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Thailand

Thailand

Thailand

Jahrbuchbericht 1991

FÜR Frank Dewar aus Neuseeland war es nichts Neues, Schwierigkeiten zu überwinden. Schließlich gehörte er zu der siebenköpfigen Mannschaft des 16 m langen Schiffs Lichtträger, mit dem sie Mitte der 30er Jahre den Südpazifik durchsegelten. Während der vorangegangenen sechs Jahre war er, angetrieben von dem Feuereifer eines Missionars, durch Neuseeland gezogen und nach Australien, Tahiti und Rarotonga (Cookinseln) gesegelt. Er hatte eine Botschaft zu überbringen, die Botschaft von Gottes Königreich. Und er machte sie weit und breit bekannt. Er begnügte sich nicht damit, auf den Inseln der Südsee zu predigen, sondern sein nächstes Ziel war das kalte Sibirien. Was tat er also im Juli 1936, einem feuchtheißen Monsunmonat, im Alter von 27 Jahren in der fremden Stadt Bangkok, wo er niemand kannte und sich nicht unterhalten konnte, weil er die Landessprache nicht beherrschte?

Das Zweigbüro der Watch Tower Society in Australien hatte ihn und seine sechs Partner, alles Pioniere oder Vollzeitprediger, gebeten, sich als Predigtdienstgebiet ein Land im Fernen Osten auszusuchen. Frank entschied sich für Siam, das heutige Thailand, denn er dachte, das sei der Sowjetunion am nächsten.

Von Australien aus segelte die Lichtträger mit sieben mutigen Pionieren an Bord nach Singapur. Nachdem die Brüder dort und in Kuala Lumpur (Malaya, heute ein Teil von Malaysia) einige Zeit gepredigt hatten, packte Frank seine Sachen, kaufte sich eine Fahrkarte, und mit nur fünf Dollar in der Tasche setzte er sich in einen Zug nach Bangkok, wo er am 22. Juli 1936 ankam.

Die Bahnfahrt nach Bangkok war lang und ermüdend. Es war furchtbar schwül und das Nachtlager schmal. Aber offensichtlich kümmerte sich Jehova um den jungen Frank, denn vor ihm lag eine große Aufgabe. Frank war jedoch nicht der erste, der die gute Botschaft nach Siam brachte. Das war Claude Goodman.

Thailand wurde 1931 zum erstenmal mit der guten Botschaft erreicht, und zwar, als der Engländer Claude Goodman die Hauptstadt Bangkok besuchte. Im Jahre 1929 hatte er in Indien den Pionierdienst aufgenommen. Er predigte in Ceylon (heute Sri Lanka), Birma (heute Myanma) und Malaya. In Penang mußte er auf ein Schiff nach Kalkutta (Indien) warten. Um die gelegene Zeit auszukaufen, machte er mit dem Zug einen Abstecher nach Bangkok und predigte dort etwa eine Woche von Haus zu Haus. Er konnte bei interessierten Personen eine Menge Literatur in Englisch zurücklassen. Claude hatte keine Ahnung, wie schwer es sein würde, bei den Thailändern das Interesse wachzuhalten. Wie kann man diese Menschen und ihr Land beschreiben?

Das „Land des Lächelns“

Hast du schon einmal etwas vom „Land des Lächelns“ gehört? Oder vielleicht besitzt du eine Siamkatze. Und bestimmt weißt du, was siamesische Zwillinge sind. Diese Bezeichnungen stehen mit dem thailändischen Königreich, einem exotischen Land in Südostasien, in Zusammenhang.

Thailand ist etwa so groß wie Frankreich und grenzt im Westen an Myanma, im Norden und Nordosten an Laos, im Osten an Kambodscha (Kamputschea) und im Süden an Malaysia. Seine 56 Millionen Einwohner erfreuen sich das ganze Jahr über an einem tropischen Klima. Die weiten fruchtbaren Ebenen, besonders im zentralen Teil des Landes, und das für das Wachstum ideale Klima machen Thailand sozusagen zu einer natürlichen Reisschüssel. In den über 2 600 km langen Küstengewässern des Golfs von Thailand und der Andamanensee (ein Randmeer des Indischen Ozeans) wimmelt es von Fischen und anderen Meerestieren.

Indien und hauptsächlich China haben in Thailand ihre Spuren hinterlassen. Von Indien aus brachten Händler die hinduistische und die buddhistische Religion mit, die sich im „Land des Lächelns“ ausbreiteten. Und vor über 1 000 Jahren begannen Leute aus China südwärts zu ziehen. Deshalb können viele Thailänder ihre Abstammungslinie bis in die Zeit der Einwanderer aus Südchina zurückverfolgen.

Seit 1939 heißt das Land offiziell Thailand, was auf die Freiheitsliebe der Thai anspielt. Inwiefern? „Thailand“ bedeutet „Land der Freien“. Während aus den meisten benachbarten Ländern im Laufe der vorangegangenen Jahrhunderte Kolonien gemacht wurden, konnte Thailand seine politische Unabhängigkeit bewahren. Eine andere Art der Freiheit war in diesem Land jedoch lange Zeit unbekannt. Doch dann kamen Claude Goodman und Frank Dewar. Von da an wurden immer mehr Angehörige der nichtchristlichen Bevölkerung eines Landes, das im „entferntesten Teil der Erde“ liegt, frei gemacht (Apg. 1:8).

In religiöser Hinsicht ein entfernter Ort

Seit den Anfängen dieser Nation im 13. Jahrhundert ist Thailand ein buddhistisches Land. Etwa 95 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten, vier Prozent bekennen sich zum Islam, und weniger als ein Prozent geben vor, Christen zu sein. Der Buddhismus Thailands ist der Therawada- oder Hinajana-Buddhismus, der sehr tolerant ist. Da die Leute allgemein glauben, alle Religionen seien gut, üben sie häufig die buddhistische und die konfuzianistische Religion gleichzeitig aus. Auch im Animismus sind sie noch immer tief verwurzelt. Und neben den vielen buddhistischen Praktiken wird noch der Brahmanismus ausgeübt.

Gemäß dem Buddhismus wirken sich vergangene Taten auf das gegenwärtige Leben aus. Da sich die buddhistische Philosophie kaum mit der Existenz eines übermenschlichen Wesens auseinandersetzt, fühlen sich Buddhisten keinem höheren Wesen gegenüber verantwortlich. Ihrer Ansicht nach können sie nur durch eigene Anstrengung Erkenntnis und Erleuchtung erlangen. „Herr Buddha“, so wird er von den Thailändern respektvoll genannt, hat weder etwas über Gott gelehrt noch dessen Existenz geleugnet.

Angesichts des religiösen Milieus ist Thailand tatsächlich ein ferner Ort, was die biblische Wahrheit betrifft. Die ersten Missionare der Christenheit kamen zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert nach Thailand. Sie versuchten zwar, den Menschen die Bibel näherzubringen, aber sie halfen ihnen nicht, ‘die Wahrheit zu erkennen, die sie frei machen würde’ (Joh. 8:32). Darauf mußten die Thailänder bis weit ins 20. Jahrhundert hinein warten, bis Leute wie Frank Dewar kamen.

Eine Freiheitsbotschaft erreicht Thailand

Bruder Dewar kam es so vor, als schliche der Zug die 1 500 km von Kuala Lumpur nach Bangkok im Schneckentempo dahin. Aufreibende 36 Stunden mußte er in dem überfüllten Abteil dritter Klasse aufrecht sitzen. „Ich war wegen der Verletzungen, die ich einige Monate zuvor bei einem Unfall in Kuala Lumpur davongetragen hatte, noch ziemlich angeschlagen“, sagte er. „Aber Jehova kümmerte sich um mich durch seine Engel.“

Mit ihm im selben Zug reiste der Sohn eines ehemaligen thailändischen Botschafters am britischen Königshof. Als dieser erfuhr, warum Frank Dewar nach Thailand gehen wollte und daß sein ganzes Vermögen aus etwa fünf Dollar bestand, sorgte er einige Zeit für Frank. Auf diese Weise konnte dieser im neuen Land festen Fuß fassen.

Frank begann sogleich damit, die biblische Botschaft zu verkündigen, die religiöse Freiheit bringen würde. In der verbleibenden Zeit des Jahres bearbeitete er große Teile der Geschäfts- und Wohnviertel der Stadt, wobei er sich auf die englisch- und die chinesischsprachige Bevölkerung konzentrierte. Damals gab es noch keine Literatur in Thai.

Weitere Pioniere aus dem Ausland

Auf einer Fahrt nach Malaya begegnete Frank später einem fröhlichen deutschen Pionier von hohem Wuchs. Es war Willy Unglaube aus der ostpreußischen Stadt Königsberg (Ostpreußen gehörte damals noch zu Deutschland). Als eifriger und abenteuerlustiger Pionier hatte Willy schon in mehreren Ländern die gute Botschaft verkündigt, u. a. in Frankreich, Algerien und Spanien sowie auf Korsika. Anläßlich eines Kongresses in Luzern (Schweiz) hatte der damalige Präsident der Watch Tower Society, Joseph F. Rutherford, Willy und seinem Partner Kurt Gruber geraten, wegen des Bürgerkrieges in Spanien woanders zu predigen. Sie sahen im Jahrbuch nach, wo Pioniere gebraucht wurden, und entschieden sich dann für Singapur, Malaya und Thailand. Als Frank Dewar also Anfang 1937 nach Thailand zurückkam, wurde Willy Unglaube sein Partner, während Kurt Gruber in Malaya blieb.

Im Jahre 1938 bekamen diese hart arbeitenden Pioniere in Thailand noch einen weiteren Pionierpartner. Es war John Edward (Ted) Sewell, ein junger Australier. Ted war noch recht neu in der Wahrheit; zwei Jahre zuvor hatte er sich erst taufen lassen. Aber als Bruder Rutherford 1938 auf dem Kongreß in Sydney den Ruf nach Brüdern ergehen ließ, die in Ländern des Fernen Ostens dienen sollten, zögerte Ted nicht, dem Ruf zu folgen. Wie so viele andere dieser frühen Pioniere sagte er sogleich: „Hier bin ich! Sende mich“ (Jes. 6:8).

Im September 1939, als Kurt Gruber in Penang Predigtdienst verrichtete, unterrichtete ihn ein freundlicher Polizist davon, daß Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt habe und alle deutschen Staatsbürger, die sich auf britischem Territorium befänden, während des Krieges interniert würden. Er gab Bruder Gruber den Rat, Malaya unverzüglich zu verlassen. Kurt sprang in sein Auto, raste zu seiner Wohnung, um seine Habseligkeiten abzuholen, und mit Hilfe des Beamten konnte er die Kontrollpunkte problemlos passieren. Er schaffte es, ein Ticket für die Überfahrt nach Bangkok auf einer chinesischen Dschunke zu bekommen; sein Auto wurde allerdings unter einem riesigen Kokosnußhaufen begraben. Wie groß war die Freude, daß jetzt vier Pioniere im ausgedehnten Feld Thailands tätig waren!

Pionierdienst und Wanzen

Die Verkündigung der guten Botschaft war keineswegs leicht. Obwohl die Thailänder im allgemeinen nette und gastfreundliche Menschen sind, hatten in der damaligen Zeit, als der Tourismus dort noch nicht so florierte, nur sehr wenige direkten Kontakt mit Ausländern. Deshalb waren sie im Umgang mit ihnen nicht sehr mitteilsam. Die Sprachbarriere vergrößerte noch das Problem, denn die Pioniere sprachen nur sehr wenig Thai. Auch die von ihnen angebotenen Publikationen waren ausländisch, sowohl der Inhalt als auch die Sprache, in der sie gedruckt waren.

Hinzu kamen die Schwierigkeiten durch das religiöse Umfeld und die Denkweise der Leute. Da die Thailänder mit ihrer eigenen Religion — sie ist tolerant und recht bequem — zufrieden sind, suchen sie gewöhnlich nicht nach etwas Besserem; sie sehnen sich auch nicht nach einem Messias, der Rettung bringt.

Aufgrund der Zustände dort mußten die Pioniere mit wenigen materiellen Dingen zufrieden sein und auf gewohnte Bequemlichkeiten verzichten. Sie mußten für ihren Unterhalt selbst aufkommen; so konnten sich zum Beispiel diese umherziehenden Pioniere nicht die Unterkünfte leisten, die sich gewöhnlich die Ausländer suchten, die dort geschäftlich unterwegs waren. Wenn ein Pionier in einer neuen Stadt ankam, übernachtete er in einem billigen Hotel, das meistens von einem Chinesen betrieben wurde. Frank Dewar erinnert sich:

„Am Bahnhof, Omnibusbahnhof oder an einer Anlegestelle mietete ich eine Rikscha für mich selbst und eine zweite für meine vielen Kartons mit Büchern. Für vielleicht 25 Stangs (damals etwa 10 Cent) wurde ich zu einem kleinen Hotel gefahren. Ich suchte dann den Portier auf und mietete mich ein. Der Mann gab mir ein Petroleumlämpchen und forderte einen Zimmerjungen auf, mich mitzunehmen. Der Junge zeigte mir das Zimmer, gab mir ein kleines Handtuch und sagte mir, wo das Bad und die Toilette waren. Wenn er fort war, goß ich jeweils den Inhalt der Petroleumlampe über das Bett, um die Scharen von Wanzen abzuschrecken, die sich darauf tummelten, füllte die Lampe wieder, badete, aß, las etwas und schlüpfte dann unter das Moskitonetz. Schweißgebadet schlief ich schließlich in dem winzigen muffigen Raum ein.“

Das Reisen in jenen Tagen war auch so eine Sache. Ein Pionier beschrieb eine Bahnfahrt von Bangkok zur nördlichen Stadt Chiang Mai folgendermaßen: „[Wir] mußten die ganze Nacht auf der Plattform [eines Wagens] stehen, denn es war kein Platz zum Sitzen mehr frei. Aber nicht nur das, auch die Gänge waren durch Taschen und Körbe, in denen sich zum Teil Enten und Hühner befanden, mit Beschlag belegt, und auf dem Gepäck hockten noch Leute. Als wir weiter in den Norden kamen, wurden wir an jeder Station mit Wasser bespritzt, denn es war die Zeit des Wasserschüttfestes, das bei den Thailändern sehr beliebt ist. In der Trockenzeit reist man in ländlichen Gegenden mit dem Bus; aber wir mußten feststellen, daß auch die Busse ständig mit Menschen und lebender Ware vollgestopft waren. Manchmal mußten wir alle aussteigen, um eine Ladung Reis aufzunehmen. Danach kletterten wir, so gut es ging, wieder hinein; wir mußten eben das Beste aus einer solchen Situation machen.“

Die Gebete, einen Übersetzer zu finden, erhört

In jenen anfänglichen Jahren wurde viel Samen der Königreichswahrheit auf das thailändische Feld ausgestreut, und zwar in der Hauptstadt und auch in den Provinzen. In den vier Monaten, in denen Bruder Dewar die nördlichen Städte bearbeitete, konnte er bei den Leuten 2 491 Bücher und Broschüren zurücklassen. Im Dienstjahr 1939 verbreiteten die drei Pioniere insgesamt 4 067 gebundene Bücher und 14 592 Broschüren, und sie nahmen 113 Abonnements auf. Es stand ihnen aber nur Literatur in Englisch, Chinesisch oder Japanisch zur Verfügung. Damals gab es noch keine Publikationen in Thai, ausgenommen die Broschüre Schutz, die ein Student für einen englischen Büchersatz übersetzt hatte.

Die Pioniere waren der Ansicht, daß unbedingt ein Übersetzer benötigt wurde, einer, der Gott hingegeben war und der den glühenden Wunsch hegte, die kostbaren Wahrheiten über Jehova und sein Königreich dem thailändischen Volk zugänglich zu machen. Bruder Unglaube schrieb Bruder Rutherford, daß sie keinen Übersetzer hätten. Darauf antwortete Bruder Rutherford: „Ich bin nicht in Thailand; Ihr seid dort. Vertraut auf Jehova, und arbeitet fleißig. Dann werdet Ihr schon einen Übersetzer finden.“ Die Pioniere hatten Glauben und bewiesen Ausharren, und Jehova enttäuschte sie nicht.

