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Griechenland

Griechenland

Griechenland

AM 25. Mai 1993 ging ein gewaltiger Rechtskampf zu Ende. Er hatte mehr als sieben Jahre zuvor auf einer sonnenüberfluteten Insel im Mittelmeer begonnen und erreichte seinen Höhepunkt vor dem angesehensten Gerichtshof Europas. Im März 1986 war ein älteres Ehepaar namens Kokkinakis auf der griechischen Insel Kreta von Haus zu Haus gegangen, um mit den Nachbarn über die Bibel zu sprechen. Sie unterhielten sich mit einer Frau, deren Mann, wie sich herausstellte, Kantor der griechisch-orthodoxen Kirche war. Gar nicht begeistert, von Zeugen Jehovas besucht zu werden, rief er die Polizei. Diese verhaftete das Ehepaar Kokkinakis.

Minos Kokkinakis wurde vom Gericht schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil klagte er bis zur höchsten Instanz, dem Revisionsgericht als oberstem griechischen Gerichtshof, das seine Beschwerde jedoch verwarf. Deshalb legte Bruder Kokkinakis 1988 bei der Europäischen Menschenrechtskommission Beschwerde ein. Jene Kommission, die sich aus 23 Richtern der Mitgliedstaaten des Europarats zusammensetzt, entschied, den Fall zur Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zuzulassen. Das geschah im Herbst 1992. Am 25. Mai 1993 fällte der Gerichtshof mit sechs gegen drei Stimmen folgendes Urteil: Griechenland hat sich tatsächlich einer Verletzung der Menschenrechte schuldig gemacht — des Rechts auf Religionsfreiheit.

Doch was hatte zu jener erbitterten Auseinandersetzung über grundlegende Menschenrechte geführt? Weshalb sehen sich Jehovas Zeugen gezwungen, solche Kämpfe in einem Land zu führen, das seit jeher als Verfechter hehrer Ideale bekannt ist? Was für ein Land ist Griechenland?

Die Geschichte

Seit Urzeiten brandet das Meer an die Gestade Griechenlands. Den südlichen Zipfel einer breiten Halbinsel bildend, ragt das Land ins Mittelmeer und ist umgeben von Hunderten von Inseln im Ägäischen und Ionischen Meer. Die unzähligen Küsten haben unzähligen Fluten und Stürmen getrotzt. Nach der Flut der Tage Noahs war Griechenland den Stürmen der Geschichte der Menschheit ausgesetzt. Dort soll sogar die Wiege der westlichen Zivilisation gewesen sein.

Nachkommen Jawans, des Enkels Noahs, zogen gen Westen, und viele von ihnen siedelten sich in Griechenland an. * Offenbar brachten sie Erzählungen über die große Sintflut und die dabei untergegangene Welt mit. Unverkennbar sind manche Mythen des antiken Griechenland verfälschte und verdrehte Darstellungen tatsächlicher Ereignisse, von denen die Bibel berichtet.

Überhaupt ist die Geschichte des antiken Griechenland eng mit der biblischen Geschichte verknüpft. Im sechsten Jahrhundert v. u. Z. sagte der hebräische Prophet Daniel voraus, Griechenland werde zur Weltmacht aufsteigen. Daniels Worte beschrieben derart exakt den sensationellen Siegeszug Alexanders des Großen, seinen plötzlichen Fall und die darauf folgende Aufteilung seines Reiches in vier weniger bedeutende Teile, daß so mancher Gelehrte behauptete, die entsprechenden Textstellen seien im nachhinein geschrieben worden; es gelang ihnen jedoch nie, dies zu beweisen (Dan. 7:2; 8:5-8, 20-22).

Zwar berichtet die Bibel nicht im einzelnen über die Zeitperiode, als Israel von Griechenland beherrscht wurde, doch tragen die Christlichen Griechischen Schriften deutliche Spuren jener Ära. Viele Nachfolger Jesu im ersten Jahrhundert sprachen und schrieben Griechisch, die in der damaligen zivilisierten Welt gebräuchliche Umgangssprache. Das Gedankengut griechischer Philosophen wie Platon und Aristoteles war unter den Juden der Tage Jesu weit verbreitet. Zweifelsohne hatte der Apostel Paulus hochmütige Denker dieser Art im Sinn, als er der Versammlung in Korinth schrieb, das Wort Gottes könne ‘starke Verschanzungen und Vernunftschlüsse umstoßen’ (2. Kor. 10:4, 5).

Das Christentum blüht auf und verschwindet wieder

Griechenland war das erste europäische Land, das von einem Apostel Jesu Christi besucht wurde. Paulus ging im Hafen von Neapolis an Land und bereiste Städte wie Philippi, Thessalonich und Beröa im Norden sowie Athen und Korinth im Süden. Mit einem für das frühe Christentum typischen Schwung entstanden in diesen Städten in kurzer Zeit blühende Versammlungen. Die Briefe des Paulus an Christen in Philippi, Korinth und Thessalonich sowie die Briefe, die er von Griechenland aus schrieb, haben den Glauben von Millionen Christen seither gestärkt.

Leider wurde Griechenland nicht lange nach dem Tod des letzten Apostels, Johannes, — er schrieb die bemerkenswerte Offenbarung auf, die er erhielt, als er sich auf der griechischen Insel Patmos in der Verbannung befand — von einer Welle des Abfalls heimgesucht, die über die Christenversammlung hereinbrach und den Glauben der meisten verdarb. Die Versammlungen übernahmen unbiblische Lehren wie die Lehre von der unsterblichen Seele, der Höllenqual, der Dreieinigkeit und die Aufteilung in Geistliche und Laien.

Es folgten Jahrhunderte geistiger Finsternis. Währenddessen gestand man dem Papst von Rom den Primat über die Christenheit zu. Für die Kirche in Griechenland und den östlichen Ländern allerdings trug der Patriarch von Konstantinopel die Verantwortung. Die jahrelange Spannung zwischen Ost und West erreichte im Jahre 1054 ihren Höhepunkt, als eine Debatte über einen unbedeutenden Lehrpunkt im großen Kirchenschisma endete, wodurch die östliche orthodoxe Kirche von der römisch-katholischen getrennt wurde. Griechenland ist der orthodoxen Kirche treu geblieben. Tatsächlich gehören heute 98 Prozent der zehn Millionen Einwohner Griechenlands der griechisch-orthodoxen Kirche an, einem autokephalen Zweig der orthodoxen Ostkirchen.

Die Geschichte der orthodoxen Kirche ist eine Geschichte der Einmischung in die Politik. Solange das muslimische Osmanische Reich vom 15. bis ins 19. Jahrhundert alle orthodoxen Länder Europas mit Ausnahme Rußlands beherrschte, setzten die Eroberer den Patriarchen von Konstantinopel als weltlichen Herrscher über alle orthodoxen „Christen“ im Reich ein.

Als sich Griechenland in den 1820er Jahren gegen die Herrschaft der Osmanen auflehnte, spielte die griechisch-orthodoxe Kirche dabei eine Schlüsselrolle und förderte den Nationalismus und das Streben nach Unabhängigkeit. Seither sind die Geistlichen ein beherrschender Machtfaktor in der griechischen Politik, ja die Regierung zahlt sogar ihr Gehalt. Die neuzeitliche Geschichte des Volkes Jehovas in jenem Land ist gerade wegen des gewaltigen Einflusses der Geistlichkeit überwiegend eine Geschichte der Verfolgung.

Das Land und seine Menschen heute

Nicht lange nach der Jahrhundertwende kam das wahre Christentum erneut nach Griechenland. Land und Leute, wie sie die Prediger Anfang des 20. Jahrhunderts vorfanden, glichen in vielerlei Hinsicht dem, was Paulus neunzehnhundert Jahre zuvor begegnet war.

Nirgendwo in Griechenland ist man in Anbetracht der zerklüfteten Küste mit ihren vielen Einschnitten und der zahlreichen Inseln — sie bilden 20 Prozent des Staatsgebietes — weit vom Meer entfernt. Fischerei und Schiffahrt sind daher heute noch weit verbreitet. Landwirtschaftlich nutzbaren Boden findet man in dem felsigen und gebirgigen Land kaum, auch wenn es im Landesinnern und an der Küste vereinzelt fruchtbare Talebenen gibt. Das heiße, trockene Klima im Sommer begünstigt den Anbau von Oliven und Wein.

Was läßt sich über die Menschen dort sagen? In der ganzen Welt sind die Griechen als lebhaft, heißblütig, energiegeladen und freigebig bekannt. Gewöhnlich vertreten sie eine feste Meinung und zögern nicht, diese kundzutun. Als Paulus Athen zum ersten Mal besuchte, fiel ihm auf, daß „alle Athener und die dort zugezogenen Ausländer ... ihre Mußezeit mit nichts anderem als nur damit [verbrachten], etwas Neues zu erzählen oder anzuhören“ (Apg. 17:21). Auch heute noch sitzen Griechen gern auf der Agora, dem Marktplatz, und ergehen sich in langen Reden über Politik, Philosophie und Religion. Außerdem sind sie äußerst treue Menschen — eine Eigenschaft, die die orthodoxe Geistlichkeit mitunter ausgenutzt hat.

Anfang des 20. Jahrhunderts

Daß die Wasser der Wahrheit nach Griechenland zurückkehrten, war eine Folge der Emigration. Viele Griechen wanderten in die Vereinigten Staaten aus, kamen dort mit den Bibelforschern, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, in Berührung und lernten die Wahrheit der Bibel kennen und schätzen. Bald suchten sie nach Wegen, ihren Verwandten zu Hause von dem zu erzählen, was sie lernten. Der Same, den sie in Form von Briefen und Traktaten dorthin sandten, fiel häufig auf fruchtbaren Boden. Allerdings erkannten viele, daß es nicht ausreichte, einfach nur Traktate nach Hause zu senden; manche reisten zu Besuch nach Griechenland, andere kehrten dorthin zurück, um sich wieder in ihrem Heimatland niederzulassen.

George Kossyfas, ein Grieche, der die Wahrheit im Jahre 1900 in den Vereinigten Staaten kennengelernt hatte, wurde 1905 von Charles Taze Russell, dem Präsidenten der Watch Tower Bible and Tract Society, nach Griechenland gesandt. Er nahm die Schriftstudien mit. Der Prediger und Professor für englische Sprache John Bosdogiannis von der Insel Kreta übersetzte die Bände der Schriftstudien ins Griechische. Sie wurden dann gedruckt und an Buchhandlungen in Athen und in der Hafenstadt Piräus verteilt — in der berühmten Buchhandlung Hestia in der Stadionstraße von Athen stellte man sie sogar im Schaufenster aus. Bruder Kossyfas machte auch „Straßendienst“, indem er die Bände auf der niedrigen Mauer um das griechische Parlamentsgebäude ausstellte und die Fragen der Vorübergehenden beantwortete.

John Bosdogiannis fand auf Kreta einen eifrigen Studenten, einen Fotografen namens Athanassios Karanassios; er nahm 1910 die Wahrheit an. Er studierte sogar Althebräisch und Koine, die griechische Gemeinsprache der Antike, sowie Englisch.

Zu den ersten, die in Athen Interesse zeigten, gehörte ein gelähmter Mann namens Ekonomou, der im Stadtteil Exarhia wohnte. Auch er nahm 1910 bereitwillig die Wahrheit an und gab eifrig anderen Zeugnis. Allerdings war er ans Bett gefesselt. Deshalb schrieb er Bibeltexte auf kleine Zettel und warf diese aus dem Fenster in der Hoffnung, jemand würde sie finden. Außerdem sandte er interessierten Personen Traktate und schrieb Briefe. Michael Triantafilopoulos, ein junger Mann, der gerade die Wahrheit kennengelernt hatte, bereiste daraufhin die Städte und Ortschaften, verteilte weitere Traktate und half Interessierten, miteinander bekannt zu werden.

