich zusammen mit Juliet Shepherd 1909 taufen. Die kleine Tochter der Symmonds, Waldemar (die später Vere Rice hieß), beteiligte sich bald mit ihren Eltern an der Verteilung biblischer Traktate.

Diese ersten Bibelforscher hatten den brennenden Wunsch, mit anderen über das Gelernte zu sprechen. Die Dringlichkeit der Zeit und der Geist der Selbstaufopferung bewogen sie, die Veröffentlichungen der Watch Tower Society zu verbreiten, während sie die Botschaft in den zahlreichen Dörfern der Insel verkündeten. Schwester Rice erzählt: „Vati hatte ein Geschäft in der Hauptstadt Bridgetown, und gewöhnlich beförderte er mit seinem Maulesel und seinem Karren unsere Gruppe von Bibelforschern, wenn wir die Landbezirke bearbeiteten. In der Regel taten wir dies an Wochenenden. Der arme Maulesel konnte sich nicht viel ausruhen, weshalb er auf dem Heimweg ziemlich oft stehenblieb — ob aus Müdigkeit oder einfach aus Starrsinn, wußten wir nicht. Jedenfalls kamen wir sonntags meistens sehr spät nach Hause, manchmal lange nach Mitternacht. Aber ich mußte am nächsten Morgen aufstehen und zur Schule gehen.“

Erinnerungen an aufregende Tage

Schwester Lina Gaul, die von jung und alt liebevoll mit „Mammy Gaul“ angesprochen wird, ist eine derjenigen, die bereits damals tätig waren. Obwohl ihr Gedächtnis nicht mehr so gut ist wie früher, liebt sie es doch sehr, jene aufregenden Tage in Gedanken noch einmal zu durchleben und darüber nachzudenken, auf welch wunderbare Weise Jehova mit seinem Volk gehandelt hat. Mammy Gaul, die heute in den Neunzigern ist, erinnert sich noch daran, daß ihr Vater und ihre Mutter im Jahre 1910 ein Traktat von Herrn Thomas, einem Schullehrer, erhielten. Mit Hilfe dieses und anderer Traktate, die die Bibelforscher druckten, erfuhr die Familie bald die Wahrheit über die Hölle, die Seele, die Dreieinigkeit und weitere Lehren. Kurz darauf brach sie alle Verbindungen zur Christian Mission Church in Workman Village ab und versammelte sich mit der Ekklesia (oder Versammlung) von Bibelforschern, die in der Roebuck Street Nr. 40 in Bridgetown zusammenkam. Im Jahre 1911 hatten die Eltern so weit Fortschritte gemacht, daß sie sich taufen ließen, und im darauffolgenden Jahr wurde auch Lina getauft.

Die Anhänger der Christian Mission betrachteten Schwester Gaul und ihre Eltern, Alexander und Josephine Payne, als „abgeirrte Schafe“ und unternahmen Anstrengungen, sie „wieder zurückzubringen“. Zu diesem Zweck hielt die Mission öffentliche Zusammenkünfte genau vor dem Haus der Paynes ab und betete inständig zum Herrn, er möge sie in die Hürde der Christian Mission zurückholen.

Verschmitzt lächelnd und augenzwinkernd, erinnert sich Schwester Gaul an die Begebenheit, als die ehemals beste Freundin ihrer Mutter aus der Mission zu ihr nach Hause geschickt wurde. Sie hat den Wortlaut des Gesprächs noch genau im Sinn:

„ ‚Schwester Payne‘, sagte die Freundin meiner Mutter, ‚ich habe eine Botschaft vom Herrn für dich.‘

‚Hast du ihn gesehen? Wie sah er aus?‘ entgegnete Mutter.

‚Er ist ein großer weißer Mann, der in Weiß gekleidet ist und auf einem weißen Pferd sitzt und dir sagen läßt, daß du zur Workman Village Hall zurückkommen sollst.‘

Mutters nächste Erwiderung beendete die Versuche der Freundin, uns zur Mission Church zurückzubringen. Mutter sagte: ‚Also, du gehst zurück und sagst diesem „Mann“, daß ich, Josephine Payne, nicht zurückkommen werde.‘ “

Die Paynes und andere Personen, die sich in jenen Anfangsjahren mit den Bibelforschern versammelten, mußten viel Spott und hartnäckigen Widerstand ertragen. Doch ihr Glaube war stark. Rückblickend können wir die in der Bibel aufgeworfene Frage verstehen: „Wer hat den Tag kleiner Dinge verachtet?“ (Sach. 4:10). Zweifellos schloß Jehovas Vorsatz, seinen Namen auf der ganzen Erde verkünden zu lassen, auch diese kleine Insel der Westindischen Inseln ein.

Schwester Gaul führt immer noch ihren Dienst durch und hat es seit ihrer Taufe im Jahre 1912 keinen einzigen Monat versäumt, die gute Botschaft zu predigen. Obwohl sie zwei Schlaganfälle erlitten hat, ist sie noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und hält stets nach Gelegenheiten Ausschau, anderen die gute Botschaft mitzuteilen.

Unverminderter Eifer

Eine andere fleißige Verkündigerin, Schwester Waldemar Rice, hat in den letzten sieben Jahrzehnten Menschen jeden Standes die Wahrheit wirkungsvoll dargelegt. Besonderes Geschick offenbart sie beim Gebrauch des barbadischen Dialekts, und zwar mit gutem Erfolg. Ihre ausgezeichnete Kenntnis der einheimischen Ausdrucksweise bringt Farbe in ihr Zeugnisgeben, ohne dabei von der Würde der Botschaft abzulenken. Ihre lebhafte Begeisterung für die Königreichshoffnung, dargelegt in der Mundart, zwingt regelrecht zum Zuhören.

Mutig und furchtlos verteidigt sie die Wahrheit, und ihr Beispiel hat während der Jahre viele junge Brüder und Schwestern ermuntert. Ihre körperliche Kraft ist zwar geschwunden, aber Schwester Rices Eifer für Jehovas Dienst ist so glühend wie eh und je, sogar jetzt noch in ihrem 87. Lebensjahr.

Die weiße Bevölkerung erreichen

Wie auf den meisten Westindischen Inseln besteht die Bevölkerung auf Barbados hauptsächlich aus Nachkommen schwarzer afrikanischer Sklaven, und zwar zu 90 Prozent. Zu den ersten Weißen, die die Wahrheit annahmen, gehörte Lucy Gooding, deren Familie früher dort wohnte, wo sich jetzt in Bridgetown das Zweiggebäude und ein Königreichssaal befinden.

John Benjamin machte die Goodings eines Abends mit der Königreichsbotschaft bekannt. Das war 1910. Als strenggläubige Anglikaner waren sie erschüttert, die biblische Wahrheit über einige ihrer Lieblingslehren zu erfahren. Besorgt sprachen sie mit ihrem Pfarrer darüber. „Warum sich über diese Dinge Sorgen machen?“ erwiderte er. „Vergeßt sie, und haltet zur Kirche.“ Statt dessen traten sie aus der Kirche aus.

Schwester Gooding, die eine sehr starke Persönlichkeit war und die Fähigkeit besaß, die Wahrheit klar und deutlich darzulegen, war viele Jahre lang eine Vorkämpferin des Königreichswerkes. Von Anfang an diente ihr Haus inoffiziell als Missionarheim für Vertreter der Gesellschaft, die Barbados besuchten.

Unter diesen ersten Zeugen gab es keine Rassendiskriminierung oder Zwietracht. Sie machten nie soziale oder ethnische Unterschiede wie die übrige Bevölkerung. Alle älteren Brüder und Schwestern, die noch unter uns sind, sprechen gern über die sehr starke Liebe und Zuneigung, die sie füreinander empfanden und noch immer empfinden. Es ist so, wie Jesus sagte: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt“ (Joh. 13:35).

Die Adoptivschwester von Lucy Gooding, Winifred Heath, erinnert sich an diese Anfangszeit und an die Änderungen, die sie vornehmen mußte, um ein anerkannter Diener Jehovas zu werden. Über sich selbst lachend, erklärt sie etwas verlegen: „Mann! Ich hab’ geflucht wie ein Fuhrmann.“ Weil diese Änderungen nur langsam vor sich gingen, ließ sie sich damals noch nicht taufen, sondern erst 1940, als die Einsammlung der „anderen Schafe“ im Gange war.

Der Nutzen öffentlicher Vorträge

Öffentliche biblische Vorträge haben bei der Verbreitung der Wahrheit eine wichtige Rolle gespielt. Alfred Joseph, der ursprünglich aus Guyana stammte, hatte zum erstenmal Kontakt mit der Wahrheit bei einem biblischen Vortrag unter freiem Himmel am Brandonsstrand in der Nähe des Hafens von Bridgetown. Etwa 50 Personen waren zugegen, um den Vortrag zu hören: „Wo sind die Toten?“ Das war der Beginn seiner biblischen Erziehung. Schließlich ließ er sich 1915 taufen, nicht weit von dem Ort entfernt, wo er seinen ersten biblischen Vortrag gehört hatte.

Jesus sagte: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8:32). Nachdem Bruder Joseph nun in geistiger Hinsicht frei geworden war, konnte er anderen helfen, die gleiche Freiheit zu erlangen. Interessanterweise war im Jahre 1516 durch eine spanische Lizenz der Weg für den legalen Handel mit Sklaven aus Afrika geebnet worden, der über dreieinhalb Jahrhunderte andauerte. Es war vielleicht eine Ironie des Lebens, daß Alfred Joseph und William R. Brown aus Jamaika, beide Nachkommen afrikanischer Sklaven, nach Afrika gingen, um viele tausend Westafrikaner auf den Weg zu geistiger Freiheit hinzuweisen. Am 29. Juni 1915 stach also Bruder Joseph mit einem Dampfer in See, um eine Arbeit in Sierra Leone anzunehmen, wo er auch tapfer und fleißig die gute Botschaft vom Königreich verkündete.

Als Bruder Joseph 18 Jahre später nach Barbados zurückkehrte, war er darin führend, Vorträge unter freiem Himmel zu halten. Bei einer Gelegenheit teilte er eine Gruppe von Brüdern und Schwestern ein, Waverly Cot in der Gemeinde St. George zu bearbeiten. Wie gewöhnlich predigten sie den Menschen morgens in ihren Wohnungen und luden sie zu einer Zusammenkunft für die Öffentlichkeit ein, die dann nachmittags stattfinden sollte. Zu diesem Zweck hatte man einen Saal gemietet. Doch sobald der Vortrag begann, bei dem zunächst nur Brüder und Schwestern anwesend waren, versammelten sich die Mitglieder der Church Army der St. Luke’s Church außerhalb des Saales. Sie hatten eine Baßtrommel und eine Kesseltrommel mitgebracht. Das laute, von Gesang begleitete Trommeln sollte den Redner übertönen. Es kam zu einem Menschenauflauf. Der Krach war ohrenbetäubend. Man konnte Bruder Joseph, der kein Mikrofon hatte, kaum verstehen.