Im Dezember 1939 reisten Kurt Gruber und Willy Unglaube nordwärts nach Chiang Mai, und dort fanden sie einen Übersetzer: Chomchai Inthaphan. Ihre Gebete waren erhört worden. Damals war Chomchai die Rektorin einer presbyterianischen Mädchenschule. Sie hatte an der Universität Manila auf den Philippinen studiert und konnte demnach gut Thai und Englisch. Außerdem liebte sie Gott sehr und hatte den aufrichtigen Wunsch, ihm zu dienen. So erkannte sie bald, daß die beiden Pioniere die Wahrheit verkündigten.

Trotz des Widerstandes, den ihr die presbyterianischen Missionare entgegenbrachten, und trotz verlockender Angebote von der Schulbehörde reichte Chomchai ihre Kündigung ein und trat aus der Kirche aus. * Sie arbeitete zwar bis zum Jahresende noch weiter in der Schule, aber trotzdem fing sie sogleich mit der Übersetzung des Buches Rettung an. Als später in Bangkok ein Zweigbüro eröffnet wurde, gehörte Chomchai zu den ersten Gliedern der Bethelfamilie. Viele Jahre übernahm sie alle anfallenden Übersetzungsarbeiten. Sie hatte auch Katzen sehr gern und brachte deshalb ihre Siamkatze mit ins Bethel. Obwohl sie durch verschiedene Krankheiten in den letzten zehn Jahren ihres Lebens gesundheitlich sehr angeschlagen war, setzte sie ihren Dienst treu fort, bis sie 1981 im Alter von 73 Jahren starb.

Die ersten einheimischen Verkündiger

Wahrscheinlich hatten Bruder Gruber und Bruder Unglaube, noch ehe sie 1939 nach Chiang Mai kamen, die nördlichen Städte Phrae und Nan bearbeitet. In Phrae erwarb eine Krankenschwester die Broschüren Heim und Glück und Schutz und gab sie ihrer Freundin Buakhieo Nantha, einer Krankenschwester in Nan, mit der Bemerkung, die beiden Ausländer würden bald nach Nan kommen. Buakhieo war zwar als Buddhistin erzogen worden, war aber zwei Jahre zuvor, nachdem sie in einem presbyterianischen Internat gewohnt und in einem kirchlichen Krankenhaus in Chiang Mai eine Ausbildung als Krankenschwester erhalten hatte, der presbyterianischen Kirche beigetreten. Sie las die Broschüren mit großem Interesse. Als dann die beiden Pioniere nach Nan kamen, war sie zu einem Bibelstudium bereit.

Als Buakhieo zur Weiterbildung nach Chiang Mai geschickt wurde, traf sie wiederum Kurt und Willy, die dort mit einer Gruppe Interessierter regelmäßig Zusammenkünfte abhielten. Chomchai hatte die Pioniere dem Rektor einer presbyterianischen Schule, Kham-ai Chaiwan, vorgestellt. Nachdem sie die Lehre von der Dreieinigkeit, der Hölle und der Seele besprochen hatten, erkannte er, daß Jehovas Zeugen die Wahrheit lehren, nach der er gesucht hatte. Er erbarmte sich der beiden Brüder und forderte sie auf, das Hotel zu verlassen und zu ihm zu ziehen. In der Wahrheit machte er gute Fortschritte. Als sein Arbeitgeber Druck auf ihn ausübte, um ihn zu veranlassen, von biblischen Grundsätzen abzuweichen, blieb er standhaft, obwohl er dadurch seine Arbeitsstelle und sein Anrecht auf eine Pension verlor.

Nach vier Jahren harter Arbeit begannen die Bemühungen der vier ausländischen Pioniere Früchte zu tragen. Im Jahre 1940 ließen sich Buakhieo Nantha, Chomchai Inthaphan, Chomchais leibliche Schwester Kaeomalun sowie Kham-ai Chaiwan und seine Frau Buakhieo als die ersten einheimischen Zeugen Jehovas in Thailand taufen.

Von einem Verwandten zum andern

So, wie die ersten Nachfolger Jesu voller Eifer ihren Verwandten erzählten, daß sie den Messias gefunden hätten, so zögerten auch diese neuen Jünger nicht, mit ihren Angehörigen und Freunden über die gute Botschaft zu sprechen. (Vergleiche Johannes 1:14.) Bruder Kham-ai hatte einen Verwandten, Kham Raksat, der in der Kirche in San Kamphaeng — unweit von Chiang Mai — Ältester war; dieser hatte sogar die Kirche gebaut. Wie Kham-ai suchte auch Kham aufrichtig nach der Wahrheit. Er lud Kurt, Chomchai und ihre Schwester Kaeomalun ein, in seiner Kirche zu predigen und die Bibel zu erklären. Die presbyterianischen Missionare waren darüber so erbost, daß sie einige Lehrer aufstachelten, die Zeugen wegzujagen. Als Folge dieses unchristlichen Verhaltens war Kham nun entschlossener denn je, sein Bibelstudium mit Jehovas Zeugen fortzusetzen. Einige Jahre später wurde in San Kamphaeng eine Versammlung gegründet. Kham wurde der vorsitzführende Aufseher, und voller Stolz brachte er ein Schild mit der Aufschrift „Königreichssaal der Zeugen Jehovas“ an seinem Haus an. In späteren Jahren nahmen viele Glieder der Familie Chaiwan und der Familie Raksat die Wahrheit an.

Nach langen angeregten Gesprächen konnten Chomchai und Kaeomalun ihre Mutter von der Wahrheit überzeugen. Wie viele andere der ersten Zeugen Jehovas in Thailand war die Mutter früher eine Namenchristin und in der Ortskirche in Ban Paen — etwa 30 km südlich von Chiang Mai — sehr aktiv gewesen. Ihr Kirchenaustritt erregte im ganzen Dorf Aufsehen. Aber ihre Entschlossenheit und ihr Mut wirkten sich positiv aus, denn mehrere Personen im Dorf nahmen die Wahrheit an, und mit der Zeit konnte eine Versammlung gegründet werden.

Die Mutter Chomchais überbrachte die Wahrheit den Angehörigen ihrer Cousine, die in Chom Thong wohnten, einem Gebiet in der Provinz Chiang Mai, wo sich später eine weitere Gruppe von Zeugen Jehovas bildete.

Die ersten Personen, die auf das Predigen der guten Botschaft in Thailand — besonders im nördlichen Teil des Landes, wo es in mehreren Städten und Dörfern protestantische Gruppen gab — günstig reagierten, waren also Personen aus der Christenheit. Es sollte aber noch einige Zeit vergehen, bis der erste Buddhist die biblische Wahrheit annehmen würde.

Trotz des Zweiten Weltkrieges wird das Werk fortgesetzt

Da Thailand zu Anfang des Zweiten Weltkrieges neutral war, konnten die ausländischen Pioniere und die einheimischen Verkündiger mit ihrem Predigtdienst ungehindert fortfahren. Während Kurt Gruber und Willy Unglaube in den nördlichen Provinzen begeisternde Erfahrungen machten, blieb Ted Sewell in der Hauptstadt, wo sich ihm eine Familie aus Sri Lanka, die die Bibel studierte, im Predigtwerk anschloß. Als Schwester Chomchai 1941 nach Bangkok zog, wurde sie von dieser Familie freundlicherweise aufgenommen. Mit der Zeit bekundeten auch andere, vornehmlich Chinesen, Interesse, und es wurde eine Versammlung gegründet.

Edith Mungsin, jetzt in den Achtzigerjahren, erinnert sich noch an ihre erste Begegnung mit der Versammlung in Bangkok. Sie erzählt: „In einer protestantischen Schule kam ich mit der Bibel in Berührung. Nachdem unser Vater — er war Engländer — im Ersten Weltkrieg sein Leben lassen mußte, wohnten meine drei Schwestern und ich in einem protestantischen Internat in Chiang Mai, wo wir auch Bibelunterricht erhielten. Ich lernte also die Geschichte Jesu von meiner Kindheit an kennen, und ich begann ihn von ganzem Herzen zu lieben und zu achten. Aber ich hatte noch viele Fragen bezüglich der Bibel, auf die ich keine Antwort erhielt, denn ich war zu schüchtern, um jemand zu fragen. Wir Schüler hatten nämlich Angst vor den Lehrern. Später lebte ich einige Zeit in Singapur, kehrte aber 1941 nach Thailand zurück. Auf meiner Fahrt nach Chiang Mai besuchte ich auch Kham-ai Chaiwan, denn ich erinnerte mich daran, daß er zu denen gehörte, die die presbyterianische Gemeinde dort leiteten. Ich hatte wenig Zeit, denn ich wollte den Zug nicht verpassen, der am selben Tag nach Bangkok fuhr, und so hatte er kaum Gelegenheit, mit mir über die Wahrheit zu sprechen. Er gab mir aber drei Broschüren und empfahl mir dringend, sie zu lesen.

Im Zug zog ich schnell die Broschüren heraus und las sie ganz durch. Ich war begeistert, wie die biblischen Themen erklärt wurden, doch ich war auch überrascht, denn alles war ganz anders als das, was ich in der Schule gelernt hatte. Da ich die Wahrheit herausfinden wollte, suchte ich in Bangkok nach Jehovas Zeugen. Als ich ihre Zusammenkunftsstätte fand, hatten sie gerade eine Bibelstunde. Ich setzte mich und hörte zu. Eine der zwölf Anwesenden kannte ich sehr gut: Chomchai, die an der Schule, die ich besucht hatte, Lehrerin gewesen war. Wir freuten uns, uns hier wiederzusehen.

Da mein Bibelwissen und -verständnis zunahmen, ging ich nicht mehr in die Kirche. Ich trug auch keine Kette mehr mit einem Kreuz um den Hals. Zwei Älteste der Kirche besuchten mich zu Hause und wollten mich für die Kirche zurückgewinnen. Sie sagten: ‚Glauben Sie nicht, was diese falschen Zeugen sagen!‘ Ich erwiderte: ‚Ich möchte erst die Bibel studieren und mich selbst überzeugen. Wenn das, was Jehovas Zeugen lehren, verkehrt ist, kehre ich in Ihre Kirche zurück.‘ Sie kamen nie wieder.“

Die japanische Invasion bringt Not über Thailand

Der Zweite Weltkrieg tobte weiter, und Japan dehnte seinen Einfluß in Asien und in Gebieten des Pazifiks aus, und so bekam auch Thailand die Härten des Krieges zu spüren. George Powell, ein Australier, der sich vor dem Verbot des Werkes in Singapur um das dortige Literaturdepot der Gesellschaft gekümmert hatte und nach Thailand gezogen war, erinnert sich noch, wie eines Morgens (im Dezember 1941) Schwester Chomchai die Treppen heruntergelaufen kam und ausrief: „Jetzt ist’s passiert!“ Ja, im Radio war soeben bekanntgegeben worden, daß die Japaner mit ihrem Einmarsch in Thailand begonnen hatten. Obwohl die japanischen Streitkräfte am gewohnten Tagesablauf der Thailänder nicht viel änderten, verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse immer mehr. (Die berüchtigte Brücke über den Kwai [Khwae Noi] und die „Todesbahnlinie“ wurden von ausländischen Kriegsgefangenen gebaut.) Und die Besetzung durch eine fremde Macht, die mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündet war, hatte zwangsläufig auch auf das Predigtwerk der Zeugen Jehovas einen Einfluß.

Im Jahre 1941 wurden zwei deutsche Pioniere, Hans Thomas und Wolfhelm Fuchs, dem damals noch neutralen Thailand zugeteilt, nachdem sie in Niederländisch-Ostindien (jetzt Indonesien) tätig gewesen waren. George Powell schloß sich ebenfalls den Brüdern in Thailand an. Nach Beginn der japanischen Invasion bereitete man allen ausländischen Pionieren in ihrem Predigtdienst Schwierigkeiten, und zwar entweder weil sie Staatsbürger eines Landes waren, mit dem Japan oder sein Verbündeter, Deutschland, Krieg führte, oder weil sie die Staatsbürgerschaft des Verbündeten Japans hatten, der Jehovas Zeugen heftigen Widerstand entgegenbrachte. In Japan selbst waren die Zeugen schon seit mehreren Jahren verboten.

Einige Tage nach der Invasion forderten die japanischen Behörden die thailändische Polizei auf, George Powell und Ted Sewell festzunehmen und in ein Internierungslager in Bangkok einzuliefern. Dort mußten sie die restlichen drei Jahre und acht Monate, die der Krieg noch anhielt, zubringen. Im Jahre 1942 wurden die Deutschen — Kurt Gruber, Hans Thomas und Wolfhelm Fuchs — inhaftiert und die Publikationen im Literaturdepot beschlagnahmt. Willy Unglaube entging einer Festnahme, da er sich gerade im Norden des Landes aufhielt. Die japanischen Behörden setzten zwar alles daran, um ihn zu finden, doch sie konnten ihn nicht fassen.

Die einheimischen Verkündiger ließ man größtenteils unbehelligt. Wenn sie aber von Haus zu Haus predigten — besonders in Bangkok —, folgten ihnen Männer der japanischen Geheimpolizei. Verließ ein Verkündiger ein Haus, so gingen sie hinein und befragten den Wohnungsinhaber eingehend, und manchmal versuchten sie sogar, ihn einzuschüchtern.

Als Schwester Chomchai und Schwester Buakhieo einmal in der nördlichen Stadt Nan predigten, geschah folgendes: Polizisten durchsuchten die Taschen der Schwestern und brachten die Frauen zur Polizeiwache. Auch ein Ältester der Ortskirche, Duangkaeo Jarityonphan, mit dem sie mehrere Gespräche geführt hatten, wurde festgenommen. Chomchai und Buakhieo wurden tagelang in polizeilichem Gewahrsam gehalten, ehe ihr Fall aufgeklärt wurde. Anscheinend hatte ein katholischer Geistlicher, dem ihre Predigttätigkeit ein Dorn im Auge war, sie fälschlicherweise beschuldigt, zur fünften Kolonne zu gehören. Übrigens nahm Duangkaeo, der Kirchenälteste, später die Wahrheit an.

Isoliert, aber versorgt

Die deutschen Pioniere wurden nach ihrer Festnahme von dem japanischen Militär in Haft behalten. Drei Tage und drei Nächte wurden sie ununterbrochen verhört und brutal geschlagen. Die Beamten forderten sie auf, ein japanisches Schriftstück, das sie ihnen nicht übersetzten, zu unterschreiben. Als die Brüder sich weigerten, schrie ein Beamter wütend: „Es ist uns egal, was Sie über das Königreich des Himmels sagen, aber die Erde wird von den Japanern regiert werden!“

Hans Thomas erzählt: „Da wir keine Nationalsozialisten waren, machte die deutsche Botschaft für uns keinen Finger krumm. Man sagte uns sogar: ‚Sie wissen, was mit Ihnen in Deutschland passieren würde!‘ Nachdem wir wochenlang im Militärgefängnis zugebracht hatten, stellten wir an die zuständige thailändische Behörde ein Gesuch und baten, unsere Interessen zu vertreten. Schließlich waren wir auf legalem Wege nach Thailand gekommen, um als Missionare tätig zu sein, und das mit der Genehmigung der Regierung. Da wir uns gegenüber der thailändischen Regierung nicht ungesetzlich verhalten hatten, sahen wir keinen Grund, warum die japanische Militärbehörde uns weiter festhalten wollte. Thailand war als ein Land bekannt, dessen Bürger Freiheit genossen, und von Rechts wegen stand es nicht unter japanischer Herrschaft, sondern verhandelte nur freundschaftlich mit Japan. Deshalb baten wir darum, der thailändischen Regierung übergeben zu werden. Schließlich wurde unserem Gesuch entsprochen.“

Die Pioniere wurden zur Dienststelle der zentralen Ermittlungsbehörde in Bangkok gebracht und dort festgehalten. Die Brüder am Ort konnten sie besuchen und mit dem Lebensnotwendigen versorgen. Während ihres Aufenthalts dort ging ein Bericht über den Fall der Schwestern ein, die in Nan verhaftet worden waren. Der für diesen Fall verantwortliche Beamte bearbeitete auch den Fall der deutschen Brüder. Als er den Bericht aus Nan durchsah, sagte er: „Oh, Chomchai! Der Wachtturm! Diese Leute kenne ich. Sie sind nicht gefährlich.“ Es wurde eine Nachricht nach Nan geschickt, die besagte, daß die Zeugen Jehovas freigelassen werden sollten und das Ermittlungsverfahren gegen sie eingestellt werden sollte. Auch Kurt, Hans und Wolfhelm wurden kurz danach auf freien Fuß gesetzt. Übrigens hatte der obenerwähnte Beamte die Brüder in Bangkok kurz zuvor aufgesucht, damit sie mit ihm die Bibel studierten.

