Finnland
Finnland
Finnland mit seinen silbrigen Seen und grünen Wäldern hat einen der höchsten Lebensstandards der Welt. Jedoch haben Tausende seiner warmherzigen Einwohner nach etwas gesucht, was ihnen größere Zufriedenheit gibt, und sie haben es gefunden, sogar angesichts des Todes durch ein Exekutionskommando.
DIE Kriegsflotte des Königs von Schweden nähert sich ostwärts gleitend ihrem Ziel. Als die Seeleute eine atemberaubende Inselgruppe passieren, liegt vor ihnen ein Land mit endlosen Wäldern, unzähligen kristallklaren Seen und einer Küste, gesäumt von Tausenden von Inseln — Finnland. Im 12. Jahrhundert ist das Land noch immer heidnisch. Die Kreuzfahrer an Bord der Flotte beabsichtigen, dies zu ändern. Der Papst in Rom ist bemüht, den Einflußbereich seiner Kirche zu vergrößern, und hat daher den schwedischen König bedrängt, in Finnland einzufallen und die Einwohner dieses Gebietes, das weit über den nördlichen Polarkreis hinausreicht, mit allen Mitteln zum katholischen Glauben zu bekehren. Die Macht des Papstes ist von der
griechisch-orthodoxen Kirche bedroht, die sich mit der Hilfe Rußlands in dem Land der Mitternachtssonne Einfluß verschaffen konnte.Die Kreuzritter lassen wie üblich der Bevölkerung keine große Wahl. Entweder man läßt sich katholisch taufen, oder man wird enthauptet. Finnland wurde nach mehreren Kreuzzügen römisch-katholisch mit Ausnahme von einigen östlichen Landesteilen, die der orthodoxen Kirche verblieben. Bis zum 16. Jahrhundert, als König Gustav I. (Wasa) von Schweden den evangelisch-lutherischen Glauben zur Staatsreligion erklärte, blieb der Katholizismus vorherrschend. Im Jahre 1809 wurde Finnland ein großes, unabhängiges Herzogtum unter der Herrschaft des russischen Zaren. Etwa hundert Jahre später drang das strahlende Licht der biblischen Wahrheit bis in dieses Land der schönen Seen und dichten Wälder vor.
Finnland gehört zu den nördlichsten der bewohnten Länder. Die Sowjetunion grenzt im Osten und Südosten an. Westlich liegt Schweden und nördlich Norwegen.
Finnland liegt zwar so weit nördlich wie Alaska, aber es hat durch den mäßigenden Einfluß des Golfstroms von Südwesten recht angenehme, wenn auch kurze Sommer. Viele Monate im Jahr ist das Land von Schnee bedeckt, und die Seen sind zugefroren. Im Sommer ist es um 20 Grad warm und beinahe 24 Stunden taghell. Bis auf –40 Grad können die Temperaturen im Winter absinken, und einige Monate ist die Sonne kaum zu sehen. Nur unter Einsatz von Eisbrechern ist der Seeverkehr das ganze Jahr über möglich. Da der größte Teil des Landes bewaldet ist, verfügt eine florierende Papierindustrie über ausreichend Rohmaterial an Kiefern, Fichten und Birken. Das Land ist ziemlich flach; selbst die Berge in Lappland erreichen nur eine Höhe von 1 300 Metern.
Der überwiegende Teil der fünf Millionen Einwohner Finnlands spricht Finnisch. In der Küstenregion sprechen viele auch Schwedisch. Die Sprache der wenigen im Norden
lebenden Lappen heißt Lappisch und ist dem Finnischen verwandt. Übrigens gehören die Finnen zu den Völkern der Welt mit den wenigsten Analphabeten.Die gute Botschaft erreicht Finnland
Der erste Bericht über das Predigen der biblischen Wahrheit stammt aus dem Jahre 1906, als die Frau von August Lundborg, der das Werk der Bibelforscher in Schweden leitete, Finnland besuchte. Bruder Lundborg sagte darüber: „So Gott will, wird sie bald wieder nach Finnland gehen und das Werk dort fortsetzen.“
Ebba Lundborg und andere Kolporteure (Vollzeitprediger) aus Schweden verbreiteten schwedische Literatur in den Küstengebieten im Südwesten Finnlands, wo man damals überwiegend Schwedisch sprach. So gelangten auch Bücher, die Charles T. Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society, geschrieben hatte, in die Hände von Emil Östermans Mutter.
Geschäftsmann erkennt den Sinn des Lebens
Emil Österman, ein bärtiger, tatkräftiger, 41 Jahre alter Geschäftsmann aus Turku, suchte nach dem Sinn des Lebens und plante deshalb eine Weltreise. Als er die Bücher las, die seine Mutter ihm gegeben hatte, sah er die Dinge mit anderen Augen. Gegen Ende des Jahres 1909 erreichte er das erste Etappenziel seiner Reise — Schweden. Dort erwarb er von August Lundborg weitere biblische Literatur. Doch er brach seine
Weltreise erst ab, nachdem er nach London gesegelt war. Schließlich las er die Literatur, die er in Schweden erhalten hatte. Sofort wurde ihm klar, daß er das gefunden hatte, wonach er suchte. Sein Traum, die Welt zu bereisen, war plötzlich verflogen, und er fuhr nach Hause. Noch vor Jahreswechsel reiste er erneut nach Schweden und wurde dort getauft. Später veranlaßte er, daß August Lundborg nach Finnland kam und dort predigte.Im Bericht des schwedischen Zweigbüros wird von Emil als einem lieben Bruder gesprochen. Es heißt dort: „Etwa zehn Kolporteure waren dieses Jahr tätig ... Sechs oder sieben Neue haben ebenfalls die Arbeit aufgenommen — einer davon ist ein lieber Bruder in Finnland, zweifellos ein auserwähltes Werkzeug in der Hand des Herrn, um seinem Volk in diesem Land zu dienen. ... Ein anderer Bruder in Finnland ist dabei, seinen Bauernhof zu verkaufen und ebenfalls als Kolporteur zu reisen.“
Wer ist der andere Bruder?
Der Bruder, der seinen Hof verkaufen wollte, war der im Jahre 1882 geborene Kaarlo Harteva. Seine Mutter, Tochter eines lutherischen Pfarrers, hatte ihn streng religiös erzogen. Kaarlo arbeitete konzentriert, war aufrichtig und sprachbegabt. Nachdem er sein Ingenieurstudium abgeschlossen hatte, schloß er sich, weil Religion ihn nach wie vor interessierte, dem dortigen Christlichen Verein Junger Männer an. Er wurde der Schriftführer der Vereinigung, und man übertrug ihm die Leitung ihres Hospitz-Hotels in Helsinki.
Als Emil Österman im Sommer 1909 geschäftlich in Helsinki war, traf er dort Kaarlo Harteva und gab ihm ein Exemplar des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter in Schwedisch. Eifrig las Kaarlo Harteva das Buch und kam zu dem Schluß, daß auch er „die gute Botschaft vom Königreich“ predigen müsse (Mat. 24:14). Im April 1910 reiste er zusammen mit Emil Österman zum Kongreß nach Örebro in Schweden und ließ sich dort taufen. Da es für den Kongreß nicht genügend Redner gab, stellten sich die beiden neuen Brüder sofort der Organisation Gottes zur Verfügung und hielten Ansprachen.
Mach mit, dann sind wir zu dritt!
Etwa um diese Zeit traf Bruder Harteva während einer Fahrt mit dem Zug seinen früheren Schulfreund Lauri Kristian Relander und machte ihn begeistert mit der neugefundenen Wahrheit bekannt. „Und wie viele von euch gibt es in Finnland?“ fragte ihn sein Freund. „Im Augenblick sind wir zu zweit, ein gewisser Österman und ich“, erwiderte Bruder Harteva, „aber wenn du mitmachst, sind wir zu dritt.“ Relander schloß sich ihnen nicht an. Er ging in die Politik und wurde später finnischer Staatspräsident — von 1925 bis 1931.
Ein riesiges Predigtgebiet lag vor den Brüdern Harteva und Österman: drei Millionen Menschen, die verstreut in einem dünnbesiedelten Land lebten. Die Brüder betrachteten es als vorrangig, die Literatur der Gesellschaft in ihre Sprache zu übersetzen. Als Bruder Harteva das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter sowie verschiedene Traktate vom Schwedischen ins Finnische übertrug, leistete er gewissenhafte Arbeit. Bruder Österman finanzierte das Drucken der Publikationen im Herbst 1910. Wie sehr sich die beiden Brüder doch freuten, jetzt wirkungsvollere Hilfsmittel für das Königreichswerk zu besitzen! Im Vertrauen auf die Hilfe des Geistes Jehovas
nahmen die Männer mit ihrer neuen finnischen Literatur den Dienst auf.„Eine Fahrkarte zur Hölle“
In seinem Schuhgeschäft in Turku hatte Bruder Österman stets Literatur vorrätig. Zudem stellte er Bücher im Schaufenster aus. Von dem Bücherstand aus, den er auf einem Marktplatz unterhielt, rief er Werbesprüche aus, und es gelang ihm, augenblicklich die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken.
Die Broschüre Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle? bot Bruder Österman für zwei Finnmark an und rief zum Beispiel laut: „Eine Fahrkarte zur Hölle — für eine Mark hin und für eine Mark wieder zurück!“
Öffentliche Vorträge ziehen Volksmengen an
Als nächstes entschieden sich die beiden treuen Freunde, auf Vortragsreise zu gehen. So reisten sie nach Tampere, dem Industriezentrum Finnlands, und mieteten den schönsten Saal. Für den Vortrag mit dem Thema „Die große Belohnung“ bestellten sie Handzettel und ließen den Vortrag in der Tageszeitung ankündigen. Bruder Harteva hielt den Vortrag und Bruder Österman war sein Gehilfe. In einem seiner Briefe schrieb Bruder Österman über die Ergebnisse:
„Eine finnische Schwester weihte sich völlig und symbolisierte dies im Pyhäjärvisee. Jetzt verkündigt sie die gute Botschaft als Kolporteurin in Wyborg. Einen Bibelkurs konnten wir mit fünf oder sechs interessierten Personen in Tampere einrichten und überließen die Sache danach der Obhut Gottes. Jetzt sind wir in Turku und haben bereits unsere erste öffentliche Zusammenkunft in Finnisch in dem Auditorium des Feuerwehrgebäudes abhalten können, das 1 800 Sitzplätze hat. Wie an den anderen Orten, so standen draußen auch hier noch einmal genauso viele Leute.“
Ermutigt durch diese guten Ergebnisse, reisten die beiden Kolporteure in die Hauptstadt Helsinki und trafen Vorbereitungen Hesekiel 18:4 vor, schlug mit der Faust auf das Rednerpult und rief: „Die Seele stirbt doch!“ Die Fronten zwischen den religiösen Führern Finnlands und den Verteidigern der biblischen Wahrheit wurden immer klarer. Inzwischen war der Same der Wahrheit in den drei größten Städten des Landes, einschließlich der Hauptstadt, ausgesät worden.
für einen öffentlichen Vortrag, der am 22. November 1910 in dem Saal des Bürgerhauses (heute Arbeiterhaus) gehalten werden sollte. Neugierig kamen viele Geistliche und Angehörige der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, um Bruder Harteva, der in religiösen Kreisen Helsinkis gut bekannt war, sprechen zu hören. In dem Vortrag forderte Bruder Harteva die Zuhörer heraus, indem er sagte, daß derjenige, der eine Schriftstelle kenne, die besage, daß die Seele unsterblich sei, sie allen zeigen solle. Alle Augen starrten auf die Geistlichen in den ersten Reihen des Saals. Es herrschte erwartungsvolles Schweigen. Dann las Bruder HartevaBüro in Helsinki eröffnet
Als Bruder Russell Ende März 1911 Stockholm besuchte, kamen auch einige Finnen dorthin. Sie besuchten ebenfalls den Kongreß in Örebro, wo Kaarlo Harteva begeistert die Taufe seiner Mutter sowie seiner Tante miterlebte. Unter anderem wurde auch Johannes Hollmerus getauft, ein junger Mann, der später ein geschätzter Mitarbeiter in der Theokratie wurde.
Wieder in Helsinki, richtete Bruder Harteva ein Büro ein, in dem theokratische Angelegenheiten geregelt werden konnten. Er schrieb: „Es gelang mir, fünf Zimmer in der Mikonkatu 27 zu mieten. Ich besorgte einige Bretter und Sägeböcke, die als Sitzgelegenheit dienen sollten. Aus der ländlichen Gegend bei Mäntyharju schickte man mir Feldbetten und Bettzeug. Im großen Zimmer standen ein Schreibtisch, einige Stühle und Bänke sowie eine Schreibmaschine. In einem Raum wurden drei Feldbetten aufgestellt und in einem anderen Zimmer ein weiteres. Zwei Räume blieben leer.“ Im Juni 1911 konnte das Büro seine Arbeit aufnehmen.