Zur großen Überraschung der Brüder und der Menschenmenge draußen gab es plötzlich einen Regenguß. Der Himmel war zuvor klar gewesen, und nichts hatte auf einen bevorstehenden Schauer hingedeutet. Da der Saal, in dem die Brüder saßen, der einzige Ort war, der Schutz bot, stürzten alle Leute, die draußen standen, einschließlich der Trommler in den Saal, der dann schnell bis auf den letzten Platz besetzt war. Die ganze Zuhörerschaft lauschte dem einstündigen Vortrag, der offensichtlich auch Anklang fand. Als sich die Brüder wieder auf den Heimweg machten, stellten sie fest, daß es merkwürdigerweise nur in dem Gebiet geregnet hatte, wo sich der Saal befand.

Samen fällt auf weitere Inseln

Gegenwärtig leitet das Zweigbüro in Bridgetown (Barbados) das Königreichspredigtwerk auf fünf weiteren Inseln: Bequia, Carriacou, Grenada, St. Lucia und St. Vincent. Diese Inseln liegen westlich von Barbados — nicht weiter als 253 km entfernt.

Grenada, die am weitesten entfernte dieser Inseln im Südwesten, hat nur 311 km2 Fläche und wird von 112 000 freundlichen Menschen bewohnt. Grenada erhielt den Beinamen „Gewürzinsel“, weil es dort zahlreiche aromatische Gewürze gibt wie Zimt, Gewürznelken, Tonkabohne, Kakao und Muskatnuß.

Die Samenkörner der Wahrheit wurden auf dieser farbenfrohen Insel in dem Jahr ausgestreut, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Elias James hatte als Wanderarbeiter in Panama die Botschaft von Gottes Königreich angenommen und war ein Gott hingegebener, getaufter Verkündiger geworden. Eifrig bemüht, den Leuten auf seiner Heimatinsel die Wahrheit mitzuteilen, kehrte er 1914 dorthin zurück. Kurz darauf kam er mit Herrn Briggs in Berührung, einem Barbadier, der auf Grenada wohnte. Herr Briggs nahm die Königreichsbotschaft schnell an.

Gerade zu dieser Zeit schickten eifrige Zeugen auf Barbados Traktate und andere Literatur an ihre Bekannten auf den „unteren Inseln“. Judith Callender, die Jehova bis zu ihrem Tod vor einigen Jahren treu diente, erzählte, daß ihr Onkel „Popie“ immer Traktate an ihren Vater, Francis, einen Barbadier, gesandt hatte, als dieser mit ihr auf Grenada wohnte. So kam es, daß ihr Vater andere Barbadier mit der guten Botschaft bekannt machte.

Zu denen, die die Wahrheit annahmen, gehörte Chriselda James, die Schwägerin von Elias James. Es gelang ihr, trotz des hartnäckigen Widerstandes ihres Mannes neun Kinder in der Wahrheit zu erziehen. Alle neun Kinder wurden getaufte Zeugen. Als gesalbte Christin harrte sie loyal aus, bis sie 1986 im Alter von 87 Jahren starb. Drei ihrer Kinder starben vor ihr, aber alle anderen sind immer noch tätig; zwei von ihnen dienen als allgemeine Pioniere und ein Sohn als Ältester und Sonderpionier.

Auch reisende Aufseher hatten einen Anteil am Königreichswerk auf Grenada. Zu ihnen gehörten A. T. Johnson, W. R. Brown und E. J. Coward. Bruder Cowards Dienst in der Ostkaribik erwies sich als außergewöhnlich erfolgreich. Dies entging jedoch nicht der neidischen Geistlichkeit. Die Feinde der Wahrheit nutzten während des Ersten Weltkrieges die Angst der Menschen aus und brachten boshafterweise das Gerücht in Umlauf, E. J. Coward sei ein deutscher Spion. Unter dem Druck der Geistlichen wiesen Regierungsbeamte Bruder Coward an, die britischen Westindischen Inseln zu verlassen. Auf diese Weise machte man seinem Dienst dort abrupt ein Ende. Nach diesem Vorfall erkannte die Gesellschaft, daß es für Bibelforscher aus den Vereinigten Staaten schwierig sein würde, eine Einreiseerlaubnis für die Inseln zu erhalten. Also traf man Vorkehrungen, Bruder George Young, einen Kanadier, 1922 dorthin zu senden.

Jahrelang besuchten hauptsächlich ältere Personen die Kongresse, weshalb man begann, Jehovas Zeugen als die „Religion der alten Leute“ zu bezeichnen. Doch sie waren geistig jung und wißbegierig. Es war nicht ungewöhnlich, daß diese ergebenen Brüder und Schwestern 8 und mehr Kilometer zu Fuß gingen, manchmal im heftigen Tropenregen, um die wöchentlichen Zusammenkünfte zu besuchen.

Wir laden dich nun ein, mit uns einen Besuch in dem nur 118 km nördlich von Grenada gelegenen St. Vincent zu machen, um zu sehen, wie das Werk dort seinen Anfang nahm.

Ein Anfang in St. Vincent

St. Vincent, eine bunte, 388 km2 große Insel, auf der einer der ältesten botanischen Gärten der Ostkaribik angelegt ist, wurde 1913 von Bruder A. T. Johnson besucht. Damals zeigten Ethel und Maud Thompson und ihr Vater etwas Interesse für die Königreichsbotschaft. Etliche Jahre später ließ sich Philippa La Borde, eine Frau aus Trinidad, auf der Insel nieder.

Unter den Bauern der Westindischen Inseln gibt es ein einfaches Sprichwort, das besagt, daß ein Samenkorn, das zufällig herunterfällt, mehr Frucht trägt als eines, das man ausgesät hat. Das hat sich oft als wahr erwiesen. Als beispielsweise Philippa vor dem Wäschewaschen die Hosentaschen ihres Mannes durchsah, fand sie ein biblisches Traktat, daß ihm W. R. Brown gegeben hatte. Dieses Traktat entfachte ihr Interesse. Sie und ihr Mann studierten die Bibel und nahmen die Wahrheit an. Am 1. August 1918 ließen sie sich taufen. Ein paar Jahre später, kurz vor 1923, zogen sie aus gesundheitlichen Gründen nach St. Vincent. Sie beabsichtigten zwar, nur einige Monate dortzubleiben, daraus wurden aber viele Jahre.

Philippa erinnert sich an ihre ersten Eindrücke, als sie auf St. Vincent ankamen: „Die Straßen waren holprig und staubig, doch die Menschen waren sehr freundlich, und das war das wichtigste.“ Während der nächsten 50 Jahre war es Schwester La Borde, die im allgemeinen auf der ganzen Insel „Mutter Lab“ genannt wird, möglich, die Botschaft hohen Regierungsbeamten zu überbringen, und zwar weil sie die Kindergärtnerin einiger dieser Beamter gewesen war. Sie sah wohl zierlich und zerbrechlich aus, aber sie war eine starke Persönlichkeit und konnte biblische Wahrheiten einfach und logisch darlegen.

Wie initiativ und wendig sie war, erkennt man deutlich an der Art und Weise, wie sie Marion Dunn, einer Einheimischen aus St. Vincent, half, so weit Fortschritte zu machen, daß sie sich taufen lassen konnte. Frau Dunn hatte 1914 in Kuba zum erstenmal etwas von der Wahrheit gehört. Bald darauf kehrte sie nach St. Vincent zurück, hatte dann aber mit dem starken und anhaltenden Widerstand ihrer Cousine zu kämpfen, bei der sie wohnte. Wegen der heftigen Feindseligkeit ihrer Cousine zögerte Frau Dunn, sich Jehova hinzugeben und dies durch die Wassertaufe zu symbolisieren. Aber nachdem Schwester La Borde ihr die nötige biblische Ermunterung und Hilfe hatte zuteil werden lassen, traf man 1935 Vorkehrungen, Marion Dunn in Schwester La Bordes Wohnung zu taufen. Jahre später erinnert sich Schwester La Borde: „Als ich mit Schwester Dunn zusammenarbeitete, lernte ich sehr viel von ihr, nämlich Geduld und Demut.“

Weitere Hilfe

John C. Rainbow von der Zentrale der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten erhielt 1924 die Zuteilung, eine Woche mit den Zeugen auf St. Vincent zu verbringen. Sein Besuch bedeutete nicht nur für die treuen Schwestern eine große Ermunterung, sondern auch für die Anwesenden, die seine Vorträge in der Carnegie-Bibliothek in der Hauptstadt Kingstown hörten.

George Young machte auf seiner zweiten missionarischen Reise durch die Inseln ebenfalls auf St. Vincent halt, um den Schwestern dort zu helfen. Im Jahre 1932 wurde in der Carnegie-Bibliothek das Photo-Drama der Schöpfung gezeigt und auch begeistert aufgenommen. Tatsächlich traf man aufgrund der Nachfrage der Öffentlichkeit Vorkehrungen für eine weitere Vorstellung, diesmal im Gerichtsgebäude der Hauptstadt. Bruder Young hielt eine Reihe öffentlicher Vorträge und war den Schwestern behilflich, ein wöchentliches Studium des Wachtturms zu organisieren. Um die wahre Anbetung unter diesen demütigen Menschen noch mehr zu fördern, brachte er außerdem den Haus-zu-Haus-Dienst auf der Insel in Gang.

Gott tastend fühlen und finden

Während der Kriegsjahre von 1939 bis 1945 fand auf St. Vincent eine Entwicklung statt, die die Führung der Engel bei der Einsammlung schafähnlicher Menschen erkennen läßt. Hoch oben in den Bergen von Riley liegt ein Ort, von dem aus man in südlicher Richtung die 16 km entfernte Insel Bequia ausgezeichnet sehen kann und von wo aus sich einem Richtung Norden eine atemberaubende Aussicht auf das unterhalb gelegene Mesopotamia Valley bietet. In diesen Bergen lebte eine Gruppe aufrichtiger Menschen, die regelmäßig zusammenkamen, um mehr über Gott zu lernen. Sie vertraten zwar falsche Ansichten, bemühten sich aber dennoch, ‘Gott tastend zu fühlen’. (Vergleiche Apostelgeschichte 17:26, 27.) Die Gemeinde der „Shaker“, wie sie sich nannten, und Leonard Pope, der „Bischof“ der Gruppe, sowie ihr Führer Albert Forbes schätzten die Veröffentlichungen der Watch Tower Society und verwendeten sie bei ihren Zusammenkünften.

Eines Tages im Jahre 1942 blieb Rupert G. Wyllie stehen, um Leonard Pope zuzuhören, der gerade in einem Gebiet in Kingstown predigte, das Paul’s Lot hieß. Pope predigte laut. Dem, was er sagte, konnte Wyllie, der die Literatur der Watch Tower Society las, entnehmen, daß Pope die gleiche Literatur gelesen haben mußte. Zudem hielt Pope in seiner Hand, mit der er ausladende Gesten machte, ein Buch, das er häufig zitierte und von dem er behauptete, daß es alles beweise, was er sage. Wyllie erzählt, was er bei sich dachte: „Er ist zwar ein Shaker, aber es lohnt sich, ihm zuzuhören.“ Bei einem anschließenden Gespräch mit Wyllie machte Pope die Äußerung: „Es müßte doch in Kingstown einen Ort geben, an dem man das hier studieren kann.“ Wyllie kannte Schwester La Borde und Schwester Dunn, und so führte er Pope zu ihnen. Pope versammelte sich mit den Schwestern und lernte mehr über die Wahrheit. Bald gingen er und seine aus acht Personen bestehende Gemeinde 8 km zu Fuß nach Kingstown, um dem wöchentlichen Wachtturm-Studium beizuwohnen.