Die deutschen Pioniere wurden noch in anderer Hinsicht versorgt. Da alle Verbindungen zu Jehovas Organisation unterbrochen waren, waren sie sozusagen auf sich gestellt. Gleichzeitig mußten sie sehr vorsichtig sein, damit sie von den japanischen Behörden nicht gefaßt wurden. Einige Monate vor der japanischen Invasion hatten die Pioniere mit dem Manager einer Schweizer Import- und Exportfirma die Bibel studiert. Dieser freundliche Mann kam ihnen zu Hilfe und stellte sie auf Provisionsbasis als Verkäufer von Schreibwaren ein. Das war eine geeignete Arbeit für sie. Auf diese Weise konnten sie sich einerseits ihren täglichen Unterhalt beschaffen, andererseits aber auch genug Geld zusammensparen, um Broschüren drucken zu lassen. Ihr Literaturvorrat ging nämlich langsam zur Neige. Und wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftraten, konnten sie schnell einige Schreibwaren aus ihren großen Taschen herauskramen.

Die beiden australischen Pioniere, die interniert waren, wurden auch nicht „im Stich gelassen“ (2. Kor. 4:9). George Powell erzählt: „Unsere treuen deutschen Brüder und unsere ergebenen thailändischen Schwestern haben uns in jenen Tagen der Ungewißheit nie enttäuscht. Das Obst, das sie brachten, haben wir gern angenommen, aber die gegenseitige Ermunterung hat uns noch mehr erquickt. Das machte unser Leben erträglicher, und wir konnten Hoffnung schöpfen.“

Was unternahmen die Brüder, als durch die japanische Besatzung jegliche Versorgung mit geistiger Speise unterbrochen war? Sie führten weiterhin regelmäßig ihre Zusammenkünfte durch, auch das wöchentliche Wachtturm-Studium. Wenn keine neuen Wachtturm-Ausgaben mehr vorhanden waren, betrachteten sie ältere, und zwar in umgekehrter Reihenfolge. „Die letzte Ausgabe, die wir erhalten hatten, war Der Wachtturm vom November 1941 mit dem Artikel ‚Demon Rule Ending‘ (Die Dämonenherrschaft endet)“, erinnert sich Bruder Thomas. „Von dieser Ausgabe an haben wir die Wachttürme älteren Datums mehrere Jahre lang in umgekehrter Reihenfolge studiert, und wir hofften, daß der Krieg eines Tages enden würde und wir mit der Gesellschaft wieder Kontakt aufnehmen könnten. Über vier lange Jahre vergingen. Wir studierten gerade einen Wachtturm aus dem Jahre 1936, als neue Zeitschriften eintrafen.“

Für die Nachkriegstätigkeit gestärkt

Am 24. November 1945, vier Jahre nachdem der Kontakt mit der Gesellschaft unterbrochen worden war — fast auf den Tag genau —, traf vom Büro des Präsidenten der Gesellschaft in Brooklyn (USA) ein Telegramm ein, in dem es hieß, daß das weltweite Predigtwerk größer sei als je zuvor. Nach der Kapitulation Japans im August und der darauffolgenden Freilassung von Bruder Powell und Bruder Sewell wurde das Literaturdepot an einen geeigneteren Ort verlegt, einen Ort, der groß genug war, um dort Zusammenkünfte durchzuführen. Mit Hilfe der thailändischen Behörden konnte ein Grundstück in der Soi Decho, einer Seitenstraße der Silom Road, gepachtet werden.

Vor und während des Krieges hatten die Pioniere fleißig den Samen der Wahrheit ausgestreut, so daß es jetzt eine Gruppe Interessierter gab. Es war daher 1946 höchste Zeit, daß die Brüder eine Literatursendung erhielten, u. a. auch das Buch Theokratische Hilfe für Königreichsverkündiger, das Jahrbuch und die Broschüre Organisations-Anweisungen. Die Pioniere verschlangen den neuen Lesestoff nur so, um das Versäumte nachzuholen und die neuen Informationen gleich an ihre interessierten Mitverbundenen weitergeben zu können. Mehrere Neue hatten den Predigtdienst aufgenommen, aber ihnen mußte ein noch besseres Verständnis über die theokratische Organisation vermittelt werden.

Die Pioniere arbeiteten fleißig und verausgabten sich völlig bei der Verbreitung der guten Botschaft mit Hilfe der eingetroffenen Literatur. Deshalb verbreiteten im Dienstjahr 1946 die 14 Verkündiger und Pioniere 14 183 Bücher und Broschüren und richteten 47 Heimbibelstudien ein. Welch eine Leistung für diese kleine Gruppe!

Ein Meilenstein war die Veröffentlichung des Wachtturms in Siamesisch (Thai), beginnend mit der Ausgabe vom 1. Januar 1947. Er erschien monatlich, und von jeder Ausgabe wurden mit dem Vervielfältigungsapparat 200 Exemplare hergestellt. Die thailändischen Brüder waren überglücklich, daß sie nun in ihrer eigenen Sprache regelmäßig feste geistige Speise erhielten. Jetzt brauchten sie im Wachtturm-Studium keinen Übersetzer mehr.

Der erste Besuch des Präsidenten

Im April 1947 besuchte der damalige Präsident der Watch Tower Society, Nathan H. Knorr, mit seinem Sekretär, Milton G. Henschel, Thailand zum erstenmal. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Kongreß abgehalten, der erste, der je in Thailand stattgefunden hatte. Den öffentlichen Vortrag „Freude für alles Volk“ hörten 275 Personen im Hörsaal der Chulalongkorn-Universität in Bangkok.

Der Vortrag wurde in der Presse ausführlich kommentiert. Zwei Zeitungen beschuldigten jedoch Bruder Knorr, er habe in seiner Ansprache die buddhistische Religion beleidigt. Da dies eine ziemlich heikle Angelegenheit war, untersuchten Beamte der CID den Fall sofort. Die Untersuchungen ergaben, daß nichts Beleidigendes gesagt worden war. Die Herausgeber der beiden Zeitungen entschuldigten sich öffentlich dafür, daß sie die Bürger Bangkoks falsch informiert hatten und daß N. H. Knorr und der Watch Tower Society Unrecht geschehen war. Mehrere Zeitungen druckten das ab, was die Gesellschaft auf die Kritik zu erwidern hatte, und das schlug zu einem größeren Zeugnis aus als der Vortrag selbst.

Nun auch ein selbständiger Zweig

Während des Besuchs von Bruder Knorr wurden Vorkehrungen für eine bessere Organisierung des Werkes getroffen. Zur Freude der Brüder und Schwestern im Literaturdepot in Bangkok gab Bruder Knorr bekannt, daß George Powell nach der Absolvierung der achten Klasse der Wachtturm-Bibelschule Gilead in jenem Jahr als Zweigaufseher nach Thailand zurückkehren werde. So wurde Thailand am 1. September 1947 ein selbständiger Zweig.

Kurz danach wurde Kurt Gruber zum Kreisaufseher ernannt und beauftragt, die vier Versammlungen im Norden und die Versammlung in Bangkok zu betreuen. Durch seine Besuche wurde die Wertschätzung der Brüder für theokratische Einrichtungen und Verfahrensweisen vertieft sowie die Wichtigkeit, die im Predigtdienst verbrachte Zeit zu berichten, hervorgehoben. Als Ergebnis schnellte die Gesamtzahl der Verkündiger im Jahre 1948 von 31 auf 65 hoch.

Einen weiteren Auftrieb erhielt das Werk im April 1948 durch den ersten Kreiskongreß in Chiang Mai. Man stelle sich die Überraschung und die Freude der Brüder auf dem Kongreß vor, als sie das erstemal einer theokratischen Predigtdienstschule beiwohnten! Viele kamen aus Dörfern und hatten keine gute Schulbildung, doch von nun an konnten sie aus der theokratischen Unterweisung und Schulung Nutzen ziehen, die Jehovas Organisation seinem Volk überall zuteil werden ließ.

Drei Jahre zuvor war in vielen Ländern die Zusammenkunft für die Öffentlichkeit eingeführt worden, und jetzt wurden auch in Thailand öffentliche Vorträge gehalten. Die Brüder machten sie besonders in Bangkok mit Hilfe von Einladungszetteln und Lautsprecherwagen bekannt. Die Leute besuchten diese Zusammenkünfte, die entweder im Königreichssaal am Ort oder in einer öffentlichen Schule stattfanden. Einmal wurde im Kreis einer Buddhisten-Vereinigung in Bangkok eine öffentliche Ansprache gehalten. Die 125 buddhistischen Mönche, die in ihren gelben Kutten in geordneten Reihen auf dem Boden saßen und aufmerksam einem Vortrag über die Echtheit der Bibel lauschten, boten einen ungewöhnlichen Anblick. Danach stellten sie mehrere Fragen. Das Jahrbuch 1949 gab dazu folgenden Kommentar: „Viele dieser Priester besitzen eine gute Bildung, und im Gegensatz zu Priestern der katholischen Hierarchie sind sie tolerant, gut gesittet und höflich.“

Mit den Gileadmissionaren beginnt ein neuer Abschnitt

Um die Organisation in Thailand zu festigen, lud die Gesellschaft Bruder Gruber und Bruder Thomas ein, die 15. Klasse der Gileadschule zu besuchen. Die Abschlußfeier fand am 30. Juli 1950 anläßlich des internationalen Kongresses „Mehrung der Theokratie“ im Yankee-Stadion in New York statt. Nach ihrer Rückkehr schlossen sie sich den fünf anderen Gileadmissionaren (außer George Powell) an, die inzwischen angekommen waren: aus der siebten Klasse Alfred Laakso und aus der zwölften Klasse Joseph E. Babinski, Donald Burkhart, Gerald (Jerry) Ross und Darrow Stallard.

In den Jahren 1951 und 1952 trafen weitere Absolventen der Gileadschule ein, u. a. Guy Moffatt aus England und Neil Crockett aus Neuseeland (beide hatten zuerst eine Zuteilung nach Malaysia erhalten), Esko und Anja Pajasalmi sowie Elon und Helvi Harteva aus Finnland und Eva Hiebert und Marguerite Rood aus Kanada. Bis zum Ende des Dienstjahres 1952 waren etwa 20 Missionare in Thailand tätig, die die Gileadschule absolviert hatten.

Da jetzt so viele Missionare in dem Werk mithalfen, wurden in den verschiedenen Teilen des Landes Missionarheime eröffnet, u. a. auch in Chiang Mai, Nan und Lampang im Norden, in Nakhon Ratchasima in Zentralthailand und in Nakhon Si Thammarat sowie in Songkhla im Süden. (In den letzten Jahren wurden Missionare auch für einige Zeit nach Khon Kaen, Ubon Ratchathani, Udon Thani und Nakhon Sawan geschickt.) Die Missionarheime wurden für die Brüder theokratische Festungen, denn sie waren Zentren, in denen sie die so notwendige Unterstützung und Ermunterung in geistiger Hinsicht erhielten.

Die Herausforderung, eine neue Sprache zu lernen

Das A und O für die erfolgreiche Tätigkeit eines Missionars ist, daß er sich mit den Leuten in ihrer eigenen Sprache unterhalten kann — für viele Missionare in Thailand in der Tat eine Herausforderung. Nicht, daß die Grammatik des Thai sehr kompliziert ist, ganz im Gegenteil, sie ist einfach, denn Artikel, Suffixe, das grammatische Geschlecht, die Konjugation, die Deklination und der Plural sind unbekannt. Man braucht sich also darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.

Im Gegensatz zum Chinesischen hat Thai ein phonetisches Alphabet, das aus 44 Konsonanten und 32 Vokalzeichen besteht, die zu Di- und Triphthongen kombiniert werden. Aber der wesentliche Unterschied zu westlichen Sprachen besteht in den verschiedenen Worttönen, ähnlich wie im Chinesischen. In Thai gibt es fünf Töne. Je nach Tonhöhe kann ein Wort oder eine Silbe mehrere, manchmal sogar ziemlich entgegengesetzte Bedeutungen haben. Zum Beispiel bedeutet „khao“, in einem fallenden Ton gesprochen, „Reis“, aber im tiefen Ton „Botschaft“. Spricht man dasselbe Wort in einem steigenden Ton, so hat es die Bedeutung von „weiß“, und im normalen oder ebenen Ton wird es zu „Gestank“. So kann es sein, daß ein neuer Missionar sagt, er bringe „guten Reis“, „gutes Weiß“ oder „guten Gestank“ statt eine „gute Botschaft“.

Eine Sprache mit solchen Besonderheiten zu meistern (dazu gehören auch einige Vokallaute, die ganz anders sind als die Laute westlicher Sprachen) erfordert Übung, Geduld und Ausdauer. Wer eine Fremdsprache lernt, macht leicht Fehler, die sich recht lustig anhören. Um einer Wohnungsinhaberin den Unterschied zwischen Jehovas Zeugen und den Religionen der Christenheit zu erklären, wollte eine Missionarin sagen, daß wir kein Kreuz verwenden. In Wirklichkeit sagte sie aber, wir würden keine „Hosen“ verwenden. „Auch Männer nicht?“ fragte die Frau verwundert. „Niemand“, antwortete die Schwester voller Überzeugung.

Die meisten der ersten ausländischen Pioniere und die ersten Gileadmissionare mußten sich die in ihrer Zuteilung gesprochene Sprache selbst beibringen. Später führte die Gesellschaft zum Erlernen der Sprache eine neue Methode ein. Die Missionare mußten im ersten Monat täglich 11 Stunden darauf verwenden und im zweiten Monat 5 Stunden pro Tag — bestimmt keine Kleinigkeit. Aber sie waren für diese Vorkehrung dankbar, denn dadurch wurde ihnen geholfen, ihr Predigt- und Lehrwerk wirkungsvoller durchzuführen.

Weniger auffällig als farangs

Ein Höhepunkt des zweiten Besuchs von Bruder Knorr im April 1951 war die Einführung des Sonderpionierdienstes. Befähigte einheimische Brüder und Schwestern wurden beauftragt, Versammlungen im Predigtdienst zu unterstützen und neue Gebiete zu erschließen. Da die einheimischen Pioniere nicht erst eine neue Sprache lernen mußten und weniger auffielen als die hellhäutigen farangs oder Ausländer, haben sie bei der Verbreitung der guten Botschaft eine bedeutende Rolle gespielt und konnten vielen Neuen helfen. Derzeit gibt es 70 Sonderpioniere (über sechs Prozent der Verkündiger).

Schwester Buakhieo Nantha und Schwester Somsri Phanthuphrayun (jetzt Darawan) waren die ersten Sonderpioniere, und sie dienten in der südlichen Stadt Nakhon Si Thammarat. Bruder Sa-ngat Mungsin, ein weiterer Sonderpionier, wurde nach Chiang Rai geschickt, der nördlichsten Provinz, die an Myanma angrenzt. Die Pioniere, die früher dort waren, hatten in diesen Orten viel Literatur verbreitet, und die Sonderpioniere begaben sich nun eifrig an die Nacharbeit und richteten Bibelstudien ein.