Die ersten Zusammenkünfte wurden in der Wohnung von Bruder Ekonomou abgehalten. Bald darauf wurde in Piräus eine Gruppe gebildet, die sich im Haus von Bruder Kossyfas versammelte. Bei ihren Zusammenkünften verwendeten die Brüder die Schriftstudien und andere Veröffentlichungen des treuen und verständigen Sklaven (Mat. 24:45-47). Zweifellos waren sie begeistert, als sie erfuhren, daß Bruder Charles Taze Russell plante, Griechenland zu besuchen.

Bruder Russell besucht Griechenland

Bruder Russell besuchte anläßlich seiner Weltreise 1912 auch Athen und Korinth. Damals gab es in Griechenland nicht mehr als 12 Verkündiger. Er hielt einen Vortrag im Klubsaal der Geschäftsleutevereinigung von Athen, derselben Stadt, in der sich Paulus neunzehnhundert Jahre zuvor sehr erregt hatte, weil es dort von Götzen nur so wimmelte (Apg. 17:16). So viele wollten Bruder Russells Vortrag hören, daß er ihn ein zweites Mal halten mußte. Diesmal waren aber etliche griechisch-orthodoxe Priester anwesend, die den Vortrag unterbrachen und einen Tumult verursachten. Später beantwortete Bruder Russell, am Bett von Bruder Ekonomou sitzend, viele biblische Fragen.

Mit dem Zug fuhr Bruder Russell dann nach Korinth. Zu seinem großen Erstaunen hatte man einen Vortrag in der griechisch-orthodoxen Kirche Sankt Paulus angesetzt. Anwesend waren neben dem Bürgermeister auch etliche Priester und Offiziere. Bruder Russell sprach über das Thema: „Jenseits des Grabes“. Der Vortrag wurde gut aufgenommen, und man bat ihn, den Vortrag ein zweites Mal zu halten. Anschließend zeigte ihm der Bürgermeister die Sehenswürdigkeiten dieser alten Stadt, in der Paulus einst eineinhalb Jahre verbracht und eine Versammlung gesalbter Christen aufgebaut hatte (Apg. 18:11).

Besuch von Bruder Rutherford

Am 28. September 1920 kam J. F. Rutherford, der zweite Präsident der Watch Tower Society, mit dem Simplon-Orient-Expreß nach Athen. Die Zeitung Athina kündigte seinen Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ an. Bruder Rutherford sprach auch auf dem Areopag, dem Marshügel, wo Paulus um das Jahr 50 u. Z. ein so wirkungsvolles Zeugnis gegeben hatte (Apg. 17:22-34). Später schrieb Bruder Rutherford treffend: „Griechenland ist ein von Priestern geplagtes Land, doch denken wir, daß den Menschen langsam aufgeht, wie sehr sie von ihren blinden Leitern übertölpelt und irregeführt worden sind. Für das Zeugnis der Wahrheit besteht unserer Meinung nach ein großes Feld.“

Bruder Rutherford erkannte auch, daß das Werk in Griechenland besser organisiert werden mußte. Vor 1922 gab es keine offizielle Organisation. 1922 wurde in der Lombardoustraße in Athen ein Zweigbüro der Watch Tower Bible and Tract Society eröffnet mit Athanassios Karanassios als Verantwortlichem. Das Werk wurde immer besser organisiert; man sandte reisende Redner in die größeren Städte und andere in kleinere Städte und Ortschaften. Insgesamt gab es damals etwa 20 unermüdliche Arbeiter im Gebiet.

Die gute Botschaft durch öffentliche Vorträge bekanntgemacht

Eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung der guten Botschaft in jenen Jahren kam öffentlichen Vorträgen zu. Als der Vortrag „Alle Nationen im Aufmarsch zum großen Krieg von Harmagedon, aber Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ gehalten werden sollte, machte sich die kleine Athener Versammlung an die Arbeit. Der Stadtrat genehmigte, daß sie das Städtische Theater von Athen kostenlos benutzen durften. Die Zeitung Athina kündigte den Vortrag mit großen Schlagzeilen an. Als Bruder Karanassios den Vortrag hielt, war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein zweites Mal wurde der Vortrag im Odeonsaal in der Phidioustraße gehalten. Viele nahmen die Broschüre Millionen jetzt Lebender werden nie sterben entgegen.

George Douras, ein bekannter Dichter und Jurastudent, lernte die Wahrheit 1920 durch ein Traktat kennen. Von 1922 bis 1925 diente er als Pilgerbruder, wie reisende Aufseher damals genannt wurden. Im November 1923 hielt er in einem Kino in der Hafenstadt Patras an der Westküste einen Vortrag. Dabei war Pavlos Grigoriadis anwesend, ein sehr gebildeter Mann; dieser wurde später ein Bibelforscher. Sein Bruder Grigoris lernte ebenfalls die Wahrheit kennen und gehört noch heute zur Bethelfamilie in Griechenland.

Im gleichen Jahr hielt Bruder Douras einen öffentlichen Vortrag in Kalamata. Dimitris Logiotatos erinnert sich: „Alle in der Stadt, ich selbst eingeschlossen, waren völlig verblüfft, als sie die Plakate lasen, auf denen der Vortrag ‚Millionen jetzt Lebender werden nie sterben‘ angekündigt wurde. Ich beschloß, mir das anzuhören. Der Saal war schon voll, als ich ankam. Ich saß hinter Herrn Trempela, einem Theologen und Professor an der Universität Athen, der als ‚Nachtigall der orthodoxen Kirche‘ bekannt war. Gespannt verfolgte ich jedes Detail des geistigen Kampfes zwischen den Bibelforschern und jenem prominenten Theologen. Die WAHRHEIT triumphierte! Anschließend nahm ich eine Anzahl Exemplare der Broschüre mit, die denselben Titel trug wie der Vortrag. Ich las sie in nur einer Nacht durch. Voller Freude beeilte ich mich, meinen Freunden und Angehörigen diese wunderbare Broschüre zu geben.“

„Komm herüber nach Mazedonien, und hilf uns!“

Weltweit kennen Christen den dringenden Ruf, der an den Apostel Paulus durch den Geist Gottes erging und ihn dazu veranlaßte, im Gebiet von Mazedonien zu predigen: „Komm herüber nach Mazedonien, und hilf uns!“ (Apg. 16:9). Die Reisen des Paulus führten ihn zuerst nach Mazedonien, wohingegen die gute Botschaft in unserem Jahrhundert zunächst nach Süd- und Mittelgriechenland gelangte und erst ein wenig später nach Mazedonien.

Seinen Anfang in diesem Gebiet nahm das Predigtwerk mit einem öffentlichen Vortrag in genau der Stadt, die Paulus bei seiner Ankunft in Europa als erste betrat — Kavala, das alte Neapolis. Nicolas Kouzounis erinnert sich an seine Erfahrung dort im Jahre 1922: „Ich war in religiöser Hinsicht sehr beunruhigt gewesen. Um diese Zeit kündigte die Zeitung Simaia an, in einem Café werde ein Vortrag über das Thema ‚Millionen jetzt Lebender werden nie sterben‘ gehalten. Nach dem Vortrag erhielt ich die Broschüre „Können die Lebenden mit den Toten reden?“ Tief bewegt von dem, was er gelernt hatte, schloß sich Bruder Kouzounis bald einem anderen Bruder an, der monatelang mit dem Auto die Ortschaften und Städte bis hin zur türkischen Grenze bereiste, um zu predigen. Die gute Botschaft kam so nach Alexandrupolis im Nordosten sowie in die Gegenden von Nea Orestiada, Sakkos und die Präfektur Chalkidike.

Saloniki (oder Thessaloniki) ist die zweitgrößte Stadt Griechenlands. Es ist eine alte Stadt, die eng mit dem Dienst des Apostels Paulus und seiner Gefährten verknüpft war. Schon 1926 predigten in diesem Gebiet Spyros Zacharopoulos, ein ehemaliger Soldat, und Thanasis Tsimperas, ein Lehrer. Diogenis Kontaxopoulos verkündigte die gute Botschaft zwischen 1928 und 1933 in den Ortschaften der Präfektur Serrä. Ostmazedonien und Westthrakien erreichte die Botschaft vom Königreich durch die treue Predigttätigkeit von Yiannakos Zachariadis.

Wie gelangte die gute Botschaft in jene abgelegenen Regionen? Manchen Brüdern, die verbannt wurden, weil sie nicht zu predigen aufhörten, erlaubte man, den Ort ihrer Verbannung selbst zu wählen. Bruder Kouzounis aus Kavala wurde 1938 in den Verwaltungsbezirk Chalkidike verbannt. Nachdem er Jehova um Leitung gebeten hatte, erwählte er sich die Ortschaft Nea Simantra. Fragten ihn die Dorfbewohner, weshalb er verbannt worden sei, gab er zur Antwort: „Weil ich ein Christ bin.“ Diese Antwort stimmte die Leute nachdenklich; daraufhin ergaben sich viele Gespräche — und Bruder Kouzounis konnte sehr geschickt mit der Bibel umgehen. Mit der Zeit wurde in Nea Simantra eine Versammlung gegründet. Von dort aus breitete sich die gute Botschaft nach Galatista aus, wo eine weitere Versammlung entstand. In Nea Moudania wurde eine Gruppe Frauen gläubig — die Schwestern Mastoraki, Stampouli und Nteniki. Sie lehrten andere in Floyita mit dem Ergebnis, daß auch dort eine Versammlung gegründet werden konnte. Dann breitete sich die Wahrheit nach Kassandra aus.

Die frühen Jahre in Thessalien

In Thessalien, einem Gebiet in Mittelgriechenland, machte die gute Botschaft schon sehr früh gute Fortschritte, besonders in zwei kleinen Ortschaften — Kalamaki (Larissa) und Eleftherohori (Trikala). Auf einer Reise im November 1922 mußte George Koukoutianos, ein Lehrer, den man entlassen hatte, weil er ein Bibelforscher war, wegen schlechten Wetters in Kalamaki im Haus von Dimitris Pardalos übernachten. Er gab seinem freigebigen Gastgeber Zeugnis. Mit welchem Ergebnis? Dimitris und zwei weitere Bewohner des Ortes, Theodoros Pardalos und Apostolos Vlahavas, lernten Jehova kennen.

Diese drei fingen an, in den umliegenden Ortschaften von Haus zu Haus Zeugnis zu geben. Zwei bis drei Monate im Jahr predigten sie außerdem in abgelegenen Gebieten, wonach sie jeweils in ihr Dorf zurückkehrten, um sich zu erholen und genug Geld zu verdienen, damit sie den nächsten Feldzug finanzieren konnten. Sie waren zu Fuß unterwegs und mußten nicht nur eine Menge Literatur tragen, sondern auch noch all das, was sie im Tausch für die Literatur erhielten.

Es gab aber auch lustige Momente in ihrem Leben. Einer von ihnen erzählte: „Wir mußten einmal durch einen Fluß waten. Es war Winter, und das Wasser war kalt. Ich war der Größere von uns beiden, weshalb ich meinem Gefährten vorschlug, ihn auf meinem Rücken hinüberzutragen. Um mir einen zweiten Gang zu ersparen, trug ich in der einen Hand unsere Literaturtaschen, in der anderen unsere Schuhe und Strümpfe. Gleichzeitig hielt ich mit meinen Zähnen einen Korb Eier fest. Als wir den Fluß etwa zur Hälfte durchquert hatten, machte ich allerdings den Fehler, meinen Gefährten auf dem Rücken zu fragen, ob bei ihm alles in Ordnung sei. Dabei fiel natürlich sofort der Korb Eier herunter. Bei dem Versuch, ihn aufzufangen, ließ ich unsere Schuhe, Socken und die Literatur fallen. Als ich versuchte, diese zu retten, fiel schließlich der Bruder von meinem Rücken in den Fluß.“ Über jene denkwürdige Flußdurchquerung haben die beiden noch Jahre später gelacht.

