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Honduras

Honduras

Honduras

MIT aller Macht kämpfte Christoph Kolumbus gegen den heulenden Sturm an, der so stark war, daß sein Schiff an der soeben entdeckten Küste zu zerschellen drohte. Als er den tückischen Fluten endlich entkommen war, soll er aufatmend gesagt haben: „Gott sei Dank, daß wir diesen Tiefen entronnen sind!“ Das spanische Wort für Tiefen (honduras) blieb offensichtlich haften. So kam Honduras — wenn man einigen Geschichtsbüchern glauben will — zu seinem Namen.

Heutzutage kann man Honduras viel leichter erreichen oder verlassen als zu Kolumbus’ Zeiten. Es ist eins von sieben kleinen Ländern der schmalen Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Mit etwa fünf Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 112 000 Quadratkilometern ist es nicht gerade das größte oder am dichtesten besiedelte Land Mittelamerikas, aber dafür das gebirgigste. Auf dem 15. nördlichen Breitengrad herrscht an der karibischen und der pazifischen Küste tropisches Klima, im Hochland, im Landesinneren, hingegen ist es viel kühler.

Angefangen bei den Bergen, die bis zu den Gipfeln mit Kiefern bedeckt sind, über den Regenwald im hügligen Tiefland mit seinen berühmten honduranischen Zedern und Mahagonibäumen, vorbei an den feuchten Sümpfen bis hin zu den palmengesäumten Stränden und Lagunen der karibischen Küste — überall ist das Land von einer malerischen Schönheit, die den Schöpfer ehrt und Balsam für die Seele ist.

Bei den Menschen findet man eine ebenso interessante Vielfalt: Es gibt Indianer, Weiße, Schwarze und eine bildschöne Mischung aller drei Rassen. Die Maya kamen zuerst hierher. Niemand weiß genau, woher sie kamen.

Zwischen den Pyramiden der Maya und den Pyramiden und den Zikkurats in Ägypten beziehungsweise Babylon besteht eine auffallende Ähnlichkeit; auch in der Religion finden sich interessante Parallelen. Die Maya beteten viele Götter an und glaubten an die Unsterblichkeit der Seele sowie an die Bestrafung nach dem Tod; damit kamen sie der Religion in Babylon ziemlich nahe. An diesen Glaubensansichten hat sich auch seit dem Erscheinen der Christenheit nichts Grundlegendes geändert.

Die Christenheit überrollte das Land. 1524 kamen spanische Eroberer in Scharen nach Honduras. Wie überall zwangen sie den Eingeborenen die spanische Sprache und die katholische Religion auf. Noch heute sind etwa 95 Prozent der Honduraner katholisch. Ungefähr drei Jahrhunderte später, im Jahr 1821, ging die Kolonialzeit mit der Unabhängigkeitserklärung zu Ende. Die Spanier waren nicht als einzige darauf erpicht, aus der reichen Pflanzen- und Tierwelt und dem vielen Gold und Silber des Landes Kapital zu schlagen. Allerdings wurden alle nachfolgenden Eindringlinge nicht Kolonisatoren genannt, sondern Piraten. In den 1570er Jahren machten William Parker und Sir Francis Drake die Gegend an der Küste von Honduras unsicher.

Erste Strahlen der Wahrheit

Jahrhundertelang hielt die babylonische Religion, wie schon die alten Maya sie praktizierten und wie die Christenheit sie heute praktiziert, die Menschen in Finsternis und überließ sie der Unwissenheit, dem Aberglauben und dem Spiritismus. Erst in den „letzten Tagen“ schimmerten in Honduras geistige Lichtstrahlen hindurch.

Freddie Johnson, eine kleine Frau in den Fünfzigern, predigte die Königreichsbotschaft von 1930 an entlang der Nordküste und auf den Islas de la Bahía. Diese Pionierin, die zu den Gesalbten gehörte, hatte nur ihr Pferd und benötigte deshalb einen starken Glauben und großes Stehvermögen, um die Menschen auf den verstreuten Bananenplantagen und in den Küstenstädten Tela, La Ceiba und Trujillo zu erreichen. Damals gab es dort keine Straßen — lediglich Trampelpfade durch den feuchten Dschungel. Ein Stück des Wegs konnte sie mit einer Dampflok zurücklegen, die von einer Pflanzungsgesellschaft betrieben wurde. Nur wenige Menschen hatten jemals eine Bibel zu Gesicht bekommen, und wenn, konnten sie sie oftmals nicht lesen. Trotzdem ließ die Schwester in jenem Jahr über 2 700 Bücher und Broschüren bei interessierten Personen zurück. 1934, 1940 und 1941 kehrte sie noch einmal dorthin zurück.

Bis auf den Predigtdienst eines einzigen Verkündigers im Jahr 1943 ist nichts weiter über eine solche Tätigkeit bekannt; die ersten Missionare trafen im Oktober 1945 ein. Mitte 1946 besuchte Nathan H. Knorr Honduras, um ein Zweigbüro einzurichten und dem Werk eine organisatorische Grundlage zu geben. Im selben Jahr reiste der Zweigdiener (Zweigaufseher) und Absolvent der dritten Gileadklasse, Donald Burt, ins Landesinnere, um sich von den Bedürfnissen und Lebensumständen für zukünftige Sonderpioniere ein Bild zu machen.

Darlean Mikkelsen gehörte zu den ersten sieben Missionaren. Nachdem sie die dritte Klasse der Gileadschule absolviert hatte, erhielt sie im Februar 1946 ihre Zuteilung nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Sie konnte den Namen der Stadt nicht einmal aussprechen und mußte deshalb ein Wörterbuch zu Rate ziehen! Sie erfuhr, daß „Tegucigalpa“ in Lenka, einer indianischen Sprache, „Silberhügel“ bedeutet. Einst trotteten hier von den Bergwerken Gespanne mit jeweils 15 bis 20 mit Silber beladenen Lasteseln in die Stadt hinunter. Bei der Ankunft Darleans bestand der Flughafen einzig und allein aus einer Holzhütte und einer ganz kurzen Start- und Landebahn. Sie war aber erleichtert, daß die Hauptstadt moderner war, als sie gedacht hatte.

Unter jenen ersten Missionaren waren auch Loverna Grell und ihre Tochter Ethel. Gleich bei ihrer Ankunft erfuhr Loverna zu ihrem großen Erstaunen, daß der nächste Tag ihr „Kochtag“ war. In Missionarheimen ist es üblich, daß sich alle — ob verheiratet oder ledig — beim Kochen abwechseln. Für Loverna war das gar nicht so leicht; die meisten Früchte und Gemüsesorten waren ihr völlig unbekannt, und genauso fremd war ihr die Sprache, in der sie mit den Händlern verhandeln mußte.

Alles in allem dienten 1946 in Honduras neun Missionare. Die erste Versammlung wurde gegründet, und die Zukunft sah vielversprechend aus. Die Missionare führten 57 Heimbibelstudien durch. Zwischen 1946 und 1949 stieg die Zahl der Königreichsverkündiger von durchschnittlich 19 auf 256 und die Zahl der Versammlungen auf sechs. Gleichzeitig schnellte die Zahl der Bibelstudien in die Höhe, von 57 auf 160!

Ein Schild wird aufgehängt

Gegen Ende des Jahres 1946 ließen sich Everett und Gertrude Weatherbee sowie zwei neu eingetroffene Missionare in San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt von Honduras, nieder. Diese Stadt liegt — obgleich sie als die wichtigste Industriestadt gilt — in einem der reichsten und fruchtbarsten Gebiete des Landes, vom Karibischen Meer etwa 60 Kilometer landeinwärts. Dank der reichlichen Niederschläge wachsen dort, umgeben von üppigem Grün, das ganze Jahr über Bananen, Orangen, Ananas und Zuckerrohr.

Die Neuankömmlinge hängten über dem Vordereingang ihres Hauses sofort ein Schild auf mit der Aufschrift „Königreichssaal der Zeugen Jehovas“. Jehovas Name war in der Gegend kaum bekannt, daher erregte das Schild großes Aufsehen. Einige Angehörige der evangelikalen Freikirche am Ort kamen sogar zu einem öffentlichen Vortrag. Der Pfarrer war darüber nicht erfreut. In seiner nächsten Predigt schimpfte er nur auf Jehovas Zeugen und gab sogar die Namen derer bekannt, die den Vortrag besucht hatten, um sie vor den anderen bloßzustellen. Seine Hetzrede verstärkte das Interesse jedoch nur; in der nächsten Woche waren noch mehr Evangelikale unter den Zuhörern im Königreichssaal.

In La Lima, einer 10 Kilometer östlich von San Pedro Sula gelegenen Stadt, ging das Werk ebenso voran, allerdings gab es damals lediglich eine englische Versammlung. Sie war der wachsenden Zahl spanischsprachiger interessierter Personen nicht gewachsen. Eine spanische Versammlung war vonnöten, doch zuerst galt es, ein Problem zu lösen.

Ein großer Teil der Bevölkerung sah nicht ein, warum man seine Ehe gesetzlich eintragen lassen sollte; Pärchen zogen einfach zusammen, um Kinder aufzuziehen. Wenn der Reiz des Neuen verflogen war, ließen die Männer ihre Familien oftmals wegen jüngerer Frauen sitzen. Viele im Stich gelassene Frauen mußten ganztags arbeiten, um ihre Kinder ernähren zu können. Eine spanische Versammlung konnte erst gegründet werden, als genügend Männer da waren, deren Ehe gesetzlich eingetragen war und die sich um die Versammlung kümmern konnten. Jehova segnete die Bemühungen, denn in nur einem Jahr stieg die Zahl der Verkündiger in La Lima von 24 auf 77 sprunghaft an.

Besuch des Präsidenten

Der Höhepunkt des Jahres 1949 war der Besuch von N. H. Knorr und Roger Morgan anläßlich der Hauptversammlung in Tegucigalpa. Danach reisten sie nach San Pedro Sula und La Ceiba und hielten Ansprachen, um die Versammlungen zu ermuntern.

Unter den Zuhörern in La Ceiba war der neunjährige Oskar. Seine Mutter stand jeden Morgen um 4 Uhr auf, machte Tortillas zum späteren Verkauf und war dann gegen 9 Uhr fertig für den Predigtdienst. Oskar war ein aufgeweckter kleiner Junge; weil er ein Zeuge Jehovas und zuverlässig war, durfte er für einen einheimischen Händler Geld zur Bank bringen. Mitunter trug er bis zu 1 500 Dollar bei sich. Während des Besuchs von Bruder Knorr schaffte es der kleine Oskar jedesmal irgendwie, neben ihm zu sitzen. Später nahm er den Vollzeitdienst auf. Bei einem tragischen Unfall im Jahr 1956 ertrank Oskar. Er wird unvergessen bleiben.

Jehovas Zeugen im Rundfunk

Der Haus-zu-Haus-Dienst, den Jesus Christus einführte, ist ein Erkennungszeichen des Volkes Jehovas in Honduras. Aber in den Anfangsjahren gab es nur wenige Arbeiter, und ein großer Teil der Bevölkerung war einfach nicht zu erreichen, da es fast keine befestigten Straßen gab. Es war daher sehr effektiv, die Wahrheit über Rundfunk auszustrahlen. 1949 lud die Radiostation HRQ von San Pedro Sula die Zeugen ein, jede Woche eine 15minütige Sendung vorzubereiten. Sie hieß „Gott bleibt wahrhaftig“, nach dem gleichnamigen Buch. Natürlich hatte damals nicht jeder ein Radio, aber weil die meisten, die eins besaßen, es mit voller Lautstärke laufen ließen, konnten außer ihnen noch viele weitere unseren Sendungen zuhören.

Die Sendung lief vier Jahre lang ohne Probleme. Eines Tages las der Besitzer der HRQ jedoch einen Erwachet!-Artikel über Suyapa, die Schutzheilige des Landes. Der Besitzer war ein glühender Verehrer der Suyapa — seine Radiostation hieß sogar Radio Suyapa. Aufgebracht ließ er dem Missionarheim die Nachricht zukommen, die Sendung werde nicht mehr ausgestrahlt. Das Rundfunkteam mochte die Zeugen und versuchte, den Besitzer umzustimmen, jedoch vergeblich. Falls er an jenem Tag Radio gehört hat, muß er aus allen Wolken gefallen sein, als der Sprecher bekanntgab: „Die Sendung ‚Gott bleibt wahrhaftig‘ wurde vom Besitzer dieser Station eingestellt. Das gesamte Rundfunkteam bedauert dies außerordentlich und betrachtet es als einen Verstoß gegen die Redefreiheit in Honduras.“

Inzwischen plante der Leiter einer anderen Radiostation einen täglichen Beitrag zum Thema Bibelunterricht, den er Katholikenstunde nennen wollte. Er bat den Priester der Gemeinde, sich daran zu beteiligen; dieser redete sich jedoch damit heraus, daß er zu beschäftigt und an biblischer Bildung nicht interessiert sei. Verstimmt gab der Leiter zurück, wenn dem Priester nichts daran gelegen sei, wüßte er schon jemand anders. Er besorgte sich einige Veröffentlichungen der Zeugen, aus denen er im Rundfunk vorlas. Kurz darauf nahmen Missionare mit ihm Kontakt auf und lieferten ihm Stoff zu dem Thema „Dinge, über die sich Menschen Gedanken machen“. Der Priester protestierte, aber der Leiter entgegnete: „Sie hatten ihre Chance und haben sie vertan.“ So lief die Sendung weiter.

„Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin“

In den 50er Jahren gab es zwei Phasen, in denen das Werk Rückschritte machte. 1950 sank die Durchschnittszahl der Verkündiger von 256 auf 208. Warum? Jehova veranlaßte seine Organisation durch seinen Geist, auf die Reinheit seines ganzen Volkes zu achten. (Vergleiche 1. Petrus 1:16.) Manche widerstanden diesem Geist und verließen die Reihen der Diener Gottes. Durch diese Sichtung waren die folgenden vier Jahre mit einem Anstieg der Verkündigerzahlen und der Anzahl der Versammlungen gesegnet.

Jedoch kam 1954 ein weiterer Schlag, der das Werk mehrere Jahre lang behinderte. Dem im September 1953 ernannten Zweigdiener mußte die Gemeinschaft entzogen werden. Sein Fehltritt wirkte sich auch auf andere nachteilig aus. Einige wußten über seine sündige Handlungsweise schon Bescheid, bevor sie ans Tageslicht kam, aber statt mutig etwas zu unternehmen, drückten sie beide Augen zu und strauchelten dann ebenfalls. (Vergleiche 3. Mose 5:1.) Anderen tat es leid, daß er ausgeschlossen worden war, denn er war bei den Brüdern sehr beliebt gewesen. Später wurde er glücklicherweise wiederaufgenommen und hat seitdem in Treue gedient.

Der Schaden war dennoch nicht rückgängig zu machen, und nun lag es an Aldo Muscariello, dem neuen Zweigdiener, mit dieser Situation fertig zu werden. Er entdeckte noch weitere Faktoren, die für den Rückgang verantwortlich waren. Viele Verkündiger und Missionare hatten die Personen, mit denen sie die Bibel studierten, etwas voreilig als Verkündiger gezählt und sogar ohne deren Wissen für sie einen Bericht abgegeben. Das Zweigbüro erklärte, diese Personen müßten zuerst die Voraussetzungen erfüllen, bevor sie sich den Reihen der Verkündiger anschließen könnten.

Bruder Muscariello war von Honduras, einem Land voller Gegensätze, fasziniert: Hier teilen sich Rinder und Lastesel die Straßen mit Autos und Lkws; hier stehen strohgedeckte Hütten neben modernen Häusern; hier folgt der Regenzeit als einzige Alternative die heiße und staubige Trockenzeit. An einem Abend studierte Bruder Muscariello mit einer Familie bei Kerzenlicht in einer Ziegelhütte an den Hängen Tegucigalpas, die aus einem Raum bestand und einen Lehmboden hatte, am nächsten Abend in einem geräumigen, hell beleuchteten Zimmer der Botschaft Guatemalas.