Die beiden Sonderpionierinnen in Nakhon Si Thammarat fanden Kruamat, eine junge Buddhistin, die eine eigene Schneiderei hatte. Da sie mit ihrer Religion zufrieden war und diese nicht wechseln wollte, waren eine ganze Reihe Besuche erforderlich, um sie taktvoll von der Wichtigkeit zu überzeugen, etwas von der Zeit, in der sie sonst nähte, für die Besprechung einiger Abschnitte aus dem Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ zu verwenden. Doch als ihr Interesse einmal geweckt war, studierte sie trotz des Widerstandes ihrer Angehörigen und ihrer Freunde voll Eifer die Bibel. Sie fing an, die Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas zu besuchen und die gute Botschaft zu verkündigen. Kurz nach ihrer Taufe nahm sie den Pionierdienst auf. Schwester Kruamat heiratete später den Missionar Neil Crockett, und beide waren einige Jahre im Kreisdienst tätig. Zur Zeit dient sie als Sonderpionierin in einer Versammlung in Bangkok, in der Neil Ältester ist.

Hilfeleistung trotz Morddrohungen

Was Bruder Sa-ngat in dem Städtchen Mae Sai an der Grenze Myanmas in seinem Predigtdienst erlebte, läßt erkennen, daß schafähnliche Personen, die nach der Wahrheit und nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, trotz Isolation und Gegnerschaft gefunden werden. Im Oktober 1951 sprach er bei einer Frau vor — ihr Name war Karun Chuthiangtrong —, die in einer buddhistischen Familie groß geworden war, in der nach chinesischer Tradition der Ahnenkult ausgeübt wurde. Sie berichtet über ihre Vergangenheit:

„Als Teenager fragte ich oft meine Oma, woher wir kämen und was nach dem Tod geschehe. Aber die Mythen und Legenden, die sie mir daraufhin erzählte, stellten mich nicht zufrieden. Im Jahre 1945 — ich war gerade 19 — schickte ein Verwandter von uns ein Neues Testament in Thai. Ich begann es zu lesen und stellte fest, daß darin von Gott als dem Schöpfer und von der Hoffnung auf ewiges Leben die Rede war. Ich erinnere mich auch noch, daß sich unter der Literatur, die der Verwandte gesandt hatte, zwei Broschüren von der Watchtower Society befanden. Damals dachte ich jedoch, es gebe nur eine einzige christliche Religionsgemeinschaft.

Im Jahre 1946 wurde ich in der presbyterianischen Kirche getauft. Da ich darauf brannte, mit anderen über die Rettungsbotschaft zu sprechen, wollte ich Predigerin werden. Ich bewarb mich mehrere Male um einen Studienplatz an einer Ausbildungsstätte für Prediger, und zwar in Thailand und in Myanma, aber irgendwie klappte es nie.“

Als Bruder Sa-ngat bei Karun vorsprach, nahm sie das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ entgegen, nachdem er ihre Fragen einleuchtend und überzeugend beantwortet hatte. Schon nach kurzer Zeit erkannte sie, daß die gute Botschaft die Wahrheit war. Aber der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten. Sie erzählt weiter: „Wenn wir uns über die Bibel unterhielten, wurde unser Haus oft mit Steinen beworfen, oder die Leute machten draußen einen fürchterlichen Krach, um uns zu stören. Eines Tages kam ein Kirchenältester mit einem Polizisten, seinem jüngeren Bruder, und sie versuchten, mich einzuschüchtern, indem sie mir androhten, mich einzusperren, falls ich nicht aufhören würde, mich mit Jehovas Zeugen abzugeben. Bruder Sa-ngat erhielt mehrere Morddrohungen von einer Gruppe, die als Schwarze Hand bekannt war. Die Gesellschaft fand es deshalb ratsam, ihm ein neues Gebiet in Songkhla im Süden Thailands zuzuteilen.“ Kurze Zeit später, es war an einem Abend im Jahre 1953, wurde Bruder Sa-ngat erschossen; der Fall wurde nie aufgeklärt.

In der Zwischenzeit begann Karun mit der Verkündigung der guten Botschaft. Obwohl sie jetzt ganz auf sich gestellt war und die nächste Versammlung 320 km entfernt lag, setzte sie die Predigttätigkeit mutig fort. Die Besuche der Kreisaufseher und die regelmäßigen Literatursendungen vom Zweigbüro erwiesen sich für sie als Kraftquelle. Nach ihrer Taufe im November 1952 stand Schwester Karun über 20 Jahre im Vollzeitdienst, und trotz widriger Umstände verkündigt sie noch immer treu die Botschaft von der wahren Freiheit.

„Ein seltsamer Name für einen Mann Gottes“

Die ersten Pioniere spielten eine wichtige Rolle bei der Grundlegung des Werkes in Thailand. Sie waren zwar nur wenige, doch sie predigten unermüdlich in ihrem riesigen Gebiet. Erst nach einer ganzen Anzahl von Jahren sahen sie die Früchte ihrer Arbeit: neue Jünger. Aber sie hatten Ausdauer. Sie ‘hatten ihre Hand an den Pflug gelegt’ und setzten die Arbeit ohne Unterlaß fort (Luk. 9:62).

Mit der Zeit verließen die meisten der ersten Pioniere Thailand wieder, um in anderen Gebieten zu dienen. Mit unvermindertem Eifer und tiefer Liebe zu Jehova und zu ihren Mitmenschen harrten sie im Vollzeitdienst aus, einige bis zu ihrem Tod, andere heute noch. Nach 50jähriger Pioniertätigkeit sagte Willy Unglaube: „Wenn ich zurückblicke, kommt es mir nur wie eine kurze Zeit vor. Ein Bote Jehovas zu sein ist der wunderbarste Dienst, den jemand auf der Erde verrichten kann. Man muß natürlich Glauben haben, einen starken Glauben, um alle Hindernisse zu überwinden. Aber ich denke immer an Sprüche 18:10. Ja, hätte ich den Pionierdienst nicht aufgenommen, dann hätte ich keine Gelegenheit gehabt, zu erleben, wie Jehova für seine Diener sorgt, wenn sie sich auf ihn stützen. Aufgrund der Prophezeiung in Jesaja 2:2 weiß ich, daß es noch viel zu tun gibt, und ich möchte mich an diesem Werk beteiligen, bis Jehova sagt, es ist genug.“ Bruder Unglaube war immer noch Pionier, als er vor einigen Jahren in Deutschland seinen irdischen Lauf vollendete. Ein Mann in seinem Gebiet sagte einmal: „ ‚Unglaube‘ ist ja ein seltsamer Name für einen Mann Gottes.“

Und was ist über Frank Dewar zu sagen, der als erster in Thailand blieb, um die gute Botschaft zu predigen? Ihm wurden noch verschiedene andere Länder des asiatischen Kontinents zugeteilt, u. a. Birma, China und Indien. Im Jahre 1966 kehrte er nach Thailand zurück, wo er mit Lily, seiner birmanischen Frau, in der nördlich gelegenen Stadt Chiang Rai noch immer als Sonderpionier tätig ist. Sein Sohn Donald diente in Myanma als Kreisaufseher und ist jetzt Mitarbeiter im Bethel in Yangon (Rangun).

Eine Prüfung für die Missionare

Als das „Land der Freien“ hat Thailand seinen Bürgern stets Religionsfreiheit gewährt. Und die Buddhisten Thailands sind von Natur aus tolerant. Die Regierung war also der Wahrheit gegenüber nie feindselig gesinnt, und es gab niemals Verfolgung. Man konnte demnach erwarten, daß dadurch, daß die gute Botschaft in Freiheit und ohne Behinderung gepredigt werden konnte, das Werk schnell wachsen würde.

In den 50er Jahren nahm die Zahl der Verkündiger tatsächlich beständig zu. Viele ausländische Missionare gerieten jedoch in eine ganz besondere Art der Prüfung, in der einige sogar versagten. Kaarle Harteva — Elon Hartevas jüngerer Bruder —, der die 20. Klasse der Gileadschule besucht hatte und in jener Zeit Missionar war, erklärt: „Es war zwar angenehm, daß die Leute freundlich waren, aber nach einiger Zeit wurde dies für viele Missionare zu einer großen Geduldsprobe. Die Freundlichkeit gehörte und gehört noch immer zur dortigen Lebensweise und errichtet oft eine sanfte Mauer des Widerstandes, die man nur schwer überwinden kann. Man konnte also nur ganz selten mit den Menschen ernsthafte und tiefgehende Gespräche führen.“

Auch mußte den Neuen, die früher Buddhisten waren, mit viel Geduld geholfen werden, die biblischen Wahrheiten völlig zu verstehen, damit sie ihr Leben mit Jehovas Maßstäben in Übereinstimmung bringen konnten. „Unsere Methoden, die Methoden der neuen Welt, sind so anders“, fährt Bruder Harteva fort, „aber die Verhältnisse, aus denen die Leute kommen, sind auch ganz anders; diese Menschen sind in einer sehr toleranten Religion aufgewachsen. Mehrere ältere Schwestern waren gewohnheitsmäßige Betelkauer, wodurch ihre Zähne schwarz wie Ebenholz wurden. Andere Schwestern rauchten sogar während des Haus-zu-Haus-Dienstes ihre selbstgedrehten, in getrocknete Bananenblätter gehüllten 25 cm langen Zigarren. Im Dorf konnte man sie leicht entdecken; man brauchte nur auf ihre ‚Rauchsignale‘ zu achten. Ich kann mich auch noch daran erinnern, daß Brüder auf Kreiskongressen rauchten.“ Mit der Zeit gaben sie natürlich diese unbiblischen Gewohnheiten auf.

Das Ausharren vieler Missionare und ihr Eifer für das Werk wurden auf die Probe gestellt, als sie feststellten, daß es sehr lange dauerte, bis sie die Sprache so gut beherrschten, daß sie andere belehren und Ansprachen halten konnten. Und als später die Zunahme nicht mehr so groß war und die Jahre vergingen, ohne daß sie einen neuen Jünger machten, waren einige entmutigt.

Andere Missionare haben jedoch das Land, in das sie gesandt wurden, zu ihrer Heimat gemacht. Nach 20, 30 oder mehr Jahren kommen sie ihren Verpflichtungen als Missionar noch immer nach und geben ein nachahmenswertes Beispiel.

Einige der verheirateten Missionare hatten später Familie und verloren deshalb ihren Missionarstatus. Es ist jedoch lobenswert, daß sich eine Reihe von ihnen entschloß, in Thailand zu bleiben, denn dort werden noch viele reife Prediger benötigt.

Ein Film der Gesellschaft öffnet vielen die Augen

Da auf einen Verkündiger fast 100 000 Einwohner kamen, waren Jehovas Zeugen in den 50er Jahren in diesem Land nicht sehr bekannt. Der Film „Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit“ erwies sich daher als große Hilfe, die Menschen über das Werk von Jehovas Zeugen aufzuklären. Auch die Zeugen selbst zogen großen Nutzen aus dem Film, denn er ließ sie das weltweite Ausmaß der Organisation Jehovas erkennen, wodurch sie sich mit ihr noch mehr verbunden fühlten. Vorher konnten sich nur wenige vorstellen, wie groß und umfassend Gottes Organisation eigentlich ist und wie gut sie funktioniert.

Esko Pajasalmi führte den Film im Norden Thailands und in Bangkok vor. Wie machte er ihn gewöhnlich bekannt? „Wir stellten frühmorgens auf dem Sportplatz des Dorfes die Leinwand auf, so daß sie von allen Dorfbewohnern gesehen werden konnte“, erzählt er. „Dann gingen wir in die Schule, traten einfach in jedes Klassenzimmer ein und machten vor den Schülern und dem Lehrer eine kurze Bekanntmachung. Auf diese Weise erfuhr das ganze Dorf davon. Nach Sonnenuntergang kamen nach und nach Verkäufer mit einheimischen Leckerbissen zum Sportplatz: mit Erdnüssen, gebratenen, gekochten und gebackenen Bananen und anderen Snacks. Sie bauten ihre Stände auf und beleuchteten sie mit kleinen Petroleumlaternen, die sie aus leeren Milchdosen gemacht hatten. Bald sah es so aus, als ob Glühwürmchenschwärme auf uns zuströmten. Aber es waren nur die Leute, die sich den Film ansehen wollten. Alle trugen kleine Petroleumlaternen. Sie kamen zu Hunderten und häufig sogar zu Tausenden.

Der Film wurde oft an ungewöhnlichen Stellen gezeigt. Einer der führenden buddhistischen Gelehrten in Nordthailand, Khun Maha Phon, studierte mit Esko eine Zeitlang die Bibel, und er wollte, daß die buddhistischen Mönche und Laien einen Eindruck von der Neuen-Welt-Gesellschaft bekamen. „Bei mehreren unserer Filmvorführungen waren viele Mönche in ihren gelben Kutten anwesend“, erinnert sich Bruder Pajasalmi. „Manchmal zeigten wir den Film im Wat [Tempel]. Ich saß dann vor einer 6 bis 8 m hohen Buddhastatue und bediente den Filmprojektor. Die Leinwand wurde vor dem Haupteingang aufgestellt, und die Leute saßen auf dem Boden und sahen sich den Film an. Es kam uns eigenartig vor, in einem buddhistischen Tempel über Jehova und sein Königreich zu sprechen.“

Kaum jemand in Chiang Mai zollte Jehovas Zeugen größere Anerkennung als der erwähnte buddhistische Gelehrte, Khun Maha Phon. Bruder Pajasalmi kann sich noch gut daran erinnern: „Er lud uns ein, im Vorführungsraum der Buddhisten-Vereinigung einen Vortrag zu halten und dort den Film zu zeigen. Auf folgende Weise führte er uns ein: ‚Sie fragen sich vielleicht, warum ich, ein Buddhist, diese Zeugen Jehovas eingeladen habe, damit sie ihren Film vorführen und hier eine Ansprache halten können. Ich habe mit einem von ihnen eine ganze Reihe von Monaten die Bibel studiert, und ich muß sagen, daß sie anders sind als alle anderen christlichen Religionsgemeinschaften, die sich hier niedergelassen haben. Sie predigen fleißig, und ihre Handlungsweise stimmt mit dem überein, was sie sagen. Die anfallenden Arbeiten in ihrem Missionarheim verrichten sie sogar selbst. Falls jemand von Ihnen nach diesem Film durch die Botschaft der Zeugen Jehovas Frieden finden sollte, würde mich das sehr freuen.“ Während also sogenannte Mitchristen damit beschäftigt waren, Jehovas Zeugen anzugreifen, erwiesen sich die sogenannten heidnischen Buddhisten als viel toleranter.

Kaarle Harteva zeigte denselben Film hauptsächlich in den größeren Städten im Nordosten des Landes. „Es ist ein wahres Wunder, wie wir die Sache manchmal deichselten“, bemerkte er. „Einmal ging mitten in der Filmvorführung unser Generator kaputt. Wir konnten nur hoffen, daß die über tausend Zuschauer nicht weglaufen würden. So raste ich mit einem gemieteten Dreirad in die Stadt, um einen anderen Generator zu besorgen. Ich staunte nicht schlecht, als bei meiner Rückkehr mehr Leute den Film sehen wollten als vorher. Nach der Vorführung konnten mein Partner und ich nicht einmal jedem ein Traktat geben, so viele Menschen waren da. Wir warfen die Traktate deshalb einfach in die Luft. Nicht ein einziges Traktat fiel auf den Boden.“

Bei einer Filmvorführung unter freiem Himmel vor der Provinzialhalle in Kalasin wurde eine Rekordzahl an Besuchern erreicht: 4 200. Weitere Tausende sahen den Film, der während eines Volksfestes, das am Nationalfeiertag im Lumpini-Park in Bangkok abgehalten wurde und eine Woche dauerte, täglich gezeigt wurde.