In den ländlichen Gebieten zu predigen war eine Herausforderung. Als die Zeugen das Traktat Anklage gegen die Geistlichkeit verbreiteten, wurden sie manchmal in Polizeistationen festgehalten und dann vor Gericht gebracht. Die Verfolgung stärkte jedoch ihren Glauben und steigerte ihren Eifer für das Königreich. Das hatte zur Folge, daß die Versammlung in Kalamaki von 1930 an ständig wuchs.

Widerstand von innen

Im Jahre 1931 nahmen Gottes Diener den Namen Jehovas Zeugen an. Allerdings waren nicht alle damit einverstanden. Kostas Ekonomou aus Larissa erinnert sich: „Sobald ich von dem neuen Namen gehört hatte, rannte ich, so schnell ich konnte, zu den Brüdern in unserer Gegend, um ihnen die freudige Nachricht zu bringen. Die Brüder aber sagten zu meiner Verblüffung: ‚Wir können doch nicht unseren Namen ändern!‘ Sie wollten nicht Zeugen Jehovas genannt werden.

Bei unserer nächsten Zusammenkunft wies ich sie wegen ihrer Einstellung zurecht. Mit welchem Ergebnis? Alle zehn anwesenden Brüder standen auf und warfen mich aus der Zusammenkunft hinaus! Doch am nächsten Tag fing ich wieder an zu predigen, denn ich war überzeugt, daß Jehova mir eine andere Versammlung geben würde. Jene erste Gruppe Brüder hörte auf, sich zu versammeln, und zerstreute sich allmählich. Nur ein oder zwei Brüder in Larissa blieben treu.“

In Jehovas Organisation traten auch andere Personen in Erscheinung, die der Leitung der Organisation nicht bereitwillig folgen wollten. Das Predigtwerk war für manche eine Prüfung. Bei der Feier zum Gedächtnis an den Tod Christi im Jahre 1928 nahmen 168 Personen von den Symbolen. Im gleichen Jahr gab es hingegen in ganz Griechenland nur 97 Verkündiger der guten Botschaft. In dem Maß, wie das Predigtwerk immer besser organisiert wurde, wurden nach und nach die ausgesiebt, die sich weigerten, daran teilzunehmen.

Wachstum trotzt Widerstand in Eleftherohori

Die ersten Strahlen der Wahrheit erreichten die Ortschaft Eleftherohori im Gebiet von Trikala im Jahre 1923. Ein Bruder namens John Kostarellos kehrte aus Amerika in seinen Heimatort Exalofos zurück und predigte dort von Haus zu Haus. Sein Bruder Dimitris nahm die Wahrheit an, und bald predigten die beiden regelmäßig im nahe gelegenen Eleftherohori. 1924 trafen sie George Papageorgiou; er erzählte später: „Zuerst war ich dagegen. Ich sagte zu ihnen: ‚Wollt ihr ungebildeten Ziegendiebe aus Exalofos uns etwa das Evangelium lehren? Wir haben unsere Priester und Bischöfe, gelehrte Männer. Kümmert euch gefälligst um eure eigenen Angelegenheiten!‘ Sie gingen, kamen aber ein andermal wieder. Diesmal hörte ich mir an, was sie zu sagen hatten. Und was hörte ich? ‚Es steht geschrieben‘, und zwar in diesem oder jenem Bibelbuch. Das brachte mich zum Nachdenken.“ Nicht lange darauf schloß er sich ihnen im Predigtwerk an.

Alle drei Brüder reisten 1925 nach Athen und ließen sich taufen. Gemeinsam führten sie weiter das Predigtwerk durch, und 1928 nahmen der Neffe von George Papageorgiou sowie sein Schwiegersohn aus dem Nachbarort Valtino die Wahrheit an.

Als Nicos Karathanassis die Wahrheit annahm, verlangten seine Angehörigen, er solle Valtino verlassen. Seine Vettern packten ihn bei den Haaren und waren im Begriff, ihn zu Boden zu werfen, als sein Vater einschritt. Sein Bruder George begann ebenfalls, Jehova zu dienen, worauf die Verfolgung weiterging. Fanatische Verwandte überredeten sogar Georges Frau dazu, ihn im Schlaf umzubringen. Doch George wachte just in dem Moment auf, als seine Frau mit der Axt zum Schlag ausholte. Er sprach so freundlich mit ihr, daß sie die Axt wieder weglegte, weil sie den Unterschied bemerkte zwischen dem Verhalten ihres Mannes und dem seiner Ankläger. Nicht nur sie machte in der Wahrheit Fortschritte, sondern auch andere Verwandte — ganze Familien begannen, Jehova zu dienen. Kostas Karathanassis, ein Sohn von George, besuchte 1975 die Wachtturm-Bibelschule Gilead. Mit seiner Frau Maria dient er als Missionar auf Zypern.

Vasilis Avgerinos arbeitete als Lehrer in Eleftherohori; er traf die Bibelforscher erstmals im September 1927. „Gleich nach meiner Ankunft“, erinnert er sich, „erzählte man mir, ein ‚Freimaurer‘ im Dorf mit Namen George Papageorgiou störe die Dorfgemeinschaft mit seinen Irrlehren. Ich als Lehrer sollte ihn ‚in seine Schranken weisen‘.“ Bruder Papageorgiou erzählt: „Ich führte ein Gespräch mit dem Lehrer, und die Dorfbewohner waren von seiner Redekunst beeindruckt. Sie lachten und sagten: ‚Wir Dorfbewohner wissen nicht viel, und Sie wollen ein gebildeter Mann sein. Aber jetzt müssen Sie sich vor dem Lehrer rechtfertigen!‘ “ Nur ein paar Tage später bat jedoch dieser Lehrer Bruder Papageorgiou um den ersten Band der Schriftstudien, und bald wollte er alle Bände haben. Wie reagierte er? Er erinnert sich: „Endlich hatte ich die WAHRHEIT gefunden!“ Seine Frau und er schlossen sich dem Predigtwerk an.

Nun gab es sieben Verkündiger in jener Gegend. Von allen Seiten verfolgte man sie. Bruder Avgerinos erzählt: „Wir wurden öffentlich beschimpft, auf der Straße verflucht, bei der Polizei und dem Erziehungsministerium angezeigt, vor Gericht gebracht und geschmäht. Doch zu unserer großen Freude wurden einige Spötter und Ankläger später unsere Brüder und unterstützten uns im Predigtwerk.“

Die griechischen Inseln — Kreta

Die griechischen Inseln sind wegen ihrer Schönheit und des sonnigen Wetters weltberühmt. Der Apostel Paulus besuchte einige dieser felsigen Inseln im Ägäischen Meer. Auf dem Rückweg von seiner dritten Missionsreise im Jahre 56 u. Z. machte er auf Mitylene, Chios und Samos halt (Apg. 20:14, 15). Auch auf Kreta verbrachte er offensichtlich einige Zeit, doch ist nicht bekannt, ob er noch andere Inseln Griechenlands besuchte (Tit. 1:5). Der Apostel Johannes wurde auf die Insel Patmos verbannt, und auch in der Neuzeit dienten manche Inseln als Orte der Verbannung (Offb. 1:9).

Bruder Rutherford reiste 1920 im Anschluß an seinen Besuch in Athen auch nach Chania und Heraklion auf der Insel Kreta. Drei Jahre danach entdeckte Nicos Benierakis aus dem Dorf Douliana in einem Schuhladen das Buch Die Harfe Gottes. Später kam er mit John Bosdogiannis in Chania in Kontakt, der die Bücher von C. T. Russell übersetzt hatte. Drei Brüder bildeten in Douliana eine Gruppe. Allerdings fing Professor Bosdogiannis leider an, eigene Broschüren zu veröffentlichen, und weigerte sich, weiter mit der Gesellschaft zusammenzuarbeiten.

Ein bescheidener Lehrer namens Manolis Lionoudakis jedoch machte Fortschritte in der Wahrheit. Als er aus seiner Wohnung hinausgeworfen wurde, gab er seine Arbeit als Lehrer auf und begann in Heraklion mit dem Pionierdienst. Von Haus zu Haus bearbeitete er die ganze Stadt. Deswegen brachte man ihn vor Gericht, und er wurde für ein Jahr auf die Insel Amorgos, die zu den Kykladen gehört, verbannt. Er erinnert sich: „Sechs Monate war ich bereits auf der Insel, da kam plötzlich ein Mann namens Kokkinakis von Kreta an. Ich hatte dort mit ihm über die Wahrheit gesprochen. Er hatte Interesse gezeigt, und jetzt war er wegen seiner neugefundenen Überzeugung hierher verbannt worden. Endlich hatte ich einen Gefährten, mit dem ich gemeinsam den Wachtturm studieren konnte. Im Meer vor Amorgos wurde mein Gefährte getauft.“

Bruder Kokkinakis ist heute 84 Jahre alt und dient Jehova treu seit 54 Jahren. 1938 war er der erste Zeuge Jehovas in Griechenland, der wegen Übertretung des Gesetzes gegen Proselytenmacherei verhaftet wurde. Sein jüngster Rechtskampf wurde am Anfang dieses Berichts erwähnt. Insgesamt hat man ihn mehr als 60mal verhaftet, weil er friedlich seinen Gottesdienst verrichtete.

Obwohl das Werk einen kleinen Anfang hatte, gibt es heute 13 Versammlungen auf Kreta, was beweist, daß die Brüder und Schwestern über viele schwierige Jahre hinweg ausgeharrt und hart gearbeitet haben.

Samos

Einer der ersten Zeugen Jehovas auf der Insel Samos, Dimitris Makris, erinnert sich, wie er die Wahrheit kennenlernte: „Im Januar 1926 hörte ich, wie ein Bibelforscher in einem Laden Zeugnis gab, und stellte mich ihm vor. Am nächsten Tag waren Penelope und ich bei einem Gespräch zugegen. Ich fragte die Brüder, weshalb sie Fragen so prompt aus der Bibel beantworten konnten. Sie sagten: ‚Man muß die Bibel studieren.‘ Sie zeigten mir das Buch Die Harfe Gottes und wie man es studiert. Daraufhin studierten wir — eine Gruppe von fünf Personen — das Buch jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden. Gegen Jahresende besuchte uns der Pilgerbruder Koukoutianos, und wir wurden getauft. 1927 hielten wir auf Samos einen kleinen Kongreß ab, bei dem 40 Personen von der Insel anwesend waren.

Wir beschlossen, alle Dörfer auf der Insel mit der einzigen Veröffentlichung zu bearbeiten, die wir hatten — eine Broschüre mit dem Titel Die Hölle, die die Fragen behandelte: ‚Was ist sie?‘ ‚Wer ist dort?‘ ‚Kann man dieselbe wieder verlassen?‘ In einer Ortschaft nach der anderen verprügelte man uns. Im März 1928 brachte ein Priester eine Schwester aus den Vereinigten Staaten und mich vor Gericht, obwohl er uns geschlagen hatte. Bei der Verhandlung fragte der vorsitzführende Richter den Priester: ‚Habt ihr denn keinen Baum im Dorf, an dem ihr ihn hättet aufhängen können?‘ Ich wurde zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt; in jenem Jahr mußte ich das Gedächtnismahl allein feiern.“

Jehova hat das Ausharren und die harte Arbeit der Brüder auf Samos gesegnet. Heute gibt es dort drei blühende Versammlungen.