Im Herzen Helsinkis, nahe beim Büro, lag der Kaisaniemipark. Den Sommer über hielt Bruder Harteva dort auf einem kleinen Hügel jeden Sonntag öffentliche Vorträge. Mit leuchtenden Augen pflegte er diese Vorträge „Bergpredigten“ zu nennen. Jeweils am Ende seines Vortrags lud er interessierte Personen zu weiteren Gesprächen über biblische Themen in das nahe gelegene Büro ein. Einige Interessierte kamen jede Woche, und es entstand eine kleine Gruppe von Bibelforschern in Helsinki.
Erste Traktate und erster Kongreß
Von Anfang an war sich Bruder Harteva des Wertes des gedruckten Wortes bewußt. Saarnoja kansalle (Die Volkskanzel) war der Name des ersten Traktats, das herausgegeben wurde. Im Jahr darauf wurde der Name in Puheita kansalle (Vorträge an das Volk) abgeändert. Diese Traktate enthielten Artikel des englischen Wachtturms sowie ins Finnische übersetzte Abschriften der von Bruder Russell gehaltenen Vorträge. Darüber hinaus wurden in den Traktaten Zusammenkünfte angekündigt und Publikationen angeboten.
Im Januar 1912 berichtete Puheita kansalle: „Als Der göttliche Plan der Zeitalter in Finnisch veröffentlicht wurde, trugen Kolporteure, Zeitungsartikel und Buchhändler dazu bei, daß das Buch in einem gewaltigen Umfang verbreitet wurde. Doch schon bald nach Weihnachten des Jahres 1910 trat ein großer Wechsel ein. Der anfänglichen Begeisterung folgte ein so heftiger Widerstand, daß das Werk fast lahmgelegt wurde. Glücklicherweise hielt diese Situation nicht länger als sechs Monate an. Als es schließlich so aussah, als ob keine Unterstützung mehr von Presse und Buchhändlern zu erwarten sei, begann Gott mehr Arbeiter für die Mitarbeit im Erntewerk einzuladen.“ Es wurde ferner erwähnt, daß sich in Helsinki etwa 30 Finnisch sprechende und 10 Schwedisch sprechende Brüder wöchentlich zwei- oder dreimal trafen, um die Bibel zu studieren.
Der erste Kongreß wurde vom 29. März bis zum 1. April 1912 in einem Vortragssaal in Helsinki abgehalten. Etwa 60 Personen kamen. Einige der Anwesenden waren aus Turku, Tampere, Pori, Vaasa, Iisalmi, Kuopio und Parikkala angereist — ein Anzeichen dafür, daß die Wahrheit bereits entlegene Gegenden im südlichen Finnland erreicht hatte.
Bruder Russell besucht Finnland
Als Kaarlo Harteva erfuhr, daß Bruder Russell eine
Weltreise plante, bat er ihn, doch auch nach Finnland zu kommen. Bruder Russell nahm die Einladung an und unterrichtete Bruder Harteva, daß er Ende August 1912 eintreffen würde.Der Besuch von Bruder Russell war für diese kleine Gruppe von Brüdern ein aufregendes Ereignis. Gewaltige Vorbereitungen waren mit der Ankündigung des öffentlichen Vortrags verbunden, der im schönsten Versammlungssaal Helsinkis, im Auditorium des Feuerwehrhauses, gehalten wurde. Elis Salminen, der damals ein zehnjähriger Junge war und Jehova treu bis zu seinem Tod im Jahre 1981 diente, erinnerte sich, daß der Vortrag mit Bildern von Bruder Russell angekündigt wurde, die über ein Stockwerk hoch waren. „Danach sprachen meine Schulkameraden von einer amerikanischen Werbereligion“, erzählte Bruder Salminen.
Bruder Russell selbst faßte seinen Besuch in der Wachtturm-Ausgabe vom 1. Oktober 1912 wie folgt zusammen: „Zwei finnische Brüder waren in den vergangenen zwei Jahren besonders eifrig bemüht, die Wahrheit allen, die danach hungern, zukommen zu lassen. Sie haben drei Bände der Schriftstudien und das Jedermanns Blatt übersetzt und auf eigene Kosten in Umlauf gebracht. Etwa fünfzehn Kolporteure sind nunmehr damit beschäftigt, die Wahrheit bis in den entferntesten Teil des Landes zu tragen. Bei der öffentlichen Zusammenkunft war der Saal mit etwa 1 000 Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele mußten stehen, und einige waren den Tränen nahe, weil sie nicht mehr eingelassen wurden. ... Daraus können wir schließen, daß Gott in Finnland einige wahre Kinder hat, denen seine Erntebotschaft gilt.“
Bruder Russell beauftragte während seines Besuches Bruder Harteva mit der Veröffentlichung des Wachtturms in Finnisch, beginnend mit der Novemberausgabe 1912. Es wurde empfohlen, diese neue Zeitschrift Verwandten und Bekannten zu Weihnachten zu schenken.
Die Botschaft breitet sich aus
Die Brüder Österman und Harteva standen vor dem Problem, die Bevölkerung in dem riesigen, dünnbesiedelten Gebiet, das über 1 000 Kilometer lang und 500 Kilometer breit war, zu erreichen. Wie könnten sie wirkungsvoll Zeugnis geben? In der Hoffnung auf eine Lösung ließ Bruder Österman auf eigene Kosten in verschiedenen Zeitungen Anzeigen für die Literatur der Gesellschaft setzen. Bruder Harteva hingegen beschloß, öffentliche Vorträge zu halten, und war damit sehr erfolgreich. Doch wie sollte er seine Vorträge planen? Lassen wir ihn selbst erzählen:
„Nachdem ich mich für eine Stadt entschieden hatte, schrieb ich an den Herausgeber der meistgelesenen Lokalzeitung, um herauszufinden, wo ich einen geeigneten Vortragssaal finden konnte und wer ihn vermietete. War das geklärt, beantragte ich die Benutzung des Saales. Nach der Zusage bereitete ich die Annoncen für die Ankündigung des Vortrags vor, sandte sie an die Zeitung und bat darum, gleichlautende Handzettel zu drucken. Durch die Handzettel, die in die Zeitung gelegt werden sollten, würden die Leute von dem Vortrag erfahren. Dann machte ich mich mit einigen Büchern im Gepäck auf die Reise. Die Zusammenkunftsstätten waren gewöhnlich bis auf den letzten Platz gefüllt. ... Als ich einmal hineinzukommen versuchte, sagte man mir, es sei vergeblich. Erst als ich erklärte, daß ich den Vortrag halten würde, konnte ich mir den Weg durch die Menge bahnen. Ein anderes Mal strömten so viele in den Saal, daß der Vortrag an dem Abend gleich dreimal gehalten werden mußte. Die Zuhörer warteten jeweils geduldig, bis sie eingelassen werden konnten.“
Solche Erfolge vermitteln einen Eindruck von dem Hunger nach Wahrheit, der damals in Finnland herrschte. 235 Personen waren 1913 in ganz Finnland beim Gedächtnismahl anwesend.
Bruder Rutherfords Besuch
Der Sommer 1913 war von reger Tätigkeit angefüllt. Joseph F. Rutherford, der später der zweite Präsident der Gesellschaft
wurde, und A. N. Pierson, beide Mitarbeiter im Hauptbüro, besuchten Finnland. Bruder Rutherford sprach über das Thema: „Wo sind die Toten? — Vom Standpunkt eines Rechtsanwalts.“ Einige dachten, Rutherford würde von sich selbst sprechen, weil er Richter war. In Wirklichkeit meinte er jedoch den Apostel Paulus. Der öffentliche Vortrag war ein Erfolg. Es waren über 2 500 Personen anwesend, und 33 wurden getauft.Ein weiterer Vortrag wurde im Kaisaniemipark gehalten, den Bruder Harteva bereits früher genutzt hatte. Bruder Rutherford berichtete, daß es sein erster Vortrag im Freien war und für ihn eine interessante Erfahrung.
Melodie der Wahrheit gefunden
Das lang herbeigesehnte Jahr 1914 brach an. Spannung lag in der Luft, denn seit fünf Jahren war die Aufmerksamkeit auf dieses Jahr gelenkt worden. Das Zeugnis wurde damals
merklich verstärkt, da sechs Tageszeitungen Bruder Russells Predigten regelmäßig veröffentlichten.Im Laufe des Jahres 1914 wurde ein Kongreß abgehalten, und die Brüder fragten sich, ob das vielleicht der letzte Kongreß sei. Begeistert erlebten sie, wie 39 getauft wurden, unter anderem auch Eero Nironen, ein junger Musikstudent. Dieser begabte Pianist, Dichter und Sprachwissenschaftler nahm zwei Jahre später im Zweigbüro die Tätigkeit als Übersetzer auf und diente dort treu bis zu seinem Tod am 7. Mai 1982.
Das Photo-Drama der Schöpfung
Kaarlo Harteva reiste Anfang 1914 zum Kongreß nach London, wo Bruder Russell der Hauptredner war. Bruder Harteva konnte es kaum erwarten, endlich Informationen über das Photo-Drama der Schöpfung zu erhalten, das die Gesellschaft aus Lichtbildern und Filmen, synchronisiert mit Schallplatten, zusammengestellt hatte. Eine Ausführung wurde für Finnland bestellt. Eilig fuhr Bruder Harteva nach Berlin, um das Photo-Drama in Finnisch auf Schallplatten produzieren zu lassen.
Voller Spannung warteten die Brüder auf das Photo-Drama. Schließlich traf es, bevor der Schiffsverkehr durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Erliegen kam, mit dem letzten Handelsschiff aus Deutschland ein. Die erste Vorführung am 9. August 1914 im Apollotheater in Helsinki ließ die Herzen der kleinen Gruppe von Brüdern höher schlagen. Bevor das Jahr zu Ende ging, hatten in Finnland etwa 80 500 Zuschauer das Photo-Drama gesehen. Welch eine gewaltige Förderung der biblischen Wahrheit!
Die Zeitschrift Ararat
Nach 1914 entstanden wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Aussicht, unverzüglich himmlische Herrlichkeit zu erhalten, verblaßte immer mehr, und die Unwissenheit darüber, wie man auf dem Weg der Wahrheit weitermachen sollte, dämpfte
die Begeisterung der Brüder. Daher fragte Bruder Harteva bei Bruder Russell an, was die Aufgabe der Versammlung nach der Ernte sei. Er wurde angewiesen, zu warten und aufmerksam auf die göttliche Leitung zu achten.Um diese Zeit gründeten Kaarlo Harteva und einige andere Brüder eine Vereinigung mit dem Namen Ararat und bemühten sich, die Grundsätze der Tausendjahrherrschaft jetzt im Geschäftsleben anzuwenden. Nun brauchten sie keine weltliche Tätigkeit mehr in anderen Firmen auszuüben. Da Bruder Harteva annahm, daß der Wachtturm aufgrund der wirtschaftlichen Probleme bald nicht mehr veröffentlicht werden könnte und dann die Zeitschrift Ararat an dessen Stelle treten würde, ermunterte man die Leser der finnischen Ausgabe des Wachtturms, sich der Araratvereinigung anzuschließen.
Gleichzeitig hatte Bruder Harteva Verbindung mit Bruder Lindkvist in Norwegen. Dort waren ähnliche Projekte angelaufen. Die Brüder waren zwar aufrichtig, aber schon sehr bald wurde offensichtlich, daß die Herausgabe der Zeitschrift Ararat nicht unter Gottes Leitung stand.
Da Bruder Harteva sich nun für die Araratvereinigung einsetzte, wurde Martti Liesi der Vertreter der Gesellschaft in Finnland. Dank der Spenden vieler Brüder konnte Der Wachtturm weiterhin veröffentlicht werden.
Bruder Russell erteilt eine Zurechtweisung
In der Aprilausgabe des finnischen Wachtturms wurde ein zweiseitiger pastoraler Brief veröffentlicht, in dem es hieß:
„BRUDER RUSSELLS BRIEF AN DIE GESCHWISTER IN SKANDINAVIEN. An die Brüder Lindkvist und Harteva. Soeben habe ich von der Abtrünnigkeit der beiden geliebten Brüder und ihren Verbindungen zu einer neuen Bewegung, ,Ararat‘ genannt, erfahren. ... Ich bin sehr betrübt, wenn ich sehe — so empfinde ich es zumindest —, daß sie dem gesamten Evangeliumswerk den Rücken kehren. Doch wie ich festgestellt habe, liegt hier keine Absicht vor. Vielmehr glaube ich, daß,
wie schon so oft im Zeitalter des Evangeliums, auch hier gute Männer, ohne es zu bemerken, von dem großen Widersacher betrogen und von dem wichtigen Werk des Evangelisierens abgelenkt worden sind.“Dann bat er die Brüder: „Geliebte Brüder, wir glauben, daß diese Überlegungen biblisch sind, und wir legen sie Euch vor, um klarzustellen, daß Eure momentanen Vorstellungen und Pläne völlig falsch und unbiblisch sind. Da Eure ‚Araratvereinigung‘ beansprucht, ein Wiederherstellungswerk durchzuführen, hat sie nicht das geringste mit der kleinen Herde oder dem Einsammeln dieser Herde im Evangeliumszeitalter zu tun. Ihr werdet erkennen müssen, daß die Zeit für ein Wiederherstellungswerk noch nicht gekommen ist. ... Wir ermuntern Euch alle, geliebte Brüder im Glauben, zur Wahrheit und dem Werk, das mit diesem Zeitabschnitt verbunden ist, zurückzukehren.“
Nachdem Kaarlo Harteva den Brief von Bruder Russell erhalten hatte, versuchte er zuerst, sich in seiner Zeitschrift zu verteidigen, und erklärte, er habe das Evangeliumswerk unterstützen wollen. In den darauffolgenden Worten zeigte sich jedoch seine Demut: „Möglicherweise habe ich denen, die unser Herr liebt, in meinem Eifer und meiner Unvollkommenheit Leiden verursacht. Falls ich die Sache noch in Ordnung bringen kann, werde ich mein möglichstes tun. Ich glaube, diese Schwierigkeiten haben sich gut auf mich ausgewirkt.“ Die Araratvereinigung wurde bald aufgelöst, und Bruder Harteva begann wieder damit, die Herausgabe des Wachtturms zu unterstützen und öffentliche Vorträge zu halten.