„Wir haben bis nach Mitternacht geredet“

Elon Harteva und seine Frau Helvi gehörten zu den ersten Missionaren, die 1952 ihre Gebietszuteilung in Nakhon Ratchasima, der größten Stadt im Zentrum Thailands, erhielten. Von Nakhon Ratchasima aus suchte Elon andere Städtchen dieser ziemlich trockenen Gegend auf. In Khon Kaen fand er Herrn Seng Buawichai, einen Prediger der „Christian and Missionary Alliance“.

Herr Seng zweifelte die Lehre von der Dreieinigkeit an und freute sich deshalb, darüber sprechen zu können. „Wir haben bis nach Mitternacht geredet“, erinnerte sich Elon Harteva. „Und am nächsten Morgen um vier Uhr weckte mich Herr Seng und stellte mir weitere Fragen. Damals gab es in den meisten Häusern noch keinen elektrischen Strom. Wir hockten auf dem Boden und lasen im schwachen Licht der Petroleumlampen in der Bibel.

Bei meinem nächsten Besuch stellte ich fest, daß Herr Seng mehrere andere sogenannte Christen eingeladen und Vorkehrungen für einen öffentlichen Vortrag in seinem Haus getroffen hatte. Einige der Anwesenden kamen aus abgelegenen Dörfern. Um einen dieser Interessierten zu besuchen, mußte ich zu Fuß 11 km zurücklegen, und der Weg führte über Reisfelder und durch Urwald. Im Dorf angekommen, fand ich zu meiner Überraschung eine kleine, auf Pfählen errichtete sala [Hütte] vor, die die Form eines Wachtturms hatte. Der interessierte Mann besaß nicht nur eine Bibel, sondern auch einige Wachttürme, mit deren Hilfe er Leuten, die auf ihrem Weg in andere Dörfer in seiner Hütte Rast machten, die Bibel erklärte.“

Herr Seng und ein anderer Mann aus dem erwähnten Dorf ließen sich später taufen.

Bis nach Indochina vorgedrungen

Nachdem Bruder Knorr im April 1956 Thailand das dritte Mal besucht hatte, bemühte man sich, Missionare nach dem ehemaligen Französisch-Indochina zu schicken, d. h. nach Vietnam, Kambodscha und Laos. Diese Länder wurden später vom thailändischen Zweig betreut. Dieses Gebiet der indochinesischen Halbinsel wurde 1936 zum erstenmal mit der guten Botschaft erreicht, und zwar als zwei Pioniere aus Australien in Saigon (heute Ho-Tschi-Minh-Stadt) ankamen. Einer von ihnen, Frank Rice, setzte das Werk mutig fort, bis er 1943 von japanischen Soldaten festgenommen wurde; danach mußte er das Land verlassen. In den Jahren 1953 und 1954 verrichtete ein Interessierter etwas Predigtdienst. Seine Berichte gingen im Zweigbüro von Frankreich ein.

Als Südvietnam Ende 1955 eine Republik wurde, bat Bruder Knorr Bruder Babinski, den damaligen Zweigaufseher Thailands, mit den Behörden in Saigon Kontakt aufzunehmen, damit Missionare der Watch Tower Society die Genehmigung erhalten würden, ins Land zu kommen. Am 27. Juni 1957 trafen die ersten fünf Absolventen der Gileadschule in Saigon ein. Das Missionarheim wurde vom Zweigbüro in Thailand aus betreut.

Das Werk geht trotz des Krieges in Vietnam voran

Den Missionaren machte der Haus-zu-Haus-Dienst in Saigon viel Freude. Die Leute nahmen sie im allgemeinen freundlich auf, und es wurde viel Literatur verbreitet. Im ersten vollständigen Dienstjahr wurden fast 1 200 Abonnements auf die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! aufgenommen. Das Werk des Jüngermachens ging aber nur langsam voran.

Anfangs wurden der Predigtdienst und alle Zusammenkünfte in Französisch, der Sprache der „gebildeten“ Klasse, durchgeführt. Wie in den Tagen Jesu wollten nicht viele dieser Klasse seine Jünger werden. Deshalb ermunterte die Gesellschaft die Missionare, die Sprache der allgemeinen Bevölkerung, Vietnamesisch, zu lernen und zu gebrauchen. Das bedeutete mehrere Jahre harte Arbeit. Als sie jedoch die Sprache beherrschten und die einfacheren Leute ‘sie in ihrer eigenen Sprache reden hörten’, interessierte sich eine ganze Anzahl von ihnen für die Wahrheit (Apg. 2:6).

Die Broschüren „Diese gute Botschaft vom Königreich“, „Siehe! Ich mache alle Dinge neu“ und In der Hoffnung auf eine gerechte neue Welt leben wurden ins Vietnamesische übersetzt und oft im Bibelstudienwerk verwendet. Bis zum Jahre 1966 hatten sich den acht Missionaren elf Verkündiger angeschlossen, von denen drei getauft waren.

Doch was ist zu dem grauenhaften Krieg zu sagen, der eine ganze Reihe von Jahren in Vietnam tobte? „Statt uns zu viele Gedanken darüber zu machen, was mit Saigon geschehen könnte, verkündigen wir den Menschenscharen, die in die Stadt strömen und die so sehr eine Hoffnung brauchen, fleißig die gute Botschaft“, sagte ein Missionar, der damals in Saigon tätig war. Ja, die Missionare und die einheimischen Brüder beachteten den Grundsatz aus Prediger 11:4, wo es heißt: „Wer auf den Wind achtet, wird nicht Samen säen; und wer nach den Wolken schaut, wird nicht ernten.“ Sie ‘sandten vielmehr weiterhin Brot aus auf die Oberfläche der Wasser, und im Verlauf vieler Tage fanden sie es wieder’ (Pred. 11:1). Im Jahre 1974 waren in den drei Versammlungen in Saigon insgesamt 113 Verkündiger furchtlos tätig, aber nicht, ohne die nötige Vorsicht walten zu lassen.

Offenbar wurden die Missionare häufig von Engeln geleitet und beschützt, so zum Beispiel im Jahre 1968, kurz bevor die blutigen Kämpfe der von den Vietcong durchgeführten Tet-Offensive begannen. Die Missionare zogen aus ihrem schönen Heim aus und ließen sich in einem bescheidenen Haus im chinesischen Viertel in der Innenstadt Saigons nieder. Die Gegend, wo sie zuvor gewohnt hatten, wurde bald von den Vietcong besetzt. Robert Savage, einer der Missionare, schrieb: „Die Streitkräfte des Vietcong haben einen Großangriff auf ganz Saigon gestartet. Die Lage ist ziemlich schwierig, aber für uns noch nicht kritisch. Die Brüder sind einfach rührend. Unter Einsatz ihres Lebens sind sie auf Schleichwegen zu uns gekommen, um uns zu helfen.“

Nach der Tet-Offensive machten die Missionare und die einheimischen Brüder wie gewohnt weiter. Im Jahre 1970 wurde das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Vietnamesisch herausgegeben, und es konnten daraufhin viele neue Bibelstudien eingerichtet werden. Einen weiteren großen Auftrieb erhielt das Werk durch die Veröffentlichung des Wachtturms in Vietnamesisch. Im ersten Jahr konnten über 1 000 Abonnements auf den Wachtturm in dieser Sprache aufgenommen werden. Im Jahre 1973 wurde Vietnam ein selbständiger Zweig, der die Führung für das Werk dort übernahm, bis 1975 ein Regierungswechsel eintrat.

In Kambodscha wird gepredigt

Bruder Babinski machte im Juni 1956 auf seiner Rückreise von Saigon in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, halt. Wie schon in Saigon nahm er auch hier mit den Behörden Kontakt auf, um die Genehmigung einzuholen, Missionare ins Land zu holen. Gegen Ende der 1930er Jahre hatten die Pioniere von Saigon in Phnom Penh zwar begonnen zu predigen, aber nach einer Woche hatte die Polizei ihnen Bescheid gegeben, daß religiöse Aktivitäten in dem buddhistischen Königreich nur mit einer besonderen Erlaubnis vom König gestattet seien. Der König erteilte aber keine Genehmigung.

Bruder Babinski kam mit dem Innenminister der königlichen Regierung Kambodschas zusammen. Den Beamten schien die Angelegenheit zu interessieren, und er sagte, er sehe keinen Grund, warum Jehovas Zeugen in diesem Land ihr Werk nicht durchführen dürften. Nach vielen Monaten des Wartens wurde der Gesellschaft mitgeteilt, daß die Regierung hinsichtlich der beantragten Visa zu keiner Entscheidung gekommen sei. Im April 1958 ersuchte Bruder Babinski Prinz Norodom Sihanuk um ein Gespräch. Bruder Babinski konnte zwar nur mit dem Privatsekretär des Prinzen sprechen und für den Prinzen biblische Literatur zurücklassen, aber die Predigterlaubnis wurde erteilt; und im Dezember 1958 kamen endlich die ersten vier Missionare nach Kambodscha, froh darüber, daß sie in Phnom Penh mit dem Evangelisierungswerk beginnen konnten.

Unter der chinesischen Bevölkerung Phnom Penhs sprachen viele außer Chinesisch auch etwas Englisch; und eine ganze Anzahl der vietnamesischen Einwohner konnte Französisch und Vietnamesisch. Die Mehrheit des einfachen Volkes sprach jedoch nur Khmer. Es erübrigt sich, zu erwähnen, daß die Sprache ein Problem darstellte. Anfangs wurden die Zusammenkünfte, die von einer ganzen Reihe Chinesen besucht wurden, in Englisch abgehalten. Dann führte man auch Zusammenkünfte in Französisch durch, und es kamen einige Vietnamesen. Um die Einheimischen mit der Königreichsbotschaft zu erreichen, versuchten die Missionare, Khmer zu lernen, und es wurden einige Publikationen in dieser Sprache veröffentlicht. Doch viele der Missionare kamen und gingen wieder, und niemand blieb lange genug, um die Sprache wirklich fließend sprechen zu können. Einige Kambodschaner studierten und begannen mit den Missionaren Gemeinschaft zu pflegen, so daß innerhalb eines Jahres eine Höchstzahl an Verkündigern zu verzeichnen war: 13 Personen beteiligten sich am Predigtdienst. Offenbar war die Wahrheit nicht tief genug in ihr Herz eingedrungen, denn die meisten ließen sich von der Wahrheit wieder abbringen.

Nach den politischen Veränderungen in Kambodscha wurde es Anfang 1965 offensichtlich, daß Personen aus dem Westen im Land nicht mehr willkommen waren. Dem Antrag auf ein Visum für Panayotis Kokkinidis, der 1964 die Gileadschule absolviert hatte, wurde nicht stattgegeben. (Er bekam danach eine andere Zuteilung: Saigon.) George und Carolyn Crawford, den letzten Missionaren in Kambodscha, wurde mitgeteilt, daß ihre Visa nach Ablauf, am 27. Mai 1965, nicht mehr erneuert würden. Es ist interessant, daß man vier Jahre zuvor einen Brief an die Missionare abgeschickt hatte, in dem ihnen verboten worden war, das Predigtwerk öffentlich fortzusetzen. Der Brief war aber nie angekommen. Auch bei der Polizei waren keine Durchschläge dieses Briefes eingegangen.

Crawfords mußten also Kambodscha verlassen. Nur ein vietnamesischer Zeuge Jehovas blieb zurück, Bruder Long. Aber etwas später im Jahr 1965 schloß sich ein älterer Kambodschaner, der während eines regulären Besuchs des Kreisaufsehers getauft worden war, Bruder Long an. Dieser Bruder starb zwei Jahre später in Treue. Bruder Long war nun der einzige Zeuge Jehovas in Kambodscha. Noch vor dem Regierungswechsel im Jahre 1975 ging er nach Frankreich.

Theokratische Methoden in Laos erfolgreich

Das dritte Land, das dem thailändischen Zweig unterstand, war Laos. Die Bewohner dieses buddhistischen Königreiches, das an den Nordosten Thailands angrenzt, sind sprachlich und kulturell mit den Thailändern verbunden. Sie hörten die gute Botschaft zum erstenmal im Jahre 1958. Im Dezember kamen zwei Missionare in der Hauptstadt Vientiane an. Vier weitere folgten im März 1959. Ende 1960 wurden sechs Absolventen der Gileadschule nach Laos geschickt, wo man ein zweites Missionarheim in Savannakhet eröffnete.

Bis sich die letzten Neuankömmlinge eingewöhnt hatten, hatten alle früheren Missionare aus dem einen oder anderen Grund das Land schon wieder verlassen. Einige Brüder wollten jedoch allem Anschein nach ihren eigenen Ideen folgen, statt die altbewährten Methoden der Gesellschaft anzuwenden. Im Januar 1965 berichtete der Kreisaufseher, daß die Gruppe wöchentlich nur eine einstündige Zusammenkunft durchführte. Der Fortschritt war deshalb gering.

Es war daher angebracht, daß Crawfords, als sie im Mai 1965 Kambodscha verlassen mußten, in Vientiane eingesetzt wurden. George Crawford erinnert sich: „Wir waren erst einige Tage in Vientiane, als wir merkten, daß hinsichtlich der Zusammenkünfte und der Art und Weise, wie sie abgehalten werden sollten, eigenartige Ansichten vertreten wurden. Mehrere in der Gruppe folgten Menschen nach, und anscheinend besuchten sie die Zusammenkünfte nur, um sich einen materiellen Vorteil zu verschaffen. Wir bemühten uns, den Betreffenden zu helfen, die richtige Einstellung gegenüber Jehovas Organisation zu entwickeln und diese zu schätzen sowie die Wichtigkeit zu erkennen, mit dem Zweigbüro in Bangkok eng zusammenzuarbeiten. Mit der Unterstützung von Bruder Timothy Bortz wurden in Verbindung mit der Durchführung der Zusammenkünfte Änderungen vorgenommen, so daß sie dem vorgegebenen Muster und dem festgelegten Zeitplan der Gesellschaft entsprachen. Außerdem wurden sie von nun an in Laotisch abgehalten. Diejenigen, die Menschen nachfolgten, zogen sich trotz unserer angestrengten Bemühungen, sie im Glauben zu stärken, langsam zurück.“

Als Bruder und Schwester Bortz aus gesundheitlichen Gründen ihren Missionardienst in Laos aufgeben mußten, standen Crawfords als Missionare allein da. „Es kam uns vor, als kämpften wir vergebens gegen die falsche Einstellung in der Gruppe an und als bemühten wir uns umsonst um einen neuen Anfang“, sagt Bruder Crawford weiter. „Aber bald kamen vier neue Missionare: John und Kathleen Galisheff aus Kanada sowie Margaret Roberts und Sylvia Stratford aus England. Sie hatten sich im Dienst bewährt, denn die einen waren in Quebec und die anderen in Irland als Sonderpioniere tätig gewesen. Später, im Jahre 1967, kamen noch Terance Olsen aus Kanada und Brian Marks aus England hinzu. Diese zusätzliche Hilfe war ausschlaggebend dafür, daß wir im Kampf gegen die falschen Ansichten Erfolg hatten. Danach wurden viele neue Interessierte mit der Wahrheit erreicht, und es konnte ihnen geholfen werden, darin Fortschritte zu machen.“

Unter ihnen befand sich Siphanh Lao, eine Laotin. Nachdem sie in Laos die Bibel studiert hatte, reiste sie nach Kanada und in die Vereinigten Staaten, wo man ihr eine gutbezahlte, jedoch fragwürdige Arbeitsstelle anbot. Sie erzählt: „Ich ließ mich von Satan nicht in die Welt zurückholen und lehnte es ab, eine gutbezahlte Stellung anzunehmen, ... eine Stellung, durch die ich meine christliche Neutralität aufgegeben hätte.“ Statt dessen entschloß sie sich, nach Laos zurückzukehren und sich taufen zu lassen. Übrigens war Siphanh die erste laotische Buddhistin in Vientiane, die eine Zeugin Jehovas wurde. Zuvor sagten viele Leute im Gebiet: „Zu Ihrer Religionsgemeinschaft gehört kein Laote.“ Das war nun anders. Siphanhs jüngerer Bruder, Bunhoeng, machte in der Wahrheit rasche Fortschritte und wurde 1972 zum Sonderpionier ernannt.