Kleine Anfänge auf der Insel Korfu

Vier Brüder gab es 1923 auf Korfu, einer schönen Insel vor der Westküste Griechenlands gegenüber dem italienischen Festland. George Douras und Christos Papakos berichten über das Werk in jenen Jahren: „Wir beschlossen, im Theater der Hauptstadt einen öffentlichen Vortrag zu halten. Um 10 Uhr war der Saal mit etwa 1 000 Personen voll besetzt. Ganz vorn saßen einige Rechtsanwälte. Auf einmal kam der Polizeichef und teilte uns mit, der Vortrag dürfe nicht gehalten werden. Ein Rechtsanwalt aus der Zuhörerschaft war darüber verärgert und verlangte eine Erklärung. Als er erfuhr, daß der Erzbischof verantwortlich war, rief er aus: ‚Meine Herren! Ich bin der französische Konsul. In diesem Theater ist es verboten, sich den Vortrag anzuhören. Kommen Sie mit in das französische Konsulat. Dort wird es erlaubt sein.‘ Als erster folgte der Redner, Bruder Douras, dem Konsul, dann die gesamte Zuhörerschaft. Man stelle sich nur das Schauspiel vor, als die Menge durch die Straßen Korfus zum französischen Konsulat marschierte, um sich dort den Vortrag anzuhören!“

Auch der Kolporteur (Vollzeitprediger) Charalampos Beratis stieß auf Korfu 1923 auf Widerstand. Er erzählte: „In dem Dorf Pagi versammelten sich alle Bewohner auf dem Dorfplatz. Ich stellte die Veröffentlichungen der Gesellschaft vor, und viele nahmen Bücher entgegen. Auf einmal tauchte der Dorfpriester auf, zerrte an meinem Mantel und verkündete: ‚Im Namen des Gesetzes und des Königs: Sie sind verhaftet!‘ Er versuchte, die Polizei zu rufen, doch das Telefon funktionierte nicht. Im stillen bat ich Jehova, mir zu zeigen, was ich tun solle. Schließlich nahm ich meine Büchertasche und rief aus: ‚Im Namen Jehovas nehme ich meine Tasche und gehe!‘ Es herrschte völlige Stille; niemand sagte ein Wort. Ich ging einfach und setzte meine Predigttätigkeit fort.“

Auf den Inseln um Griechenland gibt es heute 47 Versammlungen mit 2 500 Zeugen Jehovas.

Die Pioniertätigkeit

Selbst in jenen schweren Jahren der Anfangszeit wollten eifrige griechische Brüder den Dienst zu ihrer Laufbahn machen. Michael Kaminaris, einer der ersten Pioniere, kehrte 1934 nach Griechenland zurück, durchdrungen von dem Wunsch, seine ganze Zeit der Verkündigung der guten Botschaft zu widmen. Bald darauf schloß sich ihm Michael Triantafilopoulos an. Die beiden bearbeiteten etliche Gegenden Griechenlands. Bruder Kaminaris erinnert sich: „Je mehr Fortschritte das Werk machte, desto heftiger wurde der Widerstand. Im Dorf Magouliana sahen wir uns einer Pöbelrotte gegenüber, und in Prasino griff man uns unter Führung des Ortspriesters an. In den Verwaltungsbezirken Messenien, Ätolien und Akarnanien kamen wir Dutzende von Malen wegen Proselytenmacherei vor Gericht.

Um nicht so oft verhaftet zu werden, riet uns die Gesellschaft, lieber allein zu arbeiten. Allein zu arbeiten war nicht leicht, denn man hatte niemand, mit dem man sich unterhalten konnte, doch ich machte mir keine Gedanken über die Gefahren und die Einsamkeit, sondern vertraute auf Jehova und ging an die Arbeit. Oft sagten die Leute: ‚Sie müssen ja eine Menge Geld dafür bekommen, daß Sie sich den weiten Weg machen, um zu uns zu gelangen.‘ Wie oft ich hungrig war und nicht wußte, wo ich übernachten sollte, davon hatten sie keine Ahnung. Wenn mir manchmal die Leute in einer Gegend feindselig begegneten, war der Friedhof der sicherste Platz zum Übernachten.“ Bruder Kaminaris gehört seit 1945 zur Bethelfamilie. Aus 8 allgemeinen Pionieren im Jahre 1938 sind 1993 über 1 800 geworden.

Bemühungen, dem Predigtwerk Einhalt zu gebieten

Ausgerüstet mit einer gebrauchten Offenbach-Flachpresse, wurde am 19. Februar 1936 im Keller des Gebäudes Lombardoustraße 51 in Athen die erste Druckerei der Gesellschaft in Griechenland in Betrieb genommen, um die ständig zunehmende Predigttätigkeit zu unterstützen. Ab Mai jenes Jahres wurde auf der Presse Das Goldene Zeitalter (heute Erwachet!) gedruckt. Den Wachtturm stellte man noch in den Vereinigten Staaten her.

Die Geistlichkeit war allerdings gegen die Verbreitung dieser neuen Zeitschrift. So mußte in der Augustausgabe des Goldenen Zeitalters 1936 bekanntgegeben werden, daß der Unterstaatssekretär des Ministeriums für Kommunikation und Postdienste auf Druck der Geistlichkeit den Postversand der Zeitschrift verboten hatte. Den Abonnenten versicherte man jedoch, sie würden die Zeitschrift auch weiterhin regelmäßig erhalten. Es sollte aber noch schlimmer kommen.

Am 4. August 1936 fand ein Regierungswechsel im Land statt. Ioannis Metaxas wurde neuer Präsident mit unumschränkter Machtfülle. Im Jahre 1938 — die Zahl der Verkündiger war auf 212 angewachsen — erließ man ein gesetzliches Verbot gegen Proselytenmacherei. Dieses Gesetz hat sich seither als größtes Hindernis für das Predigtwerk in Griechenland erwiesen. Bei einer Zusammenkunft in Athen im Oktober 1939 wurden 85 Brüder und Schwestern verhaftet. Die Sicherheitspolizei sperrte die 35 Schwestern in einen Raum und verteilte die Brüder auf verschiedene Polizeistationen, wo sie in Gewahrsam gehalten wurden.

Am darauffolgenden Tag wurde Bruder Karanassios, der Zweigdiener, im Büro der Gesellschaft verhaftet. Die Druckerei wurde geschlossen und das Eigentum der Gesellschaft beschlagnahmt. Auf Anstiften der Geistlichkeit setzte man alle verhafteten Brüder unter Druck, eine Erklärung zu unterschreiben, sie würden wieder zur griechisch-orthodoxen Kirche zurückkehren. Man drohte ihnen an, sie auf entlegene Inseln im Ägäischen Meer zu verbannen.

Kostas Christou, einer der 85, berichtet von einer typischen hinterhältigen Taktik, mit der Druck auf ihn ausgeübt wurde: „Herr Christou! Ihre Frau hat die Erklärung schon unterschrieben. Sie wird freigelassen. Es wäre doch ein Jammer, wenn sie allein bleiben müßte und Sie auf die Insel Seriphos ins Exil gingen!“ Doch Bruder Christou antwortete: „Meine Frau ist von Jehova abhängig und nicht von mir. Sie kann für sich selbst entscheiden. Aber ich bin sicher, daß sie nicht unterschrieben hat. Und was sollte sie im übrigen auch unterschreiben? Daß es etwas Schlechtes ist, unseren Schöpfer anzubeten?“

Ein Mann, der mit dem Präsidenten auf freundschaftlichem Fuß stand und auch Jehovas Zeugen gut kannte, hielt es für eine krasse Fehlentscheidung, die Zeugen zu verbannen. Daher sagte er zu dem Präsidenten: „Diese Leute sind doch nicht unsere politischen Gegner. Was tun sie denn schon? Sie warten auf Gottes Königreich. Wenn es kommt, ist das gut. Wir warten doch auch darauf.“ Das überzeugte den Diktator, und er befahl, die Entscheidung unverzüglich rückgängig zu machen. Die Brüder waren begeistert. Insgesamt hatten nur 6 der 85 Verhafteten dem Druck nachgegeben. Nach einer Gerichtsverhandlung wurde das gesamte Eigentum des Zweigbüros sowie alle Gelder zurückgegeben. Das Zweigbüro und die Druckerei konnten ihre Arbeit ohne Einschränkung fortsetzen. Doch nicht lange!

Die Kriegsjahre

Am 28. Oktober 1940 erklärte Italien Griechenland den Krieg, wodurch Griechenland in den Zweiten Weltkrieg verwickelt wurde. Die deutsche und die bulgarische Armee marschierten in Griechenland ein, und viele wurden getötet. Neunzehn Brüder verloren ihr Leben. Das Kriegsrecht wurde verhängt. Viele Brüder unter den 225 Verkündigern kamen wegen ihrer neutralen Haltung vor ein Kriegsgericht. Manche wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 7 und 20 Jahren verurteilt, andere erhielten lebenslänglich. In einigen Fällen, beispielsweise im Fall von Emmanuel Paterakis von Kreta, verhängte man die Todesstrafe. Allerdings wurden in Griechenland während der Zeit der Besatzung durch die Deutschen keine Todesurteile vollstreckt.

Während der Besatzungszeit waren die Bücher der Gesellschaft verboten; dennoch erhielten die Brüder manchmal einzelne Exemplare. Von April 1941 an wurden die Brüder aus dem Untergrund mit geistiger Speise versorgt. Zu den Brüdern im Hauptbüro gab es keine Verbindung mehr, und so druckte man auf einem Vervielfältigungsapparat Artikel aus älteren Wachtturm-Ausgaben nach sowie die Bücher Religion und Die Rettung und die Broschüre Flüchtlinge. Die Brüder predigten weiter, wenn auch auf informelle Weise. Interessierten liehen sie die Broschüren und luden alle, die mehr Interesse zeigten, zu Zusammenkünften in kleinen Gruppen ein. Viele lernten so die Wahrheit kennen.

Mit knapper Not entkommen

Um gegen die deutschen Besatzungstruppen zu kämpfen, bildeten sich in der griechischen Bevölkerung Widerstandsgruppen. Am 18. Oktober 1943 marschierte die deutsche Wehrmacht in Kalamaki (Thessalien) ein; dort gab es seit langem eine Versammlung. Die linksgerichteten Widerstandskämpfer, die dort ihren Stützpunkt hatten, sagten den Dorfbewohnern, sie sollten zum Schutz in die Berge fliehen. Die Brüder hingegen beschlossen nach einem Gebet dazubleiben. Als die Deutschen eintrafen, plünderten sie das Dorf und steckten die verlassenen Häuser in Brand. Zwei Drittel aller Häuser brannten nieder, nicht jedoch die Häuser der Diener Jehovas. Unter den knapp 80 Familien in Kalamaki wurden 65 Personen getötet. Keiner davon war ein Zeuge Jehovas.

Am 24. August 1944 wurden vier Brüder von Widerstandskämpfern in Tourkolekas, einer Ortschaft in der Nähe der Stadt Megalopolis, des Verrats beschuldigt und zum Tode verurteilt. Man führte sie gerade zur Hinrichtungsstätte, als überraschend die deutsche Artillerie angriff. Die Widerstandskämpfer stoben auseinander. Die Brüder waren gerettet.