Als Gilbert Talma, der Zweigaufseher der Gesellschaft auf Trinidad, 1944 St. Vincent besuchte, ließen sich alle acht am Edinborostrand taufen. Aber erst 1947 wurde diese Gruppe von Zeugen in Riley zu einer Versammlung organisiert, die damit die zweite auf St. Vincent war. Die erste befand sich in Kingstown. Im darauffolgenden Jahr nahmen mehrere der ehemaligen „Shaker“ den Vollzeitdienst als Pioniere auf und gaben in den zerklüfteten Landgebieten wirkungsvoll Zeugnis.

Das letzte der ursprünglich acht Mitglieder der Gruppe von „Bischof“ Pope, Leonora Forbes, hatte, obwohl ihre Beine durch Arthritis verkrüppelt waren, einen aktiven Anteil an der Verbreitung der Königreichsbotschaft bis zu ihrem Tod im März 1988. Sie war für alt und jung eine wunderbare Quelle der Ermunterung.

Als diese fleißigen Brüder und Schwestern ein kleines Grundstück auf einem Berg für den Bau eines Königreichssaales geschenkt bekamen, arbeiteten sie hart. Von dieser Stelle aus hatte man einen herrlichen Ausblick, aber es war eine Herausforderung, dort zu bauen. Brüder und Schwestern transportierten Baumaterialien auf dem Kopf zur Baustelle — über eine Entfernung von 2,4 km, und zwar sowohl vom Fluß als auch von der nächstgelegenen Zufahrtsstraße aus. Schließlich war der Saal fertiggestellt, der erste, der Eigentum der Brüder auf der Insel war. Zu diesem hübschen Königreichssaal gelangte man über Stufen, die in den lehmigen Hügel gehauen waren. Natürlich wurden sie bei Regenwetter äußerst rutschig, und einige reisende Aufseher erlebten — stehend oder sonstwie — eine Rutschpartie bis zum Fuß des Berges.

Bevor wir weiter nach St. Lucia reisen, begeben wir uns kurz zurück nach Barbados, um den Fortschritt des Werkes dort in Augenschein zu nehmen.

Gemietete Busse für das Zeugnisgeben

Die Kolporteure (heute Pioniere genannt) leisteten bei der Verbreitung biblischer Literatur gute Arbeit. Cuthbert Blackman, heute in seinem 77. Lebensjahr, war 1931 einer der 10 Pioniere auf Barbados; es gab damals noch 44 weitere Personen, die sich an dem Werk beteiligten, wenn es Zeit und Umstände zuließen.

Heute steht den Einwohnern von Barbados ein modernes Straßennetz zur Verfügung. Die Insel ist gemäß einer Beschreibung zwar nur „34 Kilometer lang und ein Lächeln breit“, dennoch besitzt sie 1 280 km gepflasterte oder asphaltierte Straßen. Im Vergleich zu heute war das Reisen vor 50 Jahren äußerst beschwerlich. Die Straßen hatten zahlreiche unübersichtliche Kurven — die Überbleibsel eines Straßensystems, das man im 17. Jahrhundert in erster Linie für Eselskarren angelegt hatte. Bruder Blackman berichtet: „Wir waren überglücklich, daß wir Bruder Edwin Hacketts Karren benutzen konnten, der von seinem treuen Pferd Harry gezogen wurde.“

Als jedoch andere Transportmittel aufkamen, begannen die Brüder, für das Zeugnisgeben Busse zu mieten. Auf diese Weise konnten alle 11 Gemeinden der Insel systematisch durch gruppenweises Zeugnisgeben bearbeitet werden. Eine Zeitlang verwendeten die Brüder Zeugniskarten, um den Grund ihrer Besuche zu erklären. Später spielte man auf tragbaren Grammophonen den Wohnungsinhabern Schallplatten von Bruder Rutherfords Ansprachen vor, und für größere Zuhörerschaften gebrauchte man Sprechmaschinen.

Normalerweise sind die Inselbewohner Frühaufsteher. Alfred Joseph erinnerte sich, daß er und einige andere Brüder beschlossen hatten, in Holetown, einer kleinen Gemeinde an der Westküste, mit dem Zeugnisgeben frühmorgens anzufangen. Sie hängten die Sprechmaschine hoch oben in einem Baum auf, so daß der Ton in der morgendlichen Stille weithin zu hören war und somit mehr Menschen erreicht werden konnten. Dieses energische Vorgehen löste sofort Reaktionen aus. Bruder Joseph berichtete: „Bald tauchte am Ort des Geschehens ein Polizeibeamter auf, der uns mitteilte, daß der ‚Reverend‘ ihn geschickt habe und daß wir mit unserem biblischen Bildungsprogramm aufhören sollten. Wir ermunterten ihn, ein paar Minuten zuzuhören. Als er feststellte, daß wir in keiner Weise ordnungswidrig handelten — abgesehen davon, daß wir früh angefangen hatten — und daß an unserer Königreichsbotschaft nichts Verkehrtes war, ging er fort.“

Mutige Zeugen

Die Brüder damals zeichneten sich durch ihren Eifer und Mut aus sowie durch ihre Entschlossenheit, gründlich Zeugnis zu geben. Sie legten die Botschaft völlig offen und unverblümt dar. Dadurch, daß sie die Heuchelei und Verwirrung in der Christenheit unverhohlen bloßstellten, gelang es ihnen, einige Menschen sozusagen aufzuwecken und zu veranlassen, ernsthaft nachzudenken, was diese sonst nicht getan hätten.

Als beispielsweise ein gewisser „Reverend“ Ince von der St. Lawrence Nazarene Church in Christ Church (Barbados) von Bruder Josephs Reisen in Afrika erfuhr, lud er Bruder Joseph ein, vor seiner Gemeinde einen Vortrag über das Leben in Afrika zu halten. „Ich nahm die Einladung gern an“, erzählt Bruder Joseph, „und willigte ein, eine Stunde lang zu sprechen. Einen Großteil der Zeit verwendete ich darauf, über meine Arbeit als Prediger in Sierra Leone und das Leben dort zu berichten. Aber dann dachte ich, ich sollte doch etwas über bestimmte biblische Lehren sagen. Ich bat den ‚Reverend‘ Ince und seinen Katecheten, die von mir angeführten Bibeltexte wie z. B. Hesekiel, Kapitel 34 und Jesaja, Kapitel 28 mitzuverfolgen. Dann wurde ich noch mutiger und lud Ince ein, Jesaja 56:10, 11 vorzulesen [„Seine Wächter sind blind. Keiner von ihnen hat Notiz genommen. Sie alle sind stumme Hunde ...“]. Nun, das ging ihm einfach zu weit, denn augenblicklich gab er Anweisung, ein Kirchenlied zu singen. Bevor die Gemeinde jedoch zu singen anfing, fuhr ich mit meinen Darlegungen fort.

Gleich bei der nächsten Gelegenheit wollte er Kollekten einsammeln lassen. Könnt ihr euch vorstellen, daß ich mich mit ihm sogar diesbezüglich auseinandersetzte, und das in seiner eigenen Kirche? Doch genau das habe ich gemacht. Mir war die Verfahrensweise der Gesellschaft — ‚Eintritt frei, keine Kollekte‘ — in Fleisch und Blut übergegangen, und ich konnte mir diese Gelegenheit, etwas zu sagen, nicht entgehen lassen. Ich erklärte der ganzen Gemeinde, daß wir nicht einen einzigen Cent sammeln würden und daß ich sogar für die Stromkosten, die während der Zusammenkunft entstünden, aufkommen würde. Es wurde dann doch kein Geld gesammelt.

Ich fragte die Versammelten, ob sie es gern hätten, wenn ich bei einer anderen Gelegenheit noch einmal zu ihnen sprechen würde. Die Antwort war ein eindeutiges Ja. Doch der ‚Reverend‘ lud mich nie mehr ein.

Einige Zeit danach stellte ich die Sprechmaschine hinter der Nazarene Church unter freiem Himmel auf und spielte Richter Rutherfords Schallplatten ab. Die Folge war, daß viele, die gerade zum Gottesdienst gehen wollten, nicht in die Kirche hineingingen, sondern draußen blieben, um sich den Vortrag auf Schallplatte anzuhören. Ob die Leute nur neugierig oder wirklich interessiert waren, konnte ich nicht sagen, aber eines konnte ich sagen: ‚Meine Gemeinde‘ draußen war größer als die in der Kirche.“

Im Jahre 1936 gab es vier Versammlungen der Zeugen Jehovas auf Barbados — eine in Bridgetown und je eine in den Gemeinden Christ Church, St. George und St. Philip.

Ein blinder Mann verhilft anderen zum Sehen

Viele Personen auf der ganzen Insel nahmen die Wahrheit an. Sie zeigten dies gewöhnlich dadurch, daß sie sich vor die Gruppe, wie man eine Versammlung damals nannte, hinstellten, sich von ihrer Verbindung zur Christenheit lossagten und eine Erklärung ihrer Weihung (Hingabe) ablegten. Später symbolisierten sie dies durch die Wassertaufe. Einer von denen, die dies Ende der 30er Jahre taten, war ein blinder Mann namens Cecil Alleyne.

Cecil gab seine öffentliche Erklärung allerdings unter anderen Umständen ab. Als stellvertretender Pastor der Nazarene Church in Blades Hill (St. Philip) kannte er bereits eine ganze Menge Schriftstellen. Aber er hatte nie „das Muster gesunder Worte“ erfaßt (2. Tim. 1:13). Als ihm jedoch Bruder Blackman Zeugnis gab, dauerte es nicht lange, bis Cecil, obgleich blind, die Wahrheit „erkannte“. Er war nun erbost, daß er durch die Gemeinschaft mit der Nazarene Church so viele Jahre geistiger Erleuchtung verloren hatte. Einige Zeit später stand er in der Kirche auf und erklärte, er werde sie nicht länger besuchen, da er ein Zeuge Jehovas geworden sei. Viele Anwesende weinten und baten ihn eindringlich, sie nicht zu verlassen, da sie ihn sehr mochten. Aber im Laufe der folgenden Jahre nahmen viele von diesen die Wahrheit an, weil Bruder Alleyne ihnen Zeugnis gab.

