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Kenia und benachbarte Länder

Kenia und benachbarte Länder

Kenia und benachbarte Länder

VOR 144 Jahren war London in heller Aufregung. Johannes Rebmann, ein deutscher Afrikaforscher, hatte berichtet, in Ostafrika einen riesigen Berg gesehen zu haben. Ja, der Berg soll so hoch gewesen sein, daß sein Gipfel mit Schnee bedeckt war. Viele staunten zwar über diese Sensationsmeldung, doch Geographen schüttelten verneinend den Kopf. Schnee am Äquator? Nur in Rebmanns Phantasie, so meinten sie.

In späteren Jahren erzählten andere europäische Forscher Geschichten, die sie gehört hatten und die von einem zwergwüchsigen Naturvolk handelten, das in den Wäldern lebte und das noch kein weißer Mann gesehen hatte. Die Experten waren wieder skeptisch. Bestimmt wurden hier nur Märchen zum besten gegeben.

Aber in beiden Fällen irrten sich die Experten. Weitere Untersuchungen ergaben, daß es diesen hohen, das ganze Jahr über mit Schnee bedeckten Berg, den Kilimandscharo, tatsächlich gab. Auch bestätigte sich die Existenz der Pygmäen: Die Männer dieser Rasse werden im Durchschnitt nur etwa 1,35 m groß.

Wieviel Wunderbares Ostafrika doch in sich birgt! Nur wenige Gegenden der Erde sind so reizvoll und so voller Farben und von so zauberhafter Schönheit wie dieses Gebiet Afrikas. Man findet dort nicht nur schneebedeckte Berge, sondern auch glühendheiße Wüsten. Neben den kleinsten Menschen der Welt begegnet man den größten, den Tussi (Tutsi) und den Dinka, bei denen über 2 m große Männer nichts Ungewöhnliches sind.

Völker und Sprachen

Es ist ein Land von erstaunlicher Vielfalt. Seine 150 Millionen Einwohner sind in 350 ethnische Gruppen aufgeteilt. Allein in Tansania gibt es ungefähr 125. In Kenia sind 40 verschiedene Gruppen anzutreffen, angefangen von den Kikuyu, die in den modernen Geschäftsvierteln Nairobis stark vertreten sind, bis zu den Massai, einem Hirtenvolk, das sich hauptsächlich von Milch und dem Blut seiner Rinder ernährt.

Es überrascht daher nicht, daß in Ostafrika zahlreiche Sprachen gesprochen werden. Im wesentlichen können sie zwar in verschiedene Hauptsprachfamilien eingruppiert werden, aber es gibt Hunderte von Unterfamilien und örtlich begrenzten Sprachen. In Äthiopien allein werden 100 Sprachen gesprochen, einschließlich der „reinen Sprache“, die nicht nur Ostafrika vereinen wird, sondern die ganze Welt (Zeph. 3:9).

Berge, Seen und Tiere

Obgleich der größte Teil Ostafrikas ein tropisches Klima hat, ist das Landesinnere mit seinen Tafelländern im Vergleich zu den heißen Küstengebieten recht kühl. Von Norden nach Süden erstreckt sich das Ostafrikanische Grabensystem, ein über 6 000 km langer Grabenbruch in der Erdkruste. Entlang dieses Grabens erheben sich erloschene Vulkane. Der bekannteste ist der Kilimandscharo. Mit seinen fast 6 000 m ist er der höchste Berg Afrikas. Weiter nördlich ragt der Kenia empor — ein Paradox der Topographie, denn der Fuß des Berges ruht auf dem von der Sonne ausgedörrten Äquator, während seine beiden Gipfel ständig mit Schnee bedeckt sind.

Auf den Seen zwischen den Steilhängen des Grabens wimmelt es von Wasservögeln verschiedenster Art: Pelikane, Eisvögel, Gänse, Kraniche, Reiher, Störche, Ibisse und Löffelreiher — um nur einige zu nennen. Wegen des hohen Sodagehalts dieser Seen fühlen sich Garnelen und Blaualgen darin wohl, von denen sich die Flamingos ernähren. In Ostafrika gibt es fast 2 Millionen dieser anmutigen Vögel. Auf dem ganzen Kontinent bietet sich kaum ein überwältigenderes Schauspiel, als wenn riesige Scharen rosafarbener Flamingos zum tiefblauen Himmel emporsteigen.

Überall sieht man Vögel — seltsame und zauberhaft schöne. Ein schillernder Honigsauger labt sich am Nektar einer Blüte. In einer Papyrusstaude baut ein leuchtendgelber Webervogel kunstvoll sein Nest. Ein Geier gleitet mühelos durch die Wolken.

Natürlich gibt es auch Großwild. Besuchen wir doch einmal die Savanne und beobachten Elefanten, Zebras, Nashörner, Kaffernbüffel, Giraffen, Löwen, Leoparden und über 60 Antilopenarten. Vielleicht bekommen wir eine Weißschwanzgnuherde zu sehen — 10 000 Tiere —, die über das flache Land donnert, oder eine Meerkatze, die von einer Akazie herunterspäht, oder einen hochbeinigen Strauß, der nach Futter sucht.

Sei es das Danakiltiefland, eine der heißesten Gegenden der Erde, oder der Ruwenzori, eine Gebirgskette, wo Gorillas leben, oder seien es die weißen Sandstrände, wo hundertjährige Schildkröten umherwandern — Ostafrika ist tatsächlich ein unvergleichliches Gebiet der Erde.

Die verschiedenen Religionen

Wenn man die Geschichte Ostafrikas betrachtet, stellt man fest, daß die unterschiedlichen Stämme in der Regel ihre eigene Religion beibehalten haben; eine Ausnahme bildet Äthiopien, wo seit dem 4. Jahrhundert u. Z. die äthiopische Kirche vorherrscht. Doch Mekka liegt gleich auf der anderen Seite des Roten Meeres, und mit den jährlichen Passatwinden kamen arabische Handelsschiffe vom Persischen Golf zur Küste Ostafrikas; so faßte der Islam bald Fuß. Durch den einträglichen Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert — die meisten Sklaven stammten aus dem Gebiet zwischen den großen Seen Afrikas und dem Hafen von Sansibar — gelangten Muslime weiter nach Süden und ins Landesinnere. Heute gehören etwa 40 Prozent der Bevölkerung Ostafrikas dem Islam an; allerdings ist der Prozentsatz in einigen Ländern, z. B. in Uganda, Kenia, Ruanda und auf den Seschellen, viel geringer.

Im 19. Jahrhundert kamen dann noch europäische Forschungsreisende und Missionare, die die Grundlage für den Kolonialismus legten. Das britische Weltreich erhob Ansprüche auf die Gebiete, die später als das anglo-ägyptische Kondominium Sudan und Britisch-Ostafrika bekannt wurden. Somaliland teilten sich die Briten, die Franzosen und die Italiener. Ruanda und Urundi (heute Burundi) kamen unter belgische Verwaltung. Eritrea (Äthiopien) wurde für kurze Zeit von Italien beherrscht und Deutsch-Ostafrika, jetzt Tansania, von Deutschland. * Die Missionare der Christenheit teilten die Gebiete je nach religiösem Interesse unter sich auf, und jeder „Kirche“ wurde in einer gewissen Region so etwas wie eine Monopolstellung zugestanden. Man baute Schulen und Krankenhäuser und übersetzte die Bibel in viele Sprachen.

Heute nennen sich zwei Drittel der Bevölkerung Kenias Christen, während in ganz Ostafrika nicht einmal die Hälfte Christen sind. Einige Stämme haben an ihrem animistischen Glauben festgehalten, und gegenwärtig machen diejenigen, die ihren traditionellen Kult nicht aufgegeben haben, ungefähr ein Viertel oder ein Fünftel der Bevölkerung aus. Einwanderer aus Asien üben weiterhin ihre östliche Religion aus.

In jüngerer Vergangenheit machte sich der Nationalismus stark, und in den 60er Jahren erlangte ein Land nach dem andern die Unabhängigkeit. Meistens bedeutete das mehr Religionsfreiheit. Der Nationalismus öffnete auch zahlreichen selbsternannten Propheten die Tür, die die Glaubensgemeinschaften der Christenheit afrikanisierten und die Hunderte neuer Sekten gründeten, in denen große Rivalität und Verwirrung herrschte. Diese unterschiedlichen Glaubensansichten schürten Haßgefühle, und die Folge war, daß die Angehörigen einiger Religionsorganisationen heftig verfolgt wurden.

Die Kirchen der Christenheit mischten sich in die Kolonialpolitik ein und wollten Geschäfte machen; somit ahmten sie nicht Christus nach und gaben auch kein gutes Beispiel. Sie konnten die meisten ihrer Gläubigen auch nicht dazu bewegen, sich in moralischer Hinsicht auf Dauer zu ändern. Die Zeit war gekommen, daß in Ostafrika das Licht der biblischen Wahrheit zu scheinen begann.

Frühe Pioniere zünden eine Fackel an

Etwa 60 Jahre nachdem sich die berühmten Forschungsreisenden Livingstone und Stanley an den Ufern des Tanganjikasees getroffen hatten — die südlichsten Nilquellen waren noch nicht entdeckt worden —, versuchte man zum ersten Mal, Lichtstrahlen der biblischen Wahrheit auf diesen Teil Afrikas zu richten. In anderen Gebieten der Erde waren Bibelforscher damals schon sehr aktiv, denn sie stellten falsche religiöse Lehren bloß und machten die Menschen auf die Bedeutung der Weltereignisse aufmerksam. In Afrika begann das Werk zuerst an der Westküste und am Kap der Guten Hoffnung, der Südspitze des Kontinents.

Im Jahre 1931, dem Jahr, in dem die Internationalen Bibelforscher einen neuen, biblisch begründeten Namen — Jehovas Zeugen — annahmen, suchte das Zweigbüro der Watch Tower Society in Kapstadt nach Wegen, an der Ostküste des Kontinents und auch im Landesinnern den Samen der biblischen Wahrheit auszustreuen. Gray Smith und sein älterer Bruder Frank, zwei mutige Pioniere aus Kapstadt, machten sich nach Britisch-Ostafrika auf, um auszukundschaften, was für die Verbreitung der guten Botschaft in Ostafrika getan werden könnte. Sie nahmen ein Auto, einen De Soto, und bauten es zum Wohnmobil um, luden es sowie 40 Kartons mit Büchern auf ein Schiff und fuhren nach Mombasa, dem größten Hafen Kenias. Eine kurz zuvor gebaute Eisenbahnstrecke, die Mombasa mit Uganda verband, führte über das Hochland Kenias. In Mombasa angekommen, schickten die beiden Pioniere ihre kostbaren Bücher mit dem Zug nach Nairobi, in die über 1 600 m hoch gelegene Hauptstadt, die etwa 20 Jahre zuvor aus nichts weiter bestand, als aus ein paar wackeligen Hütten, in denen man Versorgungsgüter für die Eisenbahn bekommen konnte.

Die Brüder Smith machten sich dann auf den 575 km langen Weg nach Nairobi. Heute ist das eine ungefähr siebenstündige Fahrt auf einer modernen, befestigten Straße, aber damals war eine solche Reise mit einem beladenen Wohnmobil ein reines Abenteuer. Der Bericht, der bei Joseph F. Rutherford, dem damaligen Präsidenten der Watch Tower Society, einging und der im Wachtturm vom 1. September 1931 abgedruckt wurde, gewährt einen kleinen Einblick in ihre Fahrt und in die Zeugnistätigkeit in Nairobi:

„Geliebter Bruder Rutherford!

Schon oft haben mein Bruder und ich Dir gedankt für das Vorrecht, daß wir zur Arbeit nach dem jungfräulichen Südafrika gehen durften.

Wir verluden unsren großen Transportwagen in Kapstadt auf den Dampfer ,Llamtepher‘ nach Mombasa, und nach einer angenehmen Fahrt auf dem Meer begannen wir die gespenstischste und schrecklichste Landtour per Wagen, die ich jemals gemacht habe. Vier Tage brauchten wir dazu, um die 575 Kilometer von Mombasa nach Nairobi zurückzulegen. Dabei schliefen wir im Busch, umgeben von wilden Tieren.

Kilometer für Kilometer mußte ich aussteigen, um mit einer Schaufel hier und da den Weg einzuebnen, Löcher auszufüllen, auch Gras zu schneiden oder Bäume zu fällen, um Sumpfland zu überwinden. Wir fuhren den ganzen Tag über und auch teilweise des Nachts, weil es uns trieb, mit dem Zeugnis beginnen zu können.

Letzten Endes kamen wir auch in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia, an und waren damit also nahe dem Äquator in Zentralafrika; und der treue Herr segnete unsre Bemühungen mit Resultaten, die einen Weltrekord aufstellen. Wir arbeiteten beide 21 Tage, Sonntag und Sonnabend eingeschlossen, und verbreiteten in dieser kurzen Zeit 600 Broschüren und 120 ganze Sätze von neun Büchern. Uns wurde mit der Polizei gedroht, wir wurden Lügner genannt und beleidigt und aus Büroräumen hinausgewiesen; aber wir gingen unbeirrt weiter, und jetzt ist unser Werk nahezu beendet. Es ist eine Fackel angezündet worden, die im dunkelsten Afrika brennen wird. Nach dem zu urteilen, was uns zu Gehör kam, ist durch diese Tätigkeit das religiöse Nairobi ganz durcheinandergekommen.

Ich kehre jetzt nach Kapstadt zurück; aber mein Bruder trifft dafür Vorbereitungen, die Botschaft weiterzutragen durch den Kongo und Nordrhodesien bis hinab nach Kapstadt, wo wir uns treffen wollen, für die nächste Gelegenheit bereit.

Der Deine im Dienste unsres Meisters,

F. W. Smith, Pionier“

Unter der Kolonialherrschaft durfte man nur begrenzt Kontakt mit Afrikanern haben; deshalb ließen die beiden Brüder Smith die meiste Literatur bei Katholiken zurück, die aus Goa (an der Westküste Indiens) gekommen waren, um eine Eisenbahnstrecke zu bauen. Aber die katholischen Geistlichen — wütend über die in der biblischen Literatur dargelegten Wahrheiten — sammelten alle Bücher ein, deren sie habhaft werden konnten, und verbrannten sie.

Später erkrankten die beiden Brüder an Malaria, einer Krankheit, die schon vielen Reisenden das Leben gekostet hatte. Nach vier Monaten Krankenhausaufenthalt wurde Gray wieder gesund, doch sein Bruder Frank starb, noch ehe er wieder nach Kapstadt zurückkehren konnte.

Mutige Nachfolger

In Südafrika bereiteten sich inzwischen die Pioniere Robert Nisbet und David Norman darauf vor, das waghalsige Unternehmen fortzusetzen. Robert Nisbet erinnert sich noch daran, daß man ihm gleich, nachdem er, von Schottland kommend, in Kapstadt eingetroffen war, 200 Kartons mit Literatur zeigte, die zum Versand nach Ostafrika bereitstanden. Das waren fünfmal so viele, wie die Brüder Smith dorthin mitgenommen hatten!

Robert und David schützten sich vor Malaria, indem sie unter Moskitonetzen schliefen und täglich eine große Dosis Chinin einnahmen. So begannen sie am 31. August 1931 in Daressalam, der Hauptstadt Tanganjikas, ihren Predigtfeldzug. Das war keine leichte Aufgabe. Bruder Nisbet erzählt: „Das grelle Sonnenlicht auf dem Straßenpflaster blendete uns, es herrschte eine unerträgliche Schwüle, und auf dem Weg zu unseren Besuchen waren wir mit Literatur schwer beladen. Das waren nur einige der Schwierigkeiten, mit denen wir fertig werden mußten. Doch wir waren jung und kräftig und taten es gern.“

Die beiden Pioniere sprachen in Geschäften, Büros und Wohnungen vor und gaben in zwei Wochen fast 1 000 Bücher und Broschüren ab. Darunter befanden sich auch viele sogenannte „Regenbogensätze“, die aus 9 verschiedenfarbigen Büchern und 11 bibelerklärenden Broschüren bestanden. Es dauerte nicht lange, und die katholische Kirche machte bekannt, daß es allen Katholiken verboten sei, derartige Literatur im Haus zu haben.

Von Daressalam ging es weiter nach Sansibar, einer Insel, die etwa 40 km von der Küste entfernt liegt und einst ein wichtiges Zentrum des Sklavenhandels war. Die gleichnamige Hauptstadt der Insel mit ihren verwinkelten Gassen war ständig mit dem Aroma von Gewürznelken erfüllt, denn Sansibar war der Hauptexporteur dieses Gewürzes. Auf der Insel wohnte damals eine viertel Million Menschen, und den größten Anteil stellten die suahelisprachigen Muslime. Da die Pioniere nur englische Literatur bei sich hatten, ließen sie sie meistens bei englischsprechenden Indern und Arabern zurück.

Nach ihrem zehntägigen Aufenthalt in Sansibar bestiegen sie ein Schiff nach Mombasa, um von dort weiter ins Hochland von Kenia zu reisen. Von Mombasa aus fuhren sie mit dem Zug und bearbeiteten so das Gebiet entlang der Eisenbahnlinie bis zum südlich des Äquators liegenden Victoriasee.

Dann setzten sie ihre Reise mit dem Schiff fort und kamen nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Dort verbreiteten sie viele Bücher und nahmen Abonnements für Das Goldene Zeitalter (heute Erwachet!) auf. Ein Mann sah, wie sein Freund begeistert in dem Buch Regierung las. Er reiste 80 km weit, um die Brüder zu finden, und kaufte alle Bücher, die er bekommen konnte; außerdem abonnierte er Das Goldene Zeitalter.

Dann ging es über Jinja und Kisumu am Victoriasee zurück nach Mombasa. Dort verbreiteten die beiden Pioniere wiederum viel Literatur, und sie hielten zwei biblische Vorträge, die von vielen Menschen aus Goa besucht wurden. Von dort fuhren Bruder Nisbet und Bruder Norman mit dem Schiff die 5 000 km nach Kapstadt zurück. Sie hatten insgesamt über 5 000 Bücher und Broschüren verbreitet und zahlreiche Abonnements aufgenommen.

Durch halb Afrika

Im Jahre 1935, dem Jahr, als das Verständnis über die Einsammlung der großen Volksmenge, die in einem irdischen Paradies leben wird, immer klarer wurde, unternahm eine Gruppe von vier Zeugen Jehovas den dritten Predigtfeldzug nach Ostafrika. Es waren Gray Smith, der den ersten Feldzug überlebt hatte, und seine Frau Olga sowie die Brüder Robert und George Nisbet. George war im März nach Kapstadt gekommen. *

Diesmal waren sie gut ausgerüstet; sie fuhren in zwei dreiviertel Tonnen schweren Wohnmobilen, die einen Wohnraum hatten, der mit Betten, einer Kochecke, einem Wasservorrat, einem Reservetank für Benzin und abnehmbaren Fliegengittern zum Schutz gegen Moskitos ausgestattet war. Jetzt konnten weitere Städte erreicht werden, obwohl die Straßen manchmal von Gras überwuchert waren, das bis zu 3 m hoch war. Die Pioniere schliefen oft in der Wildnis und konnten sehen, hören und fühlen, wie Afrika wirklich ist — seine Weite und die Unzahl wildlebender Tiere: in der Nacht die brüllenden Löwen und am Tag die friedlich grasenden Zebras, Gazellen und Giraffen. Zudem drohte ständig Gefahr von Nashörnern und Elefanten.

Die Brüder ratterten mit ihrem Fahrzeug einen Teil der Straße entlang, die von Kapstadt nach Kairo (Ägypten) führt. In Wirklichkeit war es ein langer, einsamer und staubiger Weg, der oft von Steinen, Schlammlöchern, feinem Sand und zu durchquerenden Flüssen blockiert war. In Tanganjika angekommen, trennten sich die vier. Die Brüder Nisbet machten sich nach Nairobi auf, während Bruder und Schwester Smith sich auf Tanganjika konzentrierten, das damals unter britischer Verwaltung stand.

Bald darauf wurden die Smiths von der Polizei festgenommen, und man befahl ihnen, nach Südafrika zurückzukehren. Sie gingen aber statt dessen in Richtung Norden und folgten den Brüdern Nisbet nach Nairobi. Erst als sie dort einen Betrag von 160 Dollar bei der Ortspolizei hinterlegt hatten, erhielten sie eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Pioniere arbeiteten angestrengt und verbreiteten über 3 000 Bücher und rund 7 000 Broschüren; darüber hinaus nahmen sie zahlreiche Abonnements für die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter auf. Schließlich führte der immer heftiger werdende religiöse Widerstand zu ihrer Ausweisung. Die Pioniere protestierten zwar heftig dagegen, doch vergeblich; und so traten dann drei von ihnen den Rückweg nach Südafrika an. Robert Nisbet mußten sie zurücklassen, denn er lag mit Typhus in einem Krankenhaus in Nairobi. Glücklicherweise genas er und konnte ebenfalls nach Südafrika zurückkehren.

Später durften Robert und George Nisbet die Wachtturm-Bibelschule Gilead besuchen, und ihre Gebietszuteilung lautete: Mauritius, eine Insel im Indischen Ozean. Im Jahre 1951 reisten sie dorthin. Robert Nisbet hält sich gegenwärtig in Australien auf; sein Bruder George war bis zu seinem Tod im Jahre 1989 im südafrikanischen Zweigbüro tätig.

Wie die in der Apostelgeschichte erwähnten Missionare des 1. Jahrhunderts offenbarten diese Pioniere trotz Härten und Gefahren eine tiefe Liebe zu Jehova und zu ihren Mitmenschen. Von den sechs Pionieren, die nach Ostafrika kamen, mußten vier eine längere Zeit im Krankenhaus zubringen, einer starb sogar. Aber es wurde ein Zeugnis gegeben, und die verbreitete Literatur brachte Frucht hervor. Zum Beispiel fand ein Zeuge Jehovas, der etwa 30 Jahre später ein abgelegenes Landgebiet in Kenia bearbeitete, einen Mann, der noch das Buch Versöhnung besaß, das er 1935 erhalten hatte. Dieser Mann ist inzwischen selbst ein Zeuge Jehovas geworden.

Ein anderer Pionier — in einem verborgenen Reich

Ungefähr zur selben Zeit kam ein anderer mutiger Pionier, Krikor Hatzakortzian, nach Äthiopien, um in seiner Muttersprache, Armenisch, in Griechisch und in Französisch geistiges Verständnis zu vermitteln. Seine Reise führte in ein Land, das in vieler Hinsicht ungewöhnlich ist. Es besteht zum größten Teil aus einem riesigen dreieckförmigen Hochland, das durchschnittlich in 2 000 m Höhe liegt. Hohe Gipfel ragen empor sowie abgeflachte Bergkegel, die mit fruchtbaren Plateaus gekrönt und von Tälern umgeben sind. Hier entspringt der Blaue Nil, und er bahnt sich den Weg durch beeindruckende Cañons. Auch der Takaze fließt durch einen Cañon, der Reisende an den Grand Cañon von Nordamerika erinnert. Diese Berggegend trennt Äthiopien vom Tiefland des Sudans im Westen sowie von der Danakilwüste und der Trockensavanne von Ogaden im Osten.

Äthiopien wurde schon früh in der Geschichte ein selbständiges Königreich. Im 4. Jahrhundert, etwa zu der Zeit, als das Konzil zu Nizäa einberufen wurde, sorgte König Esana dafür, daß sein Land den christlichen Glauben annahm. Die äthiopische Kirche — sie legt Nachdruck auf die Marien- und die Kreuzverehrung und weist Elemente der alten jüdischen Religion auf — hat auf die Geschichte des Landes einen starken Einfluß ausgeübt und machte es zu einem verborgenen „christlichen“ Reich, das dem Vormarsch des Islam aus dem Tiefland widerstand. Kaiser Haile Selassie, dessen Name „Macht der Dreifaltigkeit“ bedeutet, trug Titel wie „König der Könige“, „Löwe von Juda“ und „Auserwählter Gottes“. Außerdem war er verfassungsmäßig verpflichtet, die Interessen der Kirche zu verteidigen. Aber die Menschen wurden in geistiger Finsternis gehalten und konnten daher zu fanatischen Aktionen angestachelt werden.

Das war 1935 das Umfeld Bruder Hatzakortzians; er hatte keinen Pionierpartner, aber er vertraute völlig auf Jehova. Die folgenden Auszüge aus einem Brief, in dem er über seine Tätigkeit berichtet und der im Wachtturm vom 15. Januar 1936 veröffentlicht wurde, vermitteln uns einen Eindruck von seiner Lage:

„Ich betrachte es nicht als befremdlich, um der Sache der Gerechtigkeit willen verfolgt zu werden, und erwarte dies auch ferner. ... Jehova der Heerscharen hat mich in der Vergangenheit beschützt, und er wird es auch so in der Zukunft tun.

Zu Mittag kam ich von meiner Arbeit nach Hause, und einer der Agenten Satans kam plötzlich aus seinem verborgenen Platz hervor, und er schlug mich zweimal mit seinem dicken Stab auf den Kopf; er schlug mich so hart, daß der Stab in Stücke brach. Aber durch des Herrn Hilfe und zur Überraschung der Nachbarn war meine Wunde nicht sehr gefährlich. Ich blieb nur zwei Tage im Bett. Bei einer andern Gelegenheit griffen mich die Vertreter des Feindes mit Messern an, aber in demselben Moment, als sie mich stechen wollten, zogen sie durch den Einfluß einer unbekannten Macht ihre Messer zurück und ließen mich allein.

Aber ... [sie] setzten ihre Verfolgung fort. In dieser Zeit gaben sie ein falsches Zeugnis über mich und sandten mich in die Hauptstadt (Addis Abeba), um vor dem Kaiser zu erscheinen. Während meines Aufenthaltes in der Hauptstadt (vier Monate), ging ich überall hin und gab das Zeugnis von Haus zu Haus und auch in den Hotels und Kaffeehäusern. Zuletzt wurde ich vor den Kaiser gebracht. Er hörte mich; er fand kein Unrecht an mir, ließ mich frei und befahl mir, nach Hause zu gehen. Gepriesen sei der Herr für diesen Sieg!“

„Das Volk lebt in Furcht und Überraschung, aber ich freue mich in dem Herrn. Möge der Allmächtige, Jehova, Euch reichlich segnen und stärken, das Werk zu vollenden, das er Euch zu tun gegeben hat.

Euer Bruder in Christus,

K. Hatzakortzian“

Während der Unruhen des Zweiten Weltkrieges hörte man nichts mehr von Bruder Hatzakortzian, aber Anfang der 50er Jahre, als Absolventen der Gileadschule in Addis Abeba eintrafen, erzählte man ihnen von einem Mann in Derre Dawa, der das gleiche sage wie sie. Haywood Ward gelangte in diese östlich gelegene Stadt und fand dort einen betagten Mann, der kein Englisch sprach. Als sich der Missionar vorstellte, brach der alte Mann in Tränen aus, blickte zum Himmel auf und murmelte etwas auf armenisch, wobei er auch den Namen Jehovas erwähnte. Es war Bruder Hatzakortzian. Endlich war der Tag gekommen, den er so lange herbeigesehnt hatte! Mit Freudentränen in den Augen umarmte er Bruder Ward. Dann zog Bruder Hatzakortzian stolz alte Kartons hervor und zeigte Wachttürme und Bücher, die voller Eselsohren waren; die ganze Zeit redete er begeistert in einer Sprache, die sein Besucher nicht verstand.

Bruder Ward war überglücklich über dieses Zusammentreffen, und er wollte ihn wieder besuchen. Leider kam es nicht mehr dazu. Als andere Missionare den betagten Bruder besuchen wollten, fanden sie nur trauernde Leute vor. Bruder Hatzakortzian war gestorben.

Den Missionaren kam er wie „Melchisedek“ vor (Heb. 7:1-3). Viele Fragen blieben unbeantwortet: Wer war er? Woher kam er? Wo hatte er die Wahrheit kennengelernt? Was geschah mit ihm in den schlimmen Jahren des Zweiten Weltkrieges? Wie dem auch sei, er war einer der ersten mutigen Pioniere in Äthiopien.

Schließlich ein neuer Anfang in Kenia

Im November 1949 zog Mary Whittington mit ihren drei kleinen Kindern von Britannien nach Kenia, weil ihr Mann in Nairobi für die ostafrikanische Eisenbahn arbeitete. Obwohl sie erst knapp ein Jahr getauft war, lernte sie bald, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie war von schlankem Wuchs, diszipliniert und hatte einen außergewöhnlichen Pioniergeist. Sie ließ keine trübseligen Gedanken der Einsamkeit in sich aufkommen — in einem Land, das größer war als ihr Heimatland —, sondern nutzte die Gelegenheit, in diesem riesigen Gebiet die biblische Wahrheit zu verbreiten.

Da in jenen Tagen — es war Kolonialzeit — noch eine Politik der Rassentrennung verfolgt wurde, mußte sich Schwester Whittington beim Predigen von Haus zu Haus in ihrer Nachbarschaft auf die Europäer beschränken. Die Wohnungsinhaber waren sehr freundlich; oft wurde sie hereingebeten, und sie konnte biblische Literatur zurücklassen. Nicht selten fragten die Leute: „Wo haben Sie Ihre Zusammenkünfte?“ Ihre Antwort lautete dann: „Soviel ich weiß, bin ich die einzige Zeugin Jehovas im ganzen Land.“

Bald sollte ihre Lauterkeit geprüft werden. Nach drei Monaten wurde ihr Mann von seinen Vorgesetzten davon unterrichtet, daß die Predigttätigkeit seiner Frau das Mißfallen der Polizei erregt habe. Würde sie damit nicht aufhören, so könnte es sein, daß sie ausgewiesen würde. Ihr Mann wies sie an, nur ihren Freunden zu predigen. Darauf entgegnete sie, daß sie in Kenia keine Freunde habe und daß sie, wenn sie eine treue Christin sein wolle, ihre Tätigkeit unbedingt fortsetzen müsse. Ihr Mann machte ihr klar, daß er es ihr im Falle ihrer Ausweisung nicht erlauben werde, die Kinder mitzunehmen.

Nach einigen Monaten suchten Beamte einer speziellen Polizeibehörde Herrn Whittington in seinem Büro auf und verlangten einige Muster von der Literatur, die seine Frau verbreitet hatte. Schwester Whittington gab ihnen gern mehrere Exemplare. Der Beamte, der diese dann zurückbrachte, sagte, er habe sie gelesen und sie hätten ihm gefallen. Er verbot ihr nicht die Predigttätigkeit, sondern betonte nur, daß sie nicht der afrikanischen Bevölkerung predigen solle. Das war zum damaligen Zeitpunkt kein Problem, denn es gab unter den Einwohnern Nairobis, die keine Afrikaner waren, genug zu tun.

Kurz darauf bekam Schwester Whittington eine Partnerin, aber auf eine Weise, wie sie es nicht erwartet hatte. Das nordrhodesische Zweigbüro der Watch Tower Society teilte ihr mit, daß sich eine gewisse Frau Butler für biblische Themen interessierte. Olga Butler — sie stammte von den Seschellen — hatte in Tanganjika über zehn Jahre die Literatur der Gesellschaft erhalten und war kürzlich, nach dem Tod ihres Mannes, nach Nairobi gezogen. Schwester Whittington setzte sich brieflich mit ihr in Verbindung, und sie vereinbarten, sich in einem Café im Geschäftsviertel Nairobis zu treffen. Ein Bibelstudium konnte begonnen werden. Anfangs mußten sie in einem öffentlichen Park studieren, denn der Kontakt zwischen verschiedenen Rassen war noch immer verboten. Nach zwei Jahren wurde Olga Butler in der Badewanne der Whittingtons getauft.

Bemühungen, Hilfe zu leisten

Um dieses riesige Gebiet zu erschließen und auch um Schwester Whittington in ihrer Isolation zu helfen, bemühte man sich, Missionare ins Land zu bekommen, doch die Kolonialregierung war dagegen. Im Jahre 1952 besuchten der Präsident der Watch Tower Society, Nathan H. Knorr, und sein Sekretär, Milton G. Henschel, Nairobi und verbrachten einen Abend mit einer kleinen Gruppe von Brüdern und Schwestern aus Kenia und Uganda. Wiederum wurde ein Antrag auf Einreise von Missionaren gestellt, doch auch diesen lehnte man ab.

Weitere Schwierigkeiten stellten sich von anderer Seite ein. Wegen Aufständen der Mau-Mau wurde der Ausnahmezustand verhängt, und Zusammenkünfte von mehr als neun Personen waren gesetzlich verboten, es sei denn, sie waren vorher amtlich zugelassen worden. Im Jahre 1956 wurde ein Gesuch um die Bewilligung christlicher Zusammenkünfte abgelehnt. In jenen Jahren kamen einige ausländische Zeugen für jeweils kurze Zeit nach Kenia, nur Mary Whittington, ihre Kinder und Olga Butler waren ständig dort, um die gute Botschaft zu verkündigen.

Ankunft von Gileadabsolventen

So sah die Lage in Kenia aus, als 1956 die Gileadabsolventen William und Muriel Nisbet aus Schottland in Nairobi eintrafen. William Nisbet war der Bruder der beiden Pioniere, die in den 30er Jahren von Südafrika nach Kenia gekommen waren. Damit Bruder Nisbet im Land bleiben konnte, mußte er eine Arbeit annehmen. Trotzdem war er in der Lage, die kleine Bibelstudiengruppe zu beaufsichtigen. Unterdessen gingen Schwester Nisbet und Schwester Whittington jeden Vormittag unauffällig von Haus zu Haus.

Nairobi war für die Nisbets eine schöne Gebietszuteilung. Die Stadt entwickelte sich zu einer gepflegten, modernen Metropole. Das milde Klima und die Ngong-Hügel in der Nähe der Stadt erinnerten sie an ihre Heimat Schottland. Wenn sie an klaren Tagen nach Südosten blickten, konnten sie die weiße Kappe von Afrikas höchstem Berg, dem Kilimandscharo, in der Sonne glitzern sehen. Am nördlichen Horizont erschien die Silhouette des zackigen Kenias, des Berges, dem das Land seinen Namen verdankt. Und gleich vor ihrer Tür lag ein Paradies für Tierfreunde: der Nairobi-Nationalpark, in dem sich Löwen, Geparde, Nashörner, Büffel, Giraffen, Zebras und Antilopen tummelten.

Das Hauptinteresse der Nisbets bestand jedoch darin, neue Heimbibelstudien einzurichten. Ein solches Studium wurde auch mit der Familie eines Beamten durchgeführt, der für eine spezielle Polizeibehörde tätig war. Der Beamte war beauftragt worden, Nachforschungen über Jehovas Zeugen anzustellen, wovon die Nisbets allerdings nichts wußten. Aber das Ergebnis seiner Ermittlungen sah anders aus, als er dachte. Er konnte nicht nur einen positiven Bericht über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas geben, sondern fand auch selbst einen kostbaren Schatz — die Wahrheit. Nach einiger Zeit ließen sich alle vier Angehörigen dieser Familie taufen.

Auch mit anderen konnte ein Bibelstudium durchgeführt werden. Unglücklicherweise war das wegen des Ausnahmezustandes erlassene Gesetz noch immer in Kraft, und jeder, der eine Zusammenkunft besuchte, bei der mehr als neun Personen anwesend waren, mußte mit einer Ausweisung oder mit einer Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren rechnen. Es blieb den Brüdern also nichts anderes übrig, als sich in kleinen Gruppen zu versammeln.

1958 — ein unvergeßliches Jahr

Zu Beginn dieses Jahres erhielten vier weitere Gileadabsolventen Nairobi als Gebietszuteilung: die Ehepaare Clarke und Zannet. Die beiden Männer mußten wie Bruder Nisbet eine weltliche Arbeit annehmen, während ihre Frauen den Pionierdienst durchführten. Es wurde eine Höchstzahl von 35 Verkündigern erreicht; die meisten waren Ausländer.

Im selben Jahr fand in New York auch der internationale Kongreß „Göttlicher Wille“ statt, der von über 250 000 Personen aus der ganzen Welt besucht wurde. Wie glücklich war doch Mary Whittington, dabeizusein und einen kurzen Bericht über das Werk in Kenia geben zu dürfen! Außerdem erlebten die Brüder von Nairobi in jenem Jahr die Freude, daß eine Chartermaschine voller Zeugen Jehovas von Rhodesien auf ihrem Weg nach New York in Nairobi zwischenlandete, was ihnen Gelegenheit gab, geistig anregende Gemeinschaft zu pflegen.

Auf dem Kongreß in New York erging ein Aufruf an befähigte Zeugen Jehovas, in ein Land zu ziehen, wo mehr Königreichsverkündiger benötigt wurden; dazu gehörte auch Kenia. Von Dezember 1958 bis September 1959 kamen über 30 Brüder und Schwestern aus Kanada, den Vereinigten Staaten und England nach Kenia, um das Werk dort zu unterstützen. Einige dieser Neuankömmlinge gingen nach Mombasa an die Küste Kenias, wo es herrliche Strände gibt. Andere nahmen in Nakuru den Predigtdienst auf, einer im Ostafrikanischen Graben gelegenen Stadt, die wegen des gleichnamigen Sees — der Heimat von etwa einer Million Flamingos — bekannt ist.

Sie leisteten einen bedeutenden Beitrag

Die Brüder und Schwestern, die dort dienten, wo Hilfe dringender benötigt wurde, bildeten eine Gruppe eifriger Christen, die ein hohes Maß an christlicher Reife aufwiesen. Sie hatten ihre Freunde verlassen sowie auf eine Karriere und auf Annehmlichkeiten verzichtet; aber dafür sind sie reich gesegnet worden. Kenia war ihr neuzeitliches Mazedonien (Apg. 16:9).