Das Werk geht wieder voran

Das Werk ging voran und dehnte sich allmählich in alle Winkel des Gebiets aus. Die bildschöne honduranische Inselgruppe mit den Hauptinseln Roatán, Utila und Guanaja liegt in der Karibik, etwa 50 Kilometer von der Nordküste entfernt, auf dem zweitlängsten Korallenriff der Welt. Die Inseln erreicht man mit dem Flugzeug, mit der Fähre oder — falls man nicht fürchtet, seekrank zu werden — mit der goleta. Eine goleta ist ein kleines Boot, das in der Regel bis zum Bug mit Waren vollgestopft ist. Hin und wieder ist eins überladen und sinkt. Auf den Inseln gibt es etliche bunt angestrichene Holzhäuser, die auf Pfählen über dem Wasser gebaut wurden und nur über einen schmalen Steg zu erreichen sind.

Donald Burt und die Missionare William und Ruby White reisten 1948 nach Coxin’s Hole, dem Hauptort der Insel Roatán, um das Werk dort anzukurbeln. Seitdem haben vor allen Dingen viele ausländische Brüder versucht, sich auf den Inseln niederzulassen und die gute Botschaft vom Königreich zu predigen. Bisher allerdings ohne großen Widerhall.

Während eines Besuches auf Roatán stellte Lloyd Aldrich, der Zweigdiener der 60er Jahre, fest, daß die Inselbewohner religiös, kontaktfreudig, ungezwungen und auch gemütlich sind. Mit Interesse bemerkte er, daß die Zuhörer bei einem öffentlichen Vortrag die mitunter rhetorisch gemeinten Fragen des Redners laut beantworteten. Als ein Redner beispielsweise fragte: „Wieviel Wasser ist im Meer?“, antwortete jemand: „Das weiß nur Gott, aber er verrät es uns nicht.“ Ein anderer Redner bemerkte zum Thema Familie, daß manche Frauen an ihren Männern herumnörgeln und daheim das Zepter schwingen, bis die Männer zu guter Letzt völlig unterm Pantoffel stehen. Da rief eine Stimme aus dem Hintergrund im Brustton der Überzeugung: „Amen!“

In die Mosquitia!

Die meisten Honduraner haben sich nie in die Mosquitia, den östlichsten Zipfel des Landes, vorgewagt. Durch die Jahrhunderte hindurch war dieses dünnbesiedelte Gebiet mit dem zumeist unberührten Waldland, den fruchtbaren Tälern und den dichten Regenwäldern die Heimat der unterschiedlichsten Menschen, angefangen bei den Paya und Misquitos, die noch ihre alten einheimischen Dialekte sprechen, über die Zambos (die Nachkommen der Schwarzen, die sich mit den temperamentvollen Kariben vermischten) bis zu den Flüchtlingen, Piraten und Sklavenhändlern.

Nur wenige dort sprachen damals Spanisch oder Englisch, aber irgend jemand mußte ihnen die gute Botschaft überbringen — das dachte 1957 der Kreisaufseher Gerald Hughes, und so wurde ein Predigtfeldzug organisiert. Ihm schloß sich Cristóbal Valladares an, der später als erster honduranischer Zeuge in den Kreisdienst kam. Gemeinsam mit einigen anderen machten sie sich auf nach Trujillo, wo ihr Predigtfeldzug beginnen sollte.

Sie nahmen nur das Notwendigste mit und mieteten sich ein kleines Motorschiff, das keinen solchen „Komfort“ wie Schlafkojen, Sitze, Radio, Kompaß oder irgendwelche nautischen Instrumente bot. Allerdings gehörte dazu ein kompetenter Kapitän und eine Mannschaft, die sich mit Schiffen bestens auskannte — zum Glück, denn hinter dem Kap Honduras war die See äußerst stürmisch! Ein Mann ging sogar über Bord, wurde aber mit viel Geschick gerettet.

Nach zweiundzwanzig Stunden legten sie bei dem kleinen Dorf Sangrelaya an. Die ganze Zeit über hatten sie nichts zu essen oder zu trinken. Am nächsten Tag steuerten sie in einem Einbaum den Rio Negro an, auf dem sie direkt in das zu bearbeitende Gebiet fuhren. Sie fanden eine interessierte Dame, die Englisch sprach. Sowohl bei dieser Gelegenheit als auch auf dem Rückweg konnten sie sich mehrere Stunden lang mit ihr über die Bibel unterhalten. Am darauffolgenden Abend hörten 35 Personen den biblischen Vortrag; danach hielten sie die Brüder bis tief in die Nacht hinein mit ihren Fragen wach.

Das nächste Ziel war Brus Laguna. Nach einem dreistündigen, beschwerlichen Fußmarsch entlang der Sandbank, die die Lagune vom Meer trennt, stießen sie in Tusí Cocal auf eine der größten Kokosnußplantagen der Welt. Dort genossen sie zum ersten Mal seit Tagen eine richtige Mahlzeit in einem gastlichen Haus, wo sie auch einen öffentlichen Vortrag mit dem Thema „Auferstehung, Hölle und Himmel“ hielten. Vierunddreißig Personen kamen, unter ihnen einige Frauen, die ihre Babys huckepack trugen. In einem Dorf auf der anderen Seite der Lagune besuchten über 30 Personen den biblischen Vortrag. Der Besucherstrom riß nicht ab, daher hielten die Brüder nach dem Wachtturm-Studium einen zweiten öffentlichen Vortrag.

Tag für Tag predigten sie eifrig; wo immer jemand ihnen eine Unterkunft anbot, übernachteten sie. Das Essen war abwechslungsreich: Maniok, Sardinen, Kokosbrot und landesüblicher Kaffee. Zurück in Sangrelaya, stellten sie fest, daß der Geistliche inzwischen wild entschlossen war, die Leute davon abzuhalten, ihnen zuzuhören. Er weigerte sich sogar, ihnen den Schlüssel für die öffentliche Schule auszuhändigen. Es half aber alles nichts; der Vortrag fand einfach woanders statt und wurde von 62 Personen besucht. Nach 18 Tagen machte sich die Gruppe wieder auf den Heimweg und kam in die Stadt Limón. Dort zeigte ihnen der Bürgermeister ein Buch, das er jahrelang wie einen Schatz gehütet hatte: Die Harfe Gottes. Er hatte es 27 Jahre zuvor von Schwester Johnson erworben, die damals in dieser Gegend als Pionier diente.

Auf ihrer letzten Kanufahrt zurück nach Trujillo schätzten sie, daß sie rund 800 Einwohnern, die überall verstreut in der Mosquitia lebten, die gute Botschaft verkündigt hatten. Welch ein vielversprechender Anfang!

Manche Angriffe schlagen fehl

Natürlich sorgt Satan dafür, daß der Fortschritt des Predigtwerkes stets durch irgendwelche Formen des Widerstands behindert wird. Im allgemeinen werden Jehovas Zeugen in Honduras geachtet. Selbst als die Regierung den Ausnahmezustand ausrief, unternahm sie nie etwas gegen unsere Zusammenkünfte. Doch gibt es immer einige einflußreiche Persönlichkeiten, die uns gegenüber so voreingenommen sind, daß sie alle Hebel in Bewegung setzen, um das Predigtwerk zu unterbinden. Zur Verteidigung der Zeugen schien Jehova allerdings jedesmal einen neuzeitlichen Gamaliel erweckt zu haben. (Vergleiche Apostelgeschichte 5:33-40.)

In den 60er Jahren gab es eine Gruppe, die alles daransetzte, Jehovas Zeugen in den Augen der Regierung schlechtzumachen; sie griff sie in der Presse und im Rundfunk an und drängte auf die Ausweisung aller Missionare der Zeugen. Die Regierung bildete einen Sonderausschuß, der klären sollte, was in Anbetracht all der Anschuldigungen zu tun sei. Bei dieser Sitzung war ein Rechtsanwalt zugegen, der einst eine Abhandlung über die von Jehovas Zeugen weltweit geführten Rechtsprozesse und deren Nutzen für die Allgemeinheit verfaßt hatte. Er setzte sich für die Zeugen ein und rief dem Ausschuß in Erinnerung: „Diese Menschen haben in zahllosen Ländern ihre Rechte geltend gemacht.“ Er bat die Regierung dringend, für die Zeugen mindestens ebensoviel zu tun, wenn nicht noch mehr. Der Ausschuß entschied, die Tätigkeit der Zeugen Jehovas nicht zu behindern.

Aufgrund derselben verleumderischen Zeitungsartikel wurde ein Bezirksschulrat gebeten, sich um die Angelegenheit in Verbindung mit Jehovas Zeugen zu kümmern. Dieser unvoreingenommene Mann kannte mehrere Zeugen und hatte einige ihrer Veröffentlichungen gelesen. Er erhob gegen die Überprüfung der Zeugen Einspruch und empfahl, statt dessen lieber die Verfasser jener Artikel in Augenschein zu nehmen, da das bestimmt lohnender wäre. Die Verfasser stellten wahrscheinlich viel eher eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes dar, argumentierte er.

Jehovas Zeugen sind strikt neutral, wenn es um politische Angelegenheiten und Konflikte geht. Aufgrund dieser Haltung werden sie mitunter ungerechtfertigterweise angegriffen. Kurz vor dem Bezirkskongreß 1966 versuchte der Erziehungsminister, einen Entscheid durchzusetzen, der allen Schülern vorschreiben würde, in der Schule die Fahne zu grüßen und die Nationalhymne zu singen. Doch jedesmal, wenn der Ausschuß zusammentrat, stellte einer im Ausschuß einen Antrag auf Vertagung. Unter ihnen war ein Mann, dessen Frau mit den Zeugen studierte. Er war sicher, daß sie stichhaltige biblische Gründe dafür hatten, an patriotischen Zeremonien nicht teilzunehmen. Der Minister sandte den Schulen Rundschreiben mit der Empfehlung an die Lehrer, den Kindern anzudrohen, sie von der Schule zu verweisen, wenn sie nicht die Fahne grüßten; aber dieser unsinnige Entscheid wurde nie in die Verfassung aufgenommen.

Das christliche Gewissen

Bei der Fahnengrußfrage sind die Schulkinder die Leidtragenden. Einige Lehrer haben in dem Bemühen, verständnisvoll zu sein, unbewußt versucht, die Kinder hinters Licht zu führen. Manche erzählen den Schülern, der Fahnengruß sei lediglich ein Zeichen des Respekts. Doch die Kinder von Jehovas Zeugen kennen sehr wohl den Unterschied zwischen Respekt — den sie den Fahnen aller Länder erweisen — und Götzendienst. Außerdem wissen sie, daß die Fahne in der honduranischen Nationalhymne als „göttliches Symbol“ und „heiliges Banner“ bezeichnet wird und damit eindeutig eine religiöse Bedeutung erhält.

In der Stadt San Juancito machte ein Lehrer einem jungen Zeugen einen „entgegenkommenden“ Vorschlag. Um sein Diplom zu bekommen, sollte er „nur dieses eine Mal“ die Fahne grüßen und hinterher einfach den Oberen seiner Religion „beichten“, um dann die Absolution zu erhalten. Der junge Bruder erklärte, bei einem Fehltritt sündige man in Wirklichkeit gegen Gott und Christus und sein Gewissen werde nicht von Menschenfurcht angetrieben, sondern von der Furcht, Gott zu mißfallen.

Auch einige Angehörige des Militärs haben inzwischen begriffen, daß ein Christ Gewalt nicht aus Feigheit oder aufgrund eines rebellischen Geistes ablehnt, sondern aus Gewissensgründen. Einige Brüder waren in der Nähe von Danlí im Dienst unterwegs und stießen dabei auf eine Patrouille, die Rekruten einzog. Man befahl zwei jungen Brüdern, in einen Bus zu steigen, der sie in das Hauptquartier des Bataillons bringen würde. Als der Bruder, der die Gruppe leitete, das erfuhr, bat er um die Erlaubnis, allen im Bus Zeugnis zu geben. Zuerst wandte er sich an den zuständigen Unteroffizier und erklärte ihm ausführlich den geistlichen Charakter der Tätigkeit dieser jungen Männer. Daraufhin veranlaßte der Unteroffizier ihre Freilassung, damit sie ihrer Tätigkeit in Ruhe nachgehen konnten.

Der Krieg von 1969

Einige Zeit lang wurden die Flammen der Rivalität und des Mißtrauens zwischen Honduras und El Salvador auf beiden Seiten durch nationalistische Propaganda im Rundfunk geschürt. Nicht selten sammelte sich der aufgebrachte Pöbel um die Häuser und Geschäfte der Salvadorianer in Honduras. Schon der kleinste Funke konnte eine gewaltige Explosion auslösen; genau das passierte im Juli 1969, als sich die honduranische und die salvadorianische Fußballmannschaft in San Salvador beim Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 1970 gegenüberstanden. Der Krieg ging mitten im Stadion los! Kaum zu glauben, daß Honduraner und Salvadorianer, die über eine Generation lang als Freunde und Nachbarn friedlich zusammen gelebt hatten, auf einmal zu den Pistolen und Macheten greifen und einander hinschlachten würden — aber genau das spielte sich in den Städten und Dörfern beider Länder ab.

Der Krieg mit seinen Begleiterscheinungen wie Verdunklungen, nächtliche Ausgangssperren, Arbeitslosigkeit, Belästigungen und Ausweisungen von Salvadorianern — darunter auch Brüder — wirkte sich auf die Versammlungen, den Dienst und die Zusammenkünfte der Zeugen nachteilig aus. Bruder Manuel Martínez vom Zweigkomitee, der heute im Kreisdienst tätig ist, weiß noch, daß 23 Brüder aus seiner Versammlung nach El Salvador zurückkehren mußten. Er erzählte: „Ich war bestürzt und etwas ratlos. Nachdem die schlimmste Phase des Krieges vorbei war, wollte ich das Wachtturm-Studium durchführen; nur zwei Leute kamen.“

In vielen Städten wurde eine Bürgerwehr gebildet, die es sich zur Aufgabe machte, Straßen und Häuser nach potentiellen Staatsfeinden abzusuchen. Von jedem Bürger der Gemeinde wurde erwartet, daß er sich an der Arbeit und den nächtlichen Patrouillen der Bürgerwehr beteiligte. Schwester Rubina Osejo leitete damals eine Privatschule. Abgesandte der Bürgerwehr sprachen sie an und baten sie um Mithilfe. Sie erinnerte sich an Jesu Rat, „vorsichtig wie Schlangen“ zu sein, und erwiderte, sie könne weder bei den nächtlichen Patrouillen mitmachen noch Geld beisteuern, dafür aber in geistiger Hinsicht wach bleiben und darum beten, daß der Krieg und die Ungerechtigkeiten bald ein Ende hätten (Mat. 10:16).

Wahre Christen können im Krieg durch ihren Wandel mitunter ein gutes Zeugnis geben. Einige Zeugen in El Progreso hatten einen Salvadorianer als Nachbarn, der die Zeugen nicht ausstehen konnte und sie wie Luft behandelte. Nachdem der Krieg ausgebrochen war, hatte es der Pöbel auf sein einträgliches Geschäft abgesehen. Als die Leute eines Tages drauf und dran waren, das Geschäft auszuplündern, rief ein Mann, der mit den Zeugen studierte, dem Pöbel zu: „Benehmt euch nicht wie Barbaren! Die Frau dieses Mannes ist eine Honduranerin, und ihr wollt ihren Kindern das Brot wegnehmen — Kinder, die eure honduranischen Brüder sind.“ Die Menge wich zurück, so daß sich der Salvadorianer mit ein paar Habseligkeiten und etwas Geld fortstehlen und im Königreichssaal verstecken konnte. Später erhielt er sein ganzes Eigentum zurück und verkündete: „Jetzt weiß ich, daß Jehovas Zeugen ehrliche und zuverlässige Leute sind, die sich in Kriegsangelegenheiten neutral verhalten.“ Mit Tränen in den Augen bat er die Brüder, ihm seine frühere Handlungsweise doch zu verzeihen.