Er kannte die Gegend sehr gut, denn er war nicht blind geboren. Wenn man ihn im Gebiet herumführte, wußte er genau, wo er war und wer in welchem Haus wohnte. Sein bemerkenswerter Eifer und sein ausgezeichneter Sinn für Humor machten ihn beliebt. Sowohl seine gewinnende Art im Umgang mit Menschen als auch sein ansteckendes Lachen erleichterte es dem Wohnungsinhaber, biblische Gedanken zu verstehen, und zudem entstand dadurch eine erfrischende Pause, die dazu beitrug, daß sich die Gedanken im Sinn einprägten. Er war maßgeblich daran beteiligt, daß später in Blades Hill eine Versammlung gegründet wurde. Einer derjenigen, denen er Zeugnis gab und denen er sehr half, war Oswald Batson, der den Pionierdienst aufnahm und später als Kreisaufseher und dann als Bezirksaufseher auf den sechs Inseln des Zweiggebietes diente, bis er 1957 starb. Bruder Alleyne ist inzwischen ebenfalls verstorben.

Theokratische Organisation während des Zweiten Weltkrieges

Das Jahr 1938 war ein historisches Jahr für Jehovas Volk auf der ganzen Welt. In jenem Jahr erkannte es die Notwendigkeit einer vollständig theokratischen Organisation. In der Ostkaribik wie auch auf der ganzen Erde wurde der organisatorische Aufbau straffer gestaltet. Dies geschah bestimmt unter göttlicher Leitung, denn es trug zur Einheit bei, die erforderlich war, um wahren Christen zu helfen, ihre christliche Neutralität in den bald eintretenden Weltkonflikten zu bewahren.

Diese Inseln waren zwar nicht direkt in die Auseinandersetzungen verwickelt, aber als Kolonien Großbritanniens lieferten sie Menschenpotential für den Kriegsdienst. Unsere Brüder hielten sich allerdings aus den Kriegsaktivitäten heraus und konzentrierten ihre Bemühungen darauf, Jehovas Königreich als die einzige Hoffnung für die Menschheit hervorzuheben. Es bestand wohl kein offizielles Verbot der Publikationen der Gesellschaft, aber hohe Beamte benutzten ihre Stellung, um die Einfuhr von Literatur, Schallplatten, Unterlagen und anderen Gütern einzuschränken, die für die Unterstützung des Königreichswerkes hätten von Nutzen sein können.

Die Folge war ein Mangel an Literatur. So gingen die Brüder mit jeder Publikation, die sie erhielten, äußerst sorgfältig um. Schwester Lucy Gooding und ein paar andere auf Barbados wurden geschickte Abschreiber und vervielfältigten und verteilten die Studienartikel jeder Wachtturm-Ausgabe, die sie erhielten, an die Brüder. Die Worte von Schwester La Borde aus St. Vincent, mit denen sie ihre von Herzen kommende Dankbarkeit ausdrückte, spiegeln die Einstellung aller Brüder damals wider: „Wir danken Jehova und unserer lieben Schwester Gooding, die mit uns an der himmlischen Berufung teilhat, daß wir immer gut informiert waren.“

Nachdem der Krieg zu Ende war, wandte man sich an die Regierung und bemühte sich erneut um eine Einfuhrerlaubnis für die Veröffentlichungen der Gesellschaft. Bald danach erhielten die Brüder Sendungen, und seither hat es keine Probleme diesbezüglich mehr gegeben.

Gileadabsolventen treffen ein

Vielen Ländern, einschließlich der Insel Barbados, stand nun ein unerwarteter Segen bevor. Ab 1945 begannen Absolventen der Wachtturm-Bibelschule Gilead einzutreffen. Welch einen großartigen Aufschwung das Werk dadurch doch erhielt!

James und Bennett Berry, zwei leibliche Brüder, und Franklyn Lamar Pate nahmen im November 1945 den Missionardienst auf. Sie dienten auch auf den anderen Inseln, die jetzt zu diesem Zweig gehören, als Kreisaufseher, damals Diener für die Brüder genannt. Indem sie das, was sie bei der vorzüglichen Schulung in Gilead gelernt hatten, an die Brüder weitergaben, verbesserte sich deren Lehrfähigkeit zusehends — sowohl bei den Zusammenkünften als auch im Predigtdienst.

Zum erstenmal erfuhren die Brüder auf Barbados, wie nützlich es ist, alle Absätze des vorgegebenen Studienmaterials innerhalb der vorgesehenen Zeit zu behandeln. Dies war von besonderem Wert für die Versammlung in Bridgetown, wo sich bei einigen Personen Streitlust entwickelt hatte. Der bessere Geist trug zu weiterem geistigem Wachstum bei. Eine Reihe von neuen und jüngeren Personen begann, sich der Versammlung anzuschließen.

Bis dahin gab es sechs Versammlungen auf Barbados mit 72 aktiven Verkündigern. Die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl in jenem Jahr betrug 199. Inzwischen berichtete Grenada 15 Verkündiger, und 22 Personen hatten das Gedächtnismahl besucht.

Der Besuch des Präsidenten

Nach dem Krieg, im Jahre 1946, besuchten der Präsident der Gesellschaft, Nathan H. Knorr, und der damalige Vizepräsident, Frederick Franz, das erste Mal die Westindischen Inseln. Bei dieser Gelegenheit besuchten sie allerdings nur die Insel Trinidad, von wo aus das Königreichswerk auf allen ostkaribischen Inseln beaufsichtigt wurde.

Mit großer Freude und Wertschätzung erhielten die Brüder einen Brief aus dem Zweigbüro in Port of Spain (Trinidad). Er war an alle Versammlungen gerichtet und lautete auszugsweise: „Es wird ein Kongreß organisiert, bei dem Bruder Knorr den öffentlichen Vortrag halten wird. Bruder Knorr und Bruder Franz werden die anderen Inseln nicht besuchen können, weshalb wir euch bitten, die Brüder zu unterrichten. ... Es wäre gut, wenn die Gruppendiener und die Pioniere kämen, falls sie es sich leisten können. Dies wird eine wunderbare Gelegenheit für die Brüder auf den Westindischen Inseln sein, mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Gesellschaft zusammenzukommen und eine Menge wertvoller Informationen über die Förderung des Königreichswerkes zu erhalten.“

Doch selbst die, die nicht nach Trinidad reisen konnten, zogen aus dem Kongreßprogramm Nutzen. Zu diesem Zweck wurde im Oktober jenes Jahres auf Barbados ein großer Kongreß abgehalten. Inzwischen war Joshua Steelman, ebenfalls ein Gileadabsolvent, eingetroffen, und er wirkte auch beim Kongreßprogramm mit. Bei diesem Kongreß freuten sich die Brüder zu erfahren, daß nun „Diener für die Brüder“, heute Kreisaufseher genannt, regelmäßig die Versammlungen besuchen würden. Die Anwesendenhöchstzahl betrug 902. Damit nahm die Ära größerer, gutorganisierter Kongresse auf Barbados ihren Anfang.

Zu denen, die durch den Kongreß gestärkt wurden, gehörten die leiblichen Brüder St. Clair und Frank Gall. Der echte Pioniergeist, den die Missionare an den Tag legten, beeindruckte sie so sehr, daß sie ebenfalls den Pionierdienst aufnahmen. Im Jahre 1950 waren Frank Gall und Fitz Gregg die ersten Barbadier, die zum Besuch der Gileadschule eingeladen wurden. Nachdem sie die 16. Klasse absolviert hatten, erhielten beide eine Zuteilung nach Britisch-Honduras (heute Belize).

Während sich die einheimischen Brüder verausgabten, manchmal über das Normale hinaus, goß Jehova reichlich Segen über sie aus. Dudley Mayers, der heute 81 Jahre alt ist, erinnert sich an jene Jahre: „Unsere kleine Gruppe in Hall’s Village (St. James) zählte nur zehn Personen, einschließlich vier meiner Familienmitglieder. Da einer der Brüder ziemlich alt war und es viele Schwestern gab, übertrug man mir alle Dienstämter in der Gruppe, wie wir die Versammlung damals bezeichneten. Später verlegten wir unsere Versammlungsstätte nach Cave Hill (St. Michael), etwa 5 km von der ursprünglichen entfernt, und von da an stellte sich echtes Wachstum ein, so daß wir heute rund 135 Verkündiger haben, und über 200 Personen besuchen sonntags unsere Zusammenkünfte.“ Bruder Mayers, der schon drei Herzinfarkte hatte, dient weiterhin regelmäßig als Hilfspionier.

Sie gaben nicht auf

Die Missionare brauchten einige Zeit, um sich an die örtlichen Verhältnisse zu gewöhnen und gegen die dortigen Krankheiten einigermaßen immun zu werden. Viele von ihnen gaben nicht auf, sondern blieben in ihrer Zuteilung.

Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist Sven Johansson, den die Brüder sehr liebgewannen. Er und Richard Ryde erhielten im März 1949 die Zuteilung, als Missionare auf Grenada zu dienen. Bruder Johansson, der aus Schweden stammt, erinnert sich an die Zeit, als er Malaria bekam. Da er nicht wußte, was für eine Krankheit er hatte, versuchte er, seine scheinbare Erkältung selbst zu behandeln, so gut er es als Junggeselle konnte. Aber schließlich erkannte er, daß diese Krankheit ernster war, als er es sich vorgestellt hatte. Er schreibt: „Als mich der Arzt zu behandeln begann, schien es zu spät zu sein. Jeder dachte, ich würde sterben. Mein Missionarpartner, Richard Ryde, schrieb sogar an Bruder Knorr wegen der Beerdigungsvorbereitungen. Bruder Knorr schrieb daraufhin sofort zurück und wies ihn an, dafür zu sorgen, daß ich die beste zur Verfügung stehende medizinische Betreuung bekam.

Ich kam dann doch durch. Danach zeigte mein Partner ähnliche Krankheitssymptome. Wir beide erlitten mehrere Rückfälle. Manchmal waren wir zusammen krank und mußten zur gleichen Zeit das Bett hüten. Um zu entscheiden, wer von uns aufstehen solle, um den anderen zu versorgen und die nötigen Hausarbeiten zu verrichten, verglichen wir unsere Körpertemperatur. Wer die höhere Temperatur hatte, mußte im Bett bleiben. Viele Jahre lang kämpften wir mit dieser lästigen Krankheit und dem wiederkehrenden Fieber. Bei mir dauerte es acht Jahre, bis ich geheilt war.“

Wegen gewissenhafter Arbeit respektiert

Bruder Johansson, der auf Grenada eine einheimische Schwester heiratete, diente nicht nur dort, sondern auch auf St. Vincent. Im Jahre 1951 gingen er und seine Frau nach St. Vincent, wo sie mehrere Jahre als allgemeine Pioniere dienten. Doch kaum hatte er sich niedergelassen, teilte ihm der Polizeichef mit, er müsse die Insel innerhalb von fünf Tagen verlassen. Bei einem anschließenden Gespräch mit dem Polizeichef wurde ihm erklärt, er sei unerwünscht, da er ein ausländischer Spion sei. Bruder Johansson machte dem Polizeichef klar, daß er ein Zeuge Jehovas sei und sich nicht in die Politik einmische. Der Polizeichef blieb unerbittlich.