Ron Edwards aus England sprach im Namen vieler von ihnen, als er sagte: „Von Anfang an verband uns, die wir dorthin gezogen waren, wo Hilfe gebraucht wurde, ein sehr starkes Band der Liebe und der Zuneigung. Das lag bestimmt daran, daß wir ein gemeinsames Ziel verfolgten und uns alle in derselben Lage befanden. Die meisten waren im gleichen Alter (zwischen 30 und 40) und verheiratet; und schon ehe wir hierhergekommen waren, führten wir ein geregeltes Familienleben. Aber wir verließen unser Zuhause und folgten dem Aufruf der Gesellschaft, ohne zu wissen, was die Zukunft bringen würde.“

Im Laufe der Jahre mußten viele wegen gesundheitlicher Probleme, fehlender Arbeitserlaubnis oder aus anderen Gründen Kenia wieder verlassen. Doch einige konnten eine ganze Reihe von Jahren bleiben; zu diesen gehörte auch Alice Spencer. Fünfundzwanzig Jahre trotzte sie der Hitze Mombasas. Und die inzwischen über 80 Jahre alte Margaret Stephenson ist schon mehr als 30 Jahre in Kenia und dient noch immer als allgemeiner Pionier. * Diese Brüder und Schwestern haben Missionareifer gezeigt und zum großen Teil eine Grundlage dafür geschaffen, daß zahlreiche Kenianer Liebe zur wahren Anbetung entwickeln konnten.

Trotz der vielen Ausländer, die gekommen waren, um zu helfen, konnte das Werk nicht ungehindert durchgeführt werden; es wurde hauptsächlich unter den Europäern gepredigt, d. h. unter der ausländischen weißen Bevölkerung, und unter den Asiaten. Einige der ausländischen Zeugen lernten zwar Suaheli, aber ihre Zeugnistätigkeit war meistens auf Hausangestellte ausgerichtet.

Vorkehrungen für weitere Ausdehnung

Im Jahre 1959 kam Bruder Knorr wieder nach Nairobi. Inzwischen war aus der neunköpfigen Gruppe eine Versammlung geworden, die in zwei Gruppen von je 54 Verkündigern aufgeteilt worden war. Es gab jetzt mehr Brüder, die die Führung übernehmen konnten; deshalb sorgte Bruder Knorr dafür, daß die beiden Gruppen in vier geteilt wurden. Bruder Nisbet wurde als Kreisaufseher eingesetzt, und er besuchte diese Gruppen neben seiner weltlichen Arbeit. In jenen Tagen wurde unter den Ausländern eine überraschend hohe Zahl Interessierter gefunden.

Das Ende der Kolonialherrschaft stand kurz bevor. Jehovas Zeugen waren die ersten, die mit den Eingeborenen Kontakt aufnahmen. Folgende Erfahrung bestätigt dies: Als eine der europäischen Schwestern in der Stadt Schuhe kaufte, fragte sie die Verkäuferin, wo sie wohne. „In Jericho“, lautete die Antwort. Darauf sagte die Schwester: „Ich kenne Jericho sehr gut. Ich gehe oft dorthin.“ Die Verkäuferin rief sogleich aus: „Oh, dann müssen Sie eine Zeugin Jehovas sein!“

Das Königreichswerk in Kenia machte nun Fortschritte. Doch bevor wir weitererzählen, möchten wir innehalten und sehen, welche Bemühungen in einigen benachbarten Ländern unternommen wurden, um die gute Botschaft zu predigen.

Uganda — die „Perle Afrikas“

Uganda, Kenias Nachbar im Westen, ist ein fruchtbares Land. Früher konnte man dort am grünen Ufer des Victoriasees spazierengehen, die schneebedeckten Gipfel des Ruwenzorigebirges erklimmen (man nimmt an, daß es die legendären Mondberge sind), den Nil befahren oder den beeindruckenden Regenwald durchqueren. Die reichlichen Niederschläge sorgten für gute Baumwoll-, Kaffee-, Gemüse- und Obsternten. Die Hitze war erträglich, und die britischen Verwalter sowie die asiatischen Geschäftsleute empfanden den immerwährenden Sommer als angenehm. Sie genossen den Aufenthalt im Freien bei ihren Vereinshäusern, auf Golfplätzen, in Schwimmbädern, auf Rennbahnen und Kricketplätzen. Kein Wunder, daß Uganda die „Perle Afrikas“ genannt wurde!

Im April 1950 konnte man dort ein friedliches Leben führen und es genießen. Zu dieser Zeit kam ein junges Paar, beide Zeugen Jehovas, von England nach Uganda; es brannte darauf, mit anderen über die Bibel zu sprechen. Innerhalb eines Jahres konnte es einer griechischen und einer italienischen Familie helfen, die Wahrheit lieben- und schätzenzulernen.

In Kampala, einer Stadt, die wie Rom auf sieben Hügeln erbaut ist, wurde eine kleine Versammlung gegründet. Die Predigttätigkeit wurde unter den Afrikanern schrittweise eingeführt, dabei half, daß in Uganda Englisch die Lingua franca (Gemeinsprache) war. Eine einheimische Sprache wurde zum erstenmal verwendet, als für 50 Afrikaner ein öffentlicher Vortrag ins Luganda übersetzt wurde. Im Jahre 1953 waren sechs Verkündiger tätig.

Zwei Jahre später fand in Uganda die erste Taufe statt, und zwar im Victoriasee in der Nähe von Entebbe. Unter den fünf Täuflingen war der vor Begeisterung übersprudelnde George Kadu, der in Kampala immer noch treu seinen Dienst als Ältester verrichtet.

Dann trat eine Krise ein. Wegen eines schlechten Lebenswandels mußte einigen die Gemeinschaft entzogen werden, andere verließen das Land, und wieder andere strauchelten. Gegen Ende 1957 blieb Bruder Kadu als einziger Verkündiger in Uganda übrig. Aber er war überzeugt, daß er die Wahrheit hatte, und er liebte Jehova.

Im Jahre 1958 wurde der Film Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit mehrere Male vorgeführt und die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ in Luganda veröffentlicht. Das gab dem Werk neuen Aufschwung. Außerdem kamen Brüder aus Kanada und England, die dort dienen wollten, wo größerer Bedarf bestand, nach Uganda; und 1961, also drei Jahre danach, berichteten 19 Verkündiger. Später werden wir noch mehr über dieses Land erfahren.

Der Sudan — Afrikas größtes Land

Der Weiße Nil, Teil des längsten Flusses der Erde, bahnt sich seinen Weg von Uganda in den Sudan durch Gras- und Buschland sowie durch Sumpf- und Halbwüstengebiet. An seinen Ufern leben hochgewachsene Viehzüchter. Nach etwa 2 000 km fließt er mit dem Blauen Nil zusammen, der aus dem im Osten gelegenen äthiopischen Hochland kommt. An dieser Stelle liegen am Fluß drei große Städte, in denen es von Millionen von Menschen wimmelt: Khartum, Omdurman und Khartum-Nord.

Weiter flußabwärts bildet der Nil mehrere Katarakte (Stromschnellen) und dringt in historisches Gebiet ein. Hier blühte einst das Reich Kuschs, dessen Ruinen noch im Wüstensand der Sahara zu sehen sind. Das war das Äthiopien der Bibel, aus dem Ebed-Melech und der vom Jünger Philippus getaufte Hofbeamte stammten (Jer. 38:7-16; Apg. 8:25-38).

Der Sudan, früher das anglo-ägyptische Kondominium Sudan, ist das größte Land Afrikas; seine Grundfläche entspricht dem vierten Teil der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Amtssprache ist Arabisch. Im Norden bekennt sich die Bevölkerung überwiegend zum Islam, während man im Süden mehr Animisten und nominelle Christen findet. Die Sudanesen sind in der Regel sehr gastfreundlich und liebenswürdig.

Im Jahre 1949 kam ein Absolvent der Gileadschule, Demetrius Atzemis aus Ägypten, das erstemal in den Sudan. Wie in Ägypten, so säumten im Gebiet von Khartum grüne Ufer mit dahinterliegenden Gurken-, Lauch- und Zwiebelfeldern den Nil. An einigen Wegen in der Nähe des Wassers spendeten riesige Banyanbäume kühlen Schatten. Aber diese schmalen Streifen üppigen Grüns wichen bald der trockenen Wüste. Dort war alles braun. Der Himmel war braun. Der Boden war braun. Die Lehmziegelhäuser waren braun. Und viele Leute trugen sogar braune Kleidung.

Außerdem herrschte eine glühende Hitze. Nachts betrug die Temperatur 39 °C. In der Sonne stieg das Quecksilber im Thermometer auf 60 °C. Da die Wasserleitungen der Sonne ausgesetzt waren, konnte es vorkommen, daß man sich bei einer „kalten“ Dusche verbrannte, wenn man das Wasser nicht erst eine Weile laufen ließ.

Unter solchen Umständen machte sich Bruder Atzemis ans Werk. Er predigte hauptsächlich in Omdurman, wo er 600 Abonnements aufnehmen konnte. Bevor er nach Ägypten zurückkehrte, begab er sich in eine kleinere Industriestadt, Wad Madani. Später zog eine dreiköpfige Familie von Kairo nach Khartum. Der Bruder, ein Wollhändler, sprach mit seinen Kunden über die Wahrheit und bot ihnen Abonnements und Literatur an, ehe er zum Geschäftlichen überging.

Bald konnte eine kleine Versammlung gegründet werden. Jeden Monat stieg die Verkündigerzahl an, so daß Ende August 1951 16 Verkündiger tätig waren. Den Höhepunkt des folgenden Jahres bildete ein Vortrag, dem 32 Personen beiwohnten. Damit auch die ausländischen Zuhörer etwas verstehen konnten, wurde der Vortrag in drei Sprachen übersetzt.

Bruder Atzemis kehrte 1953 aus Kairo zurück, diesmal für fünf Monate. Er sorgte dafür, daß das Gebiet in Khartum systematisch bearbeitet wurde. Seine Arbeit wurde belohnt, als die drei Brüder Orphanides die Wahrheit annahmen. Nur einen Monat nachdem bei ihm zum erstenmal vorgesprochen worden war, stellte George Orphanides einen großen Raum in seinem Haus als Zusammenkunftsstätte zur Verfügung. Dieser Bruder wurde schließlich als Versammlungsaufseher eingesetzt; er und sein Bruder Dimitri verkündigten anderen eifrig die Königreichsbotschaft. George konnte sehr entschlossen und hartnäckig sein, aber andererseits war er auch äußerst gastfreundlich, wenn es darum ging, sich um die Schafe zu kümmern. Er war viele Jahre im Sudan tätig, bis er 1970 das Land verlassen mußte. Dimitri konnte vielen Personen helfen, die Wahrheit anzunehmen. Trotz der unerträglichen Hitze und der ständigen Sandstürme harrten diese Brüder mit einer positiven Einstellung aus. George sagte einmal: „Wir hatten zwar nicht die Anerkennung der Welt, aber dafür die Anerkennung des Himmels, und mit der Hilfe des Geistes Jehovas genossen wir jeden Tag des Lebens und versuchten unseren Dienst durchzuführen, so wie es Paulus in 2. Timotheus 4:2-5 gesagt hat.“

Bruder Atzemis besuchte Khartum weiterhin in regelmäßigen Abständen; und 1955 war es der Gesellschaft möglich, einen anderen Missionar, Emmanuel Paterakis, dorthin zu senden; Emmanuel konnte zehn Monate bleiben. Inzwischen hatten mehrere Verkündiger das Land verlassen. Im Juni 1956 stellte man einen Antrag auf gesetzliche Anerkennung des Werkes, aber wegen des Einflusses, den die koptische Geistlichkeit und die islamischen Mullahs ausübten, wurde der Antrag abgelehnt. Für kurze Zeit wurden Jehovas Zeugen zwar überwacht, aber sie wurden weder heftig verfolgt, noch wurde das Predigtwerk jemals unterbrochen.

Treue Schwestern

Im 1. Jahrhundert wurden opferbereite Schwestern zu geistigen Säulen in der Versammlung. Solche Schwestern gibt es auch im 20. Jahrhundert im Sudan (Apg. 16:14, 15; 17:34; 18:2; 2. Tim. 1:5). Im Jahre 1952 kam eine tatkräftige griechische Schwester, die im Libanon einen Sudanesen geheiratet hatte, in das Heimatland ihres Mannes, um das Predigtwerk anzukurbeln. Diese Schwester, Ingilizi Caliopi, nahm bald den Pionierdienst und später den Sonderpionierdienst auf. Sie hatte ein sprühendes Temperament, war dynamisch und ausdauernd — alles Eigenschaften, die nötig sind, wenn man Angehörigen der koptisch-orthodoxen Kirche predigen will, denn sie sind sehr gefühlsbetont und schnell aus der Fassung zu bringen; außerdem fürchten sie Geistliche und Verwandte.

Unter anderem konnte sie Mary Girgis zu einer Erkenntnis der Wahrheit verhelfen, die ebenfalls Sonderpionierin wurde. Marys Lebensbericht erschien im Wachtturm vom 15. Mai 1977. Sie wohnte in der historischen Stadt Omdurman, der alten Hauptstadt des Sudans. Als Schwester Caliopi 1958 zum erstenmal bei ihr vorsprach, hatte sie gerade ein Gebet beendet. Schwester Caliopi traf eine Frau an, die sich über die in der Offenbarung beschriebenen furchterregenden Tiere Gedanken machte. Was bedeuteten sie? Auch die Schrecken des „Höllenfeuers“ beunruhigten sie. Sie fragte sich, ob das wohl Gottes Wille sei. Aber eine noch wichtigere Frage beschäftigte sie: Wo ist die Wahrheit zu finden?

Schwester Caliopi beantwortete ihr all diese Fragen. Mary freute sich, als sie hörte, daß Jesus bereits als König regiert. Aber ihr Mann Ibrahim sagte zu ihr: „Hör nicht auf diese Frau. Sie muß schlecht sein. Als sie neulich beim Aussteigen aus dem Bus hinfiel, haben die Leute gesagt: ,Das geschieht ihr recht. Warum hat sie auch ihre Religion gewechselt!‘ “

Trotzdem kaufte Ibrahim die beiden Bücher „Gott bleibt wahrhaftig“ und „Dies bedeutet ewiges Leben“. Bald darauf hörte er bei einem Besuch in der koptischen Kirche, wie der Priester über die Männer schimpfte, die ihrer Frau erlaubten, sich mit einer anderen Religion zu beschäftigen und mit anderen darüber zu sprechen. Ibrahim regte sich sehr darüber auf. Es war eindeutig, wen der Priester gemeint hatte. So trat Ibrahim aus der Kirche aus. Von diesem Zeitpunkt an mußten er und seine Familie Verfolgung erdulden. Einmal kam ein Stein über eine Mauer geflogen, der ihm die Brille herunterschlug. Er sowie sein kleiner Junge, den er gerade im Arm hielt, wurden dabei aber nicht ernstlich verletzt.

Im Jahre 1959 wurde Mary Girgis von der Polizei beschuldigt, sie ginge von Haus zu Haus, weil sie stehlen wolle. Man brachte ihren Fall vor Gericht. Zwei Ankläger traten gegen sie auf, aber es fehlte natürlich an Beweisen. Das Verfahren wurde eingestellt.

Bei einem anderen Gerichtsfall behaupteten Priester, sie unterstütze den Zionismus. Vor den vier Richtern verherrlichte die Schwester den Namen Jehovas. Der Richter, der den Vorsitz innehatte, entschied zu ihren Gunsten und sagte: „Gnädige Frau, wenn Sie wollen, können Sie überall im Sudan predigen. Das Gesetz des Landes ist auf Ihrer Seite und wird Sie schützen.“

Schwester Girgis und Schwester Caliopi — letztere bis zu ihrem Tod — waren für Jüngere ein nachahmenswertes Beispiel. Im Laufe der Jahre haben diese eifrigen Schwestern vielen Personen geholfen. Ibrahim Girgis bezog ebenfalls auf der Seite der Wahrheit Stellung und war bis zu seinem Tod ein eifriger Zeuge.

Anträge auf gesetzliche Anerkennung wurden abgelehnt, und so wurde das Werk ohne diese Anerkennung trotz gelegentlicher Verfolgung fortgesetzt. Dennoch gab es ständig Zunahmen: 1960 berichteten 27 Verkündiger und 1962 schon 37. Im Jahre 1965 wurde das Werk dem neugegründeten Zweig in Kenia unterstellt, und jährlich fand dann ein Kreiskongreß statt. Im folgenden Jahr besuchten 81 Personen das Gedächtnismahl, das zur Erinnerung an den Tod Christi gefeiert wurde. Später wird noch mehr über dieses Land berichtet werden.

Äthiopien — das „Gebiet der verbrannten Gesichter“

Zwischen dem Sudan und dem Roten Meer liegt Kenias nördlicher Nachbar: Äthiopien, ein Land, das etwa halb so groß ist wie der Sudan. Auf griechisch bedeutet der Name „Gebiet der verbrannten Gesichter“, und in alter Zeit bezeichnete er die südlich von Ägypten gelegene Region Afrikas. Das Äthiopien der Bibel umfaßt also in der Hauptsache den Norden des Sudan und den nördlichen Teil des heutigen Äthiopien. Wie Bruder Hatzakortzian in den 30er Jahren schon festgestellt hatte, ist dieses Land in vieler Hinsicht einzigartig. Es hat eine eigene Kultur, und die äthiopische Kirche ist tonangebend. In diesem Gebiet sollten drei ledige Missionare, die am 14. September 1950 in der Hauptstadt Addis Abeba ankamen, mit ihrer Tätigkeit beginnen.

Sie mußten sich an viel Neues gewöhnen: zuerst an die hohe Lage von Addis Abeba (die Stadt liegt 2 400 m hoch und ist eine der höchstgelegenen Hauptstädte der Welt), dann an das Amharisch mit seinen Explosiv- oder Verschlußlauten p, t und s sowie an das äthiopische Alphabet, das aus 33 Buchstaben und über 250 Varianten besteht. Darüber hinaus gab es mehr als 70 Stammessprachen und ungefähr 200 andere Sprachen und Dialekte. Die Geistlichen benutzten noch das Gees, eine tote Sprache, ähnlich wie einige Gelehrte in Europa das Latein verwenden.

Die Menschen — viele hatten bildschöne, braungebrannte Gesichter — trugen ungewöhnliche Frisuren und fremdartige, manchmal auch festliche Kleidung. Einige hatten sich Kreuze auf die Stirn tätowieren lassen. Sie hatten interessante Namen. Männer konnten Gebre Meskal heißen, was „Sklave des Kreuzes“ bedeutet, oder Habtemariam, was die Bedeutung von „Diener Marias“ hat, oder Tekle Haimanot, was „Religionspflanze“ bedeutet. Eine Frau wurde vielleicht Leteberhan genannt, was die Bedeutung von „Sklavin des Lichts“ hat, oder Amaresh, was „Du bist schön“ bedeutet.

Schullehrer und gleichzeitig Prediger

Das erste Missionarheim war eine Wohnung in Case Popolari, einem Stadtteil Addis Abebas. Zur Überraschung der Missionare bekamen sie regelmäßig Besuch von einem Stummelaffen. Dieser Schelm stellte laufend etwas an und machte dabei alles schmutzig. Es reichte ihm nicht, in die Tomatensoße zu tapsen, sondern er hinterließ überall seine Spuren. Selbst die Wände blieben nicht verschont! Es kamen natürlich auch menschliche Besucher, mit denen auf der Veranda des Missionarheims die Bibel studiert wurde.

Um die Interessen der äthiopischen Kirche zu schützen, war die Proselytenmacherei unter Christen verboten. Es war ausschließlich unter Muslimen und „Heiden“ erlaubt. Die Missionare durften also nur unter der Bedingung ins Land kommen, daß sie Schulen einrichten und Fächer wie Englisch, Maschineschreiben und Buchhaltung lehren würden.

Als die Abendkurse für Erwachsene in Addis Abeba ordnungsgemäß durchgeführt wurden, mußte das Missionarheim in eine größere Wohnung verlegt werden, und zwar in die Churchill Road, die Hauptstraße der Hauptstadt. Die Brüder waren entschlossen, die religiöse Belehrung nicht mit der weltlichen zu vermischen, dennoch wurden die Schüler eingeladen, die Zusammenkünfte der Versammlung zu besuchen, sofern sie es wollten. Zur Zeit der Zusammenkünfte wurde ein Klassenraum in einen Königreichssaal umfunktioniert.

Im Jahre 1952 trafen acht weitere Missionare von der 18. Klasse der Gileadschule in Addis Abeba ein. Zu ihnen gehörten Harold und Anne Zimmerman; sie sollten bei den in der Hauptstadt durchgeführten Abendkursen ebenfalls Unterricht erteilen. Zwei Ehepaare aus der 12. Klasse, die Brumleys und die Lucks, eröffneten eine Schule in der historischen Stadt Harar, nahe der somalischen Grenze im Osten. Früher durfte kein Fremder die Stadt betreten. Noch heute streifen dort regelmäßig Hyänen umher. Sogenannte Hyänenmänner sorgen für ein nächtliches Schauspiel, indem sie die kräftigen Raubtiere zur Freude der Zuschauer füttern. (Siehe Erwachet! vom 22. November 1985.)

Dean Haupt und Raymond Egilson, zwei Gileadabsolventen, gründeten eine ähnliche Schule in Derre Dawa, einem in der Nähe von Harar gelegenen Handelszentrum, das eine günstige Lage hatte, nämlich an der einzigen Eisenbahnlinie Äthiopiens (sie führt von dem Hafen Dschibuti nach Addis Abeba). In Derre Dawa war auch Bruder Hatzakortzian gestorben.

Das Leben der Missionare war alles andere als feudal. Bruder Haupt erzählt: „In der ersten Nacht erlebten wir etwas, was wir nie vergessen werden. Wir hatten noch keine Möbel, und so benutzten wir einen Schrankkoffer als Tisch und setzten uns beim Essen auf die anderen Koffer. Die Matratzen legten wir auf den Boden, denn unsere Betten waren noch nicht angekommen. Das war ja nicht so schlimm, aber als wir das Licht ausschalteten, ließen sich Wanzen von den Wänden fallen und bissen uns, wahrscheinlich um zu sehen, ob wir ihnen schmeckten. Anscheinend hatte dieser Teil des Hauses einige Zeit leer gestanden, und die Wanzen waren auf der Suche nach frischem Blut. Ich glaube, wir taten in dieser Nacht kein Auge zu.“

Ein kleines Zweigbüro

Ein Missionar berichtet davon, wieviel Freude der Dienst trotz des lästigen Ungeziefers machte: „Eines Tages — ich ging gerade die Straße entlang — begegnete ich einem jungen Äthiopier. Ich blieb stehen und sprach ihn an. Als er erfuhr, daß ich Missionar bin, sagte er: ,Bitte, erzählen Sie mir doch etwas von Jesus Christus.‘ Ich lud ihn für den nächsten Tag ins Missionarheim ein. Er war gerade zehn Minuten da, doch schon betrachtete ich mit ihm das Buch ‚Gott bleibt wahrhaftig‘. Am folgenden Tag kam er wieder, um zu studieren, und brachte noch einen jungen Mann mit. Diese beiden wurden die ersten äthiopischen Verkündiger.“

Ständig besuchten Leute das Missionarheim und baten um ein Bibelstudium. Deshalb mußte ein Missionar immer zu Hause sein. Einige Personen nahmen stundenlange Fußmärsche auf sich, um ins Missionarheim zu gelangen und dann zwei oder drei Stunden hintereinander zu studieren. Bald war die Verkündigerzahl auf 83 angestiegen.

Im Jahre 1953 wurde in Addis Abeba ein kleines Zweigbüro eröffnet. Der in den Zusammenkünften zu behandelnde Stoff wurde übersetzt und in äthiopischer Schrift von Hand geschrieben und vervielfältigt. Das trug zweifellos dazu bei, daß Neue in der Wahrheit fester verankert wurden. Die Brüder lernten, von Haus zu Haus zu gehen, Bibelstudien durchzuführen und lehrreiche Zusammenkünfte abzuhalten. Sie waren so eifrig, daß die gute Botschaft in 13 verschiedenen Orten im Landesinnern verbreitet wurde. Infolgedessen berichteten 1954 dort fast 20 Verkündiger über ihren Dienst.

Ein Priesteramtskandidat legt seine Hand an den Pflug

Ein Priesteramtskandidat, der kein Wort Englisch sprach, reagierte günstig auf die Königreichsbotschaft. Das erste Gespräch mit einem der Missionare erfolgte mit Hilfe eines Dolmetschers. Wenn Streitfragen aufkamen, schlug der Seminarist in seiner Bibelübersetzung in Gees nach. Mit Bestürzung stellte er fest, daß 1. Johannes 5:7, sein Lieblingstext zur Unterstützung der Dreieinigkeitslehre, nicht in seiner Bibel stand. Auch andere falsche Lehren konnten in kurzer Zeit anhand seiner Bibel bloßgestellt werden.

Drei- bis viermal in der Woche kam er, um zu studieren, und er brachte noch andere mit. Als er das Seminar verließ, um bei einem Zeugen Jehovas zu wohnen, kam der Leiter der Lehranstalt mit einem Polizisten, und beide zerrten ihn fort. Als er später vier Tage im Seminar eingeschlossen war, ließ er den Brüdern eine Nachricht zukommen; darin teilte er ihnen mit, daß sie seinetwegen nicht traurig sein sollten, denn er sei glücklich, um Jehovas willen gefangengehalten zu werden. „Denkt nicht, ich kehre zu ihnen zurück“, sagte er. „Niemand, der seine Hand an den Pflug gelegt hat, blickt nach den Dingen, die dahinten sind.“ Nach seiner Freilassung zog er in die Hauptstadt, wo er die Zusammenkünfte besuchte. Er gehörte zu den ersten Äthiopiern, die sich als Zeugen Jehovas taufen ließen.

Endlich Literatur in Amharisch!

Im Jahre 1955 wurde nach einem besonderen Vortrag zur Freude aller Zuhörer die erste Publikation in Amharisch veröffentlicht. Es war die Broschüre Gottes Weg ist Liebe. Kurze Zeit später wurde ein Traktat und im Jahr darauf die Studienbroschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ in dieser Sprache herausgegeben.

Das folgende Jahr, 1956, war ein weiterer Meilenstein in der theokratischen Geschichte Äthiopiens. Die Brüder organisierten die Vorführung des Films Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit. Mit Handzetteln in Englisch und Amharisch wurde der Film bekanntgemacht. Er sollte im größten Theater Äthiopiens, direkt im Stadtzentrum von Addis Abeba, gezeigt werden. An allen verkehrsreichen Stellen der Stadt wurden Plakate aufgestellt. Das Ergebnis? Große Volksmengen strömten in das Theater. Es drängten sich so viele hinein, daß es notwendig war, den Film ein zweites Mal zu zeigen. Auf diese Weise sahen an diesem Abend 1 600 Personen den Film. Jeder Anwesende erhielt eine Gratisbroschüre. Der Film wurde außerdem in den drei wichtigen Zentren, Asmara, Gondar und Dässe, im Norden Äthiopiens vorgeführt. Insgesamt sahen 3 775 Personen diesen aufschlußreichen Film über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas.

Weitere Sonderpioniere wurden eingesetzt, und ein einheimischer Kreisaufseher ermunterte die Versammlungen. Die Brüder predigten mit Mut, denn sie hatten die revidierte Verfassung, die die Grundrechte des Menschen — die Religions-, Rede- und Pressefreiheit — garantierte, im Rücken. Es wurde eine Verkündigerhöchstzahl von 103 erreicht.

Verfolgung! Missionare ausgewiesen!

Diese Tätigkeit und die geistige Wohlfahrt machte die Geistlichkeit der Christenheit wütend. In der Provinzialhauptstadt Däbrä Markos, 280 km nordwestlich von Addis Abeba, waren die Menschen der äthiopischen Kirche noch immer loyal ergeben.

Als dort Sonderpioniere eintrafen, begegnete man ihnen sogleich mit Gewalt. Einflußreiche Männer versammelten auf dem Platz im Zentrum einen Pöbel, der schrie, diese Neuankömmlinge würden das Marienbild mit Füßen treten und Katzen und Hunde essen. Die Polizei mußte einschreiten, sonst wären die Brüder totgeschlagen worden. Die Volksmenge, die sich mit Gewalt einen Weg ins Polizeirevier bahnen wollte, mußte mit vorgehaltener Waffe zurückgehalten werden. In dem Handgemenge verloren die beiden Pioniere alles, was sie bei sich getragen hatten.

Diese Begebenheit benutzte die Regierung, um bekanntzumachen, daß Jehovas Zeugen eine Gefahr für den Frieden und die Sicherheit des Volkes darstellten. Die Regierung schloß das Missionarheim und das Zweigbüro und wies die Missionare am 30. Mai 1957 aus. Einige Beamte brachten persönlich ihr Bedauern zum Ausdruck und wiesen auf die Rolle der Geistlichkeit in dieser Angelegenheit hin; es nützte auch nichts, beim Kaiser Bittgesuche einzureichen.

Trotz der Unmengen von Protestbriefen aus der ganzen Welt drängte man die Missionare, das Land zu verlassen. Danach wurden viele Brüder verhaftet und verhört. Es begann eine Zeit der Prüfung und der Sichtung. Einige waren furchtsam und gaben die Wahrheit auf. Manche wurden zu Verrätern. Die Sonderpioniertätigkeit wurde eingestellt, und mehreren ehemaligen Pionieren mußte die Gemeinschaft entzogen werden. Andere hingegen blieben treu. Ein Bruder mußte 42 Tage in Beinschellen zubringen; danach wurde er freigelassen und eindringlich davor gewarnt weiterzupredigen.

Das Werk wurde also im Untergrund fortgesetzt. Weit von Äthiopien entfernt, auf dem 1958 durchgeführten internationalen Kongreß „Göttlicher Wille“, erschien das erste Buch in Amharisch, und zwar das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“, aber nur wenige Ausgaben gelangten schließlich nach Äthiopien. Der Widerstand, der den Brüdern entgegengebracht wurde, stellte ihre Loyalität und ihren Mut auf die Probe. Einige hielten der Prüfung nicht stand. So kam es, daß bis zum Jahre 1962 die Zahl der aktiven Verkündiger auf 76 abgesunken war.

Somalia — die Ostspitze Afrikas

Der Missionar Dean Haupt wurde nach seiner Ausweisung aus Addis Abeba von der Gesellschaft angewiesen, nach Mogadischu, der Hauptstadt Somalias, zu gehen. Mogadischu ist schon seit tausend Jahren ein Handelszentrum. Lag diese Stadt einmal in Ophir, woher das qualitativ hochwertige Gold für König Salomo kam? Das ist möglich, doch es überwiegt die Ansicht, die Goldader habe in Arabien gelegen.

Als Bruder Haupt 1957 in Mogadischu ankam, war Somali noch keine Schriftsprache, sondern man benutzte statt dessen Italienisch und Arabisch. Bruder Haupt entschloß sich, zuerst den europäischen Stadtteil zu bearbeiten. Er bot Abonnements an und zeigte dabei Musterexemplare der Zeitschriften vor, ohne sie jedoch abzugeben, denn der Vorrat war knapp. Auf diese Weise konnte er in ungefähr drei Monaten 90 Abonnements aufnehmen. Dann lief sein Visum ab und es konnte nicht erneuert werden. Bruder Haupt mußte also Somalia verlassen, aber er setzte seinen Dienst in Italien fort.

Eine schwierige Gebietszuteilung

Nach dem Weggang von Bruder Haupt sandte die Gesellschaft vier Missionare nach Somalia. Sie trafen im März 1959 ein. Da aber ihre Predigttätigkeit praktisch auf die Ausländer beschränkt war, blieben nur Vito und Fern Fraese von der 12. Klasse der Gileadschule im Land.

Bald begannen katholische Geistliche diejenigen aufzusuchen, die sich für das Werk der Zeugen Jehovas interessierten. Ein Mann, der ebenfalls besucht wurde, sagte: „Wie kommt es eigentlich, daß Sie sich plötzlich für mich interessieren? Seit Jahren gehe ich schon nicht mehr in die Kirche. Sind Sie hier, weil ich die Bibel studiere?“

Im September 1959 führten die beiden Fraeses 11 Bibelstudien durch. Viele der italienischen Familien, bei denen sie vorsprachen, besaßen keine Bibel und hatten nie etwas von Jehova gehört. Allerdings hatten sie in der Zeitung etwas über Jehovas Zeugen gelesen. Viele interessierten sich deshalb für die biblische Botschaft. Es war nichts Ungewöhnliches, daß die Brüder in einem Haus eine Stunde und länger zubrachten.

Im Jahre 1961 nahmen zwei Personen, mit denen die Bibel studiert wurde, den Predigtdienst auf. Im folgenden Jahr kam eine weitere Person hinzu. Es gab demnach außer den Missionaren noch drei Verkündiger.

Nach vierjährigem Aufenthalt in Somalia erhielt das Ehepaar Fraese eine neue Gebietszuteilung, denn die Möglichkeiten, die einheimische moslemische Bevölkerung zu erreichen, waren sehr gering. Aber die Missionare hatten einen Eindruck hinterlassen. Jemand äußerte folgende Beobachtung: „Von allen europäischen Gruppen, auch von den Missionaren und den Geistlichen, sind Jehovas Zeugen die einzigen, die sich moralisch nichts haben zuschulden kommen lassen.“ Zwei der drei dortgebliebenen Verkündiger zogen später in andere Länder, und einer wurde untätig. Das Ehepaar Fraese steht aber immer noch im Vollzeitdienst; es führt in Italien den Reisedienst durch.

Tansania — ein typisch afrikanisches Land

Südlich der somalischen Küste liegt das schöne Tanganjika, das größer als sein nördlicher Nachbar Kenia ist; heute heißt es Tansania. Es ist ein typisch afrikanisches Land; dort ist die Serengeti, in der mehr als zwei Millionen Großtiere durch die Savannen und Wälder streifen — ein eindrucksvolles Schauspiel —, und der Ngorongorokrater, ein 260 km2 großes, wildreiches Becken. Die meisten Einwohner Tansanias sind Bauern, die Gewürznelken, Sisal, Kaffee und Baumwolle anbauen.

Schon in den 30er Jahren war die gute Botschaft vom Königreich in Tanganjika gepredigt worden, und 1948 gab es schließlich einige Verkündiger, die im Südwesten des Landes dienten. Wer waren sie? Wie lernten sie die Wahrheit kennen?

Hauptsächlich waren sie vom Stamm der Njakjussa, der im Hochland, nahe der Nordspitze des Malawisees, lebt, wo die beiden Zweige des Ostafrikanischen Grabensystems zusammenlaufen. Von dort aus gingen die Männer in die Kupferminen Rhodesiens arbeiten. Einige der von Natur aus freundlichen und gelehrigen Menschen kamen durch die Arbeit mit der Wahrheit aus Gottes Wort in Kontakt.

Hosea Njabula, der 1901 in der Nähe von Tukuyu geboren wurde, war ein überaus eifriges Mitglied der Herrnhuter Brüdergemeine. Er wurde Diakon und unterrichtete in vielen Dörfern in der Sonntagsschule. Einer seiner Schüler war Nehemiah Kalile. Als dieser 1930 in Vawa als Koch für europäische Siedler arbeitete, hatte er eines Tages mit einem anderen Koch ein interessantes Gespräch über die Bibel.

Nehemiah bemerkte, daß der Mann erstaunliche Dinge aus der Bibel wußte. Das war die Wahrheit! Bald darauf ging er nach Mwanza, um sich taufen zu lassen. Er war tief beeindruckt, als er dort zum ersten Mal die sieben Bände der Schriftstudien sah.

Nehemiah Kalile war hellauf begeistert. Er konnte es kaum erwarten, seinem früheren Sonntagsschullehrer von seiner Entdeckung zu erzählen. Im darauffolgenden Jahr traf er seinen älteren Freund, Hosea Njabula, wieder und erzählte ihm etwas über die Wahrheit.

Nach 60 Jahren erinnert sich Hosea noch an diesen Tag und sagt: „Ich argumentierte hin und her, aber als er mir die Bibelstellen über den Sabbat zeigte, wußte ich, daß das die Wahrheit war. Sofort predigte ich anderen, so z. B. Job Kibonde. Wir drei hielten in meinem Haus Zusammenkünfte ab. Ich zog auch los, um meine anderen Schüler der Sonntagsschule aufzusuchen, und lud sie zu unseren Zusammenkünften ein. Mehrere kamen, unter anderem Joram Kajumba und Obeth Mwaisabila.“

Zu Fuß über das Hochland

Nach Bruder Njabulas Taufe im Jahre 1932 setzten diese Brüder soviel Zeit für das Predigen ein wie ein Pionier, ohne zu wissen, was ein Pionier ist. Sie wanderten 60 km in Richtung Malawisee und gaben in der Gegend von Kyela Zeugnis, wo Hosea Njabula und Obeth Mwaisabila auf aktiven Widerstand stießen. Obwohl sie nicht schwimmen konnten, packte man sie und warf sie in einen Fluß, in dem es von Krokodilen nur so wimmelte. Irgendwie kamen sie mit dem Leben davon, möglicherweise mit der Hilfe Jehovas. Kurz danach bauten sie ihren ersten Königreichssaal in der Nähe des Dorfes Buyesi, an einem Ort, den sie Bethlehem nannten.

Zwischenzeitlich war in Vawa, wo Nehemiah Kalile zum ersten Mal von der Wahrheit gehört hatte, mehr Interesse aufgekommen, und Solomon Mwaibako, Yesaya Mulawa und Yohani Mwamboneke bezogen für die Wahrheit Stellung. Die Brüder in Buyesi sorgten in liebevoller Weise dafür, daß einer von ihnen einmal monatlich in das Dorf Ndolezi bei Vawa gehen konnte, um die Neuen zu stärken. Das bedeutete zweimal einen Fußmarsch von 100 km. Manchmal wanderten sie sogar über 200 km nach Isoka (Nordrhodesien), um der dortigen Versammlung ihre Berichte zu bringen, die dann an das Zweigbüro weitergeleitet wurden.

Heute, sechs Jahrzehnte später, ist Hosea Njabula mit 90 Jahren immer noch ein „Diakon“, jetzt im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich ein Dienstamtgehilfe in der Versammlung Ndolezi. Es erfüllt ihn mit Zufriedenheit, daß seine treue Frau Leya Nsile weiterhin unerschütterlich an seiner Seite steht und daß mehrere seiner Enkelkinder im Pionierdienst sind.