Während der Krieg tobte, wurde ein honduranischer Bruder festgenommen und zu einem Unteroffizier gebracht, der ihm befahl, zur Armee zu gehen. Als der Bruder ihm die Gründe für seine Gewissensentscheidung in dieser Hinsicht auseinandersetzte, geriet der Unteroffizier außer sich. Drei Nächte lang versuchte er, die Lauterkeit des Bruders zu brechen. Er drohte sogar damit, ihn umzubringen — alles ohne Erfolg. Monate später verlor der Unteroffizier seinen Posten in der Armee und mußte sich nach einer anderen Arbeit umsehen. Er bekam eine Anstellung in einem Bergwerk. Sein Vorarbeiter kam ihm bekannt vor — zu seinem Entsetzen stellte er fest, daß es genau der Bruder war, den er verfolgt hatte! Der Bruder dachte jedoch nicht im entferntesten an Rache, sondern teilte sogar mit dem vor Angst schlotternden ehemaligen Unteroffizier sein Mittagessen und den Kaffee aus der Thermoskanne. Im Lauf der Zeit verflog die Angst des Mannes, und nach einer Weile war er mit einem Bibelstudium einverstanden.

Unter dem Verdacht, Salvadorianer zu sein, wurde ein Ehepaar verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Der Ehemann wurde zwar in El Salvador geboren, hatte aber nun die honduranische Staatsbürgerschaft; seine Frau kam aus Nicaragua. Ein Ältester und ein Missionar suchten den verantwortlichen Beamten auf und erklärten ihm, bei dem mittlerweile über 70 Jahre alten Ehepaar handle es sich um Zeugen Jehovas und ganz und gar nicht um Staatsfeinde. Der Beamte ließ die beiden aus der Zelle kommen. Beim Anblick der Brüder war das alte Ehepaar zu Tränen gerührt. Beeindruckt von der aufrichtigen Zuneigung zueinander trotz verschiedener Nationalitäten, ließ der Beamte das Ehepaar frei. Damit war die Gefahr allerdings nicht gebannt — erst mußten sie noch, verborgen im Kofferraum eines Autos, in Sicherheit gebracht werden. Erstaunlicherweise konnten sie alle Straßensperren passieren und fanden ein sicheres Versteck am Stadtrand.

Keine Schußwaffen nötig

In der heutigen gefährlichen Zeit voller Gewalttat verlassen sich etliche Menschen auf Pistolen und andere Waffen, um sich, ob nun Krieg oder Frieden herrscht, selbst zu verteidigen. Jedoch hat so mancher, der einst auf Schußwaffen baute, statt dessen gelernt, auf Jehova zu vertrauen.

Während des Krieges war der Schuldirektor des malerischen Gebirgsdorfes El Rosario zugleich auch Führer einer bewaffneten Gruppe, die nachts die Straßen abpatrouillierte — obgleich er heute zugibt, währenddessen die meiste Zeit getrunken zu haben. Er war überzeugter Patriot, war aber dagegen, Gefangene zu mißhandeln. Einmal wollte einer seiner Verwandten, der für seinen Hang zur Kriminalität bekannt war, wehrlose Männer, Frauen und Kinder niederschießen. Der Schuldirektor sagte ihm, wenn er auf diese Art seinen großen Mut beweisen wolle, solle er entweder an die Front gehen oder sich auf der Stelle mit ihm duellieren. Jahre später wurde dieser Direktor ein echter Soldat Christi, ein Zeuge Jehovas. Heute verteidigt er genauso mutig gerechte Grundsätze — allerdings mit dem Wort Gottes und nicht mit der Waffe.

Die Inhaberin einer Kneipe war stets bewaffnet und wurde von vielen gefürchtet. Ihr Haus hing voller Götzenbilder, und sie beschäftigte sich mit Zauberei, aber in ihrem tiefsten Innern war sie unglücklich und sehnte sich nach etwas Besserem. Das Wahrheits-Buch wies ihr den Weg, und dank eines Heimbibelstudiums zog sie nach und nach „die neue Persönlichkeit“ an (Eph. 4:24).

Sie besuchte die Zusammenkünfte und vernichtete ihre Götzenbilder, war aber sehr entmutigt, als sogenannte Freunde die Zeugen schlechtmachten. Die Schwester, die mit ihr studierte, war geduldig; mit der Zeit entwickelte die Frau so viel innere Stärke, daß sie sich traute, mit der Bibel von Haus zu Haus zu gehen — ohne ihre Pistole, versteht sich! Bald führte sie selbst sieben Bibelstudien durch. Seit ihrer Taufe im Jahr 1971 hat sie im ständigen Vertrauen auf Jehova stetig Fortschritte gemacht.

Santos war schon etwas älter, als er die Wahrheit kennenlernte. Er hatte als Militärbefehlshaber, Bürgermeister, Friedensrichter, Strafrichter und als Vorsitzender einer politischen Partei seiner Gemeinde fungiert. Zum Zeichen seiner Autorität trug er stets eine Pistole bei sich. Während seiner Laufbahn mußte er so manchen gefährlichen Verbrecher festnehmen. Als Santos ein Zeuge Jehovas wurde und den Haus-zu-Haus-Dienst aufnahm, stellte er fest, daß zu seiner neuen Laufbahn weit mehr Mut gehörte als zu seiner alten. Diesen Mut gab ihm nicht die Pistole, sondern das Gebet zu Jehova.

Einmal allerdings wurden die Zeugen mit einer Waffe verteidigt. Der Bischof von Santa Rosa de Copán machte den Brüdern ständig Schwierigkeiten. Jedesmal, wenn sie von Haus zu Haus gingen, folgte er ihnen, sammelte die zurückgelassene Literatur ein und verbrannte sie. Er stachelte seine Schäflein dazu auf, Steine auf das Dach des Königreichssaals zu werfen. Eines Abends riß jemand während der Zusammenkunft die Tür auf und schleuderte einen großen Eimer voll Schlamm in den Saal — damit ruinierte er unter anderem das weiße Kleid einer jungen Schwester. Ein Bruder meldete den Vorfall dem Polizeichef, der darüber entrüstet war. Er stürmte zum Bischof, deutete auf seine Pistole und sagte: „Wenn mir noch einmal zu Ohren kommt, daß ihr die Zeugen belästigt, werde ich von dem Ding hier Gebrauch machen.“ Der Bischof machte nie wieder Scherereien.

Was Jehova über Blut sagt

Hin und wieder wurde der Glaube von Zeugen Jehovas in Honduras durch eine Handvoll Ärzte und Chirurgen, die ihren biblischen Standpunkt in puncto Bluttransfusionen nicht respektieren, auf eine harte Probe gestellt. Cecilia und ihr Mann waren zum Beispiel in einen schweren Unfall verwickelt, bei dem sie mit einem Lkw kollidierten. Als die beiden endlich aufwachten, befanden sie sich im Krankenhaus, schwer verletzt. Cecilias Kiefer war zertrümmert. Die Ärzte sagten ihr, sie müsse operiert werden und eine Bluttransfusion erhalten. Mit ihrem zertrümmerten Kiefer konnte Cecilia kaum sprechen, brachte es aber irgendwie fertig, zu erklären, daß sie jede notwendige Behandlung akzeptieren werde — außer einer Bluttransfusion. Alle Konsequenzen werde sie auf sich nehmen. Der Arzt teilte ihr mit, daß sie dann das Krankenhaus verlassen müsse, da man nichts mehr für sie tun könne.

Bevor sie jedoch dazu kam, wurde sie von einer Gruppe junger Medizinalassistenten umringt, die sie auslachten und beschimpften und von ihr wissen wollten, wer ihr denn solch dummes Zeug eingeredet hätte. Sie sagten ihr, in diesem Krankenhaus hätten sie das Sagen und nicht die Zeugen Jehovas. Dann fixierten sie Cecilias Kiefer mit Drähten — eine Behandlung, die, wie sie sagten, „nicht einmal Tiere überstehen“. Als Cecilia sich über die Schmerzen beklagte, wurde sie wiederum von ihnen beschimpft; lediglich ein junger Mann schien etwas humaner zu sein. Er redete ihr mit den Worten zu: „Hören Sie, junge Frau, ich weiß, daß das unheimlich weh tut. Bitten Sie Ihren Gott Jehova, daß er Ihnen hilft, es auszuhalten.“

Zwei Tage später stellte dasselbe Team fest, daß ihr Werk nicht besonders gelungen war. Ohne großes Mitgefühl zogen sie die Drähte wieder heraus. Danach fixierten sie Cecilias Kiefer mit einer Schiene und gaben ihr drei Tage Zeit, um sich davon zu erholen. Die ganze Zeit über konnte sie nicht sprechen; sie konnte lediglich beten und über Gedanken wie den in Sprüche 3:5 nachsinnen, wo es heißt: „Vertraue auf Jehova mit deinem ganzen Herzen.“ Bei der nächsten Visite waren alle verblüfft. „Seht mal, wie gut es ihr geht“, rief einer. „Das muß an ihrer Ergebenheit Gott gegenüber liegen. Niemand sonst ist Gott so ergeben wie diese Leute“, meinte ein anderer dazu.

Die 13jährige Sonia Marilú war kränklich. Die Ärzte konnten sich nicht auf die Ursache ihrer Schmerzen einigen. Schließlich wurde es so schlimm, daß sie ins Krankenhaus mußte. Sie hatte eine Darmwandperforation und mußte sofort operiert werden. Die Eltern erklärten den Ärzten ihren Standpunkt hinsichtlich der Blutfrage. Deren Reaktion: „Wenn Sie unbedingt wollen, daß sie stirbt, operieren wir ohne Blut.“ Die Eltern machten sich mit Sonia daraufhin auf die gefährliche Reise nach El Salvador. Bei ihrer Ankunft dort war der Zustand des Mädchens äußerst bedenklich. Die Ärzte, darunter ein Zeuge Jehovas, untersuchten sie und führten die Operation ohne Blut durch. Trotz ihres kritischen Zustands überlebte sie die Operation.

Damit war sie noch nicht über den Berg. Nach vier Tagen verschlechterte sich ihr Zustand plötzlich, und sie mußte abermals operiert werden. Diesmal sollte ein anderes Team die Operation durchführen. Wegen der extrem niedrigen Blutwerte sagten die Ärzte zu Sonia: „Wenn du dir kein Blut geben läßt, wirst du sterben, und ohne Blut werden wir dich nicht operieren.“ Sie weigerte sich standhaft. Da es so aussah, als ob das Mädchen die nächsten 12 Stunden nicht überstehen würde, entschieden sich die Ärzte, dann doch zu operieren, „mit großem Risiko und gebundenen Händen“, wie sie sagten. Obwohl der Hämoglobinwert Sonias auf vier Gramm pro Deziliter gesunken war, transfundierten die Ärzte kein Blut. Am nächsten Morgen war Sonia zur großen Überraschung aller munter und befand sich auf dem Weg der Besserung. Ein Arzt meinte: „Du warst schon fast bei Gott, aber er hat dich wieder zurückgeschickt. Er hat dich offenbar sehr lieb.“

Sonia mußte eine ganze Weile auf der Intensivstation bleiben, währenddessen die Ärzte immer noch empfahlen, Blut zu geben, um den Heilungsprozeß zu beschleunigen. Langsam, aber sicher erholte sie sich — ohne Blut. Bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus sagte einer der Ärzte, die sie zuerst operiert hatten, zu ihr: „Du hast Gottes Gesetz beachtet, auf dein Gewissen gehört und läufst nun nicht Gefahr, Aids zu bekommen.“

„Im Geringsten treu“

Die honduranische Regierung führt einen ständigen Kleinkrieg gegen kleine Gauner. Nachbarn führen endlose Prozesse, da es sich im ganzen Land eingebürgert hat, sich etwas auszuleihen und nicht wieder zurückzugeben. Vor der Taufe müssen Neue lernen, ein solches Verhalten zu ändern und ‘im Geringsten treu zu sein’ (Luk. 16:10).

Ein Ehepaar, Edmundo und Estela, erkannte, daß es nicht nur richtig, sondern auch vorteilhaft ist, ‘Cäsars Dinge Cäsar zurückzuzahlen’ (Mar. 12:17). Sie führten neun Jahre lang Waren aus Guatemala und Mexiko ein und stellten fest, daß einige Zollbeamte bereit waren, die Einfuhrsteuer „inoffiziell“ zu senken. Von Anfang an hatten sie sich als Zeugen Jehovas zu erkennen gegeben; allmählich gewannen sie durch ihre Ehrlichkeit das Vertrauen der Beamten. Heute brauchen sie lediglich die Zollerklärung auszufüllen; ansonsten genügt ihr Wort. Wenn andere Importeure beobachten, daß das Ehepaar wenig Probleme beim Zoll hat und ihre Ware nicht ständig beschlagnahmt wird, überlegen sie sich, ob sie nicht auch etwas ehrlicher sein sollten.

Ein Bruder aus San Pedro Sula arbeitete 18 Jahre lang beim staatlichen Zoll- und Finanzamt. In einem Interview erklärte er: „Die Verlockung, sich so zu bereichern, daß einem niemand auch nur das Geringste nachweisen kann, ist sehr groß, aber ich möchte mein Gewissen nicht belasten. Außerdem weiß ich, daß Jehovas Augen immer wachsam sind. Einmal sollte ich am Steuerwert einiger Autos etwas drehen und mir dafür eins dieser Autos aussuchen. Aber solch ein — wenn auch verlockendes — Angebot ist nicht zu vergleichen mit einem guten Gewissen und der Achtung von Kollegen und Direktoren. Letztes Jahr wurde ich zu einem Seminar eingeladen und dort von dem UN-Vertreter für Zollangelegenheiten während seiner Schlußbemerkungen gebeten aufzustehen. Er gratulierte mir vor allen dafür, gesetzestreu, unbestechlich und damit ein nachahmenswertes Beispiel zu sein.“

Fortschritt in ländlichen und abgelegenen Gebieten

Die Brüder bemühen sich sehr, die Menschen in abgelegenen Gebieten zu erreichen. Das verlangt zwar viele Opfer, aber wie man oft hört, wiegen die Freuden und die Zufriedenheit all die Mühe bei weitem auf.

In Puerto Cortés, einer Hafenstadt an der karibischen Küste, die teilweise auf Sumpfland gebaut worden ist, gibt es heute mehrere blühende Versammlungen. Robert Schmidt, der dort Ende der 60er Jahre als Missionar diente, erinnert sich daran, das 80 Kilometer lange Gebiet, in dem es zu der Zeit nur eine Versammlung gab, zu Fuß bearbeitet zu haben. „Damals war der Weg zu den Häusern in der Nähe der guatemaltekischen Grenze sehr beschwerlich — ein siebentägiger Fußmarsch. Nur kleine Gruppen schafften es. Wer interessiert war, erhielt meistens Literatur im Tausch gegen Lebensmittel; viele, die von der Landwirtschaft leben, haben wenig oder gar kein Geld. Abends auf dem Rückweg führten wir bei Kerzenschein Rückbesuche und Bibelstudien durch.“ Was war der Lohn? 1971 wurde in Omoa, einer der größeren Orte in der Gegend, eine Versammlung gegründet.

Während der 70er Jahre sorgte die Versammlung in Puerto Cortés dafür, daß die verstreuten Gebiete im Osten von Brüdern bearbeitet wurden, die entweder mit dem Zug der Pflanzungsgesellschaft oder mit einem alten, aber zuverlässigen Landrover dorthin fuhren. Ein dickes Seil und ein paar Schaufeln gehörten zur Standardausrüstung. Während der Regenzeit bildeten die Lkws in der Regel vor besonders gefährlichen Schlammlöchern eine Schlange. Kam ein Lkw durch, gab es ein großes Hallo; kam er nicht durch, wurden Seile und Schaufeln hervorgeholt. Man stelle sich das einmal bildlich vor: Alle zogen die Schuhe aus, die Brüder krempelten die Hosen hoch, die Schwestern rafften die Röcke, und dann ging es ans Schaufeln. Wiederum wurden die Brüder für ihre geduldige Arbeit belohnt — mit einer wachsenden Verkündigergruppe in Baracoa und einer blühenden Versammlung in La Junta am Río Ulúa. Heute besitzen beide einen eigenen Königreichssaal.