Manchmal kesselten deutsche Soldaten ein Gebiet ein und brachten als Vergeltung für Sabotageakte alle Männer um. In Kallithea, einem Vorort Athens, trieben deutsche Soldaten alle Männer zusammen und wollten sie hinrichten. Als sie das Haus von Thanasis Paleologos durchsuchten und ihn gerade verhaften wollten, fielen einem Offizier plötzlich einige Bücher und Zeitschriften auf dem Tisch auf — verbotene Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas. Er fragte: „Sind Sie ein Bibelforscher?“ Bruder Paleologos erwiderte: „Jawohl!“ Darauf gestand der Offizier: „Meine Mutter in Deutschland ist eine Bibelforscherin“, nahm seine Soldaten und ging.

Verfolgung während des Krieges

Auch in Eleftherohori gab es eine seit langem bestehende Versammlung, die die Kriegsjahre durchstehen mußte. Elias Panteras berichtet: „Die zehn Jahre von 1940 bis 1950 waren eine Zeit feuriger Prüfungen. Wenn die Brüder von Haus zu Haus gingen, läuteten die Kirchenglocken, und der Ortsvorsteher zusammen mit dem Priester und den Ortspolizisten verhaftete die Brüder und schleppte sie vor Gericht. Zweimal durchsuchten nationalistische Gruppen, angeführt von einem Polizeibeamten, Häuser von Brüdern und brachten diese zur orthodoxen Kirche. Sie versuchten, sie zu zwingen, das Kreuzzeichen zu machen und Ikonen zu küssen. Als die Brüder sich weigerten, wurden sie brutal geschlagen.“

Mitglieder kommunistischer Gruppen und deren Ortsgruppenführer verhafteten einmal die Brüder und befahlen ihnen, für sie Wache zu stehen. Als die Brüder sich weigerten, wurden sie in den Nachbarort gebracht und den Behörden übergeben, die entschieden, Nicos Papageorgiou, Costas Christanas und Costas Papageorgiou sollten hingerichtet werden. Nur ein Mitglied des siebenköpfigen Komitees weigerte sich, die Hinrichtung zu unterstützen. Die Brüder wurden in ein Bergdorf geführt. Man las ihnen das Todesurteil vor, fesselte sie und fing an, sie zu schlagen. Dabei rollte Nicos Papageorgiou, der an Händen und Füßen gefesselt war, den Abhang hinunter und kam erst auf einem Vorsprung unmittelbar über einem Fluß zum Stillstand. Acht Tage lang wurden die Brüder wiederholt geschlagen; danach ließ man sie frei.

Nicos Papageorgiou erinnert sich: „Der Gruppenleiter der Nationalen Befreiungsfront zitierte mich in sein Büro und sagte mir, er müsse mir leider mitteilen, daß er ermächtigt worden sei, mich hinzurichten. Er sagte, er wolle versuchen, mir zu helfen, aber ich müßte ihm auch helfen. Ich nahm seine rechte Hand und sagte: ‚Wenn Sie mich lieben, dann richten Sie mich sofort hin. Würde ich meinen Glauben verleugnen, müßten Sie um mich weinen.‘ “ Offensichtlich beeindruckt, ließ der Mann Bruder Papageorgiou gehen. Interessanterweise kostete der Krieg bald darauf allen, die seine Hinrichtung angeordnet hatten, das Leben.

Bruder Papageorgiou ist jetzt 90 Jahre alt und dient Jehova immer noch mit ganzer Kraft. In Eleftherohori gibt es heute zwei blühende Versammlungen. Aus einem einzigen treuen Bruder — John Kostarellos aus Exalofos — sind mit dem Segen Jehovas wirklich Hunderte geworden. (Vergleiche Jesaja 60:22.)

Ein kirchlicher Würdenträger lernt die Wahrheit kennen

Bei all der durch die Geistlichkeit geschürten Verfolgung während des Krieges lernte Helen Kouzioni die Wahrheit paradoxerweise durch einen Priester kennen. Sie berichtet: „Ich arbeitete als Lehrerin an einer höheren Mädchenschule in Athen. 1941 wurde Polikarpos Kinigopoulos, ein Archimandrit [kirchlicher Würdenträger, der im Rang gleich nach einem Bischof kommt] und Theologielehrer, den ich gut kannte, an meine Schule versetzt. Zufällig gab ein Schuhputzer, der ein Zeuge Jehovas war, Herrn Kinigopoulos Zeugnis, während er auf der Straße dessen Schuhe putzte. Sein Interesse wurde geweckt, und er erzählte mir von dem Gespräch; daraufhin besuchten wir zusammen George Douras. Zum ersten Mal erfuhr ich dabei von Gottes Vorsatz, die Erde zu einem Paradies zu machen. Als wir gingen, sagte ich zu dem Theologen: ‚Das ist die Wahrheit. Ich werde nicht mehr in die Kirche gehen.‘ ‚Nicht so hastig‘, erwiderte er vorsichtig, ‚zuerst müssen wir studieren.‘ ‚Natürlich werden wir studieren‘, sagte ich, ‚doch ich bleibe dabei. Sie können ja hingehen, wo Sie wollen.‘ Er suchte alle Bischöfe auf, die er im Raum Athen kannte, doch keiner hörte ihm zu.

Schließlich fing ein Priester an, nach Zeugen zu suchen, um gegen Herrn Kinigopoulos Anklagen vorbringen zu können. Ich warnte meinen Bekannten vor der Gefahr; dieser ließ sich unverzüglich seinen Bart scheren und die Haare schneiden, zog einen braunen Anzug an und sah dann aus wie ein völlig anderer Mann. Er verfaßte eine Verteidigungsschrift, in der er die Gründe darlegte, weshalb er ein Zeuge Jehovas geworden war, und übergab sie persönlich der Kirchenbehörde.“ Ende 1943 wurden er und seine Schwester Sophia Iasonidou sowie Helen Kouzioni getauft. Jetzt war er nicht mehr „Vater Polikarpos“, sondern Bruder Kinigopoulos.

Zuwachs in der Gegend von Philippi

In der Nähe der alten mazedonischen Stadt Philippi, wo der Apostel Paulus und sein Gefährte Silas um das Jahr 50 u. Z. geschlagen und eingesperrt wurden, liegt die Ortschaft Kyria. Als in der Neuzeit Yiannakos Zachariadis, der 1926 die Wahrheit kennengelernt hatte, die umliegende Gegend mit der guten Botschaft bearbeitete, nahm eine Familie in dem Dorf Rodholivos das Buch Regierung entgegen. Jahre später, im Jahre 1940, besuchte der damals 19jährige Timoleon Vasiliou diese Familie und fand auf dem Dachboden einen Stapel Bücher, darunter das Buch Regierung. Er erzählt: „Stundenlang blieb ich auf dem Dachboden und las das ganze Buch durch. Ich hatte die Wahrheit gefunden!“

Jener junge Mann fing an, auf der Straße Zeugnis zu geben, und auf diese Weise lernte er einen Glaubensbruder kennen, den ehemaligen Polizisten Christos Triantafillou. Christos gab ihm weitere Bücher, und nicht lange danach wurde in Rodholivos eine aus acht jungen Leuten bestehende Versammlung gegründet. Von dieser Gruppe wurden am 3. Oktober 1945 Timoleon Vasiliou, Thanasis Kallos sowie Panagiotis und Nikos Zinzopoulos einfach deshalb verhaftet, weil sie Zeugen Jehovas waren. Man brachte sie auf die Polizeiwache und schlug sie unablässig 24 Stunden lang, vor allem auf die Fußsohlen. Einen Monat konnten die jungen Brüder nicht laufen.

Im Jahre 1940 heuerten Geistliche jemand an, Bruder Zachariadis, einen reisenden Aufseher, zu töten. Sie versprachen dem Killer, er werde straffrei ausgehen. So kam es, daß während einer Zusammenkunft in der Wohnung von Bruder Zachariadis unerwartet jemand an die Tür klopfte. Draußen stand ein Fremder. Er fragte nach Bruder Zachariadis, der gerade eine Ansprache hielt. Die Brüder boten dem Mann einen Platz an. Bruder Zachariadis bemerkte den Fremden und stellte seine Ansprache etwas um. Nach der Zusammenkunft begrüßten die Brüder den Fremden, und Bruder Zachariadis stellte sich ihm vor. Darauf bat ihn der Mann, allein mit ihm in einen Nebenraum zu kommen. Dort nahm er den Revolver aus der Tasche und das Geld, das man ihm bezahlt hatte, und sagte: „Vom Bistum wurde ich beauftragt hierherzukommen, Sie zu suchen und Sie umzubringen. Das ist der Revolver, und hier ist das Geld, das man mir für das Verbrechen bezahlt hat. Gott aber hat mich davor beschützt, unschuldiges Blut zu vergießen. Er half mir erkennen, daß Sie — entgegen dem, was man mir erzählt hat — ein Mann Gottes sind.“

Dank der treuen Arbeit jener Brüder konnten in Rodholivos, Dhraviskos, Palaeokomi und Mavrolofos Versammlungen gegründet werden. In diesen Gegenden im Norden Griechenlands ist das Werk ständig gewachsen.

Verbindung mit Brooklyn wiederaufgenommen

Erst 1945 kam wieder eine Verbindung mit der Organisation außerhalb Griechenlands zustande; damals traf Literatur von den Brüdern aus Alexandria (Ägypten) ein. Als endlich die Verbindung mit Brooklyn wiederhergestellt war, berichteten die Brüder vom griechischen Zweigbüro: „Die Wahrheit läßt sich nicht unterdrücken. Jehovas Geist leitete seine Diener in dem Werk der Einsammlung seiner Schafe.“ Zwischen 1940 und 1945 hatte sich die Zahl der Königreichsverkündiger fast verzehnfacht — von 178 auf 1 770.

Das griechische Zweigbüro beaufsichtigte auch das Werk in Albanien, weshalb man dort von Zeit zu Zeit Besuche durchführte. Im Jahrbuch 1938 hieß es über das Werk in jenem Land: „Auch dort ist Satan durch die römisch-katholische Hierarchie gegen die Verkündigung der Botschaft vom Königreich eingeschritten. Die Bücher wurden beschlagnahmt und sind bisher trotz der Petitionen an die albanische Regierung noch nicht zurückgegeben worden.“ 1939 gab es dort 23 Verkündiger. Als ein Bruder Albanien 1948 besuchte, predigten etwa 35 Personen. Danach wurde es wegen der politischen Situation sehr schwierig, mit den Brüdern in diesem Land in Verbindung zu bleiben. Wie erfreulich war es daher, zu erfahren, daß das Werk in Albanien im Mai 1992 rechtlich anerkannt wurde und 50 Verkündiger dort tätig waren.

Gileadabsolventen treffen ein

Ein denkwürdiges Jahr war das Jahr 1946. Die beiden Gileadabsolventen Anthony Sideris und James Turpin wurden nach Griechenland gesandt. Bruder Athanassios Karanassios hatte viele Jahre lang treu als Zweigdiener gedient, war aber krank geworden, weshalb Bruder Sideris an seine Stelle trat. Das Predigtwerk sowie die Übersetzungsarbeiten wurden neu organisiert.

Im Juni 1946 kamen 152 Kartons Literatur mit einem Schiff aus Brooklyn an. Sobald die Geistlichkeit davon erfuhr, leistete sie Widerstand. Die Zollbehörde erhielt ein Rundschreiben, in dem es hieß, die Einfuhr jener Bücher müsse mit allen Mitteln verhindert werden. Der Brief kam allerdings zu spät; die Brüder hatten die Bücher schon abgeholt. Sie verteilten sie sofort unter die Brüder. Als Kirchenvertreter zum Zweigbüro kamen, um die Bücher zu beschlagnahmen, waren sie längst nicht mehr da.