Bruder Johansson schrieb: „Jetzt konnte ich mich nur noch an den Gouverneur der Insel wenden. Nachdem ich einen Termin vereinbart hatte, war es mir möglich, etwa 30 Minuten lang mit ihm zu sprechen. Er wiederholte das, was mir der Polizeichef zuvor gesagt hatte, nämlich daß ich ein unerwünschter Besucher sei. Der Gouverneur behauptete dann, ich sei gegen Katholiken; da er selbst Katholik war, berührte ihn das sehr. Ich versicherte ihm, daß ich nicht gegen Katholiken sei und erwähnte, daß mein Friseur Katholik sei und ich Katholiken in ihren Wohnungen aufsuche, um mit ihnen über die Bibel zu sprechen. Schließlich sagte er: ‚Herr Johansson, ich habe gehört, Sie können gut Radios reparieren. Ich habe zwei Radios, die repariert werden müßten. Ich lasse sie Ihnen morgen bringen. Sie können auf der Insel bleiben.‘ Er nahm dann den Telefonhörer, rief den Polizeichef an und wies ihn an, mir die Erlaubnis zu erteilen, auf der Insel zu bleiben.“

Mehr als einmal wurde ein ausgezeichnetes Zeugnis gegeben, weil Bruder Johansson seine weltliche Arbeit vorbildlich verrichtete. Ein Geschäftsmann suchte eine verläßliche und ehrliche Person, die defekte Radios reparieren konnte. Er nahm zwei identische, gutfunktionierende Radios und schnitt im Schaltsystem jedes Radios einen Draht durch. Dann schickte er die beiden Radios an zwei Techniker, die er für die besten ihres Fachs hielt. Als Bruder Johansson das Radio zurücksandte, das man ihm zur Reparatur gegeben hatte, legte er eine Rechnung über 2,40 $ (88 US-Cent) bei mit dem Vermerk, dies sei für das Löten eines durchtrennten Drahtes. Der andere Techniker schickte eine Rechnung für das Erneuern von Röhren und anderer Teile. Die Firma stellte Bruder Johansson als Radiotechniker ein.

Während der 39 Jahre, in denen Bruder Johansson auf diesen Inseln gedient hat, ist er als Kreis- und Bezirksaufseher sowie als Sonderpionier tätig gewesen. Zur Zeit wohnt er auf Barbados und dient als allgemeiner Pionier und als ein Glied des Zweigkomitees, das das Königreichswerk auf diesen Inseln beaufsichtigt. Vor kurzem hatte er einen schweren Herzinfarkt, ist aber schon wieder auf den Beinen. Sein etwas geschwächtes Herz verlangt, daß er ein wenig kürzertritt. Das Beispiel, das er in all den Jahren gegeben hat, erinnert viele an die Worte des Paulus in 2. Korinther 6:4-6: „In jeder Weise empfehlen wir uns als Gottes Diener: durch das Ausharren in vielem, in Drangsalen, in Notlagen, in Schwierigkeiten, ... durch Langmut, durch Güte, durch heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe.“

Das Königreichswerk auf St. Lucia kommt in Schwung

St. Lucia, 192 km nordwestlich von Barbados, ist eine schöne Tropeninsel mit üppiger Vegetation und 120 000 Einwohnern. Die wegen ihrer beiden zuckerhutförmigen, aus dem Meer herausragenden Berggipfel, Gros Piton und Petit Piton, berühmte Insel ist außerdem ein bekannter Bananen- und Kopralieferant.

Im Jahre 1947 begann St. Lucia auch Königreichsfrüchte hervorzubringen. Der erste einheimische Zeuge war Leanna Mathurin. Als sie die Wahrheit annahm, wohnte sie in Demerara (Guyana). Sie schrieb an Bruder Knorr und fragte, was sie tun könne, um die gute Botschaft auf St. Lucia zu verbreiten. Nachdem sie Bruder Knorrs ermunternde Antwort erhalten hatte, zog sie nach Micoud — ein Dorf, das 48 km von der Hauptstadt Castries entfernt liegt.

Zwei Jahre später trafen die in Gilead geschulten Missionare Lloyd Stull und William Cammers ein. Sie und Leanna Mathurin waren die einzigen Zeugen Jehovas auf der Insel.

Diese eifrige Schwester, die das Patois der Einheimischen beherrschte, eine Mischung aus Französisch und Englisch, erreichte einen großen Teil der Landbevölkerung mit der tröstenden Botschaft der Bibel. Von ihren eigenen Ersparnissen ließ sie einen kleinen Königreichssaal bauen. Zwei Räume wurden noch angebaut, einer an jeder Seite. Sie zog in den einen ein und reservierte den anderen für reisende Diener. Trotz ihrer 82 Jahre dient sie heute immer noch eifrig als allgemeiner Pionier.

Das vorwiegend katholische St. Lucia stellte eine gewisse Herausforderung für die Missionare dar, wenn es darum ging, eine Unterkunft zu finden, aber Bruder Stull sagt: „Wir vertraten die Ansicht, daß wir alles, was wir benötigten, im Haus-zu-Haus-Dienst erhalten würden.“ Und so war es. Nach und nach wurde für ihre Bedürfnisse gesorgt.

Im Laufe der Jahre wurden weitere Missionare nach St. Lucia gesandt. Unter ihnen befanden sich Fred Dearman aus den Vereinigten Staaten sowie William und Edith Honsinger aus Kanada, die immer noch treu in ihren Zuteilungen dienen. Jehova hat ihre liebevolle und harte Arbeit ganz offensichtlich gesegnet, denn heute gibt es dort vier hübsche Königreichssäle, die den Bedürfnissen von fünf Versammlungen mit 380 eifrigen Verkündigern dienen.

Auf der Reise zum Kongreß seekrank

Um die Kongresse auf den verschiedenen Inseln besuchen zu können, mußten die Brüder damals Schaluppen, Windjammer, Schoner oder irgendwelche anderen Schiffe benutzen, die zwischen den Inseln hin- und herfuhren. Es gab keinen zuverlässigen Luftverkehr, der die Inseln verband. Für robuste Seeleute stellte das Reisen auf See kein Problem dar. Aber einige, wie beispielsweise Bruder Stull, wurden dabei häufig seekrank.

Jemand beschrieb eine dieser Reisen wie folgt: „Bruder Stull, dem das Seefahren nicht gut bekam, wurde an Bord sehr seekrank. Zu allem Unheil wurde wegen des stürmischen Meeres aus einer eintägigen Reise eine dreitägige.

Wir mußten an Deck schlafen, da die Fracht sowohl im Laderaum als auch in den Kabinen untergebracht war. Mit einer Persenning konnte man sich schützen, aber schließlich drangen der Regen und das hochspritzende Meerwasser durch. Bruder Stull fühlte sich so elend, daß er nicht die Kraft hatte, Schutz zu suchen, weshalb er die meiste Zeit den Elementen ausgesetzt war. Am Tage, wenn die Sonne schien, drehten wir ihn zum Trocknen der Kleidung auf die eine Seite und dann auf die andere, bis sie trocken war, d. h., bis sich das Wetter wieder verschlechterte und das Ganze noch einmal von vorn anfing.“

Dieses schreckliche Erlebnis dauerte an, bis seine Freunde die Insel sichteten, auf der der Kongreß stattfinden sollte. Aber selbst dann konnten sie noch nicht an Land gehen. Die Flut ging zurück, und das Schiff trieb aufs Meer hinaus, so daß man die Insel nicht mehr sehen konnte. Als sie dann schließlich doch anlegten, erfuhren sie, daß die Einwanderungs- und die Zollbeamten gerade nach Hause gegangen waren. Welch eine Enttäuschung! Also mußten die Brüder eine weitere Nacht auf dem Schoner verbringen.

Richard Ryde, der auf Grenada als Missionar diente, erlebte ebenfalls, wie beschwerlich das Reisen zwischen den Inseln war. Er war als Vorsitzender eines Kongresses auf Barbados vorgesehen. Von Grenada segelte er nach St. Vincent und hoffte, eine Verbindung nach Barbados zu bekommen. Weil er wußte, wie unberechenbar das Reisen zwischen den Inseln war, räumte er genügend Zeit ein, um sich noch an Vorkongreßarbeiten beteiligen zu können. Doch wegen der unruhigen See erreichte Bruder Ryde Barbados gerade noch rechtzeitig zum öffentlichen Vortrag! Als sich das Schiff, mit dem er fuhr, Barbados näherte, konnte man von Bord aus mehrmals Land sehen. Man konnte sogar Menschen erkennen, die an der Küste entlanggingen. Aber ungünstige Gezeiten und Winde verhinderten die Landung. Die abergläubischen Seeleute betrachteten dies als schlechtes Omen und stellten Kreuze auf, aber ohne Erfolg. Bruder Ryde war verständlicherweise verärgert und sagte zu ihnen: „Jungs, ihr braucht keine Kreuze, ihr braucht einen Hilfsmotor.“

Besuch aus der Zentrale

Wie freuten sich doch die Brüder im Jahre 1949, als sie erfuhren, daß Bruder Knorr auf seiner zweiten Reise durch die Karibik Barbados besuchen würde! Diesmal begleitete ihn Milton Henschel, der ebenfalls in der Zentrale arbeitete. Während des Besuches sollte ein Bezirkskongreß in Steel Shed abgehalten werden, zu dem man auch Brüder von anderen Inseln einlud.

Die Besucherzahl bei dem öffentlichen Vortrag „Es ist später als du denkst!“ betrug 3 000. Diese Zahl wurde erst wieder nach 25 Jahren erreicht. Bei dem Kongreß besprach Bruder Knorr mit den Pionieren auch etwas, was die Insel geistig bereichern sollte — die Möglichkeit, die Gileadschule zu besuchen.

Die „höllenlose Religion“

Eng verknüpft mit der barbadischen Kultur ist die große Liebe zur Bibel. Dies und die Tatsache, daß die meisten Barbadier lesen und schreiben können, sowie die außergewöhnliche Wißbegierde der Menschen machen den Haus-zu-Haus-Dienst zu einem angenehmen Erlebnis. Man wird selten abgewiesen. Statt dessen kommt es häufig zu einem lebhaften religiösen Gespräch, bei dem eine gute Bibelkenntnis erforderlich ist und großes Geschick beim Gebrauch des Wortes Gottes.

Eine Zeitlang, besonders in den 60er und 70er Jahren, bezeichneten die Leute die Zeugen oft als die „höllenlose Religion“. Einer unserer Brüder erinnert sich, daß Gertrude Linton von den Menschen in der Ortschaft „höllenlose Gertie“ genannt wurde. Damit beabsichtigte man offensichtlich, Personen, die Interesse an der Botschaft bekundeten, davon abwendig zu machen. Es wurde also nötig, bei einem Programmpunkt des Kreiskongresses zu zeigen, wie man unter Verwendung der King-James-Bibel diesen Einwand überwinden konnte. Bibeltexte wie Psalm 55:15, 86:13, Jesaja 14:9 und Jona 2:2 zusammen mit den Randbemerkungen in der King-James-Übersetzung wurden benutzt. Da die meisten Familien diese Bibelübersetzung mit den Randbemerkungen besaßen, waren die Brüder in der Lage, mit den Menschen anhand ihrer eigenen Bibel zu argumentieren und ihnen erkennen zu helfen, daß die in der Bibel erwähnte Hölle kein Ort feuriger Qual, sondern das Grab ist. Diese Methode erwies sich allem Anschein nach als erfolgreich, denn heute hört man den Einwand kaum noch.