Schwester Crawford erzählt: „Ich kann mich noch an die Jahre 1965 und 1966 erinnern, als wir nur zu sechst in den Zusammenkünften waren. Bei unserem ersten Kreiskongreß waren zum Programm am Samstag abend schließlich 9 Personen anwesend; die meisten machten auf der Bühne bei einer Demonstration mit. Aber auf dem Kreiskongreß im Jahre 1971 hatten wir 75 Besucher, und 1974 wohnten 99 Personen dem Gedächtnismahl bei.“

Als 1975 in Laos eine neue Regierung an die Macht kam, gab es im Land zwei theokratisch funktionierende Versammlungen, eine in Vientiane und eine in Savannakhet. Weiter im Süden, in Pakse, war ebenfalls schon gepredigt worden. Alle Missionare mußten Laos verlassen. Crawfords und Galisheffs setzten aber ihren treuen Dienst in Thailand fort.

Bruder Franz kommt nach Thailand

Nun wieder zurück nach Thailand. Frederick W. Franz, der damalige Vizepräsident der Gesellschaft, besuchte im Januar 1957 Thailand zum erstenmal. Für die einheimischen Brüder war dies ein großes Ereignis. Sie waren Bruder Franz noch nie begegnet, hatten aber schon viel von ihm gehört. Anläßlich seines Besuches wurde ein dreitägiger Kongreß abgehalten.

In der besonderen Zusammenkunft mit den Missionaren kam zur Sprache, wie gut es wäre, eine geeignete Publikation für die nichtchristliche Bevölkerung zu haben. Im Jahre 1949 war das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ in Thai veröffentlicht worden und wurde dann meistens bei der Durchführung von Bibelstudien verwendet. Doch es konzentrierte sich hauptsächlich darauf, die falschen Lehren der Christenheit zu widerlegen, die die meisten Buddhisten sowieso nicht kannten. Die Brüder wünschten sich deshalb ein Buch, das für Personen geeignet wäre, die nicht viel aus der Heiligen Schrift wußten, ein Buch, das nur die wahren Lehren der Bibel erklären würde.

Bruder Franz sagte damals nicht viel dazu. Als aber 1958 das Buch Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies freigegeben wurde, freuten sich die Brüder über dieses zeitgemäße Werkzeug, mit dem sie Jehovas Organisation ausrüstete. Im Jahre 1961 hatten sie es dann auch in Thai zur Verfügung, und über 50 000 Exemplare wurden im Predigtdienst verbreitet. Die schönen Bilder und das Großformat gefielen den Leuten, und sie nahmen es entgegen, obwohl der Kostenbeitrag fast dem Tagelohn eines Arbeiters entsprach.

Das Drucken der guten Botschaft in Thai

Obwohl die Bücher und Zeitschriften in Thai nur in einer relativ niedrigen Auflage erscheinen, sind die Brüder in Thailand stets zur rechten Zeit mit der geistigen Speise in ihrer eigenen Sprache versorgt worden. Die wichtigsten gebundenen Bücher der Gesellschaft sind in Thai veröffentlicht worden. Als 1952 Der Wachtturm in dieser Sprache eine Auflage von 500 Exemplaren erreichte, ließ man die Zeitschrift von einer weltlichen Firma in Bangkok drucken. (Vom 1. Januar 1947 an war er von Brüdern vervielfältigt worden.) Mit der Ausgabe vom 1. Oktober 1971 wurde Der Wachtturm dann halbmonatlich herausgegeben. Und seit 1978 erscheint Erwachet! monatlich. Dadurch haben die Brüder jetzt nicht nur eine größere Vielfalt an geistiger Speise, sondern ihnen steht auch eine Zeitschrift zur Verfügung, die sehr gern von Buddhisten gelesen wird.

Ob ein Buch oder eine Zeitschrift nun eine Auflage von einigen Tausend oder mehreren Millionen hat, das Übersetzen, das Schriftsetzen, das Korrekturlesen und die graphische Gestaltung nehmen etwa die gleiche Zeit in Anspruch, und das ist so in jeder Sprache. Im Zweigbüro gibt es also viel zu tun, und 16 Bethelmitarbeiter und mehrere Aushilfsmitarbeiter kümmern sich dort zur Zeit um die Bedürfnisse der Brüder und der Interessierten im ganzen Land.

Einheimische Pioniere erhalten Schulung in Gilead

Unter den 103 Absolventen der 31. Klasse der Gileadschule, deren Abschlußfeier 1958 auf dem unvergeßlichen internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“ im Yankee-Stadion in New York stattfand, befanden sich auch zwei Pioniere aus Thailand: Bruder Bantoeng Chantraboon und Schwester Buakhieo Nantha. Bruder Bantoeng war 1956 als Kreisaufseher eingesetzt worden. Er dient immer noch als Sonderpionier im Norden Thailands. Schwester Buakhieo war eine der ersten beiden Sonderpionierinnen in Thailand. Sie setzte diesen Dienst bis zu ihrem Tod im Jahre 1986 eifrig fort. Schwester Somsri Darawan, Buakhieos Sonderpionierpartnerin, hatte 1953 die 20. Klasse der Gileadschule absolviert. Sie hat viele Jahre ihre ganze Zeit zur Verfügung gestellt, um im Zweigbüro bei der Übersetzung mitzuhelfen.

Mehrere andere einheimische Vollzeitdiener wurden in der Gileadschule unterwiesen und kehrten zur Förderung der Königreichsinteressen in ihr Heimatland zurück. Die letzten — sie kamen 1979 — waren Asawin Urairat, der jetzt zum Zweigkomitee gehört, und seine Frau Chiwan, Sakda Darawan (Somsris Sohn), der als stellvertretender Kreisaufseher dient, und Schwester Srisuphap Vesgosit, eine Missionarin im Missionarheim in Thon Buri.

Neue Lage und neue Aufsicht des Zweigbüros

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die Gesellschaft als Zweigbüro und Missionarheim ein Haus in der Soi Decho 122 gemietet, das vielen Bewohnern Bangkoks bekannt war. Als der Besitzer 1957 eine überhöhte Miete verlangte, war Bruder Knorr der Meinung, es sei an der Zeit, ein Grundstück zu erwerben und ein Zweiggebäude zu errichten. Im Jahre 1959 wurde ein geeignetes Grundstück in der Soi Phasuk 69/1, Sukhumwitstraße, gekauft. Es befindet sich in einem besseren Wohnviertel in der Nähe des Geschäftsviertels der Stadt.

Im Oktober 1961 konnte der Bauunternehmer mit dem Bau anfangen. Das zweistöckige Gebäude, das auch einen großen Königreichssaal und sechs Schlafzimmer haben sollte, wurde nach sechs Monaten fertiggestellt. Die Bethelmitarbeiter — damals waren es drei — und die sechs Missionare waren froh, daß sie aus der provisorischen Unterkunft in der Soi Lang Suan ausziehen und ihre schönen neuen Zimmer beziehen konnten.

Kurz vor Baubeginn im Jahre 1961 übernahm jemand anders die Aufsicht im Zweigbüro. Joseph Babinski, der 1950 George Powell abgelöst hatte, mußte wegen familiärer Verpflichtungen aus dem Missionardienst ausscheiden. Am 1. September 1961 wurde Paul Engler als Zweigaufseher eingesetzt. Bruder Engler ist gebürtiger Deutscher, und er kam nach Thailand, nachdem er die 20. Klasse der Gileadschule absolviert hatte. Ehe er 1959 ins Bethel kam, war er in der nördlichen Stadt Chiang Mai fast sechs Jahre als Missionar tätig gewesen. Alle drei Zweigaufseher, Bruder Powell, Bruder Babinski und Bruder Engler, haben das Königreichswerk in Thailand gut geleitet.

Eine Zeit des Sichtens

Zwischen 1945 und 1960 nahm die Verkündigerzahl ständig zu, in manchen Jahren über 20 %. Dann war plötzlich ein Rückgang zu verzeichnen. Das Dienstjahr 1961 endete mit einer 1%igen Abnahme. In den folgenden drei Jahren sank die Verkündigerzahl noch mehr, im ersten um 4 %, im zweiten um 5 % und im dritten um 12 %, dann wieder etwas weniger, 1965 um 3 % und 1966 um 1 %. Die Verkündigerzahl war also inzwischen von 382 — das war 1960 die Höchstzahl — auf 265 zurückgegangen. Was war geschehen?

Rückblickend kann gesagt werden, daß mit der Königreichsdienstschule im Jahre 1961 anscheinend eine Zeit des Sichtens begonnen hatte. Darrow Stallard, schon damals ein langjähriger Kreisaufseher, unterwies eine Klasse dieser Schule in Chiang Mai und eine andere in Bangkok. Im Unterricht wurden die Voraussetzungen besprochen, die Königreichsverkündiger erfüllen müssen. Den Versammlungsaufsehern, die den Schulkurs zusammen mit Sonderpionieren und Missionaren besuchten, wurde vor Augen geführt, daß diejenigen, die sich am Werk der Zeugen Jehovas beteiligen, ein Leben führen müssen, das mit den biblischen Erfordernissen übereinstimmt. Das war manchmal übersehen worden. Einige Interessierte hatten den Dienst aufgenommen, noch ehe sie die schriftgemäßen Erfordernisse erfüllten. Andere Personen wurden schon getauft, bevor sie ihre ehelichen Angelegenheiten geregelt hatten.

Als der in der Schule erhaltene Rat angewendet wurde, stellte sich heraus, daß viele Verkündiger gar nicht als solche gezählt werden konnten. Einige wollten nicht einmal die nötigen Änderungen vornehmen. Im Jahre 1962 wurde deshalb neun Personen die Gemeinschaft entzogen, und im Laufe der folgenden vier Jahre mußten 25 weitere Personen ausgeschlossen werden — für Thailand ungewöhnlich hohe Zahlen. Das war für die Schwächeren eine Zeit der Entmutigung, und einige von ihnen wurden untätig. Aber ein Ereignis im Jahre 1963 munterte die Treuen wieder auf.

Der größte je durchgeführte Kongreß

Die Bekanntmachung, daß einer der rund um die Welt veranstalteten Kongresse „Ewige gute Botschaft“ auch in Bangkok stattfinden werde, löste große Freude aus. Die Brüder in Thailand würden so auf einem eigenen Kongreß das internationale Ausmaß der Organisation Jehovas sehen. Es war keine leichte Aufgabe, den Kongreß vorzubereiten und für fast 600 ausländische Delegierte die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, denn die Zahl der erwarteten Gäste war doppelt so hoch wie die Zahl der Verkündiger im Land. Es war der größte Kongreß, der je in Thailand durchgeführt wurde, denn den öffentlichen Vortrag „Wenn Gott König ist über die ganze Erde“ hörten 961 Personen.

Bis dahin war nur selten eine so große Touristengruppe ins Land gekommen. Kein Wunder also, daß in den Zeitungen, im Radio und im Fernsehen ausführlich darüber berichtet wurde. Die Ankunft von Bruder Knorr wurde im Fernsehen übertragen. Sechs Rundfunkstationen strahlten ein 15minütiges vorbereitetes Programm aus. Mindestens zehn Zeitungen erstatteten Bericht über den Kongreß und über den Verlauf der Weltreise. Eine Schlagzeile lautete: „Die größte Luftbrücke nach den GIs“.

Hilfe von den Philippinen

Als Denton Hopkinson aus dem Zweigbüro in Manila (Philippinen) im Dezember 1963 als Zonenaufseher Thailand besuchte, fand er heraus, daß dort erfahrene Prediger benötigt wurden, die für die einheimischen Brüder im Predigtdienst ein Ansporn wären. Damals wurden in der Gileadschule hauptsächlich Aufseher geschult, und die meisten Missionare, die Thailand verlassen hatten, waren nicht ersetzt worden. Daher schlug Bruder Hopkinson vor, Sonderpioniere von den Philippinen nach Thailand zu senden, um in dem Werk mitzuhelfen. Er sagte jedoch zu dem Zweigaufseher: „Wir können euch aber nur Schwestern schicken. Die Brüder brauchen wir selbst.“ Doch später folgten auch einige philippinische Brüder.

Die Gesellschaft war mit dem Vorschlag von Bruder Hopkinson einverstanden, und Mitte 1964 kamen die ersten beiden Schwestern: Rosaura (Rose) Cagungao und Clara dela Cruz. Sie sollten als Sonderpioniere das riesige Gebiet in der Provinz Thon Buri bearbeiten, das sich auf der anderen Seite des Chao Phraya befindet, des Flusses, an dem Bangkok liegt. Obwohl sie nicht die Gileadschule absolviert hatten, erhielten sie nach einem Jahr den Missionarstatus. Und nach einiger Zeit gab es zwei glückliche Paare: Schwester Cagungao heiratete den Zweigaufseher Paul Engler, und Schwester dela Cruz wurde die Frau von Diego Elauria, einem anderen philippinischen Missionar in Thailand.

Es stellte sich heraus, daß sich die Missionare von den Philippinen ausgezeichnet für das Gebiet in Südostasien eignen, denn sie sehen den Einheimischen sehr ähnlich und fallen deshalb bei der Bearbeitung des Gebietes nicht so auf wie die europäischen und die amerikanischen Missionare. Aus diesem Grund wurden im Laufe der Jahre noch weitere Missionare von den Philippinen nach Thailand gesandt, aber nicht nur dorthin, sondern auch nach Südvietnam, Laos und in andere asiatische Länder. Derzeit sind zehn Filipinos in Thailand als Missionare tätig.

Probleme in Verbindung mit dem Fahnengruß

Das Werk begann gerade wieder größere Fortschritte zu machen, als im Oktober 1966 das Fahnengrußproblem aufkam. Kurz zuvor, im November 1965, hatte sich der Sohn eines alleinstehenden Verkündigers aus Gewissensgründen geweigert, an der Fahnengrußzeremonie teilzunehmen. Nachdem sein Vater die Angelegenheit auf etwas krasse Art erklärt hatte, schickten der Bezirksvorsteher und der Bevollmächtigte der lokalen Schulbehörde einen Bericht an das Ministerium für Erziehung und legten das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ bei. Daraufhin erhielt das Zweigbüro am 31. Oktober 1966 einen dringlichen Brief. Der Zweigaufseher, Paul Engler, und sein Gehilfe, Guy Moffatt, sprachen deshalb bei der Behörde für religiöse Angelegenheiten im Ministerium für Erziehung vor.

Die Brüder erklärten dem Generaldirektor der erwähnten Behörde, daß Jehovas Zeugen die Fahne eines jeden Landes, in dem sie wohnen, respektieren und daß sie ihren Respekt durch den Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Landes zum Ausdruck bringen, aber daß sie darum bitten, von der Teilnahme an einem Akt der Bilderverehrung freigestellt zu werden, weil ein solcher Akt gegen das Gesetz unseres Gottes, Jehova, ist (Mat. 4:10). Der Beamte bestand jedoch auf seiner Meinung, daß die Nation wichtiger sei als die Religion und daß der Fahnengruß nichts mit religiöser Verehrung zu tun habe.

Fünf Monate später wurde Bruder Engler von der zentralen Ermittlungsbehörde vorgeladen. Man leitete die Sache an das Innenministerium weiter. Bruder Engler erklärte dem Hauptmann der Ermittlungspolizei acht Stunden lang — über drei Tage verteilt — genau unseren religiösen Standpunkt hinsichtlich der Fahnengrußfrage. Er erwähnte unter anderem, daß viele Länder Jehovas Zeugen gegenüber tolerant seien, wenn dieses Problem auftrete.

Der Polizeihauptmann hörte Bruder Englers Argumenten aufmerksam zu und bestimmte dann, daß die Kinder von Zeugen Jehovas in Thailand nur ruhig dazustehen brauchen, während die anderen Schüler an der Fahnengrußzeremonie teilnehmen. Danach schickte er einen Bericht an die zuständigen übergeordneten Behörden, damit sie sich dieser Angelegenheit annehmen konnten.