Andere waren ebenfalls jahrelang eifrig im Predigtwerk tätig. Jimu Mwaikwaba z. B., der wegen der guten Botschaft im Gefängnis sitzen mußte; Joel Mwandembo, der später als Kreisaufseher diente; Semu Mwasakuna, der mit dem Fahrrad unterwegs war und auch durch Gesang Zeugnis gab; Ananiah Mwakisisya und Timothy Kafuko.

Ein anderer Bruder, der die Verkündigung des Königreiches tatkräftig unterstützte, war David Kipengere, der 1922 geboren wurde und die Wahrheit 1935 in Mbeya kennenlernte. Er predigte überall im Land und wurde später nach Daressalam gesandt, um dort das Werk zu beginnen. Er war 18 Jahre lang Pionier, bis er 1983 starb. Oft nahm man ihn fest. Er ließ sich jedoch nicht entmutigen, sondern sagte: „Im Gefängnis gibt es viel Arbeit, die Jehova von mir getan haben möchte.“ Barnabas Mwakahabala, sein Bruder, der zusammen mit ihm die Wahrheit kennengelernt hat, dient noch heute als Ältester. Diese Brüder taten in der Abgeschiedenheit ihr Bestes, obwohl sie keine Literatur in ihrer eigenen Sprache hatten und nicht besonders gut lesen konnten.

Mit dem Zweigbüro in Kapstadt gab es nur vereinzelt Kontakt, und der Eingang von Berichten war unzuverlässig. Das Jahrbuch 1943 zeigt, daß sich in diesem Gebiet 158 Personen am Predigen beteiligten, und 1946 gab es 227 Verkündiger, die in sieben Versammlungen über ihren Predigtdienst berichteten. In den vorangegangenen Jahren wurde die Tätigkeit der Zeugen in Tanganjika anscheinend mit in die Berichte der Versammlung Isoka (Nordrhodesien) aufgenommen, von denen einige wahrscheinlich verlorengingen. Es vergingen noch einige Jahre, bevor das Einsammlungswerk in Südtanganjika besser überblickt werden konnte.

Aufsicht von Nordrhodesien aus

Gewiß benötigten die Zeugen Hilfe, denn sie mußten nicht nur die Gegnerschaft der falschen Religion ertragen, sondern auch gleichzeitig mit den Problemen fertig werden, die die Polygamie, das Rauchen und andere unchristliche Bräuche darstellten.

In Lusaka (Nordrhodesien) wurde 1948 ein neues Zweigbüro eingerichtet, das außer Nordrhodesien auch den größten Teil Ostafrikas beaufsichtigen sollte. Das war wirklich göttliche Fügung, denn in Kenia und Uganda entwickelten sich die Dinge nach langer Zeit wieder deutlich zum Besseren. Obwohl das Zweigbüro immer noch über 2 400 km von Nairobi entfernt war — eine holprige Strecke —, war es doch viel näher als Kapstadt, das mehr als doppelt so weit weg lag.

Daher sandte das Zweigbüro in Nordrhodesien 1948 Thomson Kangale nach Mbeya, um den Brüdern zu helfen. Als er im März jenes Jahres ankam, gab es eine Menge zu tun und wieder in Ordnung zu bringen.

Bruder Kangale war beim Lehren sehr geduldig, und unsere Brüder nahmen schnell die nötigen Änderungen vor. Einmal lernten sie, sich nicht als Wachtturm-Leute, sondern als Jehovas Zeugen zu erkennen zu geben. Sie hatten den Namen Jehovas Zeugen schon eher gekannt und auch angenommen, doch nicht in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. In Einklang mit dem Rat aus 1. Petrus 3:15 lernten sie außerdem, die Königreichsbotschaft taktvoller darzulegen. Jetzt überbrachten sie eine gute Botschaft, anstatt nur die religiösen Irrlehren anzugreifen. Mißverständnisse darüber, wie man die im Predigtdienst eingesetzte Zeit berichten sollte, wurden berichtigt. Ferner brachten sie ihre Häuser und Wohnungen in Ordnung. Auch ihre persönliche Erscheinung wurde besser; mehrere mußten ihren wild aussehenden Bart schneiden.

Bei den Zusammenkünften lernten sie, einem nach Plan verlaufenden, lehrreichen Programm zu folgen und sich von allen babylonischen Überbleibseln zu trennen, wie z. B. dem Gebrauch von Glocken. Sie merkten, wie gut es sich auswirkte, daß in der Theokratischen Predigtdienstschule die Namen derer, die in der schriftlichen Wiederholung gut abgeschnitten hatten, nicht mehr bekanntgegeben wurden. Einige Zeugen mußten gewisse Bräuche in Verbindung mit der Totenverehrung aufgeben. Andere mußten mit dem Rauchen aufhören. Aber am schwierigsten war es für sie, ihre Verhältnisse so weit zu regeln, daß sie ihre Ehe gesetzlich eintragen lassen konnten, damit sie unter allen ehrbar war (Heb. 13:4).

Rechtliche Bemühungen um offizielle Anerkennung

Das Zweigbüro in Nordrhodesien versuchte mehrmals, die britische Kolonialregierung in Tanganjika dazu zu bewegen, Missionare einreisen zu lassen und unser Predigtwerk offiziell anzuerkennen. 1950 wurde ein Antrag mit der Erklärung abgelehnt, daß „die Zustände in Tanganjika nicht die gleichen wie in anderen afrikanischen Ländern sind“. 1951 wurde ein weiterer Antrag eingereicht, wiederum erfolglos. Mittlerweile hatte ein Bezirkskommissar versucht, ein örtliches Verbot des Predigtwerkes zu erwirken. Im September 1951 wurden Brüder bei der Regierung in Daressalam vorstellig; sie hatten ein Memorandum bei sich, das die Einstellung von Jehovas Zeugen zu religiösen Organisationen und patriotischen Zeremonien erklärte. Das gab Grund zur Hoffnung, aber im folgenden Jahr erhielten die Brüder wiederum einen abschlägigen Bescheid. Weitere Versuche folgten 1956 und auch noch danach, doch sie waren umsonst.

Trotz der ungünstigen Haltung der Regierung wurden die Verkündiger der guten Botschaft nicht wirklich in ihrer Anbetung behindert. Sonderpioniere und Kreisaufseher konnten weiterhin ohne Schwierigkeiten von Nordrhodesien aus Hilfe leisten.

Um weitere Schulung bemüht

Buster Mayo Holcomb, ein Gileadabsolvent, der damals in Nordrhodesien als Bezirksaufseher diente, gelang es 1952, nach Tanganjika einzureisen und bei einem Kreiskongreß in der Nähe von Tukuyu zu dienen. Er erzählte: „Am späten Nachmittag befanden wir uns schon kurz vor dem Kongreßort und hofften, bei Einbruch der Dunkelheit dort anzukommen; doch dann gab es einen heftigen Wolkenbruch. Weiterzufahren war unmöglich, weil wir die Straße wegen des strömenden Regens nicht sehen konnten. Wir hielten also mit dem Lieferwagen an und stellten uns darauf ein, die Nacht dort zu verbringen — so gut es eben ging —, denn nicht das geringste deutete auf ein Nachlassen des Sturms hin, im Gegenteil, er schien immer stärker zu werden. Am nächsten Morgen hörte es jedoch auf zu regnen, und nachdem wir eine Weile durchs Wasser gewatet waren, erreichten wir schließlich den Kongreßort, wo wir einige Brüder trafen. Zu unserer Überraschung waren sie über unseren Vorschlag erstaunt, den Kongreß abzusagen. Die Brüder würden gewiß kommen!

Und sie kamen, obwohl es für einige bedeutet hatte, zwei oder drei Tage lang bei diesem Wetter zu Fuß unterwegs zu sein. Am Sonntag nachmittag waren 419 anwesend, und an jenem Morgen symbolisierten 61 ihre Hingabe durch die Wassertaufe.“

Die Brüder reagierten positiv auf Rat, und interessierte Personen nahmen drastische Änderungen in ihrem Leben vor. Zum Beispiel gestattet die Bibel nicht, mehrere Ehepartner zu haben. Sie sagt, daß jeder Mann „seine eigene Frau ... und jede Frau ... ihren eigenen Mann [habe]“ und daß ein christlicher Aufseher „Mann e i n e r Ehefrau“ sein sollte (1. Kor. 7:2; 1. Tim. 3:2). Daher schickte ein Häuptling, der viele Frauen hatte, bis auf seine erste Frau alle fort und konnte danach getauft werden. Später wurde er Versammlungsältester. Ein anderer Mann, der zwei Frauen hatte, gab die jüngere seinem jüngeren Bruder, denn er wollte nicht, daß in seinem Haus drei Personen wegen seiner Selbstsucht sterben müßten. Er erfüllte dadurch die Voraussetzungen für die Taufe.

Andere Zeugen bekundeten selbstlose Liebe, indem sie auf ihr traditionelles Recht verzichteten, bei der Heirat ihrer Töchter einen Brautpreis zu erhalten. Solch ein Brautpreis konnte für junge Zeugen unerschwinglich hoch sein, vor allem für Pioniere. Viele Väter waren jedoch froh, wenn ihre Töchter „im Herrn“ heirateten (1. Kor. 7:39). Außerdem hatte das junge Paar in seiner Ehe einen viel besseren Start, weil die Belastung durch den Brautpreis wegfiel. Anfangs erregte das Verwunderung, doch nach und nach schätzten und akzeptierten immer mehr Leute diesen Ausdruck liebevollen Interesses.

Auch in Tanganjika versuchte die Geistlichkeit, den Brüdern Schwierigkeiten zu machen, doch ohne Erfolg. Als Bruder Kangale von der Polizei in Mbeya festgenommen wurde, konnte er ihnen erklären, daß er nur seine geistigen Brüder besuche. Daraufhin war die Polizei hilfsbereit und fragte ihn, ob er ihnen nicht seinen Reiseplan geben wolle, auf dem die Besuche der Versammlungen vermerkt waren, damit sie die anderen Polizeiwachen über seine Ankunft informieren könnten und diese sich seinetwegen keine Gedanken zu machen brauchten. Auf diese Weise konnte Bruder Kangale in Tanganjika jahrelang frei umherreisen. Andere Sonderpioniere und reisende Aufseher aus Nordrhodesien und Njassaland bemühten sich ebenfalls, die Schafe geistig zu erbauen, so z. B. Frank Kanyanga, James Mwango, Washington Mwenya, Bernard Musinga und William Lamp Chisenga, um nur einige wenige zu nennen. Interessanterweise traf Bruder Chisenga 1957 Norbert Kawala in der Stadt Mbeya. Ihn dürstete nach der Wahrheit; zweimal die Woche studierte er die Bibel und unternahm die nötigen Schritte für die Taufe. Später diente er als Übersetzer im Zweigbüro in Nairobi (Kenia).

Filmvorführungen und Ausdehnung nach Norden

In der Zwischenzeit, ab 1956, wurde der Film Die Neue-Welt-​Gesellschaft in Tätigkeit in Tanganjika vorgeführt, und über 5 000 sahen ihn. Weiteren Auftrieb gaben Zeugen aus Übersee, die 1959 ankamen, um dort zu dienen, wo der Bedarf an Königreichsverkündigern größer war. Die Zahl der Verkündiger in Tanganjika erhöhte sich wiederum; im Dienstjahr 1960 gab es 507.

Der Fortschritt kam jedoch nicht von selbst. In vielen Städten lebten größtenteils Moslems; dadurch mußten die Verkündiger beim Predigen ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen. Auch das feuchtheiße Klima stellte die ausländischen Brüder auf eine harte Probe. Doch sie waren wie Jesaja eingestellt und sagten: „Hier bin ich! Sende mich“, und dafür wurden sie gesegnet (Jes. 6:8).

An den Hängen des Kilimandscharo

Im Jahre 1961 erlangte Tanganjika die Unabhängigkeit, und 1964 wurde es mit der Insel Sansibar zur Vereinigten Republik von Tansania zusammengeschlossen. 1961 wurde die gute Botschaft in einem weiteren Gebiet Tansanias verbreitet, rund um die Hänge des mächtigen Kilimandscharo herum. Afrikas höchster Berg ist ein gewaltiger erloschener Vulkan, der ständig schneebedeckt ist. Die sanft ansteigenden Hänge erhalten von Osten und Süden ausreichend Regen. Wegen des fruchtbaren Bodens und der großen Niederschlagsmenge eignen sich die Hänge zur Bewirtschaftung, deswegen ist das Gebiet auch dicht besiedelt. Dort gründete ein Sonderpionier aus Nordrhodesien eine Bibelstudiengruppe, zu der fünf interessierte Personen gehörten.

Im nächsten Jahr, nämlich im August 1962, wurde im Hotel Kibo, in der Nähe von Marangu, ein Kreiskongreß abgehalten; von dort konnte man direkt auf den majestätischen Berg blicken. Zeugen aus Kenia unterstützten dieses Ereignis und reisten die 400 km von Nairobi in einem Autokonvoi. Die Taufe fand in einem kalten Gebirgsbach statt, und zum ersten Mal wurde in diesem Teil der Welt ein Europäer, Helge Linck, von einem afrikanischen Bruder getauft.

Helge Linck hatte die Wahrheit als Kind in Dänemark kennengelernt, doch nicht weiterverfolgt. Er kam nach Tanganjika, um auf einer Zuckerrohrplantage zu arbeiten. 1959 besuchte sein leiblicher Bruder aus Kanada Ostafrika und interessierte ihn wieder für die Wahrheit. Als 1961 ein Sonderpionier wegen des Predigens ins Gefängnis kam, sorgte Helge für seine Freilassung. Nachdem Helge an diesem idyllischen Platz anläßlich des Kreiskongresses im Hotel Kibo getauft worden war, wurde er Pionier; später verwies man ihn wegen seiner Predigttätigkeit des Landes.

Verlassen wir nun kurz das Festland, um uns auf die Insel der Gewürznelken, nach Sansibar, zu begeben; sie ist die größte Koralleninsel vor der afrikanischen Küste.

Sansibar — die Insel der Gewürznelken

Sansibar liegt nur 40 km vom Festland entfernt und war für Araber und Europäer ein Ausgangspunkt für Expeditionen ins Innere Afrikas. Die Bevölkerung bekennt sich größtenteils zum Islam und ist afro-arabischer Herkunft. Man spricht Suaheli, die Sprache, die durch den Sklavenhandel bis an die Grenzen von Angola in Westafrika gelangte. Im 19. Jahrhundert war Sansibar ein Zentrum des Sklavenhandels.

Im Jahre 1932 statteten zwei Pioniere aus Südafrika der Insel der Gewürznelken einen kurzen Besuch ab. 1961, neunundzwanzig Jahre später, zogen Roston und Joan MacPhee, zwei neugetaufte Verkündiger der guten Botschaft, von Kenia auf die Insel. Sie machten sich sofort an die Arbeit und konnten viel biblische Literatur abgeben. Bald führten sie zwei Bibelstudien durch. Die Versammlung im nahe gelegenen Daressalam sorgte dafür, daß Brüder jeweils ein Wochenende im Monat zur gegenseitigen Ermunterung nach Sansibar reisten.

Die MacPhees wurden nach Kenia zurückversetzt, und kurz danach kam eine andere christliche Familie, die Burkes, von Amerika nach Sansibar. Sie kümmerte sich sorgfältig um die Personen, die bereits Interesse gezeigt hatten, und richtete neue Studien ein. Doch Ende 1963 fegte eine Revolte über die Insel hinweg, und die Familie Burke mußte fliehen und das meiste ihres Besitzes im Stich lassen.

Kaum waren die Burkes weg, wurden die Königreichsinteressen auf der Insel vernachlässigt. 1986 zogen jedoch interessierte Personen auf die Insel und machten einen neuen Anfang. Kurze Zeit später bildete sich eine kleine Verkündigergruppe. Ein interessierter Mann, der außergewöhnlich eifrig war, opferte seine Freizeit und führte teilweise mit 30 Personen Bibelstudien durch. Das war eine gewaltige Aufgabe für ihn, zumal er sich auch noch um seine weltliche Arbeit kümmern mußte. Zur Versammlungszeit waren immerhin 45 Personen anwesend. Es war eine große Überraschung, daß sich fünf von ihnen schon im Dezember 1987 auf dem Bezirkskongreß in Daressalam taufen ließen. Jetzt war die Grundlage für eine Versammlung auf dieser historisch bedeutsamen Insel gelegt.

Verlassen wir nun die Insel der Gewürznelken, und kehren wir auf das afrikanische Festland zurück.

Freuden und Probleme

In 30 Jahren der Predigttätigkeit in Tanganjika hatten die Brüder nur wenig Probleme mit den Behörden. Meistens war die Polizei sehr respektvoll und hilfsbereit, manchmal bot sie sogar für unsere Kongresse eine Lautsprecheranlage an. Im Mai 1963, als Milton G. Henschel von der Weltzentrale der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn Daressalam besuchte, wurde ein Kongreß in der Karimjee-Halle organisiert, dem besten Hörsaal des Landes. 274 Personen waren zugegen, darunter der Bürgermeister der Hauptstadt, und 16 wurden getauft. Da im benachbarten Kenia gerade ein Zweigbüro eröffnet worden war, konnte den Königreichsinteressen in Tanganjika, heute Tansania, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Es wurden Vorkehrungen getroffen, die Zeitschrift Der Wachtturm in Suaheli zu veröffentlichen. Die erste Ausgabe erschien am 1. Dezember 1963. Im gleichen Jahr erhielten die Aufseher der 25 Versammlungen in Tansania in der Königreichsdienstschule die nötige Anleitung. Im September und Oktober 1964 fanden Bezirkskongresse statt, bei denen 1 033 Personen anwesend waren — eine Höchstzahl.

Doch es gab Schwierigkeiten. Missionaren der Zeugen Jehovas war bisher die Einreise verweigert worden, und alle Bemühungen um gesetzliche Anerkennung wurden zurückgewiesen.

Eine Wendung zum Schlechteren

In den Jahren 1963 und 1964 blieb die meiste Zeit alles ruhig, doch dann erhielt man die Nachricht, daß ein Brief an alle Polizeibehörden geschickt wurde, in dem es hieß, daß Jehovas Zeugen verboten worden waren und festgenommen werden sollten. Ein weiterer Schlag folgte am 25. Januar 1965. Durch eine Pressemitteilung gab man bekannt, daß die Watch Tower Society ungesetzlich sei. Es stiegen allerdings Zweifel auf, ob diese Mitteilung amtlich war. Unter solchen Umständen plante man für den 2. bis 4. April 1965 einen Kreiskongreß in Tanga.

Ein Saal wurde gemietet, Vorkehrungen für die Unterkünfte getroffen, und viele Zeugen reisten mit dem Zug von Sisalplantagen an. Auf der Fahrt predigten sie Mitreisenden, einer von ihnen war ein Polizist. Als sie am Ziel ankamen, nahm er alle Zeugen fest und brachte sie auf die Polizeiwache, aber schon nach kurzer Zeit ließ man sie wieder gehen.

Am 3. April, es war der zweite Kongreßtag, wurde im Rundfunk bekanntgegeben, daß die Regierung das Werk der Zeugen Jehovas und alle damit verbundenen gesetzlichen Körperschaften verboten hatte. Trotzdem ging der Kongreß ohne irgendwelche Zwischenfälle zu Ende. Im Staatsanzeiger erschien keine Bekanntgabe des Verbots. Aus dem benachbarten Malawi (früher Njassaland) und aus Sambia (früher Nordrhodesien) war zu hören, daß das Verbot zwar verkündet, danach aber widerrufen worden war. Das wurde durch die Nachrichtenagentur Reuters bestätigt. Doch das Unvermeidliche geschah schließlich; am 11. Juni 1965 brachte der Staatsanzeiger eine Meldung, wonach die Watch Tower Society und alle damit verbundenen gesetzlichen Körperschaften für ungesetzlich erklärt wurden.

Nun wurde die Polizei wachsamer, und Versuche, im Süden des Landes einen Kreiskongreß abzuhalten, schlugen fehl. Vereinzelt nahm man Brüder fest. Manchmal wurde Literatur beschlagnahmt, doch gelegentlich auch wieder zurückgegeben. Die Brüder fanden es klüger, in kleinen Gruppen zusammenzukommen. In Gebieten, in denen die Missionare der Christenheit die Polizei aufhetzten, wurde die Lage gespannter.

Anhaltende Mißverständnisse

Kurz bevor das Verbot erlassen wurde, versuchte William Nisbet aus Kenia acht anstrengende Wochen lang, mit Beamten in Daressalam zusammenzukommen, um die gesetzliche Anerkennung von Jehovas Zeugen zu erlangen. Er konnte mit dem Sekretär des Innenministers sprechen. Anscheinend wegen falscher Auskünfte, die die Missionen der Christenheit über Jehovas Zeugen gegeben hatten, brachten viele Regierungsbeamte diese mit verbotenen radikalen Religionsgemeinschaften in Sambia und Malawi in Verbindung.

So, wie manche vor einer harmlosen Sturmwolke Angst haben, so schwebte eine völlig unberechtigte Angst vor Jehovas Zeugen über den Beamten. Die Beamten verwechselten Jehovas Zeugen mit den einheimischen Gruppen, die „Watchtower“ oder Kitawala hießen, aber mit den Zeugen überhaupt nichts zu tun hatten. * Bei diesen Sekten war Ehebruch und Zauberei verbreitet, und sie rebellierten oft gegen bestehende Regierungen. Ferner mißbrauchten sie den göttlichen Namen sowie einige unserer Publikationen. Vor ihnen mußte man Angst haben, nicht aber vor den friedliebenden, wahren Zeugen Jehovas. Der Besuch Bruder Nisbets bei den Beamten und die von der Watch Tower Bible and Tract Society vorbereitete schriftliche Dokumentation beseitigten die Mißverständnisse.

Bevor Bruder Nisbet aus Daressalam abreiste, beantragte er die Registrierung der International Bible Students Association. Es war eine große Überraschung, als man sechs Monate nach dem offiziellen Verbot ein Telegramm von den Brüdern aus Daressalam erhielt, in dem stand, daß die International Bible Students Association ab dem 6. Januar 1966 wie eine Handelsgesellschaft behandelt werden sollte. Dennoch blieben Jehovas Zeugen und die Watch Tower Society verboten. Am 24. November 1966 stand in einer Regierungsmitteilung, daß die International Bible Students Association als Gesellschaft aufgelöst worden sei, weil die Versammlungen es versäumt hätten, sich eintragen zu lassen.

Brüder aus Sambia und Malawi, die gekommen waren, um in Tansania zu helfen, mußten jetzt das Land verlassen. Sie hinterließen eine große Lücke, doch die wahre Anbetung in Tansania kam keinesfalls zum Erliegen. 1966 besuchten 1 720 Personen das Gedächtnismahl, und 836 beteiligten sich rege am Predigen des Königreiches.

Die Seschellen — „Paradiesinseln“

„Tausendmal besser als alles andere“, so lautet ein Werbeslogan für die Seschellen, die etwa 1 600 km von der Küste Ostafrikas entfernt sind; dort findet man die Seschellen-Riesenschildkröten, die so groß sind, daß man darauf reiten könnte. Die Seschellen umfassen circa 100 Inseln und erstrecken sich bis in die Nähe Madagaskars. Einige Inseln bestehen aus Granit, wie die Hauptinsel Mahé, andere wiederum aus Korallen. Auf ihnen findet man einfach alles, was tropische Inseln so attraktiv macht: Berge, malerische Felsen, schneeweiße Strände, türkisfarbenes Wasser, prachtvolle Riffe, üppige Vegetation und exotische Vögel, die durch die nach Gewürzen duftende Luft flattern; man kennt dort keine Tropenkrankheiten.

Die Inselbewohner — 90 Prozent leben auf Mahé — sprechen ein auf dem Französischen basierendes Kreolisch. Sie stammen hauptsächlich von Afrikanern, englischen und französischen Kolonisten, Indern und Chinesen ab.

Im Jahre 1961 traf jemand aus Ostafrika ein, der sich für die Lehren der Bibel interessierte, so wie sie von Jehovas Zeugen erklärt wurden. Im folgenden Jahr kamen Zeugen aus Südrhodesien, darunter vier Angehörige der Familie McLuckie, die informell Zeugnis gaben. Biblische Vorträge für die Öffentlichkeit waren jedoch verboten, denn die katholische Kirche übte großen Einfluß aus. Trotzdem waren im April 1962 bei der ersten organisierten Zusammenkunft 12 Personen anwesend, und 8 beteiligten sich am Predigtdienst.

Widerstand bewirkt Gutes

Doch schon bald darauf verfolgten die Kirchen der Christenheit unsere Brüder auf die bekannte Art und Weise. Die Einwanderungsbehörde forderte die Familie McLuckie auf, das Land bis zum 25. Juli 1962 zu verlassen. Die Polizei verbot einem anderen ausländischen Bruder das Predigen und teilte ihm mit, daß seine Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr erneuert werde. Katholische Geistliche hielten Predigten und schrieben lange Artikel für die Lokalzeitungen, um das Volk vor den Zeugen zu warnen.

Das bewirkte allerdings eher etwas Positives. Viele Leute hatten bis dahin noch nichts von Jehovas Zeugen gehört; jetzt war ihre Neugierde geweckt, und sie begannen sich nach ihnen zu erkundigen. Auf den Seschellen ging die Verbreitung der biblischen Wahrheit voran, und niemand konnte es aufhalten. Am 15. Juli 1962, eine Woche bevor die Familie abreisen mußte, wurde das erste einheimische Ehepaar getauft, Norman und Lise Gardner. Die Familie, die abreisen mußte, sah das als schöne Belohnung für das Geld an, das sie eingesetzt hatte, und für ihre Bemühungen, mit dem Werk auf diesen abgelegenen Inseln zu beginnen.

Fünf Monate später kamen zwei Zeugen aus Südafrika, beide Rentner, nach Mahé, um sich dort niederzulassen und das Predigtwerk zu unterstützen. Etwas später setzten sie eine Anzeige in die Lokalzeitung, in der stand, daß die an einem Bibelstudium interessierten Personen sich bei ihnen melden sollten. Gleich am nächsten Tag erhielten sie einen Brief, in dem es hieß, daß ihr Visum rückgängig gemacht worden sei. Doch in den vier Monaten auf den Seschellen konnten sie viel biblische Literatur abgeben und ein gutes Zeugnis geben. Nun lebte gar kein Zeuge mehr auf den Inseln, da auch die Gardners weggegangen waren.

Nach nur wenigen Monaten erhielt das Werk wieder Aufschwung, und zwar, als die Gardners zurückkehrten; sie waren für kurze Zeit aus beruflichen Gründen in Khartum (Sudan) gewesen. In dieser Zeit hatten sie erbauende Gemeinschaft mit treuen Brüdern aus dem Sudan, aus Kenia und Südrhodesien gepflegt. Sie gingen nun auf die Insel Cerf, die etwa eine halbe Stunde mit dem Boot von Mahé entfernt ist. Da es dort nur etwa ein Dutzend Familien gab, war ihre Situation für die Zeugnistätigkeit nicht gerade vorteilhaft. Als einzige Verkündiger auf den Seschellen strengten sie sich dennoch weiterhin eifrig an und setzten monatlich durchschnittlich 30 Stunden im Predigtdienst ein.

Im Jahre 1965 wurden die ersten Kreisaufseherbesuche vorbereitet; und noch andere erfreuliche Dinge ereigneten sich in diesem Jahr. Insgesamt 75 Personen sahen einen biblischen Film. Drei interessierte Personen schlossen sich den Gardners beim Zeugnisgeben an und wurden in jenem Jahr getauft. Es wurden zweckmäßige Vorkehrungen für regelmäßige Zusammenkünfte getroffen.

Obwohl die Gardners die Insel Cerf sehr liebten, war ihre Liebe zum Nächsten doch stärker; also siedelten sie 1966 auf die Hauptinsel Mahé über, um dort für ein Zentrum der Verkündigung der wahren Anbetung zu sorgen. An ihr Haus wurde ein Königreichssaal angebaut; jetzt stand der Ausdehnung nichts mehr im Wege.

Stephen Hardy und seine Frau Barbara, britische Missionare aus Uganda, besuchten im Reisedienst die Seschellen mehrere Male. Bei einem Besuch am 6. Dezember 1968 gab es dort 6 tätige Verkündiger, und bei der Bestimmungsübergabe des neuen Königreichssaals waren 23 Personen anwesend.

Im Jahre 1969 versuchte man, das Werk gesetzlich eintragen zu lassen, und beantragte die Erlaubnis für die Einreise von Missionaren. Beide Gesuche wurden ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

Das Wachstum ging nur schleppend voran, weil einige junge Leute auswanderten, um sich eine Arbeit zu suchen; viele andere wiederum hielt die Menschenfurcht zurück, die in kleineren Ortschaften recht verbreitet ist. Auch das Analphabetentum, eine allgemein gleichgültige Haltung und die weitverbreitete Unsittlichkeit waren für viele Leute echte Hindernisse. Aber andere machten schnell Fortschritte, wie der Regierungsangestellte mit seiner großen Familie, der sein Bibelstudium täglich in der Mittagspause betrieb. Daher besuchten 1971 insgesamt 40 Personen die Feier zum Gedenken an den Tod Christi, und 11 beteiligten sich fleißig am Predigtdienst. Die Botschaft von der kommenden paradiesischen Erde war weiterhin auf den wunderschönen Seschellen zu hören.

Die Anfänge in Burundi

Bevor die Hardys in Uganda dienten und die Seschellen besuchten, waren sie ins schöne Burundi gesandt worden, ein kleines malerisches Land mit Tausenden von Hügeln, das zwischen Tansania und Zaire liegt. Es ist dicht bevölkert von hart arbeitenden Bauern, die vorwiegend an terrassenförmig angelegten Hängen Bananen anbauen.

Während der Kolonialherrschaft der Belgier stellte die Watch Tower Society den Antrag, Missionare nach Usumbura, heute Bujumbura (Hauptstadt Burundis), einreisen zu lassen, doch sie erhielt keine Genehmigung. Durch die 1962 erlangte Unabhängigkeit entstanden aber andere politische Verhältnisse, so daß im Oktober 1963 zwei Sonderpioniere aus Nordrhodesien ein Dreimonatsvisum erhielten, das ohne Schwierigkeiten verlängert werden konnte. Im Januar 1964, nur drei Monate später, kamen vier Gileadabsolventen mit einem Dauervisum in Burundi an.

Druck von religiöser Seite

Von Anfang an waren die Menschen erpicht darauf, etwas über die gute Botschaft vom Königreich zu erfahren. Als die Missionare in Burundi eintrafen, führten die Sonderpioniere bereits zahlreiche Bibelstudien durch, und 9 Verkündiger predigten die gute Botschaft. Doch im darauffolgenden Monat wurde den Missionaren gesagt, es sei nötig, ihre Organisation eintragen zu lassen, damit sie eine Arbeitserlaubnis bekämen.

Die Brüder waren zuversichtlich, daß die Organisation registriert werden würde. Doch in den folgenden Wochen machten der oberste Beamte der Einwanderungsbehörde und andere Beamte ein verdrießliches Gesicht. Hinter den Kulissen wurde nämlich von religiöser Seite Druck auf sie ausgeübt. Anfang Mai gab man den Missionaren dann zehn Tage Zeit, um das Land zu verlassen. Man kann sich gut vorstellen, wie traurig sie waren, weil sie 70 Menschen zurücklassen mußten, mit denen sie die Bibel studiert hatten.

Ende Mai mußten auch die Sonderpioniere gehen. Nun hatte sich ein Bruder aus Tansania um etwa 30 Personen zu kümmern, die die Bibel studierten — eine ziemliche Aufgabe. Die Missionare und Pioniere fehlten zwar, aber die dortigen Verkündiger predigten weiter. 1967 berichteten 17 Verkündiger, eine Höchstzahl, und 32 Personen besuchten das Gedächtnismahl. Im folgenden Jahr entstanden leider Schwierigkeiten, da einige Brüder die ernannten Aufseher nicht anerkannten. Daher sank die Verkündigerzahl in dem Dienstjahr auf acht. Es wurde biblischer Rat vermittelt, und schließlich lösten die Brüder ihre Probleme. 1969 waren dann wieder 25 Verkündiger im Predigtdienst tätig, und 58 Personen wohnten dem Gedächtnismahl bei.

Neugetaufte halten der Folterung stand

Die Emsigkeit der Zeugen machte die Geistlichkeit wütend, und sie setzte die Regierung unter Druck. Im August 1969 wurden sieben Zeugen festgenommen und gefoltert, indem man sie zwei Tage lang in hüfthohem Wasser stehen ließ. Doch wie die Apostel ließen sie sich nicht abschrecken. Zwei Monate später wurden neun Personen getauft. Danach verlangten die Beamten noch zweimal von den Brüdern, ihre Religion eintragen zu lassen, doch beide Male wurden ihre Anträge zurückgewiesen. In jedem der folgenden Jahre wurden Höchstzahlen verzeichnet, nämlich 46, 56, 69, 70 und 98 Verkündiger, und 1969 wurde in Bujumbura eine Versammlung gegründet.

Im Jahre 1972 brach zwischen den Tussi und den Hutu ein schwerer Stammeskrieg aus. Über 100 000 Hutu sollen während des Konflikts umgekommen sein, darunter mindestens vier Zeugen. Andere Zeugen wurden eingesperrt, manche acht Monate. Trotz der Unruhen waren die Brüder fleißig im Predigtdienst beschäftigt, und jeder setzte durchschnittlich mehr als 17 Stunden im Monat ein.

Nach zehn Jahren des Wachstums wurde immer noch eine richtige theokratische Aufsicht dringend benötigt. Viele Brüder waren zwar standhaft, in manchen Dingen handelten sie jedoch wie geistige Kleinkinder, denen es an Scharfblick und Urteilsvermögen mangelte. Einige ließen sich ganz unbemerkt von der „Watchtower-Bewegung“ oder Kitawala aus benachbarten Gebieten falsch beeinflussen. Es war nicht verwunderlich, daß es solche Probleme gab, denn die Brüder waren noch nie von einem Zonenaufseher besucht worden, sie hatten noch nie einen Film der Gesellschaft gesehen, es gab keine spezielle Schulung für Versammlungsaufseher, keine Kongresse, geschweige denn irgendwelche Literatur in der eigenen Sprache. Daher wurde 1976 dem Zweig in Zaire die Aufsicht über das Land übertragen. Auf diese Weise konnten französisch- und suahelisprechende Brüder den Zeugen in Burundi die benötigte Hilfe bieten.

Interessanterweise erhielt der im Exil lebende Führer von Burundi, gerade als die Stammeskämpfe im Gange waren, noch vor seinem Tod ein ausführliches Zeugnis. Ein Missionar traf ihn in Mogadischu (Somalia). Es folgten lange Gespräche, in denen viele Fragen besprochen wurden, und der ehemalige Herrscher war tief beeindruckt. Erst später erfuhr der Missionar, wem er Zeugnis gegeben hatte.

Goldene Zeiten für Missionare in Uganda

Die Ausweisung der Missionare aus Burundi kam Uganda zugute, wo 1964 eine festgefügte Gruppe von Verkündigern tätig war. Nach 30jähriger Anstrengung und mit der Hilfe des ersten Missionarehepaares waren reife Brüder und Schwestern in der Lage, dort zu dienen, wo größerer Bedarf bestand. Noch weitere Missionare sollten folgen.

Nachdem das erste Missionarheim in Kampala eingerichtet worden war, wurde ein zweites in der Industriestadt Jinja eröffnet, wo der Victorianil den Victoriasee Richtung Norden verläßt. Da das Werk dort schnell voranging, konnte bald eine Versammlung gegründet werden.

In der Zwischenzeit war die Königreichsbotschaft auch in kleinere Bezirksstädte in ganz Uganda gedrungen, und 1967 gab es 53 Verkündiger. Im nächsten Jahr wurde noch ein Missionarheim in Mbale eröffnet, einer blühenden Stadt, die an den Westhängen des Elgon gelegen ist, nahe der kenianischen Grenze. 1969 waren 75 Verkündiger tätig, im darauffolgenden Jahr stieg die Zahl auf 97 und im Jahr 1971 auf 128.

Vom 12. August 1965 an war das Werk offiziell anerkannt. 1972 sah die Lage überaus vielversprechend aus. Eine neue Höchstzahl von 162 Verkündigern war erreicht worden, und fünf neue Missionare durften einreisen. Man traf Vorbereitungen für den größten Kongreß, der jemals in Uganda von Jehovas Zeugen abgehalten wurde; er sollte im Lugogo-Stadion von Kampala stattfinden. Zeugen aus dem benachbarten Kenia und Tansania und sogar aus dem entfernten Äthiopien kamen dorthin. 65 äthiopische Brüder reisten in gemieteten Bussen an, einige legten in zwei Wochen fast 3 200 km zurück.

Unruhen in Uganda

Besucher, die in Uganda eintrafen, waren überrascht, so viele Menschen — ausländische Lehrer und asiatische Familien — zu sehen, die das Land genau in die entgegengesetzte Richtung fluchtartig verließen. Nach einem Staatsstreich hatte sich die politische Lage verändert, und die Menschen fürchteten um ihre Zukunft. Anscheinend wollte jeder aus dem Land hinaus, außer den Zeugen. Die Lage war gespannt; trotzdem kündigte ein 18 m langes Spruchband, das quer über der Hauptstraße Kampalas gut sichtbar angebracht war, den öffentlichen Vortrag des Kongresses an. Die Brüder waren dankbar, daß der Bezirkskongreß „Göttliche Herrschaft“ erfolgreich abgehalten werden konnte; beim öffentlichen Vortrag waren 937 Personen zugegen — eine Höchstzahl. Brüder in ganz Ostafrika, die schon lange in der Wahrheit sind, denken immer noch gern an diesen Kongreß in Kampala zurück.