Unverzagt griff die Geistlichkeit 1947 zu einer anderen Taktik. In einem Rundschreiben an alle Regierungsbehörden ordnete das Ministerium für Erziehung und Religion an, alle Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas müßten mit dem Aufdruck „Häresie der Zeugen Jehovas“ versehen sein. Infolgedessen weigerten sich Post- und Zollämter, Literatur aus den Vereinigten Staaten ins Land zu lassen oder innerhalb Griechenlands irgend etwas zu versenden, was diesen Aufdruck nicht aufwies. Ein Höhepunkt jenes Jahres war der Besuch von N. H. Knorr, dem dritten Präsidenten der Gesellschaft, und M. G. Henschel, der später der fünfte Präsident der Gesellschaft wurde. Man traf Vorkehrungen für ein neues Zweiggebäude in der Tenedoustraße 16 in Athen. Leider mußten im November desselben Jahres die beiden Gileadabsolventen Griechenland verlassen. Als Vertreter der Gesellschaft im Zweigbüro wurde Plato Idreos eingesetzt.

Bericht an die Regierung über die Verfolgung

Nachdem Regierungsbeamte erklärt hatten, in Griechenland gebe es keine religiöse Verfolgung, reichte man im August 1946 einen Bericht bei der Regierung ein, in dem die schlechte Behandlung der Zeugen Jehovas dokumentiert wurde. In Wirklichkeit nahm die Verfolgung unablässig zu. In nur fünf Monaten des Jahres 1946 wurden 442 Brüder vor Gericht gebracht. Einige richtete man sogar hin.

Im März 1946 wurden in Phiki (Thessalien) zehn Zeugen Jehovas, die sich weigerten, gegen christliche Grundsätze zu verstoßen, derart brutal mit Knüppeln und Gewehren geschlagen, zu Boden geworfen und getreten, daß sie kaum noch zu erkennen waren. Anschließend warf man sie in eine Kalkgrube und wälzte sie in dem Kalkstaub. Die Dorfbewohner standen dabei und schauten zu. Als ein Glaubensbruder die Zeugen abends besuchen wollte, behandelte man ihn genauso.

Gleich am nächsten Tag kam es auf Anstiften des Bischofs von Trikala im nahe gelegenen Eleftherohori ebenfalls zu gewaltsamen Ausschreitungen. Ein Bruder wollte mit Hilfe der Presse gegen die Mißhandlung von Jehovas Zeugen protestieren. Man schleppte ihn in einen Kellerraum der Polizeiwache und schlug ihn bewußtlos. Dann warf man ihn blutend auf die Gasse hinter der Wache. Passanten brachten ihn zu einer Apotheke, wo er behandelt wurde. 15 Tage lang war er bewußtlos, und es dauerte einen ganzen Monat, bis er erzählen konnte, was ihm widerfahren war.

Grigoris Karagiorgos, ein Familienvater und Zeuge Jehovas aus Paleokastro (Karditsa), weigerte sich, gegen seine religiösen Grundsätze zu verstoßen. Am 15. August 1946 fiel er einer selbsternannten Bürgerwehr in die Hände, die ihn einem mittelalterlichen Inquisitionsverfahren unterwarf, was schließlich zu seinem Tod führte.

Zu ähnlichen abscheulichen Vorfällen kam es am 26. Juni 1947 bei Sparta. In der Ortschaft Vrondamas überraschten bewaffnete Polizisten Panagiotis Tsembelis dabei, wie er mit einer interessierten Frau die Bibel studierte. Beide wurden geschlagen; die Polizisten wollten die Frau aufhängen, doch einige Dorfbewohner griffen ein. Nachdem man den Bruder gefoltert und seinen Kiefer zerschmettert hatte, wurde er gefesselt und etwa anderthalb Kilometer aus dem Dorf geschleppt. Dort erschossen ihn die Polizisten.

Im gleichen Ort brach man einer Schwester den Arm, weil sie sich weigerte, das Kreuzzeichen zu machen. Im nahe gelegenen Goritsa stürmten bewaffnete Polizisten das Haus einer Schwester, zogen sie nackt aus, hängten sie an den Füßen auf und folterten sie. George Constantakis, ein Pionier, wurde in einen nahe gelegenen Wald verschleppt und hingerichtet.

Natürlich kam das Predigtwerk trotz dieser brutalen Angriffe nicht zum Stillstand. Im Dienstjahr 1949 wurde eine neue Verkündigerhöchstzahl von 2 808 erreicht, obwohl über 700 Brüder und Schwestern vor Gericht gebracht wurden.

In die Verbannung

Viele Familienväter wurden auf abgelegene Inseln wie Yiaros und Makronisos verbannt. Letztere ist wasserlos und öde und wegen der rücksichtslosen Behandlung der dorthin verbannten Gefangenen berüchtigt. Theodoros Neros erinnerte sich: „Man brachte uns im Februar 1952 mit dem Schiff nach Makronisos. Bei mir waren Michalis Garas und George Panagiotoulis, die schon fünf Jahre im Gefängnis gesessen hatten. Man hatte sie freigelassen, und jetzt wurden sie erneut wegen ihrer christlichen Neutralität bestraft. Beide schlug man bei unserer Ankunft brutal zusammen.

Wir hatten etliche Tage der Zwangsarbeit hinter uns, als eines Nachts Soldaten in unsere Zelle kamen, mich aufweckten und sagten: ‚Aufstehen! Wir werden dich jetzt hinrichten!‘ ‚Nun gut‘, sagte ich und wollte mich anziehen. ‚Nein!‘ sagten sie. ‚Bleib wie du bist!‘ Nach einer Weile fragten sie mich: ‚Warum sagst du denn nichts?‘ ‚Was soll ich denn sagen?‘ erwiderte ich. ‚Wir werden dich hinrichten, und du sagst dazu nichts?‘ ‚Ich wüßte nicht, was ich sagen sollte.‘ ‚Ja willst du denn nicht wenigstens deinen Angehörigen schreiben?‘ ‚Nein!‘ erwiderte ich. ‚Sie wissen bereits, daß ich vielleicht sterben muß.‘ ‚Na dann los!‘ sagten sie. Draußen schrie ein Offizier: ‚Stellt ihn an die Wand! Dreht ihn um!‘ Doch dann sagte ein Soldat zu mir: ‚Weißt du denn nicht, daß wir dich gar nicht hinrichten dürfen, bevor wir dich vor ein Kriegsgericht gestellt haben?‘ Das ganze war ein Trick gewesen, um meine Lauterkeit zu brechen!“

Bruder Neros berichtete auch, wie Jehova die Brüder in der Verbannung mit geistiger Speise versorgte: „Eines Tages bekam ich mit der Post eine Schachtel loukoumia [griechische Süßigkeit] geschickt. Natürlich wurden alle Päckchen kontrolliert. Die Kontrolleure waren so damit beschäftigt, die loukoumia zu probieren, daß sie das darunter liegende Verpackungsmaterial völlig übersahen. Es handelte sich um einen vollständigen Wachtturm. Die Brüder sagten hinterher: ‚Die Soldaten aßen die loukoumia, doch wir aßen den Wachtturm!‘ All diese Leiden brachten wenigstens ein gutes Ergebnis. Ein Gefängniswärter, der die Zeugen bewachen mußte, wenn sie mit anderen Verbannten studierten, wurde 25 Jahre später selbst ein Zeuge Jehovas und mit ihm viele seiner Angehörigen. Wenn wir uns treffen, erzählen wir oft von den damaligen Erlebnissen.“

Bewahrer der Lauterkeit hingerichtet

Das Erwachet! vom 8. Juni 1948 berichtete über die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Griechenland. In einem besonderen Brief an den griechischen Minister für öffentliche Ordnung wurde dagegen protestiert, daß der 37jährige Christos Moulotas, Vater von vier Kindern, von kommunistischen Widerstandskämpfern am 5. März 1948 hingerichtet worden war, weil er sich geweigert hatte, für sie zu arbeiten. Auch wurde auf die von griechischen Behörden angeordnete Hinrichtung von John Tsoukaris aus Karytsa (Larissa) am 9. Februar 1949 Bezug genommen.

Die Brüder der Versammlung Larissa hatten sich vergeblich bemüht, seine Freilassung zu erreichen. Während der Tage vor seiner Hinrichtung gelang es ihnen, brieflich mit ihm in Kontakt zu treten. In seinem letzten Brief vom 7. Februar 1949 schrieb Bruder Tsoukaris:

„Mein lieber Bruder! Mein Leben liegt in den Händen Jehovas der Heerscharen. Heute morgen ... brachten sie mich nach Mizourlo [die Hinrichtungsstätte], aber sie töteten mich nicht, weil es, wie sie sagten, schon zu spät gewesen sei. Immerhin sahen sie meinen Mut, und das hat sie beeindruckt. Ich weiß nicht, ob meine Hinrichtung morgen früh stattfinden wird, doch wollen wir voller Zuversicht sein und zu IHM flehen. Fürchten wir uns nicht vor Menschen, denn die Bibel sagt: ‚Vor Menschen zu zittern ist das, was eine Schlinge legt, wer aber auf Jehova vertraut, wird beschützt werden.‘ Haben wir denselben Glauben wie Schadrach, Meschach und Abednego, die unmißverständlich sagten: ‘O König, wenn es sein soll, so kann uns unser Gott, dem wir dienen, aus dem brennenden Feuerofen befreien. Wenn aber nicht, so werde dir kund, daß wir das Bild aus Gold, das du aufgerichtet hast, nicht anbeten und deinen Göttern nicht dienen werden.’ “

Am 9. Februar wurde er nach Mizourlo gebracht und hingerichtet. Erwachet!-Leser sandten Tausende von Briefen an griechische Minister, Botschaften und Konsulate, um gegen solche Hinrichtungen zu protestieren. Ein griechisch-orthodoxer Theologe und Professor an der Universität Athen hingegen befürwortete die Hinrichtung von Bruder Tsoukaris mit den Worten: „Den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern ist bei uns gänzlich unbekannt und undenkbar.“ Diese Worte sind leider nur allzu wahr!

Das Kriegsrecht aufgehoben

Als das Kriegsrecht schließlich aufgehoben wurde, hatten die Brüder und Schwestern größere Freiheit, die gute Botschaft zu predigen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren konnten sie der Öffentlichkeit ein gebundenes Buch anbieten — „Gott bleibt wahrhaftig“. In den Jahren 1950 und 1951 stieg die Zahl der Verkündiger um 26 Prozent, die der Pioniere um 28 Prozent und die der Bibelstudien um 37 Prozent.

Die Verfolgung ging natürlich weiter. 1950 verfiel die griechisch-orthodoxe Kirche auf eine neue Taktik. Man versuchte, die Kinder von Zeugen Jehovas zwangsweise zu taufen. Ein 17jähriger namens Timotheus, dessen Eltern ihn von klein auf in der Wahrheit erzogen hatten, wurde zwangsweise getauft und erhielt den Namen „Demetrius“.

Im Dezember 1951 statteten Bruder Knorr und Bruder Henschel Griechenland einen zweiten Besuch ab. Die Polizei weigerte sich, eine Genehmigung für einen Kongreß zu erteilen, weshalb diese Brüder in verschiedenen Häusern zu insgesamt 905 Brüdern sprachen.

Wegen der Zunahme der theokratischen Tätigkeit wurde es notwendig, neue Zweiggebäude zu errichten. Man wählte ein Grundstück an der Kartalistraße im Stadtzentrum von Athen aus. 1953 wurde mit der Arbeit begonnen, und bis zum Oktober 1954 war ein neues dreigeschossiges Gebäude fertiggestellt, in dem die Bethelfamilie, die Druckerei und die Büros untergebracht werden konnten. In jenem Jahr gab es eine neue Verkündigerhöchstzahl von 4 931.