Revolution und Bürgerkrieg
Als der russische Zar 1917 durch eine Revolution gestürzt wurde, gehörte Finnland zu Rußland. Finnland nutzte die Gunst der Stunde und erklärte am 6. Dezember 1917 seine Unabhängigkeit. Im Winter 1918 brach dann zwischen den „Roten“ und den „Weißen“, den Linksgerichteten und den Rechtsgerichteten, ein blutiger Bürgerkrieg aus.
Zu dieser Zeit erledigte Eero Nironen Übersetzungsarbeiten im Zweigbüro, und er erzählte: „Die Lage in Finnland wurde kritisch. Das vollendete Geheimnis mußte in Eile übersetzt werden, und so schickte man mich an einen etwas ruhigeren Ort, meinem Zuhause in Mäntyharju. Kurz nach meiner Ankunft wurde eine nahe gelegene Eisenbahnbrücke in die Luft gesprengt. ... Die ‚Weißen‘ bereiteten die Mobilmachung vor. Ich wurde aber wegen meiner Kurzsichtigkeit vom Militärdienst befreit und konnte öffentliche Vorträge halten und meine Übersetzungsarbeit fortsetzen. ... Als die Verbindung zum Süden abriß, fragte ich mich, ob alle meine Brüder bereits in die himmlische Herrlichkeit eingegangen seien und nur ich noch übrig sei.“
Schon bald mußte Bruder Nironen erneut in der Frage des Militärdienstes Stellung beziehen. Er berichtete: „Alle wurden zum Kriegsdienst einberufen, und die Anforderungen waren nicht mehr so hoch wie zuvor. Mein mangelndes Sehvermögen nutzte mir somit nicht viel. Am 25. September 1918 sandte man mich zur Marine in die Kasernen am Katajanokka-Hafen in Helsinki. In Übereinstimmung mit dem, was ich aus der Bibel und dem sechsten Band der Schriftstudien gelernt hatte, plante ich meine Vorgehensweise. Da ich an meiner Überzeugung festhielt, war es wirklich wie ein Jahr ‚Krieg‘. Doch ich erhielt vom Bataillonskommandeur die Erlaubnis, an vier Sonntagen den Soldaten Vorträge zu halten.“ Nach einiger Zeit wurde Bruder Nironen entlassen, und er konnte seine Übersetzungsarbeit wieder aufnehmen.
Neue Hoffnung
Anfang 1919 waren die Brüder im Hinblick auf geistige Interessen sehr zuversichtlich. Einige von ihnen hatten vor, den Kolporteurdienst aufzunehmen. Zu ihnen gehörte Mikael Aura, ein reicher Landwirt, der schon früher das Zweigbüro in finanzieller Hinsicht großzügig unterstützt hatte. „Wenn der Herr mich für würdig erachtet, in seinem Werk mitzuarbeiten, bin ich bereit zu tun, was ich kann“, sagte Bruder Aura. „Ich bin kräftig und kann viele Bücher tragen.“ Treu diente er viele Jahre im Zweigbüro.
Dankbar übernahm Kaarlo Harteva, dessen geistige Gesundheit wiederhergestellt war, erneut größere Verantwortung. Auf dem Kongreß in Tampere im August hielt er die Hauptansprachen. Auch beauftragte man ihn wieder, das Werk zu leiten. Zu Beginn des darauffolgenden Jahres trat er dann an die Stelle von Martti Liesi, der sich von der Organisation Gottes zurückgezogen hatte. Innerhalb eines Jahres war die Anzahl der Wachtturm-Abonnenten auf 2 763 angestiegen, und mehr als 61 000 Veröffentlichungen waren versandt worden. Es erübrigt sich zu erwähnen, welch freudiger Geist in den Versammlungen herrschte.
Millionen werden nie sterben
Als Alexander H. Macmillan vom Hauptbüro im November 1920 zu Besuch kam, hielt er an acht verschiedenen Orten den Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“. Damals beinhalteten viele Vorträge dieses unvergeßliche Thema.
Eero Nironen erinnerte sich: „Manchmal hielt ich an einem Tag vier Vorträge über dieses Thema. Zu Anfang empfanden wir diese besondere Botschaft als etwas zu gewagt, aber da wir in Jehovas Organisation diesen Auftrag erhalten hatten, machten wir die Botschaft mit Überzeugung bekannt, und jetzt dürfen wir erleben, wie sie sich immer schneller verwirklicht.“ Das Thema erzeugte so viel Interesse, daß daraufhin gleich 50 000 Exemplare der noch im gleichen Jahr
übersetzten Broschüre Millionen jetzt Lebender werden nie sterben gedruckt wurden.Inzwischen interessierte sich in Pori der bekannte Geschäftsmann Kaarlo Vesanto für die Wahrheit. Als er sich später ein Haus baute, beauftragte er die Maler, auf eine der Hauswände in großer Schrift das Thema „Millionen ... werden nie sterben“ zu schreiben. Antti Salonen, einer der Maler, die die Schrift anbrachten, erzählt: „Es war der eigenartigste Auftrag, den ich jemals ausgeführt hatte. Gern hätte ich gewußt, was mit der Erklärung gemeint war.“ Nachdem er es herausgefunden hatte, ließ er sich taufen, und später diente er viele Jahre im Kreisdienst. Gegenwärtig ist er Sonderpionier in Pori und strahlt wie eh und je vor Freude.
Innere Spaltungen drohen
Anfang der zwanziger Jahre verbreitete sich Unruhe. Es tauchte die Frage auf, welchen Kanal Jehova zur Austeilung der biblischen Wahrheit benutze. Einige Brüder der Versammlung in Helsinki gründeten einen „Bruderkreis“, dem nur Männer angehören durften. Sie setzten es sich zum Ziel, die Wahrheit eingehend zu studieren. Doch schon bald war die edle Absicht vergessen, und es wurde mißtrauisch nach Fehlern in den Lehren der Gesellschaft gesucht. Da sie glaubten, das Predigtwerk sei abgeschlossen, bemängelten sie, daß die Gesellschaft anregte, man solle sich am Predigtdienst beteiligen. Einige führende Pilgerbrüder hielten sogar Vorträge, in denen sie die Ansicht vertraten, den Kanal der biblischen Wahrheit gebe es seit dem Tod von Bruder Russell nicht mehr.
Sehr ernst wurde die Lage in Helsinki, wo sich eine Gruppe von der Gesellschaft trennte, ihre eigene Zeitschrift herausgab und eigene Zusammenkünfte abhielt. Im Laufe der Zeit verschwand jedoch die Gruppe. Ganz offensichtlich fehlte ihr die Unterstützung Jehovas.
Die Berichte zeigen, daß allein in Helsinki 164 Personen die Wahrheit aufgaben. In der Wachtturm-Ausgabe vom April
1922 bemühte man sich um eine Geste der Versöhnung: „Den lieben Brüdern, die uns verlassen haben und deshalb beunruhigt sind, reichen wir die Hand der Bruderschaft. Schließt euch uns bitte wieder an!“ Viele von denen, die sich zurückgezogen hatten, waren verunsichert, aber als sie schließlich die Notwendigkeit einer fortschreitenden Organisation verstanden, kehrten die meisten von ihnen zurück.Ein Wettläufer wechselt die Laufbahn
Im Jahre 1919 stellte in Finnland ein Junge namens Otto Mäkelä einen neuen Landesrekord im 3 000-Meter-Lauf auf. Noch im gleichen Jahr hörte er in seiner Heimatstadt einen Vortrag, der von dem Pilgerbruder Viljo Taavitsainen gehalten wurde. Wie sehr die Wahrheit doch den kleinen, aber zähen Wettläufer ansprach! Otto entschloß sich, die Laufbahn zu wechseln. Nach seiner Taufe nahm er im März 1921 den Pilgerdienst auf. Später diente er jahrzehntelang als Kreisaufseher und war als ausgezeichneter Lehrer bekannt, bis er 1985 seinen irdischen Lauf vollendete. *
Die Erlebnisse von Otto Mäkelä würden viele Bände füllen. Doch gehen wir mit ihm einmal auf eine Reise von etwa 100 Kilometern, von Iisalmi nach Kärsämäki: „Ich brach morgens um sieben Uhr auf, um rechtzeitig abends um sieben Uhr dort einzutreffen, wo ich meinen Vortrag halten sollte. Obwohl ich den ganzen Tag unterwegs war, traf ich erst um neun Uhr abends dort
ein. Unterwegs gab es mehrere Gasthäuser. Die Kutscher aber brachten mich jeweils nur bis zum nächsten. Wenn ich nachfragte, wann es weiterginge, mußten sie erst einmal ein Pferd im Wald einfangen. Danach mußte es gefüttert und getränkt werden, und auch der Kutscher wollte etwas essen. Da ich nicht den Eindruck erweckte, ein vornehmer oder einflußreicher Reisender zu sein, hatte es niemand eilig.“Höllenfeuer in Lappland ausgelöscht
Jalmari Niemelä, ein anderer Pilgerbruder, berichtet über seine Tätigkeit nördlich des Polarkreises: „Bei strömendem Regen brach ich in Rovaniemi mit dem Fahrrad auf. An dem Tag schaffte ich gerade 70 Kilometer. Ich übernachtete in einem Gasthaus und radelte am darauffolgenden Tag etwa 20 Kilometer weiter. Als ich ein Dorf sah, entschloß ich mich, dortzubleiben und die gute Botschaft vom Königreich zu predigen. Während des Tages arbeitete ich das Dorf durch, und am Abend hielt ich einen öffentlichen Vortrag. ... Ich nahm mehrere Broschüren mit dem Thema Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle? mit und nahm mir vor, bei jeder Zusammenkunft zu erklären, was die Hölle ist.“
Auf dem Weg von Sodankylä nach Ivalo hatte Bruder Niemelä die Gelegenheit, sich mit Lappen zu unterhalten. „Als ich die Broschüren Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle? und Welt in Not verbreitete, fragte mich ein alter Mann: ‚Sind die Leute im Süden schon so gescheit, daß sie das Höllenfeuer ausgelöscht haben?‘ “
In jenen ersten Tagen der vermehrten Tätigkeit bedeutete die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter für die Brüder eine Erfrischung. Allerdings erschien die Zeitschrift nicht in Finnisch. Um ihre Veröffentlichung zu ermöglichen, stellte ein freundlicher Bruder das für den Druck benötigte Geld zur Verfügung. Die Freigabe erfolgte im Jahre 1922. Die Beliebtheit der Zeitschrift wurde durch die 6 233 Abonnenten am Ende des Jahres deutlich. Zur gleichen Zeit hatten 2 244 Personen den Wachtturm abonniert.
Zeugnisgeben in Esperanto
Von Anfang an waren Bruder Hartevas Sprachkenntnisse für das Predigtwerk in Finnland von großem Nutzen. Er lernte Esperanto, eine Sprache, die sich Ende des 19. Jahrhunderts zur Förderung der internationalen Verständigung entwickelt hatte und von über einer Million Menschen in verschiedenen Teilen der Erde gesprochen wurde. Bruder Harteva erhielt von Bruder Rutherford die Erlaubnis, das Millionen-Buch ins Esperanto zu übersetzen. Die Freigabe erfolgte 1922 in Helsinki unmittelbar vor der Konferenz der Esperantisten. Anläßlich dieser Konferenz hielt Bruder Harteva in Esperanto den Vortrag mit dem „Millionen“-Thema. Jetzt konnte die Wahrheit Personen dargeboten werden, die diese Sprache beherrschten. Sie kamen aus verschiedenen Ländern wie den Vereinigten Staaten, China, Japan, Algerien, Australien, Argentinien und Brasilien.
Bruder Harteva hielt in 12 europäischen Städten Vorträge in Esperanto. In Budapest durfte sein Vortrag mit Erlaubnis des Polizeikommandeurs ins Ungarische übersetzt werden. Bruder Rutherford sandte Bruder Harteva zusammen mit einem Bruder aus dem Hauptbüro nach Moskau, um herauszufinden, ob es möglich sei, die Botschaft vom Königreich dort zu predigen. Bei den Moskauern fanden sie nur geringen Anklang. Doch nachdem sie Verbindung mit den dortigen Esperantisten aufgenommen hatten, konnte Bruder Harteva ihnen einen Vorrat an theokratischer Literatur zurücklassen.