Es bestand großes Interesse an der biblischen Wahrheit, und viel Literatur wurde verbreitet, dennoch zogen dunkle Wolken am Horizont herauf. Die Arbeitserlaubnis von zwei Missionarehepaaren wurde nicht mehr verlängert, daher mußten sie innerhalb von drei Monaten das Land verlassen. Am 8. Juni 1973 verbot die Regierung plötzlich 12 religiöse Gruppen, darunter auch Jehovas Zeugen. Die noch ansässigen Missionare mußten am 17. Juli 1973 ebenfalls aus dem Land. Das war ein trauriges Ereignis für diese ausländischen Helfer, und es geschah zu einer Zeit, in der es sogar in Kenia Schwierigkeiten bei der freien Ausübung der Anbetung gab.

Die meisten Missionare mußten in ihre Heimatländer zurückkehren, doch einige Ehepaare, die in Uganda dort gedient hatten, wo größerer Bedarf bestand, konnten sich in Kenia niederlassen und weiterhin Unterstützung bieten. Zu ihnen gehörten Larry und Doris Patterson und Brian und Marion Wallace. Die Hardys gingen an die Elfenbeinküste und im Jahre 1983 ins Londoner Bethel. *

Von Recht und Ordnung konnte nun in Uganda nicht mehr die Rede sein. Man nahm zum Beispiel einen Pionier fest, brachte ihn zu den Militärbaracken und verhörte ihn. Sein Verbrechen? Er hatte angeblich Geld von europäischen „Spionen“ erhalten; man hatte nämlich gesehen, wie er in das Missionarheim gegangen war. Obwohl er genau erklärte, worin das freiwillige Predigtwerk bestand, das er durchführte, schlug man ihn, drückte ihm einen Spaten in die Hand und befahl ihm, sein eigenes Grab zu schaufeln. Als er damit fertig war, gebot man ihm, noch zwei weitere Gräber für die europäischen „Spione“ auszuheben; damit waren die Missionare gemeint. Als er auch das getan hatte, schlugen ihn drei bewaffnete Soldaten nieder, schossen auf ihn, verfehlten aber ihr Ziel. Eine Kugel streifte den Schuh eines Soldaten, woraufhin erst einmal ein Streit entbrannte und sie abgelenkt waren. Der Bruder lag einige Zeit auf dem Boden; am nächsten Tag wurde er jedoch freigelassen.

Die Versammlungen mußten sich nun im geheimen treffen und sich den neuen Umständen anpassen. Das Leben war im allgemeinen keinen Pfifferling wert, und wer für eine verbotene Religion tätig war, setzte sich zusätzlichen Gefahren aus.

Der Südsudan öffnet sich

Ende der 60er Jahre gab es auch im Sudan Spannungen, hauptsächlich zwischen dem Norden und dem Süden. Die Versammlung in Khartum machte unerschrocken weiter, obwohl die Brüder weit weg vom Zweigbüro in Nairobi und völlig isoliert von anderen Brüdern waren. Im August 1970, kurz bevor der erfahrenste Versammlungsälteste, George Orphanides, das Land verließ, gab es eine Höchstzahl von 54 Verkündigern.

Gerade zu diesem Zeitpunkt beschuldigte man eine Anzahl Zeugen, Zionisten zu sein, und sie wurden volle zwei Tage von Beamten verhört. Als zwei Pionierinnen einer interessierten Frau Zeugnis gaben, überraschte sie dabei ein koptischer Geistlicher, der die Polizei rief und dann behauptete, sie seien israelische Spione. Im Polizeipräsidium konnten die Schwestern ein gutes Zeugnis geben und wurden wieder freigelassen. Einige Zeugen bekamen wegen solcher Erfahrungen Angst, doch für andere waren sie glaubensstärkend.

Bis hierher haben wir nur über die Tätigkeit in Khartum gehört. Es gab jedoch noch ein großes, unberührtes Feld: der Süden, wo viele nominelle Christen lebten. Wie könnte die Wahrheit wohl in dieses riesige Gebiet gelangen? 1970 kam der Durchbruch, als ein junger Mann aus dem Süden, ein Herausgeber einer katholischen Zeitung, mit Zeugen in Berührung kam. Er machte schnell Fortschritte in seinem Bibelstudium und führte bald selbst mit Freunden und Verwandten Studien durch. Einer seiner Freunde verbreitete die Königreichsbotschaft mutig in seiner Schule, obwohl sogar Flugblätter gegen diese Botschaft gedruckt worden waren.

Im Jahre 1973 gab es im Süden des Landes eine Anzahl kleiner Gruppen von interessierten Personen, und 16 aus diesem Gebiet, mit denen die Bibel studiert wurde, ließen sich taufen. Diese Bewohner des Südens wurden nicht nur vom reinen Klang biblischer Wahrheit angezogen, sondern auch dadurch, daß sie eine Religion kennenlernten, in der es aufrichtige Liebe gab, eine Religion, in der eine echte Bruderschaft über alle Stammes- und Rassenspaltungen erhaben war.

In den frühen 70er Jahren hatte der Südsudan seinen eigenen Reiz, vielleicht wegen seiner Abgeschiedenheit. Von Khartum bis Juba brauchte man mit dem Zug und per Schiff über eine Woche. Viele dachten kaum über die Weltereignisse nach. Die Menschen waren außerordentlich nett und gastfreundlich. In einigen Hotels hatten die Fremdenzimmer nicht einmal Schlüssel oder Schlösser. Die Menschen gaben sich besondere Mühe, Reisenden den Weg zu zeigen, sie zu verpflegen oder sie unterzubringen, und erwarteten dafür keine Bezahlung. Tatsächlich wurde Bezahlung in den meisten Fällen energisch zurückgewiesen. Mehr und mehr dieser gutherzigen Menschen hörten die Wahrheit über Jehovas Vorsatz und nahmen sie an.

Da sich der Süden aufgetan hatte und vermehrt biblische Publikationen abgegeben wurden, war ein stetiges Wachstum zu verzeichnen, und 1974 wurde im Sudan die Höchstzahl von 100 Verkündigern erreicht.

Eritrea von Verfolgung heimgesucht

Genau auf der anderen Seite der Ostgrenze des Sudans liegt Eritrea. Anfang der 60er Jahre — nach der Ausweisung der Missionare — wurde ausgiebig vom Rundfunk, von Zeitungen und anderen Medien Gebrauch gemacht, um gegen Jehovas Zeugen eine Verleumdungskampagne zu führen. Schlagzeilen wie „Falsche Propheten“ und „Vorsicht vor Scheinreligiosität, die zur Ablehnung des wahren Glaubens führt“ stellten die Zeugen als Hasser des Kaisers und der Kirche dar, und es wurde gesagt, sie lehnten die Dreieinigkeit und die Jungfrau Maria ab. Sie wären Agenten ausländischer Feinde und unmoralische Menschen, die nicht für ihr Land kämpften. Man forderte rigorose Maßnahmen, um das Land von Jehovas Volk zu befreien.

Die Geistlichen der äthiopischen Kirche schürten den Haß am meisten. Bei einem Tauffest mit mehr als 20 000 Anwesenden verkündete der Hauptgeistliche eine Resolution, in der Jehovas Zeugen exkommuniziert wurden, und er befahl den Leuten, sie weder zu grüßen noch sie einzustellen, noch ihre Toten zu bestatten.

Viele hatten den Eindruck, daß die „Jagdsaison“ auf Jehovas Zeugen eröffnet worden war — sie konnten nun von jedem getötet werden, ohne daß dies strafrechtliche Folgen hatte. Von Grundbesitzern erwartete man, jeden Pächter, der ein Zeuge Jehovas war, zu vertreiben. Eltern sagte man, daß sie ihr Kind von zu Hause fortjagen, verfluchen und enterben sollten, falls es ein Zeuge Jehovas geworden sei. In einem großen Haushalt wurden 18 Personen gezwungen, von zu Hause wegzugehen, weil sie mit Zeugen Jehovas studierten.

In einer Stadt machte sich der Pöbel auf, um einen bekannten Bruder zu verprügeln, doch sie suchten ihn vergebens. Die Polizei nahm Brüder fest und versuchte, sie zu zwingen, Erklärungen zu unterschreiben, in denen sie ihren Glauben verleugnen und zugeben sollten, gegen die Sicherheit der Regierung zu arbeiten. Weil einige Brüder das nicht richtig verstanden, unterschrieben sie; als sie aber ihren Fehler bemerkten, distanzierten sie sich schriftlich von ihrer Unterschrift, ungeachtet der Folgen.

Andere mußten sich sanfte Überredungsversuche anhören. „Sie können Ihren Glauben ruhig im Herzen haben, Sie brauchen uns nur zu sagen, daß Sie keiner dieser Zeugen sind“, baten die Beamten inständig. Für die jungen Zeugen, die im Gefängnis saßen, dachten sie sich oft eine noch teuflischere und noch raffiniertere Versuchung aus. An einem bestimmten Tag suchten sie einen jungen Zeugen aus und sorgten dafür, daß ihn viele seiner älteren Verwandten besuchten. Wenn diese dann ankamen, starrten sie ihn oft zuerst wortlos an und brachen dann in Tränen aus, fielen auf ihre Knie und flehten ihn an, sich von seinem Glauben an Jehova loszusagen. Die Brüder, die diese Art von Druck zu spüren bekamen, empfanden es als ihre härteste Prüfung. Die heftige Verfolgung und der Druck hielten jahrelang an.

Ruhepause und Festigung in Äthiopien

Zur gleichen Zeit hatten auch die Zeugen in Addis Abeba und im Süden Äthiopiens Verfolgung zu erdulden, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie in Eritrea. 1962 wurden Äthiopien und Eritrea zu einem Land vereinigt, was bis heute, den 90er Jahren, politische Probleme nach sich zieht.

Im Jahre 1964 erwies es sich als zweckmäßig, die Aufsicht über alle Versammlungen in Äthiopien dem neugegründeten Zweig in Kenia zu übertragen. Vertreter des Zweigbüros in Nairobi konnten in Äthiopien als Kreisaufseher dienen und bei Besuchen in den Versammlungen helfen, einige schwere Meinungsverschiedenheiten zwischen den ernannten Versammlungsältesten zu klären. In einer Reihe von Versammlungen glich das Wachtturm-Studium einer Debatte. Ein einheimischer Kreisaufseher verbreitete seine eigenen, unbiblischen Ansichten und mußte ersetzt werden. Diese Probleme verlangsamten das Wachstum in den Jahren 1964 bis 1966, in denen die Verkündigerzahl bei etwa 200 stehenblieb.

Dennoch wurde die Wahrheit weiter verbreitet. Ein Zeuge, der in der heißen Hafenstadt Massaua am Roten Meer Urlaub machte, nahm im Postamt mit einer interessierten Person Verbindung auf und begann ein Bibelstudium. Andere interessierte Äthiopier nahmen auch daran teil, und bald wurde eine Versammlung gegründet. Etwa zur gleichen Zeit entstand weiter südlich, in Assab, Äthiopiens anderer Hafenstadt, ebenfalls eine neue Versammlung.

Obwohl die Publikationen seit 1957 verboten waren, fanden die Zeugen Wege, geistige Nahrung in den einheimischen Sprachen zu beschaffen. 1966 fand ein zweiwöchiger Königreichsdienstschulkurs in der Hauptstadt statt, in dem ernannte Aufseher über die theokratische Organisation und biblische Angelegenheiten unterwiesen wurden. Dadurch entwickelten die Brüder eine theokratischere und positivere Einstellung, und im Dienstjahr 1967 war mit insgesamt 253 Verkündigern eine Zunahme von 21 Prozent zu verzeichnen.

Von religiöser Seite ließ der Druck zwar nach, doch mußten sich die Zeugen wegen politischer Spannungen im Land weiterhin in kleinen Gruppen treffen. Das Amtsblatt der kaiserlichen Regierung sicherte zwar allen Religionsfreiheit zu und führte Jehovas Zeugen zusammen mit anderen Religionen auf, denen diese Rechte gewährt wurden, doch alle Gesuche um Registrierung wurden abgelehnt.

Geistliche lernen Jehova kennen

Ähnlich wie es im ersten Jahrhundert in Jerusalem der Fall war, schenkte eine Anzahl Priester, die ehrlichen Herzens waren, den biblischen Wahrheiten Gehör (Apg. 6:7). Ein aufrichtiger Geistlicher gestand einem Zeugen gegenüber ein: „Sie verrichten ein Werk, das eigentlich meine Sache ist. Ihr heutiger Besuch ist ein wirklicher Schlag gegen mein Geistlichenamt.“

Ein anderer Geistlicher erkundigte sich nach den Lehren von Jehovas Zeugen und fand befriedigende Antworten auf seine biblischen Fragen — in Gesprächen, die manchmal bis zu 12 Stunden dauerten! Das Ergebnis? Er ließ seine Ehe gesetzlich eintragen, wurde eifrig für die Wahrheit tätig und gab einer Nonne Zeugnis. Diese arrangierte ein Gespräch zwischen ihrem Sohn (einem Kirchenältesten) und einem Zeugen und versprach, ein Bibelstudium zu beginnen, falls der Zeuge „gewinnen“ würde.

Nun, der Sohn „verlor“. Später versuchte er, den Kreisaufseher, der gerade einen Besuch machte, in die Enge zu treiben, und bestürmte ihn 20 Stunden lang mit Fragen, und das mit einer nur vierstündigen Unterbrechung für ein Nickerchen. Was kam dabei heraus? Die ganze Familie begann zu studieren, 15 Personen machten gute Fortschritte in der Wahrheit, und auch die Nonne ließ sich taufen. Ihr Sohn wurde Sonderpionier.

Kurze Ruhepausen

Anfang 1971 hatten die Brüder in Äthiopien viel Grund zur Freude. Bruder Henschel von der leitenden Körperschaft besuchte Addis Abeba und Asmara und sprach zu einer Zuhörerschaft von 912 Personen. Die Verkündigerzahl im Land hatte etwa 500 erreicht, und eine große Literatursendung war ins Land gekommen.

Doch es standen Schwierigkeiten bevor. Im weiteren Verlauf des Jahres wurden Jehovas Zeugen in Rundfunksendungen scharf verurteilt. Mehr als 20 Abtrünnige arbeiteten mit der Geistlichkeit zusammen und halfen ihr beim Schreiben von verleumderischen Artikeln.

In einem Gebiet drang die Polizei in einen Versammlungssaal ein, beschlagnahmte 70 Bibeln und nahm einige Zeugen vorübergehend in Haft. Danach wurde der Königreichssaal in Asmara geschlossen, und die Versammlung war gezwungen, sich wieder in kleinen Gruppen zu versammeln. Dennoch ging das Werk gut voran. 1971 wurden insgesamt 142 Neue getauft, und 2 302 besuchten die Feier zum Gedenken an den Tod Christi.

In abgelegenen Gebieten wurden neue Gruppen gegründet, und zwei Kreisaufseher machten ihre Runden, um sich um die 25 Versammlungen und Gruppen und um neu hinzukommende Interessierte in abgelegenen Gebieten zu kümmern. Nach kurzer Zeit wurde die Grenze von 1 000 überschritten, und 1974 gab es eine Höchstzahl von 1 844 Verkündigern.

Verfolgt, doch nicht im Stich gelassen

Die Gegnerschaft nahm kein Ende. 1972 lud die Polizei mehrere Brüder zum Verhör vor und wies sie warnend darauf hin, daß sie Schritte gegen sie unternehmen würde, wenn sie mit dem Predigen nicht aufhörten. Dann, am 27. August 1972, kamen große Lastwagen dorthin gefahren, wo die Brüder sich regelmäßig sonntags versammelten; die Polizei nahm 208 Personen fest, Zeugen und Interessierte. In einer Versammlung sprach der Redner gerade über Hesekiels Prophezeiung bezüglich Gogs (Satans) Angriff und fragte dann: „Was würdet ihr sagen, wenn die Polizei hierherkäme, um uns zu verhaften?“ Seltsamerweise geschah genau das nur ein paar Minuten später.

Die Polizisten trieben 59 Brüder in einen verwanzten Raum von 9 m2. In einen anderen Raum von gleicher Größe drängten sie 46 Schwestern zusammen. Die anderen mußten draußen in der Kälte schlafen. Eine Kaution wurde nicht angenommen, und kein Rechtsanwalt durfte sich einschalten. Die Brüder konnten dem Gefängnispersonal zwar ein gutes Zeugnis geben, dennoch wurden 96 von ihnen zu sechs Monaten Haft verurteilt. Ein paar Tage später — man hatte ihnen inzwischen das Haar geschoren — ließ man sie gegen Kaution frei.

Die verbleibenden 112 wurden beschuldigt, eine ungesetzliche Religionsgemeinschaft gegründet zu haben, und zu sechsmonatigen Haftstrafen verurteilt. Nach einem Monat wurden auch sie gegen Kaution freigelassen. Danach stellte man sie erneut vor Gericht, sie wurden wieder eingesperrt und kamen dann nach 12 Tagen gegen Kaution frei. Fast ein Jahr nach der ersten Festnahme befaßte sich das Oberste Gericht mit der Berufung und bestätigte das Urteil der unteren Instanz, setzte die Strafe jedoch — nicht ohne strenge Ermahnung — zur Bewährung aus. Die Zeugen wurden verfolgt, aber nicht im Stich gelassen (2. Kor. 4:9). In der Zwischenzeit predigten die Brüder furchtlos im Gefängnis und halfen zwei Insassen, die eine lebenslängliche Strafe zu verbüßen hatten, bis zur Hingabe.

Ein hilfreicher Besuch und mehr geistige Speise

William Nisbet aus dem Zweigbüro in Nairobi besuchte Addis Abeba, wo er auf ein zusätzliches Problem stieß. Eine wachsende Gruppe junger, gefühlsbetonter Brüder behauptete, die himmlische Hoffnung zu haben. Sie gingen nur miteinander in den Predigtdienst und ärgerten sich über Rat von jedem, der sich nicht zu den Gesalbten zählte. Bei ihren Zusammenkünften wurden laute Kundgebungen des „heiligen Geistes“ herausgestellt. Bei der Feier zum Gedenken an den Tod Christi zum Beispiel schrien einige, rissen denen, die die Symbole herumreichten, diese aus der Hand und standen auf, um davon zu nehmen — dadurch lenkten sie die Aufmerksamkeit auf sich. Sich mit diesen Problemen zu befassen, kostete viel Zeit. In den folgenden Jahren waren mehrere der lautesten und uneinsichtigsten Teilnehmer keine treuen Zeugen mehr.

Ab 1973 standen einige der dringend benötigten Publikationen in Amharisch zur Verfügung, unter anderem die Bücher Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt und Wahrer Friede und Sicherheit — woher zu erwarten? Das Buch Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen gab es in Tigrinja. Diese vorzügliche geistige Speise sowie eine Serie kleiner Kreiskongresse, denen 1 352 Personen beiwohnten, wirkte sich auf die Brüder glaubensstärkend aus.

Außerdem ging eine Gruppe äthiopischer Zeugen zu dem internationalen Kongreß „Göttlicher Sieg“ in Nairobi, wo Bruder Henschel und Bruder Suiter von der leitenden Körperschaft Ansprachen hielten. Doch es lagen politische Veränderungen in der Luft, und bald sollte eine Revolution die theokratische Lage in Äthiopien ändern.

Gesetzliche Anerkennung und ein Zweigbüro in Kenia

Kehren wir nun nach Kenia zurück, um zu sehen, wie die Situation sich dort entwickelte. Das Land war soeben von der britischen Herrschaft unabhängig geworden, als im Februar 1962 der Zonenaufseher Harry Arnott auf dem Kreiskongreß, der zum letzten Mal im Stil eines Picknicks abgehalten wurde, den 184 Anwesenden eine Bekanntgabe von historischem Wert machte. Dieses sei ihr letzter inoffizieller Kongreß in Kenia. Jehovas Zeugen seien gerade gesetzlich anerkannt worden. Die fünf kleinen Versammlungen Nairobis konnten sich jetzt in einem schönen Saal in der Nähe des Stadtzentrums versammeln. Die Brüder waren glücklich, als sie entdeckten, daß sie jetzt eine größere Versammlung von 80 Verkündigern waren. Das Gedächtnismahl, ihre erste Zusammenkunft in Freiheit, besuchten 192 Personen.

Ein Ereignis jagte das andere. Peter und Vera Palliser vom Zweig in Sambia sollten in Kenia helfen. Die Pallisers und die McLains, die gerade die Gileadschule besucht hatten, zogen in das erste Missionarheim in Süd-Nairobi, und am 1. Februar 1963 wurde ein Zweigbüro eröffnet. Damals gab es etwa 150 Verkündiger in Kenia und Uganda, deswegen fiel im Büro wenig Arbeit an, vielleicht für ein oder zwei Tage die Woche. Ein 2,5 mal 3 m großer Raum in der Wohnung genügte als Büro.

Doch bald kamen andere Länder wie Tansania und Äthiopien unter die Aufsicht des kenianischen Zweiges, daher gab es mehr als doppelt soviel Arbeit. Es wurden Vorkehrungen dafür getroffen, daß Brüder offiziell Trauungen vornehmen durften. In öffentlichen Sälen und Schulen organisierte man Kreiskongresse. Bruder Henschel kam zu Besuch und gab die nötigen Hinweise, wie das neue Zweigbüro geleitet werden sollte.

Ein isoliertes Gebiet öffnet sich

Es bedurfte großer Anstrengungen, die Rassentrennung, die aus den Tagen der Kolonialzeit übriggeblieben war, zu überwinden. Man erzählte, daß es sogar tagsüber in den Stadtteilen, in denen die Einheimischen lebten, unsicher sei. Doch die neuen Missionare und die Brüder, die dort dienten, wo der Bedarf größer war, waren bestrebt, ihre Tätigkeit auszudehnen. Sie wählten sich als erstes Gebiet eine Siedlung von Eisenbahnarbeitern aus.

Es war Regenzeit, weshalb große Matschklumpen an den Schuhen der eifrigen Prediger klebten. Jetzt wollten sie zum ersten Mal versuchen, ihre gut vorbereiteten biblischen Darbietungen in Suaheli vorzubringen. Wie war die Reaktion? Viele Frauen hörten mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu und versuchten durch Gesten verständlich zu machen, daß sie kein Englisch sprachen. Wie erleichtert die Brüder doch waren, als die englischsprechenden Männer der Frauen von der Arbeit nach Hause kamen und erklärten, ihre Frauen könnten auch kein Suaheli!

Suaheli zu lernen war für die ausländischen Brüder ein echtes Erlebnis, da nur wenige Wörter Ähnlichkeit mit denen einer europäischen Sprache haben. Aber die Grammatik ist logisch und leicht verständlich. Die Aussprache ist einfach und der Wortschatz umfangreicher als der der meisten afrikanischen Sprachen.

Während sie Suaheli lernten, erlebten sie natürlich auch einige Pannen. Eine Schwester wollte über „serikali ya Mungu“ (Gottes Regierung) sprechen, sagte aber statt dessen „suruali ya Mungu“ (Gottes Hosen). Für einen Bruder wurde es schwierig, als er den üblichen Gruß „Habari gani?“ (Was gibt’s Neues?) mit „Hatari gani?“ (Irgendeine Gefahr?) verwechselte. Eine Missionarin konnte kein Huhn schlachten und wollte einen Sonderpionier bitten: „Tötest du ein Hühnchen für mich?“ Statt „kuua“ (töten) kam aber „kuoa“ heraus, so daß es „Heiratest du dieses Hühnchen für mich?“ lautete. Ein Missionar, der einen Programmpunkt anhand von Fragen und Antworten behandelte, sprach alle Brüder mit „Dudu“ (Insekt) statt „Ndugu“ (Bruder) an.

Für die vielen Kinder waren die Ausländer natürlich etwas Ungewöhnliches. Einige faßten die Brüder an den Händen an, um zu sehen, ob das Weiße abgehen würde. Dutzende von Kindern folgten den Verkündigern von einem Haus zum anderen. Die Gerüchte, daß man Ausländern gegenüber schlecht gesinnt sei, erwiesen sich als falsch. Im Gegenteil, viele Leute hungerten wirklich nach der biblischen Wahrheit. Meistens wurden die Besucher hereingebeten, ihnen wurde Platz und manchmal sogar Tee oder Essen angeboten. Es war eine völlig neue Erfahrung.

Unsere ausländischen Verkündiger mußten auch lernen, beim Anbieten von Bibelstudien wählerisch zu sein — so viele wollten unbedingt studieren, doch es war unmöglich, mit jedem ein Studium durchzuführen. Vor Ende des Jahres wurde in Nairobi — im fruchtbaren Stadtteil Eastlands — eine zweite Versammlung gegründet. Den Zeugen war die Umgebung vertraut, da es in ihrem Gebiet Landgüter mit Namen wie „Jerusalem“ und „Jericho“ gab, und nach kurzer Zeit hatten sie so viele Studien, wie sie gerade noch bewältigen konnten.

Interessanterweise dient etwa ein Dutzend derer, die damals, vor 30 Jahren, die Wahrheit kennenlernten und mit den beiden ersten Versammlungen Nairobis verbunden waren, heute immer noch treu.

Das erste Buch in Suaheli Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies wurde im Juni 1963 freigegeben. Es war ein geeignetes Hilfsmittel für Wahrheitssuchende jeden Bildungsstandes. Danach wurde Unser Königreichsdienst in Suaheli vervielfältigt, und der Wachtturm wurde in Sambia in Suaheli hergestellt.

Mittlerweile waren Alan und Daphne MacDonald, zwei Gileadabsolventen, in ihre neue Zuteilung auf die Insel Mombasa an der kenianischen Küste gezogen, und die McLains waren als die ersten Missionare nach Kampala (Uganda) gesandt worden. Dadurch war für William und Muriel Nisbet Platz im Zweigbüro. Sie waren überglücklich, wieder gemeinsam im Vollzeitdienst stehen zu können. Um im Land zu bleiben, war Bruder Nisbet sieben Jahre lang einer weltlichen Arbeit nachgegangen. Die Nisbets sind in Kenia im Kreisdienst und im benachbarten Tansania auch im Bezirksdienst.

Ausdehnung in Kenias Städten

In Mombasa fanden die MacDonalds eine kleine Versammlung vor, die aus ausländischen Zeugen bestand, die dort dienten, wo größerer Bedarf bestand, und es gab dort eine kleine Gruppe afrikanischer Zeugen, die aus beruflichen Gründen von Tansania nach Mombasa gekommen waren. Da das Predigtwerk jetzt frei war, gingen die Brüder sofort daran, ihre erste Zusammenkunft zu organisieren. 30 Personen waren anwesend. Die meisten afrikanischen Brüder hatten ihre Ehe jedoch nicht gesetzlich eintragen lassen. Eines Sonntags also traute ein von der Gesellschaft beauftragter Bruder 14 Paare. Am folgenden Sonntag wurden alle nochmals getauft.

Wegen der vielen verschiedenen Religionen stellte das Gebiet in Mombasa für die Brüder eine echte Herausforderung dar. Die Zoroastrier beten das Feuer an und behaupten, ihre Religion stamme aus den Tagen Nimrods. Dann gibt es verschiedene Sekten des Hinduismus, wie die turbantragenden Sikhs, aber auch die Anhänger des Dschainismus, die auf keine Ameise treten oder keine Fliege töten würden. Auch viele Moslems und nominelle Christen sind dort zu finden. Mombasa ist voller Tempel, Moscheen und großer Kirchen. Um die ewige gute Botschaft in Mombasa zu verkünden, mußte man flexibel und geschickt sein.

Mit der Zeit kamen noch mehr Missionare, die in größere Städte in verschiedenen Regionen gesandt wurden, wie Nakuru, Kisumu, Kitale, Eldoret, Kericho, Kisii, Thika und Nyeri. Ende der 60er Jahre hatten einige Kenianer den Sonderpionierdienst aufgenommen und waren geeignet, in bevölkerungsärmeren Gebieten zu predigen.

Der Kleine wird zu einem Tausend

Jetzt konnte man es wachsen sehen. Als das Werk gesetzlich eingetragen wurde, gab es in Kenia 130 Verkündiger. Zwei Jahre später hatte sich die Zahl fast verdoppelt, und 1970 war der Kleine buchstäblich zu einem Tausend geworden (Jes. 60:22).

Menschen, die die Wahrheit kennenlernten, mußten große Änderungen vornehmen. Sie mußten Unmoral, Trunkenheit, Zauberei und Analphabetentum überwinden. Viele waren damit groß geworden, dem Landbesitz, dem Viehbestand, der Bildung oder dem Geld übermäßige Bedeutung beizumessen. Auch persönlicher Stolz und die Neigung, das Gesicht wahren zu wollen, mußten besiegt werden. Daher konnte es — obwohl Interesse vorhanden war — Jahre dauern, bis jemand die neue christliche Persönlichkeit so weit angezogen hatte, daß er sich dem allmächtigen Gott hingeben konnte.

Im allgemeinen machten die jungen Leute schneller Fortschritte als die älteren, weil sie lesen konnten und nicht so tief in den Traditionen verstrickt waren. Ein typisches Beispiel dafür war der Jugendliche Samuel Ndambuki, den die Heuchelei in den Kirchen der Christenheit verwirrte und anwiderte. Mit 13 begann er, ein unstetes, unmoralisches Leben zu führen; er rauchte, stahl, log und nahm Drogen. 1967, acht Jahre später, sprachen zwei frühere Schulkameraden mit ihm über die gute Botschaft aus der Bibel. Er war davon beeindruckt, wie diese jungen Leute die Bibel gebrauchten. Wie anders waren Jehovas Zeugen doch, und welch großen Nachdruck sie auf reines Verhalten legten! Samuel nahm Änderungen zum Besseren vor, und zwar so einschneidende, daß es den Nachbarn auffiel. Obgleich er jetzt eine höhere Moral hatte, traf er mit seinem neugefundenen Glauben auf heftigen Widerstand, aber er machte weiterhin Fortschritte und wurde im Verlauf des Jahres getauft. Im folgenden Jahr nahm er den Pionierdienst auf, dann den Sonderpionierdienst, den Betheldienst und den Reisedienst. Heute ist er ein Familienvater. Er hat vielen Menschen geholfen, zu einer Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen, und die Grundlage für eine blühende Versammlung in Ukambani gelegt.

Ein anderes Beispiel ist Raymond Kabue in Nairobi, der die Wahrheit zusammen mit seinem leiblichen Bruder und einer Gruppe junger Männer kennenlernte. Voller Eifer ging er in seine Heimat im Aberdare-Gebirgszug und predigte den Leuten dort. Dabei entstand eine Versammlung, aus der viele Pioniere und Sonderpioniere hervorgingen. Eines seiner Kinder wurde auch Pionier, und ein anderes diente später im Bethel.

Raymonds Bruder Leonard half Ruth Nyambura, die die ganze Bibel gelesen, aber keine Antworten auf ihre Fragen erhalten hatte. Als er sie besuchte, hatte sie eine ganze Liste von Fragen vorbereitet. Mit der Hilfe eines Bruders aus Übersee konnte Bruder Kabue die Fragen beantworten, und er erklärte ihr auch die Bedeutung der Zahl 666 aus Offenbarung 13:18. Diese aufrichtige Frau war eine der ersten Suaheli sprechenden Menschen, die die Wahrheit annahmen; das war 1965. Sie hatte einen ungläubigen Mann und steht für viele andere treue Schwestern in Kenia, wo im Gegensatz zu anderen afrikanischen Ländern die Frauen die Männer in der Versammlung oft zahlenmäßig übertreffen. Schwester Nyambura hat sieben Kinder in der Wahrheit erzogen, diente eine Zeit als Pionier und ist heute noch eine treue Verkündigerin.

Eine ihrer Töchter, Margaret MacKenzie, mußte mit dem tragischen Unfalltod ihres Mannes im Jahre 1974 fertig werden. Sie wurde mit drei kleinen Kindern zurückgelassen. Stammesbräuchen folgend, hatten die ungläubigen Verwandten ihres Mannes geplant, sie während der Beerdigung zu entführen und dann mit ihrem Schwager zu „verheiraten“. Sie wurde aber gewarnt und floh, trat ihr Anrecht auf das Haus ab, das sie mit gebaut hatte, und auch das Anrecht auf das Feld, das sie mit nutzbar gemacht hatte. Die Verwandten konnten ihr ihren kleinen Jungen entreißen, so daß sie nur noch ihre zwei Töchter hatte. Es war schwer, für die Kinder materiell zu sorgen und gleichzeitig auf ihre geistigen Bedürfnisse einzugehen, doch mit der Hilfe Jehovas schaffte es Schwester MacKenzie. Sie nahm das Familienstudium und den Predigtdienst sehr ernst. 1987 hatte sie Grund zur Freude, als sich ihre beiden Töchter, 14 und 15 Jahre alt, auf einem Kreiskongreß taufen ließen. Ihr Sohn kehrte nach 11 Jahren nach Hause zurück und hat schon so weit Fortschritte gemacht, daß er Jehova dient.

Das Ausmaß des Königreichswerks vergrößern

Die Brüder im Zweigbüro gaben sich große Mühe, das Königreichswerk auszudehnen. Traktate und Bücher wurden ins Kikamba, Kikuyu und Luo übersetzt. Es wurden noch weitere Bücher in Suaheli freigegeben, nämlich „Dinge, in denen es unmöglich ist, daß Gott lügt“, Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt und „Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuß“. Der Wachtturm in Suaheli wurde auf 24 Seiten erweitert. Dadurch wurde mehr Literatur abgegeben.

Die Veröffentlichungen wurden unter den asiatischen Einwohnern weit verbreitet; diese Menschen hießen europäische Zeugen meistens gern willkommen und nahmen bereitwillig Literatur entgegen, blieben aber im allgemeinen bei ihrer Religion. Doch es gab auch Ausnahmen. Eine Jugendliche hielt trotz schwerer Gegnerschaft ihrer Familie und Druck seitens der Sikh-Gemeinde an der Wahrheit fest. Ihr Vater warf sie aus dem Haus und drohte ihr sogar, sie zu töten. Sie zog bei einer Familie von Zeugen ein, und nach einem eingehenden Bibelstudium gab sie sich Jehova hin, nahm den Pionierdienst auf und besuchte schließlich die Gileadschule. Jetzt ist Goody Poulsen verheiratet und immer noch eine eifrige, vor allem im asiatischen Gebiet erfolgreiche Pionierin.

Ein Problem in Verbindung mit der Ehe wird gelöst

In ganz Kenia waren viele Personen nicht gesetzlich verheiratet. Einige heirateten gemäß Stammesbräuchen, wobei die Scheidungsregelungen sehr locker gehandhabt wurden; andere hatten ihr Zusammenleben nur mündlich geregelt. Das entsprach nicht den hohen Anforderungen Jehovas (Heb. 13:4).

Deswegen wurden mehr Brüder gesetzlich ermächtigt, aufgrund der bestehenden Vorkehrung — des African Christian Marriage Act — Trauungen vorzunehmen. Diese Brüder waren viel unterwegs, da interessierte Menschen für die wahre Anbetung Stellung bezogen und ihre Ehe gesetzlich eintragen lassen wollten. In den meisten Fällen hing davon ihre Eignung als Verkündiger der guten Botschaft ab. Dadurch wurde auch die Grundlage für ein besseres Familienleben gelegt, weil nun eine Auflösung der Ehe wegen Kinderlosigkeit oder der Nichtzahlung des vollen Brautpreises nicht mehr zu befürchten war. Im Laufe der folgenden Jahre zogen weit über 2 000 Ehepaare aus dieser Vorkehrung Nutzen.

Ein neues Zweigbüro

Auf dem Bezirkskongreß 1970 wurde bekanntgegeben, daß die Gesellschaft in der Woodlands Road in Nairobi ein Gebäude für ein neues Zweigbüro gekauft hatte. Das kleine Büro in Nairobi-Süd war schon in eine Wohnung in der Nachbarschaft verlegt worden, doch jetzt berichteten fast 3 000 Verkündiger in den acht vom Zweigbüro beaufsichtigten Ländern. Daher fiel mehr Arbeit im Versand und in der Übersetzungsabteilung an, und der Schriftverkehr nahm zu.

Das neue Gebäude auf dem 6 ha großen Grundstück, das in ruhiger Umgebung und trotzdem in der Nähe des Stadtzentrums liegt, war ideal für weitere Ausdehnung geeignet. Die vielen Bäume und die Rasenflächen, die von farbenprächtigen Blumen und Hecken umrandet waren, machten das Grundstück zu einem kleinen Paradies.

Am Samstag, dem 26. Juni 1971, fand das Programm zur Bestimmungsübergabe statt. Später wurde das Gebäude etwas umgebaut, damit es sich besser als Büro- und Wohngebäude eignete; es kamen mehr Schlafzimmer hinzu. Auf dem unteren Teil des Grundstücks wurde ein großer Königreichssaal errichtet — der erste in Nairobi. Er wurde von zwei Versammlungen genutzt; und es war immer noch eine große Rasenfläche übrig, die für einen späteren Bau verwendet werden konnte. Dieser Königreichssaal wurde etwa zur gleichen Zeit fertiggestellt wie die Säle in Mombasa, Kisumu und Nakuru.

Wachstum erregt den Neid der Geistlichkeit

Da ständig mehr interessierte Personen aus der Kirche austraten, wurde die Geistlichkeit immer wütender. Man versuchte, Jehovas Zeugen in Verruf zu bringen. Ein falsch informiertes Parlamentsmitglied erzählte anderen Abgeordneten, daß die Zeugen ihre Kinder nicht in die Schule schickten und ihren Mitgliedern eine Behandlung im Krankenhaus versagten. Dieser Parlamentarier stand beschämt da, als der Parlamentssprecher ihn eines Besseren belehrte, denn dieser hatte genaue Informationen von einem Beamten erhalten, der mit einem Zeugen verwandt war.

Es herrschte also weiterhin eine demokratische, freiheitsliebende Atmosphäre. Ende 1971 besuchte Bruder Knorr Nairobi noch einmal, und später fand in Mombasa ein großer Kongreß statt, auf dem beim öffentlichen Vortrag 2 161 Personen anwesend waren. Die Aussichten waren glänzend, und alles schien ruhig und friedlich zu sein.

Ein Schock — Verbot im Jahre 1973

Es war für alle ein richtiger Schock, als am 18. April 1973 im Rundfunk bekanntgegeben wurde, daß Jehovas Zeugen eine Gefahr für die Regierung darstellten und daher verboten worden seien. Es hatte zwar etwas Aufruhr gegeben, und in der Öffentlichkeit wurde ab und zu ungünstig von uns geredet, doch gab es nirgends offizielle Anschuldigungen oder polizeiliche Maßnahmen. Plötzlich war biblische Unterweisung ungesetzlich.