Weitere Segnungen trotz Angriffen

Als 1955 in Athen der Film der Gesellschaft Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit gezeigt wurde, verhaftete man 80 Brüder und Schwestern. Film und Vorführgerät wurden beschlagnahmt. Neun Brüder beschuldigte man der Proselytenmacherei. Um herauszufinden, was für ein Film das eigentlich war, zeigten ihn die Behörden etwa 200 geladenen Gästen, darunter Priester, Professoren und hohe Polizeibeamte. Der Film hinterließ einen beachtlichen Eindruck, und in einer Reihe von Tageszeitungen wurde er kommentiert. Nach einem Gerichtsurteil zugunsten der Brüder gab man ihnen den Film und die Ausrüstung zurück.

Das Jahr 1959 erklärte die griechisch-orthodoxe Kirche zu einem Jahr „gegen die Ketzer“. Ziel war es laut einer Athener Zeitung, „die Zeugen Jehovas auszulöschen“. Gottes Diener wurden in jenem Jahr jedoch ganz und gar nicht ausgelöscht, sondern statt dessen sehr gesegnet.

Im Mai kam Bruder Knorr zu Besuch und sprach zu 1 915 in einem Theater und im Bethelheim Versammelten. Eine Woche später besuchte Bruder Henschel Saloniki und sprach vor 1 250 Personen, die sich im Olympion, dem größten Kinosaal der Stadt, versammelt hatten. Im ganzen Land hielt man kleinere Kongresse ab. In der Nähe des alten Philippi in Mazedonien wurden 27 Brüder und Schwestern in demselben Fluß getauft, an dem im ersten Jahrhundert Paulus und andere Christen einmal zum Gebet zusammenkamen (Apg. 16:12-15).

Für einen Tageskongreß am 30. Juli 1963 mietete die Gesellschaft das Panathinaikos-Stadion in Athen. Die Polizei hatte die Genehmigung erteilt, Tausende Besucher aus dem Ausland waren eingeladen worden, und man hatte entsprechend Hotelzimmer gebucht. Doch plötzlich wurde die Regierung gestürzt. Unter dem Druck der orthodoxen Kirche sagte die neue Regierung den Kongreß ab.

Die dadurch hervorgerufene Enttäuschung legte sich 1965 ein wenig, als die Gesellschaft einen fünftägigen griechischen Kongreß ankündigte, der in Wien stattfinden sollte. Die Freude der 1 250 Brüder und Schwestern, die dorthin reisten, war grenzenlos. Der für die Reise gecharterte Sonderzug mit 12 Waggons wurde zu einem „fahrenden Königreichssaal“.

Im Sommer 1966 wurde ein junger Zeuge Jehovas namens Christos Kazanis wegen seiner christlichen neutralen Haltung zum Tode verurteilt. Dieser Fall machte Schlagzeilen und bewirkte, daß in Griechenland und sogar im Ausland ein enormes Zeugnis gegeben werden konnte. Jeden Tag berichteten die führenden Athener Tageszeitungen ausführlich über das Urteil und die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas. Schließlich setzte man die Strafe auf viereinhalb Jahre Gefängnis herab. Erzbischof Chrisostomos geriet wegen dieser Angelegenheit ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er den Eindruck erweckte, er befürworte die Hinrichtung eines jungen Mannes, der den Gebrauch einer Waffe verweigerte.

Politischer Umsturz

In der Nacht zum 21. April 1967 übernahm das Militär die Macht in Griechenland. Verfassungsartikel, die die Versammlungs- und Pressefreiheit garantierten, wurden außer Kraft gesetzt. Das Drucken des Wachtturms mußte eingestellt werden. Ein Gesetz verbot jegliche Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen. Das Predigtwerk mußte sehr vorsichtig durchgeführt werden. Wie gewöhnlich nutzte die orthodoxe Geistlichkeit die vorherrschende Lage aus, um unseren Brüdern Schwierigkeiten zu bereiten.

Das Werk ging im Untergrund weiter. Die Brüder waren gezwungen, sich an abgelegenen Orten in den Wäldern zu versammeln. Als 1969 F. W. Franz, der später der vierte Präsident der Gesellschaft wurde, Griechenland besuchte, sprach er vor über tausend Brüdern in einem Wald bei Saloniki.

In einem Fall, der sich 1974 ereignete, wurde besonders deutlich, wie sehr man Jehovas Zeugen haßte. Dem Ehepaar Polykandritis, dessen Säugling kurz nach der Geburt gestorben war, verweigerte man die Genehmigung, das Kind zu beerdigen. Weshalb? In einer Zeitung war als Erklärung zu lesen: „Die Eltern waren Zeugen Jehovas, als sie 1954 heirateten. Doch unter der vorigen Regierung ... hatte der Innenminister ein Dekret erlassen, nach dem alle von Zeugen Jehovas geschlossenen Ehen ungültig seien — ein Schritt, der von der griechisch-orthodoxen Kirche unterstützt wurde.“ Aus diesem Grund bestand der örtliche Standesbeamte darauf, daß die Eltern erklärten, ihr Kind sei außerehelich geboren, sonst werde er die Bestattung nicht genehmigen. Der Vater weigerte sich. Er war weder bereit zu lügen, noch den Namen seiner Familie sowie sein eigenes Gewissen zu beflecken. Vier Tage lang lag die Leiche des Kindes in einem Kühlraum, während sich die Auseinandersetzung hinzog. Die Öffentlichkeit in ganz Griechenland verurteilte diese bigotte Verfolgung. To Vima, eine Athener Zeitung, verglich die Situation mit dem „Mittelalter und all seinem Elend“.

Trotz der Härten unter der Militärherrschaft machte das Werk des Predigens vom Königreich weiter gute Fortschritte. Von 10 940 im Jahre 1967 stieg die Zahl der Verkündiger auf 17 073 im Jahre 1974. Auch die Zahl der Bibelstudien und die Zahl der Anwesenden bei den Zusammenkünften stieg während jener schwierigen Zeit steil an.

Bauvorhaben für eine wachsende Organisation

Jehovas Zeugen haben in Griechenland viele Zusammenkunftsstätten, doch sie dürfen sie bis heute noch nicht als Königreichssäle bezeichnen. Also nennt man sie einfach „Vortragssäle“. Nur eine Zusammenkunftsstätte ist von der Regierung als solche anerkannt; sie befindet sich in Athen. Und selbst dort muß das Schild vor dem Saal auf Verlangen der Regierung die Aufschrift tragen: „Gebetshaus für Jehovas Zeugen in Athen“. Aber in ganz Athen gibt es nicht weniger als 117 Versammlungen mit etwa 9 500 Verkündigern!

Ungeachtet dessen konnten Jehovas Zeugen in Griechenland Bauvorhaben durchführen. 1977 kauften die Brüder ein 5 Hektar großes bewaldetes Grundstück etwa 100 Kilometer nördlich von Athen. In einer wunderschönen Gegend entstand zwischen Bergen und Pinienwäldern der Kongreßsaal von Malakasa, der 1 800 Personen Platz bietet. Er hat ein besonderes Merkmal — die Trennwände zu den Nebenräumen lassen sich öffnen, und dadurch finden bis zu 3 500 Personen Platz. Das Grundstück ist so groß, daß auf dem Außengelände Bezirkskongresse abgehalten werden können; bei besonderen Zusammenkünften waren bis zu 20 000 anwesend. Und auch in Saloniki gibt es ein Kongreßgelände, wo Tausende zu Kreis- und Bezirkskongressen zusammenkommen.

Auf der Insel Kreta erwarben die Brüder vor einigen Jahren ein Grundstück in Hanglage zwischen Bergen, Tälern und Weingärten. Sie bauten dort ein Amphitheater und zwei Königreichssäle, und heute ist das Kongreßgelände ein Wahrzeichen der Gegend. Der terrassenförmig angelegte und mit Blumen und Büschen bepflanzte Hang paßt gut in die Landschaft. Die ruhige, friedliche Atmosphäre ist ideal. Wenn von der Bühne aus das Wort Gottes erläutert wird, hört man nicht selten Brüder sagen: „Das hier ist fast wie im Paradies.“

Fünfundzwanzig Jahre lang hatte das Zweigbüro seinen Sitz in der Kartalistraße in Athen. In dieser Zeit wuchs die Zahl der Verkündiger von weniger als 5 000 auf über 18 000 — offensichtlich wurde mehr Platz benötigt. 1962 hatte man in Marousi, einem Vorort Athens, ein 1 Hektar großes Grundstück erworben. Hier konnte nun ein neuer Bethelkomplex mit 27 Zimmern, einer Druckerei, den Büros sowie anderen Einrichtungen gebaut werden. Am 16. Juli 1979 wurden die Gebäude eingeweiht, und Lyman Swingle war als Vertreter der leitenden Körperschaft anwesend.

Dank des technologischen Fortschritts konnten die Brüder in dem neuen Zweigbüro Zeitschriften und Bücher von besserer Qualität herstellen. Seit Juli 1986 erscheinen Der Wachtturm und Erwachet! zeitgleich mit der jeweiligen englischen Ausgabe.

Eine Zeit der Veränderungen

In den 80er Jahren wurden Änderungen in der Zweigorganisation nötig. Von 1977 bis 1981 stagnierte das Werk. Obwohl in dieser Zeit 2 134 getauft wurden, blieb die Verkündigerzahl bei etwa 18 500. Woran lag das? In den Versammlungen mußte gewissen Formen der Unreinheit Aufmerksamkeit geschenkt werden. Und anscheinend betrachteten einige Brüder die Ausdrücke „Ältester“ und „Dienstamtgehilfe“ eher als Titel statt als Hinweis auf die Verantwortung, sich um die Schafe Jehovas zu kümmern. In jenen Jahren erhob überdies der Abfall sein häßliches Haupt, und die Versammlungen mußten auch von diesem zu Spaltungen führenden Einfluß gereinigt werden. Waren die notwendigen Maßnahmen einmal getroffen, kam es wieder zu stetiger Mehrung.

Plato Idreos, der über 30 Jahre lang als Vertreter der Gesellschaft gedient hatte, war mittlerweile an Jahren fortgeschritten, und innerhalb einiger Jahre folgten ihm nacheinander mehrere Zweigkomiteekoordinatoren. Für die Bethelfamilie in Athen war das eine schwierige Zeit. Mitunter waren Persönlichkeitskonflikte und Stolz dem Werk hinderlich. Doch dank der fortwährenden Hilfe der leitenden Körperschaft und anderer treuer Brüder wurde die Organisation gestärkt.

Straßendienst

Im Jahre 1983 erlebte die griechisch-orthodoxe Kirche einen Schock. Anläßlich eines Bezirkskongresses organisierten die Brüder erstmals den Straßendienst.

Die Reaktion war dramatisch. Hunderte Zeugen wurden verhaftet und auf örtliche Polizeistationen gebracht. Die Folge waren 38 Gerichtsfälle, von denen die Brüder 35 auf Anhieb gewannen und bei den anderen 3 in Berufung gingen. Die Geistlichen mußten einsehen, daß sie auf verlorenem Posten kämpften. Wutentbrannt riefen sie zu einer Protestdemonstration gegen Jehovas Zeugen auf. Dutzende von Bussen wurden gemietet, um die Demonstranten zu transportieren, aber als es soweit war, kamen nicht einmal genug Leute, um e i n e n Bus zu füllen! Seither haben Gottes Diener unentwegt und mit großem Erfolg auf den Straßen Zeugnis gegeben.

Sonderkongreß 1985

Die Gesellschaft wählte 1985 Griechenland als Ort für einen der besonderen Kongresse. Drei Kongreßstätten wurden vorbereitet: das Apollostadion in Athen, der Kongreßsaal und das Gelände in Malakasa außerhalb Athens sowie das Kongreßgelände bei Saloniki.