Ihr eigenes Zweigbüro
Über 10 Jahre war das Zweigbüro auf beengtem Raum untergebracht. Die Ausgabe des Wachtturms vom Mai 1923 enthielt folgende gute Nachricht: „Einige Brüder haben ihr Ganzes auf den Altar des Herrn gelegt, und der Herr hat ihren Eifer gesegnet, so daß es uns möglich war, jetzt, wo Wohnungen knapp sind, neue Räumlichkeiten für unser Büro zu finden. Das frühere Büro war so überfüllt, daß fast alle
Mitarbeiter verstreut in der Stadt wohnen mußten.“ Die neue Adresse hieß Temppelikatu 14. Im Erdgeschoß war eine Buchhandlung, wo die Zusammenkünfte stattfinden konnten, und im oberen Stockwerk befanden sich die Wohnräume. Es wurde ein Fonds gebildet, und so waren die Brüder in der Lage, die Räumlichkeiten zu kaufen.Als Bruder Rutherford im Mai 1925 den Kongreß in Örebro (Schweden) besuchte, gab er bekannt, daß ein nordeuropäisches Büro in Kopenhagen (Dänemark) eingerichtet werden sollte. Es würde das Werk in Dänemark, Schweden, Norwegen, Lettland, Litauen, Estland und Finnland beaufsichtigen — das Zweigbüro in Finnland sollte jedoch wie zuvor weiterarbeiten. Der Wachtturm berichtete: „Bruder Dey aus London wurde ersucht, den Posten als Vertreter der Gesellschaft und Leiter der Zweigabteilung für das nördliche Europa anzunehmen ... Bruder Dey gibt eine wichtige Regierungsstellung in London auf, um in den Dienst des Königs der Könige einzutreten.“ Die regelmäßigen Besuche Bruder Deys festigten das Werk in Finnland, ebenso wie in den letzten Jahren die Besuche der Zonenaufseher.
Das nordeuropäische Büro bewirkte eine bessere internationale Verständigung der Zeugen untereinander. Folglich erwies sich der Kongreß im Juni 1927 in Helsinki als ein Meilenstein — die erste nordische Hauptversammlung! Alle Leiter der sieben Länder, die dem nordeuropäischen Büro unterstanden, waren anwesend. Die Vorträge wurden in Englisch, Schwedisch und Finnisch gehalten.
Wahrheit in Estland über den Rundfunk verbreitet
Auf dem Kongreß 1927 in Helsinki sprach Bruder Dey über den Bedarf an finnischen Missionaren in Estland. Da die estnische Sprache mit dem Finnischen eng verwandt ist, lernten die Finnen die Sprache schnell und konnten demzufolge interessierten Personen in Estland helfen. Die jungen Kolporteurinnen Irja Mäkelä und Jenny Felt folgten dem Aufruf und reisten nach Tallinn. Schon bald schlossen sich
ihnen weitere Finnen an. Zu ihnen gehörte Kerttu Ahokas, die seit 1919 getauft war und später im Zweigbüro treu diente, bis zu ihrem Tod im Jahre 1989.Damals wurden die Vorträge von Bruder Rutherford weltweit vom Rundfunk übertragen. Würde die Gesellschaft ihren eigenen Rundfunksender in Finnland einrichten können? Die Erlaubnis wurde verweigert. Als aber 1929 ein Kongreß in Tallinn stattfand, übertrug der dortige Rundfunksender den öffentlichen Vortrag von Bruder Dey bis nach Finnland.
Das war der Anfang. Danach war der Tallinner Rundfunksender bereit, jeden Sonntag Predigten in Finnisch und manchmal in Englisch, Estnisch, Russisch und Schwedisch zu senden. Im Herbst 1930 wurden der Rundfunksender in Tallinn und das finnische Zweigbüro durch eine Telefonleitung miteinander verbunden, wodurch es möglich wurde, aus dem Zweigbüro Vorträge zu übertragen. Dies blieb so bis zum September 1934, als folgende Mitteilung zu lesen war: „Wegen der Unduldsamkeit der Geistlichen und der heftigen verleumderischen Angriffe in den Tallinner Zeitungen hat die estnische Regierung den Rundfunksender verstaatlicht und weitere Übertragungen der Vorlesungen von Bruder Rutherford untersagt.“
Obwohl es zu Anfang der 30er Jahre schwierig war, für Estland ein Dauervisum zu erhalten, gelang es einigen Zeugen, bis zum Zweiten Weltkrieg dort zu bleiben. Unter ihnen war
Miina Holopainen, die 1931 nach Estland gegangen war und dort 13 Jahre diente. Als sich damals die Sowjetunion und Deutschland feindlich gegenüberstanden, setzte man Miina in einen Zug nach Sibirien. Der Zug wurde jedoch von einer Bombe getroffen, und durch die Explosion wurde Miina weit von den Gleisen weggeschleudert. Wer noch lebte, wurde wieder zum Zug zurückgebracht. Miina blieb hinter einem Holzhaufen unbemerkt liegen. Man fand sie erst, als der Zug abgefahren war. Da sie an den Beinen schwer verletzt war, wurde sie in das Krankenhaus von Tartu in Estland gebracht. Dort betete sie zu Jehova, er möge sie doch soweit gesund werden lassen, daß sie wieder predigen gehen könne. Sie wurde gesund, kehrte nach Finnland zurück und führte noch viele Jahre den Pionierdienst durch.Neuer Name, neue Druckpresse und neues Zweigbüro
Viele Jahre nannte man uns fälschlicherweise „Harteviten“ und „Russelliten“. Aber wir waren auch nicht nur „Bibelforscher“. Doch wie sollten wir uns nennen? Mikael Ollus erfuhr es auf überraschende Weise: „1931 geschah etwas Begeisterndes, als Eero Nironen und ich die Kongreßzeitung The Messenger mit den neusten Nachrichten über den Kongreß in Columbus (Ohio) studierten. Wir waren völlig überrascht, als wir einen Artikel entdeckten, in dem die Gründe angeführt wurden, warum die Brüder den neuen Namen ,Jehovas Zeugen‘ angenommen hatten. Ich werde den Augenblick nie vergessen.“ Endlich hatten wir einen Namen, mit dem wir uns klar ausweisen konnten. Begeistert wurde der neue Name in Finnland angenommen.
Im selben Jahr erhielt Finnland seine erste Druckpresse, die dann im Keller des Zweigbüros aufgebaut wurde. Bruder Harteva schrieb folgendes darüber: „Die Druckmaschinen klingen in unseren Ohren wie Musik, für den Widersacher aber ist es ein unerträgliches Getöse, und nur zu gern würde er uns mitsamt den Maschinen aus dem Haus werfen.“ 1932 stellte der kleine Druckereibetrieb mit geradezu surrender
Geschäftigkeit 700 000 Drucksachen her, schätzungsweise 1 000 für jeden Verkündiger.Bald wurden größere Produktionsanlagen benötigt. Die Brüder fanden ein passendes Grundstück, das an einen Park angrenzte, und begannen im Frühjahr 1933 mit dem Bau eines neuen Zweigbüros. Im Erdgeschoß wurden die Druckerei, die Setzerei, der Königreichssaal und das Literaturlager untergebracht. Büros, Küche und Speisesaal befanden sich im 1. Stock und die Wohnräume in dem Stock darüber. Die Adresse des neuen Zweigbüros, Väinämöisenkatu 27, war in den folgenden drei Jahrzehnten den Brüdern gut bekannt.
„Die Steine schreien“
Gegen Ende der 30er Jahre hielt Bruder Harteva die Predigten von Bruder Rutherford in Finnisch auf Schallplatten fest. Warum auf Schallplatten? Wegen der brandneuen Erfindung, dem tragbaren Grammophon. Grammophone wurden damals bei Rückbesuchen und in der Haus-zu-Haus-Tätigkeit eingesetzt. Im Zweigbüro baute man die Teile des Grammophons in tragbare Gehäuse ein, die von Brüdern angefertigt worden waren. „Die Steine schreien“, hieß das Schlagwort, wenn die Brüder mit ihren „Sprechmaschinen“ in den Predigtdienst zogen.
Es trafen neue Lautsprecher ein, die so stark waren, daß man ihnen den Namen „Audioartillerie“ gab. Leo Kallio erzählt: „Ich hatte mir vorgenommen, mit meiner Frau und meinem kleinen Sohn zum Strand zu gehen, als der Postbote eine Karte brachte, die mich wieder an eine Abmachung erinnerte. Am Strand sollten Schallplatten abgespielt und dabei die großen Lautsprecher benutzt werden, da dort zum Freudenfeuer, das anläßlich der Sommersonnenwende, einem Überbleibsel aus der Heidenzeit, abgebrannt werden würde, über 200 Zuschauer erwartet wurden. Es fiel mir sehr schwer, mich dazu aufzuraffen, da mein schwaches Fleisch dagegen ankämpfte. Ich trug die Angelegenheit Jehova im Gebet vor und sagte ihm, daß es für mich der Beweis seines Segens wäre,
wenn es mir, obwohl ich das für unmöglich hielt, tatsächlich gelänge, die Lautsprecher mit dem überfüllten Bus zu befördern. Zwar beklagten sich einige Fahrgäste, aber der Versuch glückte.Als die ersten Leute kamen, versteckten wir die Lautsprecher hinter einem großen Bretterstapel an der Straßenkreuzung. In der Nähe war ein Tanzsaal. Als dann das Feuer angezündet wurde, hörten alle auf zu tanzen und kamen zum Strand. Als sie zum Feuer sahen, legte ich eine Musikplatte auf. Die Leute waren derart überrascht, daß sie das Feuer vergaßen und sich dem Bretterstapel zuwandten, um zu sehen, woher die Musik kam. Ein Polizist, der die Tanzveranstaltung beaufsichtigt hatte, kam zu mir. Ich erklärte ihm, was ich vorhatte. Er nickte, und ich konnte die Schallplatten mit dem Vortrag abspielen. Durch den Vortrag wurden der falschen Religion harte Schläge versetzt und damit unter den Zuhörern eine ziemliche Unruhe verursacht.
Als der Name Jehova zu hören war, umringte mich eine Gruppe junger Männer und murmelte: ‚Laßt uns die Lautsprecher in den See werfen.‘ Doch der Polizist schaute sie mit strengem Blick an. Inzwischen hatte jemand den zuständigen
Polizeichef herbeigerufen. Schnell legte ich eine Musikplatte auf. Der Polizeichef war erstaunt, wer ihn bei den Sommersonnenwendfeierlichkeiten störte; aber als er den lächelnden Polizisten erblickte, ging er ärgerlich weg. Mit der Hilfe des Polizisten gelang es uns, die Lautsprecher unbeschädigt in den Bus zu bringen.“Die Grammophontätigkeit erreichte 1938 ihren Höhepunkt; 309 Geräte waren in Gebrauch, und gemäß Berichten wurden 72 626 Vorträge von 151 879 Personen gehört. ‘Die Steine schrien!’
Die Gesellschaft aufgelöst
Am 30. November 1939, als die sowjetischen Truppen in Finnland einmarschierten, entbrannte der „Winterkrieg“. Die Kämpfe dauerten über 3 Monate an. Als inoffizieller Verbündeter Deutschlands geriet Finnland im Juni 1941 in einen „Dauerkrieg“. Durch die Kriegswirren war es schwierig, geistige Speise herzustellen und zu verteilen. Die Verbindung zum Hauptbüro war abgerissen. Dennoch war es in den fünf Kriegsjahren möglich, über das neutrale Schweden etwas geistige Speise zu erhalten. Doch welche Auswirkung hatte der Krieg auf die Regierung in ihrer Einstellung gegenüber unserer friedlichen Tätigkeit?
Von der Geistlichkeit beeinflußte Gegner des Königreiches nutzten die Kriegshysterie und die zunehmend nationalistische Stimmung, um die Regierung zu zwingen, das Werk der Zeugen zu vernichten. Am 18. Januar 1940 ordnete der Justizminister an, die Broschüren Herrschaft und Friede und Freiheit für die Völker zu beschlagnahmen. Vier Monate später, nach einem verschleppten Verfahren, entschied das Gericht am 28. Mai 1940, die für Finnland zuständige Wachtturm-Gesellschaft aufzulösen.
Verkündiger der Theokratie
Da die Brüder diesen ungünstigen Gerichtsentscheid vorausgeahnt hatten, war klugerweise bereits am 13. April
1940 der Besitz der Gesellschaft an das neu gegründete Verlagsunternehmen mit Namen Kustannusosakeyhtiö Vartiotorni (Wachtturm-Verlag) verkauft worden. Als die Behörden das Eigentum der Gesellschaft beschlagnahmen wollten, mußten sie bestürzt feststellen, daß nichts mehr vorhanden war.Die Brüder hatten außerdem, am 15. Februar 1940, bevor es zu dem erwarteten Angriff auf die Gesellschaft gekommen war, eine nicht eingetragene Vereinigung gegründet, die sie „Theokratieverkündiger“ nannten. Diese Vereinigung übernahm nun die Aufgaben der dortigen Wachtturm-Gesellschaft, die durch Gerichtsbeschluß aufgelöst worden war.