Einige Sonderpionierinnen, unter ihnen auch Olga Aguilar (jetzt Walker), aus der Versammlung Choluteca im Süden besuchten Guásimo, einen kleinen Ort hoch oben in den Bergen. Mit Hilfe weiterer Brüder versammelten sich dort im Lauf der Zeit 25 Personen. Allerdings erkannten sie, daß sie mit Glaubensbrüdern Umgang pflegen mußten, um in geistiger Hinsicht Fortschritte zu machen. Aber wie? Nach Choluteca mußten sie fast drei Stunden laufen. Da sie nur kleine Packesel hatten, war die eigentliche treibende Kraft ihre Liebe zu Jehova. Interessanterweise kamen die Brüder aus Guásimo in der Regel als erste im Saal an. 1970 ließen sich auf dem Kreiskongreß in Choluteca 13 Brüder aus Guásimo taufen. Einer davon war ein Bruder, der beschlossen hatte, daß seine Familie mehr von den Zusammenkünften haben sollte, und deshalb buchstäblich mit seinem ganzen Haus in die Stadt zog. Wie? Jedesmal, wenn er zur Zusammenkunft ging, trug er einen Teil seines Hauses auf dem Rücken dorthin.

Brüder aus der Versammlung in El Progreso konnten bei einem ihrer Besuche in der etwa 24 Kilometer weiter südlich gelegenen Stadt Santa Rita beim Inhaber eines Friseursalons Literatur zurücklassen. Er bestürmte die Brüder, bei ihm zu bleiben und ihm mehr zu erklären, aber sie wollten vor ihrer Rückfahrt so viele Leute wie möglich in der Stadt ansprechen. Der Mann bat sie: „Wenn Sie bleiben und mir noch mehr erklären, können Sie heute bei mir übernachten und auch essen, so daß Sie keine wertvolle Zeit verlieren.“ Insgesamt aßen und übernachteten damals 15 Brüder im Haus des Friseurs.

Familien aus dem Ausland kommen zu Hilfe

Viele, die nicht als Missionare dienen können, haben dennoch Missionargeist. Als daher die Brüder vom Jahr 1968 an durch den Wachtturm angespornt wurden, in Länder zu ziehen, wo größerer Bedarf an Verkündigern bestand, gingen im honduranischen Zweigbüro Hunderte von Briefen aus mindestens 24 Ländern ein.

Für alle, die sich dahin gehend erkundigten, hatte Grant Allinger, der damalige Zweigdiener, ein acht Seiten langes Merkblatt mit ausführlichen und konkreten Hinweisen vorbereitet. Was war das Ergebnis? Von 1968 bis 1974 zogen mindestens 35 Familien aus allen Teilen der Welt nach Honduras — aus Deutschland, England, Kanada, den Vereinigten Staaten und sogar von Neuseeland.

Der eine oder andere stieß bei der Verwirklichung seiner Pläne auf erhebliche Schwierigkeiten. Eine Familie aus Kanada hatte sich alle nötigen Informationen besorgt, die Kosten berechnet und den Umzug in die Wege geleitet. Aber dann tauchte ein ernstes Problem auf: Womit würden sie die Reise finanzieren? Sie mußten ihr Auto verkaufen, um die Schulden tilgen zu können, doch das Abreisedatum rückte immer näher, und sie hatten nach wie vor nur 16 Dollar in der Tasche. Jehova ließ sie nicht im Stich. Am Tag vor ihrer Abreise konnten sie den Wagen verkaufen! Aber das war noch nicht alles: Jeder ihrer Freunde, der vorbeikam, um ihnen eine gute Reise zu wünschen, drückte ihnen zur Unterstützung eine Kleinigkeit in die Hand, so daß sie zum Schluß 600 Dollar beisammenhatten. Sie bedankten sich bei ihren Freunden und bei Jehova.

Diejenigen, die dort dienen, wo größerer Bedarf an Verkündigern besteht, haben sich für das Werk als ein wahrer Segen erwiesen. 1969 kam zum Beispiel Raymond Walker aus England nach Honduras. Es dauerte eine Weile, bis er sich eingewöhnt und die Sprache erlernt hatte, doch dann schloß er sich den Pionieren an und kam später zusammen mit seiner Frau Olga in den Kreis- und Bezirksdienst. Derzeit dient er in dem fünfköpfigen Zweigkomitee.

‘Rettung für alle Arten von Menschen’

Der Apostel Paulus sagte zwar, daß „allen Arten von Menschen“ Rettung zuteil werden würde, aber er sagte auch, „daß nicht viele, die dem Fleische nach Weise sind, berufen wurden, nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Geburt“ (Tit. 2:11; 1. Kor. 1:26). Das hat sich auch in Honduras bewahrheitet. Alle Arten von Menschen — eine buntgemischte Gruppe — haben die Wahrheit angenommen, nur nicht so viele von den Reichen oder Mächtigen.

Da ist zum Beispiel eine Frau, deren Mutter verschiedene Bordelle leitete und so für sich und ihre Tochter den Lebensunterhalt verdiente. Nach dem Tod ihrer Mutter trat die Tochter in ihre Fußstapfen. Es war für sie nicht leicht, die Wahrheit anzunehmen, aber sie schaffte es — das Familienunternehmen gab sie natürlich auf! 1976 wurde sie Pionier; gegenwärtig verdient sie sich ihren bescheidenen Lebensunterhalt als Wäscherin.

Filander fing schon als kleiner Junge an zu studieren, doch sein Vater hielt überhaupt nichts davon. Je mehr Fortschritte Filander machte, um so stärker versuchte sein Vater, ihn davon abzuhalten. Er wollte, daß sein Sohn die Universität besucht und es in der Welt zu etwas bringt. Er erlaubte ihm nicht, zu den Zusammenkünften, zu den Kongressen oder in den Dienst zu gehen, dennoch gelang es dem Jungen irgendwie immer wieder, dies trotzdem zu tun. Er ließ sich 1972 taufen und hat seither beständig Fortschritte gemacht. Zuerst nahm er den Pionierdienst auf, später wurde er zum Ältesten ernannt. Nachdem er zusammen mit der Baumannschaft in Honduras am Bethel gearbeitet hatte, wurde er für eine ähnliche Arbeit nach Kolumbien geschickt. Seine Angehörigen sind im Lauf der Jahre etwas aufgeschlossener geworden.

Wenn man bei Antonio von einem Beruf sprechen will, dann war es das Trinken, denn damit verbrachte er einen Großteil seiner 80 Lebensjahre. Viele Missionare hatten mit ihm studiert — allerdings ohne Erfolg; daher rieten die Brüder einem Missionar namens Russell Graham, der es nochmals mit dem Mann versuchen wollte, seine Zeit lieber nicht zu verschwenden. Antonio hatte jedoch eine gute Eigenschaft — er war demütig. Obwohl seine Auffassungsgabe durch den Alkohol so vermindert war, daß er denselben Stoff dreimal studieren mußte, machte er schließlich so weit Fortschritte, daß er sich Gott hingeben und taufen lassen konnte. Er diente Jehova treu bis zu seinem Tod.

José war zwar katholisch erzogen worden, studierte aber sozialistische Philosophie und Atheismus. Da ihn die auf der Universität gelehrte Ansicht, die Menschheit sei das Produkt der Evolution, überzeugte, glaubte er schließlich überhaupt nicht mehr an Gott. Nach dem qualvollen Tod seines Stiefsohns im Jahr 1966 ging ihm auf, wie hilflos der Mensch dem Tod gegenübersteht. Eines Tages erzählte ihm ein Missionar von der Auferstehungshoffnung. Damit war sein Interesse geweckt, und Schritt für Schritt wuchs sein Glaube an Gott wieder, der diesmal jedoch eine solide Grundlage hatte. Er erfuhr, daß nicht der Sozialismus, sondern Gottes Königreich die einzige Lösung ist, und so wurde er ein Königreichsverkündiger. Inzwischen wurde er zum Ältesten ernannt und diente einige Jahre als Kreisaufseher.

Die Früchte des informellen Zeugnisgebens

Eine der schönsten Facetten des christlichen Dienstes in Honduras ist das informelle Zeugnisgeben. Auf Marktplätzen, in Wartezimmern, in Zügen und an Bushaltestellen — überall sieht man Menschen zusammenstehen und reden. Das macht es relativ leicht, sie informell auf ein biblisches Thema anzusprechen.

In der Stadt Omoa wohnte eine Frau, die Jehovas Zeugen überhaupt nicht leiden konnte. Sie ließ sich nie auf ein Gespräch ein und nahm keine Literatur. Jedoch war sie am Geldverdienen interessiert und züchtete deshalb Hühner. Ein Bruder, der ihre Einstellung kannte, unterhielt sich ganz ungezwungen mit ihr über ein paar Möglichkeiten, bei der Aufzucht von Hühnern Zeit und Geld zu sparen. Das hörte sie natürlich gern. Ein paar Wochen später erschien im Erwachet! ein Artikel darüber, wie man Zeit und Geld sparen kann; der Bruder brachte der Frau eine Ausgabe. Sie freute sich darüber und nimmt seitdem gern Literatur entgegen.

Während eine Schwester in einem Laden arbeitete, kam ein junger Mann mit langem Haar herein, der ihr etwas unheimlich war. Sie nahm all ihren Mut zusammen und erzählte ihm vom Paradies, doch er gab barsch zurück, er glaube nicht an Ammenmärchen und sei ein drogenabhängiger Hippie. Unbeirrt gab ihm die Schwester jedoch jedesmal, wenn er wiederkam, ein kurzes Zeugnis. Einmal erklärte sie ihm anhand von 1. Korinther 6:9-11, daß nicht das zähle, was man einmal gewesen sei, sondern das, was man jetzt aus sich mache. Auf seine Frage, wie sie über sein langes Haar denke, antwortete sie, sie könne anderen nicht vorschreiben, wie sie auszusehen hätten, aber sie teile die Ansicht der Bibel, daß langes Haar dem Mann zur Unehre gereiche (1. Kor. 11:14). Am nächsten Tag kam er glatt rasiert und mit kurzem Haar! Er bat um ein Bibelstudium; ein Bruder erklärte sich gern bereit, mit ihm zu studieren. Heute ist er getauft und führt selbst Bibelstudien durch.

Ein kleiner Junge hatte die Angewohnheit, mit jedem zu sprechen, den er traf — wie Siebenjährige das nun mal so tun. Eines Tages sah er vor dem Haus, in dem er wohnte, einen Mann sitzen, der in einem Buch las, und er fragte ihn, ob das eine Bibel sei. Als er hörte, daß dem nicht so war — es handelte sich vielmehr um ein Handbuch für Mechaniker —, sagte er zu dem jungen Mann unverblümt, er könne nur dann ewiges Leben bekommen, wenn er ernsthaft in der Bibel lese. „Wenn du willst, kann mein Vater mit dir studieren“, sagte er und führte den jungen Mann ins Haus zu seinem Vater. Die Begebenheit endete damit, daß der junge Mann sich 1976 taufen ließ. Wie sich herausstellte, hatte er Jahre zuvor von einer Schwester Zeitschriften erhalten, dann aber den Kontakt zu ihr verloren. Wie wichtig doch informelles Zeugnisgeben ist!

Eheschließungen

Viele Pärchen, die die Wahrheit kennenlernen, werden sich klar darüber, daß sie ihre Ehe gesetzlich eintragen lassen müssen. Allein von der Versammlung Bella Vista in Comayagua wurde berichtet, daß bis 1973 32 Pärchen geheiratet hatten — also über die Hälfte der 120 Verkündiger starken Versammlung!

Teodoro und Mélida waren bereits Großeltern. Mélida studierte die Bibel und entschloß sich, Jehova zu dienen. Der 60jährige Teodoro war mit einer Heirat einverstanden. Also gingen die beiden in Begleitung von zwei Enkeln zum Standesamt. Kurz vor der Zeremonie wandte sich Teodoro an den Standesbeamten und fragte: „Haben Sie jemals ans Heiraten gedacht?“ Es war allgemein bekannt, daß er mit einer Frau zusammenlebte und drei uneheliche Kinder hatte.

Doch was tut man, wenn der Partner nicht heiraten will? Das war Gladys Problem. Seit Jahren lebte sie mit Antonio zusammen, und sie hatten drei Kinder. Sie hatte mit einer Missionarin studiert und wollte ihr Leben in Ordnung bringen, um Jehova dienen zu können. Schließlich teilte sie Antonio mit: „Ich werde von nun an bei den Kindern schlafen — bis wir heiraten. Wenn wir verheiratet sind, kann ich wieder bei dir schlafen.“ Sie machte Ernst damit; Antonio wurde immer mißmutiger. Nach sechs langen Monaten kapitulierte er und sagte: „Na gut, heiraten wir eben!“

Kinder großziehen

Ein wichtiger Aspekt unseres Dienstes ist, Eltern beizubringen, die von Gott kommende Verantwortung, ihre Kinder zu belehren, zu erfüllen. Ein Ehepaar mit fünf Kindern begann ein Studium, machte gute Fortschritte und kam bald zu den Zusammenkünften. Die Zusammenkünfte verfehlten ganz offensichtlich nicht ihre Wirkung. Einmal schlief der Missionar, der mit ihnen die Bibel studierte, während des Studiums ein. Fairerweise sollte man dazu sagen, daß die Temperaturen unter dem Blechdach wahrscheinlich auf über 50° C geklettert waren. Der Vater setzte den Rat, den er in den Zusammenkünften über die Belehrung der Familie gehört hatte, in die Tat um und leitete das Studium einfach weiter, bis der Missionar — etliche Abschnitte weiter — wieder aufwachte. Seitdem sind einige Jahre vergangen, in denen Jehova diese fleißige Familie gesegnet hat. Der Vater ist Dienstamtgehilfe, seine Frau Hilfspionier und der älteste Sohn allgemeiner Pionier.

Der dreijährige Ernesto sah viel zu viel fern, und wie viele andere Eltern auch, waren seine Eltern deswegen beunruhigt. Den lieben langen Tag sagte er Werbesprüche her. Um diesem schädlichen Einfluß entgegenzuwirken, kauften ihm seine Eltern die Kassetten Mein Buch mit biblischen Geschichten und zeigten ihm, wie man den Fernseher ausschaltet. Ernesto hatte eine schnelle Auffassungsgabe; bald kannte er die Kassetten so gut auswendig, daß man ihm nur die Nummer der Geschichte zu nennen brauchte, und schon sagte er sie auf. Einmal sah Ernestos Vater in der Zusammenkunft todmüde aus. Jemand fragte ihn, warum er nicht gut geschlafen habe. Er erwiderte mit matter Stimme: „Wir konnten Ernesto erst bei Geschichte 43 stoppen.“ Ernesto ist heute zehn Jahre alt und fleißig im Dienst. Seine Eltern sind froh, daß sie sich die Mühe gemacht haben, seinen Sinn mit förderlichen Dingen zu füllen.

Können kleine Kinder wirklich auf der Grundlage dessen, was sie von den Eltern oder Großeltern gelernt haben, eigene Entscheidungen treffen? Der kleine, vierjährige Mario wohnt in La Ceiba und ist oft bei seiner Großmutter Chepita, die seit Jahren eine Zeugin ist. Eines Tages kam Marios andere Großmutter zu Besuch, die katholisch ist, und fragte Mario, ob er mit ihr in die Kirche gehen wolle. „Jetzt nicht mehr, Omi“, sagte er. Auf ihre Frage, warum nicht, antwortete er ihr: „Babylon die Große, Omi!“

Hindernisse überwinden

Natürlich sind nur die wenigsten in der glücklichen Lage, Jehova ohne ernsthafte Hindernisse und Schwierigkeiten dienen zu können. Emilia hörte 1967 zum ersten Mal etwas von der Königreichsbotschaft; sie war zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet, aber nicht glücklich. Anfangs nahm sie die Wahrheit auf die leichte Schulter. Doch als sie damit langsam Ernst machte, drohte ihr Mann, die Schwester, die mit ihr studierte, aus dem Haus zu werfen. Emilia sagte bestimmt: „Wenn du sie hinauswirfst, studieren wir auf der Straße.“ Einmal ging Emilia am Stammlokal ihres Mannes vorbei, um Bescheid zu sagen, daß sie zur Zusammenkunft gehe. Bei ihrer Rückkehr erwartete ihr Mann sie an der Straßenecke und beschimpfte sie lauthals als Prostituierte.