Auf den Grenadinen Zeugnis geben

Auf den größeren Inseln, die nun zum Gebiet dieses Zweiges gehören, wurde ein ausgezeichnetes Zeugnis gegeben. Aber die kleineren Inseln, die zwischen Grenada und St. Vincent liegen, bedurften ebenfalls der Aufmerksamkeit. Diese Inseln heißen Grenadinen.

Jemand, der heutzutage in diesem Gebiet mit dem Flugzeug reist, verliert diese Inseln nie aus den Augen. Um sie jedoch vor Jahren zu erreichen, kaufte die Gesellschaft einen 20 m langen Schoner, Sibia genannt. Am 18. März 1950 ging eine internationale Gruppe von Missionaren vor der Insel Carriacou, der größten der Grenadinen, vor Anker. Zu den Besatzungsmitgliedern gehörten Arthur Worsley, Stanley Carter, Ronald Parkin und Gust Maki, der als Kapitän diente — alles eifrige Verkündiger der guten Botschaft. Kurze Zeit später hatten die 7 000 Bewohner der 34 km2 großen Insel ihr erstes organisiertes Zeugnis erhalten.

Die Brüder stellten fest, daß die Menschen sehr herzlich waren, obwohl die Inselbewohner verhältnismäßig isoliert lebten. Sie besaßen materiell nicht viel, aber das störte die Missionare wenig, denn sie waren gekommen, um zu geben. Um diesen demütigen Leuten also zu helfen, tauschten die Missionare oft Bibeln und andere Literatur gegen einheimische Erzeugnisse wie Erdnüsse, Mais und Gemüse ein. Am 29. August 1950 ließ sich der erste einheimische Zeuge, eine Schwester, taufen. Am 22. September 1952 wurde eine Versammlung organisiert. Heute hat diese Versammlung über 43 Verkündiger, ganz zu schweigen von den vielen Verkündigern, die von der Insel weggezogen sind und heute in Europa, Nordamerika oder auf anderen karibischen Inseln leben.

Eine weitere Insel der Grenadinen, die ihre unberührte, einfache Schönheit bewahrt hat, ist Bequia. Die Sibia lief am 5. April 1950 in den malerischen Hafen der Insel, Port Elizabeth, ein. In den folgenden Jahren besuchte die Sibia zehnmal diese Insel mit ihren etwa 6 000 Einwohnern. Heute nimmt sich eine tatkräftige Versammlung von rund 20 Verkündigern der Menschen dort an.

Im Jahre 1953 bewilligte der Präsident der Gesellschaft den Kauf eines größeren Schiffes; es handelte sich um ein motorgetriebenes Schiff, Le Cheval Noir (Das schwarze Pferd) genannt, das die Sibia ersetzen sollte. Der Name wurde passenderweise in Light (Licht) abgeändert, was den Zweck dieses mit Doppelschrauben versehenen Schiffes wirklich verdeutlichte. Es bot Wohnraum für acht Personen. Auf kurzen Fahrten zwischen den Inseln konnte man damit sogar bis zu 50 Personen befördern, und das war häufig der Fall, denn die Verkündiger mußten zu den Inseln gebracht werden, wo die Kongresse stattfanden.

Hilfe nach dem Hurrikan Janet

Im September 1955 fegte der Hurrikan Janet über die Inseln Barbados, Bequia, Carriacou, Grenada und St. Vincent. Wie ein wild gewordener Bulle entwurzelte der Sturm Bäume und verwüstete Häuser, und zwar mit einer Geschwindigkeit, wie es die Einheimischen bis dahin noch nicht erlebt hatten. Bevor sich der Hurrikan weiter nach Norden bewegte, wütete er auf den Inseln eine ganze Woche lang mit gewaltiger Zerstörungskraft. Neunzig Prozent der Häuser und Gebäude auf Carriacou wurden zerstört.

Die Brüder bekundeten gegenüber den vom Hurrikan betroffenen Brüdern wirklich außergewöhnliche Liebe. „Während des Hurrikans hielten wir uns mit dem Schiff Light in der Gegend von Puerto Rico auf“, sagte Gust Maki. „Die Brüder und Schwestern in Puerto Rico gaben uns eine Menge Kleidung und Nahrung für die Brüder auf Carriacou mit.“ Die Reaktion der Leute beschrieb er wie folgt: „Da die Kirchen auf Carriacou alle beschädigt waren, fanden mehrere Monate lang keine Gottesdienste statt. Man sah, wie der katholische Pfarrer in die Häuser der Mitglieder ging, um ihnen die Kommunion auszuteilen, bevor er die Insel verließ. Der anglikanische Geistliche sprach bei einer Frau vor, die zu seiner Gemeinde gehörte, und bat um Geld für die Ausbesserung der Kirche, und das obwohl sie selbst nur in einer behelfsmäßigen Küche wohnte. Sie sagte: ‚Mein Pfarrer kommt und bittet um Geld, wohingegen Jehovas Zeugen ihren Mitbrüdern helfen.‘ “

Auswanderung beeinträchtigt das Wachstum

In den Jahren von 1950 bis 1970 wurde das Wachstum und die Entwicklung der Organisation im ganzen Zweiggebiet gehemmt. Auf der Suche nach dem „besseren Leben“ und günstigeren wirtschaftlichen Verhältnissen hatten Menschen im ganzen ostkaribischen Raum den Drang, in Industrieländer auszuwandern. Dies traf besonders auf Barbadier zu. Innerhalb von 30 Jahren nahm die Bevölkerung um rund 74 000 ab.

Die wirtschaftliche Lage unserer Brüder unterschied sich keineswegs von der anderer Leute. Viele Brüder fühlten sich zwischen der Erfüllung zweier wichtiger Erfordernisse hin und her gerissen — der Notwendigkeit, die Familie mit Nahrung, Kleidung und Obdach zu versorgen, und dem noch dringenderen Erfordernis, geistige Dinge an die erste Stelle zu setzen und in der wahren Anbetung die Familieneinheit zu bewahren. Diese Situation bedeutete für Familienhäupter auf den Inseln, daß sie eine echte Gewissensprüfung vornehmen mußten.

Viele Versammlungen wurden durch den Wegzug einiger Brüder, die zu den eifrigsten Verkündigern gehörten, beträchtlich geschwächt. In manchen Fällen führte die lange Abwesenheit eines Ehepartners zu ehelicher Untreue, was Zuchtmaßnahmen und Anleitung von seiten der Ältesten erforderlich machte. Die Tatsache, daß die Familie nicht zusammen war, trug manchmal dazu bei, daß Kinder schwere Fehler begingen. Die im Laufe der Jahre zurückkehrenden Auswanderer waren in den meisten Fällen finanziell bessergestellt, aber angesichts des Schadens, der in ihren Familien und in geistiger Hinsicht entstanden war, fragten sich einige: „Was hat es überhaupt gebracht?“

Bessere Wahl — größere Segnungen

Es gab allerdings auch solche, die den materiellen Verlockungen widerstanden, ihre Familien zusammenhielten und die harten Zeiten ertrugen. Sie bemühten sich einfach, größere Findigkeit zu entwickeln, und wurden dafür reichlich gesegnet. Betrachten wir einmal zwei von denen, die ein gutes Beispiel gaben — Milton Alleyne und Fitz Hinds.

Obwohl Milton Alleyne ein geschickter und erfahrener Unternehmer war, widerstand er dem Drang auszuwandern. Er blieb an seinem Wohnort, damit er seine Familie nicht nur materiell versorgen konnte; auch war er dadurch in der Lage, den einheimischen Brüdern beizustehen. Er hielt seine Familie zusammen und erlebt jetzt die Freude, daß alle seine vier Kinder Gott hingegeben und getauft sowie in der Wahrheit aktiv sind. Zwei dienen gegenwärtig als allgemeine Pioniere und eines als Sonderpionier. Bruder Alleyne dient gegenwärtig als vorsitzführender Aufseher der Versammlung in Hillaby auf Barbados.

Fitz Hinds bewies ebenfalls geduldiges Ausharren. Er hat in der Theokratie immer an vorderster Front gestanden und hat seit mehr als 36 Jahren eine führende Stellung in der Versammlung inne. Zur Zeit dient er als Wachtturm-Studienleiter in Sugar Hill (Barbados). Auch er hat die Freude gehabt, seiner ganzen Familie zu helfen, in der Wahrheit zu wachsen. Seine drei Söhne sind Dienstamtgehilfen, und eine seiner Töchter ist allgemeiner Pionier. Die übrigen Familienmitglieder beteiligen sich regelmäßig mehrmals im Jahr am Hilfspionierdienst.

Glücklicherweise kann man sagen, daß der Trend der 50er bis 70er Jahre rückgängig ist. Heute denken wenige der befähigten und eifrigen Brüder daran, nur aus wirtschaftlichen Gründen auszuwandern.

Einige, die das Vorrecht des Vollzeitdienstes wahrgenommen haben, durften die Gileadschule besuchen. Es ist herzerwärmend, darüber nachzudenken, daß der barbadische Zweig im Laufe der Jahre zehn Vollzeitdiener nach Gilead geschickt hat. Um das sich schnell ausdehnende Werk auf den Inseln zu koordinieren, wurden zwei Absolventen wieder hierhergesandt, nämlich A. V. Walker und O. L. Trotman, die jetzt zusammen mit Sven Johansson im Zweigkomitee dienen.

Es ist offensichtlich, daß das Werk des Jüngermachens gute Fortschritte gemacht hat. Die Brüder haben sich in diesen letzten Tagen des bösen Systems der Dinge die nötigen organisatorischen Fähigkeiten erworben und im Werk des Herrn mehr Verantwortung übernommen.

Erst die Light, dann Nacharbeit

Die Missionare auf dem Schiff Light leisteten wertvolle Arbeit auf den Inseln. Es gab jedoch ein Problem. Die Menschen auf diesen kleinen Inseln machten sich Sorgen darüber, wer ihre Säuglinge taufen oder ihnen die Sterbesakramente austeilen und sie begraben würde. Einige Interessierte, mit denen die Missionare studierten, hatten sogar ihre Kirche verlassen, fühlten sich dann aber im Stich gelassen, als die Missionare wieder den Anker lichten mußten und zu einer anderen Insel segelten. „Wer wird jetzt unsere Toten begraben?“ fragten sie sich. Somit kehrten sie zu ihrer Kirche zurück.

Im Jahre 1957 hatte das schwimmende Missionarheim Light seinen Zweck erfüllt und wurde verkauft. Die Missionare auf dem Schiff erhielten andere Zuteilungen. Es war jetzt an der Zeit, daß die Vollzeitdiener an Land blieben und dem vorgefundenen Interesse nachgingen.