Die Brüder waren aber nicht ängstlich. Sie drängten voran, mieteten das Olympiastadion in Helsinki und entschieden, daß Bruder Harteva am 23. August 1940 dort einen Vortrag mit dem Thema „Das Königreich, das nicht erschüttert werden kann“ halten solle. Mit etwa 78 000 Handzetteln wurde die Öffentlichkeit zum Vortrag eingeladen! Allerdings machte man damit auch die Gegner hellhörig, so daß die Behörden den Vortrag unmittelbar vor Beginn absagten. Das Manuskript des Vortrags hatte man jedoch an die größte Tageszeitung des Landes geschickt, und somit konnte mehr als eine Million — ein knappes Drittel der Bevölkerung des ganzen Landes — den gedruckten Vortrag lesen!
Meistens bekämpften uns die Behörden zwar nicht direkt, aber es sei erwähnt, daß Finnland mit Deutschland zusammenarbeitete und folglich einige Beamte in ihrer Einstellung von den Nationalsozialisten beeinflußt waren. Radikale Elemente brachten wiederholt Falschanklagen gegen die Organisation vor, so daß daraufhin am 17. April 1941 die Vereinigung „Theokratieverkündiger“ durch einen Gerichtsentscheid ebenfalls aufgelöst wurde.
Trotz Verbot Literatur verwendet
Als alle Anzeichen darauf hindeuteten, daß die Polizei im Zweigbüro die Literatur beschlagnahmen würde, brachte man
den größten Teil davon in Wohnungen von Brüdern unter. Da die Polizei nicht versuchte, sich der Literatur zu bemächtigen, die im Privatbesitz von Brüdern war, gab es einen großen Literaturvorrat, der im Dienst verwendet werden konnte.Otto Mäkelä erzählt von einer Begebenheit in Verbindung mit Schwester Hilma Sinkkonen aus Kotka: „Diese ältere Schwester verbreitete Rutherfords Bücher, obgleich sie verboten waren. So kam es, daß sie auch bei dem Hauptmann der Bürgerwehr vorsprach, dessen Aufgabe es war, sicherzustellen, daß man sich an das Verbot hielt. Dieser empfand das Vorsprechen der Schwester als derart unverschämt, daß er aggressiv wurde. Er ergriff ein Gewehr und richtete es auf die Schwester, die daraufhin gelassen meinte: ‚Augenblick bitte, ich stelle mich nur vor den Ofen, dann entsteht kein Loch in der Wand.‘ Der Hauptmann ließ das Gewehr sinken und erwiderte verblüfft: ‚Unter meinen Soldaten gibt es keinen, der so tapfer ist wie Sie, Madame. Kommen Sie, setzen Sie sich, und erzählen Sie mir etwas über Ihren Glauben.‘ Er erhielt ein Zeugnis, das ihn so sehr beeindruckte, daß daraufhin die Verkündiger in dieser Gegend nicht mehr behindert wurden.“
Bruder Harteva verhaftet
Kaarlo Hartevas tatkräftige Beteiligung am Werk führte dazu, daß die Behörden ihre Angriffe direkt gegen ihn richteten. Deshalb erachtete er es für klug, sich in den Untergrund zurückzuziehen. Toivo Nervo wurde daraufhin der Herausgeber des Jumalan Valtakunta (Gottes Königreich), Nachfolger des verbotenen Wachtturms. 1941 löste ihn Pentti Reikko ab, und Mikael Ollus wurde der Herausgeber der Zeitschrift Trost.
Dennoch betrachteten die Behörden Kaarlo Harteva als die Schlüsselfigur der Zeugen. Am 12. Juni 1942, gerade als er sich fertigmachte, um die Beerdigungsansprache anläßlich des Todes seiner Tante, Aunes Salmela, zu halten, wurde er verhaftet und für drei Wochen in Untersuchungshaft behalten, und danach erhielt er Hausarrest.
„Feste Speise“ — noch immer ausgeteilt
Als Ende 1942 die Zeitschriften nicht mehr gedruckt werden konnten, vervielfältigten die Brüder die Hauptartikel des Wachtturms. Diese Kopien nannte man „feste Speise“. Da sie nicht mit der Post verschickt werden konnten, waren mehrere Kuriere damit beschäftigt, die Kopien den einzelnen Versammlungen im Land zu überbringen. Diese Methode funktionierte reibungslos in den noch verbleibenden Kriegsjahren.
Viele Schwestern leisteten einen beachtlichen Teil dieser Arbeit. Meri Weckström, die bis zu ihrem Tod im Jahre 1981 als Pionier tätig war, erzählte über ihre Aufgabe: „In der schwedischen Wirtschaftshochschule, in der ich während des Krieges wohnte, hielten wir eine Lkw-Ladung Literatur von der Gesellschaft versteckt. Als dann auch Der Wachtturm verboten wurde, schlugen die Brüder vor, daß ich die Zeitschrift vervielfältigen solle. Ich erledigte die Arbeit abends und nachts in meiner Wohnung.“
Wegen der Luftangriffe durfte kein Licht durch die Fenster eines Gebäudes nach draußen dringen. Meri berichtete: „Eines Nachts war der Fußboden im Wohnzimmer mit Stapeln von Vervielfältigungen bedeckt. Ich arbeitete in der Küche am Vervielfältigungsapparat, als es kurz nach drei Uhr an der Tür klingelte. Sorgsam schloß ich die Wohnzimmertür hinter mir und öffnete die Haustür. Zu meiner Bestürzung begrüßte mich ein Polizist. Zuerst dachte ich, daß man herausgefunden habe, was ich tat, und betete deshalb zu Jehova, er möge mir helfen, mich jetzt richtig zu verhalten. Doch der Polizist sagte nur, daß durch einen kleinen Spalt im Rollo Licht zu sehen sei. Mit einem Seufzer der Erleichterung versprach ich, die Sache sofort in Ordnung zu bringen, woraufhin der Polizist sich verabschiedete.“
Dann erzählte Meri etwas über den Wert des vervielfältigten Materials: „Ich habe festgestellt, daß Jehova sein Volk jeweils zur rechten Zeit anleitet. Ein gutes Beispiel dafür ist der Artikel über Neutralität, den ich während des Krieges vervielfältigte.
Der Artikel half den Brüdern, die Anweisungen Jehovas und die Einstellung, die ein Christ haben sollte, besser zu verstehen.“Ein Leutnant wird ein Soldat Christi
Im Jahre 1942 wurde der 23jährige Leutnant Kalle Salavaara durch die Explosion einer Granate verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert, um operiert zu werden. Er berichtet: „Nach meiner Operation lag ich in einem Lazarett, das in der Schule untergebracht war, die ich als Kind besucht hatte. An meinem Bett saß Bruder Sakari Kanerva, der schon oft mit mir über die Wahrheit gesprochen hatte. Doch jetzt war meine Entscheidung gefallen, und es gab nur noch einige Dinge, die ich in die Tat umsetzen mußte. Ich sagte mir: ‚Morgen, am Möysänjärvisee, wird meine militärische Laufbahn zu Ende sein‘.
Am nächsten Tag wurde ich von Bruder Kanerva getauft. Da ich jedoch von Kopf bis Fuß eingegipst war, wurde der Gips naß und weichte auf. Am anderen Morgen starrte der Arzt, Oberst Heinonen, vorwurfsvoll auf meinen Gips und fragte: ‚Wo haben Sie sich denn herumgetrieben? Der Gips ist ja völlig verformt!‘
‚Ich bin getauft worden, Sir‘, war meine Antwort. Er stand wie versteinert da. Es kam mir beinahe so vor, als ob er eine Schweigeminute zu meinem Gedenken eingelegt hätte. Schließlich fragte er: ‚Was haben Sie gesagt?‘ Daraufhin konnte ich zum ersten Mal öffentlich Zeugnis geben.“
Nachdem Kalle Salavaara sich wieder erholt hatte, nutzte er seine Freiheit und auch seinen Militärausweis, um die Versammlungen mit „fester Speise“ zu versorgen. Gerade als er sich mit Vervielfältigungen für die Versammlungen im Südwesten Finnlands auf den Weg machen wollte, warnte ihn Väinö Pallari, der im Bethel arbeitete, vor der Polizei in Matku. Dort war er schon einige Male auf dem Polizeirevier verhört worden. Offensichtlich schien die Polizei immer zu wissen, wann ein Kurier kommen würde. Kalle berichtet:
„Als ich mit dem Zug aus Urjala in Matku eintraf, kam sofort ein forscher Polizist auf mich zu und forderte mich barsch auf, mich auszuweisen. Ich hielt ihm meinen Militärausweis hin. Das überraschte ihn. Mit völlig veränderter Stimme fragte er daraufhin nach meiner Arbeitsbescheinigung. Vorsorglich hatte ich mich an der Universität Helsinki einschreiben lassen. So konnte ich dem Polizisten eine Arbeitsbescheinigung zeigen, die vom Rektor der Universität unterschrieben war, jedoch war nicht näher beschrieben, was für ein Arbeitsauftrag es war. Der Widerstand des Polizisten war gebrochen. Als ich dann die Koffer zum Bus tragen wollte, bot er mir sogar höflich seine Hilfe an. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn den großen, schweren Koffer mit den verbotenen Vervielfältigungen tragen zu lassen. Irgendwie schienen sie bei dem Polizisten in Sicherheit zu sein.“
Oftmals kamen die Brüder und Schwestern spät in der Nacht, um die verbotene Literatur abzuholen — mit dem Rodelschlitten, dem Pferdeschlitten, oder sie gingen gar zu Fuß zu den Bahnhöfen. Manchmal waren es 30 Grad unter Null. „Niemand beklagte sich“, erinnert sich Bruder Salavaara. „Ich sah immer nur glückliche, dankbare Empfänger, die mich an die verheißungsvollen Worte aus der Bergpredigt erinnerten: ‚Glücklich sind die, die sich ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt sind.‘ Für die Brüder war es wie Manna, das vom Himmel kam.“
Neutralität auf die Probe gestellt
Der Kriegszustand hatte zur Folge, daß die Neutralität der Brüder aufs äußerste erprobt wurde. Was Kosti Huhtakivi, Vieno Linte und Yrjö Laine betrifft, so ließ auch ihr biblisch geschultes Gewissen nicht zu, daß sie Militärdienst leisteten. Somit kamen sie ins Gefängnis. Wäre aber ihr Glaube so stark, daß sie das Martyrium, das über sie kommen würde, ertragen könnten?
Bruder Huhtakivi erinnert sich: „Wir wurden aufgefordert, uns in der Humppila-Schule einzufinden, wo man uns einen Schlafplatz direkt unter einem Gewehrständer zuwies. Eines Tages kommandierte uns der Unteroffizier in den Hof zum Fahnenmast. Dort polierte er gerade sein Bajonett, prahlte, wie spitz es sei, und gab den Befehl: ‚Vorwärts!‘ Wir wurden durch den Seitenausgang der Schule geführt, die als Kaserne diente. Nachdem wir ein kurzes Stück bis zum Waldrand gegangen waren, wurde uns befohlen, auf einer Erhöhung stehenzubleiben. Dann sahen wir eine Gruppe Soldaten, die auf uns zumarschierte, das Gewehr in der Hand.“
Die bewaffneten Soldaten nahmen vor den Brüdern Aufstellung, riefen ihre Namen auf und setzten sie davon in Kenntnis, daß sie zum Tod durch Erschießen verurteilt seien. Das Urteil sollte sofort vollstreckt werden.
Bruder Linte kann die Tränen nicht zurückhalten, während er weiter von ihre Erlebnissen erzählt: „Als der Befehl gegeben wurde: ‚Haltung!‘, verband uns der Sanitäter die Augen. Dann kam das Kommando: ‚Laden!‘, und wir hörten die Gewehre klicken. Der nächste Befehl hieß: ‚Anlegen!‘ ‚Wie gut, die Auferstehungshoffnung zu haben‘, ging es mir durch den Kopf. Plötzlich hörten wir jemanden rufen: ‚Feldwebel! Telefonische Meldung.‘ Es folgte das Kommando: ‚Halt!‘, und die vom Oberst unterzeichnete Meldung wurde laut vorgelesen: ‚Vollstreckung ausgesetzt.‘ Man nahm uns die Augenbinden ab und brachte uns in unser Quartier zurück.“
Das Schauspiel war gut inszeniert. Die gleiche teuflische List wandte man auch bei anderen Brüdern an. Erkki Kankaanpää, der gegenwärtige Koordinator des Zweigkomitees, hat die gleiche Erfahrung gemacht. Er erklärt: „Man sagte uns, wir seien zum Tode verurteilt. Die Behandlung war derart unerbittlich, daß wir nicht an der Vollstreckung des Urteils zweifelten. Später fanden wir heraus, daß man uns lediglich einschüchtern wollte. Zuerst gab es eine Scheinverhandlung, und wenige Stunden später führte man uns erneut dem Richter vor, der uns dann zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilte.“
Eine Vereinigung für geistige Gesundheit
Im Jahre 1932 wurde eine Vereinigung mit dem Namen Al Sano gegründet. Sie importierte und verkaufte Reformkost, veröffentlichte eine gleichnamige Zeitschrift sowie andere Literatur, die sich mit Gesundheitsfragen befaßte. Einige Brüder waren dort angestellt, und bald arbeitete die Vereinigung eng mit der Gesellschaft zusammen.