Man bemühte sich, mit hochrangigen Persönlichkeiten zusammenzukommen, um die Angelegenheit zu klären. Am 8. Mai legten die Brüder Berufung ein, die aber sechs Tage später abgelehnt wurde. Zwischenzeitlich hatte der oberste Registrator die Eintragung von Jehovas Zeugen als Gesellschaft für ungültig erklärt. Eine Audienz beim Präsidenten wurde nicht genehmigt. Am 30. Mai wurde gegen die Annullierung Berufung eingelegt. Das Hauptbüro der Zeugen Jehovas in Brooklyn (New York) unterstützte dies durch einen persönlichen Brief des Präsidenten der Watch Tower Society.

Am 5. Juli waren Jehovas Zeugen ein Hauptthema der Nationalversammlung Kenias. Man verwechselte sie immer noch mit einer kleinen politischen Splittergruppe und behauptete, sie respektierten keine weltlichen Regierungen und lehnten ärztliche Behandlung in Krankenhäusern ab. Sie wurden sogar Zeugen des Teufels genannt. Das zeigt bestimmt, in welchem Ausmaß Menschen falsch unterrichtet sein können, ähnlich wie es bei denjenigen der Fall war, die Anschuldigungen gegen Gottes Sohn, Jesus Christus, erhoben (Mar. 3:22; Luk. 23:2).

Dann wies die Regierung die 36 Missionare unverzüglich aus dem Land aus. Sie mußten am 11. Juli 1973 abreisen. Das war ein wirklich trauriger Moment in Kenias theokratischer Geschichte. In aller Eile mußte die gesamte Einrichtung der zehn Missionarheime Kenias irgendwo untergebracht werden, persönliche Habe mußte in Kisten verstaut und bis zum Versand in verschiedene andere Zuteilungen gelagert werden.

Trotzdem blieb das Zweigbüro geöffnet. Man bereitete sich darauf vor, den Fall vor Gericht zu bringen, um das Verbot als Verletzung der Verfassung Kenias anzufechten, die die Religionsfreiheit garantiert.

Das Verbot wird aufgehoben

Einsichtige Beamte erkannten bald, daß diese Geschehnisse gewiß nicht dem Wunsch entsprachen, Kenia als gemäßigtes, demokratisches Land zu präsentieren, das für Touristen offen ist und an den Menschenrechten festhält. Im August 1973 hob die Regierung daher mutigerweise das Verbot auf. In einer Mitteilung der Regierung kam zum Ausdruck, daß das Verbot nie wirklich bestanden hätte. Die Brüder waren überglücklich.

Für die im Zweigbüro gebliebenen Zeugen war die Arbeit keineswegs leicht. Verschiedene Brüder von außerhalb kamen als Unterstützung ins Bethel, z. B. Helge Linck, Stanley Makumba und Bernard Musinga. Nur wenige von ihnen waren mit den nötigen Arbeitsvorgängen im Büro vertraut. Sie mußten die Abwicklung von Schriftwechsel lernen, die Handhabung der Geldangelegenheiten und die Buchhaltung.

Unter den bestehenden Umständen wurden Kongresse richtigerweise als vorrangig angesehen. Durch eine Serie von Kreiskongressen, die im Oktober abgehalten wurde, wurden die Brüder im Land angespornt, und sie erhielten Anleitung. Die Arbeiten für den internationalen Bezirkskongreß, der vom 26. bis 30. Dezember in Nairobi stattfinden sollte, wurden wiederaufgenommen. Das Kongreßmotto „Göttlicher Sieg“ erschien nach der Verbotszeit äußerst angemessen und zeitgemäß. Obwohl in kurzer Zeit viel zu erledigen war, machte es große Freude, zu sehen, wie Brüder aus dem Ausland zur Ermunterung der einheimischen Brüder herbeiströmten. Die Anwesendenhöchstzahl betrug 4 588, und 209 wurden getauft.

In den Zeitungen wurde günstig über den Kongreß berichtet, und das Fernsehen brachte ein 28minütiges Interview mit Grant Suiter, einem Besucher aus der Zentrale der Watch Tower Society in Brooklyn. All das zeigte, daß es Jehovas Zeugen immer noch gab und daß sie tätig waren. Weitere Kreiskongresse folgten, und die Ältesten wurden durch die Schulung in der Königreichsdienstschule angespornt.

Das plötzliche Verbot war für die Zeugen eine schockierende Erfahrung und eine Glaubensprüfung gewesen. Doch hatte es auch etwas Positives bewirkt, denn alle, die kein enges Verhältnis zu ihrem liebevollen Schöpfer hatten und ihren Glauben nicht auf den wahren Grund, unser Vorbild Jesus Christus, gebaut hatten, wurden ausgesiebt (1. Kor. 3:11). Es wurde deutlich, daß die kenianischen Brüder lernen mußten, selbst mehr Arbeit und Verantwortung zu übernehmen und sich nicht ausschließlich auf die Missionare und die ausländischen Brüder zu verlassen, die gekommen waren, um in Gebieten zu dienen, wo größerer Bedarf bestand. Sie mußten auch mehr persönlich studieren und inbrünstig beten.

Bald konnten andere Missionare zur Unterstützung nach Kenia kommen, z. B. John und Kay Jason, die schon 26 Jahre als Missionare in Sambia gedient und dort im Kreis- und Betheldienst gestanden hatten. Jehova hatte gezeigt, daß es in Kenia noch viel zu tun gab, und die Zeugen machten sich entschlossen daran, das Werk fortzusetzen.

Das Wachstum erhält neuen Schwung

Auch in bezug auf das Geistiggesinntsein machten die Verkündiger Fortschritte. Bisher hatten sie hauptsächlich anhand von Zeitschriften Zeugnis gegeben; jetzt wurde besonderer Wert auf den Gebrauch der Bibel gelegt, so wie es in Unserem Königreichsdienst dargelegt wurde. Wie herzerfrischend war es doch, wenn sogar kleine Kinder — sehr zum Erstaunen des Wohnungsinhabers und älterer Verkündiger — im Predigtdienst ihre Bibel aufschlugen und Zeugnis gaben!

Zum ersten Mal wurden in Unserem Königreichsdienst die heidnischen Traditionen angesprochen. Obwohl es auch nützliche Traditionen geben mag, wies man darauf hin, daß es andere gibt, die auf Irrlehren beruhen, wie z. B. auf der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, und die Christen in die falsche Religion verwickeln könnten. Daher legten die Brüder nach und nach unreine Bräuche ab, solche in Verbindung mit Totenwachen und -feiern, der Angst vor dem bösen Blick, dem Tragen von Amuletten, Stammesinitiationsriten und Beschneidungszeremonien.

Ein anderer wichtiger Schritt nach vorn war, daß nun in den Städten alle Versammlungen das Programm in nur einer Sprache durchführten, entweder in Suaheli oder in Englisch. Bisher waren die Versammlungszusammenkünfte in beiden Sprachen abgehalten worden, und durch das ständige Übersetzen von der einen Sprache in die andere konnte nur die Hälfte des Stoffes behandelt werden. Nun konnten sich die Brüder eines vollständigen Programms in einer der beiden Sprachen erfreuen.

„Mazedonien“ wird zu einem Alltagswort

Mittlerweile war durch den Besuch des Zonenaufsehers Wilfred Gooch aus dem Zweigbüro in London das Werk in Kenia reorganisiert und die Grundlage für den ersten systematischen Feldzug in die abgeschiedenen Gebiete Ostafrikas gelegt worden. In Kenia zum Beispiel lebten Dreiviertel der Bevölkerung in diesen Gebieten.

Die Verkündiger waren von dem Feldzug begeistert, und seit 1975 sind die Worte aus Apostelgeschichte 16:9 über Mazedonien weithin bekannt geworden. Sogar Personen, die keine Zeugen sind, kann man sagen hören: „Heute führen die Zeugen ihre Zusammenkunft in Mazedonien durch.“ Jedes Jahr werden drei Monate eingeplant, um im neuzeitlichen „Mazedonien“ zu arbeiten.

Außerdem ermunterte das Zweigbüro alle Verkündiger, ihren Jahresurlaub dafür zu verwenden, in ihren ländlichen Heimatgebieten zu predigen. Eine Schwester schrieb daraufhin: „Nachdem ich zu Hause angekommen war, verkündete ich den Menschen die gute Botschaft von Jehova und hatte nur wenig später viele Bibelstudien, unter anderem auch mit acht meiner Verwandten; sechs davon besuchen die Zusammenkünfte, die 16 km weit von hier entfernt stattfinden.“

Das Zeugnisgeben bewirkte, daß viele interessierte Personen Briefe schrieben. Jeden Monat trafen Hunderte im Zweigbüro ein, in denen um Literatur oder Bibelstudien gebeten wurde; daher war es nötig, weitere Brüder für die Erledigung des Schriftverkehrs einzusetzen.

Ein anderes wichtiges Ereignis in jenem Jahr war die Königreichsdienstschule für Älteste in sieben Ländern Ostafrikas. Es wurde ihnen nicht nur biblische Belehrung vermittelt, sondern sie lernten auch etwas ganz Neues kennen. Viele Brüder halfen zum ersten Mal in ihrem Leben bei der Hausarbeit mit — sie wuschen ab und machten das Essen —, etwas, was normalerweise einzig und allein den Frauen überlassen wird. Aber die Ältesten waren demütig und paßten sich an. Für einige Aufseher war es neu, daß ein Vater mit seinen Kindern spielen sollte. Ein Ältester sagte: „Nach all den Jahren werden meine Kinder überrascht sein, wenn ich nach meiner Rückkehr mit ihnen spiele.“

Das Jahr 1975 endete in Kenia mit einer neuen Höchstzahl von 1 709 Verkündigern, und über 300 wurden getauft. Wie ging das Königreichswerk jedoch im südlich benachbarten Tansania voran?

Eine veränderte Lage in Tansania

Im Gegensatz zu Kenia blieb hier das Verbot, das seit dem 3. April 1965 bestand, in Kraft. Dieser Umstand — zusammen mit veränderten familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen — führte zu neuen Entwicklungen. Die ausländischen Brüder, die gekommen waren, um dort zu dienen, wo größerer Bedarf bestand, mußten einer nach dem anderen gehen. Auch die meisten der sambischen Sonderpioniere mußten in ihr Heimatland zurückkehren, oft aus wirtschaftlichen Gründen, bedingt durch das schnelle Wachstum ihrer Familie. Ein Sonderpionier zum Beispiel, der 1961 mit zwei Kindern nach Tansania gekommen war, hatte 1967 sieben Kinder.

Die Pioniere verließen das Land, bis auf Lamond Kandama. Er hatte die Wahrheit 1932 in Sambia kennengelernt und saß dort 1940 und 1941 wegen seines Glaubens im Gefängnis. 1959 nahm er im Alter von 47 Jahren den Pionierdienst auf und wurde nach Tansania gesandt; auch da wurde er eingesperrt. Schließlich wurde er wieder nach Kenia zurückgesandt, wo er bereits in mehreren Gebieten gedient hat, und heute ist er mit fast 80 Jahren immer noch Sonderpionier und immer noch ledig. Ein schönes Beispiel für treues Ausharren!

„Schafe“ vor Gericht

In den nächsten zwei Jahrzehnten folgten Dutzende von Verhaftungen und Gerichtsfällen in ganz Tansania, aber das überraschte die Zeugen nicht. Jesus sagte: „Wenn die Welt euch haßt, wißt ihr, daß sie mich gehaßt hat, bevor sie euch haßte. ... Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15:18, 20). Sie harrten freudig aus, ohne darum viel Wirbel zu machen.

Haßerfüllte Ankläger nutzten die freundliche und hilfsbereite Art der Brüder aus. Gegner stellten sich freundlich und heuchelten Interesse; die Zeugen luden sie völlig ahnungslos in ihr Haus ein und zeigten ihnen ganz stolz ihre Bibliothek mit theokratischer Literatur. Manchmal liehen sie diesen Leuten sogar einige ihrer Bibelstudienhilfsmittel aus, die dann später vor Gericht als Beweise gegen die Zeugen verwendet wurden. Die Brüder gaben bereitwillig zu, Angehörige der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas zu sein, was gemäß dem Gesetz bedeutete, eine ungesetzliche Gesellschaft zu unterstützen. Weil einige Brüder auf der Polizeiwache zugaben, nach dem Gesetz schuldig zu sein, durften sie vor Gericht nicht aussagen. Außerdem waren sie so gutmütig, daß sie, obwohl kein Haftbefehl vorlag, ihre Häuser durchsuchen ließen, worauf sie festgenommen wurden. Andere dachten, sie müßten beim Verhör jede Frage beantworten, und belasteten sich somit selbst.

Man beschuldigte die Zeugen, einer ungesetzlichen Gesellschaft anzugehören, und das nur, weil sie Bibelstudienzusammenkünfte besuchten, die gute Botschaft predigten oder biblische Literatur besaßen. Die Gerichte belegten sie mit Geldstrafen und verhängten Haftstrafen von drei bis neun Monaten.

Obwohl es in Tansania nur wenige Zeugen gab — im Dienstjahr 1973 kam auf 10 000 Einwohner nur 1 Zeuge —, blieb ihr Eifer nicht unbemerkt. Als am 7. September 1974 bei Isaack Siuluta in Daressalam gerade eine christliche Zusammenkunft stattfand, umstellten Polizisten das Haus. 46 der Anwesenden wurden festgenommen, auch zwei Pionierinnen. Die anderen Frauen schickte die Polizei nach Hause. Alle Bibelstudienhilfsmittel, die sich in den Aktentaschen befanden oder die die Besucher in den Händen hielten, wurden im darauf folgenden Prozeß als Beweisstücke verwendet.

Am 29. November kam der Fall vor Gericht. Die vorgelegten Beweise zeigten, daß die Zeugen friedliche und gesetzestreue Menschen waren. Trotzdem entschied der Richter, daß „ihre Religiosität nur ein Aushängeschild sei“, und alle wurden schuldig gesprochen. Sie mußten Geldstrafen zahlen oder für sechs Monate ins Gefängnis gehen, weil sie Bibelstudienhilfsmittel besaßen und den Zusammenkünften einer gesetzlich verbotenen Gemeinschaft beigewohnt hatten.

Im Gefängnis ermunterten sich die Zeugen gegenseitig durch Bibelstudien oder biblische Vorträge, wie „Finde täglich Freude an Jehova“. Nach sechs Monaten kamen alle frei. Das Königreichswerk in Tansania ging weiter voran; im Dienstjahr 1975 berichteten 1 609 Verkündiger über ihren Predigtdienst — eine Höchstzahl.

Es dauerte eine Weile, bis das Zweigbüro in Kenia von den rechtlichen Schwierigkeiten der unerfahrenen Brüder erfuhr. Dann wurde allen Versammlungen hilfreicher Rat über die Rechte bei Verhaftungen oder bei gerichtlichen Maßnahmen erteilt. Er wurde in einfachem Suaheli veröffentlicht, was sich als große Hilfe erwies.

In den folgenden Jahren gab es einige Rechtsfälle, in denen die Brüder freigesprochen wurden. Manche Richter entschieden, daß die von den Klägern geladenen Zeugen keine Beweise für irgendein „Predigen in Verbindung mit einer verbotenen Gemeinschaft“ hätten und daß der „bloße Besitz von Büchern keinen Beweis für die Mitgliedschaft in einer ungesetzlichen Gemeinschaft“ darstelle. All das erwies sich als ein großartiges Zeugnis gegen Jehovas großen Widersacher (Spr. 27:11).

Jehova gibt Kraft

Die Verfolgungswelle, die über die Zeugen im benachbarten Malawi rollte, wirkte sich schlecht aus, besonders in der Gegend um Tukuyu, an der Grenze nach Malawi. Während einige Gegner dadurch noch angestachelt wurden, kamen andere zur Einsicht. Ein Gefängniswärter sagte: „In Malawi verschwenden sie ihre Zeit, wenn sie diese Leute verfolgen und töten, und hier ist es genauso. Die Zeugen werden nie einen Kompromiß schließen, sie nehmen lediglich an Zahl zu.“

Die Verfolgung wirkte sich in den verschiedenen Teilen des Landes unterschiedlich aus. Es gab Versammlungen, die neue Königreichssäle bauen, sich offen versammeln und sogar voller Begeisterung Lieder singen konnten. Meistens kamen die Publikationen unbeschadet per Post bei den Zeugen an. Das Zweigbüro in Kenia sandte zur Ermunterung weiterhin reisende Aufseher und Vertreter des Zweiges aus, die mit Ältesten und einigen Versammlungen zusammenkamen. Weitere Publikationen in Suaheli stärkten die Brüder in Tansania im Glauben. Einige Zeugen nahmen den Pionierdienst auf und konnten sogar Sonderpioniere aus Sambia ersetzen.

Für viele tansanische Brüder war die jährliche Reise zum Bezirkskongreß in Kenia ein Höhepunkt. Normalerweise war es nicht schwierig, mit dem Bus nach Kenia zu kommen. Im Oktober 1968 und in späteren Jahren mieteten Gruppen von je 80 Brüdern sogar Busse, um von Südtansania nach Kenia zu reisen — eine Strecke von etwa 1 500 km. Sie brachten wirklich Opfer, denn für dieses große Ereignis im Jahr mußten sie monatelang sparen. Einige tansanische Grenzbeamte waren einsichtig und sagten sogar zu den Brüdern: „Fahrt weiter, und betet bitte für uns.“ 1970 wurden vier Busse für die 350 Zeugen eingesetzt, die von Südtansania zum Kongreß in Nairobi reisten.

Bei der Arbeit Zeugnis geben

Die Brüder in Tansania predigten furchtlos und waren dabei äußerst erfinderisch. Zeugen, die bei der Gemeindearbeit mit vielen Nichtzeugen zusammenarbeiteten, sprachen untereinander ab, daß sich ein Bruder als interessiert ausgeben und den anderen Brüdern Fragen über die Bibel zurufen sollte, die sie dann nur zu gern beantworteten. Das spielte sich in ziemlicher Lautstärke ab, und bald beteiligten sich andere Arbeiter am Gespräch, so daß Bibelstunden abgehalten wurden — natürlich, ohne die Arbeit zu unterbrechen.

Nachdem das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Suaheli freigegeben worden war, wurde es so bekannt, daß sogar die Feinde der guten Botschaft es bald an seinem blauen Einband erkannten. Deswegen entschied die Gesellschaft, eine andere Ausgabe des Wahrheits-Buches in Suaheli herzustellen, mit einem Einband in einer dezenteren Farbe.

Die Wahrheit macht frei

In einigen Teilen des Landes verursachte die Geistlichkeit der Christenheit Schwierigkeiten. An den Hängen des Meru, westlich des Kilimandscharo, studierten sechs Personen eifrig die biblischen Wahrheiten. Als einmal das Studium zu Ende war, sorgte ein evangelischer Geistlicher dafür, daß der Pöbel draußen vor dem Haus durch Lärm störte. Einige Tage später erwartete diese interessierten Personen Ärger, als sie von einer Versammlungszusammenkunft zurückkamen, die 20 km entfernt stattgefunden hatte. Der Vater eines Studierenden wartete bei dessen Haus, die Axt schwingend, und drohte, ihn umzubringen. Ein anderer Interessierter fand sein Haus beschädigt vor, seine Ziege fehlte, und sein Kind war weg. Einen dritten schlug man und stahl ihm sein Rind. Ließen sich diese interessierten Personen bei ihrer Suche nach biblischer Wahrheit entmutigen? Keineswegs, sondern jeder erklärte schriftlich seinen Austritt aus der Kirche.

Alle machten bald so weit Fortschritte, daß sie ungetaufte Verkündiger hätten sein können; nur eines stand dem noch im Wege: Sie mußten ihre Heiratsurkunden vorlegen. Doch diese hatten noch die Geistlichen, die nicht daran dachten, sie herauszurücken. Die Angelegenheit mußte vor Gericht gebracht werden. Die Geistlichen argumentierten, daß diese Leute zu einer ungesetzlichen Gemeinschaft gehörten, doch der Richter ärgerte sich über die Geistlichen, verurteilte sie zu einer Geldstrafe und ließ die Urkunden ihren Besitzern aushändigen.

Unterstützung auf den Seschellen

Erinnern wir uns noch an die 11 Verkündiger, die weit ab vom afrikanischen Festland auf den Seschellen leben? Sie wünschten sich so sehr, von außerhalb Hilfe zu erhalten. Anfang 1974 kamen Ralph und Audrey Ballard mit ihren Kindern aus England, um dort zu dienen, wo größerer Bedarf bestand, und sie konnten sich auf den Seschellen niederlassen. Durch ihre Begeisterung und ihren Eifer im Dienst hatten sie bald neue Bibelstudien. Obwohl Missionaren 1969 und 1972 die Einreise verweigert worden war, erhielt die International Bible Students Association am 29. August 1974 die rechtliche Anerkennung; auch das gab dem Werk neuen Aufschwung.

Damals berichteten 32 Verkündiger über ihren Dienst, und im darauffolgenden Jahr stieg die Zahl auf 51 an. Für die Einheimischen war es schwierig, für Jehova Stellung zu beziehen, weil die katholischen Geistlichen ihnen mit dem Verlust der Arbeit oder der Häuser drohten. Im Laufe der Jahre ließ der Einfluß der Geistlichkeit nach, und wahrheitsliebende Menschen unternahmen mutig Schritte.

Im Jahre 1974 z. B., nachdem die gute Botschaft auf der Hauptinsel Mahé erschollen war, unternahmen die Zeugen eine dreistündige Seereise zur zweitgrößten Insel, Praslin, die für ihr Tal „Valleé de Mai“ mit seinen Seschellennußpalmen bekannt ist. An diesen Palmen wächst die sogenannte Doppelkokosnuß oder Meerkokosnuß, der wahrscheinlich größte Samen der Welt (14—18 kg); er wird von vielen Sammlern wegen seiner ungewöhnlichen Form begehrt. Bei einer Bevölkerungszahl von nicht einmal 5 000 kennt natürlich jeder jeden. Es bedurfte schon gestandener Leute, angesichts dieser Art des Gruppenzwangs fest für die Wahrheit einzutreten. Aber manche schafften es, obwohl es einige Zeit dauerte, bis sie gelernt hatten, die gute Botschaft taktvoll darzubieten und nicht lediglich die Götzenanbetung anzugreifen oder den Untergang der Bösen in Harmagedon zu predigen.

Schließlich ließ sich 1976 in Victoria auf Mahé ein Missionarehepaar nieder. Es unterstützte die Versammlung dabei, in geistiger Hinsicht stark zu werden, und half den vielen Kindern der Zeugen, in der Wahrheit zu wandeln. Das war nicht einfach, weil einige eine sehr lockere Lebensauffassung und wenig moralische Skrupel hatten. Nur wenige der einheimischen Zeugen übten sich im persönlichen Studium und im Dienst. Daher wurden sie leicht von jedem neuen weltlichen Trend umhergeworfen, und viele gaben die Wahrheit auf. Eine Anzahl derer, die mit der Versammlung verbunden waren, hatte sich auf ein bestimmtes Datum für das Ende der bösen Welt versteift und diente nicht mit Blick auf die Ewigkeit. All das brachte den geistigen Fortschritt zum Erliegen.

Allein feststehen

Am 5. Juni 1977 kam durch einen Staatsstreich eine neue Regierung an die Macht; das führte zu einer neuen Situation auf den einst friedlichen Inseln. Das neue Parlament sprach über Jehovas Zeugen und ihre neutrale Haltung gegenüber allen irdischen Regierungen. Ein Parlamentarier schlug vor, die Zeugen zu verbieten, doch andere setzten sich klugerweise für die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit ein.

Dennoch wurde das Missionarheim 1978 geschlossen, und die Missionare wurden nach Kenia zurückgesandt. Auch die Familie Ballard war weggezogen. Jetzt mußten die einheimischen Brüder auf eigenen Füßen stehen. Weil sie jedoch von der Gemeinschaft mit erfahrenen Brüdern profitiert und die Ältesten einige Königreichsdienstschulkurse besucht hatten, waren sie nun für das Königreichswerk besser ausgerüstet als früher. Trotz des weitverbreiteten Analphabetentums und der Vorliebe für Spiritismus fanden sie immer noch schafähnliche Menschen. 1982 gab es auf den Seschellen wieder 50 Verkündiger, und einige — wie Lise Gardner — begannen mit dem Pionierdienst. Schließlich wurde im Januar 1987 die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas auf den Seschellen gesetzlich eingetragen, aber Missionare durften immer noch nicht einreisen.

Auf den Inseln wird geerntet

Der erste Bezirkskongreß fand vom 16. bis 18. Januar 1987 statt. Bis dahin waren alle Zusammenkünfte einschließlich der Kreiskongresse im Königreichssaal abgehalten worden; dieser Kongreß war die erste Zusammenkunft an einem anderen Ort.

Aber wo? In einem wunderschön gelegenen Pavillon eines bekannten Touristenhotels. Das halboffene Gebäude mit seinem Strohdach stand zwischen Felsen, und von dort konnte man eine der schönsten Buchten Mahés überblicken. Die Delegierten freuten sich nicht nur über das Programm, sondern genossen auch das beruhigende Geräusch der Meereswellen und die frische Brise, die durchs Auditorium wehte.

Es war begeisternd, am ersten Tag 173 Personen zu sehen. Am Sonntag war der Pavillon mit 256 Anwesenden völlig überfüllt; und das bei nur 80 Verkündigern. Welch eine Aussicht auf künftige Mehrung auf den Inseln!

Auf dem Kongreß war unter den Täuflingen eine ehemalige Gegnerin. Was hatte ihre Einstellung geändert? Sie hatte die Gedächtnismahlfeier besucht und gesehen, wie Jehovas Zeugen wirklich sind. Doch sie mußte einige Änderungen in ihrem Leben vornehmen. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, unterhielt sie am Straßenrand einen kleinen Laden, in dem man unter anderem auch Tabak kaufen konnte. Sie wurde darauf hingewiesen, daß ihr Geschäft nicht mehr laufen würde, wenn sie keinen Tabak mehr verkaufte. Unerschrocken vertraute sie jedoch auf Jehova und nahm keinen Tabak mehr auf Lager. Und ihr Geschäft hat nicht darunter gelitten. Um mehr Zeit für das wichtige Königreichspredigtwerk zu finden, hängte sie in ihrem Laden die Geschäftszeiten aus und plante ihre Zeit so, daß sie dann predigen gehen konnte, wenn sie die meisten antraf.

Das Evangelisieren der Verkündiger bringt gute Ergebnisse. 1990 wurde auf Praslin ein Königreichssaal der Bestimmung übergeben. Auf der drittgrößten Insel, La Digue, werden einige Bibelstudien durchgeführt. Im September 1990 wurde die Aufsicht über die Seschellen dem Zweigbüro auf Mauritius übertragen, wo man eine dem Kreolisch ähnliche Sprache spricht.

Ruanda — Afrikas versteckte Schweiz

Kehren wir aufs Festland zurück. Nördlich von Burundi, zwischen Tansania, Uganda und Zaire, liegt das schöne, hügelige Ruanda, das am dichtesten bevölkerte Land Afrikas. Sowohl von Osten nach Westen als auch von Norden nach Süden ist es über 160 km lang; in den letzten 20 Jahren ist die Bevölkerung von drei Millionen auf mehr als sieben Millionen angewachsen. In Ruanda gibt es einige der besten Teesorten der Welt und viele Berggorillas. Es ist ein Land der Berge, der Seen und der mehr als 10 000 Hügel. Dort sollen die entlegensten Quellen des Nils sein.

Wie im benachbarten Burundi gibt es auch in Ruanda viel mehr Hutu als hochgewachsene Tussi. In der „Afrikanischen Schweiz“ leben die meisten in abgeschiedenen ländlichen Einzelsiedlungen, umgeben von Bananenhainen. (Siehe Erwachet! vom 8. Juni 1976.) Alle Bewohner sprechen Kinyaruanda, die gebildeteren auch Französisch.

Wie sollte die lebengebende Wahrheit aus Gottes Wort dieses versteckte bergige Land erreichen? 1969 teilte die leitende Körperschaft vier Gileadabsolventen nach Ruanda zu, doch ihre Einreiseanträge wurden abgelehnt, vielleicht wegen des immer noch starken Einflusses der katholischen Kirche.

Im folgenden Jahr ließen sich jedoch zwei Sonderpioniere aus Tansania, Oden und Enea Mwaisoba, in der Hauptstadt Kigali nieder und begannen, dort zu predigen. Weil sie kein Kinyaruanda sprachen, besuchten sie Suaheli sprechende, hauptsächlich aus Zaire und Tansania stammende Menschen. Im Februar 1971 berichteten vier Versammlungsverkündiger über ihren Predigtdienst. Ein Regierungswechsel führte zu mehr Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Religionen, aber das Sprachproblem hinderte den Fortschritt, weil bisher noch keine Publikationen in Kinyaruanda verfügbar waren.

Aus Zaire und Tansania kamen weitere Pioniere, um zu helfen. 1974 gab es 19 fleißige Verkündiger; 1975 konnten sie über tausend Bücher abgeben. In jenem Jahr ereigneten sich noch andere beachtenswerte Dinge: Ein Bruder aus dem Zweigbüro in Nairobi kam zu Besuch, sechs Personen wurden getauft, und sieben ruandische Brüder zogen aus einem Kurs der Königreichsdienstschule Nutzen. Tatsächlich war eine gute Grundlage für weitere Ausdehnung gelegt worden. Außerhalb von Kigali bildeten sich kleine Bibelstudiengruppen.

Ein Auswanderer kehrt zurück

In der Zwischenzeit hatte ein Ruander, Gaspard Rwakabubu, als er in den Kupferminen Kolwezis in Südzaire arbeitete, die Wahrheit kennengelernt. Er half, die Aufsicht über die Ortsversammlung zu führen, und machte dadurch in geistiger Hinsicht wertvolle Erfahrungen. Aber seine Gedanken und Gebete drehten sich oft um seine Heimat Ruanda, wo kaum einer etwas über die gute Botschaft erfuhr.

Was sollte er also tun? Gaspard sprach mit einem Unterweiser der Königreichsdienstschule, der Missionar war. Dieser fragte ihn daraufhin: „Was hältst du davon, den Pionierdienst aufzunehmen und nach Ruanda zurückzukehren?“

Er freute sich sehr über diese Möglichkeit, und weder eine Beförderung noch seine Verwandten konnten ihn aufhalten. Jehovas Hilfe war deutlich zu erkennen: Zum einen wurden die für die Beschaffung seiner Papiere nötigen Schreibarbeiten in einer Rekordzeit erledigt, zum anderen spendierte ihm sein Arbeitgeber, die Minengesellschaft, den Rückflug nach Ruanda. Im Juni 1975 kam er in Kigali an. Dieser Umzug bedeutete für Bruder Rwakabubu materielle Opfer; jetzt konnte er nicht mehr in einem großen Haus der Minengesellschaft wohnen, sondern mußte mit einer einfachen Unterkunft aus Lehmziegeln zufrieden sein.

Seine Begeisterung und seine Kenntnis der ruandischen Mentalität halfen, den theokratischen Fortschritt zu beschleunigen. Andere Ruander kamen zur Wahrheit, die denselben Elan wie Bruder Rwakabubu hatten. In Kigali besuchten immer mehr Menschen die Zusammenkünfte; die Verkündigerzahl stieg von 29 im Jahre 1975 auf 46 im Jahre 1976, und 1977 gab es schließlich 76 Verkündiger. Vierzig Personen waren beim ersten Kreiskongreß zugegen, der in Bruder Rwakabubus Wohnzimmer stattfand.

Die erste Publikation in Kinyaruanda kam 1976 heraus, und zwar die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“. 1977 versuchte man nochmals, Missionare nach Kigali zu senden. Zwei Ehepaaren wurde die Einreise mit begrenzten Visa erlaubt. Nachdem sie verzweifelt ein Missionarheim gesucht hatten, fanden sie ein geeignetes. Das Haus war geräumig, doch es hatte leider noch keinen Wasseranschluß, daher mußten sich die Missionare mit Regenwasser duschen. Bei jedem Platzregen rannten sie los und stellten alle vorhandenen Behälter nach draußen, um das Regenwasser aufzufangen. Einmal hatten sie mit viel Mühe die Badewanne voll bekommen, nur um später zu entdecken, daß der Stöpsel undicht und das ganze kostbare Wasser ausgelaufen war.

Eine neue Sprache lernen

Die Missionare wußten, daß sie das Herz der Einheimischen mit der guten Botschaft nur erreichen würden, wenn sie deren Sprache beherrschten; deswegen machten sie sich sofort daran, Kinyaruanda zu lernen. Sie kamen gut voran und beeindruckten selbst einige Beamte am Ort, die der Königreichsbotschaft günstig gesinnt waren. Doch bald machte sich der Einfluß der Eiferer für die falsche Religion bemerkbar; man stellte den Missionaren kein neues Visum mehr aus. Daher mußten sie nach nur drei Monaten das Land verlassen und nach Zaire gehen.

Auch ausländische Sonderpioniere mußten aus verschiedenen Gründen das Land verlassen. Aber die ruandischen Brüder füllten die Lücke, nahmen den Pionierdienst auf und dehnten die Predigttätigkeit auf alle Bezirke des Landes aus. Was war die Folge? Die Zeugen predigten die Königreichsbotschaft auf über hundert Märkten. Wie wunderbar war der Fortschritt nach einem solch späten Start!

Voller Eifer für die Wahrheit, wollten die ruandischen Zeugen die Freude erleben, mit ihren Brüdern aus anderen Orten Gemeinschaft zu pflegen. 1978 reisten daher 30 von ihnen über 1 200 km weit zum Bezirkskongreß „Göttlicher Sieg“ nach Nairobi. Aus verschiedenen Gründen war die Reise schwierig. Zum einen waren die Verkehrsmittel unzuverlässig; zum anderen wurden sie auf der Fahrt durch das politisch instabile Uganda Dutzende Male mit vorgehaltener Waffe an Straßensperren durchsucht, man nahm sie sogar fest und drohte ihnen mit Hinrichtung. Hinzu kamen häufige Pannen und Schwierigkeiten an den Grenzen. Im ganzen dauerte die Reise nach Nairobi vier Tage. Wie sehr freuten sich die Zeugen, als sie Tausende von Mitzeugen aus verschiedenen Ländern auf dem Kongreß in Nairobi friedlich vereint sahen!

Stürmische Jahre in Uganda

Im benachbarten Uganda waren Mitte der 70er Jahre keine Freudenrufe zu hören. Die Lage war unruhig; alle Missionare und ausländischen Brüder waren gezwungen worden, das Land zu verlassen; auch die Bevölkerung fürchtete täglich um ihr Leben. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und ein erneutes Verbot der Zeugen Jehovas im Jahre 1975 vergrößerten die Not der Brüder. Man bat um Aufhebung des Verbots, doch vergebens, obwohl die Regierung zuvor Religionsfreiheit zugesichert hatte.

Hatte man in jenen Jahren Schwierigkeiten mit dem Gesetz, kam man nicht vor Gericht, sondern wurde eher gefoltert und umgebracht. Das Land war kein Ort für Feiglinge. Es gehörte großer Mut dazu, ein Zeuge des wahren Gottes zu bleiben. Wegen der sich verschlechternden Wirtschaftslage sorgten sich die Menschen ständig mehr um materielle Dinge, und sie hatten immer noch den Hang zur Unmoral. Die Zeugen kämpften also an vielen Fronten: gegen Menschenfurcht, Materialismus, Unmoral und Spiritismus — das waren nur ein paar der Probleme, mit denen sie konfrontiert wurden. Deswegen nahm die Verkündigerzahl ab; 1976 gab es 166 Verkündiger, 1979 nur noch 137. Zum Teil kann das auch damit erklärt werden, daß viele Menschen aus dem Land flohen; von 4 Verkündigern ging, rechnerisch gesehen, mehr als einer weg. Aber eine beachtliche Zahl Personen, die tiefen Respekt vor Gott hatten und die Zeugen freundlich behandelten, blieb im Land.

Das waren für jeden kritische Jahre in Uganda, vor allem für die Zeugen, weil das Werk verboten war. Zum Glück wurde das Verbot nicht überall wirklich ernst genommen. An einigen Orten waren noch Sonderpioniere tätig, und das Werk dehnte sich sogar aus. Man sandte Sonderpioniere in die Städte im Norden des Landes, und bald konnten dort neue Versammlungen gegründet werden. In Soroti, einer Stadt im Nordosten, gestattete der Bezirkskommissar trotz des Verbots, eine der besten Schulen der Stadt für Versammlungszusammenkünfte zu benutzen.

In Kampala jedoch wurden zwei Brüder beim Predigen gefaßt und in das berüchtigste Gefängnis des Landes gesteckt. Freunde befürchteten, sie nie wiederzusehen, doch glücklicherweise ließ man sie nach einer Woche frei. In Lira kamen drei Zeugen für drei Monate ins Gefängnis, weil sie gepredigt hatten.

Das Verschwinden von Verwandten und Nachbarn, nächtliche Schießereien, leere Geschäfte, dreistellige Inflationsraten und das Fehlen von Verkehrsmitteln — all das wurde für die Einheimischen alltäglich. Hunderte von Leuten warteten an einer Bushaltestelle und stürmten dann in das Fahrzeug, das eigentlich nur Platz für acht Personen bot. Die von der Regierung festgesetzten Fahrpreise wurden völlig ignoriert. Normalerweise mußte man für die „Fahrkarte“ bei einem Halt auf einsamer Strecke zahlen, und jeder Fahrgast war gezwungen, so viel zu bezahlen, wie der Fahrer verlangte.

Die Literatur aus Nairobi und die Besuche der Brüder aus dem Zweigbüro waren wie Manna vom Himmel — geistige Speise zur rechten Zeit und eine erfrischende Quelle der Ermunterung für die ugandischen Zeugen. Einige konnten trotz aller Hindernisse Bezirkskongresse in Kenia besuchen. Auch fanden weiterhin kleine örtliche Kongresse statt; bei einer dieser Zusammenkünfte ließ sich eine Frau taufen, die gerade am vorhergehenden Tag entbunden hatte.