Stanley und Ann Carter erhielten eine Zuteilung nach St. George’s (Grenada). Loyal und treu leisteten sie harte Arbeit, um die Brüder zu stärken. Die eifrigen Zeugen predigten mit solcher Begeisterung in der Stadt, daß man bald eine größere Zusammenkunftsstätte benötigte. Ein hübscher Königreichssaal wurde auf einem Grundstück errichtet, von dem aus man den schönen Hafen von St. George’s überblicken konnte. Als Robert Wallen aus der Zentrale im März 1964 einen Zonenbesuch machte, hielt er die Ansprache zur Bestimmungsübergabe.

Durch Berichtigungen Unzufriedene ausgesondert

Die 1961 durchgeführte Königreichsdienstschule, eine Vorkehrung der Gesellschaft zur zusätzlichen Schulung der Sonderpioniere, Missionare und Versammlungsältesten, trug viel zur Stärkung des Werkes in organisatorischer Hinsicht bei. Befähigten Brüdern wurde geholfen zu verstehen, von welchem Wert es ist, in seiner Zuteilung auszuharren, statt aus wirtschaftlichen Erwägungen auszuwandern. Außerdem bedurften Fälle von Unsittlichkeit der Aufmerksamkeit. Derartige Fälle wurden manchmal nicht sofort behandelt. Somit wurden durch den einmonatigen Kurs, der in Bridgetown (Barbados) und Kingstown (St. Vincent) stattfand, die nötigen schriftgemäßen Berichtigungen in diesen Angelegenheiten klargemacht.

Einigen gefielen diese Berichtigungen nicht, andere wiederum waren demütig und dankbar, Jehova auf irgendeine Weise zu dienen. Reuben Boyce gibt zum Beispiel zu, daß es ihn „sehr überraschte“, als er als vorsitzführender Aufseher in der Versammlung in Bridgetown (Barbados) ersetzt wurde. Aber er nahm es als von Jehova kommend oder von ihm zugelassen hin. Im Gegensatz dazu sprach ihn einer, der heute nicht mehr in der Wahrheit ist, scheinfreundlich an und sagte: „Was ist passiert? Warum haben sie dich abgesetzt?“

Bruder Boyce erwiderte: „Was meinst du damit?“

Derjenige, der versuchte, Unzufriedenheit hervorzurufen, sagte dann: „Das ist nicht in Ordnung. Was wirst du dagegen unternehmen?“

Die folgende Entgegnung von Bruder Boyce spiegelte die loyale Haltung der großen Mehrheit der Brüder wider: „Sieh mal, da gibt es gar nichts zu diskutieren. Wenn die Gesellschaft jemanden in ein Amt in der Versammlung einsetzt, teilt sie es ihm vorher auch nicht mit; wenn sie also jemanden absetzt, regt man sich nicht auf, sondern macht ganz normal weiter. Ich sehe also überhaupt keinen Grund, beleidigt zu sein.“ Und damit war das Gespräch beendet.

Im Laufe der Jahre hat Bruder Boyce seine Loyalität gegenüber Jehova und seiner Organisation bewahrt und aus der nötigen Zucht Nutzen gezogen. Heute dient er als Ältester, obwohl er völlig blind und schon in vorgerücktem Alter ist. In späteren Jahren wurde er außerdem dadurch gesegnet, daß seine Frau, die früher ungläubig war, eine Gott hingegebene und getaufte Zeugin wurde.

Neuer Zweig organisiert

Unter den „Theokratischen Nachrichten“ im Königreichsdienst vom Februar 1966 (Ausgabe für Trinidad) stand eine kurze, aber bedeutsame Bekanntmachung: „Am 1. Januar 1966 wurde im neuen Zweigbüro auf Barbados die Arbeit aufgenommen; es beaufsichtigt das Werk auf Barbados, Bequia, Carriacou, Grenada, St. Lucia und St. Vincent.“ Damals betrug die Gesamtzahl der Zeugen auf diesen sechs Inseln 1 084. Diese Verkündiger hatten die Aufgabe, einer Bevölkerung von insgesamt mehr als einer halben Million Menschen zu predigen. Natürlich war bereits viel gepredigt worden.

Zwei Missionare wurden nach Barbados gesandt, um das Missionarheim einzurichten, in dem das Zweigbüro untergebracht werden sollte. Es handelte sich um Benjamin und Beryl Mason. Bruder Mason hatte die 2. und die 39. Klasse der Gileadschule besucht. Er zeichnete sich durch besonderen Diensteifer aus. Bruder Mason, der leicht vornübergebeugt ging, erklärte mit seinem typischen Sinn für Humor gewöhnlich, seine nach vorn gebeugte Haltung sei auf das „Vorandrängen im Dienste des Herrn“ zurückzuführen.

Von Anfang an konzentrierte sich das Zweigbüro darauf, den Brüdern persönlich noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken und noch besser für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Dadurch, daß sich das Zweigbüro jetzt direkt auf der Insel befand, konnten die Versammlungen leichter mit Literatur beliefert werden. Man mußte die Literatur nun nicht mehr in Trinidad bestellen und war jetzt auch nicht mehr von dem unzuverlässigen Transportdienst zwischen den Inseln abhängig. Schon nach kurzer Zeit hatten sich die Brüder daran gewöhnt, daß sie zu der neuen „Zweigfamilie“ gehörten.

Die Gesellschaft hielt es nun für angebracht, auf Barbados zu bauen. Man erwarb in Bridgetown ein ausgezeichnetes Grundstück für das neue Zweigbüro, Missionarheim und den neuen Königreichssaal. Es lag genau dort, wo sich über 50 Jahre lang das Zentrum emsiger theokratischer Tätigkeit befunden hatte, nämlich Lucy Goodings Haus.

Das barbadische Zweigbüro hat in Bridgetown eine ideale Lage, denn es liegt nur einen Häuserblock von dem neuen Hauptpostgebäude entfernt und etwa zehn Minuten zu Fuß vom Hafen. Das hübsche, saubere Aussehen der Gebäude wird oft von Passanten bestaunt, die auch die gemeinsamen Anstrengungen der Zeugen bei den Bauarbeiten beobachtet haben. Alle Versammlungen hatten sich am Bau beteiligt, was an sich schon ein großartiges Zeugnis war.

Die harmonische Zusammenarbeit und die nette Gemeinschaft während der Bauarbeiten der neuen Zweiggebäude veranlaßte die Brüder, ernsthaft über den Bau dringend benötigter Königreichssäle nachzudenken. Sehr schnell stellten die Brüder auf der Insel fest, daß sie Geschick für Bauarbeiten besaßen. Somit wurden nach der Bestimmungsübergabe der Zweiggebäude innerhalb von 18 Monaten im Gebiet des Zweiges acht neue Königreichssäle errichtet. Der erste, der der Bestimmung übergeben werden konnte, war in Cave Hill (Barbados); andere folgten in Castries (St. Lucia) sowie in Grenville (Grenada), um nur einige zu nennen. Im gesamten Zweiggebiet gibt es jetzt 28 Königreichssäle, so daß es allen 33 Versammlungen möglich ist, sich in Gebäuden zu versammeln, die den Brüdern gehören.

Politische Veränderungen um uns herum

Von 1958 an fanden überall auf den Westindischen Inseln einschneidende politische Veränderungen statt. Zehn Westindische Inseln — angefangen von Jamaika im Nordwesten bis Trinidad im Süden — wurden zu einer politischen Föderation zusammengeschlossen. Dies endete jedoch mit einem Fiasko, und so löste man die Vereinigung im Mai 1962 wieder auf. Die Inseln strebten nun nicht mehr gemeinsam die Unabhängigkeit als eine Nation an, sondern es war jeder Insel selbst überlassen, um die Unabhängigkeit zu kämpfen. So kam es, daß Barbados am 30. November 1966 eine unabhängige Nation wurde. Bei Grenada, St. Lucia und St. Vincent war das erst später der Fall.

Diese politischen Entwicklungen beeinträchtigten allerdings nicht das gute Verhältnis unter den Brüdern auf den verschiedenen Inseln. Sowohl vor als auch nach der politischen Unabhängigkeit der Inseln haben sich die Brüder stets bemüht, in Übereinstimmung mit dem biblischen Grundsatz der Neutralität zu leben. Sie kennen sehr gut die Worte, die Christus über seine Nachfolger äußerte: „Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin“ (Joh. 17:16). Sie haben sich auch von den Worten des Apostels Paulus leiten lassen: „Wenn möglich, haltet, soweit es von euch abhängt, mit allen Menschen Frieden“ (Röm. 12:18). Da sich die Brüder nicht in die Politik einmischen, sondern völlig neutral bleiben, werden sie von der Inselregierung zwar nicht besonders gemocht, aber sehr respektiert. Manchmal mögen sich Politiker über die Brüder ärgern, weil diese keine sogenannten Bürgerpflichten übernehmen, vor allem bei Wahlen. Doch haben die Brüder in dieser Angelegenheit nie ernste Probleme gehabt.

Zuweilen hat man Kindern von Zeugen gedroht, sie von der Schule zu weisen, weil sie kein Treuegelöbnis oder keinen Fahneneid leisteten. Bei solchen Gelegenheiten war es besonders auf Barbados nützlich, die Schulbehörden auf einige Punkte in der Verfassung der Insel hinzuweisen. Wenn man die Schulbehörden an die darin garantierten Rechte erinnerte, hatten die Brüder meistens keine Schwierigkeiten mehr. Die Broschüre Jehovas Zeugen und die Schule hat sich als ausgezeichnetes Hilfsmittel erwiesen, um Schulbehörden und Lehrern unseren Standpunkt klarzumachen.

Gileadabsolventen geben ein ausgezeichnetes Beispiel

Auf all diesen Inseln hat man aus dem Beispiel reisender Aufseher und Missionare, die die Gileadschule besuchten, Nutzen gezogen. Jeder von ihnen hat einen bedeutsamen Beitrag zur Verbreitung der guten Botschaft und zur Stärkung der Versammlungen geleistet.

Im Jahre 1960 kamen John und Lynne Mills von Trinidad, um auf Barbados den Kreisdienst durchzuführen. Das taten sie viele Jahre lang erfolgreich, obwohl sie damals ein kleines Kind hatten.

Richard und Gay Toews trafen am 21. Februar 1967 als Missionare auf Barbados ein. Im selben Jahr wurde Bruder Toews eingesetzt, um die Leitung des Zweiges zu übernehmen, was er 13 Jahre lang gewissenhaft getan hat. Wie der Apostel Paulus Timotheus angewiesen hatte, andere zu schulen, so bemühten sich auch die Brüder im Zweig während dieser Zeit, einheimische Brüder zu unterweisen und auf größere Aufgaben vorzubereiten, so daß es nicht nur den ausländischen Missionaren überlassen blieb, Verantwortung zu übernehmen und sich um wichtige Angelegenheiten zu kümmern (2. Tim. 2:2).