Kurz vor seinem Tod im Jahre 1942 erteilte Bruder Rutherford der Al-Sano-Vereinigung die Erlaubnis, die Wahrheit in anderer Literatur zu veröffentlichen, falls die Literatur der Gesellschaft verboten würde. Al Sano veröffentlichte daraufhin Gesundheitsbücher, und in ihrer Zeitschrift Terveyttä Kaikille (Gesundheit für alle) erschienen einige Wachtturm-Artikel.
Während des Verbots wurde die Predigttätigkeit auf ungewöhnliche Art und Weise durchgeführt. Kalle Salavaara erklärt: „Unser Ziel war das gleiche wie heute: Wir wollten den Menschen zeigen, daß nur Gottes Königreich alle ihre Probleme zu lösen vermag. Das erforderte theokratische Taktik und Geduld. Die Leute fragten gewöhnlich: ‚Kommen Sie von der Drogerie dieser religiösen Gruppe?‘ und beschrieben uns daraufhin ausführlich ihre Krankheiten. Nachdem wir einige Empfehlungen gegeben und Broschüren über das
Thema Gesundheit angeboten hatten, lenkten wir das Gespräch auf die Königreichsbotschaft. ‚Natürlich kann die Reformkost das Altwerden und Sterben nicht aufhalten‘, sagten wir, ,doch wäre es nicht wunderbar, gesund und jung zu sein und für immer leben zu können?‘ Gelegentlich konnten wir auf diese Art ein gutes Gespräch führen.“Kongresse während des Verbots
Da die Brüder äußerst behutsam und einfallsreich waren, konnten während des Krieges weiterhin Zusammenkünfte und Kongresse stattfinden. Zum Beispiel wurde auf einem Bauernhof in Haarajoki ein „Jagd- und Angelfest“ veranstaltet, und die Vorträge, die dort gehalten wurden, hatten natürlich nicht das Jagen von Tieren zum Thema, sondern das Fischen von Menschen.
Im Sommer 1943 fand im Studentenklub mitten in Helsinki eine große Zusammenkunft statt, die als „Pentti Reikkos Familienfest“ getarnt war. Eingeladen wurde nur, wer von zwei vertrauenswürdigen Zeugen empfohlen worden war. Es kamen über 500 Personen.
Bruder Reikko erzählt, was zufolge des Briefes geschah, der während dieser Zusammenkunft verfaßt und an die Behörden geschickt worden war: „Einige Zeit danach wurde ich von der Staatspolizei vorgeladen. Der Vernehmungsbeamte hatte unseren Brief in der Hand und wollte wissen, wo solche Zusammenkünfte abgehalten wurden. ‚Wie haben Sie es nur geschafft, ohne unser Wissen ein solches Treffen mitten in Helsinki abzuhalten, da wir doch beinahe alles erfahren, was sich zwei Leute auf der Straße erzählen?‘ fragte er. Die Zusammenkunft hatte tatsächlich nur ein paar Häuserblocks von der Polizeistation entfernt stattgefunden!
Auf ähnliche Weise führten wir mehrere große Kongresse durch, und Jehovas Schutz war deutlich spürbar, da unsere Zusammenkünfte nie unterbrochen wurden. Im Dezember 1943 fand ein Kongreß mit 1 260 Anwesenden statt.“
Neuer Präsident erteilt Anweisung
Als das Ende des Krieges in Sicht war, erfuhr Nathan H. Knorr, der dritte Präsident der Watch Tower Society, endlich Näheres über das Verbot in Finnland. Er bedankte sich in einem Brief bei Bruder Harteva und Bruder Taavitsainen, daß sie trotz des Verbots tätig geblieben waren und den Besitz der Gesellschaft nicht aufgegeben hatten, so daß sie ihn auch noch in Zukunft nutzen konnten.
Doch was sollte mit den Veröffentlichungen über Gesundheit geschehen, die auch Artikel über das Königreich enthielten? Bruder Knorr erlaubte den finnischen Brüdern, sie der Öffentlichkeit anzubieten, da die Literatur der Gesellschaft nach wie vor verboten war. Gleichzeitig sprach er die Warnung aus: „Ihr dürft die Königreichsbotschaft nicht mit irgend etwas anderem vermischen. Ermuntert die Brüder, folgendes zu bedenken: Damals zogen die Apostel ohne Bibel und Bücher von Ort zu Ort. Wenn der Herr es als passend betrachtet, daß wir auch nichts anderes als das Wort Gottes im Sinn und auf der Zunge haben, dann laßt es uns zur Verherrlichung und Ehre des Namens Jehovas einsetzen. Die Wahrheit benötigt keinen anderen Anreiz als den, den sie selbst bietet.“
Kriegsende
Der Krieg mit der Sowjetunion endete im September 1944. Finnland blieb unabhängig, verlor jedoch große Teile seines Staatsgebiets. Rund 300 000 Menschen wurden aus den an die Sowjetunion abgetretenen Gebieten in andere Teile Finnlands umgesiedelt. Bruder Harteva erhielt am 27. September seine Freiheit zurück, alle anderen Brüder wurden zufolge einer Generalamnestie ebenfalls bald aus dem Gefängnis entlassen. Es brach eine Zeit des Wachstums an, wie man sie nie zuvor in Finnland erlebt hatte.
Es war schwierig, ja beinahe unmöglich, zu erreichen, daß das Verbot der Gesellschaft aufgehoben wurde. Der nächste
Justizminister, Urho Kekkonen, setzte sich für die Zeugen ein. Er empfahl, eine neue religiöse Vereinigung zu gründen, der in etwa die gleichen Rechte wie der lutherischen Kirche eingeräumt würden. Die Brüder nahmen seinen Vorschlag an, und der Staatsrat anerkannte am 31. Mai 1945 die religiöse Vereinigung der Zeugen Jehovas.Diese Lösung ermöglichte es den Brüdern, Eheschließungen vorzunehmen, die Kinder vom Religionsunterricht zu befreien, und sie garantierte den rechtlichen Schutz, der allen eingetragenen religiösen Vereinigungen gewährte wurde. Viel später, am 2. Februar 1949, konnte erreicht werden, daß die Watch Tower Bible and Tract Society wieder gesetzlich eingetragen wurde.
Informationsmarsch
Das Jahr 1945 begann mit einer lebhaften öffentlichen Tätigkeit. Am 6. Januar hielt Bruder Harteva den Vortrag „Dem Licht entgegen“ in der Messehalle in Helsinki. Die Räumlichkeiten reichten jedoch nicht aus. Folglich mietete man das Olympiastadion für den öffentlichen Vortrag, der überall, nicht nur in den Zeitungen, sondern auch auf den Straßen, angekündigt wurde.
Bruder Salavaara führte einen Zug von Brüdern von fast 500 Meter Länge an — alle trugen Plakate. Stell dir vor: Die Zeugen marschieren mit Pappmegaphonen in der Hand durch die Straßen Helsinkis und rufen Schlagworte aus, gefolgt von einem Konvoi von Lautsprecherwagen, aus denen die Königreichsbotschaft ertönt. Und allen voraus reitet auf einem großen, braunen Pferd Elis Salminen und schwingt eine Fahne mit der Aufschrift „Jehovas Zeugen“. Was für ein Anblick! Welch ein Zeugnis!
Das Pferd war durch die Schilder verängstigt und ging, wie Bruder Salminen erzählt, beinahe durch, „als einer der vielen Fotografen auf mich zukam, mich fotografierte und meinte: ‚Sie hätten lieber wie Jesus einen Esel nehmen
sollen.‘ “ Der Umzug führte einige Kilometer weit durch die Hauptverkehrsstraßen der Hauptstadt und kam schließlich am Bahnhof zum Stehen, wo die Zeugen eine gemeinsame Front bildeten und einstimmig die Einladung zum öffentlichen Vortrag ausriefen. Insgesamt besuchten 12 000 den Vortrag im Stadion!Zeugnisgeben über die Ätherwellen
Die Tausende im Stadion waren keineswegs die einzigen, die dem Vortrag zuhörten. Zwar hatte die staatlich kontrollierte finnische Rundfunkgesellschaft sich bis jetzt geweigert, unser Programm zu übertragen, aber die Brüder traten mutig wieder an die Rundfunkgesellschaft heran und baten darum, den Vortrag „Die Sanftmütigen werden die Erde ererben“ auszustrahlen. Hella Wuolijoki, eine bekannte estnische Autorin, war die Generaldirektorin der Rundfunkgesellschaft, und sie erteilte die Genehmigung. Während des Krieges war sie
ebenfalls im Gefängnis gewesen und hatte daher Sympathie für uns. Somit konnte — sogar in Schweden — einer riesigen Zuhörerschaft ein großartiges Zeugnis gegeben werden. Das dortige Zweigbüro telegrafierte: „Rundfunkübertragung ausgezeichnet empfangen!“Der Wachtturm erscheint wieder
Anfang 1945 erschienen erneut die beiden Zeitschriften Jumalan Valtakunta und Trost. Mit der Ausgabe vom 1. Juli hieß die Zeitschrift Jumalan Valtakunta wieder Der Wachtturm. Doch waren die Leute überhaupt an den Zeitschriften interessiert? Ja, denn kurz nach dem Krieg gab es kaum Zeitschriften, die regelmäßig erschienen und abonniert werden konnten. Demzufolge erzielten die Verkündiger eine Rekordzahl neuer Abonnements: 40 038! Das entsprach etwa 30 Abonnements je Verkündiger. Der Feldzug war der erfolgreichste, den sie jemals durchgeführt hatten. Die Druckpresse lief in jenem Jahr auf Hochtouren!
Der Präsident der Watch Tower Society sorgte sich um das Wohl der Brüder in dem vom Krieg heimgesuchten Europa. Er beabsichtigte, sobald das Reisen wieder möglich sein würde, die Brüder zu besuchen und die benötigte Unterstützung zu veranlassen. Am 18. Dezember 1945, in der dunkelsten und kältesten Zeit des Jahres, kam Bruder Knorr mit seinem Sekretär Milton G. Henschel sowie mit William Dey, dem Vertreter des nordeuropäischen Büros, mit dem Schiff aus Schweden an. In ihrem Reisebericht ist zu lesen: „Etwa nach siebzehn Stunden, von der Zeit an gerechnet, da das Schiff Bore V Stockholm verließ, fuhr es in den finnischen Meerbusen bei Turku ein. Fast schien es froh zu sein, die Reise überstanden zu haben und sich in den Heimatgewässern tummeln zu können, wo es allerdings noch die 15 Zentimeter dicken Eisschollen im Hafen beiseite schieben mußte.“ Eine Gruppe strahlender Brüder aus der Helsinkier Bethelfamilie hieß sie willkommen.
Bruder Knorr befaßte sich mit den Schwierigkeiten, die durch den Krieg entstanden waren. Die Gesellschaft hatte veranlaßt, daß Kleiderspenden von Schweden aus nach Finnland geschickt und dort an Pioniere und andere Bedürftige verteilt wurden. Finnland stellte damals zwar beachtlich viel Papier her, aber die Regierung wollte alles Papier gegen harte Devisen exportieren. Würden die Zeitschriften aus Papiermangel nicht mehr gedruckt werden können? Bruder Knorr beschloß, als Sparmaßnahme das Drucken der Zeitschrift Trost auszusetzen. Das Papier für den Wachtturm würde vom Hauptbüro mit US-Dollars bezahlt werden, da Finnland diese bereitwillig annahm. Der Wachtturm, das Mittel, durch das die geistige Speise hauptsächlich ausgeteilt wurde, konnte somit weiterhin gedruckt werden.
Während seines Besuchs erzählte Bruder Knorr begeisternde Neuigkeiten über die kurz zuvor für die Schulung von Missionaren eröffnete Wachtturm-Bibelschule Gilead. In seinem Bericht erwähnte er, wie die finnischen Brüder reagierten: „Nirgends auf dieser Reise war die Begeisterung über die Wachtturm-Bibelschule größer gewesen! ... Zweiundzwanzig Vollzeitdiener meldeten sich an.“
Die ersten besuchen Gilead
Nur wenige Monate später, 1946, wurden die ersten finnischen Brüder nach Gilead eingeladen. Vier Brüder besuchten die 8. Klasse: Eero Nironen, Kalle Salavaara, Elai Taavitsainen und Veikko Torvinen. Bruder Nironen erzählte: „Wir fühlten uns wie neugeboren, als wir vier Anfang 1947 nach Finnland zurückkehrten. Erst in Gilead verstand ich, was Theokratie bedeutet. Wir lernten, unseren Predigtdienst zu verbessern, und, was noch wichtiger war, wie sich ein Christ im täglichen Leben vom Geist Gottes leiten lassen muß, damit sein Dienst nicht mechanisch wird.“
Im Jahre 1950 besuchte Eero Muurainen Gilead. Er diente viele Jahre bis zu seinem Tod im Jahre 1966 als
Bezirksaufseher. Im Laufe der Jahre wurden mindestens 59 Finnen durch den Missionargeist veranlaßt, die Gileadschule zu besuchen.Kreisdienst nach dem Krieg
Bei Kriegsausbruch 1939 gab es in Finnland 865 Verkündiger. Als der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende ging, gab es in den über 200 Versammlungen 1 632 Verkündiger, also beinahe doppelt so viele.