Trotz derartiger Demütigungen und sogar Schlägen beschloß Emilia, sich taufen zu lassen. Obgleich sie danach 20 Jahre ständiger Gegnerschaft ertragen mußte, belehrte sie auch ihre Kinder. Sie brachte ihnen bei, biblische Gespräche zu führen, die sie von klein auf oft zwischen Sträuchern und Blumen im Garten übten. Lohnte sich all die Mühe? Heute sind von ihren acht Söhnen zwei Dienstamtgehilfen und zwei allgemeine Pioniere. Und wie steht es mit Emilias Mann? Er willigte letztendlich in ein Bibelstudium ein, das eine seiner Töchter, eine allgemeine Pionierin, mit ihm durchführte.

Auch der Arbeitsplatz kann ein echtes Hindernis sein, wenn man Jehova dienen will. Dienstmädchen oder Hausangestellte müssen in Honduras lange arbeiten und werden oftmals geradezu wie Sklaven behandelt, von denen man erwartet, sieben Tage in der Woche zu Diensten zu stehen. Aus Angst davor, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, trauen sich viele nicht, darum zu bitten, sich von der Arbeit entfernen zu dürfen. Eine junge Schwester hingegen stellte gleich von Anfang an klar, sie werde die Stelle nur annehmen, wenn sie sich für die Anbetung Jehovas frei nehmen könne. Neben der Versorgung ihres eigenen Haushalts führte sie mit elf Personen Heimbibelstudien durch, die fast alle die Zusammenkünfte besuchten.

„Fifi“ schlägt zu!

Naturkatastrophen gibt es in Honduras zur Genüge. Hurrikane sind für das Land nichts Neues, doch mit dem Hurrikan „Fifi“, der im September 1974 an der Nordküste tobte, erlebte das Land die schlimmste Naturkatastrophe seiner Geschichte. Im Katastrophengebiet lebten ungefähr 1 600 Zeugen Jehovas (zwei Drittel der Zeugen des ganzen Landes). Unter den 10 000 Menschen, die ihr Leben verloren, war keiner unserer Brüder. Allerdings verloren viele ihre Häuser sowie ihr Hab und Gut, und riesige Überschwemmungen zerstörten die Kommunikationssysteme, Straßen, Bahnlinien und Brücken, auf die jeder angewiesen war. Eine Gruppe von Zeugen machte sich vom Bahnhof in Baracoa aus mit dem Kanu auf den Weg, um sich um das Wohl der Brüder und der Interessierten in den abgelegenen Gebieten zu kümmern. Sie stellten fest, daß sie die 55 Kilometer lange Strecke nach Tela mit dem Kanu zurücklegen konnten! Hausdächer und Baumwipfel dienten als Orientierungshilfen. Als sie einen Baum streiften, fiel eine „gestrandete“ Korallenschlange ins Kanu. Hastig töteten sie das giftige Reptil mit einer Machete, bevor es ihnen etwas antun konnte.

„Fifi“ verursachte noch weitere Probleme. Zwei Kreiskongresse mußten verschoben werden. Der Predigtdienstbericht für September fiel sehr niedrig aus, da viel Zeit und Kraft in die Hilfsaktionen investiert wurde. Brüder aus aller Welt sandten Spenden, so daß in kürzester Zeit Hilfsgüter aus New York, New Orleans und Belize eintrafen. In knapp einem Monat wurden etwa 29 000 Kilogramm Vorräte an die Brüder, deren Familien und deren Freunde verteilt. Der 6. November jenes Jahres blieb allen unvergeßlich. Trotz großer Hindernisse wurde mitten im Katastrophengebiet ein eintägiger Kreiskongreß mit 4 000 Anwesenden abgehalten. Viele Brüder und Schwestern stellten dann erst fest, daß ihre lieben Freunde am Leben und unversehrt geblieben waren, und weinten vor Freude und Erleichterung.

Im darauffolgenden Jahr bauten die Brüder zwei neue Königreichssäle und 36 neue Häuser. Manche Häuser wurden an ihrem alten Platz wieder aufgebaut, andere allerdings woanders, denn wo sie vorher gestanden hatten, war jetzt Flußbett! Aus lauter Dankbarkeit für die erhaltene Unterstützung baute ein Bruder sein neues Haus gleich so um, daß er noch das Geld und den Platz hatte, auf demselben Grundstück einen neuen Königreichssaal zu errichten.

Schwere Erdbeben

„Wie das Rattern von hundert Güterzügen“ — so beschrieb ein Bruder das Erdbeben vom 4. Februar 1976, bei dem sein Haus so heftig schwankte, daß es von seinen 2,7 Meter hohen Pfählen in den Sumpf kippte. Ungefähr 150 weitere Häuser in der Stadt wurden ebenfalls schwer beschädigt. Aber das Epizentrum des Bebens der Stärke 7,5 war kurz hinter der guatemaltekischen Grenze, wo der größte Schaden entstand. Ein Fischer, der in jener mondhellen Nacht ein paar Kilometer von der Küste entfernt war, erzählte, er habe ganz verblüfft beobachtet, wie das Meer plötzlich spiegelglatt wurde. Dann sprangen seltsamerweise überall Fische aus dem Wasser. Er konnte sich zuerst keinen Reim darauf machen, bis dann alle Lichter in der Stadt ausgingen und ein fürchterliches Grollen über das Wasser hallte.

Der Motaguagraben bebte 1980 erneut, und die Menschen wurden noch einmal aus dem Bett geworfen, aber es wurde längst nicht soviel Schaden angerichtet. Die Menschen dort sagen selbst, all das sei ein Zeichen der letzten Tage. Leider handeln die meisten nicht dementsprechend. Trotz der schweren Erdbeben und der allgemeinen Gleichgültigkeit breitet sich das Königreichswerk in Honduras immer mehr aus. Schließlich ist auch das ein Teil des Zeichens der letzten Tage (Mat. 24:7, 14).

Der Euphrat trocknet aus

Wer nicht genau unterrichtet ist, meint vielleicht, Religion werde in Honduras großgeschrieben; etliche Kirchen sind immer noch gut besucht, zumindest bei besonderen Anlässen. Doch wird immer offensichtlicher, daß die Wasser — das heißt die Menschen, die Babylon die Große einst unterstützten — allmählich austrocknen (Offb. 16:12; 17:1, 15). Langsam verschließen die Menschen ihre Augen nicht mehr vor der rauhen Wirklichkeit.

Die Katholiken in Honduras sind beispielsweise große Verehrer sogenannter Heiliger. Viele von ihnen waren daher tief erschüttert, als der Papst im Mai 1969 etwa 200 „Heilige“ vom offiziellen liturgischen Kalender strich. Der „heilige“ Martin von Porres, ein schwarzer peruanischer Heiliger, der sich angeblich mit Tieren verständigen konnte, wurde nicht gestrichen, wohingegen der besonders bei Lkw-, Bus- und Taxifahrern beliebte „heilige“ Christophorus gestrichen wurde, weil seine Geschichtlichkeit nicht beweisbar ist. Solche Entscheidungen riefen bei den Menschen einen Sturm der Entrüstung hervor, weil sie all die Jahre betrogen worden waren.

Ein 23jähriger überzeugter Katholik war ein militantes Mitglied einer „christlichen“ Bewegung und fast so einflußreich wie der Priester. Eines Tages trat in seinem Leben eine Wende ein. Während seines Besuchs bei einem Freund tauchte urplötzlich der Priester auf — und zwar völlig betrunken. Auf äußerst unflätige Weise beleidigte der Priester den jungen Mann und beschuldigte ihn, sich in sein Privatleben einzumischen — ein Leben, das, genau besehen, nicht gerade mustergültig war.

Desillusioniert kehrte der Mann der Kirche den Rücken. Einige Wochen später nahm er in einer führenden evangelikalen Gemeinde „den Herrn an“, war jedoch von der Heuchelei und den leeren Traditionen dort genauso enttäuscht. Und so griff er ein Jahr danach zu der seiner Meinung nach letzten Alternative: einem Bibelstudium mit Jehovas Zeugen. Eigentlich hielt er damals nicht viel von Jehovas Zeugen, aber bald war er von der Logik ihrer biblischen Lehren beeindruckt. Er machte Fortschritte und vermittelte seiner Familie alles, was er lernte. 1975 gab er sich Jehova hin und dient ihm bis zum heutigen Tag.

Eine ältere Dame namens Marta sagte den Zeugen, die bei ihr vorsprachen, sie würde gern mehr über die Bibel wissen und wäre bereit, mit ihnen zu studieren, aber sie werde nie und nimmer ihre Religion wechseln. Die Zeugen versprachen ihr, sie nicht zu zwingen, irgendwo beizutreten. Nach fünf Monaten besuchte sie das erste Mal die Zusammenkünfte. Früher hatte sie als Diakonisse bei den Adventisten gearbeitet. Als Angehörige ihrer Kirche sie endlich besuchten, sagte sie zu ihnen, ihre Kirche sei tot im Vergleich mit den Zeugen, die von Liebe und Hoffnung erfüllt seien.

In einer Gegend wohnten drei Familien nebeneinander, die sich ständig in den Haaren lagen. Die eine Familie gehörte zu den Pfingstlern, die andere zu den Evangelikalen, die dritte zu den Adventisten. Erstaunlicherweise reagierten alle drei Familien positiv auf die gute Botschaft, die ihnen ein Missionar überbrachte. Der Missionar schlug vor, mit allen gemeinsam zu studieren. Dadurch konnten sie ihre Unstimmigkeiten Schritt für Schritt bereinigen. Das sind die Früchte der wahren Religion (Joh. 13:35).

Als Folge der religiösen Irrlehren, die jahrhundertelang in Honduras verbreitet wurden, lebt der Honduraner im ständigen Gedanken an den Tod. Selbst die schlimmsten Feinde eines Mannes erscheinen bei seiner Beerdigung, um fröhlich zu feiern, die Nacht durchzuzechen und Karten zu spielen. Eine Pionierin an der Nordküste erinnert sich, daß sie mit einem älteren Mann vor seinem ärmlichen Haus sprach. Als sie mit einem neugierigen Seitenblick auf den Sitzplatz des Mannes schaute, erklärte er ihr, daß es sein Sarg sei. Er hatte den Sarg schon so lange, daß er bereits verrottete. Dann zeigte der Mann stolz seinen neuen Sarg im Haus, der auf Balken über seinem Bett ordentlich aufgestellt war. Es bleibt abzuwarten, wie viele Särge der Mann überdauern wird.

Die Segnungen und Herausforderungen des Kreisdienstes

Die Kreisaufseher und ihre Frauen sowie ihr Einsatz für die Wahrheit werden in Honduras sehr geschätzt — und das aus gutem Grund. Es ist eine Arbeit, die Freude bringt, aber auch große Opfer verlangt. Transportmöglichkeiten stellten früher ein echtes Problem dar. Ein Bruder aus der hoch oben in den Bergen gelegenen Stadt Siguatepeque erinnert sich, wie ein Kreisaufseher schweißgebadet zu Fuß ankam und eine schwerbeladene Schubkarre mit der Ausrüstung für die Woche vor sich herschob.

Schlechtes Wetter, Flüsse, die Hochwasser führen, und fehlende Straßen erschwerten es diesen Männern und ihren Frauen oftmals, von Versammlung zu Versammlung zu reisen. Gary und Elaine Krause, Missionare der 41. Gileadklasse, waren dem Kreis von San Pedro Sula bis Limón, am Rand der Mosquitia, zugeteilt. Bei sehr schlechtem Wetter kamen weder Züge noch Pferde durch. Mehr als einmal mußten die Krauses mit ihrem Gepäck 80 Kilometer am Strand entlang von Trujillo nach Limón und wieder zurück laufen. Der leichte Seewind machte die brütende, tropische Hitze etwas erträglicher, trotzdem fanden sie es manchmal angenehmer, nachts zu reisen.

Aníbal Izaguirre diente 1970 als Kreisaufseher an der Nordküste und sollte Chacalapa, ein abgelegenes Dorf, besuchen. Die erste Reiseetappe legte er zwischen Bananen, Kokosnüssen und diversen Tieren mit der Eisenbahn der Pflanzungsgesellschaft zurück. Dann ging es mit dem Lkw auf einer holprigen Straße bis in das einsame Dorf El Olvido, dessen Name soviel wie „Vergessenheit“ bedeutet. Das letzte Stück war ein vierstündiger Marsch; hin und wieder watete er bis zur Brust im Wasser durch einen Fluß mit dem Koffer auf dem Kopf, während die Affen auf den Bäumen kreischten. Unterwegs traf er einen stämmigen Schwarzen, der ihm anbot, seinen Koffer zu tragen und ihn zu seinem Ziel zu führen. Schließlich stellte der große Mann in einer Lichtung mitten im Dschungel, wo etwa 50 strohgedeckte Hütten standen, den Koffer ab und verkündete: „Wir sind in Chacalapa!“ All die Mühe hatte sich jedoch gelohnt, denn auf einem Schild an einer Hütte stand: „Königreichssaal der Zeugen Jehovas“. Elf Verkündiger versammelten sich dort.

Ungewöhnlich für den Kreisdienst ist die Erfahrung von Julio Mendoza aus der Versammlung in Juticalpa. Er ließ sich 1970 taufen, schloß sich 1977 den Reihen der Sonderpioniere an und wurde kurz darauf für den Kreisdienst geschult, mit dem er 1980 begann. Was ist daran so ungewöhnlich? Nun, sowohl in den Städten als auch in abgelegenen Gebieten wurde er stets von seiner Frau Dunia und der kleinen Tochter Esther begleitet. Etliche Häuser auf dem Land bestehen nur aus einem Raum, der zugleich Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche ist. Julio und seine Familie haben sich solch einen Raum viele Male mit den Gastgebern geteilt — ganz zu schweigen von den Hühnern, Truthähnen und Ziegen! Einmal konnten sie einen Fluß nicht überqueren und mußten notgedrungen zu dritt in einer Hängematte schlafen, weil das der einzige Unterschlupf war, den sie finden konnten.

In den ersten Jahren des Werkes in Honduras waren die Kreisaufseher ausnahmslos ausländische Brüder, das heißt entweder Missionare oder solche, die dort dienen wollten, wo größerer Bedarf an Verkündigern bestand. Doch mit der Zeit waren vier der fünf Kreisaufseher einheimische Brüder. In den vergangenen Jahren konnten diese Männer mit ihren Frauen — ob aus dem In- oder Ausland — länger im Kreisdienst bleiben, als das früher möglich war, und das trotz der auf dem Land grassierenden Krankheiten wie Hepatitis, Malaria und Ruhr.

Wenn ihre Tätigkeit sie in größere Städte führt, genießen sie zuweilen die Gastfreundschaft ihrer Brüder in schönen Häusern. Wie der Apostel Paulus haben sie das Geheimnis kennengelernt, anpassungsfähig zu sein (Phil. 4:11, 12). In den letzten Jahren ist der Kreisdienst wesentlich leichter geworden, da es mehr befestigte Straßen gibt und so gut wie alle Städte mit dem Bus zu erreichen sind.

„Hütet die Herde Gottes“

Wie in anderen Teilen der Welt auch, so wurden in Honduras 1972 Änderungen in bezug auf die Ernennung von Ältesten und Dienstamtgehilfen vorgenommen. Im ganzen gesehen wußten die Brüder das zu schätzen und strengten sich an, die Voraussetzungen zu erfüllen. Interessanterweise waren zur Zeit der Einführung dieser neuen Vorkehrung lediglich ein Drittel der Ältesten des Landes honduranische Brüder, 1976 waren es dann schon zwei Drittel.