Von Jehova gestützt

Die Zeugen, die unter solch turbulenten Umständen Pionier blieben, waren bemerkenswerte Beispiele des Glaubens; z. B. Anna Nabulya, eine ältere Schwester aus Masaka. Der Besuch der Pionierdienstschule in Kenia war ein Höhepunkt in ihrem Leben. Sie kam in ihrem wallenden, typisch ugandischen Kleid mit großem Blumenmuster in die Klasse und war außer sich vor Freude wegen der reichlichen geistigen Speise und der dargebotenen nützlichen Informationen.

Schwester Nabulyas Verwandte bedrängten sie, bei ihnen in Kenia zu bleiben, um so wirtschaftlichen Härten, Gefahren und Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Doch sie blieb eisern; sie wollte in Uganda predigen, wo die Menschen die tröstende gute Botschaft brauchten. Sie sagte: „Trotz der Krankheiten, die das Alter mit sich bringt, möchte ich mein bißchen Kraft dafür einsetzen, meinen Landsleuten zu helfen, ein gutes Verhältnis zu Jehova zu haben.“ Sie kehrte also nach Uganda zurück und diente ihren Landsleuten und ihrem Gott treu bis zu ihrem Tod.

Ein anderes Beispiel des Glaubens ist ein Pionier, der in seiner abgeschiedenen Lage unerschrocken allen Militär- und Polizeibeamten predigte. Wenn ihm das Geld ausging und er kein Brennholz kaufen konnte, das er zum Kochen brauchte, verheizte er Stühle und andere Teile seines Mobiliars, bis das Geld und die dringend benötigte Sendung biblischer Literatur ankamen. Die Menschen in seinem Gebiet hungerten so sehr nach geistiger Nahrung, daß er an einem Tag ohne Schwierigkeiten 40 oder 50 Bücher abgeben konnte.

Immer noch wurden die Zeugen schikaniert, festgenommen und verhört, doch sie harrten aus. Jehova gewährte seinem Volk „die Zunge der Belehrten“, und sie gaben den Behörden mutig Zeugnis (Jes. 50:4).

Verwitwete Schwestern waren für viele Zeugen in Kampala eine Quelle der Ermunterung. Sie mußten nicht nur über den Tod ihres Mannes hinwegkommen, sondern auch über den Verlust ihres materiellen Besitzes. Doch stellten sie die Interessen Jehovas an die erste Stelle, arbeiteten angestrengt im Dienst und vermittelten ihren Kindern gottgefällige Maßstäbe. Auch ihren Nachbarn halfen sie, die Wahrheit kennenzulernen, und sie erlebten die Freude, daß einige Kinder dieser Leute später den Pionierdienst aufnahmen. (Siehe die Wachtturm-Ausgabe vom 15. Februar 1985, Seite 27—31.) Jehova segnete die eifrige Arbeit dieser Treuen, und die Zahl der Königreichsverkündiger nahm zu.

Das heiße und trockene Dschibuti

Gegenüber der Südwestspitze der arabischen Halbinsel, zwischen Äthiopien und Somalia, liegt das kleine Land Dschibuti, früher hieß es Französisch-Somaliland. Dort ist ein wichtiger Militärstützpunkt der französischen Kriegsmarine. Die Hauptstadt des Landes, ebenfalls Dschibuti genannt, wird in einigen Almanachen als die heißeste Stadt der Welt aufgeführt. Trotz des wüstenähnlichen Klimas hat das kleine Land auch seine Sehenswürdigkeiten, besonders vor der Küste, wo es prachtvolle Korallenriffe gibt, in denen es von Meerestieren nur so wimmelt.

In Dschibuti erreicht das Ostafrikanische Grabensystem, das sich vom Libanon aus durchs Rote Meer erstreckt, den afrikanischen Kontinent. Um den Assalsee und den Abbe-See herum sind wundersame Naturschauspiele zu sehen — Salz- und Gipsgebilde, Kalksteintürme, heiße Quellen und mehrfarbig schimmerndes Wasser.

Über die Hälfte der Bevölkerung ist vom Stamm der Afar, dessen Gebiet bis in die wüstenähnliche Landschaft Danakil in Äthiopien reicht. Der andere Stamm, die Issa, die zu den Somal gehören, lebt in der Hauptstadt, die dicht bei Somalia liegt. Die dort herrschende backofenähnliche Hitze macht die Menschen träge, und manchmal nehmen sie für nur 90 m Weg den Bus. Viele sind von Kath abhängig, einem weniger starken Rauschgift aus den Blättern von Bäumen, die im Hochland des Jemen, Äthiopiens und Kenias wachsen. Die Nachmittage werden gewöhnlich damit verbracht, Kath zu kauen; jede andere Tätigkeit fällt dann meistens flach. Die Mehrzahl der Menschen sind Muslime, die Französisch, Arabisch, Somali und Afar sprechen.

Die erste, die die gute Botschaft in Dschibuti predigte, war Claudine Vauban, eine französische Schwester, die mit einem Armeeangehörigen verheiratet war. In dem islamischen Land war es für eine weiße Frau gefährlich, allein irgendwohin zu gehen. Doch dadurch ließ sich Schwester Vauban nicht abhalten. Sie blieb im Predigtdienst eifrig und führte in den drei Jahren in Dschibuti zwei Bibelstudien durch. Etwa zwei Jahre später, Ende 1977, kehrte ein junger, aus Dschibuti stammender Mann aus Frankreich zurück, wo er die Wahrheit kennengelernt hatte. Mit der Zeit hatte er jedoch in geistiger Hinsicht Probleme, und später mußte ihm die Gemeinschaft entzogen werden.

Im Jahre 1978 zog eine Schwester nach Dschibuti, die aus ihrem Heimatland Äthiopien geflohen war. Später lernte sie Französisch; sie war lange Zeit völlig von anderen Zeugen getrennt, aber sie blieb treu. Brüder, die aus Frankreich und Äthiopien zu Besuch kamen, ermunterten sie in geistiger Hinsicht. Das geschah jedoch nur ab und zu, bis 1981 ein junger Dienstamtgehilfe, Jean Gabriel Masson, und seine Frau Sylvie aus Frankreich kamen, um dort zu dienen, wo größerer Bedarf bestand. Das war ein mutiger Schritt, wenn man an die Abgeschiedenheit des Gebiets, die hohen Lebenshaltungskosten und das ungünstige Klima denkt; außerdem waren sie recht jung in der Wahrheit.

Bald darauf trug ihr organisiertes Predigen Frucht. Mehrere äthiopische Flüchtlinge nahmen die Wahrheit an, bevor sie in andere Länder weiterzogen. 1982 gab es 6 eifrige Verkündiger, und 12 Personen wohnten dem Gedächtnismahl bei. Zwei Monate später wurden beim Besuch des Kreisaufsehers aus Frankreich drei Personen getauft.

Damals fanden die Zusammenkünfte im Hof von Bruder Massons bescheidenem Haus statt, manchmal unter recht ungewöhnlichen Bedingungen. Als ein Bruder aus Nairobi einmal einen biblischen Vortrag hielt, fingen Katzen an zu fauchen und zu kreischen und kämpften miteinander in den Kletterpflanzen, die ein Gitter über dem Hof umrankten. Der Lärm wurde ohrenbetäubend, und natürlich waren alle abgelenkt, bis die zwei kämpfenden Katzen schließlich vom Gitter fielen und direkt vor dem Redner landeten. Zu allem Überfluß fiel kurz darauf der Strom aus, so daß alle in totaler Finsternis saßen. Aber trotzdem ging die Zusammenkunft wie geplant zu Ende. Die Anwesendenzahl stieg auf 18. Es war schon ungewöhnlich, daß bei so wenig Besuchern die Zusammenkünfte in vier Sprachen abgehalten wurden: in Englisch, Französisch, Amharisch und Somali.

Ein Mönch bezieht Stellung

Für Bruder Masson war es schwer, eine Arbeit zu finden, doch dann konnte er als Lehrer anfangen. In der Schule lernte er Louis Pernot kennen, einen katholischen Mönch und Schulleiter, der schon fast 20 Jahre in Dschibuti lebte. Als Louis lebhaftes Interesse an der biblischen Wahrheit zeigte, lud Bruder Masson ihn zum Gedächtnismahl ein. „Das geht unmöglich“, sagte Louis. „Hier in Dschibuti kennt mich jeder, und jeder weiß, wer ich bin. Wie könnte ich da eine Zusammenkunft von Jehovas Zeugen besuchen?“

Doch Bruder Masson kam eine Idee. Er schlug Louis vor, während der Nachmittagsruhe, wenn ganz Dschibuti unter der glühenden Sonne dahindämmerte, in sein Haus zu kommen. Dann könne er im Schlafzimmer hinter einem Vorhang sitzen und auf den Beginn der Zusammenkunft warten. Keiner wisse, daß er da sei, und nach Ende der Zusammenkunft könne er sich sicher im Schutze der Dunkelheit nach Hause schleichen.

Genauso machte er es — seine erste Zusammenkunft verbrachte Louis hinter einem Vorhang, er saß im Schlafzimmer der Massons. Er verstand zwar nur wenig von dem biblischen Stoff, war aber von der Tiefe der biblischen Betrachtung beeindruckt.

Bruder Masson ermunterte ihn, sich eines seiner Bücher auszusuchen, um es zu Hause zu lesen. Da Louis Erzieher war, wählte er das Buch Mache deine Jugend zu einem Erfolg. Er hatte sich schon häufig gefragt, warum seine Kirche den Jugendlichen keine klar umrissene Hilfe für ihre Probleme in der heutigen Welt bietet. Er dachte sich, die wahre Religion sollte den Menschen rechte Anleitung geben, ohne in Verbindung mit Gottes Wort Kompromisse einzugehen. An jenem Abend fing er an, das Jugend-Buch zu lesen; und er konnte es nicht weglegen. Am nächsten Tag berichtete er Bruder Masson, er habe die Wahrheit gefunden. In derselben Woche trat er nicht nur aus dem Mönchsorden aus, sondern auch aus der katholischen Kirche.

Das erregte natürlich ziemliches Aufsehen, und kurz darauf sollten Bruder und Schwester Masson die kleine Republik verlassen. Für die Zeugen am Ort war dies ein harter Schlag, da schon 44 Personen das Gedächtnismahl besucht hatten. Bruder Masson wandte sich an die Regierung, die ihnen einen Monat Aufschub gewährte. Danach begaben sie sich auf die französische Insel Mayotte im Indischen Ozean.

Bis zu ihrer Abreise studierten die Massons täglich mit Louis die Bibel, der bald erkannte, daß er auf eigenen Füßen stehen mußte. Nachdem die Massons abgereist waren, konnte ein Pionier nach Dschibuti gehen, um Louis in geistiger Hinsicht zu helfen.

Aus den verschiedensten Gründen kamen und gingen Zeugen. Der neugetaufte Louis mußte feststehen, und das, obwohl er jahrelang nur wenig geistige Gemeinschaft mit Brüdern pflegen konnte. Immer wieder luden ihn die Behörden vor, befragten ihn und verwarnten ihn hinsichtlich seiner Predigttätigkeit. Aber er ließ sich nicht beirren; er diente sogar als Hilfspionier. Doch schließlich verlor er wegen seines Glaubens seinen Arbeitsplatz. Louis ließ die Dinge in der Hand Jehovas und kämpfte weiter, bis er seinen Lebensunterhalt mit etwas anderem bestreiten konnte.

Heute predigt die kleine Verkündigergruppe in Dschibuti der Bevölkerung weiterhin die biblische Wahrheit. Kürzlich sind Zeugen aus anderen Ländern nach Dschibuti gezogen und haben für Aufschwung gesorgt.

Erneute Bemühungen in Somalia

Die Missionare Vito und Fern Fraese hatten Somalia 1963 verlassen, um in ein neues Gebiet zu gehen, und seitdem war dort kein gründliches Königreichszeugnis mehr gegeben worden. Schließlich machte ein Bruder aus Europa, der in Somalia geboren war, in dem Küstenland Ende 1980 Urlaub. In dieser Zeit fand er Menschen, die sich für die gute Botschaft interessierten. Diesen schafähnlichen Personen wurde weiterhin von verschiedenen Zeugen geholfen, die das Land ab und zu besuchten.

Später kam ein italienischer Bruder aufgrund eines Bauvertrages in die Hafen- und Hauptstadt Mogadischu zum Arbeiten. Was ihm an Erfahrung fehlte, machte er durch seine Begeisterung wett. Er schlug alle Warnungen in den Wind und sprach mit jedem, den er traf, über die gute Botschaft, auch mit Muslimen. Ein Muslim mittleren Alters hörte ihm aufmerksam zu und erkannte das Licht der Wahrheit. Weil dieser Mann weit herumgekommen war, war er aufgeschlossen und willigte in ein Bibelstudium ein. Dann lief der Arbeitsvertrag des italienischen Bruders aus, und er mußte das Land verlassen. Es zog jedoch eine andere italienische Familie nach Somalia, die dem interessierten Mann weiterhin Hilfe bot.

Dann kehrte eine Frau mit ihrem Mann nach Somalia zurück, die sich schon vorher, als sie in Europa lebte, für die Wahrheit interessiert hatte. Sie machte die Zeugen ausfindig, und so entstand eine kleine Gruppe. Zusammenkünfte fanden statt, und sogar der Kreisaufseher kam einige Male zu Besuch. 1987 ließ sich die Frau taufen. Sie war überglücklich, denn es hatte viele Jahre gedauert, bis sie soweit war. Da sie häufig von einem Land ins andere Land reiste und stets neue Sprachen lernen mußte, war es kein Wunder, daß sie in geistiger Hinsicht nur langsam Fortschritte machte, jetzt aber hielt sie nichts mehr zurück. Schon nach kurzer Zeit führte sie mit anderen Bibelstudien durch und war begeistert, als ein Ehepaar gemeinsam mit ihr Gott lobpreiste. Diese Frau wurde die erste einheimische Zeugin.

Leider verschlechterte sich die Wirtschaftslage und die Sicherheit des Landes in solch einem Ausmaß, daß viele Ausländer und sogar Einheimische das Land verließen. Ende 1990 gab es dort keinen Verkündiger mehr. Das scheint göttliche Fügung gewesen zu sein, denn seit 1991 stellt ein Bürgerkrieg das Land auf den Kopf, und in Mogadischu werden Menschen wahllos umgebracht.

Somalia war nicht das einzige Land, das durch eine Revolution erschüttert wurde. Fast zwei Jahrzehnte früher fegte ein Bürgerkrieg durch Äthiopien.

Revolution in Äthiopien

Im Jahre 1974 brach das historische Kaiserreich in Äthiopien zusammen. Darauf aus, eine neue Ideologie zu fördern, beschnitt das Militär die Macht des alternden Kaisers und führte durchgreifende Reformen ein. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürten junge Revolutionäre, welche Macht von tödlichen Waffen ausging. Ausgangssperren wurden verhängt, Slogans wie „Äthiopien vor!“ ertönten, und Reaktionäre wurden nicht geduldet.

Zur gleichen Zeit sah es für Jehovas Volk in Äthiopien äußerst vielversprechend aus. 1974 gab es eine Verkündigerhöchstzahl von 1 844, und das Wahrheits-Buch war in Amharisch übersetzt worden. Beim Gedächtnismahl waren 3 136 Personen zugegen. Zum ersten Mal wurde mit Hilfe neu ernannter Sonderpioniere in allen Provinzen Äthiopiens Zeugnis gegeben. Doch es war eine unbeständige Zeit. Einige Versammlungen konnten sich offen treffen, manche Sonderpioniere dagegen wurden eingesperrt.

In der Nordprovinz Eritrea ging der Guerillakrieg weiter. Die Versammlung in der Stadt Keren war von der Außenwelt abgeschnitten. Es gab kein Wasser, keine Nahrung und keinen Strom. Weil von der Abend- bis zur Morgendämmerung eine Ausgangssperre bestand, fragte man sich, wie das Gedächtnismahl — das nicht vor Sonnenuntergang beginnen darf — gefeiert werden sollte. Die Feier wurde ein recht ungewöhnliches Ereignis, denn alle Zeugen mußten früh, vor Sonnenuntergang, kommen und die ganze Nacht bis zur Morgendämmerung am Zusammenkunftsort verbringen. Das war eine schöne Zeit der geistigen Gemeinschaft.

Für die Zeugen entwickelten sich noch andere Dinge positiv. 1975 fand nach neun Jahren wieder ein Kurs der Königreichsdienstschule für die äthiopischen Ältesten statt. Weit über 2 000 Anwesende verfolgten das Kreiskongreßprogramm. Die Brüder erhielten die Erlaubnis, Literatur einzuführen. Eine Sendung von sieben Tonnen, darunter 40 000 Bücher aus Übersee, kam in Addis Abeba an. Im nächsten Jahr, 1976, war in Asmara eine Zeitlang nicht viel vom Guerillakrieg zu spüren, alles blieb ungewöhnlich ruhig; daher konnte die Königreichsdienstschule abgehalten werden. Die Zeugen am Ort berichteten, daß kurz nach Ende der Schule die Schießereien und Raketenexplosionen wieder anfingen.

Roter Terror

Die Zeugen hatten jedoch Schlimmes zu erwarten. Anfang 1976 gaben die Behörden ein offizielles Rundschreiben gegen Jehovas Zeugen heraus. Etwa Mitte des Jahres brach die Rote-Terror-Kampagne gegen die Feinde der Revolution los. Auch die Anbeter Jehovas wurden zur Zielscheibe. Man beschuldigte sie fälschlicherweise, Feinde zu sein; einige wurden verhaftet.

Wie die äthiopische Kirche sich doch darüber hämisch gefreut haben muß! Sie nutzte die Situation aus, um ihre eigenen Angriffe gegen die Zeugen zu starten. Südlich der Hauptstadt, in der kleinen Stadt Mojo, trommelten Geistliche über 600 Leute zusammen, die einen Mob bildeten, um die Zeugen anzugreifen und zu töten; die Polizei hielt sie aber davon ab, ernsten Schaden anzurichten. In Baher Dar, wo der Blaue Nil entspringt, geschah fast das gleiche.

Im ganzen Land durchsuchte man die Häuser mit beispielloser Gründlichkeit. Sogar Gärten wurden umgegraben und Bodenplatten hochgehoben, um nach biblischer Literatur, Schreibmaschinen oder dazugehörigem Material zu suchen.

In Asmara sprach die Polizei einen Sonderpionier an, der aus dem vom Guerillakrieg heimgesuchten Landstrich kam. Sie durchsuchten ihn und fanden seinen Predigtdienstberichtszettel. Auf dem Zettel standen mehrere handgeschriebene Abkürzungen, die sie mißtrauisch machten. Sie zwangen ihn, sie zum Stadtaufseher, Gebregziabher Woldetnsae, zu führen. In der Hoffnung, einen Guerillaführer schnappen zu können, ratterten mehrere mit bewaffneten Soldaten besetzte Lastwagen schnell zum Arbeitsplatz von Bruder Gebregziabher *. Die Soldaten umstellten sein Büro und stürmten mit vorgehaltenen Gewehren hinein. Sie ließen Bruder Gebregziabher ausrufen, packten ihn und führten ihn ab. Seine Arbeitskollegen glaubten fest, ihn nie wiederzusehen.

Im Hauptquartier der Armee verhörten die Soldaten Bruder Gebregziabher. Er beantwortete alle Fragen freimütig, gab über unser Predigtwerk Auskunft und erklärte die geheimnisvollen Abkürzungen „Ztschr.“, „Rb.“, „Hb.“ usw. Auch das, was der Sonderpionier in seinem Predigtdienst in jenem Monat erreicht hatte, stand auf dem Zettel, z. B. die Zahl der abgegebenen Zeitschriften, der Rückbesuche und Bibelstudien — alles harmlose Notizen. Sie bestürmten ihn mit Fragen: „Was? Sie sagen, daß sich das nicht auf Waffen und Munition bezieht? Und das sollen wir Ihnen glauben? Wozu dieser Kode?“

Bruder Gebregziabhers Aufrichtigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit beeindruckte sie zwar, doch blieben ihnen Zweifel. Schließlich fragte der höhere Offizier: „Wie können wir sicher sein, daß Sie wirklich ein Zeuge Jehovas sind?“ Der Bruder durchsuchte seine Sachen, konnte aber nichts Geeignetes finden, um sich auszuweisen. Doch siehe da, versteckt zwischen seinen anderen Dingen befand sich eine Karte mit folgenden Worten: „Keine Bluttransfusion“. Der höhere Offizier sah sie und sagte: „Gut, das genügt. Sie können gehen.“ Als unser Bruder ins Büro zurückkehrte, dachten seine Arbeitskollegen, er wäre auferweckt worden.

Ein unerwarteter Platzwechsel

In Asmara waren Brüder in einem Haus versammelt. Eine Gruppe junger Leute hatte den Ort ausspioniert und sofort die Polizei über das Treffen unterrichtet. Sie erklärten, daß dort zwei Villen stünden und vor einer würde ein kleines Mädchen spielen; in dieser Villa seien die Zeugen versammelt.

Die Polizei machte sich also auf, um die Zeugen zu suchen. Doch inzwischen hatte das Mädchen den Platz gewechselt, jetzt spielte es vor der anderen Villa. Die Polizei stürmte ins Haus, wo jedoch nur eine kleine Familie beieinander saß. Den Polizisten war das natürlich peinlich, sie kehrten auf die Wache zurück und ärgerten sich über die Jugendlichen, weil sie glaubten, von ihnen getäuscht worden zu sein.

Das politische und soziale Klima war für die Zeugen ungünstig. Die Menschen wurden aufgefordert, politische Slogans zu wiederholen, an Wahlen teilzunehmen und Geld, Nahrung und Ausrüstung für den Krieg beizusteuern. Aber in dem ganzen Drunter und Drüber gelangte dank mutiger Brüder wertvolle biblische Literatur aus dem Ausland unbemerkt nach Äthiopien.

Aufopferungsvolle Hirten

In Eritrea hatten die Guerillas mehrere Versammlungen von der Außenwelt abgeschnitten. Doch gab es liebevolle Hirten, die die Brüder dort ermunterten. Ein Kreisaufseher unternahm eine 92 km lange Reise nach Keren. Er fuhr mit einer Lastwagenkolonne, die sich unter Begleitschutz fortbewegte. Man stelle sich vor, wie es ist, in einem Konvoi von 100 Lastwagen zu fahren, die von 5 Panzern und 30 mit Waffen versehenen Fahrzeugen geschützt werden.

Unterwegs brach ein heftiges Gefecht mit Guerillas aus, die die Kolonne umstellten. Die Angreifer wollten alle Güter erobern, wie sie das schon oft getan hatten. Nach einem 30minütigen schweren Kampf konnte die Kolonne die feindlichen Linien durchbrechen und entkommen. Dadurch war es dem Kreisaufseher möglich, die abgeschnittene Versammlung zu besuchen und die Brüder zu stärken.

Doch für seine Rückreise fand er weder eine Kolonne noch eine andere Transportmöglichkeit. Das einzige, was ihm übrigblieb, war, den ganzen Weg zurückzulaufen. Das war äußerst gefährlich. Für diese Strecke brauchte er drei Tage, und mitunter ging er die ganze Nacht hindurch.

In dieser unruhigen, beängstigenden Zeit verließen einige — teils sehr bekannte — Verkündiger die Gemeinschaft. Andere wurden untätig, und wieder andere flohen aus dem Land. Dadurch ging die Verkündigerzahl zurück.

Im Jahre 1979 saßen 80 Brüder wegen ihrer neutralen Haltung im Gefängnis. Im April jenes Jahres verunglückte der Stadtaufseher von Asmara, Bruder Gebregziabher Woldetnsae, tragischerweise tödlich, als er Brüder in dem belagerten Landstrich besuchen wollte. Trotz aller Unglücksbotschaften verspürten diejenigen, die loyal ausharrten, stets die liebevolle Fürsorge Jehovas.

Noch eine Läuterung und Glaubensprüfungen

Als die erste Phase der Revolution vorüber war und die politische Lage im Land sich zu beruhigen begann, fühlten sich die Bewohner wie in einem geistigen Vakuum. Sie sahen mit eigenen Augen, wie ihre Kirche Kompromisse einging und immer weniger von der Öffentlichkeit unterstützt wurde. Auch manche Zeugen wurden geistig schwach. Es war zwar schmerzlich, aber notwendig, daß 1981 23 Älteste und Dienstamtgehilfen ihre Dienstvorrechte verloren; sie hatten nur noch unregelmäßig gepredigt. Diese Maßnahme wirkte sich für die Versammlungen zum Guten aus, und glücklicherweise haben die meisten dieser Brüder ihre früheren Vorrechte in der Versammlung wiedererlangt.

Noch andere Belastungen folgten, wie z. B. Zeiten großer Lebensmittelknappheit. Zufolge jahrelanger Prüfungen haben die äthiopischen Brüder einen festen, geprüften Glauben (1. Pet. 1:6, 7).

Der Sudan — Wachstum unter Härten

Es hatte zwei Jahre gedauert, nämlich von August 1974 bis 1976, bis im Sudan eine neue Höchstzahl von 101 Verkündigern erreicht wurde. In dieser Zeit war die Lage öfters gespannt. Putschversuche waren an der Tagesordnung, und es herrschte eine Atmosphäre politischen Mißtrauens. Ab und zu wurden Verkündiger und Älteste von der Polizei verhört. Wegen der Wirtschaftsprobleme, steigender Preise und Warenknappheit waren viele nur noch um ihre materiellen Bedürfnisse besorgt. Daher war die Mehrung gering. Im April 1981 betrug die Höchstzahl nur 102 Verkündiger.

Im Süden wurden die regelmäßigen Besuche der Kreisaufseher in den Versammlungen durch zwei Dinge erschwert: Erstens konnte die Reise jederzeit durch den Guerillakrieg oder aus Benzinmangel unterbrochen werden, und zweitens war auch die Wahl des Transportmittels problematisch. Sollte man sich in einen völlig überfüllten Lastwagen hineinzwängen und sich den ganzen Tag auf unebener Straße durchschütteln lassen, oder sollte man den vollgestopften Zug nehmen, der im Schneckentempo gerade 10 km in der Stunde schaffte, in dem sich auf einen Sitz zwei Fahrgäste zwängten und auf dessen Waggondächern Schwarzfahrer hockten? Das Fliegen war auch kein Vergnügen. Es konnte bedeuten, sich eine ganze Woche auf Abruf bereithalten zu müssen, bis ein Flugzeug ankam, und dann nicht einmal eine Stunde vor dem Abflug benachrichtigt zu werden. Aber wie sehr die Versammlungen die Besuche der Kreisaufseher schätzten! Ihre Freude und ihre Gastfreundschaft waren einfach unbeschreiblich.

Im Jahre 1982 wurde der Pioniergeist entfacht. Das führte zu großen Segnungen. Innerhalb von fünf Jahren stieg die Zahl der Pioniere von 7 auf 86. In einem Monat standen 39 Prozent aller Verkündiger im Vollzeitdienst, und das, obwohl es der heißeste Monat des Jahres war, mit einer durchschnittlichen Mittagstemperatur von über 40 °C. 1987 waren mehr als 300 Verkündiger eifrig tätig, und fast 1 000 Personen besuchten das Gedächtnismahl. Die Versammlungsverkündiger setzten jeden Monat durchschnittlich 20 Stunden im Predigtdienst ein.

Viele junge Männer machten in geistiger Hinsicht schnell Fortschritte, und sie konnten bald zu Dienstamtgehilfen ernannt werden und nach einer gewissen Zeit auch zu Ältesten; dadurch wurden die Versammlungen weiterhin gestärkt. 1987 wurde schließlich im Gebiet auf der anderen Seite des Nils, in der historischen Stadt Omdurman, eine Versammlung gegründet. Das Gebiet der Versammlung umfaßte eine Million Menschen. Auch in der Stadt Port Sudan entstand eine Gruppe von Zeugen.

Den größten Zuwachs gibt es jedoch bei den Bewohnern des Südens, den großen, dunkelhäutigen, athletisch gebauten Menschen, die häufig im Gesicht oder am Körper Narbentatauierungen und Schmucktätowierungen haben. Einige Nordsudanesen und manche Personen ägyptischer Herkunft haben ebenfalls die Wahrheit angenommen, und mehrere Flüchtlinge haben die von Gott kommende Hoffnung für die Menschheit erkannt. Alle Gruppen sind im Dienst Jehovas eifrig beschäftigt und harren darin aus. Um Zeugnis geben zu können, legen sie immer noch zu Fuß lange Strecken bei sengender Sonne zurück. Die Brüder müssen im Organisieren von Zusammenkünften erfinderisch sein, weil das Werk bis jetzt noch nicht gesetzlich anerkannt ist.

Gottes Brot des Lebens schmecken

Im Jahre 1983 führten muslimische Fundamentalisten das islamische Recht, die Scharia, im Sudan ein. Feinde des Volkes Jehovas nutzten die religiös gespannte Situation, um gegen die Zeugen vorzugehen, die jetzt ihre Versammlungszusammenkünfte in kleineren Gruppen abhalten mußten.

Wie allgemein bekannt wurde, herrschte in den letzten Jahren in der Sahelzone eine entsetzliche Dürre, so auch im Sudan. Gerade zu der Zeit flammte der Bürgerkrieg wieder auf; schrecklicher Hunger und viel Leid waren die Folge. Aber es hatte auch einen interessanten Nebeneffekt: Viele junge Leute wanderten von den entlegensten Gebieten des Sudans in die Hauptstadt ab. Dort kosteten sie Gottes Brot des Lebens, das sie in ihrer vorherigen Abgeschiedenheit wahrscheinlich nicht gefunden hätten (Joh. 6:35). Dadurch wurde das Wachstum beschleunigt.

Physischer Hunger, aber in geistiger Hinsicht Überfluß

Im Jahre 1988 brachte ungewöhnliches Wetter Regengüsse noch nie dagewesenen Ausmaßes mit sich; in der Gegend von Khartum wurden Tausende obdachlos, und einige kamen ums Leben. Dutzende von Zeugen und ihre Kinder wurden von dem schweren Unglück betroffen. Ein Vater stand draußen in totaler Finsternis und hielt sein kleines Kind hoch, während es weiter goß und das Wasser ihm bis zu den Hüften stieg. Leitungsmasten knickten um, Lehmziegelhäuser stürzten ein, Latrinen versanken, und das verunreinigte Wasser verdeckte die zurückgebliebenen Löcher. Ganze Stadtteile waren zufolge überschwemmter Straßen abgeschnitten. Autos blieben im Schlamm stecken, und es war fast unmöglich, sie wieder herauszuziehen. Es dauerte viele Tage, bis die neuen „Seen“ austrockneten.

Die Ältesten machten sich große Sorgen und trotzten diesen Gefahren. Sie gingen sofort daran, mit der in Schwierigkeiten befindlichen Herde Verbindung aufzunehmen. Bald wurden Hilfsmaßnahmen eingeleitet. Die leitende Körperschaft traf zusätzliche Vorkehrungen. Erstaunlicherweise gingen die Brüder trotz alldem weiterhin fleißig in den Predigtdienst.

Noch etwas anderes machte dem Sudan schwer zu schaffen. Durch einen Staatsstreich kam eine neue Regierung an die Macht, die der islamischen Gemeinschaft wieder mehr Gewicht verlieh. Der anhaltende Bürgerkrieg sowie Dürren und Einfuhrbeschränkungen setzten der Wirtschaft hart zu. In den Großstädten geht immer noch der Hunger um und fordert seine Opfer.

Da viele vor dem Hunger und dem Krieg flohen, schwoll die Einwohnerzahl von Juba, der Hauptstadt des Südens, auf über eine viertel Million an. Guerillas verstärkten den Druck auf Juba. Daher war die Stadt lange Zeit von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Hilfslieferungen für unsere Brüder erreichten sie mehrmals gerade noch rechtzeitig, kurz bevor ihr Vorrat erschöpft war.

Dennoch ging die Schulung für die wachsende Zahl an Pionieren weiter, und auch für regelmäßige geistige Gemeinschaft wurde gesorgt. Es war stets geistige Speise vorhanden. Als sich die Wahrheit im Süden immer mehr ausbreitete, entstanden in einer Stadt nach der anderen neue Gruppen und Versammlungen. Inmitten dieser Bedrängnisse ereigneten sich 1990 einige überraschende Dinge. Als erstes wurden Jehovas Zeugen in einer der Südprovinzen gesetzlich anerkannt.

Zeugnis von einem Außenstehenden

Am 2. November gab ein muslimischer Lehrbeauftragter von internationalem Ruf einer großen Gruppe von Regierungsbeamten, die zu einem Seminar zusammengekommen waren, eine äußerst günstige Darstellung von Jehovas Zeugen. Er erklärte ihnen unsere Glaubenslehren, unsere Neutralität in politischen Angelegenheiten, unsere Bemühungen, in der Öffentlichkeit zu predigen, und was wir sonst noch für die Allgemeinheit tun. Außerdem wurde seine Rede am folgenden Sonntag im staatlichen Fernsehen übertragen; dadurch wurde Menschen jeder Art Zeugnis gegeben, und zwar in einem Umfang, den man sich nie hätte träumen lassen. Was resultierte daraus? Man hörte viele wohlwollende Bemerkungen, Mißverständnisse wurden aufgeklärt, und es entwickelte sich weiteres Interesse für die Wahrheit. Tatsächlich waren Regierungsbeamte ermuntert worden, den Geist der Selbstaufopferung, den sie bei Jehovas Zeugen feststellten, nachzuahmen.

Im Sudan suchen die Zeugen wirklich zuerst Gottes Königreich, und jeder Verkündiger setzt freudevoll monatlich fast 20 Stunden im Predigtdienst ein. Daher wird die Wahrheit über Gottes Königreich als einzig dauerhafte Lösung für die Probleme der Menschheit in einem nie dagewesenen Ausmaß im Sudan gepredigt; und das trotz der vielen Drangsale, wie z. B. der Geißel des Hungers.

Der Jemen — die Weihrauchstraße

Vor einigen Jahren hatte eine eifrige sudanesische Schwester die ungewöhnliche Gelegenheit, ihr Licht im abgelegenen Jemen leuchten zu lassen, der die südwestliche Ecke der arabischen Halbinsel bildet. In den Tagen des weisen Königs Salomo begann dort die Weihrauchstraße, die durch ein Gebiet führte, das wahrscheinlich zum Herrschaftsbereich der Königin von Scheba gehörte. Außer der sudanesischen Schwester waren noch einige ausländische Zeugen als Gastarbeiter im Jemen. Mit der Hilfe Jehovas trafen sie sich. Sie sprachen mit anderen unauffällig über ihren Glauben und trafen sogar Menschen an, die die Bibel studieren wollten.

In diesem hügeligen Land, wo jahrhundertealte Traditionen den Ton angeben, übt der Islam noch große Macht aus. Die meisten Frauen sind von Kopf bis Fuß verschleiert, und die Männer zeigen stolz Dolche in ihrer Schärpe. Es war traurig zu erfahren, daß ein afrikanischer Bruder, der mittleren Alters und bei guter Gesundheit war, eines Abends plötzlich starb. Bis heute weiß man nicht, warum. Doch das Predigtwerk geht voran.

Im Jahre 1986 waren 15 Personen beim Gedächtnismahl zugegen; seither sind einige davon außer Landes gegangen. Berichte über Zusammenkünfte und den Predigtdienst sind nur unzureichend, aber es finden weiterhin Versammlungen statt. Eine ausländische Schwester führt mehrere Bibelstudien durch, obwohl sie von den anderen Verkündigern getrennt ist. Daher wird in Erfüllung von Matthäus 24:14 sogar in diesem Land vereinzelt Zeugnis gegeben.

Gegenüber dem Jemen, auf der anderen Seite des Roten Meeres, befindet sich ein Land, in dem die Teilnahme am Zeugnisgeben Ende der 70er Jahre über Leben und Tod entscheiden konnte.

Bewahrer der Lauterkeit in Äthiopien

In Äthiopien wurde die Gegnerschaft von seiten des Staates immer heftiger. Die Behörden verurteilten zwei Zeugen zum Tod, die Brüder wurden jedoch nicht hingerichtet. Man wollte Zeugen dazu zwingen, ihrem Gewissen zuwiderzuhandeln. Um das zu erreichen, setzten ihnen ihre Verfolger sogar die Pistole an die Schläfe.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten zu einer fast wörtlichen Erfüllung der Prophezeiung aus der Offenbarung, wo es heißt, daß „niemand kaufen oder verkaufen könne, ausgenommen jemand, der das Kennzeichen hat, den Namen des wilden Tieres oder die Zahl seines Namens“ (Offb. 13:17). Bibeln wurden knapp. Der Staat kontrollierte zunehmend das Leben der Menschen. Man mußte ein Visum besitzen, um ins Landesinnere reisen zu können. Männer, Frauen und Kinder kamen in Parteiorganisationen.

Im März 1978 wurde Wubie Ayele zu Tode geprügelt, weil er an biblischen Grundsätzen festgehalten hatte. In den folgenden Monaten wurden Ayele Zelelew, ein Pionier und Ältester, und Hailu Yemiru, ein Verkündiger, umgebracht, und man ließ sie für alle sichtbar einen ganzen Tag auf einer Straße in Addis Abeba liegen.

Der Druck nahm zu. Die Zeugen wurden durch Rundfunksendungen und Zeitungen sowie von der Polizei angegriffen. Manchmal saßen über hundert Brüder im Gefängnis. Einige ließ man frei, darunter diejenigen, die zweieinhalb Jahre Gefängnis und Folter mitgemacht hatten. Einige waren im Gefängnis sogar Hilfspionier gewesen.

Dann wurde ein gemeines Komplott geschmiedet: Jehovas Zeugen sollten ausgerottet werden! Als einige Zeugen davon erfuhren, überfiel sie Menschenfurcht. Außerdem gab es wirtschaftliche Probleme; Fleisch und Getreide wurden genauso knapp wie Autoreifen, Benzin und andere wichtige Dinge.