Die Zahl der Versammlungen im Jahre 1945 war ungefähr die gleiche wie heute, über 40 Jahre später. Warum gibt es nicht mehr Versammlungen? In den 40er Jahren waren die meisten Versammlungen sehr klein und lagen weit verstreut. Damals gehörten im Durchschnitt nur 5 Verkündiger zu einer Versammlung, heute sind es über 60.
Vor vier Jahrzehnten, nach dem Ende des Krieges, besaßen die reichen Leute auf dem Land zwar Pferdewagen und -schlitten, aber die Brüder hatten als Fortbewegungsmittel lediglich Fahrräder. Meistens war ihr Einkommen gering, und sie mußten viele Stunden hart arbeiten. Daher war es für sie schwierig, für den Besuch der Zusammenkünfte weite Strecken zurückzulegen. Eine Versammlung bestand oft aus einer einzigen Familie, die nur in ihrer unmittelbaren Umgebung predigte.
Unter solchen Umständen war es nicht leicht, als Kreisaufseher zu dienen. „Die Strecke von einer Versammlung zur anderen, die oft mehr als 20 Kilometer betrug, mußte meistens zu Fuß mit schwerem Gepäck zurückgelegt werden“, erzählt Erkki Kankaanpää. „Einmal schliefen meine Frau und ich bei eisiger Februarkälte in einem ungeheizten Zimmer. Wir legten uns angezogen ins Bett. Es kam auch vor, daß wir mit der ganzen Familie in einem Zimmer schlafen mußten.“ Als sich die Lebensverhältnisse besserten, konnte auch der Kreisaufseher seinen Dienst wirkungsvoller durchführen.
Wachstum nach dem Krieg
Im Jahre 1947 besuchten Bruder Knorr und Bruder Henschel erneut Finnland. Es waren zwar nur eineinhalb Jahre seit ihrem letzten Besuch vergangen, aber sie konnten sehen, welch beachtlicher Fortschritt inzwischen gemacht worden war. Innerhalb von zwei Jahren war die Höchstzahl der Verkündiger von 1 632 auf 2 696 gestiegen. Ganz sicher erlebte Finnland eine Zeit des Wachstums. Ein Kongreß mit 5 300 Anwesenden und 184 Täuflingen fand vom 13. bis 15. Juni 1947 in der Messehalle in Helsinki statt.
Die Zahl der Versammlungen stieg zwar nicht an, die Zunahme an Verkündigern nach dem Krieg war jedoch erstaunlich. 1950 gab es bereits mehr als 4 000 Verkündiger. Die Theokratische Predigtdienstschule half den Brüdern, als öffentliche Redner befähigter zu werden sowie ihre Predigt- und Lehrtätigkeit wirkungsvoller zu gestalten. So benutzten jetzt die Brüder kein Grammophon mehr, sondern hielten ihre Predigt selbst.
Im Februar 1950 trafen zwei Gileadabsolventen, Wallace Endres und John Bruton, aus den Vereinigten Staaten ein. Bruder Endres trat an die Stelle des älter gewordenen Bruders Harteva und wurde Zweigaufseher. Bruder Harteva diente treu im Vollzeitdienst bis zu seinem Tod im Jahre 1957.
Drucktätigkeit verstärkt
Endlich gab es nach dem Krieg wieder Papier. 1951 wurde mit Jahresbeginn in Finnland erneut eine Begleitzeitschrift des Wachtturms veröffentlicht, Erwachet! genannt. Die Zahl der Zeitschriften, die in einem Jahr gedruckt wurden, war 1955 auf über 1 000 000 angestiegen.
Zum ersten Mal ging Finnland daran, alle Bücher der Gesellschaft selbst zu drucken. Da es schwierig war, Material zu beschaffen, um daraus feste Bucheinbände herzustellen, verwendeten die Brüder in den frühen 50er Jahren einfache, aber nicht sehr haltbare Pappeinbände. Bruder Knorr beriet
sie daher, als er 1951 und 1955 zu Besuch kam, wie sie die Qualität der Bücher verbessern könnten. In der Zeit von 1945 bis 1955 druckte der finnische Zweig auf sehr beengtem Raum jährlich im Durchschnitt 54 000 Bücher.Erkki Kankaanpää, der bereits früher als Drucker im Zweigbüro gedient hatte, wurde 1955 eingeladen, wiederzukommen und die Fabrik zu beaufsichtigen. Er und seine Frau hatten 1952 die Gileadschule besucht und danach im Kreis- und Bezirksdienst gestanden. Als Bruder Endres 1957 wegen familiärer Verpflichtungen in sein Heimatland zurückging, wurde Bruder Kankaanpää zum Zweigaufseher ernannt.
Königreichssäle gebaut, als mehr Hilfe eintraf
Das Zweiggebäude, das man 1923 erworben hatte, war mit einer kleinen Zusammenkunftsstätte verbunden, die man Helsinkier Tabernakel nannte. Das Zweigbüro in der Väinämöisenkatu besaß ebenfalls einen eigenen Versammlungssaal. Der erste Königreichssaal wurde jedoch erst 1956 gebaut. Wo? In Käpylä, einem Vorort von Helsinki. Der nächste Saal entstand zwei Jahre später in Lahti. In den vergangenen 30 Jahren sind mehr als 180 Königreichssäle in Finnland gebaut worden, und nur einige wenige Versammlungen kommen heute nicht in einem eigenen Saal zusammen.
Die Gileadabsolventen Vivian und Ann Mouritz kamen nach Finnland im November 1959, wurden dort von einem kalten Winter begrüßt und sahen sich vor ein intensives Sprachstudium gestellt. Kurze Zeit später dienten sie im Kreis- und Bezirksdienst und wurden schließlich ins Zweigbüro gerufen. 1981 kehrten sie in ihr Heimatland Australien zurück, wo Bruder Mouritz heute als Koordinator des Zweigkomitees dient.
Arne und Gudrun Nielsen wurden 1959 ebenfalls nach Finnland gesandt und arbeiteten dort bis 1965 im Zweigbüro mit. Dann kehrten sie nach Dänemark zurück und dienen heute noch im dortigen Zweigbüro.
Das Zweigbüro zieht um
Mitte der 50er Jahre wurde es im Zweigbüro in Helsinki zu eng. Da es nicht möglich war zu vergrößern, suchte man woanders nach einem passenden Gelände. In Vantaa, etwa 20 Kilometer vom Zentrum Helsinkis entfernt, fand man ein Grundstück. Es bot genügend Platz für künftige Erweiterungen und wurde 1957 gekauft.
Mit dem Bau des neuen, großen Zweigbüros, das 2 700 Quadratmeter Gesamtbodenfläche haben sollte, begann man Ende 1960. Anfang 1962 zog die Bethelfamilie in die neuen Gebäude ein, wo noch im gleichen Jahr die vierwöchigen Kurse der Königreichsdienstschule für Sonderpioniere und Versammlungsaufseher abgehalten wurden. Das neue Zweiggebäude schien so geräumig zu sein, daß es bestimmt bis zum Ende des Systems der Dinge nicht zu klein werden würde. Doch der Schein trog.
Auf nach Kopenhagen!
Als 1958 der größte Kongreß in der Geschichte der Zeugen Jehovas in New York (USA) stattfand, konnten nur 263 Zeugen aus Finnland dort anwesend sein. Was die zurückkehrenden Delegierten erzählten und die Vorführung des Films der Gesellschaft über den Kongreß, begeisterte die finnischen
Brüder so sehr, daß auch sie Brüder aus dem Ausland kennenlernen wollten. So freuten sie sich, als bekanntgegeben wurde, daß im Sommer 1961 in Kopenhagen (Dänemark) ein Kongreß für alle Verkündiger aus Skandinavien stattfinden sollte. Bis dahin waren nur wenige finnische Brüder jemals ins Ausland gereist. Das Zweigbüro richtete eine Reiseabteilung ein, die entsprechende Vorkehrungen für die 4 000 Reisenden treffen sollte.Auf dem Kopenhagener Sportgelände war das Programm in Englisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und Finnisch zu hören. Der Kongreß war ein unvergeßliches Erlebnis und half den Finnen, zu sehen und zu verspüren, was es bedeutet, zu einer internationalen Vereinigung von Brüdern zu gehören.
Das Sonderarbeitslager in Karvia
Wie die ersten Christen, so gehorchen auch Jehovas Zeugen ihrem biblisch geschulten Gewissen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bereitete die neutrale Haltung der Brüder den Behörden erhebliche Schwierigkeiten. Von 1947 an hielt man die Brüder jeweils 240 Tage lang auf einer Insel gefangen, die dem Militär als Bastion diente und im Finnischen Meerbusen nahe Hanko lag. Zusätzlich wurden sie zu einer Gefängnisstrafe zwischen drei und sechs Monaten verurteilt.
Im Jahre 1959 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die „Dienstzeit“ solcher Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen beträchtlich verlängerte. Das bisherige provisorische Gefängnis in Karvia wurde in ein berüchtigtes „Sonderarbeitslager“ umgewandelt.
Einer der Wehrdienstverweigerer, Jukka Ropponen, beschreibt Karvia wie folgt: „Als wir uns dem inmitten von Sümpfen gelegenen Ort näherten, sah ich vom Polizeiauto aus hinter einem hohen Stacheldrahtzaun die Holzbaracken, die man im Krieg gebaut hatte. Die Fenster hatten Gitter. Es war ein Gefangenenlager im Stil der Nationalsozialisten — ein
nicht gerade erhebender Anblick, wenn man wußte, daß man die nächsten zwei Jahre dort zubringen sollte. Im Lager gab es jedoch freudige Brüder, jeweils acht bis zehn in einem Raum. Als Toilette diente ein Kübel in einem Schrank in der Zimmerecke.Zu unserem Tagesablauf gehörte eine Stunde Ausgang unter Bewachung. Den Rest des Tages verbrachten wir hinter Gittern. Wir hatten mehr Zeit als genug, doch wir füllten sie mit einem guten geistigen Programm aus. Vers für Vers studierten wir sorgfältig die Bibel. Nach und nach entstand eine gute Bibliothek, die für unser Studium von Nutzen war. Wir hielten Vorträge über viele biblische Themen. Das Zusammensein mit Brüdern unter diesen Verhältnissen bewirkte, daß die Persönlichkeit aller geschliffen wurde.
Der Predigtdienst war kein allzu großes Problem. Wir konnten zwar nicht mit jemandem von außerhalb reden, doch wir schrieben Briefe an Personen, die in nichtzugeteilten Gebieten lebten und deren Anschrift wir im Telefonbuch gefunden hatten. Häufig führten wir den Ferienpionierdienst durch. In unserer Gruppe hatten sich einige noch nicht Jehova hingegeben. Als sie jedoch geistig Fortschritte machten, wollten auch sie sich taufen lassen. Doch wo sollten wir genug Wasser für ihre Taufe finden? Das war eine schwierige Sache.
Wir fragten den Gefängnisdirektor, ob wir die Taufe in dem nahe gelegenen Tümpel durchführen dürften, doch die Antwort war ein deutliches Nein! Die Entscheidung war wahrscheinlich gar nicht so nachteilig für uns, denn der Teich war zugefroren, und die Taufe wäre ohnehin unmöglich gewesen. Eines Tages fiel mein Blick auf einen Schrank in der Zimmerecke: Da stand es, das Taufbecken! Bereits nach wenigen Tagen hatten wir ein großes Plastiktuch in die Baracken eingeschmuggelt. Ohne daß die Wachen es bemerkten, schleppten wir unser neues, mit Plastik ausgekleidetes
Taufbecken in den Waschraum und führten dort die Taufe durch. Während der Jahre im Gefängnis wurde eine Anzahl Neuer in diesem Becken getauft.“Der Staatspräsident besucht das Arbeitslager
Zwar stieß die Wehrdienstverweigerung der Zeugen in der Öffentlichkeit anfänglich auf wenig Verständnis, aber Mitte der 60er Jahre änderte sich die Stimmung. Die Leute meinten, daß lange Gefängnisstrafen unter Bedingungen wie in einem Konzentrationslager unmenschlich seien. Deshalb entschied der finnische Staatspräsident, Urho Kekkonen, im August 1968, die Strafvollzugsanstalt selbst zu besuchen.
„Wir waren völlig überrascht“, erinnert sich Reima Laine, der jetzt als Bezirksaufseher dient. „Präsident Kekkonen blieb mehrere Stunden im Lager und wollte mit uns sprechen, ohne daß sonst jemand zugegen war. Er versprach uns, alles zu tun, damit das Gesetz zu unserem Vorteil geändert würde.“ Das geschah sehr bald, und 1969 wurde die Anstalt aufgelöst.