Da damals nicht einmal jede Versammlung im Land einen Ältesten hatte, konnte es leicht passieren, daß die Hirtentätigkeit vernachlässigt wurde. Daher wurde den Ältesten geraten, die Dienstamtgehilfen in der Hirtentätigkeit zu schulen. Durch ihre Besuche sollten sie die Brüder ermuntern und ihnen das Gefühl geben, daß sie bei ihnen immer ein offenes Ohr finden können. Wenn ernste Probleme vorlagen, mußten die Ältesten natürlich davon unterrichtet werden.

In einer Versammlung dachte man, eine Schwester hätte ihr Interesse an der Wahrheit verloren, denn sie besuchte nicht mehr die Zusammenkünfte. Aber wie die Brüder herausfanden, war sie nur deshalb nicht zu den Zusammenkünften gekommen, weil sie sich keine Schuhe leisten konnte. Sie freute sich unbändig über eine kleine Unterstützung und ging bald wieder zu den Zusammenkünften und in den Predigtdienst.

Älteste und treue Verkündiger waren sehr beunruhigt, als die theokratische Tätigkeit zwischen 1978 und 1983 im Land zurückging. Nachdem das Zweigkomitee die Situation untersucht hatte, wies es auf zwei Ursachen hin: Materialismus und mangelndes persönliches Studium. Das Fernsehen übte einen großen Einfluß aus — besonders seit Mitte der 70er Jahre. Es trug viel dazu bei, daß sich die Studiengewohnheiten verschlechterten. Zwar verbindet man Materialismus in der Regel mit reichen Ländern, doch in Wirklichkeit kann jeder geldliebend sein, ob arm oder reich. Eine Missionarin war überrascht, daß ein Ehepaar, beide Zeugen, in einem Haus mit Lehmboden und ohne fließendes Wasser wohnte, aber einen Fernseher, eine Stereoanlage und teure Wohnzimmermöbel besaß. Solche Dinge kann man auf Kredit kaufen, aber zumeist müssen sowohl der Mann als auch die Frau arbeiten, um die Schulden abzuzahlen. Kein Wunder, daß die beiden die Zusammenkünfte versäumten und im Predigtdienst praktisch untätig waren!

Der Zweig bemühte sich verstärkt, ‘die Herde Gottes zu hüten’ und den Brüdern zu helfen, ‘die Liebe, die sie zuerst hatten’, wieder zu entwickeln (1. Pet. 5:2; Offb. 2:4). Zudem kamen 1981 elf Missionare von der neu eingerichteten Außenstelle der Gileadschule in Mexiko, und 1988 kamen drei Brüder von der Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung. Wie die stetige Mehrung seit 1984 beweist, hat Jehova all diese Schritte gesegnet.

Pioniere machen Pioniere

Seit 1984 hat die Pioniertätigkeit einen sichtbaren Auftrieb bekommen. Vergleichen wir einmal: 1992 gab es durchschnittlich 937 allgemeine Pioniere und Hilfspioniere, 1976 hingegen lediglich 276. Während sich die Zahl der Verkündiger verdoppelte, hat sich die Zahl der Pioniere nahezu vervierfacht.

Die deutlichen Artikel im Wachtturm und in Unserem Königreichsdienst sowie die anspornenden Vorträge auf den Kongressen haben dazu beigetragen, daß sich die Pionierreihen wieder füllten. Viele ernannte Diener in den Versammlungen sprachen nun positiver über die Freuden des Pionierdienstes. Einige regelten ihre Angelegenheiten so, daß sie den allgemeinen Pionierdienst oder den Hilfspionierdienst aufnehmen konnten. Sie erkannten, wie wichtig es ist, ‘das Feuer des Geistes nicht auszulöschen’, und wie ansteckend der Pioniergeist wirkt (1. Thes. 5:19). Pioniere machen Pioniere.

Man muß sich nicht, wie mancher fälschlicherweise dachte, erst einmal finanziell absichern, bevor man Pionier wird. Nehmen wir das Beispiel eines jungen Bruders aus dem hoch oben in den Bergen gelegenen Guásimo. Am Tag nach seiner Taufe bewarb er sich um den Hilfspionierdienst. Er hatte einige Monate lang hart gearbeitet, um sich neue, passende Kleidung für den Dienst zu kaufen. In der ersten Woche ging alles gut, aber in der zweiten Woche erschien er nicht zum Predigtdienst. Besorgt gingen die anderen Pioniere den Berg hinauf und fanden heraus, daß sich ein Dieb eines Nachts mit der Kleidung des jungen Bruders, die auf der Leine zum Trocknen gehangen hatte, davongemacht hatte. Die Brüder sammelten ein paar Kleidungsstücke für ihn. Obwohl er eine Woche verloren hatte, erreichte er bis zum Ende des Monats sein Stundenziel. Monate später besaß er nach wie vor nur eine einzige Hose. Aber das trübte kein bißchen seine Freude darüber, daß sich eine der Personen, mit denen er die Bibel studierte, gerade sechs Monate nach seiner eigenen Taufe taufen ließ.

Zur Versammlung in San Lorenzo gehört ein Pionier in den Zwanzigern namens Adrian, der blind ist. Seine Schwester willigte 1984 in ein Bibelstudium ein, Adrian wurde allerdings kein Studium angeboten. Man dachte, es wäre ihm nicht möglich zu studieren. Adrian hörte beim Studium regelmäßig zu und konnte seiner Schwester manches erklären, denn sie tat sich mit dem Studium recht schwer. Bald darauf verlor sie das Interesse. Nach wie vor bot niemand Adrian an, mit ihm zu studieren. Er mußte um ein Bibelstudium bitten. Was er lernte, bewegte ihn so sehr, daß er mit Hilfe seiner Familie bald die Zusammenkünfte besuchte.

Sowie die Wahrheit in seinem Herzen Fuß gefaßt hatte, verspürte er den Wunsch, anderen davon zu erzählen. Wiederum nahm man an, das wäre für ihn zu schwierig. Adrian ließ nicht locker, und so halfen ihm die Brüder, in den Dienst zu gehen. Im ersten Monat seines Predigtdienstes berichtete er 24 Stunden, von da an wurden es von Mal zu Mal mehr. In dem Monat nach seiner Taufe bewarb er sich um den Hilfspionierdienst, und nicht lange danach wurde er allgemeiner Pionier. Er berichtet zumeist über 100 Stunden und führt derzeit acht Heimbibelstudien durch. Man sollte es nicht für möglich halten, daß die Brüder ihn zuerst übersahen.

Sich um besondere Bedürfnisse kümmern

Wer sich in einer speziellen Situation befindet, benötigt oft ganz besonders selbstlose, christliche Liebe. Teresa war zum Beispiel seit ihrem dritten Lebensjahr blind. Sie hatte eine Weile mit einer Zeugin studiert, sich aber im Lauf der Jahre in mehreren religiösen Gruppen engagiert. Einige Gruppen hatten darum gebetet, daß sie ihr Augenlicht zurückgewinnen möge — natürlich ohne Erfolg. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder mit den Zeugen zu studieren. Die Gelegenheit dazu kam, nur, wie sollte das Studium vonstatten gehen? Die Schwester las die Abschnitte vor. Wenn sie deutlich, mit richtiger Betonung und Pausen las, fiel es Teresa nicht schwer, die richtigen Antworten zu geben. Bald wollte Teresa zu den Zusammenkünften gehen. Die Schwester brachte sie also mit dem Fahrrad zu den Zusammenkünften, obwohl sie ganz und gar keine geübte Radfahrerin war. An regnerischen Tagen boten die beiden einen köstlichen Anblick, wenn sie, in Plastik gehüllt, mit aufgespanntem Schirm ankamen.

Bei den Zusammenkünften platzte Teresa einfach mit den Antworten heraus, doch man sagte ihr, sie müsse warten, bis man sie mit Namen aufrufe. Sie lernte, in der Theokratischen Predigtdienstschule Aufgaben zu lösen und in den Dienst zu gehen. Trotz ihrer besonderen Situation hält sie ihre geistigen Augen fest auf den Preis gerichtet: den herrlichen Tag, an dem sie eine wunderschöne, paradiesische Erde sehen wird.

Ein fast erblindeter alter Mann wohnte in den Bergen. Ein Bruder gab ihm das Wahrheits-Buch und bemühte sich danach ganz besonders darum, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Manchmal war der Mann so krank, daß er nicht studieren konnte, aber wenn sie studieren konnten, gab er gut durchdachte und intelligente Antworten. Auf einmal war der alte Mann jedoch verschwunden. Die Nachbarn sagten, er sei zu seiner Tochter in die Stadt gezogen, da er medizinische Behandlung benötigte. Statt sich zu sagen, er könne nichts weiter tun, hatte der Bruder eine Idee. Als er das nächste Mal einen Kongreß in der Stadt besuchte, suchte er von Haus zu Haus nach „seinem ehemaligen Studium“. Schließlich fand er den Mann — bei einem Schläfchen in der Hängematte! Sie vereinbarten wieder ein Studium. Bald konnte der alte Mann sogar allein zu den Zusammenkünften finden, indem er die Straßen bis zum Königreichssaal zählte. Mit der Zeit wurde er ein Verkündiger der guten Botschaft. Wie erstaunt die Leute waren, daß dieser weißhaarige, fast erblindete 93jährige Mann jeden Monat zwischen 30 und 70 Stunden von Haus zu Haus ging!

Lagos wurde von den Zeugen in Puerto Cortés liebevoll Laguito genannt. Schon seit eh und je war er Sonderpionier. Über sein Alter sagte er nur vage: „Ich glaube, ich bin nicht älter als 86.“ Da Laguito sehr schlecht sah, fiel es den Brüdern im Zweigbüro nicht immer leicht, seine Predigtdienstberichte zu entziffern. Einmal berichtete er in einem Monat 1 050 Stunden — das war natürlich völlig unmöglich; hinterher stellte sich heraus, daß es dennoch beachtliche 150 Stunden waren. Aus demselben Grund fuhr er mit seinem Fahrrad auch des öfteren gegen etwas. Nachdem er in einem Bach gelandet war und sich am Kopf verletzt hatte, beschlossen die Brüder schließlich, das einzig Richtige für Laguito zu tun und sein Fahrrad für ihn zu verkaufen. Später war er mit einer Hepatitis ans Bett gefesselt, von der er sich nie mehr erholte. Soweit bekannt, hatte Laguito keine Verwandten, deshalb kümmerte sich die Versammlung während seiner letzten sechs Monate um ihn. Ein Bruder nahm ihn in sein Haus auf, und jeden Tag versorgte jemand diesen geliebten, treuen alten Bruder.

„Sie sind nicht von unserer Art gewesen“

Wie zu erwarten ist, bleiben jedoch nicht alle treu. Über die Jahre hinweg mußten in Honduras eine Reihe Personen aus der Christenversammlung ausgeschlossen werden, hauptsächlich wegen Unmoral und Trunkenheit. Einige verloren ihr Geistiggesinntsein, weil sie abtrünnig und damit überheblich wurden und Uneinigkeit stifteten. Doch so traurig es auch immer ist — durch Gemeinschaftsentzüge wird Leben gerettet. Dadurch wird die Versammlung rein erhalten, so mancher Übeltäter zur Reue veranlaßt und mitunter sogar ein gutes Zeugnis gegeben.

Blanca Rosa studierte beispielsweise mit einer Missionarin, die im Begriff war, das Land zu verlassen. Die Missionarin wollte das Studium einem anderen Verkündiger übergeben, doch Blanca Rosa wollte nicht weiterstudieren. Allerdings war sie neugierig, warum die Missionarin das Land verlassen mußte. „Gehen Sie heute abend zu der Zusammenkunft, dann wissen Sie, warum“, erklärte die Schwester. Um ihre Neugierde zu stillen, ging Blanca Rosa an jenem Abend zu der Zusammenkunft, wo sie die Bekanntmachung hörte, daß der Mann der Missionarin, ein Missionar und Ältester aus dem Ausland, aus der Versammlung ausgeschlossen worden war. Blanca Rosa war tief beeindruckt. Sie dachte: „Das ist die Wahrheit. Weder die Rasse, noch das Ansehen, noch die Stellung eines Übeltäters verhindert, daß er aus der Versammlung ausgeschlossen wird.“ Das war der Wendepunkt in ihrem Leben. Sie ließ sich taufen und dient seit vier Jahren als Hilfspionier.

Verlorene Söhne

Eltern, deren geliebter Sohn oder geliebte Tochter ausgeschlossen worden ist oder schlichtweg im Sumpf der unmoralischen Welt versinkt, sind darüber todunglücklich und haben deswegen viele Tränen vergossen. Jesu berühmtes Gleichnis vom verlorenen Sohn, das in Lukas, Kapitel 15 aufgezeichnet ist, bietet ihnen Hoffnung und Trost. In Honduras sind Großfamilien üblich, daher gibt es auch viele ‘verlorene Söhne’. Aber es steckt ein Körnchen Wahrheit in den Worten: „Solange man lebt, besteht noch Hoffnung.“

Oswaldo kannte die Wahrheit schon als Kind, denn er wuchs bei einem Onkel auf, der ein Zeuge Jehovas ist. Er ließ sich jedoch nicht taufen. Als Teenager führte er ein Doppelleben. Er ging zu den Zusammenkünften und in den Predigtdienst, aber zugleich mit seiner weltlichen Freundin in die Diskothek. Um sich das leisten zu können, was sein Herz begehrte, bestahl er sogar einen Bruder. Er mußte das Haus seines Onkels verlassen und verstrickte sich danach immer mehr in Unmoral und Drogenmißbrauch. Zu guter Letzt ging er in die Armee.

Die Jahre verstrichen; Oswaldo sehnte sich nach dem Leben zurück, das er einst in Jehovas Organisation geführt hatte. Er fühlte sich jedoch nicht stark genug, dahin gehend etwas zu unternehmen. Zufällig traf er eines Tages seinen Onkel und sagte ihm, er wolle wieder zurückkommen. Obwohl der Onkel stark bezweifelte, daß Oswaldo es ernst meinte, gab er ihm die Adresse des Missionarheims. Oswaldo ging direkt dorthin und vereinbarte ein Bibelstudium. Noch in derselben Woche fing er wieder an, die Zeitschriften zu lesen und die Zusammenkünfte zu besuchen; das wiederum gab ihm die nötige Kraft, den Drogen und dem unmoralischen Leben den Rücken zu kehren. Er fand den Mut, denen, die er bestohlen hatte, Schadenersatz zu leisten. Eine Schwester wollte nichts annehmen, Oswaldo bestand jedoch darauf, ihr einen Fernseher und eine Kiste Äpfel zu schenken, um sein Gewissen zu beruhigen. Der ungläubige Mann der Schwester war tief beeindruckt.

Oswaldo war allerdings immer noch in der Armee. Er wollte, wenn möglich, ehrenhaft entlassen werden. Es ergab sich, daß sein Vorgesetzter im Offizierskasino wegen Diebstahls entlassen wurde und man Oswaldo sagte, er solle ihn ersetzen. Die Beförderung hätte ein gutes Gehalt und angenehme Arbeit bedeutet, aber Oswaldo ließ sich nicht von seinem Entschluß abbringen. Er meldete sich beim Kommandeur. Bevor er überhaupt zu Wort kam, beglückwünschte ihn der Kommandeur zu seiner Beförderung! Oswaldo blieb eisern und erklärte, was er wirklich wollte: die Armee verlassen und den Vollzeitdienst aufnehmen. Wider alles Erwarten wurde ihm sein Wunsch gewährt. Mehr noch, wegen der Veränderungen in seiner Persönlichkeit während der letzten Monate in der Armee erhielt er eine Ehrenurkunde. Dadurch konnte er viel Zeugnis geben; bevor er ging, gaben ihm seine Freunde in der Armee respektvoll den Spitznamen „Der Prediger“. Heute ist er getauft und allgemeiner Pionier, also ein echter Prediger.