Wie würde die Entscheidung ausfallen? In der Vergangenheit hatten Regierungsbeamte Jehovas Zeugen immer nett und freundlich behandelt. Viele Gebete wurden gesprochen „in bezug auf Menschen von allen Arten ..., in bezug auf Könige und alle, die in hoher Stellung sind“, damit die Glieder des Volkes Gottes weiterhin „ein ruhiges und stilles Leben“ führen und uneingeschränkt das Werk fortsetzen könnten (1. Tim. 2:1, 2). Nach ungefähr einem Jahr kam eine indirekte Antwort.

Nur ein oder zwei Tage nachdem Bruder Engler verhört worden war, trafen fünf neue Missionare von den Philippinen ein. Ihr Einwanderungsgesuch würde von der Ermittlungsbehörde bearbeitet werden. Ein ganzes Jahr kam keine Nachricht. Im April 1968 wurde den Missionaren dann mitgeteilt, daß ihr Gesuch bewilligt worden sei. Daraus konnte man schließen, wie die Behörden in der Fahnengrußfrage entschieden hatten. Aber eine offizielle Benachrichtigung erfolgte nie.

Zwei Publikationen verboten

Ein Verkündiger in einer Provinz im Landesinnern sah an einem öffentlichen Gebäude eine Bekanntmachung. Es war eine Anordnung des Generaldirektors der Polizeibehörde, die besagte, daß das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ und die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ im Königreich Thailand verboten worden waren. Das war vielleicht ein Schock! Die Anordnung war am 29. März 1968 veröffentlicht worden, aber die Gesellschaft hatte man nicht benachrichtigt. Das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ war jedoch bis dahin schon vergriffen. In den 16 Jahren, in denen es benutzt worden war, waren 13 000 Exemplare verbreitet worden. Wieso hatte man die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ verboten? Was beinhaltete sie, woran man hätte Anstoß nehmen können? Wegen ihrer einfachen und deutlichen Darlegungsweise gebrauchten die Brüder sie sehr gern, um Bibelstudien zu beginnen.

Der Beamte, an den man sich in dieser Angelegenheit wandte, murmelte eine Entschuldigung, ehe er auf die zur Debatte stehende Passage in der Broschüre hinwies. Diese lautete: „So ist es denn verkehrt, wenn der Mensch ein Bild Gottes zur Anbetung zu machen sucht.“ Da Buddhisten gern Bilder von Buddha machten, so erklärte er, fühlten sich manche vielleicht durch diesen Ausspruch verletzt. Als Bruder Engler ihm sagte, daß sich die Broschüre keineswegs auf Buddha beziehe, sondern auf Jehova Gott, den Schöpfer, erwiderte der Beamte: „Dann müßte das in der Broschüre auch erwähnt werden. Ich hätte nichts zu beanstanden, wenn anstelle des Ausdrucks ‚Gottes‘ die Wörter ‚des Schöpfers‘ eingesetzt würden.“ Er fügte hinzu: „Sie müßten aber den Titel der Broschüre ändern, denn der jetzige Titel ist nun verboten.“

Von da an hieß die Broschüre nicht mehr „Diese gute Botschaft vom Königreich“, sondern Diese gute Botschaft muß gepredigt werden.

Fruchtbares Gebiet in Flüchtlingslagern

Nach dem Regierungswechsel in Südvietnam, Kambodscha und Laos im Jahre 1975 strömten die Flüchtlinge scharenweise nach Thailand, darunter auch viele laotische Brüder, die es für notwendig erachteten, ihre Heimat zu verlassen. Im Flüchtlingslager, nahe bei Nong Khai am Ufer des Mekong, gab es eine Zeitlang eine Versammlung von 20 und mehr Verkündigern, die über ihren Dienst Bericht erstatteten. Die Brüder nutzten die Zeit, indem sie mit anderen Flüchtlingen über die Wahrheit sprachen. Viele hatten in ihrem Heimatland noch nie von der guten Botschaft gehört. Eine ganze Reihe Interessierter nahm den Predigtdienst auf, und mehrere wurden noch im Lager getauft.

Ein Missionar der Christenheit ermunterte eine betagte Laotin, die dem Buddhismus angehörte, in die im Lager befindliche Kirche zu gehen. Sie kaute gewohnheitsmäßig Betelnuß und strengte sich sehr an, mit dieser Gewohnheit zu brechen, jedoch ohne Erfolg. Dem Missionar gegenüber erwähnte sie ihr Problem, worauf er erwiderte: „Das macht nichts. Sie können rauchen und Betelnuß kauen und trotzdem ein Christ sein. Sie brauchen nur Ihren Spucknapf in die Kirche mitzubringen.“ Da die alte Frau der Ansicht war, daß es vom moralischen Standpunkt aus nicht richtig sei, Betelnuß zu kauen, dachte sie bei sich: „Wenn sie erlauben, zu rauchen und Betelnuß zu kauen, haben sie bestimmt auch nichts gegen das Lügen und das Stehlen einzuwenden.“ Sie ging nicht mehr in diese Kirche. Kurz danach sprach eine Schwester im Predigtdienst bei ihr vor. Sogleich fragte die alte Frau: „Darf man in Ihrer Religion Betelnuß kauen?“ Als die Frage verneint wurde, erkannte sie, daß Jehovas Zeugen anders sind, und sie fing an, die Bibel zu studieren.

Ihrer 65jährigen Freundin erzählte sie, was sie lernte. Die Freundin — ebenfalls von der Betelnuß abhängig — konnte nicht lesen. Die Schwester und die alte Frau brachten ihr also Lesen und Schreiben bei. Beide Interessierte begannen regelmäßig den Zusammenkünften beizuwohnen. Es fiel ihnen aber sehr schwer, mit der Gewohnheit des Betelkauens zu brechen. Erst nachdem sie im Buch Wahrer Friede und Sicherheit das Kapitel über den Drogengebrauch behandelt hatten, hatten sie die Kraft, damit aufzuhören. Als der Kreisaufseher die Versammlung im Lager besuchte, sagten sie ihm, wie rein sie sich jetzt fühlten. Stolz öffneten sie ihren Mund und zeigten ihm lachend ihre Zähne, die nicht mehr schwarz waren. Beide Frauen wurden im Lager getauft.

Da den drei Brüdern, die in jener Versammlung als Älteste bzw. als Dienstamtgehilfen dienten, auch nicht erlaubt wurde, das Lager zu verlassen, um die Königreichsdienstschule zu besuchen, wurde ein Kurs im Lager durchgeführt. Der Kreisaufseher kam zu ihnen und besprach mit ihnen den gesamten Stoff. Mit der Zeit wurden alle Brüder, die im Lager wohnten, in anderen Ländern angesiedelt. Diese tapfere kleine Gruppe von Zeugen Jehovas, die Flüchtlinge waren, trug an anderen Orten dazu bei, daß laotischsprachige Verkündigergruppen und Versammlungen entstanden.

Lauterkeit durch die Blutfrage auf die Probe gestellt

Jehovas Zeugen lehnen aus religiösen, biblisch fundierten Gründen Bluttransfusionen ab (Apg. 15:28, 29). Da es immer noch üblich ist, für medizinische Zwecke Blut zu verwenden, und in Thailand die Ansicht eines Arztes im allgemeinen vom Patienten ohne irgendwelche Einwände akzeptiert wird, wurde die Lauterkeit vieler Brüder auf eine harte Probe gestellt.

Bei Araya Tanchakun, einer Sonderpionierin, die schwanger war, traten beispielsweise plötzlich Blutungen auf. Sie wurde eilends ins Krankenhaus gebracht, wo man bei ihr eine Placenta praevia feststellte. (In diesem Zustand sitzt die Plazenta tief unten im Uterus und blockiert den Geburtskanal.) Man gab ihr eine Kochsalzinfusion, doch die Ärzte sagten ihr, daß sie im Falle weiterer Blutungen eine Bluttransfusion benötige.

Jedem diensthabenden Arzt, der zu ihr kam, machte sie ihren Standpunkt klar. Ein Arzt erklärte, er kenne Jehovas Zeugen von den Vereinigten Staaten her, und machte ihr den Vorschlag, sich heimlich Blut geben zu lassen, ohne daß die Organisation etwas davon erführe. Schwester Araya betonte, daß ihre Entscheidung eine Sache zwischen ihr und Jehova sei, Menschen hätten damit nichts zu tun. Ein anderer Arzt führte den Fall von buddhistischen Mönchen an, die normalerweise auch nicht von Frauen berührt werden dürften. Wenn sie aber wegen Krankheit in ein Krankenhaus müßten, könnten sie von Krankenschwestern versorgt werden. „Werden in Ihrer Religion nicht auch solche Ausnahmen gemacht?“ fragte er. Als Araya dies verneinte, drückte er sein Bedauern darüber aus, daß es Ärzten in Thailand nicht möglich sei, eine richterliche Verfügung einzuholen, die ihnen die Erlaubnis für eine Bluttransfusion gäbe. Er machte ihr keine großen Hoffnungen, besonders weil die Geburt kurz bevorstand. Als sie einige Tage später das Krankenhaus verließ, gab ihr das Krankenhauspersonal eindeutig zu verstehen, daß sie sich dort nicht wieder sehen zu lassen brauche, es sei denn, sie akzeptiere Blut. Ihre Prüfung war damit aber noch nicht zu Ende.

Phonthipa Teeraphinyo, eine Schwester aus einer anderen Versammlung, brachte Araya mit einem Arzt in Kontakt, der ihr einmal in Verbindung mit der Blutfrage geholfen hatte. Etwa eine Woche später bekam Araya Wehen, und die Blutungen fingen wieder an. Als der zuletzt erwähnte Arzt im zweiten Krankenhaus feststellte, wie schwach sie war, war er sehr besorgt und änderte seine Meinung. Er ließ Araya und ihren Mann wissen, daß es ihren Tod bedeuten könnte, wenn man ihr in diesem Zustand auch nur ein Betäubungsmittel geben würde. Doch das Ehepaar blieb standhaft. Arayas Mann bat den Arzt, seine Frau ohne Blut zu behandeln, und selbst wenn sie sterben würde, wäre er ihm für seine Bemühungen dankbar. Als der Arzt bemerkte, daß ungefähr 30 Zeugen Jehovas aus Sorge im Krankenhaus warteten, war er beeindruckt und erklärte sich einverstanden, ohne die Verwendung von Blut einen Kaiserschnitt vorzunehmen.

Alle waren glücklich und erleichtert, als Araya ein gesundes Mädchen, ihr achtes Kind, zur Welt brachte; ihr ging es ebenfalls den Umständen entsprechend gut. Als dem Arzt zu Ohren kam, daß das Ehepaar schon viele Jahre im Vollzeitpredigtdienst stand, und weil er von einem solchen Glauben beeindruckt war, nahm er keine Bezahlung an.

„Mutti, wenn ich sterben muß, soll Vati nicht weinen und du auch nicht“

Phonthipa — die Schwester, durch die Araya den hilfsbereiten Arzt kennengelernt hatte — besuchte ihn wenige Wochen nach der Entlassung Arayas aus dem Krankenhaus, um sich dafür zu bedanken, daß er Arayas religiöse Überzeugung respektiert und die Operation ohne Blut durchgeführt hatte. Der Arzt bemerkte, daß Phonthipas neunjähriger Sohn Seri sehr blaß aussah. Eine daraufhin vorgenommene Blutuntersuchung ergab, daß er an Leukämie litt. Der Arzt erklärte, eine Bluttransfusion sei die einzig bekannte Behandlungsmethode bei dieser Krankheit.

Was sagte Seri dazu? „Selbst wenn ich heute oder morgen sterben muß — ich werde kein Blut annehmen, nicht einen einzigen Tropfen“, sagte er zu dem Arzt. Er kannte nicht nur das Gesetz Gottes hinsichtlich des Blutes, sondern er wollte es auch unter allen Umständen befolgen. Als er einige Ärzte sagen hörte, die Überzeugung seiner Mutter hinsichtlich des Blutes sei unsinnig, verteidigte er sie und sprach: „Sie dürfen mit meiner Mutter nicht schimpfen! Das machen Sie nur, weil Sie die Bibel nicht studiert haben.“

Etwa sechs Wochen nachdem der Arzt die Leukämie diagnostiziert hatte, wurde Seri ins Krankenhaus eingeliefert. Trotz des Drucks, den die Ärzte auf ihn ausübten, war er eisern entschlossen, kein Blut zu akzeptieren. Er wurde immer schwächer, und als Schmerzmittel gab man ihm Morphium. Während seines Leidens offenbarte er jedoch einen erstaunlichen Glauben. Ständig sprach er über die Hoffnung, in dem herannahenden Paradies auf der Erde zu leben. Zu seiner Mutter sagte er einmal: „Mutti, wenn ich sterben muß, soll Vati nicht weinen und du auch nicht. Freut euch doch darüber, daß wir dann eine Prüfung Satans bestanden haben.“ Seri starb in Treue, und er gab ein nachahmenswertes Beispiel für andere junge Leute, ein Beispiel, das zeigt, wie man unter Prüfung seine Lauterkeit bewahren kann (Spr. 22:6).

Jugendliche treten für die Wahrheit ein

In Thailand steht die Bereitwilligkeit, mit der junge Leute die Wahrheit annehmen, in scharfem Gegensatz zu der Gleichgültigkeit der meisten Älteren, die eisern an Traditionen festhalten. Da diejenigen, die der jüngeren Generation angehören, freier von Vorurteilen sind, konnte mehreren geholfen werden, ein Bibelstudium zu beginnen und Zeugen Jehovas zu werden. Viele müssen wegen der Wahrheit einen Kampf führen, denn ihre Eltern und andere Verwandte leisten ihnen Widerstand. Sie müssen also Ausharren bekunden, was aber ihren Glauben nur noch stärkt.

Viele junge Verkündiger geben durch ihr gutes Benehmen und ihr kompromißloses Eintreten für die wahre Anbetung in der Schule ein gutes Zeugnis. Am jährlichen Wai-Khru-Tag ist an allen Schulen ein besonderes Programm vorgesehen, einschließlich religiöser Zeremonien, wodurch die Schüler ihre Lehrer verehren. In einer Schule erklärten drei junge Brüder dem Rektor einige Zeit vor dem Feiertag die Gründe, warum sie am Programm nicht teilnehmen könnten, und baten darum, zu Hause bleiben zu dürfen. Trotzdem mußten sie anwesend sein. Ohne an den religiösen Zeremonien teilnehmen zu müssen, erhielten sie Gelegenheit, den Lehrern gegenüber ihre Achtung zum Ausdruck zu bringen.

Am Wai-Khru-Tag wurden die drei nach Beendigung der Zeremonien gerufen. Auf der Bühne saßen etwa 70 bis 80 Lehrer vor über tausend Schülern. Die Brüder erklärten in einer kurzen Ansprache, daß Jehovas Zeugen einen Unterschied machen zwischen dem Erweisen von Respekt gegenüber Lehrern und der Anbetung. Sie können und sollten jeden respektieren, und zwar überall, auch außerhalb des Schulgrundstücks. Anbetung brächten sie allerdings ausschließlich ihrem Schöpfer, Jehova Gott, dar. Den Lehrern und den Schülern gefielen die Ausführungen, was sie durch stürmischen Applaus zum Ausdruck brachten.

Bemühungen um die gesetzliche Anerkennung

Die meisten in Thailand eingesetzten Missionare erhielten bis Anfang der 70er Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung für unbegrenzte Zeit. Auch in anderer Hinsicht waren die Behörden tolerant und entgegenkommend. Als sich aber die Brüder um eine gesetzliche Eintragung der Gesellschaft bemühten, um ‘die gute Botschaft gesetzlich zu befestigen’, antworteten die Behörden, das sei nicht nötig (Phil. 1:7). Der Generaldirektor der Behörde für religiöse Angelegenheiten schrieb 1974 in einem Brief: „Da der Hauptzweck dieser Gemeinschaft darin besteht, die christliche Religion zu predigen und zu lehren, ist es nicht nötig, eine Vereinigung zu gründen. Sie können Ihre Tätigkeit, die diesem Zweck entspricht, fortsetzen; stehen Sie also im Moment davon ab, eine Vereinigung zu gründen.“

Als ein Jahr später zwei Missionare ein Einwanderungsvisum beantragten, forderte die Einwanderungsbehörde von der Behörde für religiöse Angelegenheiten einen Brief, der bestätigen sollte, daß die Antragsteller Missionare sind. Die Aushändigung eines solchen Briefes wurde jedoch verweigert, weil die Watch Tower Society nicht gesetzlich eingetragen war. Und die Antwort auf einen weiteren Versuch, die Gesellschaft eintragen zu lassen, lautete ähnlich wie die erste.