Über hundert Zeugen blieben standhaft, sogar dann noch, als sie ihre Arbeit verloren; das war für Männer, die eine große Familie ernähren mußten, eine echte Glaubensprüfung. Es war zu Herzen gehend, zu sehen, wie die berufstätigen Zeugen den Bedürftigen beim Tragen ihrer wirtschaftlichen Last halfen; durch diesen Ausdruck der Liebe ahmten sie die ersten Christen nach (Apg. 4:32). Unter den furchtbaren Umständen erhielten die Zeugen dank Jehovas Führung die geistige Anleitung und Ermunterung, die sie so sehr benötigten.

Niemals entmutigt

Festnahmen und Prüfungen hielten sich wie ein eiterndes Geschwür. Ein Sonderpionier ist seit 1972 schon 15mal festgenommen worden. Man sperrte 14jährige Kinder ein, einige blieben über 4 Jahre im Gefängnis. Sie gingen keine Kompromisse ein! Später wurden viele aus der Bevölkerung zum Krieg eingezogen; jetzt waren die jungen Frauen an der Reihe. Viele Zeugen nutzten ihre Zeit im Gefängnis und dienten als Hilfspionier, damit auch andere Häftlinge die biblische Wahrheit kennenlernen konnten. Einer Schwester wurde erlaubt, das Gefängnis kurzzeitig zu verlassen, um ihr Kind zur Welt zu bringen, danach mußte sie wieder in ihre Zelle zurückkehren.

Ein mutiger Bruder war mit seinem Auto aufs Land unterwegs, als er plötzlich merkte, daß er vergessen hatte, sein Paket mit biblischer Literatur zu verstecken. Es lag leicht sichtbar unter dem Armaturenbrett. Er betete darum, ein geeignetes Versteck zu finden, aber anscheinend konnte er das sperrige Paket nirgends verbergen. Er mußte es dort liegen lassen, wo es war, und auf Jehova vertrauen. Man kann sich gut sein Erstaunen vorstellen, als an den neun Straßensperren nicht ein einziger Beamter Verdacht schöpfte, obwohl das Auto an einigen Sperren gründlich durchsucht wurde.

Im Dezember 1982 wurden sechs Zeugen wegen ihrer neutralen christlichen Haltung festgenommen. Auch sie waren tapfere Männer und halfen vielen Mitgefangenen, sich fest an die Königreichshoffnung zu klammern. Nach drei Jahren holte man sie aus dem Gefängnis, und keiner sah sie jemals wieder. Alle wurden hingerichtet.

In Dese, im Norden des Landes, verbrachte Demas Amde, ein Lehrer und Vater von fünf Kindern, fünf qualvolle Jahre im Gefängnis. Zuerst mußte er hart arbeiten; dann war er sechs Monate in Einzelhaft, die er gefesselt in einer gekrümmten Haltung verbringen mußte; daraufhin wurde er krank, erhielt aber keine medizinische Versorgung; als nächstes mußte er zwei Monate nackt umherlaufen und bekam Läuse; danach steckte man ihn in eine Zelle, in der andere Gefangene an Typhus dahinsiechten. Nachdem seine Gesundheit ruiniert und sein Körper von Krebs befallen war, ließ man ihn frei, damit er sterben konnte. Er starb am 4. Februar 1991. Bis zum Ende blieb er treu und hegte die feste Hoffnung auf eine Auferstehung. (Vergleiche Hebräer 11:37-40.)

Andere Zeugen kamen mit dem Leben davon. Ein Bruder, der gerade ins Landesinnere reiste, wurde als vermeintliches Mitglied einer Guerillabewegung verhaftet. Er konnte einfach nicht ruhig bleiben, und obwohl es gefährlich war, erklärte er unerschrocken, daß er ein Zeuge Jehovas sei. Doch niemand glaubte ihm, und er wurde mit anderen Gefangenen in eine Zelle gesteckt.

Wie verbrachte er die Nacht? Anstatt über sein hartes Los zu jammern, ergriff er die Gelegenheit, mit den anderen über die gute Botschaft zu sprechen. Morgens holte man seine Mitgefangenen überraschenderweise aus der Zelle, und sie wurden von den Beamten verhört. „Wer ist dieser Mann, den wir gestern abend zu euch in die Zelle gesteckt haben?“ fragten sie.

„Oh, Sie meinen den, der uns durch sein Predigen fast die ganze Nacht um den Schlaf gebracht hat?“ antworteten sie. Für die Beamten war es eindeutig, daß der Mann wirklich ein Zeuge Jehovas war. Seine öffentliche Glaubenserklärung öffnete die Gefängnistore; er wurde freigelassen.

Im Süden des Landes harrte ein interessierter Mann über vier Jahre treu im Gefängnis aus. Im ersten Jahr war er an den Beinen gefesselt; er verbrachte sechs Monate in Einzelhaft. Als man seine Sachen an seine Verwandten schickte, waren sie davon überzeugt, er sei hingerichtet worden. Er lebte von kleinen Lebensmittelrationen und war in einem sehr schlechten Gesundheitszustand, als er zum Tode verurteilt wurde. Die Strafe wurde jedoch von einer höheren Instanz aufgehoben.

Einmal brachte man Prostituierte in seine Zelle, um ihn in Versuchung zu führen. Nach drei Jahren Gefängnisaufenthalt wurde er dadurch ermuntert, daß er seinen Glauben mit einem anderen interessierten Mann teilen konnte, der auch inhaftiert war. Was seine Freilassung betraf, sah es hoffnungslos aus. Doch eines Tages wurde ihm völlig überraschend gesagt, daß er frei sei. Jetzt hatte er endlich die Gelegenheit, seine Hingabe an Jehova durch die Taufe zu symbolisieren.

Achtmal zum Tode verurteilt!

In Däbrä Zeit, einer Ortschaft im Zentrum von Äthiopien, wurde ein Pionier namens Worku Abebe wegen seiner neutralen Haltung verhaftet. Das Urteil lautete: Hinrichtung noch in derselben Nacht. Ehe jedoch das Urteil vollzogen wurde, verhaftete man in einem Nachbarort 20 weitere Brüder und Schwestern. Die Behörden glaubten, daß diese 20 Zeugen Jehovas Kompromisse schließen würden, wenn sie sähen, wie Bruder Worku hingerichtet würde. (Die Beamten nahmen an, er sei der „Anführer“.) Die Behörde des Nachbarortes wollte also, daß er ihr zur Hinrichtung ausgeliefert würde.

Bei der Übergabe hatte Bruder Worku Gelegenheit, vor 300 Personen seine Glaubensansichten zu erklären. Dabei nutzte er den dortigen Brauch aus, jemand beim Sprechen nicht zu unterbrechen. Er redete vier Stunden lang und erklärte die Geschichte der Zeugen Jehovas von Abel bis zur Gegenwart. Als er fertig war, sagte ein Beamter: „Dieser Mann sollte von den anderen getrennt gehalten werden. Sogar mich hat er fast überzeugt!“

Eines Abends brachten Gefängniswärter ihn und die anderen Zeugen Jehovas zur Hinrichtung an den Fluß. Sie zielten mit Gewehren auf die Brüder und fragten sie: „Wollt ihr eurem Glauben abschwören oder nicht?“ Die Zeugen antworteten entschieden, wie aus einem Munde, daß sie Jehova niemals verleugnen würden. Sie wurden nicht hingerichtet; statt dessen schlug man mehrere Stunden auf sie ein. Die Brüder erklärten: „Es war so schlimm, daß wir sie anflehten, uns lieber zu töten, aber sie hörten nicht auf.“

Danach wurde Bruder Worku zur Hinrichtung aufgestellt. Es fiel ein Schuß. Für einen Augenblick war er verwirrt. Er war nicht zu Boden gefallen, und er war auch nicht verletzt. Langsam wurde ihm bewußt, daß die Kugel ihn nicht getroffen hatte. Die Verfolger verloren keine Zeit. Sie schlugen erbarmungslos mit einem Gewehrkolben auf ihn ein. Bewußtlos brach er zusammen, und man brachte ihn in seine Zelle zurück.

Im Gefängnis wurden die Wärter angewiesen, dafür zu sorgen, daß alle Zeugen Jehovas in derselben Nacht ihre Standhaftigkeit aufgeben. Bald dröhnten mehrere Schüsse durch die Zellen. Man erklärte den Zeugen: „Habt ihr diese Schüsse gehört? Eure Brüder sind abgeknallt worden. Morgen könnt ihr ihre Leichen auf der Straße liegen sehen. Und wenn ihr nicht aufgebt, wird auch euch der Garaus gemacht.“

Die Antwort der Zeugen lautete: „Den Becher, den unsere Brüder getrunken haben, wollen wir trinken.“

In der Nacht fingen die Gefängniswärter an, Bruder Worku und die anderen Zeugen Jehovas mit Knüppeln zu schlagen. Ein besonders brutaler Wärter band Bruder Workus Arme so fest zusammen, daß das Fleisch seiner Finger aufgerissen wurde und sie zu bluten begannen. Bruder Worku verbarg seine schwerverletzten Finger vor den Brüdern, damit sie durch den Anblick nicht entmutigt würden. Als man dann von den Zeugen für eine kurze Weile abließ, beteten sie; danach schliefen sie ein. Aber gegen 1 Uhr morgens drangen wütende Verfolger in die Zelle ein und verprügelten sie unablässig, bis 4 Uhr. Danach beteten die Zeugen noch einmal; sie dankten Jehova für die Kraft, die er ihnen gegeben hatte, und baten ihn, sie weiterhin zu stützen.

Am Morgen kamen andere Schlägertypen in die Zelle. Sie fingen an, die Zeugen zu treten. Bruder Worku wurde nachmittags erneut von den anderen abgesondert, und nicht weniger als 20 Personen prügelten auf ihn ein und trampelten auf ihm herum. Aber er gab nicht auf. Wiederum wurde der Beschluß gefaßt, ihn zu töten. Um 22 Uhr kamen 20 weitere Gefängniswärter und schlugen ihn bis gegen 2 Uhr morgens. Einer der Peiniger packte sich wutschnaubend einen Zeugen von hinten und biß ihn so, daß davon eine Narbe zurückblieb. Vier Tage wurden die Zeugen Jehovas ohne Essen und Trinken in eine Dunkelzelle gesperrt, und sie wurden immer wieder geschlagen. Alle trugen Knochenbrüche davon, einige Rippen- oder Schädelbrüche. Ihre Körperkräfte ließen mehr und mehr nach.

Als ein hoher Beamter das Gefängnis besuchte, empfand er Mitleid mit ihnen, als er sah, in welch einem Zustand sie sich befanden, und er ordnete an, daß ihnen etwas zu essen gegeben werde. Ein Wärter — der brutale — kochte jedoch vor Wut, als er sah, daß die Zeugen Jehovas mit Essen und Trinken versorgt wurden. Er heckte einen Plan aus und beschuldigte sie des Fluchtversuchs. Man glaubte ihm, und wieder sollten alle hingerichtet werden. Die Brüder beteten inständig um Befreiung, besonders wegen der falschen, schändlichen Anschuldigungen. Ein noch höher gestellter Beamter verhinderte die Hinrichtung, aber die Brüder mußten die ganze Nacht Stockhiebe über sich ergehen lassen.

Nach einigen Tagen kam ein anderer Beamter, der bekanntgab, daß Bruder Worku hingerichtet und die übrigen Zeugen freigelassen würden. Überraschenderweise kamen aber nicht nur diese Brüder frei. Auch Bruder Worku teilte man wenige Tage später mit, daß er gehen könne.

Sogleich nutzte er die Gelegenheit und kam in einer Privatwohnung mit anderen Brüdern zusammen, um sie zu ermuntern. Er hatte aber nicht bemerkt, daß man ihm gefolgt war und ihn angezeigt hatte. Am folgenden Tag wurde er also aufs neue festgenommen und zum Tode verurteilt.

Ein weiterer Versuch wurde unternommen, um ihn zu Kompromissen zu bewegen. In einer freundlichen und netten Weise forderte man ihn auf, gewisse Slogans zu rufen. Bruder Worku weigerte sich; er wiederholte nur seine eigenen biblischen Wahlsprüche und trat so für den wahren Gott ein. Plötzlich wurden diese „freundlichen“ Leute zu garstigen Peinigern.

Nach mehreren Tagen wollten die Gefängniswärter noch einmal mit ihm reden. Das Gespräch dauerte vier Stunden. Man bot ihm eine wichtige Stellung in der Politik an. Er lehnte sie ab. Darauf sagten sie zu ihm: „Du wirst niedergeknallt und von Maden gefressen werden.“

Endlich interessierten sich einige gerecht denkende Beamte für Bruder Workus Fall und stimmten für seine Freilassung. Er betrachtete seine Martern als etwas, worüber er sich freuen konnte, denn er hatte nicht aufgegeben (Heb. 12:2). Vor diesen Prüfungen hatte er gewissenhaft ein regelmäßiges Familienstudium durchgeführt und das Gebet nicht vernachlässigt. Das war ihm zweifellos eine Hilfe auszuharren. Er berichtete von einem Pastor der Christenheit, der wie Nikodemus furchtsam war und das Verhalten der Zeugen Jehovas in Zeiten der Verfolgung dem Verhalten der Angehörigen seiner Glaubensgemeinschaft gegenüberstellte. Der Pastor sagte zu ihm: „Wir hatten Angst und gingen Kompromisse ein. Wir haben Gott enttäuscht, aber Sie sind standhaft für ihn eingetreten und haben selbst den Tod nicht gefürchtet. Alle Achtung!“ Bruder Worku war also insgesamt achtmal zum Tode verurteilt worden, aber Jehova hatte ihn am Leben erhalten.

Eine gründliche Lektion

In jenen Jahren feuriger Prüfungen erkannten Jehovas Zeugen in Äthiopien, daß sich die Worte des Apostels Paulus in ihrem Fall als wahr erwiesen hatten: ‘Sie wurden aus einem Zustand der Schwäche mit Kraft erfüllt’ (Heb. 11:34). Eine einfache Schwester — sie war Hausangestellte —, die gerade lesen lernte, wurde zusammen mit Zeugen, die eine gute Bildung hatten, eingesperrt. Während einige der gefangenen Zeugen um Freilassung beteten, bat sie Gott hauptsächlich um Kraft, damit sie treu bleiben könne. Eines Tages brachten die Verfolger eine Schüssel mit brodelndem Öl und drohten, die Finger aller Häftlinge hineinzutauchen. Einige Zeugen gaben aus Furcht dem Druck nach, aber die einfache Schwester blieb standhaft. Und ihre Finger kamen nicht zu Schaden. Danach wurde sie freigelassen.

Das war eine gründliche Lektion für solche, die auf gesellschaftliche Stellung und Bildung großen Wert legten. Sie erkannten jetzt, daß es in erster Linie darauf ankommt, treu zu bleiben.

Nicht im Stich gelassen

Es ist erfreulich zu sehen, daß diese Zeugen Jehovas, die so viel erduldeten, reifer und ausgeglichener geworden sind, sich jetzt mehr auf Jehova verlassen und eine größere Opferbereitschaft an den Tag legen. Wie auch in anderen Ländern wurden sie nicht im Stich gelassen. Die wahre Anbetung hat gesiegt.

Während dieser Zeit stellte sich so mancher auf ungewöhnliche Weise auf die Seite Jehovas. Ein Ältester sprach beispielsweise an seinem Arbeitsplatz mit einer Frau aus Osteuropa über die Wahrheit. Da sie großes Interesse zeigte, lieh er ihr eine bibelerklärende Publikation, die ihm lieb und teuer war. Zu seinem Entsetzen verließ sie das Land, ohne ihm die Schrift zurückzugeben. Nach mehreren Jahren erhielt er von derselben Frau einen Brief, über den er sich sehr freute. Sie erklärte darin, daß diese Publikation ihr Leben verändert habe und daß sie jetzt getauft und seine geistige Schwester sei.

Ein anderes Beispiel ist ein schüchternes Dienstmädchen, das zuhörte, als mit ihrem Arbeitgeber, einem Lehrer, in einem anderen Zimmer die Bibel studiert wurde. Sie wollte gern diese wunderbaren Wahrheiten in sich aufnehmen, obwohl sie meinte, daß sie ihrer nicht würdig sei. „Diese Bibelstunden kosten bestimmt eine Menge Geld“, dachte sie bei sich. Damit sie das Bibelstudium bezahlen könnte, gab sie ihre Stelle bei dem Lehrer auf und suchte sich eine Arbeit, wo sie mehr verdiente. Als sie glaubte, genug Geld für den Bibelkurs gespart zu haben, suchte sie unverzüglich den Zeugen Jehovas, der mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem Lehrer, studiert hatte, in seiner Wohnung auf. Ihre Überraschung war groß, als sie erfuhr, daß das Bibelstudium kostenlos durchgeführt werde. Sie kam darin gut voran. Später heiratete sie den Lehrer. Jetzt sind beide getaufte Diener Jehovas.

Junge Zeugen Jehovas waren in diesem Land besonderem Druck ausgesetzt. Wegen ihrer neutralen Haltung wurde ihnen vieles, was zu den grundlegenden, lebensnotwendigen Dingen gehört, verweigert, z. B. ein Krankenhausaufenthalt, Prüfungsarbeiten an Schulen oder eine Arbeitsstelle. Kamen sie sich deshalb verlassen vor? Keineswegs! In vollem Vertrauen darauf, daß ihre Drangsal nur vorübergehend ist, drängten sie in der Kraft, die ihnen Jehova verleiht, voran (Phil. 4:13).

Die wirkliche Lösung

Äthiopien wird von Problemen geplagt, von denen auch die übrige Welt heimgesucht wird. Die Zeugen glauben daran, daß sie die Lösung gefunden haben. Sie freuen sich, daß seit 1990 der Druck, der auf sie ausgeübt wurde, etwas nachgelassen hat, so daß sie auch anderen erzählen können, wie die bestehenden Probleme gelöst werden.

In Asmara, der Hauptstadt Eritreas, haben die Behörden beispielsweise verfügt, daß Jehovas Zeugen nicht mehr benachteiligt werden dürfen. Ein anderes Beispiel: Über 50 äthiopische Brüder erhielten die Genehmigung, nach Kenia zu reisen. Auf diese Weise konnten sie einen Bezirkskongreß in Nairobi (Kenia) besuchen. Hier zwei weitere Beispiele: In verschiedenen Gebieten können erneut Sonderpioniere eingesetzt werden, um die gute Botschaft zu predigen. Und einige Versammlungen haben wieder mit dem Haus-zu-Haus-Dienst begonnen und dabei ausgezeichnete Ergebnisse erzielt. Dennoch gibt es in Äthiopien noch viele Schwierigkeiten.

Nach der Eroberung der strategisch wichtigen Hafenstadt Massaua im Jahre 1990 weitete sich der Bürgerkrieg aus. Die ganze Stadt lag in Trümmern. Glücklicherweise wurde keiner der dort lebenden Zeugen Jehovas verletzt. In Asmara und in großen Landgebieten herrschte Hungersnot. Die leitende Körperschaft sorgte dafür, daß dieser vom Unglück schwer betroffene Teil der Erde vermehrt Hilfe erhielt. Zwei Sonderpioniere setzten ihr Leben aufs Spiel, als sie sich durch ein Kampfgebiet bis nach Mäkäle, der Hauptstadt der Provinz Tigre, tapfer durchschlugen, um den dortigen Zeugen Jehovas die nötige Ermunterung zuteil werden zu lassen. Im Mai 1991 stürzten die Guerillas das Militärregime und unterzeichneten danach eine Urkunde, in der mehr Freiheit versprochen wurde. Eritrea hatte nun eine separate Regierung und war zum großen Teil von der Außenwelt abgeschnitten. Während all dieser tumultuösen Ereignisse verhielten sich Jehovas Zeugen strikt neutral, denn sie wissen, daß eine dauerhafte Lösung der menschlichen Probleme nur durch Gottes Königreich herbeigeführt werden kann. Gegen Ende des Dienstjahres konnten in mehreren Städten Äthiopiens Tagessonderkongresse abgehalten werden. Es wurden Vorbereitungen getroffen für Kreiskongresse und einen Bezirkskongreß sowie für eine riesige Literatursendung und die gesetzliche Eintragung. Wie an vielen anderen Orten wechselt in Äthiopien „die Szene dieser Welt“ rasch, und die Brüder blicken dem Schlußeinsammlungswerk begeistert entgegen (1. Kor. 7:31).

Doch was hat sich seit Mitte der 70er Jahre sonst noch auf dem ostafrikanischen Festland ereignet? Wir werden sehen.

Prüfungen des Ausharrens in Tansania

Im Jahre 1976 wurden mehrere Zeugen Jehovas aus dem Gefängnis entlassen, weil sie unter die Amnestie fielen. Leider dachten einige Staatsbeamte immer noch, die Brüder stellten eine Gefahr dar. Wieso? Sie verwechselten die Anhänger der revolutionären Kitawala-Bewegung in Sumbawanga mit Jehovas Zeugen. Die Brüder wurden streng überwacht, und eine ganze Anzahl von Sonderpionieren war — wie der Apostel Paulus in Rom — in ‘Fesseln wie Übeltäter’ (2. Tim. 2:9).

Hinzu kamen noch andere Schwierigkeiten. Im Februar 1977 wurde die Grenze zwischen Tansania und Kenia geschlossen, und das blieb über sechs Jahre so. Eine Zeitlang war der Postdienst unterbrochen, und viel Post ging verloren. In einigen Gegenden herrschte Trockenheit. Der Ausbruch der Cholera hinderte Kreisaufseher an der Durchführung ihres Dienstes. Da sich Tansania im Jahre 1979 am Krieg in Uganda beteiligte, wurden weitere Schwierigkeiten heraufbeschworen. Die schlechte Wirtschaftslage brachte finanzielle Sorgen mit sich. Diese Probleme waren für die Ältesten eine schwere Last, so daß sie in einigen Versammlungen nicht in der Lage waren, ihren Hirtenpflichten auf eine Weise nachzukommen, wie es nötig gewesen wäre.

Aber es gibt auch Positives zu berichten. Der Südostteil des Landes wurde 1979 letztendlich für das Predigtwerk geöffnet, so daß nun vom Kilimandscharo im Norden bis zur mosambikanischen Grenze im Süden Zeugen tätig waren.

Die Richter fingen an, Urteile zugunsten der Zeugen Jehovas zu fällen. Ein Gefängniswärter aus Tukuyu wurde ein Zeuge Jehovas. Sein Interesse an der Wahrheit wurde durch das vorbildliche Benehmen der Brüder geweckt. Im Juli 1981 wurde die Verkündigerhöchstzahl des Jahres 1975 — sie betrug 1 609 — schließlich übertroffen, denn es berichteten 1 621 Verkündiger.

Beharrlichkeit wurde belohnt

Im Jahre 1979 und auch 1981 wandten sich die Brüder an die Behörden, um festzustellen, ob sie die gesetzliche Anerkennung des Werkes erlangen könnten. Doch es war vergebens. Mit einem Brief von der leitenden Körperschaft, der auf den 5. Mai 1983 datiert war, wurde erneut ein Versuch gemacht. Bruder Faustin Lugora und auch Bruder Elikana Green stellten später, im August 1984, aufs neue Anträge, die aber höflich abgelehnt wurden.

Die Zeugen Jehovas stellten beharrlich immer wieder Anträge. Auch nach einer Audienz beim Innenminister 1985 wurde dem Gesuch nach gesetzlicher Anerkennung nicht stattgegeben. Es schien hoffnungslos zu sein, aber es gab Anzeichen dafür, daß Nachforschungen über die Versammlungen angestellt wurden. Vielleicht wollten einige den Zeugen Jehovas wohlgesinnte Beamte mehr über diese Glaubensgemeinschaft in Erfahrung bringen.

Im Jahre 1986 setzten die Brüder ihre Bemühungen, gesetzlich anerkannt zu werden, fort. Man behandelte sie gerecht und freundlich. Schließlich machte sich ihre Beharrlichkeit bezahlt. Es wurden eine ganze Reihe von Untersuchungen angestellt, wodurch seit langem bestehende Mißverständnisse aufgeklärt werden konnten, und am 20. Februar 1987 händigten die Behörden Vertretern der Zeugen Jehovas das Dokument aus, das die gesetzliche Anerkennung der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas von Tansania bestätigte. Nach 22 Jahren Verbot war das bestimmt ein freudiger Anlaß!

Ein Paradies für Missionare

In ganz Tansania brach Jubel aus. Man organisierte Kreiskongresse. Unter den Taufanwärtern auf diesen Kongressen befanden sich einige, die so viel Predigtdienst verrichteten wie allgemeine Pioniere und neun oder mehr Bibelstudien durchführten. Ein Mann ließ sich sogar zusammen mit einer Person taufen, mit der er selbst studiert hatte.

Im Jahre 1987 wurde ein Antrag auf Einreise von Missionaren gestellt, dem auch stattgegeben wurde. Noch im selben Jahr trafen Gileadabsolventen in Daressalam ein, einer Stadt, die damals über 1,5 Millionen Einwohner hatte. Ein riesiges Gebiet für zwei Versammlungen mit knapp 200 Verkündigern!

Das Predigtdienstgebiet war ein Paradies für Missionare. Die Wohnungsinhaber baten sie herein und nahmen gern Literatur entgegen. In Mbeya, in dessen Umgebung etwa die Hälfte der Verkündiger des Landes wohnten, wurde ein Missionarheim eröffnet. Wenige Monate später kamen weitere Missionare, die in Arusha und in Dodoma eingesetzt wurden.

Was die organisatorischen Angelegenheiten betrifft, ist noch viel Schulung nötig, denn nur so wird die Grundlage dafür geschaffen, daß noch mehr aufrichtigen Tansaniern geholfen wird, den wahren Gott anzubeten. Die Aussichten auf weitere Mehrung sind gut. Außerdem mangelt es nicht an Eifer, wie der folgende Vergleich zeigt: 1982 gab es 160 Pioniere — 1991 dagegen 866; 1982 wendeten Jehovas Zeugen 374 831 Stunden für den Predigtdienst auf, im Vergleich zu den 1 300 085 Stunden im Jahre 1991; 1982 besuchten 5 499 Personen das Gedächtnismahl — 1991 waren es 10 441; 1982 gab es 41 Täuflinge — 1991 hingegen 458.

Im Jahre 1988 kamen wiederum rechtliche Fragen über Jehovas Zeugen auf, und deshalb wurden mehrere Anträge auf Einreise von Missionaren bis jetzt noch nicht bearbeitet. Aber zum erstenmal wurde dem Antrag stattgegeben, daß Älteste der Zeugen Jehovas Eheschließungen vornehmen dürfen.

Eine Reihe von Überschwemmungen und Dürreperioden machten Hilfsaktionen für Gebiete erforderlich, die weit im Süden und in der Nähe des Victoriasees liegen. Diese Aktionen sind 1991 fortgesetzt worden. Aber trotz der Schwierigkeiten und der ungewissen Lage sammelt Jehovas Volk weiterhin schafähnliche Menschen ein, während es die Dringlichkeit erkennt.

Kenia in geistiger Hinsicht gereinigt

In den folgenden Jahren wurden die Versammlungen in geistiger Hinsicht gereinigt. Diejenigen, die nur mit der Wahrheit verbunden waren, weil sie dachten, 1975 käme das Ende des bösen Systems der Dinge, wandten sich von der Wahrheit ab, als sich in jenem Jahr ihre Erwartungen nicht erfüllten. Eine damalige Untersuchung ergab, daß 77 neu hinzukamen, aber 49 andere untätig wurden. Wer die Zusammenkünfte versäumt und das persönliche Studium vernachlässigt hatte, tappte in Satans Fallen der Unsittlichkeit, der Trunkenheit, der Habgier und des Materialismus. Leider mußte in gewissen Jahren über 3 Prozent der Verkündiger die Gemeinschaft entzogen werden.

Man darf natürlich nicht außer acht lassen, daß viele Versammlungen nur aus wenigen Verkündigern bestanden und nicht richtig geführt wurden. Ja, im Jahre 1978 hatten von den 90 Versammlungen, die es in Kenia gab, 49 weniger als 10 Verkündiger, und nur 12 Versammlungen zählten mehr als 40 Verkündiger. Die Arbeit in Verbindung mit der Theokratie lastete gewöhnlich auf den Schultern von einem oder zwei Brüdern. Naturkatastrophen machten die Bürde, die die Ältesten zu tragen hatten, noch schwerer. Im Gebiet östlich von Nairobi herrschte eine solche Trockenheit, daß Hilfsaktionen organisiert werden mußten.

Aber nicht alles war negativ. Über vieles konnte man sich auch freuen. Im Jahre 1977 wohnten 5 584 Personen dem Gedächtnismahl bei. Die Nachfrage nach Literatur war groß. Der Besuch Lloyd Barrys von der leitenden Körperschaft fachte den Eifer für das Königreich an. Und die Zweigkomitee-Einrichtung, die 1976 eingeführt wurde, gab dem Werk neuen Aufschwung.

Ein größeres Bethel

Im Februar 1979 wurde eine neue Verkündigerhöchstzahl erreicht: 2 005. Wegen dieser hohen Zahl an Verkündigern mußte die Bethelfamilie vergrößert werden, was dazu führte, daß das Zweiggebäude zu klein wurde. Deshalb bat das Zweigkomitee die leitende Körperschaft um die Genehmigung für einen Anbau mit vier Zimmern. Zur Überraschung des Zweigkomitees kam die Antwort in einem großen Briefumschlag, der die Baupläne für ein ganz neues zusätzliches Gebäude mit 16 Wohnräumen enthielt.

Mit dem Aushub für das neue Zweiggebäude wurde im Dezember 1978 begonnen, und im Juni 1979 war ein Teil des schönen neuen Hauses schon in Gebrauch. Im Januar 1980 kam Don Adams vom Hauptbüro, um die Ansprache für die Bestimmungsübergabe zu halten. Er sprach im Nairobi-City-Stadion vor 2 205 Zuhörern. Danach besichtigten etwa 1 000 Personen bei Nieselregen das neue Gebäude, und viele erhielten zum erstenmal einen Eindruck von den Arbeiten in ihrem Zweigbüro. Das Jahr wurde mit kleineren Kongressen — auch einem englischsprachigen Kongreß in Nakuru, dem Brüder aus dem vom Krieg geplagten Uganda beiwohnten — zum Abschluß gebracht.

Das folgende Jahr brachte wieder etwas Neues. Im Zweigbüro von Kenia traf eine moderne Druckausrüstung ein. Jetzt konnten Formulare, Programmhefte, Briefköpfe, der Königreichsdienst und sogar die Zeitschriften direkt dort gedruckt werden. Vorbei war es mit dem langen Warten auf die Lieferungen von Übersee! Während 1980 etwa 120 000 Druckerzeugnisse hergestellt wurden, war die Produktion zwei Jahre später auf 935 000 Exemplare angestiegen, und 1990 waren es über 2 000 000.

Im Jahre 1983 überschritt Nairobi die Marke von 1 000 Verkündigern, und in ganz Kenia beteiligten sich 3 005 Personen am Verkündigungswerk. Im April standen 28 Prozent aller Verkündiger im Vollzeitdienst. Außerdem waren weitere Missionare eingetroffen, die Beistand leisteten.

Literatur hilft bei der schnellen Ausbreitung des Wortes

Die Literatur der Gesellschaft ist in Kenia weit verbreitet. In einigen Schulen wird im Religionsunterricht Mein Buch mit biblischen Geschichten verwendet. Die Zeitschriften sahen ansprechender aus, was dazu beitrug, daß die Zeitschriftenabgabe in den beiden Jahren 1984/85 um weit über 50 Prozent stieg. Manchmal gaben die Verkündiger durchschnittlich mehr als 10 Zeitschriften im Monat ab. Auf einige Ausgaben reagierten die Leute sofort. Zum Beispiel sprach ein Mann einen Verkündiger an, der gerade Straßendienst verrichtete. Der Mann zeigte auf die Zeitschrift mit dem Hauptartikel „Wird immer geraucht werden?“ und sagte: „Ich bin ein Exraucher.“ Was hatte ihn veranlaßt, das Rauchen aufzugeben? Es war dieser Artikel, den er einige Tage zuvor gelesen hatte.

Im Jahre 1982 erschien die Broschüre Für immer auf der Erde leben!, die besonders dem afrikanischen Gebiet angepaßt ist. Sogar Leute mit einer guten Schulbildung wollten sie haben; manche von ihnen zogen die Broschüre den Verkündigern buchstäblich aus der Tasche. Das erlebte ein Zeuge Jehovas, in dessen Predigtdiensttasche sich nur noch ein einziges dieser kostbaren Exemplare befand. Er hatte beabsichtigt, es für jemanden zurückzubehalten, mit dem er ein Bibelstudium vereinbart hatte. Ein Reisender sah die Broschüre und wollte sie haben. Nein, er wollte keine andere Publikation. Der Zeuge Jehovas erklärte, daß er die Broschüre für jemand aufgehoben habe, der zu einem regelmäßigen Bibelstudium bereit sei. „Kein Problem“, sagte der entschlossene Reisende. „Ich bin einverstanden.“ Das Ergebnis? Der Verkündiger hatte ein neues Bibelstudium.

Die Broschüre legt klar und deutlich Zeugnis ab von Jehova und seinem Vorsatz, der Königreichsregierung und den gerechten Maßstäben der Bibel. Weil dieses hervorragende Instrument so wirksam ist, wurde es in 35 Sprachen übersetzt, die im ostafrikanischen Gebiet gesprochen werden: in 14 Sprachen Kenias und 21 Sprachen der benachbarten Länder. In einigen Sprachen ist außer der Bibel nur diese Broschüre erhältlich. Ja, ein Missionar der Christenheit äußerte sich zu der Broschüre, die in der Sprache der Massai erschienen ist, folgendermaßen: „Etwas Besseres konnte den Massai nicht passieren.“

Pioniergeist

Noch etwas anderes veränderte das Feld in Kenia: Der Pioniergeist prägte sich unter den Zeugen Jehovas immer mehr aus. Früher hatte man Pioniere als Exzentriker oder Versager betrachtet. Immer deutlicher stellte sich heraus, daß Jehova sie mit freudigen Erfahrungen und Königreichsfrüchten reich segnete. Manche nahmen sogar den Pionierdienst auf, obwohl sie behindert waren, z. B. blind oder beinamputiert. Es war nichts Ungewöhnliches, daß Väter oder Mütter, die für acht oder mehr Kinder zu sorgen hatten, zu den Pionieren gehörten.

Im April 1985 führten 37 Prozent aller Verkündiger den Pionierdienst durch. Mit der Hilfe dieser vielen Pioniere wurden in jenem Jahr über eine Million Stunden im Predigtdienst verbracht.

Eifrige Ruander holen versäumte Zeit nach

In Ruanda kam das Werk ebenfalls in Gang. Die biblische Wahrheit hatte das Land relativ spät erreicht, und viele hungerten nach der lebengebenden Botschaft. Als im Februar 1980 das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Kinyaruanda veröffentlicht wurde, erhielten die Verkündiger neuen Auftrieb; die Höchstzahl war 165. Im selben Jahr wurde in Kigali ein geräumiger, aber einfacher Königreichssaal gebaut; bald besuchten indes über 200 Personen die Zusammenkünfte, so daß auch der Hof genutzt werden mußte.

Die Liebe, die die Ruander der Wahrheit entgegenbrachten, war den Feinden der guten Botschaft ein Dorn im Auge. Jehovas Zeugen standen nicht auf der Liste der anerkannten Religionsgemeinschaften des Landes vom Oktober 1979. Die Zeugen bemühten sich um die gesetzliche Anerkennung. Im März 1980 kam Ernest Heuse, der aus Belgien stammte und in Zaire tätig gewesen war, nach Kigali, um bei den Behörden vorzusprechen. Obwohl er viele Dokumente vorlegen konnte, wurden Jehovas Zeugen nicht gesetzlich anerkannt.

Das Königreichspredigtwerk machte jedoch Fortschritte. Im Jahre 1982 wohnten 750 Personen dem Bezirkskongreß bei, und 22 wurden getauft. Im März desselben Jahres gaben 302 Verkündiger einen Predigtdienstbericht ab. Auf vier Kreiskongressen wurden insgesamt über 1 200 Besucher gezählt sowie 40 Täuflinge. Die verantwortlichen Brüder der kleinen Versammlungen erhielten in der Königreichsdienstschule die nötige Schulung. Der Eifer ließ nicht nach; die Verkündiger berichteten monatlich im Durchschnitt mehr als 10 Stunden Predigtdienst. Zwei Sonderpionierinnen erschlossen ein neues Gebiet, und innerhalb von drei Monaten führten sie 20 Bibelstudien durch; alle diese Personen, mit denen studiert wurde, wohnten den Zusammenkünften bei. Ruanda war von der Botschaft durchdrungen!

Immer mehr Menschen stellten hinsichtlich der biblischen Wahrheit Fragen. Zum großen Teil war das die Folge von den Lesungen aus Erwachet!, die regelmäßig im Radio zu hören waren. Ätherwellen strahlten die biblische Wahrheit, die die falschen Lehren der verschiedenen Religionsorganisationen bloßstellte, ins ganze Land aus. Kein Wunder, daß Jehovas Zeugen bald von religiösen Zeitungen, die in Ruanda einen großen Einfluß haben, angegriffen wurden! Wie gewöhnlich, fühlten sich dadurch noch mehr Menschen zur Wahrheit hingezogen. Ungefähr zur gleichen Zeit suchte man aber auch die Zeugen Jehovas an ihrer Tätigkeit zu hindern. Sie wurden Verhören unterzogen, und man auferlegte ihnen Geldstrafen wegen der Zugehörigkeit zu einer illegalen Gesellschaft.

‘Unheil durch Verordnung’

Im November 1982 wurden die drei Sonderpioniere, die zuvor einen Antrag auf gesetzliche Anerkennung unterzeichnet hatten, nach Kigali beordert. Bei ihrer Ankunft dort nahm man sie fest und sperrte sie ohne Gerichtsverfahren und Regreßanspruch ein. Der Königreichssaal wurde geschlossen, und das Predigtwerk mußte im Untergrund fortgesetzt werden.