Vom Wehrdienst freigestellt
Nach 1969 wurden junge Brüder zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Zwar mußten sie ihre Strafe verbüßen, doch wurden sie allgemein für ihr gutes Benehmen bekannt. Die Bürger nahmen davon Notiz und fanden, daß es dem Ruf des neutralen und friedliebenden Finnland schade, friedliche junge Männer, die für die Allgemeinheit keine Gefahr seien, zu Gefängnisstrafen zu verurteilen. Einige angesehene und einflußreiche Humanisten unterbreiteten daraufhin Vorschläge, wie man die Zeugen vom Wehrdienst befreien könne.
Die Regierung hielt es 1985 für sinnvoll, ein neues Gesetz zu verabschieden. Daher werden seit 1987 alle getauften, tätigen Zeugen Jehovas vom Wehrdienst zurückgestellt — jeweils für drei Jahre — bis sie 28 Jahre alt sind. In Finnland sind Jehovas Zeugen somit in Friedenszeiten vom Wehrdienst befreit.
Freiheit zu predigen überprüft
Die Verfassung Finnlands gewährt zwar Religionsfreiheit, doch bis heute hat man hin und wieder Anstrengungen
unternommen, den Haus-zu-Haus-Dienst durch Gesetz zu verhindern. Die Gerichte haben jedoch bisher in allen Fällen das Recht zu predigen bestätigt.Die Stadt Oulu änderte ihre Verordnung wie folgt: „Das Verbot, das Werk der Zeugen Jehovas betreffend, ist aufgehoben worden.“ Als Grund führte man an: „Der häusliche Frieden wird durch die Haus-zu-Haus-Tätigkeit ideologischer und religiöser Organisationen nicht gestört. Aus der Sicht der Bevölkerung dient die Sache eher der Kommunikation, die nützlich und notwendig ist und anders nicht zustande kommen kann.“
Landesgrenzen behindern nicht die Einheit
Schwedische Brüder halfen, die Wahrheit in Finnland zu verbreiten. Die finnischen Brüder ihrerseits haben sich in den letzten Jahren auch in Schweden, wo inzwischen viele Finnen leben, an der Predigt- und Lehrtätigkeit beteiligt. 1972 wurden dort die ersten finnischen Versammlungen gegründet. Die Mehrung innerhalb der Finnisch sprechenden Bevölkerung Schwedens hält an, heute gibt es dort etwa 1 800 Verkündiger.
Für die Kongresse war es sehr nützlich, daß die Grenzen der skandinavischen Länder ohne Reisepaß überquert werden können. Wegen der großen Entfernungen zwischen Finnland und den anderen skandinavischen Ländern, wurden erst von 1965 an große internationale Kongresse geplant — damals fand für Schweden und Finnland gemeinsam ein Kongreß in Helsinki im Olympiastadion statt. Das gleiche wurde 1973 wiederholt. Und in den Jahren 1978 und 1983 nutzte man das Messezentrum in Helsinki für zwei weitere internationale Kongresse. Die Kongresse trugen auf angenehme Art und Weise dazu bei, den Gesichtskreis der Brüder zu erweitern, und bewiesen, daß Landesgrenzen die christliche Einheit nicht behindern.
Kreiskongresse fanden meistens in Hörsälen von Schulen statt. Doch in den 70er Jahren wurde es immer schwieriger, Schuleinrichtungen zu mieten. Deshalb entschied man 1975, einen Kongreßsaal in der südfinnischen Stadt Hämeenlinna zu bauen. Ein halbfertiges Fabrikgebäude wurde gekauft und in einen geeigneten Kongreßsaal mit 1 200 Sitzen umgebaut. Seit März 1978 finden dort Kongresse statt. Zehn Jahre später, 1988, erwarb man einen weiteren Saal, diesmal in Nordfinnland; und der erste Kongreß wurde für November 1989 angesetzt.
Die Neue-Welt-Übersetzung und der göttliche Name
Finnisch wurde im 16. Jahrhundert eine Schriftsprache, und das „Neue Testament“ gehörte zu den ersten Büchern, die in Finnisch gedruckt wurden — im Jahre 1542. Seitdem haben die Finnen eine Bibel im Haus. 1975 wurde die mit viel Mühe erstellte Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften in Finnisch veröffentlicht.
Die Neue-Welt-Übersetzung war jedoch nicht die erste Bibelübersetzung in Finnisch, die den Namen Jehova gebrauchte. Er kam bereits in den Randbemerkungen der allerersten finnischen Bibel vor. Das Stichwortverzeichnis der „Alten Kirchenbibel“ von 1776 enthielt ebenfalls den göttlichen Namen. Dennoch hatten einige Geistliche gegenüber dem Namen große Vorurteile und behaupteten, Jehovas Zeugen hätten die Fassung „Jehova“ erfunden.
Man stelle sich deshalb den Schock vor, den Gläubige und Geistliche zugleich erlitten, als das Wort Jehova sichtbar wurde, nachdem man 1985 bei Renovierungsarbeiten in einer Kirche in Kuhmoinen über dem Altar die Farbe entfernt hatte. Den göttlichen Namen vor Augen zu haben, war für den Gemeinderat zuviel. So wurde beschlossen, den Namen wieder zu verdecken.
Der Name Jehova wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf finnische Münzen geprägt. Einige
bekannte finnische Autoren gebrauchten den Namen Jehova in ihren Werken. Bemerkenswert ist, daß die hebräischen Buchstaben des göttlichen Namens in vielen berühmten Kirchen Finnlands zu sehen sind. Die größten Verteidiger des Namens Jehova sind jedoch seine Zeugen.Erweiterung der Zweigeinrichtungen
Wegen der stetigen Zunahme an Königreichsverkündigern mußte das Zweigbüro mehrmals erweitert werden. Zum Beispiel wurde zehn Jahre nach dem Bau des Zweiggebäudes von 1962 dringend mehr Platz benötigt. Die Auflage der Zeitschriften stieg von jährlich 2,3 auf 3,7 Millionen an. Anfänglich stellte man jährlich 40 000 Bücher her, heute sind es 200 000. Der finnische Zweig allein produzierte insgesamt 562 000 Exemplare des Buches Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt — etwa ein Buch für jeden dritten Haushalt. 1973 wurde daher um 2 200 Quadratmeter erweitert — für die Versandabteilung und das Lager.
Die Bethelfamilie wuchs ebenfalls von Jahr zu Jahr, und so vergrößerte man 1977 die Wohngebäude um weitere 20 Zimmer. Von 1984 bis 1986 erweiterte man die Fabrik und die Wohngebäude in großem Umfang. Ebenso wurde ein separater Königreichssaal mit 300 Sitzen gebaut.
Neue Technologie eingesetzt
Zusätzlich zu den Erweiterungen der Zweigeinrichtungen wurde auch das Druckverfahren umgestellt. „Mit der Umstellung vom Zweifarbenhochdruck auf den Vierfarbenoffsetdruck gelang uns ein gewaltiger Sprung vorwärts“, berichtet Heikki Kankaanpää, der als Fabrikaufseher dient. „Die Brüder in Finnland sind der leitenden Körperschaft dankbar, daß sie uns die Erlaubnis erteilt hat, eine mit fünf Druckwerken ausgestattete Bogenoffsetdruckmaschine zu kaufen. Seit Anfang 1981 können wir als einer der ersten Zweige die
Zeitschriften vierfarbig drucken. Die Zeitschriftenverbreitung wurde dadurch erheblich gesteigert.Im Frühjahr 1985 erhielten wir den von der Watchtower Society selbst entwickelten MEPS-Computer und das dazugehörende Fotosatzsystem. Die zweite Bogenoffsetdruckmaschine mit fünf Druckwerken — hergestellt von der deutschen Firma Miller-Johannisberg — wurde 1988 installiert. Somit verdoppelte sich unsere Druckkapazität.“
Erwartungen, die in das Land der tausend Seen gesetzt werden
Während all der Jahre haben Jehovas Zeugen in Finnland eifrig die gute Botschaft vom Königreich gepredigt. Das Licht der biblischen Wahrheit ist somit in dem Land der tausend Seen hell erstrahlt. Das Verhältnis zwischen Verkündiger- und Einwohnerzahl gehört zu den günstigsten in Europa. Die Zunahme war zwar in den vergangenen Jahren nicht so groß, doch die Zahl der Verkündiger ist ständig gestiegen.
Der Lebensstandard hat sich in Finnland beträchtlich verbessert. Geistig gesehen ist die Situation innerhalb der Bevölkerung jedoch in vielerlei Hinsicht schlechter geworden. Das Streben nach materiellem Besitz hat in vielen die Nächstenliebe und das Interesse für geistige Dinge verdrängt. Die Moral ist gesunken. Das geschäftige Stadtleben und die leicht zugängliche weltliche Unterhaltung haben allgemein die Lesegewohnheiten der Menschen zum Nachteil verändert.
Die meisten Bewohner Finnlands gehören zwar nach wie vor der evangelisch-lutherischen Kirche an, wenngleich diese kürzlich von einigen Krisen geschüttelt wurde. Nach langen innerkirchlichen Auseinandersetzungen dürfen seit 1986 auch Frauen Geistliche werden. Viele Geistliche haben in der Öffentlichkeit deutlich werden lassen, daß sie nicht wirklich an die Bibel, ihre Lehren und sittlichen Grundsätze, glauben. Aufrichtige Personen sind über diese Entwicklung bestürzt. Aber das Volk Jehovas hat die christlichen
Grundsätze entschlossen verteidigt, wodurch sie sich von anderen Religionen unterscheiden. Viele Menschen sehen den Unterschied. Wenn sie mit Jehovas Zeugen die Bibel studieren, wird ihnen geholfen, das wirkliche Licht der Wahrheit zu sehen.Vor acht Jahrhunderten, als die Kreuzfahrer durch Finnland zogen, brachten sie sicher nicht die gute Botschaft von Gottes Königreich und das Licht der biblischen Wahrheit mit. In unserem 20. Jahrhundert hat jedoch Jehova den Sieg errungen, und seine Prophezeiungen haben sich erfüllt, und die gute Botschaft wird von seinen fleißigen, tatkräftigen Zeugen verkündet. Die mehr als 17 000 friedliebenden Königreichsverkündiger lassen heute überall in diesem Land mit Tausenden von Inseln, unzähligen kristallklaren Seen und saftgrünen Wäldern die Wahrheit erstrahlen.
[Fußnote]
^ Abs. 79 Otto Mäkeläs Lebensbericht ist im Wachtturm vom 15. Januar 1968, Seite 53—58 erschienen.
[Übersicht auf Seite 191]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Finnland
Verkündigerhöchstzahl
20 000
17 303
13 426
10 620
8 290
4 354
1950 1960 1970 1980 1989
Pioniere (Durchschnitt)
3 000
2 037
952
671
285
207
1950 1960 1970 1980 1989
[Kasten/Karte auf Seite 139]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
NORWEGEN
SCHWEDEN
Nördlicher Polarkreis
Bottnischer Meerbusen
FINNLAND
Ivalo
Sodankylä
Rovaniemi
Oulu
Iisalmi
Vaasa
Kuopio
Pori
Kuhmoinen
Tampere
Mäntyharju
Hämeenlinna
Lahti
Turku
Kotka
Vantaa
Helsinki
Hangö
SOWJETUNION
[Kasten]
Hauptstadt: Helsinki
Amtssprachen: Finnisch und Schwedisch
Hauptreligion: evangelisch-lutherisch
Bevölkerung: 4 954 000
Zweigbüro: Vantaa
[Bild auf Seite 141]
Emil Österman war der erste Zeuge in Finnland
[Bild auf Seite 143]
Kaarlo Harteva, der dem Werk einen kraftvollen Start verlieh
[Bilder auf Seite 147]
Das erste Zweigbüro in Helsinki. „Saarnoja kansalle“, eine der ersten Publikationen in Finnisch.
[Bild auf Seite 150]
Joseph F. Rutherford im Kaisaniemipark, als er 1913 seinen ersten Vortrag im Freien hielt
[Bild auf Seite 154]
Eero Nironen, der ungefähr 60 Jahre als Übersetzer diente
[Bild auf Seite 157]
Otto Mäkelä, der viele Jahrzehnte im reisenden Dienst stand und im Zweigbüro diente
[Bild auf Seite 161]
William Dey, Aufseher des nordeuropäischen Büros
[Bild auf Seite 164]
Brüder im Predigtdienst mit Grammophonen und Megaphonen
[Bild auf Seite 170]
Kalle Salavaara lernte die Wahrheit in einem Militärkrankenhaus kennen
[Bild auf Seite 176]
Ein Informationsmarsch in Helsinki, bei dem im April 1945 ein öffentlicher Vortrag angekündigt wurde
[Bild auf Seite 181]
N. H. Knorr und M. G. Henschel 1955 bei einem ihrer vielen Besuche zur Ermunterung der Brüder
[Bilder auf Seite 185]
Das finnische Zweigbüro mit Ansicht des Bethel-Foyers
[Bild auf Seite 186]
Das gegenwärtige Zweigkomitee, von links: H. Kankaanpää, V. Leinonen, E. Kankaanpää, K. Kangas, J. Ropponen