Ohne das Schreiben von der Behörde für religiöse Angelegenheiten gab man den Missionaren nur ein befristetes Visum. Deshalb war es erforderlich, daß sie alle 90 Tage außer Landes reisten. Der Vertreter des Erziehungsministers war sehr hilfsbereit, als man mit dieser schwierigen Angelegenheit an ihn herantrat. Er schickte dem Leiter der Einwanderungsbehörde einen Brief, in dem es hieß: „Der Erziehungsminister hat sich dieser Sache angenommen und folgendes entschieden: Da Thailand Religionsfreiheit garantiert, ... ist es angebracht, daß die Aufenthaltsgenehmigung der Missionare um ein Jahr verlängert wird.“

Die Aufenthaltsgenehmigung der Missionare wurde ein zweites Mal um ein Jahr verlängert, und zwar mit der Hilfe des Nachfolgers des stellvertretenden Ministers, der den Zeugen Jehovas empfahl, eine gesetzliche Organisation zu gründen. Deshalb wurde 1982 die Organisation zur Förderung biblischer Unterweisung gegründet und gesetzlich eingetragen, und mehrere erfahrene einheimische Brüder wurden Mitglieder des Komitees.

Diese Organisation, ein kultureller Verband, hat das Recht auf Eigentum, z. B. auf Königreichssäle. Die Behörde für religiöse Angelegenheiten erkennt diese Organisation jedoch nicht als eine Religionsgemeinschaft an. Eine solche Anerkennung würde es ermöglichen, daß weitere Missionare ins Land kommen könnten. Wieso wird die Anerkennung verweigert? Die Behörde befragt in Angelegenheiten der christlichen Religion gewöhnlich die Häupter der schon anerkannten Organisationen der Christenheit in Thailand. Als eine Zusammenkunft einberufen wurde, um den Antrag von Jehovas Zeugen zu besprechen, waren die Vertreter dieser Religionsgemeinschaften (einschließlich der katholischen Kirche, der Gemeinde Christi in Thailand, der Christian and Missionary Alliance, der Baptistenkirche und der Adventisten des Siebenten Tages) einstimmig dagegen, die christlichen Zeugen Jehovas anzuerkennen, weil die Lehren und die Tätigkeiten der Zeugen Jehovas nicht mit denen der anderen Glaubensgemeinschaften übereinstimmten. Dieselbe Situation besteht heute noch.

Ein besonderer Kongreß spornt zur Tätigkeit an

Der Kongreß „Bewahrer der Lauterkeit“, der 1985 in Bangkok stattfand, war nach dem Kongreß, der 1963 rund um die Welt abgehalten worden war, der erste mit internationalem Charakter. Etwa 400 Delegierte aus 18 Ländern kamen nach Thailand. Die leitende Körperschaft wurde durch Bruder Lyman A. Swingle vertreten.

Eine Besonderheit war der Predigtdienst am Freitag nachmittag, als so gut wie alle Besucher — ein großer Prozentsatz davon waren Pioniere — mit ihren thailändischen Brüdern und Schwestern, die ihnen zahlenmäßig fast unterlegen waren, auszogen. Der gemeinsame Predigtdienst und das zeitgemäße Kongreßprogramm hinterließen bei den Brüdern einen tiefen Eindruck und waren im ganzen Land ein Ansporn zu vermehrter Tätigkeit.

In den Monaten nach dem Kongreß wurden neue Verkündigerhöchstzahlen erreicht. Im April 1986 standen 157 Brüder und Schwestern im Hilfspionierdienst, was eine Mehrung von 80 Prozent gegenüber der letzten Höchstzahl darstellte. Eine Versammlung von 91 Verkündigern berichtete 48 Hilfspioniere, wozu auch 6 von 7 Ältesten gehörten. Die übrigen 43 Verkündiger erreichten in jenem Monat einen Stundendurchschnitt von 20,9.

„Der Kleine“ wird zu einem Tausend

Seit 1936, dem Zeitpunkt, zu dem Frank Dewar als alleinstehender Pionier in Bangkok ankam, wird das Königreichswerk in Thailand ohne Unterbrechung durchgeführt. Er und andere ausländische Pioniere, die sich ihm anschlossen, mußten vier Jahre lang hart arbeiten, ehe sich die ersten einheimischen Verkündiger taufen ließen. Bis 1960 nahm die Zahl der Verkündiger beständig zu — in den meisten Jahren über 10 Prozent —, bis sie auf 382 angestiegen war. In den 60er Jahren war mehrere Jahre ein Rückgang zu verzeichnen, aber gegen Ende des Jahrzehnts hatte die Verkündigerzahl wieder den Stand von 1960. In den folgenden Jahren nahm die Zahl wieder zu, sogar bis zu 20 Prozent, und schließlich pendelte sich die Zuwachsrate auf 3 bis 5 Prozent pro Jahr ein.

Jahr um Jahr sehnten die Brüder ein bestimmtes Ereignis herbei: das Überschreiten der Marke von 1 000 Verkündigern. Im April 1988 war es endlich soweit, als insgesamt 1 021 Verkündiger einen Bericht abgaben. Das Jahr 1990 endete mit einer Zunahme von 6 Prozent und einer noch nie dagewesenen Verkündigerhöchstzahl von 1 148. Jeden Monat werden über 1 169 Heimbibelstudien durchgeführt, und 2 692 Personen besuchten das Gedächtnismahl, was auf weiteres Wachstum schließen läßt. Ja, Jehova hatte verheißen, ‘es zu beschleunigen’ (Jes. 60:22).

Der Kreisdienst hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Brüder in den 34 Versammlungen und verschiedenen Verkündigergruppen in allen Teilen des Landes zu stärken. Das Zweigbüro hat für befähigte reisende Aufseher gesorgt, indem es Brüder im Kreis- bzw. Bezirksdienst eingesetzt hat, von denen einige die Gileadschule absolviert hatten. Aber auch junge, tatkräftige einheimische Brüder, z. B. Phisek Thongsuk, sind nun schon mehrere Jahre in diesem Dienst tätig, wobei sie den Brüdern eine große Hilfe sind. Emilio Batul, der bereits auf den Philippinen 10 Jahre als Kreisaufseher gedient hatte, ehe er nach Thailand kam, steht in diesem Land seit 22 Jahren im Reisedienst.

Auf Ausdehnung vorbereitet

Als 1962 das Zweigbüro auf das Grundstück der Gesellschaft in der Soi Phasuk 69/1, Sukhumwitstraße, verlegt wurde, waren die dortigen Räumlichkeiten bei weitem ausreichend. Seitdem hat sich die Zahl der Bethelmitarbeiter von 3 auf 16 erhöht. Im Jahre 1985 wurde ein angrenzendes Grundstück mit einem Wohnhaus und einem schönen Garten gemietet. Durch diesen zusätzlichen Wohnraum konnten im Zweiggebäude mehr Büros eingerichtet werden. Aber auch das reichte bald nicht mehr aus. Nach langem Suchen fanden und kauften die Brüder ein Grundstück in einer neu entstehenden Randsiedlung Bangkoks. Im Februar 1990 wurde mit dem Bau des neuen Zweiggebäudes begonnen, das fünfmal so groß sein wird wie das jetzige.

Wie in allen anderen Zweigbüros der Gesellschaft, so gibt es auch in Thailand seit 1976 ein Zweigkomitee. Anfangs gehörten dazu Paul Engler als Koordinator, Elon Harteva und Guy Moffatt. Elon Harteva ist inzwischen nach Finnland zurückgekehrt. Bruder Moffatt starb 1981, nachdem er 45 Jahre als Vollzeitdiener tätig gewesen war, 30 Jahre davon als Missionar und als Bethelmitarbeiter in Thailand. Da er auch im Kreis- und Bezirksdienst gestanden hatte, war er den Brüdern im ganzen Land bekannt, und sie liebten und achteten ihn wegen seines aufrichtigen Interesses an ihnen und seines Eifers für die wahre Anbetung. Asawin Urairat wurde nach seiner Rückkehr von der Gileadschule im Jahre 1980 als erster einheimischer Bruder zu einem Mitglied des Zweigkomitees ernannt. Gegenwärtig gehören außerdem Ernst Fischer, der 1972 die Gileadschule absolvierte, und Kaarle Harteva zum Zweigkomitee.

Mit Vertrauen in die Zukunft blicken

Obwohl Thailand seit Jahrhunderten in Traditionen verwurzelt ist, hat die wahre Anbetung Jehovas viele Menschen aus der Sklaverei der babylonischen Religion befreit. Die ersten, die in diesem Land Zeugen des Gottes der Wahrheit wurden, waren früher einmal sogenannte Christen. Aber jetzt sind die ehemaligen Buddhisten in der Überzahl. Beispielsweise ließen sich anläßlich des Kongresses „Lebendige Hoffnung“ im Jahre 1980 36 Personen taufen; 26 von ihnen gehörten zuvor dem Buddhismus an. Nur ein Täufling war früher katholisch, und neun hatten Eltern, die Zeugen Jehovas waren. Durch die gute Botschaft von Gottes Königreich haben viele, auch ehemalige Buddhisten, die Aussicht auf eine Art Freiheit, die kein Mensch und keine Regierung jemals herbeiführen kann, selbst nicht die Regierung des „Landes der Freien“: die Befreiung von Unvollkommenheit, Krankheit und Tod. (Vergleiche Johannes 8:32.)

Jehovas Zeugen werden die gute Botschaft weiterhin überall verkündigen. Es stimmt zwar, daß es in Thailand noch viel zu tun gibt. Über die Hälfte der 73 Provinzen sind Gebiete, die niemand zugeteilt sind. Doch wir sind zuversichtlich, daß das Werk in dem Maße durchgeführt wird, wie es dem Willen Jehovas entspricht. Und es wird vollendet werden! Bis dahin werden wir fortgesetzt „unter den Nationen [sprechen]: ,Jehova selbst ist König geworden‘ “ und uns bemühen, so vielen wie möglich zu helfen, wirklich frei zu werden (Ps. 96:10).

[Fußnote]

^ Abs. 35 In Thailand ist es üblich, die Leute mit ihrem Vornamen anzureden.

[Übersicht auf Seite 252]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Thailand 1 500

1950 89

1960 382

1970 380

1980 735

1990 1 148

Verkündigerhöchstzahl

300

1950 14

1960 41

1970 69

1980 114

1990 195

Pioniere (Durchschnitt)

[Kasten/Karte auf Seite 186]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

MYANMA (Birma)

Andamanensee

THAILAND

Chiang Rai

Chiang Mai

Nan

Lampang

Nong Khai

Udon Thani

Khon Kaen

Nakhon Ratchasima

Bangkok

Nakhon Si Thammarat

Songkhla

Golf von Thailand

MALAYSIA

LAOS

Vientiane

Savannakhet

KAMBODSCHA

Phnom Penh

VIETNAM

[Kasten]

THAILAND

Hauptstadt: Bangkok

Amtssprache: Thai

Hauptreligion: Buddhismus

Bevölkerung: 55 888 393

Zweigbüro: Bangkok

[Bilder auf Seite 188]

Frank Dewar durchsegelte mit dem 16 m langen Schiff „Lichtträger“ den südlichen Pazifik. Im Juli 1936 kam er in Bangkok an.

[Bilder auf Seite 191]

Gegensätze in Thailand: die Phangnga Bay im Süden, umgeben von Berghöhlen und der Küstenlandschaft, und das Tempelgebiet des Smaragd-Buddha, eines mystischen Riesen mit drei Köpfen

[Bilder auf Seite 193]

Willy Unglaube (oben) und Kurt Gruber predigten gegen Ende der 30er Jahre im nördlichen Landesteil

[Bild auf Seite 197]

Chomchai Inthaphan arbeitete von 1941 an als Übersetzerin und war von 1947 bis zu ihrem Tod im Jahre 1981 im Bethel

[Bild auf Seite 199]

Buakhieo Nantha, eine der ersten einheimischen Zeuginnen Jehovas, besuchte die 31. Klasse der Gileadschule

[Bild auf Seite 202]

George Powell, der erste Zweigaufseher, und seine Frau Dona

[Bild auf Seite 207]

Am 1. September 1947 wurde Thailand ein selbständiger Zweig. Das erste Zweigbüro lag in der Soi Decho 122 in Bangkok.

[Bild auf Seite 209]

Auf dem ersten Kreiskongreß in Chiang Mai im April 1948 für den Zeitschriftendienst bereit. In der hinteren Reihe (rechts) befindet sich Hans Thomas, der von 1941 bis 1954 in Thailand als Pionier tätig war.

[Bild auf Seite 210]

Missionare der 12. Gileadklasse: Joseph E. (Bob) Babinski, Gerald (Jerry) Ross, Darrow Stallard, Donald Burkhart

[Bild auf Seite 214]

Karun Chuthiangtrong — Wie wurde ihr Durst nach der Wahrheit gestillt?

[Bild auf Seite 220]

Seng Buawichai zweifelte die Lehre von der Dreieinigkeit an

[Bild auf Seite 224]

George und Carolyn Crawford sind von 1963 an in Kambodscha, Laos und Thailand als Missionare tätig gewesen

[Bild auf Seite 227]

Suyi Chinesia, einer der ersten Verkündiger in Laos; Bunhoeng Lao, der Bruder Siphans; und Siphan Lao, die erste Buddhistin aus Vientiane, die eine Zeugin Jehovas wurde

[Bild auf Seite 229]

Missionare predigen mit Hilfe eines Bootes auf den vielen Klongs (Kanälen) in Bangkok; 1956

[Bild auf Seite 230]

Bantoeng Chantraboon absolvierte 1958 die 31. Klasse der Gileadschule und diente als Kreisaufseher

[Bild auf Seite 231]

Somsri Darawan, eine der ersten thailändischen Sonderpionierinnen, absolvierte 1953 die Gileadschule

[Bild auf Seite 232]

Das erste Zweigbüro war nicht nur diesen Missionaren vertraut, sondern auch vielen Bewohnern Bangkoks

[Bild auf Seite 233]

Zweigbüro, Soi Phasuk 69/1, Sukhumwitstraße, Bangkok. Das neue Bethel soll 1991 fertig werden.

[Bild auf Seite 235]

Auf dem Kongreß „Ewige gute Botschaft“, der 1963 im Lumpini-Park in Bangkok stattfand, war die Zahl der ausländischen Delegierten doppelt so hoch wie die Zahl der Verkündiger im Land

[Bilder auf Seite 237]

Rosaura Engler (Cagungao) und Clara Elauria (dela Cruz) waren die ersten beiden Filipinos, die als Missionare nach Thailand gesandt wurden. Wieso wurden Filipinos nach Thailand geschickt?

[Bild auf Seite 238]

Guy Moffatt diente als Missionar und im Bethel 30 Jahre in Thailand

[Bild auf Seite 241]

Zeugen Jehovas aus Laos sind auf dem Weg in ein Flüchtlingslager, wo sie predigen wollen. Es gab dort 20 000 Flüchtlinge.

[Bild auf Seite 249]

Lyman Swingle, ein Glied der leitenden Körperschaft, mit dem Übersetzer Paul Engler auf dem Kongreß, der 1985 in Bangkok stattfand

[Bild auf Seite 251]

Die Mitglieder des Zweigkomitees haben zusammen 99 Jahre im Vollzeitdienst verbracht. Von links nach rechts: Paul Engler, Asawin Urairat, Ernst Fischer und Kaarle Harteva.