Santiago führte einen ziemlich liederlichen Lebenswandel. Er hatte drei Schwestern. Zwei von ihnen standen im allgemeinen Pionierdienst, die andere im Hilfspionierdienst; alle drei waren eifrig, gewissenhaft und geistig gesinnt. Nur Santiago nicht. Er war stolz auf sein blondes Haar (denn in Honduras hat fast jeder schwarzes Haar) und trug es deswegen lang. Seine guten Freunde waren Diebe, Alkoholiker und Drogenabhängige — so wie er. Kein Wunder, daß er fast jeden Monat im Gefängnis landete! Trotz alledem sagte sich ein Missionar: „Bei drei theokratischen Schwestern muß doch einfach ein guter Kern in ihm stecken.“ Er bot ihm ein Studium an; Santiago war einverstanden. Aber er machte keine Fortschritte. Schließlich beendete der Missionar das Studium mit der Begründung, es sei sinnlos, weiter zu studieren, wenn Santiago das, was er lerne, nicht anwenden wolle.

Die Monate gingen vorüber; Anfang 1986 bat Santiago noch einmal um eine Chance. Diesmal war es anders: Er ließ sich seine langen Haare schneiden, bereitete sich auf das Studium vor und predigte sogar seinen ehemaligen Freunden, die ihn inzwischen wie die Pest mieden. Dennoch war der Missionar nicht so ganz überzeugt. „Hat er wirklich das Rauchen aufgegeben und den Nachbarn keinen Ärger mehr gemacht?“ fragte er Santiagos Schwestern. Er hatte! Im April durfte er am Predigtdienst teilnehmen. Im Mai berichtete er bereits 65 Stunden; im Juni hatte er schon fünf Heimbibelstudien. Er machte so weit Fortschritte, daß er sich taufen lassen und in kurzer Zeit in allen theokratischen Aktivitäten der Familie die Führung übernehmen konnte. 1989 wurde er Sonderpionier.

Was hatte Santiago bewogen, sich zu ändern? Er antwortet: „Nach meinem ersten Studium wußte ich, was Jehova gefällt und was nicht. Dann fiel mir auf, daß ich jedesmal, wenn ich etwas tat, wovon ich wußte, daß es falsch war, in ernste Schwierigkeiten mit anderen Leuten kam. Dadurch erkannte ich, daß das, was Jehova verlangt, zu unserem Besten und zu unserem Schutz ist. Wer Jehova gehorcht, hat immer weniger Probleme als andere. Ich wollte mich nicht ein Leben lang mit Problemen herumschlagen, darum fing ich wieder an zu studieren — nur diesmal setzte ich das, was ich lernte, in die Praxis um.“

Die „blaue Bombe“ und andere Bücher

Durch die breite Palette von Veröffentlichungen der Watchtower Society konnte Menschen geholfen werden, ihr Leben zu ändern und Jehova näherzukommen. Sie eignen sich gleichermaßen für Jung und Alt, für solche mit guter Schulbildung und für solche, die kaum lesen und schreiben können. Es ist schwer zu sagen, welche Veröffentlichung dem Werk in Honduras den größten Auftrieb gegeben hat.

Zum Beispiel wurden von dem weltbekannten Wahrheits-Buch, auch die „blaue Bombe“ genannt, gut hundert Millionen Exemplare gedruckt und in der ganzen Welt verbreitet. Eine Sonntagsschullehrerin einer evangelikalen Freikirche entschloß sich, in den Königreichssaal zu gehen und um ein Bibelstudium zu bitten. Unterwegs traf sie eine Schwester, die sie fragte, weshalb sie mit den Zeugen studieren wolle. Darauf antwortete sie: „Ich habe jetzt die Wahrheit gefunden und möchte keine Sonntagsschullehrerin mehr sein.“ Sie hatte heimlich das Wahrheits-Buch gelesen. Und nun war sie enttäuscht, daß man nur zweimal in der Woche mit ihr die Bibel studieren konnte, statt jeden Tag. Nichtsdestoweniger machte sie gute Fortschritte und besuchte bald die Zusammenkünfte. Als sie hörte, wie der Aufseher der Theokratischen Predigtdienstschule sagte, jeder, der ein Diener Gottes sein möchte, solle sich in die Schule eintragen lassen, tat sie das. Sie löste alle Verbindungen zur Sonntagsschule und arbeitete darauf hin, eine wahre Dienerin Jehovas zu sein.

Auch das Jugend-Buch hat in Honduras großen Anklang gefunden. In einigen Schulen und Colleges wurde es von den Lehrern beim Unterricht verwandt. Ein Mädchen hatte das Jugend-Buch von ihrer Großmutter bekommen und es zur Schule mitgenommen. Ihre Lehrerin sah es sich an und fragte sie, woher sie es habe. Ein Junge in der Klasse, der das gleiche Buch hatte, meldete sich und sagte, es sei von Jehovas Zeugen herausgegeben worden. Die Lehrerin bestellte 34 Bücher für den Unterricht.

Das Schöpfungs-Buch hat ebenfalls in den Colleges Beifall gefunden. Eine Schwester — sie ist Lehrerin — hat sich von ihrem Direktor und den anderen Lehrern nie dazu zwingen lassen, Vorlesungen über die Steinzeitmenschen zu halten. Als das Schöpfungs-Buch herauskam, konnte sie es erfolgreich im Unterricht verwenden und sowohl einer Lehrerin als auch dem Direktor ein Exemplar davon geben.

In Gegenden wie Puerto Cortés besitzt nahezu jeder Schuldirektor ein Exemplar dieses Buches. Der Direktor einer weltweiten Wohltätigkeitsorganisation, der von den karibischen Inseln stammt und eine Universität in England besucht hatte, las das Buch mehrmals durch und sagte: „Das Buch trifft genau den Kern der Sache. Man kann nicht an Gott und gleichzeitig an die Evolution glauben.“

Das Paradies-Buch hat inzwischen das Wahrheits-Buch ersetzt und spendet Millionen von Menschen Hoffnung und Trost. Als Jugendliche beschäftigte sich Leticia sehr viel mit dem Tod; wann immer ihr zu Ohren kam, daß jemand, den sie kannte, gestorben war, versank sie in tiefe Trauer. Sie erzählt: „Seit zwei Jahren bin ich von dieser Schwermut erlöst; mit meiner Traurigkeit ist es vorbei.“ Wieso? „Eine Studienkollegin hatte das Paradies-Buch, wußte es aber nicht zu schätzen und gab es daher mir. Auf Seite 10 las ich: ‚Du willst nicht sterben. Kein normaler Mensch, der einigermaßen gesund ist, möchte das. Gott erschuf uns mit dem Wunsch zu leben, nicht mit dem Wunsch zu sterben. ... Ein liebevoller Gott würde Menschen bestimmt nicht mit dem Wunsch erschaffen, ewig zu leben, und dann diesen Wunsch nicht in Erfüllung gehen lassen.‘ Ich dachte darüber nach und fühlte mich getröstet. Später sagte ich meiner Studienkollegin, wie dankbar ich ihr sei, daß sie mir einen solchen Schatz überlassen habe.“

Natürlich ist die Bibel das allerwichtigste Buch, das wir verwenden. In Honduras, wo man es früher nicht wagte, die Bibel zu lesen, hat sich die Neue-Welt-Übersetzung als unschätzbare Hilfe erwiesen. Nachdem sie 1967 in Spanisch herausgegeben worden war, wurden über 1 000 Prozent mehr Bibeln verbreitet als 1965. Diese ausgezeichnete Übersetzung hilft den Menschen bis heute, Jehova, dem Autor der Bibel, näherzukommen.

Was eine einzige Zeitschrift bewirken kann

Es war ein großer Tag, als die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! in Honduras im Vierfarbendruck veröffentlicht wurden. Sie fanden großen Anklang, denn im Dienstjahr 1986 wurden 13 Prozent mehr Zeitschriften abgegeben. Die Menschen in Honduras wissen die Themenvielfalt der Zeitschriften zu schätzen und auch, daß sie biblisch begründet sind. Oft sieht man Menschen in den Büros oder im Bus darin lesen.

In der Gegend von La Ceiba empfahl ein Arzt einer schwangeren Frau, die bei der Geburt ihrer Kinder jedesmal Komplikationen gehabt hatte, eine Abtreibung. Weil sie sich jedoch nicht sicher war, sagte er ihr, sie solle das erst einmal überschlafen. An dem Tag, an dem sie ihren nächsten Arzttermin hatte, erhielt sie von einer Zeugin eine Zeitschrift. Darin ging es um das Thema Abtreibung, was ihr half, sich mit Entschlossenheit dagegen zu entscheiden. Wie glücklich alle waren, als sie schließlich ohne irgendwelche Komplikationen ein Baby zur Welt brachte! Diese Frau begann ein Bibelstudium. Sie und ihre älteste Tochter sind heute getauft und dienen als Hilfspioniere. All das begann mit einer einzigen Zeitschrift.

Eine Schwester gab dem Personalchef des Bildungsministeriums eine Ausgabe der Zeitschrift Erwachet! mit dem Artikel „Bemühe dich um Frieden mit deinem Nächsten“. Sie war angenehm überrascht, als 300 Angestellte eine Fotokopie des Artikels erhielten. Dieser Artikel sollte als Besprechungsgrundlage bei einer Sitzung dienen. Keiner beschwerte sich, daß die Sitzung deswegen etwas länger dauerte. Die Folge war: Das Arbeitsklima verbesserte sich gewaltig, und der Personalchef wurde bei der Belegschaft beliebt und gewann ihre Achtung. Auch das hatte eine einzige Zeitschrift bewirkt.

Seltsamerweise waren manche Brüder zur Zeitschriftenverbreitung negativ eingestellt. Eine kleine Versammlung verbreitete 1981 sehr wenig Zeitschriften, das heißt, jeder Verkündiger gab im Monat durchschnittlich nur drei Ausgaben ab. Der Kreisaufseher spornte sie an, positiver über den Wert der Zeitschriften zu denken. Bald gab jeder Verkündiger derselben Versammlung im Monat durchschnittlich 16 Zeitschriften ab. Zu ihrem größten Erstaunen stellten sie fest, daß einige Personen gern drei oder vier Ausgaben auf einmal entgegennahmen.

Weiterer Fortschritt in ländlichen und abgelegenen Gebieten

Im Jahr 1970 schätzte man, daß lediglich 3 bis 4 von 10 Honduranern mit der guten Botschaft vom Königreich erreicht wurden. In Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Zonenaufsehers in jenem Jahr wurde entschieden, die Versammlungsgebiete neu aufzuteilen, wodurch eine größere Prozentzahl der Bevölkerung erreicht werden konnte. Die Versammlungen organisierten daraufhin Autogruppen oder sogar Busgruppen von Zeugen, die einmal wöchentlich in die Landgebiete fuhren. Trotz allem wurde dadurch immer noch nicht das ganze Gebiet bearbeitet. 1971 sorgte das Zweigbüro zum ersten Mal dafür, daß das restliche, nichtzugeteilte Gebiet einmal im Jahr von Sonderpionieren durchgearbeitet wurde, die auf Zeit ernannt worden waren.

Die beiden Sonderpioniere Armando Ibarra und Manuel Martínez wurden in das abgelegene Gebiet um Olancho gesandt. Mindestens fünfmal reisten sie zu den verstreuten Dörfern des riesigen Gebiets. Dort gibt es endlose Bergketten und versteckte Täler, wo wilde Tiere wie der Jaguar und Giftschlangen beheimatet sind, aber auch — und das ist weitaus gefährlicher — gewalttätige Menschen.

Um mehr Gebiet bearbeiten zu können, vereinbarten sie, getrennt zu predigen, aber stets Kontakt zu halten. Auf einmal merkte Armando, daß er Manuel eine ganze Zeit lang nicht gesehen hatte, und er machte sich auf die Suche nach ihm. Als er sich einem Haus näherte, hörte er jemand sagen: „Soll dich doch dein Gott oder deine Bibel retten!“ Ihm wurde angst und bange, jedoch betete er zu Jehova und ging in das Haus hinein. Es war eine gespannte Situation. Manuel stand mit erhobenen Händen vor zwei Männern mit Pistolen und Macheten. Sowie sie Armando sahen und ihnen klar wurde, daß Manuel nicht allein war, senkten sie die Waffen und ließen ihn laufen. Vorsichtig ging Manuel, die Augen auf die Männer gerichtet, langsam rückwärts aus dem Haus zu seinem Partner. Die beiden machten sich schleunigst aus dem Staub und gingen in ein anderes Dorf.

Im Mai 1987 bat der damalige Kreisaufseher Hector Casado die Versammlungen schriftlich darum, Freiwillige auszusuchen, um eine sechstägige Reise in die abgelegenen Dörfer der Gegend von Santa Bárbara zu organisieren. Man benötigte Brüder und Schwestern mit einer kräftigen Konstitution, die bereit waren, über die Berge zu wandern und bei Einbruch der Dunkelheit in irgendeinem Dorf, in dem sie gerade waren, zu übernachten. Siebzig Zeugen aus 26 Versammlungen und Gruppen fanden sich zum festgesetzten Termin in San Pedro Sula ein. Sie wurden in acht Gruppen aufgeteilt, und nachdem sie zu Jehova gebetet hatten, machte sich jeder auf seinen Weg. Sie begegneten den unterschiedlichsten Menschen: Fast alle waren bettelarm, einige sehr aufgeschlossen, manche gegnerisch, etliche waren Analphabeten, und andere kannten die Wahrheit schon gut, da sie Jahre zuvor Bücher erhalten hatten. Eine Frau wünschte sich das Paradies-Buch so sehr, daß sie ihre einzige Henne dafür hergeben wollte.

Eine Gruppe fuhr in einem Fahrzeug mit Allradantrieb sechs Stunden lang mühselig auf kurvigen Wegen durch das Gebirge. Als sie endlich in einer kleinen Stadt angelangt waren, wurden sie von sintflutartigen Regenfällen empfangen — und das war ein Glück, denn in dieser Gegend hatte es seit Monaten nicht mehr geregnet. Alle dachten, sie hätten den Regen den Brüdern zu verdanken! Infolgedessen nahmen sie auch die Wasser der Wahrheit gut auf. Manche Schwestern führten noch am selben Nachmittag mit interessierten Personen Bibelstudien durch. Einige dieser Studien wurden brieflich fortgesetzt.

Eine andere Gruppe bearbeitete ein Gebiet, wo Angehörige der nordamerikanischen evangelikalen Gemeinschaft ihre eigene Radiostation besaßen und über großen Einfluß verfügten. Im Rundfunk starteten sie eine Hetzkampagne gegen die Zeugen, die gemäß ihrer Beschreibung immer zu zweit und mit Taschen voll Literatur kämen. „Seien Sie auf der Hut vor den Zeugen“, warnten sie. „Sie sind gewandt und absolut bibelkundig. Selbst ein Gelehrter unter unseren Brüdern könnte von ihnen getäuscht werden. Gehen Sie ihnen aus dem Weg! Lassen Sie sie nicht in Ihre Wohnung!“ Diese „Gratiswerbung“ weckte die lebhafte Neugierde vieler und ebnete den Weg für interessante Gespräche.

In einer anderen Stadt bot ein gastfreundlicher, aber armer Mann den Brüdern an, bei ihm zu wohnen. Auf dem Lehmboden auf Strohmatten zu schlafen war weiter kein Problem. Aber noch vor der Morgendämmerung wurden sie von Flöhen aus dem Schlaf gerissen, die wohl ihr Frühstück einnehmen wollten. Das Flechten von Strohmatten ist in dieser Stadt nahezu die einzige Einkommensquelle. Mehrere Frauen, die tagsüber keine Literatur entgegengenommen hatten, kamen abends in die Unterkunft der Brüder. Sie boten ihre gerade geflochtenen Strohmatten im Austausch gegen Bücher an.

Nach sechs Tagen trafen sich die 70 Brüder wieder. Sie hatten 623 Bücher und 687 Zeitschriften abgegeben und etwa 2 455 Stunden gepredigt!