Gay Toews, eine umgängliche und hart arbeitende Schwester, war eine ausgezeichnete Missionarin in all den Jahren, in denen sie auf Barbados lebte. Sie wurde mit den barbadischen Redewendungen recht gut vertraut und gebrauchte sie häufig im Haus-zu-Haus-Dienst, wenn auch ihr Barbadisch einen leicht kanadischen Akzent hatte. Sie war außergewöhnlich erfolgreich darin, Interessierte zur Organisation zu führen. Wegen Krankheit kehrten Bruder Toews und seine Frau Gay schließlich wieder nach Kanada zurück, wo sie jetzt im Bezirksdienst stehen.

Gegenwärtig hat der barbadische Zweig zehn Missionare und fünf Missionarheime. Vier der fünf reisenden Aufseher haben die Gileadschule besucht. Viele von denen, die heute Vollzeitdiener sind, sagen, daß unter anderem das ausgezeichnete Beispiel der Missionare sie dazu bewog, den Vollzeitdienst aufzunehmen.

Wegen der heute verbreiteten Unsittlichkeit ist die Mehrung nicht so groß, wie sie es mit der Unterstützung der Missionare eigentlich sein könnte. Auf einer Insel werden 78 Prozent aller einheimischen Kinder unehelich geboren. Zwar passen sich die Religionsorganisationen der Christenheit schnell der neuen Moral an, aber Jehovas Volk tut das nicht. In dem Bemühen, den aus promiskuitiven Verbindungen hervorgegangenen Kindern soziale Anerkennung zu verschaffen, hat eine Inselregierung in einer kürzlich verabschiedeten Reform des Familiengesetzes das Wort illegitim (als Bezeichnung für uneheliche Kinder) aus den Gesetzbüchern gestrichen. Daher müssen unsere Brüder mit großem Nachdruck auf die Einhaltung der hohen Sittenmaßstäbe Jehovas hinweisen.

Internationaler Kongreß in Bridgetown

Der Fortschritt, die Reife und das geistige Wachstum der barbadischen Brüder zeigte sich, als sie 1978 Gastgeber bei einem der internationalen Kongresse waren. Die Brüder freuten sich riesig über dieses Vorrecht, und der Kongreß war ein voller Erfolg. Nie zuvor waren so viele Delegierte aus dem Ausland bei einem Kongreß auf Barbados zugegen gewesen. Die Delegierten kamen aus 28 Ländern.

In Hotels und an anderen Orten wurde ein hervorragendes Zeugnis gegeben, während sich Hunderte von Delegierten unter die Bevölkerung von Barbados mischten. Die Folge war, daß 6 000 Personen dem öffentlichen Vortrag lauschten, den Karl Adams aus dem Brooklyner Bethel hielt. Jack Barr und seine Frau Mildred aus London (Großbritannien) waren ebenfalls anwesend, und Bruder Barr behandelte mehrere wichtige Programmpunkte. Er wartete damals gerade auf seine Einreisepapiere für die Vereinigten Staaten, wo er als Glied der leitenden Körperschaft dienen sollte.

Radiosendungen zum Zeugnisgeben genutzt

Wenn auf Barbados eine Streitfrage, ein Brauch oder ein Fest zum Gespräch wird, wird gewöhnlich dafür gesorgt, daß die unterschiedlichen Ansichten darüber im Rundfunk ausgestrahlt werden. Diese Möglichkeit ist von Gottes Volk gut genutzt worden, um unseren Standpunkt bezüglich verschiedener Streitfragen darzulegen, was dazu beigetragen hat, Vorurteile gegen unser Werk abzubauen. Bei einer Gelegenheit bat man die Brüder, einen Vertreter als Diskussionsteilnehmer zu schicken, der bei einem Programm mit telefonischer Zuhörerbeteiligung Fragen zum Thema Weihnachten beantworten sollte, weil man wußte, daß Jehovas Zeugen diese Feier nicht begehen.

Zu den Diskussionsteilnehmern gehörte auch der Bischof der anglikanischen Kirche. Vor Programmbeginn sprach der Bruder, der die Zeugen vertrat, den Bischof an und fragte ihn, wie er angeredet werden wolle. Der Bischof erklärte, man könne ihn als Vater, Bischof oder Reverend ansprechen. Unser Bruder machte ihn freundlich darauf aufmerksam, daß er keinen dieser Titel gebrauchen könne, weil die Bibel das verurteile. Der Geistliche war sichtlich erbost, ging zum Moderator und meinte, er würde nicht zusammen mit dem Zeugen an der Sendung teilnehmen — entweder müsse er oder der Zeuge gehen. Da der Bruder, der die Zeugen vertrat, der einzige Diskussionsteilnehmer war, der das Weihnachtsfest ablehnte, mußte er dableiben. Also verließ der Geistliche sehr verärgert und gedemütigt das Studio.

Als die Blutfrage und die Homosexualität zum Gespräch wurden, bat man die Zeugen bei verschiedenen Gelegenheiten erneut, Vertreter als Diskussionsteilnehmer zu schicken, um den Standpunkt der Bibel darzulegen.

Ablenkungen meiden

Man kann ohne weiteres sagen, daß die theokratische Organisation hier in den vergangenen 84 Jahren große Fortschritte gemacht hat. Gottes Volk hat auf diesen Inseln zwar keine offene Verfolgung erlebt, aber unser arglistiger Widersacher, Satan, der Teufel, hat andere Mittel angewandt. Er hat sich versteckter Fallen bedient — der Unsittlichkeit, der Kritik und übermäßiger Entspannung.

Zum Beispiel ist Kricket die beliebteste Sportart der Insel. Es wird so leidenschaftlich betrieben, daß ein Autor einmal bemerkte: „Kricket ist eher eine Religion als ein Sport.“ Sportbegeisterte verfolgen das Spiel im Radio, im Fernsehen oder direkt am „heiligen“ Kricketspielfeld in Kensington Oval auf Barbados. Aber da die meisten Brüder wissen, wie zeitraubend Kricket ist, bemühen sie sich, in bezug auf diese und andere Formen der Entspannung, die jemandes Geistiggesinntsein beeinträchtigen können, ausgeglichen zu sein.

Die Zahl der Hilfspioniere im April beweist, daß sich unsere Brüder wirklich anstrengen, die Königreichsinteressen an die erste Stelle zu setzen. Im April 1988 berichtete der barbadische Zweig eine Höchstzahl von 1 009 Hilfspionieren. Das heißt, daß es auf den sechs Inseln, die der Aufsicht des Zweiges unterstehen, in jeder Versammlung durchschnittlich 32 Hilfspioniere gab. Insgesamt beteiligten sich in jenem Monat 46 Prozent der Brüder an irgendeiner Art des Vollzeitdienstes. Zweifellos trug diese eifrige Tätigkeit dazu bei, daß der Zweig im April dieses Jahres eine neue Höchstzahl von 2 571 Verkündigern erreichte.

Jehovas Lobpreis auf den Inseln verkünden

Die Geschichte der Zeugen Jehovas gehört heute zur Geschichte von Barbados. Dieser „Wächter“ am Tor zur Karibik hat die gute Botschaft von Gottes Königreich in den letzten acht Jahrzehnten erschallen lassen. Und zufolge dieses Schalls ist die Insel in der Tat ein geistiges Tor geworden, durch das viele Tausende eingetreten sind, um sich an „Zeiten der Erquickung“ zu erfreuen und in ein gutes Verhältnis zu Jehova Gott und zu seinem Sohn, Christus Jesus, zu gelangen (Apg. 3:19).

Vor langer Zeit schrieb der Prophet Jesaja: „Singt Jehova ein neues Lied, seinen Lobpreis vom äußersten Ende der Erde her ... Mögen sie Jehova Herrlichkeit zuschreiben, und auf den Inseln mögen sie auch seinen Lobpreis künden“ (Jes. 42:10, 12). Alle 2 571 Königreichsverkündiger dieses Zweiges beten gemeinsam darum, daß der Segen Jehovas weiterhin auf ihren Bemühungen, seinen Lobpreis zu verkünden, ruhen möge.

[Kasten/Karte auf Seite 150]

Grunddaten: Zweig Barbados

Hauptstadt von Barbados: Bridgetown

Amtssprache: Englisch

Hauptreligion: anglikanisch

Bevölkerung: 629 184

Verkündiger: 2 571

Pioniere: 299

Versammlungen: 33

Gedächtnismahl: 8 065

Zweigbüro: Bridgetown

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

ATLANTISCHER OZEAN

BARBADOS

Bathsheba

Holetown

Bridgetown

ST. LUCIA

Castries

Micoud

ST. VINCENT

Kingstown

BEQUIA

Port Elizabeth

GRENADINEN

CARRIACOU

GRENADA

Grenville

St. George’s

KARIBIK

[Ganzseitiges Bild auf Seite 148]

[Bild auf Seite 153]

Lina, „Mammy“ Gaul genannt (links), und Waldemar Rice gehörten zu den ersten Zeugen auf Barbados

[Bild auf Seite 155]

Lucy Gooding, deren Haus als Missionarheim diente

[Bild auf Seite 156]

Winifred Heath, die ihr Leben änderte und so weit Fortschritte machte, daß sie sich 1940 taufen lassen konnte

[Bild auf Seite 158]

Chriselda James aus Grenada erzog neun Kinder in der Wahrheit

[Bild auf Seite 159]

E. J. Coward aus der Zentrale in Brooklyn diente auf den ostkaribischen Inseln

[Bild auf Seite 161]

Philippa La Borde, „Mutter Lab“ genannt und seit 1918 eine Zeugin, diente 50 Jahre lang auf St. Vincent

[Bild auf Seite 165]

Cuthbert Blackman benutzte im Pionierdienst einen Pferdekarren

[Bilder auf Seite 170]

Frank Gall (links), einer der ersten barbadischen Gileadabsolventen, und Dudley Mayers, der mithalf, einige der ersten Versammlungen auf Barbados zu gründen

[Bild auf Seite 173]

Richard Ryde (links) und Sven Johansson wurden 1949 als Missionare nach Grenada gesandt

[Bild auf Seite 175]

Lloyd Stull, einer der ersten Missionare, die nach St. Lucia gesandt wurden

[Bild auf Seite 180]

„Sibia“, ein 20 m langer Schoner, der im Missionarwerk eingesetzt wurde

[Bild auf Seite 183]

„Light“, ein Schiff mit Doppelschrauben, das die „Sibia“ ersetzte

[Bild auf Seite 184]

Die Glieder des Zweigkomitees: A. V. Walker (links), O. L. Trotman und Sven Johansson

[Bild auf Seite 188]

Benjamin und Beryl Mason halfen mit, das Missionarheim einzurichten

[Bild auf Seite 191]

Richard und Gay Toews, Missionare, die 1967 eine Zuteilung nach Barbados erhielten und heute in Kanada dienen

[Bild auf Seite 192]

Die Zweiggebäude und der Königreichssaal in Bridgetown (Barbados)

[Bild auf Seite 193]

Der internationale Kongreß „Siegreicher Glaube“ 1978 im National-Stadion auf Barbados

[Bild auf Seite 194]

Die dem Atlantik zugewandte Seite von Barbados bei Bathsheba