Der Justizminister setzte alle Präfekturen (Bezirke) durch einen Brief von dem Verbot der Zeugen Jehovas in Kenntnis. Es folgten weitere Haftbefehle. Die meisten ausländischen Pioniere mußten das Land verlassen. Für die einheimischen Brüder war es eine Zeit der Prüfung und der Läuterung. Genau zur rechten Zeit wurde mit dem Drucken des Wachtturms in Kinyaruanda begonnen, so daß noch mehr geistige Speise vorhanden war.

Die drei Sonderpioniere, Gaspard Rwakabubu, Joseph Koroti und Ferdinand I’Mugarula, hatten in dem riesigen Gefängnis von Kigali viel zu tun. Sie führten mit anderen Häftlingen regelmäßig Bibelstudien durch, und auf diese Weise lernte eine ganze Anzahl die Wahrheit kennen. Monate vergingen, ohne daß eine Gerichtsverhandlung stattfand. Doch im Oktober 1983 war es endlich soweit. Man beschuldigte die Brüder, das Geld der Leute veruntreut und gegen die Regierung rebelliert zu haben, und brachte noch andere unbegründete Anklagen vor. Während der ganzen Verhandlung wurde keine einzige Zahl genannt und kein einziger Beleg als Beweis vorgelegt; außerdem erschien nicht ein Zeuge der Anklage.

Die Brüder wurden zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, und kein einziger Tag wurde ihnen erlassen. (Zwischenzeitlich fielen Mörder unter die Amnestie.) In Gisenyi erduldeten fünf andere Zeugen Jehovas in Treue fast zwei Jahre Haft, ohne daß sie gerichtlich verurteilt worden waren.

Aufgrund einer kleinen „Ruhepause“ im Jahre 1985 konnten einige Brüder aus Ruanda den Bezirkskongreß in Nairobi besuchen und sich mit Brüdern der leitenden Körperschaft treffen. Aber von März 1986 an waren Verhaftungen im ganzen Land wieder gang und gäbe. Viele wurden zu Hause festgenommen. Selbst Schwangere und Kleinkinder wurden nicht verschont. In einigen Gegenden faßte man die Zeugen, indem man ihre Namen auf die Liste von Personen setzte, die gesucht wurden. Im Laufe der Zeit saßen mehr als 140 Zeugen Jehovas im Gefängnis — fast ein Drittel der Verkündiger des Landes!

Vertrauen auf einen Arm aus Fleisch und Blut oder auf den Allmächtigen?

Am 24. Oktober 1986 wurde der Fall der Zeugen Jehovas endlich vor Gericht gebracht. Inzwischen hatten mehrere schon über sechs Monate im Gefängnis zugebracht. Es war dort sogar ein Kind geboren worden, das passenderweise Shikama Hodari (Bleib standhaft) genannt wurde. Die Urteilssprüche fielen sehr hart aus; es wurden Freiheitsstrafen zwischen 5 und 12 Jahren verhängt. Eine Interessierte, die noch keine Verkündigerin war, wurde zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt.

Diese Fälle wurden international bekannt, und sie lieferten sogar europäischen und afrikanischen Staatsoberhäuptern Gesprächsstoff. Viele Ausländer schickten an verantwortliche Staatsbeamte Protestbriefe. Im Radio wurde bekanntgegeben, daß an manchen Tagen wegen der Zeugen Jehovas 500 Briefe bei der Regierung eingingen.

Dadurch boten sich günstige Gelegenheiten, im Gefängnis über die Wahrheit zu sprechen. Die Zeugen gaben ein hervorragendes Beispiel der Zusammengehörigkeit: Sie beteten zusammen und studierten zusammen Gottes Wort. Das erregte die Neugier vieler Gefängnisinsassen, und sie begannen die Bibel zu studieren. Jetzt machen ehemalige Verbrecher und Prostituierte rasche Fortschritte auf dem Weg zum ewigen Leben.

Trotz der langen Haftstrafen verloren die Zeugen nicht ihre Freude. Sie erklärten: „Wir haben 12 Jahre bekommen, Satan bekommt 1 000!“ Oder sie sagten: „Hier haben wir mehr Freiheit als unsere Brüder draußen. Wir können bei unseren Zusammenkünften singen, was sie nicht dürfen.“

Eine freudige Überraschung

Am 1. Juli 1987, dem 25. Jahrestag der Unabhängigkeit Ruandas, entschuldigte sich der Präsident Ruandas in einer Rede, die im Rundfunk übertragen wurde, für die Verletzung der Menschenrechte und gab bekannt, daß alle, die am 24. Oktober 1986 verurteilt worden waren, freigelassen würden. Was für eine mutige und lobenswerte Entscheidung! Einige Tage später wurden alle 49 verurteilten Brüder und Schwestern auf freien Fuß gesetzt.

Es blieb jedoch die Frage offen, was mit denen geschehen würde, die noch nicht verurteilt worden waren. Mehrere Wochen vergingen, aber schließlich wurden alle vor Gericht gestellt. Man sagte ihnen, sie könnten dem Land mehr Nutzen bringen, wenn sie nach Hause gingen, das Land bebauten und andere nützliche Arbeit verrichteten.

Das war natürlich ein Grund zu großer Freude. Nach der Freilassung ließen sich über 30 ungetaufte Verkündiger und Personen, die die Bibel studiert und im Gefängnis gute Fortschritte gemacht hatten, taufen. Nach dieser „Schulung“ im Gefängnis haben alle schnell an Reife zugenommen. Gleich nach der Taufe führten die meisten von ihnen den Hilfspionierdienst durch. Und alle fanden wieder eine Arbeitsstelle. (Siehe Psalm 37:25, 28.)

Pascasie gehörte zu denen, die unter Prüfungen freudig ausharrten. Als Jehovas Zeugen verboten wurden, verlor ihr Mann die Nerven und brachte sie zur Polizei, damit man sie festnehme. Obwohl sie nicht getauft war, wurde sie mit den Schwestern ins Gefängnis geworfen. Man verurteilte sie zu zehn Jahren Haft. Sie war zwar traurig, daß sie ihre Kinder zu Hause zurücklassen mußte, doch sie erkannte, daß Leiden wegen der wahren Anbetung unumgänglich sind. Im Gefängnis machte sie in geistiger Hinsicht Fortschritte, und nach der Freilassung befand sie sich unter den Taufanwärtern. Doch wie sehr freute sie sich auch, daß nach ihrer Rückkehr ihr Mann bereit war, mit Jehovas Zeugen die Bibel zu studieren! Ihre Standhaftigkeit hatte sich wirklich gelohnt, denn ihr Mann wurde ihr Glaubensbruder, wodurch die Familie in der wahren Anbetung vereint war.

Anfang 1990 nahm man einen noch nicht entschiedenen Gerichtsfall aus dem Jahre 1985 wieder auf, und vier Brüder wurden zu je zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Glücklicherweise wirkte sich das nicht auf andere Gebiete aus, wo Kreiskongresse und die Pionierdienstschule durchgeführt werden konnten. Dann wurde Ruanda zum erstenmal von einem Zonenaufseher besucht. Da es vermehrt geistige Speise in Ruanda gab, nahm auch das Geistiggesinntsein zu. Und nach sechs Monaten Haft wurden die vier Brüder aufgrund einer Anordnung des Präsidenten wieder freigelassen.

Ende 1990 wurde durch eine plötzliche Invasion auch Ruanda in einen Krieg verwickelt. Die neutrale Haltung der Brüder, und zwar im Einklang mit dem biblischen Grundsatz aus Johannes 17:14, wo es heißt, daß „sie kein Teil der Welt sind“, ließ ehemalige Gegner erkennen, daß Jehovas Volk niemandes Feind ist. Anfang 1991 brachte eine Hungersnot zusätzliche Sorgen mit sich, so daß für Ruanda — besonders für den Süden — eine Hilfsaktion notwendig wurde. Seit kurzem können Kreiskongresse frei durchgeführt werden. Die Brüder hoffen, daß ihnen eines Tages völlige Religionsfreiheit und die gesetzliche Anerkennung gewährt werden wird. Aber in der Zwischenzeit sind sie wahrheitsliebenden Personen unter der wachsenden Bevölkerung Ruandas weiterhin eine Hilfe.

Theokratische Wiederbelebung in dem von Schwierigkeiten geplagten Uganda

Durch den „Befreiungskrieg“ im Jahre 1979 veränderte sich so manches. Plünderungen, Gewalttätigkeit und andere Leiden machten Hilfsaktionen erforderlich; der Postdienst und die Telefonverbindungen waren unterbrochen. Aber dann ergriff eine andere Regierung die Macht. Die ugandische Times vom 19. November 1979 gab unter der Überschrift „Missionare dürfen zurückkommen“ bekannt, daß das Verbot von Jehovas Zeugen aufgehoben worden sei und Religionsfreiheit herrsche.

Bald darauf wurde in Uganda eine neue Serie von Kreiskongressen organisiert und durchgeführt; es konnten 241 Anwesende gezählt werden. Doch die Wirtschaft des Landes lag danieder, und man hatte wenig Achtung vor dem Leben. Viele Leute trugen Waffen bei sich, und ehemalige Soldaten wurden zu Verbrechern. Fast jede Nacht fielen Schüsse. Und auf den Straßen drohte ständig Gefahr.

Das Zweigbüro in Nairobi war aufrichtig daran interessiert, die Brüder zu erbauen und zu ermuntern. So suchte es mutige Freiwillige, die Literatur nach Uganda bringen würden. Man darf nicht vergessen, daß die Leute bewaffnet waren, und oft führten die Soldaten ein Doppelleben — nachts wurden sie zu Banditen. Die Freiwilligen mußten ein Waldgebiet zwischen Jinja und Kampala durchqueren, das wegen Überfällen berüchtigt war. In der Regel mußte man dort mit Höchstgeschwindigkeit hindurchrasen, bis man eine dichter besiedelte Gegend erreichte.

Ein Missionar übernachtete bei einem Bruder in Mbale. Plötzlich hörte er, daß sich Leute an seinem im Hof geparkten Auto zu schaffen machten. Da er dachte, daß die Diebe wahrscheinlich bewaffnet seien, ließ er sie gewähren und stehlen, was sie wollten. Am nächsten Morgen fehlten am Auto zwei Räder, auch das Reserverad und die Windschutzscheibe hatten sie mitgenommen. Mit zwei geborgten Rädern, deren Reifen abgefahren waren, und ohne Windschutzscheibe, die ihn vor dem Regen hätte schützen können, machte er sich auf den 240 km langen Weg nach Kampala. Er mußte durch ein gefährliches Waldgebiet fahren. Aber alles verlief gut — keine Reifenpanne, nur Wind und Regen peitschten ihm ins Gesicht.

Im Dezember 1980 wurde eine neue Höchstzahl von 175 Verkündigern erreicht. Im folgenden Jahr fand im Lugogo-Stadion in Kampala ein Bezirkskongreß statt, dem 360 Personen beiwohnten. Trotz der fortgesetzten Gewalttätigkeiten lernten die Menschen die Wahrheit kennen, und im Juli gab es im Land 206 Verkündiger, die monatlich im Durchschnitt 12,5 Zeitschriften verbreiteten.

Da in Uganda auf acht Versammlungen nur ein Ältester kam, war wirklich viel Hilfe nötig. Es wurde also beschlossen, noch einmal einen Antrag auf Einreise von Missionaren zu stellen. Im September 1982 trafen inmitten der Unruhen Ari Palviainen und Jeffrey Welch, zwei ledige Missionare, in Kampala ein. Um 18.30 Uhr wurde noch Ausgangssperre verhängt, und nächtliche Schüsse oder sogar Schießereien waren die Regel. Mehrere Verkündiger wurden vermißt, und man befürchtete, daß sie tot seien. Einige tauchten wieder auf, während andere verschollen blieben. In den Tumulten, die auf den Krieg im Jahre 1979 folgten, verloren insgesamt acht ugandische Verkündiger ihr Leben.

Im Februar 1983 wurde der Einreise der Missionare zugestimmt, und von April desselben Jahres an gab es in einer relativ sicheren Gegend ein Missionarheim, in dem vier mutige Gileadabsolventen wohnten; zu ihnen gehörten auch Heinz und Marianne Wertholz. Die Höflichkeit der Ugander und ihre Achtung vor der Bibel halfen den Missionaren, über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die schlechten Straßen, die Unsicherheit und die nächtlichen Unruhen leichter hinwegzukommen. Es war nichts Außergewöhnliches, daß jeder von ihnen zwischen 10 und 15 Bibelstudien durchführte. In einem bestimmten Monat gaben die vier Missionare 4 084 Zeitschriften ab.

„Da ist er!“

In einem Dorf im Landesinnern von Uganda gelangte das Wahrheits-Buch in die Hände eines Mannes mittleren Alters, der bald erkannte, was für einen Schatz er da besaß. Das Buch las er immer und immer wieder durch und begann auch, mit allen, die er traf, darüber zu sprechen. Er bezeichnete sich sogar als Zeuge Jehovas, obwohl er nie einem begegnet war und wußte, daß es in jener Gegend keinen gab.

Er erkannte, daß er seine „Brüder“ finden mußte. Deshalb machte er sich eines Tages mit seinem Fahrrad auf den Weg nach Kampala, um nach Zeugen Jehovas zu suchen. Wenn er an einer Kirche Kreuze sah, wußte er, daß er sie dort nicht finden würde. Die Leute, die er fragte, kannten Jehovas Zeugen, doch keiner konnte ihm eine genaue Adresse geben. Vor Verzweiflung ging er in eine Buchhandlung und fragte dort nach den Zeugen. Der Kassierer sagte, Zeugen Jehovas kämen gelegentlich mit Zeitschriften vorbei, aber er wisse nicht, wo sie wohnen würden. „Wenn sie wiederkommen“, erklärte der Interessierte, „geben Sie ihnen doch bitte meine Anschrift. Sie müssen mich unbedingt besuchen.“

Zur gleichen Zeit wollten zwei Missionare bei Personen Rückbesuche durchführen, die Interesse gezeigt hatten; sie trafen aber niemand an. Während sie ihre Notizen nochmals durchsahen, stießen sie auf den Namen des Kassierers. Daraufhin beschlossen sie, ihn wieder einmal aufzusuchen.

Als die Missionare die Buchhandlung betraten, sagte der Kassierer zu ihnen: „Jemand hat nach Ihnen gefragt.“ Er schaute zur Tür hinaus, zeigte mit dem Zeigefinger die Straße hinunter und sprach: „Ah, da ist er!“

Wenige Minuten später waren die europäischen Missionare bei dem interessierten Dorfbewohner. Er umarmte sie beide. Natürlich begann er, fleißig die Bibel zu studieren. Bald darauf wurde in seinem Dorf ein kleiner Königreichssaal gebaut, und seit seiner Hingabe und Taufe ist er im eigentlichen Sinne des Wortes ein Bruder.

Erneut Krieg!

Für die meisten Menschen in Uganda war das Leben fast unerträglich. Man fühlte sich nicht sicher. Leute wurden einfach von Soldaten verschleppt, und man sah sie nie wieder. Die Preise schnellten sprunghaft in die Höhe. Zum Beispiel stieg der Brotpreis von 1974 bis 1984 um 1 000 Prozent! Beim Einkaufen machten sich einige nicht einmal mehr die Mühe, das Geld zu zählen, sondern maßen den Stapel Geldscheine mit einem Lineal ab.

Die Unzufriedenheit öffnete dem Guerillakrieg im Land Tür und Tor. Nach monatelangen Kämpfen riß schließlich die nationale Widerstandsbewegung die Regierung an sich. Währenddessen plünderten fliehende Soldaten, wo sie nur konnten, und schossen um sich.

Direkt in der Umgebung des Missionarheims brachen ebenfalls Kämpfe aus. Am folgenden Tag begannen die Schießereien, als sich die Missionare auf dem Weg zur Zusammenkunft befanden. Die Kugeln flogen ihnen um den Kopf, doch niemand wurde verletzt. Sonntag nachmittag hatten sie dann ungebetene Gäste: plündernde Soldaten, die auf der Flucht waren. Die verschlossene Haustür machte sie wütend. Als ihr Anführer jedoch die Ausweise der Missionare sah, schlug er plötzlich einen anderen Ton an und wurde freundlich. Die Soldaten rührten nichts von dem Besitz der Missionare an. Etwas verunsichert nahmen sie nur einige Kleidungsstücke und Bettzeug mit, aber keine Wertsachen.

Bevor sie gingen, rieten sie den Missionaren, das ganze Haus in Unordnung zu bringen, z. B. Vorhänge herunterzureißen, Schubkästen auszuleeren und alles mögliche auf dem Fußboden zu verstreuen, damit der Eindruck entstünde, das Haus sei bereits geplündert worden. Das half; es wurde kaum etwas gestohlen. Während draußen schwere Kämpfe tobten, hielten sich die Missionare einen ganzen Tag und eine ganze Nacht in einer kleinen Speisekammer auf, bis wieder Ruhe eingekehrt war. Das war der sicherste Ort im Haus. Bei alldem spürten sie den Schutz Jehovas und die Liebe der Brüder.

Die Brüder in Uganda können viel davon berichten, wie Jehova seine schützende Hand über sie gehalten hat. Einige können auf Einschüsse in ihren Wänden und ihrer Kleidung zeigen. Ein Sonderpionier mußte über fünf Stunden flach auf dem Bauch liegen, denn Regierungssoldaten und Rebellen hatten dort, wo er sich gerade aufhielt, ein Kreuzfeuer eröffnet. Nachdem alles wieder ruhig war, stellte er fest, daß er von Leichen umgeben war.

Mehr Sicherheit und wieder Freuden

In den folgenden Monaten konnte man sich wieder sicherer fühlen, und man erlebte Überraschungen. Die Missionare mußten beispielsweise auf ihrem Heimweg an einem großen Haus vorbeigehen, in dem ein hoher Beamter wohnte. Das Haus wurde ständig von Soldaten bewacht, von denen man nie wußte, in welcher Stimmung sie sich gerade befanden. Die Leute hatten deshalb Angst, von ihnen belästigt zu werden. Auch die Missionare atmeten immer erleichtert auf, wenn sie an dem Haus vorbei waren. Besucher wurden seltener im Missionarheim. Da aber eine neue Regierung an der Macht war, konnte man es mieten, und das zur selben Zeit, als die Missionare ausziehen mußten. Bald wohnten sie also in dem Haus, an dem sie sonst ängstlich vorübergegangen waren, und freuten sich, auf der großen Terrasse in der tropischen Abendbrise ihr Abendessen einnehmen zu können. Hätte das jemand ein Jahr zuvor gesagt, so hätte es ihm niemand geglaubt!

Mit dem Werk in Kampala ging es gut voran. Viele Gebiete der Stadt waren seit mehr als zehn Jahren nicht mehr bearbeitet worden, und es gab noch viel zu tun. Die Brüder in Uganda steigerten sich in ihrer Tätigkeit und hatten auf diese Weise 1987 einen Durchschnitt von 14,3 Stunden Predigtdienst im Monat.

Diese Zeugen Jehovas vereinigte ein enges Band der Liebe. Trotz ihres wenigen materiellen Besitzes waren sie zu Opfern bereit (Joh. 13:34, 35). Viele mußten mehrere Monatsgehälter sparen, um zum Bezirkskongreß fahren zu können. Sie erwiesen einander Gastfreundschaft und standen den Missionaren bei Problemen stets hilfreich zur Seite. Jehova unterstützte sie zweifellos auf verschiedene Weise. Oft war es ein wahres „Wunder“, daß Kongresse überhaupt abgehalten werden konnten, manchmal ohne Lautsprecher oder sogar ohne Sitzgelegenheiten.

Nach der Eröffnung eines Missionarheims in Kampala und in Jinja wurde ein drittes am anderen Ende Kampalas eingerichtet. Uganda hat zur Zeit 18 Versammlungen, die Verkündigerhöchstzahl beträgt 820, das Gedächtnismahl wurde von 3 204 Personen besucht — ebenfalls eine Höchstzahl —, und es gibt mehr als 140 allgemeine Pioniere und Sonderpioniere. In Jinja, Tororo, Mbale und Kampala sind Königreichssäle errichtet worden. Was das Predigtwerk betrifft, ist die Situation aber noch immer schwierig, und die Zukunft ist ungewiß.

Im Jahre 1989 machte sich erneut Widerstand bemerkbar. Es fing mit negativen Kommentaren der Geistlichkeit an. Daraufhin erschienen kritische Zeitungsartikel. Eine bereits gegebene Baugenehmigung wurde willkürlich mündlich widerrufen und die Erlaubnis verweigert, an gewissen Orten Kongresse durchzuführen. Falsch informierte Beamte griffen noch anderweitig ein. Nach und nach wurden alle Gemeinschaften aufgefordert, sich neu eintragen zu lassen, doch die Eintragung der International Bible Students Association wurde verweigert. Die meisten Missionare mußten das Land verlassen. Trotz allem konnten im Dezember 1990 mit Erfolg Bezirkskongresse abgehalten werden. Einige hohe Beamte haben sich als sehr hilfreich erwiesen und Gerechtigkeit walten lassen, was hoffen läßt, daß alle Missionare bald nach Uganda zurückkehren und ihr Schulungswerk fortsetzen können. In diesem Gebiet besteht die Aussicht auf große Mehrung, und die Brüder bitten den Herrn der Ernte, daß er mehr Arbeiter aussende (Mat. 9:37, 38).

Kenia bereitet sich auf größere Ausdehnung vor

Da Jehovas Organisation weltweit vorandrängt und in ganz Ostafrika ständig eine beträchtliche Zunahme zu verzeichnen ist, war es an der Zeit, sich in Kenia einer moderneren Technik zu bedienen. Die Brüder im Zweigbüro waren begeistert, als 1984 die ersten beiden IBM-Personalcomputer vom deutschen Zweig eintrafen.

Zuerst wußte niemand mit den neuen Geräten etwas anzufangen, doch mit Jehovas Hilfe und einer einfachen Gebrauchsanweisung dauerte es nicht lange, und man konnte den Computer bedienen. Mit einem Computer konnte man Text auf Disketten speichern, die dann nach Übersee in Zweige geschickt wurden, die über eine Druckanlage verfügten. Dadurch ergaben sich neue und bessere Möglichkeiten. Es mußten nicht mehr zwei oder drei Korrekturabzüge zwischen England und Kenia hin- und hergeschickt werden, ehe der Wachtturm in Suaheli gedruckt werden konnte. Jetzt wird der Wachtturm in Suaheli mit dem englischen Wachtturm gleichzeitig gedruckt, und alle Versammlungen in Kenia können den biblischen Stoff in derselben Woche durchnehmen.

Die Verkündiger nahmen ständig sowohl zahlenmäßig zu als auch an geistiger Reife. Die Zeugen Jehovas vermehrten ihren Predigtdienst und bewahrten sich ihr Auge lauter, d. h., sie konzentrierten sich auf die Königreichsinteressen. Immer mehr Eltern bemühten sich, ihren zahlreichen Kindern durch ein Familienbibelstudium zu helfen. Es wurden neue Älteste eingesetzt, und die Zahl jüngerer Brüder, die sich anstrengten, die Erfordernisse für Dienstamtgehilfen zu erfüllen, stieg ebenfalls. Viele bewahrten ihre Lauterkeit, wenn sie in der Neutralitätsfrage geprüft wurden. Immer mehr Zeugen Jehovas waren bereit, finanzielle Opfer zu bringen, damit sie einen eigenen Königreichssaal bauen konnten.

Der Kongreß „Bewahrer der Lauterkeit“ im Jahre 1985

Kenia gehörte zu den Ländern, in denen 1985 ein besonderer internationaler Kongreß stattfinden sollte, zu dem auch Delegierte aus Übersee eingeladen werden würden. Es kamen fast 2 000. Sie hatten zwar Freude an der schönen Landschaft und den wildlebenden Tieren Kenias, aber sie stimmten alle darin überein, daß der Höhepunkt ihres Besuches der Kongreß und der Predigtdienst mit einheimischen Brüdern gewesen war.

Die vielen wazungu (Weiße oder Europäer) mit ihren einheimischen Führern erregten in Nairobi kein geringes Aufsehen. Andererseits waren die Besucher beeindruckt von dem Interesse der Kenianer an der Bibel und von der Kinderschar, die ihnen überallhin folgte.

Auf dem Kongreß waren die Besucher ganz verliebt in die Tausende kleinen Kinder, die aufmerksam zuhörten. Über 8 000 Personen füllten den Jamhuri-Park in Nairobi. Es war bis zu jenem Zeitpunkt der größte Kongreß. Etwas Besonderes für die Zuhörerschaft war die Anwesenheit von zwei Brüdern der leitenden Körperschaft, Theodore Jaracz und Albert Schroeder.

In den folgenden Jahren wurde die Bethelfamilie vergrößert; außerdem kamen weitere Missionare nach Kenia. Sie wurden mit vielen geistigen Kindern belohnt. Die Verkündigerzahl der Versammlung in Eldoret zum Beispiel stieg mit der Hilfe von Missionaren in vier Jahren von 45 auf 129 an. Durch den zunehmenden Pioniergeist wurden die Königreichsinteressen weiterhin vorangetrieben. Im Jahre 1987 verbrachten die über 4 000 Verkündiger mehr als 1,5 Millionen Stunden im Predigtdienst, also jeder einzelne durchschnittlich 16,4 Stunden im Monat.

Die Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl stieg auf 15 683 an, und 466 Personen ließen sich taufen. Im Durchschnitt waren monatlich mehr als 1 000 Pioniere tätig, davon über 500 als allgemeine Pioniere. Neue Königreichssäle wurden errichtet, und man zeichnete Baupläne für eine neue Kongreßstätte am Rande Nairobis. Zum erstenmal waren über 10 000 Verkündiger — 1 000 allgemeine Pioniere eingeschlossen — unter der Leitung des Zweigbüros tätig. Doch dann geschah etwas Bestürzendes.

Wieder ein Verbot

Bald nach Beendigung der Kreiskongresse, auf denen über Glaubensprüfungen gesprochen wurde, und während der Vorbereitungsarbeiten für die Bezirkskongresse „Vertraue auf Jehova“ wurde das Vertrauen auf Gott auf die Probe gestellt. Am 19. November 1987 erschien in der kenianischen Zeitung Gazette eine vom 9. November datierte gerichtliche Bekanntmachung, die besagte, daß die Eintragung der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas in Ostafrika rückgängig gemacht worden sei, obwohl sie 25 Jahre ihre Tätigkeit ausgeübt hatte. Gemäß der Verfügung wurden 21 Tage Zeit gegeben, um die Gemeinschaft aufzulösen und das Vermögen unter den Mitgliedern zu verteilen. Am Nachmittag desselben Tages ging ein Brief vom Hauptregistrator ein, in dem der Beschluß bestätigt wurde. Gründe wurden nicht angegeben.

Am nächsten Morgen enthielt eine Zeitung auf Seite 5 eine kleine Notiz darüber. Die Nachricht erschien nicht unter einer fettgedruckten Überschrift wie zuvor im Jahre 1973. Aber ausländische Presseagenturen riefen sofort beim Verlag an und veröffentlichten diese schockierende Nachricht. Sogleich versuchte man, mit Regierungsbeamten Verbindung aufzunehmen, doch diese nahm entweder ein Staatsbesuch voll in Anspruch, oder sie wollten darüber nicht diskutieren.

Man bemühte sich um Rechtsbeistand und legte nach vielen Gebeten Berufung ein. Am 27. November entschied ein Richter, daß der Fall untersucht werden könne, womit die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas bis auf weiteres wieder legal war. In ganz Kenia konnten somit die Zusammenkünfte und die Predigttätigkeit vorläufig wieder öffentlich durchgeführt werden.

Und wie war es um die Kongresse bestellt? Es erforderte Glauben, die Planungen fortzusetzen, aber was für eine Freude war es doch, als die nötigen Genehmigungen gegeben wurden! Nach einigem Kampf war es möglich, Verträge zur Benutzung von Kongreßstätten abzuschließen, und so konnten alle drei Bezirkskongresse „Vertraue auf Jehova“ im Dezember stattfinden. Sie wurden insgesamt von 10 177 Personen besucht, und 228 ließen sich taufen.

Danach schien sich die Lage zu normalisieren. Die Zeugen waren sich völlig bewußt, daß die Zukunft des Zweigbüros und des Werkes in Kenia nun in Jehovas Hand lag.

Die Rechtslage ist schon seit Jahren ungeklärt, und das Gericht hat sich wiederholt vertagt. Deshalb kam es mancherorts des öfteren vor, daß Beamte, die nicht wußten, daß Jehovas Zeugen noch legal sind, Brüder festnahmen, Genehmigungen hinauszögerten oder sogar Kongresse untersagten. In der Zwischenzeit hat sich die Geistlichkeit der Christenheit wie nie zuvor in die Politik eingemischt, wodurch vielen Menschen geholfen wurde, den Unterschied zwischen den Geistlichen und den gesetzestreuen, friedliebenden Zeugen Jehovas zu erkennen.

Als Folge davon ist die Zahl der Königreichsverkündiger noch weiter angestiegen. Zur Zeit des Gedächtnismahls im Jahre 1991 gab es im Land fast 6 000 Verkündiger, und 19 644 Personen waren bei der Feier zugegen. In Nairobi und in Nanyuki, das am Äquator liegt, sind Kongreßsäle gebaut worden. Durch die Zunahme der Verkündiger fiel im Zweigbüro mehr Arbeit an, so daß die Bethelfamilie auf 38 Mitarbeiter vergrößert wurde. Und der Gebäudekomplex, der zur Zeit benutzt wird, muß unbedingt erweitert werden.

Im Vertrauen auf Jehova der Zukunft entgegenblicken

Der Platz erlaubt es nicht, die vielen anderen Ereignisse, die sich zutrugen, und die vielen anderen begeisternden Erfahrungen, die in Ostafrika gemacht wurden, zu erwähnen. Zahllose weitere treue Personen haben sich bei der Förderung der guten Botschaft verausgabt und haben als Diener Gottes Leiden auf sich genommen. Eine ganze Reihe hat jahrelang große Verantwortung getragen und sich wie der Apostel Paulus um alle Versammlungen gesorgt (2. Kor. 11:28). Die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Schwierigkeiten dauern an. Nur Jehovas Königreich wird eine bleibende Lösung all dieser Probleme herbeiführen. In der Zwischenzeit muß das Einsammlungswerk, in dem es noch viel zu tun gibt, fortgeführt werden.

Die Bevölkerung hat sich in diesem Teil der Erde in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Im August 1991 waren in allen Ländern, die dem kenianischen Zweig unterstehen, insgesamt 15 970 Verkündiger — eine Höchstzahl — tätig. Das Zweigbüro erklärt: „Wir wissen, daß Jehova seine Schafe kennt, und beten darum, daß ,das Wort Jehovas ständig schnell laufe‘, ehe das Ende herannaht und die Zeit kommt, in der dieser herrliche Teil der Erde mit all seinen Wundern der Schöpfung zu einem wirklichen, weltweiten Paradies gehören wird“ (2. Thes. 3:1).

[Fußnoten]

^ Abs. 17 Nach der Kolonialherrschaft in Afrika haben sich die Namen zahlreicher Länder, die in dem vorliegenden Bericht erwähnt werden, geändert. Nordrhodesien wurde in Sambia umbenannt, Rhodesien in Simbabwe, Tanganjika in Tansania, Urundi in Burundi, Njassaland in Malawi und Belgisch-Kongo in Zaire.

^ Abs. 44 Der Lebensbericht von George Nisbet ist im Wachtturm vom 1. November 1974 erschienen.

^ Abs. 84 Ihr Lebensbericht ist im Wachtturm vom 1. Mai 1985 veröffentlicht worden.

^ Abs. 208 Einzelheiten sind in dem Geschichtsbericht über Südafrika im Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1976 zu finden.

^ Abs. 245 Nach langer Krankheit starb Barbara Hardy im Februar 1988.

^ Abs. 443 In Äthiopien ist der erste Name einer Person immer der Familienname.

[Übersichten auf Seite 206]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Kenia 8 000

1950 3

1960 108

1970 947

1980 2 266

1991 6 300

Verkündigerhöchstzahl

2 000

1950

1960 5

1970 132

1980 317

1991 1 256

Pioniere (Durchschnitt)

[Übersichten auf Seite 207]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Neun Länder, die dem Zweig in Kenia unterstehen

17 000

1950 119

1960 865

1970 2 822

1980 5 263

1991 15 970

Verkündigerhöchstzahl

4 000

1950 1

1960 49

1970 296

1980 599

1991 3 127

Pioniere (Durchschnitt)

[Kasten/Karte auf Seite 66]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Rotes Meer

Golf von Aden

JEMEN

SUDAN

Nil

Omdurman

Khartum

Eritrea

Asmara

DSCHIBUTI

ÄTHIOPIEN

Addis Abeba

SOMALIA

Mogadischu

KENIA

Nairobi

Mombasa

ÄQUATOR

Viktoriasee

UGANDA

Kampala

ZAIRE

RUANDA

BURUNDI

TANSANIA

Sansibar

Daressalam

Mbeya

MALAWI

SAMBIA

Indischer Ozean

SESCHELLEN

MADAGASKAR

[Kasten]

KENIA

Hauptstadt: Nairobi

Amtssprachen: Suaheli und Englisch

Hauptreligion: verschiedene Glaubensrichtungen

Einwohner: 23 000 000

Zweigbüro: Nairobi

[Bild auf Seite 69]

Junge Hirten in Kenia

[Bilder auf Seite 71]

Kenia, Heimat faszinierender Wildtiere

[Bilder auf Seite 74]

Kurz vor Antritt der Schiffsreise nach Ostafrika verabschiedet Olga Smith mit ihren beiden Kindern ihren Mann Gray und seinen Bruder Frank

Frank Smith 1931 in der Nähe des Stadtzentrums von Nairobi

Gray Smith 1931 bei seiner Zeugnistätigkeit in Kenia

[Bild auf Seite 76]

David Norman und Robert Nisbet 1931 in Durban (Südafrika) kurz vor Antritt ihrer Schiffsreise nach Daressalam

[Bilder auf Seite 79]

George Nisbet, Gray und Olga Smith und Robert Nisbet durchqueren 1935 den Limpopo und machen auf dem Weg nach Ostafrika eine Pause

[Bild auf Seite 88]

Ein Wiedersehen mit „Oldtimern“ bei Kaffee und Tee in der Nähe von Nairobi im Jahre 1985. Von links: Muriel Nisbet, Margaret Stephenson, Vera Palliser, Mary Whittington und William Nisbet.

[Bild auf Seite 93]

Ingilizi Caliopi und Mary Girgis in Khartum (Sudan)

[Bild auf Seite 96]

Gileadabsolventen: Dean Haupt und Haywood Ward in Addis Abeba

[Bild auf Seite 99]

Das kleine äthiopische Zweigbüro in Addis Abeba im Jahre 1953

[Bild auf Seite 105]

Hosea Njabula und seine Frau Leya waren mit die ersten, die in Tansania die gute Botschaft verbreiteten

[Bild auf Seite 107]

Neun der Brüder und Schwestern, die die Wahrheit in Südtansania in den 30er Jahren kennenlernten. Von links nach rechts: Andrew Chungu, Obeth Mwaisabila, Timothy und Ana Kafuko, Leya Nsile, Joram Kajumba, Jimu Mwaikwaba, Stela und Semu Mwasakuna.

[Bild auf Seite 108]

Thomson Kangale, ein geduldiger Lehrer seiner ostafrikanischen Brüder

[Bild auf Seite 123]

George Kadu und Margaret Nyende schwelgen in Erinnerungen, wenn sie an die Zeit denken, als in Uganda die Botschaft zum ersten Mal gehört wurde und sie die Wahrheit kennenlernten; das ist schon über 35 Jahre her

[Bild auf Seite 131]

Am 1. Februar 1963 wurde Kenias erstes Missionarheim und Zweigbüro in Nairobi eröffnet

[Bilder auf Seite 139]

Im Jahre 1965 war das zweite Zweigbüro Kenias in Nairobi in der oberen Wohnung untergebracht; darunter ist eine Rückansicht des dritten Zweigbüros im Jahre 1970, vor der Erweiterung, abgebildet

[Bild auf Seite 141]

Lamond Kandama, ein Sonderpionier, der in Sambia, Tansania und Kenia seit über 50 Jahren fleißig tätig ist, zusammen mit Esinala und Stanley Makumba, die seit über 40 Jahren im Sonderdienst in Uganda und Kenia tätig sind, den größten Teil davon im Reisedienst

[Bild auf Seite 142]

John und Kay Jason im Bethel in Nairobi. Jeder hat bereits über 50 Jahre im Vollzeitdienst verbracht.

[Bild auf Seite 157]

Glückliche Ruander nach ihrer Taufe

[Bild auf Seite 158]

Anna Nabulya, eine der standhaften Predigerinnen in Uganda

[Bild auf Seite 169]

Gebregziabher Woldetnsae, ein Aufseher, der sich verausgabte und bis zu seinem Tod treu war

[Bilder auf Seite 177]

Gesichter, die wir in der Auferstehung wiederzusehen hoffen. Alle wurden wegen ihrer Loyalität gegenüber der guten Botschaft ermordet. Von links oben: Ayele Zelelew, Hailu Yemiru, Wubie Ayele, Kaba Ayana, Gebreyohanes Adhanom, Adera Teshome, Wondimu Demera, Kasa Gebremedhin, Eshetu Mindu.

[Bild auf Seite 192]

Gaspard Rwakabubu, Joseph Koroti und Ferdinand I’Mugarula nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Kigali; sie waren begeistert, daß sie 1985 den internationalen Kongreß in Nairobi besuchen konnten

[Bild auf Seite 199]

Kreiskongreß in Mbale (Uganda) im Jahre 1987

[Bild auf Seite 201]

Kenias gegenwärtiges Zweigbüro und Bethelheim in Nairobi nach der Erweiterung

[Bild auf Seite 202]

Bernard Musinga stand in Ostafrika 20 Jahre im Reisedienst und war vor seiner Rückkehr in seine Heimat Sambia ein Mitglied des Zweigkomitees