Manche haben sich gefragt, ob sich all die Mühe lohnt, die aufgewandt werden muß, um die Menschen in abgelegenen Gebieten zu erreichen, da es doch fast nicht machbar ist, später Rückbesuche durchzuführen. Wir dürfen die Macht der Wahrheit, die tief in das Herz eines Menschen dringen kann, nicht unterschätzen. Ein interessierter Mann aus einer abgeschiedenen Gegend reiste regelmäßig in die Stadt, um sich Literatur zu besorgen. Als die Gruppe, die für jenes Gebiet zuständig war, das erfuhr, sattelte ein Bruder sein Maultier und machte sich auf den Weg in die Berge, um den Mann zu suchen. Er fand das Haus, aber die Frau des Mannes sagte, er sei nicht zu Hause. Wo war er? Sie antwortete: „Er ist predigen gegangen.“

Ein Aufseher erzählte eine ähnliche Erfahrung: „Stell dir vor, du kommst in einen Ort, weitab vom Schuß, wo du nicht allzu großes Interesse erwartest. Doch dann erzählen dir die Leute in jedem Haus: ‚Wir werden von Jehovas Zeugen besucht und sind überzeugt, daß sie die wahre Religion haben!‘ So erging es uns. In demselben Ort wurde uns gesagt: ‚Kommen Sie herein; wir haben schon auf Sie gewartet; wir studieren mit Don Tivo.‘ ‚Wer ist Don Tivo?‘ fragten wir. Wir kannten keinen Bruder, der so hieß. Anscheinend erhielt dieser Mann Literatur, und die Botschaft faßte in seinem Herzen Fuß. Irgendwann traf er einen Zeugen, der ihm erklärte, wie er mit Hilfe der Bücher Bibelstudien durchführen konnte, woraufhin Don Tivo loszog, um Jünger zu machen. Als wir ihn kennenlernten, führte er sieben Bibelstudien durch. Eins davon mit einem Pärchen, das nun seine Ehe gesetzlich eintragen lassen wollte, um sich Don Tivo im Predigtdienst anschließen zu können.“

Denkwürdige Kongresse

Als 1948 der erste Bezirkskongreß in Honduras stattfand, waren 467 Personen anwesend. Unter ihnen war ein Geschäftsmann, der sagte: „Es wurde auch langsam Zeit, daß jemand solch eine Botschaft verkündet. Sie ist mir neu, aber sie gefällt mir.“

Achtzehn Jahre später fand dann der erste internationale Kongreß statt. Im Dezember 1966 versammelten sich in der Hauptstadt 1 422 Personen, darunter 225 Brüder aus den verschiedensten Teilen der Welt, wie Kanada, Deutschland und Australien. Aus San Pedro Sula kamen 11 Busse mit 450 Brüdern. Da die Straße, die von dort nach Tegucigalpa führte, immer noch im Bau war und sie auf kurvigen Wegen durch die Berge fahren mußten, hatten sie eine anstrengende 12stündige Reise hinter sich. Sogar aus La Ceiba kamen die Brüder, wenn auch einen Tag zu spät, denn die Eisenbahn der Pflanzungsgesellschaft war wegen heftiger Regenfälle einfach nicht durchgekommen. Niemand bereute, die beschwerliche Reise gemacht zu haben.

In der Ansprache „Höre auf Daniels Worte für unsere Tage“ hörten die Anwesenden zeitgemäßen Rat hinsichtlich des Nationalismus. Zum allerersten Mal sahen sie ein Drama; es hatte das Thema: „Verlaß dich auf die Bibel — sie ist unser Wegweiser im Leben“. Es diente unseren Brüdern zum Schutz, die in Gemeinden wohnten, wo Hurerei derart gang und gäbe ist, daß ein Mann, der seiner Frau treu bleibt, von den Leuten als seltsam oder sogar anomal betrachtet wird.

Presse und Rundfunk berichteten positiv über den Kongreß. Natürlich schliefen auch die Feinde nicht, sondern verbreiteten wie immer Lügen und machten uns schlecht, wo sie nur konnten, aber die Wahrheit fand in der Presse viel mehr Beachtung. Schon der Apostel Paulus sagte: „Denn wir können nichts gegen die Wahrheit tun, sondern nur für die Wahrheit“ (2. Kor. 13:8). Zweifellos trug dieser Kongreß zu dem ausgezeichneten späteren Wachstum bei. In den darauffolgenden drei Jahren ließen sich 477 Personen taufen — im Vergleich zu 175 in den drei vorherigen Jahren.

Von Zeit zu Zeit besuchen Brüder der leitenden Körperschaft die Kongresse, und die Brüder fühlen sich jedesmal durch ihre Anwesenheit beflügelt. Bruder N. H. Knorr kam des öfteren zu Besuch. Die Brüder W. L. Barry, J. C. Booth, F. W. Franz, M. G. Henschel, W. K. Jackson, K. F. Klein, A. D. Schroeder und L. A. Swingle waren alle auf dem einen oder anderen Kongreß zu Gast.

Der Bezirkskongreß „Bewahrer der Lauterkeit“ im Jahr 1986 war ein weiteres besonderes Ereignis. Das Drama „Deine Zukunft — eine Herausforderung“ ließ etliche Brüder und Schwestern ernsthafter über den Pionierdienst nachdenken. Ein junger Bruder hatte vorgehabt, nach dem Kongreß die Universität zu besuchen, änderte jedoch seine Meinung und suchte sich eine Arbeit, die ihm den Hilfspionierdienst ermöglichte. Seine Schwester verlor ihren Arbeitsplatz, weil sie den Kongreß nicht versäumen wollte. Sie nahm ebenfalls den Hilfspionierdienst auf.

Ein kleiner Kreiskongreß, der in einer Schule in Puerto Cortés stattfand, zeichnete sich durch eine Besonderheit aus: Der Kreisaufseher fehlte! Er saß auf der falschen Seite eines reißenden Flusses fest und mußte bleiben, wo er war. Die Brüder waren der Situation durchaus gewachsen. Damit kein Programmpunkt ausfallen mußte, teilten sie die Aufgaben des Kreisaufsehers untereinander auf. Allerdings war da noch ein Problem: Die für den Kongreß verantwortlichen Brüder hatten festgelegt, daß alle Redner Jacketts tragen sollten. Aber nur die wenigsten Brüder dort besitzen ein Jackett, denn normalerweise haben sie keine Verwendung dafür. Nachdem der erste Bruder daher mit seinem Programmpunkt fertig war, tauchten sein rotes Jackett und seine grüne Krawatte während der nächsten drei Ansprachen immer wieder auf. Das gab dem sonst recht normal ablaufenden Kongreß wegen der unterschiedlichen Größe und Statur der vier Brüder eine lustige Note.

Für die wahre Anbetung bauen

Jehovas Zeugen führen ein geistiges Bauprogramm durch, das heißt, sie arbeiten an ihrer christlichen Persönlichkeit, an einem glücklichen Familienleben und an der Einheit und dem Frieden in der Versammlung. Da die Versammlungen in Honduras immer größer wurden, mußten nun auch Königreichssäle und ein Zweigbüro gebaut werden. Um einen Königreichssaal zu haben, genügte es in den Anfangsjahren, einfach ein Schild an die Wand zu hängen und ein paar Bänke im Wohnzimmer eines Bruders aufzustellen, doch bald fanden die Versammlungen es vorteilhafter, ihre eigenen Gebäude zu errichten. 1971 hatten 15 der 22 Versammlungen in Honduras ihren eigenen Saal.

Die Königreichssäle sind in der Regel einfach, gepflegt und passen zum Baustil der Gemeinde. Die auf einer Lichtung im Dschungel stehende strohgedeckte Hütte in Chacalapa mit den Mahagonibänken, die aus einheimischen Bäumen hergestellt wurden, kostet höchstens 20 Dollar. In La Junta in der Nähe vom Río Ulúa wächst jede Menge Bambus, daher kostet der Saal dort mit seinem Lehmboden und den Bambuswänden etwa dasselbe. Inzwischen ist er mehrmals erweitert und verbessert worden, es bleibt aber ein einfacher Saal, der sich schön in die Umgebung einfügt. In den Städten können die Säle hingegen einen anderen Stil haben.

Doch selbst ein schlichter Saal ist weitab von irgendeiner größeren Stadt nicht leicht zu bauen. Man kann nicht einfach ans Telefon gehen und Holz, Sand und Zement bestellen. 1973 wurde der Saal in Siguatepeque von Brüdern, die nicht vom Fach waren, einfach aus dem verfügbaren Rohmaterial gebaut. Sand und Kies wurden aus dem Flußbett geschaufelt und durchgesiebt. Man fällte hohe Kiefern, die man mit Ochsen aus einer Schlucht zog; danach wurden die Stämme auf einen Bock gehievt und mit einer 2,7 Meter langen Zwei-Mann-Handsäge in 11 Meter lange Balken zersägt.

Die Geschichte des Zweigbüros oder Bethels ist ganz interessant. Von 1946 an mietete man in der Hauptstadt verschiedene Gebäude, weshalb man im Lauf der Jahre mehrmals umziehen mußte. Doch in der Zeit, in der Bruder Harold Jackson Zweigdiener war, gab es solch einen Zuwachs, daß ein Gebäude gebraucht wurde, das den Bedürfnissen gerecht werden konnte. Zu diesem Zweck kaufte man ein günstig gelegenes Grundstück nahe der amerikanischen Botschaft. 1961 wurde mit dem Bau begonnen. Inzwischen war Lloyd Aldrich Zweigdiener. Der Architekt war Baltasar Perla aus El Salvador, der Bauleiter Pedro Armijo aus Tegucigalpa. Die Werkzeuge und die Bauweise waren nicht aufwendig.

Bruder Aldrich sagte über die gute Qualität der Arbeit der Handwerker: „Es war erstaunlich, was die Brüder ohne moderne Maschinen oder eine moderne Ausrüstung alles zustande brachten. Fast alles wurde von Hand gemacht. Ein Betonmischer und ein Lkw, mit dem Material zur Baustelle gebracht wurde, waren die einzigen Maschinen, die zum Einsatz kamen.“

In Honduras gab es 1961 lediglich 571 Verkündiger, und das Zweigbüro war groß genug, doch 1986 berichteten über 4 000 Verkündiger, und das Bethelheim war inzwischen zu klein, obwohl man es 1978 erweitert hatte. Die leitende Körperschaft genehmigte, die Räumlichkeiten des Bethels um mehr als das Doppelte zu erweitern. Im Oktober 1987 ging es los. Welch eine Freude es war, den Einsatz der International Volunteers zu beobachten! Mit Hilfe bereitwilliger Brüder aus vielen Versammlungen, die hart arbeiteten, wurde ein schönes Gebäude errichtet, das am 21. Oktober 1989 in den Dienst Jehovas gestellt und somit seiner Bestimmung übergeben wurde.

Rückblick und Vorschau

Der Tag der Bestimmungsübergabe des neuen Bethels war ein Freudentag. Von nah und fern kamen Brüder und Schwestern, die schon lange im Königreichswerk stehen und sich freuten, sich nach so vielen Jahren wiederzusehen. Unter ihnen waren einige der ersten Missionare in Honduras: Allan und Helen Bourne, Darlean Mikkelsen, Randy Morales und Woody Blackburn, der Anfang der 50er Jahre der Zweigdiener war.

Werner Zinke, der seit 1978 als Koordinator des Zweigkomitees dient, erzählte, rückblickend auf seine Erlebnisse im honduranischen Gebiet: „Wenn ich auf die 20 Jahre zurückschaue, die ich hier in Honduras dienen durfte, kann ich sagen, daß Jehova uns in diesem Land reich gesegnet hat. Ich habe erlebt, wie die Zahl der Verkündiger von 1 341 im Jahr 1970 auf 6 583 angestiegen ist. Welch ein Vorrecht, unseren Brüdern in Honduras durch das neue Gebäude des Zweigbüros jetzt noch besser dienen zu können!“

Als Ethel Grell, die seit ihrem 14. Lebensjahr Pionier ist, mit ihrer Mutter Loverna 1946 in Honduras ankam, gab es dort nur 15 Verkündiger, einschließlich der 7 Missionare. Unlängst wurde sie bei einem Interview auf einem Kongreß gefragt, was für sie während ihres über 40jährigen Dienstes in Honduras der größte Segen gewesen sei. Sie antwortete: „Am glücklichsten hat mich gemacht, die Beständigkeit und die Reife der Organisation Jehovas und die Mehrung unter den jungen Pionieren sowie den enormen Zuwachs bei den Verkündigern zu erleben.“

Bei der Bestimmungsübergabe des neuen Bethels im Jahr 1989 wurde die leitende Körperschaft von Lyman Swingle vertreten, der die Ansprache zur Bestimmungsübergabe hielt. Auf die Frage, wie es seiner Meinung nach mit den theokratischen Aussichten für Honduras stehe, gab er als Antwort eine Vorschau, die weit über die nahe Zukunft hinausging. Er sagte: „Die Aussichten für Honduras und jedes andere Land sind ausgesprochen gut, da Jehovas Organisation bald die ganze Erde in ein Paradies umwandeln wird.“ Nach der Königreichsherrschaft Jehovas sehnen wir uns bestimmt alle. Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun. Wir bitten Jehova um seinen Segen für all unsere honduranischen Brüder, die unter der Leitung Jesu Christi und des treuen Sklaven treu Schulter an Schulter mit ihren Brüdern in anderen Ländern dienen und seinen Namen hochhalten.

[Übersichten auf Seite 207]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

HONDURAS

Pioniere (Durchschnitt)

939

 

 

 

255

162

59

14

1950 1960 1970 1980 1992

Verkündigerhöchstzahl

6 583

 

 

3 014

1 341

550

260

1950 1960 1970 1980 1992

[Karte auf Seite 148]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

HONDURAS

Hauptstadt: Tegucigalpa

Amtssprache: Spanisch

Hauptreligion: römisch-katholisch

Bevölkerung: 5 011 107

Zweigbüro: Tegucigalpa

MEXIKO

BELIZE

GUATEMALA

EL SALVADOR

NICARAGUA

HONDURAS

Karibisches Meer

ISLAS DE LA BAHÍA

Roatán

Puerto Cortés

Omoa

Tela

Baracoa

Trujillo

La Ceiba

Limón

Sangrelaya

Brus Laguna

MOSQUITIA

San Pedro Sula

La Lima

Río Ulúa

El Progreso

Santa Rita

OLANCHO

Santa Rosa de Copán

Siguatepeque

Tegucigalpa

Comayagua

Danlí

San Lorenzo

Choluteca

Guásimo

Pazifischer Ozean

[Bild auf Seite 152]

Loverna Grell (links) und ihre Tochter Ethel

[Bilder auf Seite 156, 157]

Honduras, ein Land, das sich durch malerische Wasserfälle, wunderschöne Orchideen, altertümliche Pyramiden und herrliche Strände auszeichnet

[Bild auf Seite 158]

William und Ruby White

[Bild auf Seite 162]

Diese Missionare in Honduras kommen aus Ländern wie Deutschland, Finnland, Kanada, Mexiko, Norwegen, Schweden und den Vereinigten Staaten

[Bild auf Seite 168]

Bruder Knorr und die Zwillinge, Jeannette Fischer (links) und Johneth, die beide 1952 mit dem Missionardienst begannen

[Bild auf Seite 172]

Grant Allinger, Zweigaufseher von 1963 bis 1978, mit seiner Frau Olga

[Bild auf Seite 176]

Predigtdienst in der Nähe von Omoa

[Bild auf Seite 184]

Der Kreisaufseher Julio Mendoza mit seiner Frau Dunia und der Tochter Esther

[Bild auf Seite 193]

Die Königreichssäle sind einfach, gepflegt und passen zum Baustil der Gemeinde

[Bilder auf Seite 200]

Das erste Zweigbüro im Vergleich zu dem Zweigbüro, das 1961 gebaut und 1978 erweitert wurde

Lyman Swingle bei der Bestimmungsübergabe der neuen Gebäude am 21. Oktober 1989. Die 1989 fertiggestellten neuen Gebäude des Zweigbüros, direkt neben dem ursprünglichen Gebäude.

[Bild auf Seite 201]

Die fünf Brüder des Zweigkomitees mit ihren Frauen während eines Besuchs von Lloyd Barry, dem Zonenaufseher. Von links nach rechts: William und Ruth Sallis, Raymond und Olga Walker, Aníbal und Cristina Izaguirre, Lloyd und Melba Barry, Werner und Ulla Zinke, Manuel und Ada Martínez.