Aus 17 Ländern kamen Hunderte von Delegierten. Auch Bruder Gangas und Bruder Barry, die zur leitenden Körperschaft gehören, waren anwesend. Im Interesse der Besucher wurden die Ansprachen in mehrere europäische Sprachen sowie ins Japanische übersetzt. George Gangas ist selbst Grieche und sprach zu den Kongreßbesuchern in Griechisch, was seine Zuhörer besonders freute. Insgesamt wurden bei den drei Kongressen 37 367 Anwesende und 368 Täuflinge gezählt.

Besonders während der Mittagspausen war nicht zu übersehen, welche Liebe zwischen den Brüdern aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt herrschte. Auf dem Kongreßgelände im Schatten der Pinien sitzend, konnte man hören, wie überall Königreichslieder gesungen wurden.

Angriffe bei Kongressen

Im darauffolgenden Sommer, im Juni 1986, berichtete die Zeitung I Larisa, daß sich eine von Priestern angeführte Volksmenge vor dem Galaxiaskino versammelt hatte, wo 700 Zeugen Jehovas zu einem Kreiskongreß zusammengekommen waren. Die Pöbelrotte war entschlossen, den Kongreß zu unterbinden, wurde aber von der Polizei zerstreut. Die in Larissa erscheinende Zeitung I Alithia verglich die Stimmung dieser Pöbelrotte mit der Stimmung in der Menge, die den Tod Jesu gefordert hatte, und kommentierte: „Bedauerlicherweise war ihr Anführer ausgerechnet ein tobender ... Priester! Er drohte und fluchte. Irgendwann stellte er ... den Versammelten ein Ultimatum, innerhalb von fünf Minuten das Kino zu räumen, sonst ‚werden wir hineingehen und ihnen die Köpfe einschlagen‘.“

Angesichts derartiger Angriffe beschloß die leitende Körperschaft, zwei Artikel über diese Situation zu veröffentlichen. Daher erschien in der Erwachet!-Ausgabe vom 22. Oktober 1986 der Artikel „Religiöse Verfolgung in Griechenland — Warum?“ und in der Wachtturm-Ausgabe vom 1. Dezember 1986 der Artikel „Angriff auf die Glaubensfreiheit in Griechenland“. Mit welchem Ergebnis? Bei Mitgliedern der griechischen Regierung ging eine Flut von Zuschriften ein. Die Zeitung Eleftherotipia brachte die Schlagzeile: „200 000 Briefe aus 208 Ländern von Zeugen Jehovas eingegangen“. Wie die Zeitung Avgi berichtete, mußte das Justizministerium einen Sonderdienst einrichten, um mit den Tausenden Protestbriefen fertig zu werden, die täglich dort eingingen.

Für den Bezirkskongreß 1988 mieteten die Brüder das moderne „Stadion des Friedens und der Freundschaft“ in der Nähe der Hafenstadt Piräus. Man schloß einen Vertrag ab, und Jehovas Zeugen wandten 6 000 Arbeitsstunden auf, um das Gelände zu reinigen. Doch ganz im Gegensatz zu dem idealistisch klingenden Namen des Stadions erhob ein prominenter Kirchenmann wütende Proteste — sogar die Kirchenglocken ließ er läuten, so daß viele Leute dachten, irgendeine Katastrophe sei hereingebrochen oder ein Krieg sei ausgebrochen. Er verstieg sich zu der Drohung, das Stadion besetzen zu lassen, falls die Genehmigung für die Zeugen Jehovas, das Stadion zu benutzen, nicht rückgängig gemacht werde. Leider gab man dem Druck nach und brach den ordnungsgemäß abgeschlossenen Vertrag, und das nur drei Tage bevor der Kongreß beginnen sollte. Die Brüder arbeiteten rund um die Uhr, um ein anderes Gelände für das viertägige Programm herzurichten. Alles ging noch gut aus, und etwa 30 000 Personen konnten Teile des Programms direkt oder per Telefonleitung verfolgen.

Bedeutende Gerichtsfälle und Urteile, die der Verteidigung der guten Botschaft dienen

In einem Brief an die Versammlung in Philippi im alten Mazedonien sprach der Apostel Paulus von „der Verteidigung und gesetzlichen Befestigung der guten Botschaft“ (Phil. 1:7). Die neuzeitliche Organisation der Zeugen Jehovas in Griechenland mußte sich wiederholt an die Gerichte wenden, damit die gute Botschaft gepredigt werden konnte. Größter Feind des Volkes Jehovas in diesem Land war und ist immer noch die griechisch-orthodoxe Kirche. Die Geistlichkeit hat auf verschiedene Regierungsbehörden Einfluß ausgeübt und dafür gesorgt, daß Gottes Dienern schreckliches Leid zugefügt worden ist. Einige Entscheidungen jedoch, die unvoreingenommene Richter fällten, waren Jehovas Zeugen im Predigtwerk hilfreich.

Beispielsweise schenkte Jehova seinem Volk 1959 — im Jahr „gegen die Ketzer“ — einen beachtlichen Sieg. Die Hierarchie der griechisch-orthodoxen Kirche hatte vor dem Obersten Gerichtshof in Frage gestellt, daß Jehovas Zeugen eine „bekannte“ Religion sind. Der Oberste Gerichtshof indes vertrat die Ansicht, Jehovas Zeugen seien in der Tat eine bekannte Religion und damit von der Landesverfassung geschützt.

Satan bedient sich heimtückischer Methoden, um die Brüder dazu zu veranlassen, Kompromisse einzugehen — selbst wenn es darum geht, Rechnungen zu bezahlen. In der Stadt Patras entdeckten die Einwohner einen ungewöhnlichen Aufschlag auf ihre Stromgebühren. Die Rechnung enthielt eine Abgabe für „den Bau der Sankt-Andreas-Kirche“. Natürlich weigerten sich die Zeugen Jehovas, jene Abgabe zu zahlen. Darauf drohte die Elektrizitätsgesellschaft damit, ihnen den Strom abzustellen. Die Angelegenheit kam vor Gericht, und die Zwangsabgabe wurde als verfassungswidrig erklärt.

Eine andere von der griechisch-orthodoxen Kirche häufig angewandte Taktik besteht darin, Jehovas Zeugen als jüdische Organisation zu bezeichnen, die den Weltzionismus unterstütze. Wegen dieser Propaganda waren die jüdischen Gemeinden höchst beunruhigt, wohl wissend, daß das auch ihnen schaden konnte.

In einem Brief vom 21. September 1976 erklärten Vertreter des Zentralrats der Juden in Griechenland den Führern der griechisch-orthodoxen Kirche gegenüber, derlei Behauptungen würden jeglicher Grundlage entbehren. In einem Gerichtsfall auf Kreta, bei dem die griechisch-orthodoxe Kirche Einwände gegen die Gründung einer gesetzlichen Körperschaft von Jehovas Zeugen vorbrachte, lautete eines ihrer Hauptargumente, Jehovas Zeugen seien eine zionistische Organisation. Ein Rechtsanwalt der jüdischen Gemeinde sagte vor Gericht aus, Jehovas Zeugen hätten keinerlei Verbindung zum Judaismus. Bei dem Verfahren vor dem Berufungsgericht erkannten die Richter diese Aussage an. Wieder war eine hinterhältige Taktik der Geistlichkeit vereitelt worden!

Siege in der Neutralitätsfrage

Alle Brüder, die zum Wehrdienst einberufen werden, müssen sich der Neutralitätsfrage stellen. Vor 1977 mußten die Brüder mehrmalige Gefängnisstrafen verbüßen; manche waren insgesamt über 12 Jahre inhaftiert! Ein Regierungsvertreter der Niederlande brachte diese Angelegenheit am 25. April 1977 vor den Europarat in Straßburg. Dessen Entscheidung führte schließlich dazu, daß die Urteile auf eine einmalige Strafe von vier Jahren reduziert wurden. Das bedeutet aber immer noch, daß ständig etwa 400 Brüder in Griechenland in Gefängnissen sitzen.

Angeblich werden „Geistliche, Mönche und Novizen einer bekannten Religion, sofern sie dies wünschen“, vom Dienst im griechischen Militär befreit, so jedenfalls stand es im offiziellen Mitteilungsblatt der Regierung. Trotzdem wurden zwischen 1988 und 1992 mehrere Brüder, die als Geistliche anerkannt sind, wegen ihrer neutralen Haltung zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Einer von ihnen trug seinen Fall dem Staatsrat vor. Er legte gegen den Einberufungsbefehl Widerspruch ein, und als er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, ging er in die Berufung mit der Begründung, er sei ein anerkannter Geistlicher. Der Berufung wurde stattgegeben — und das war in doppelter Hinsicht ein Sieg, denn zum einen wurden Jehovas Zeugen damit als bekannte Religion anerkannt und zum anderen wurde bestätigt, daß Zeugen, die von der Regierung als Geistliche anerkannt wurden, vom Wehrdienst befreit sind. Zwei weitere Brüder unternahmen ebenfalls gerichtliche Schritte und wurden auch befreit.

Das Gesetz über Proselytenmacherei

Das Gesetz, das Proselytenmacherei in Griechenland verbietet, ist ein großes Hindernis gewesen. Erstmals 1938 erlassen und 1939 ergänzt, wurde dieses Gesetz in der Verfassung von 1975 festgeschrieben.

Der herausragendste Fall, bei dem es um Proselytenmacherei ging, war Kokkinakis gegen Griechenland. Bruder Kokkinakis wurde wegen Proselytenmacherei zu einer Geldstrafe und zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Er legte dagegen Berufung ein, worauf das Strafmaß auf drei Monate herabgesetzt und die Gefängnisstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt wurde. Darauf klagte Bruder Kokkinakis vor dem Revisionsgericht als dem obersten griechischen Gerichtshof auf Aufhebung des Urteils. Im April 1988 verwarf der Oberste Gerichtshof die Beschwerde. Das gab Bruder Kokkinakis die Gelegenheit, als Privatperson bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerde einzulegen. Am 7. Dezember 1990 untersuchte die Europäische Kommission für Menschenrechte den Fall. Einstimmig entschied sie, Griechenland habe sich eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die Religionsfreiheit behandelt, schuldig gemacht. Die Beschwerde wurde für zulässig erklärt und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg übergeben.

Wie zu Anfang des Berichts erwähnt, kam es schließlich zu einem überwältigenden Sieg für die Religionsfreiheit in Griechenland. Welche Aufnahme das Urteil jenes hohen Gerichtshofes vom 25. Mai 1993 bei den griechischen Richtern und Geschworenen finden wird, bleibt abzuwarten. Dessenungeachtet können sich alle, die Gerechtigkeit und Recht lieben, damit trösten, daß es ein Gericht gibt, das allen menschlichen Gerichten weit überlegen ist. Der von Gott eingesetzte Richter kann die Herzen aller Menschen lesen; ob der Mensch Gerechtigkeit herbeiführt oder nicht — jener Richter wird es mit Sicherheit tun (Jes. 11:1-5).

Außerordentlich schwere körperliche Mißhandlungen

Vor kurzem berichtete die in Belgien erscheinende Zeitschrift Human Rights Without Frontiers (Menschenrechte ohne Grenzen) ausführlich über das Verbot der Proselytenmacherei, bezeichnete es als „niederträchtig“ und erklärte, das Gesetz habe „ein ‚gesetzliches Alibi‘ für das Entfesseln eines Pogroms religiöser Verfolgung in Griechenland geschaffen, das sich gegen all die richtete, die es wagten, nicht der ‚vorherrschenden‘ Religion des Landes zu folgen“. Jenes Gesetz habe zu „vorsätzlichen Verletzungen der Menschenrechte“ geführt, die von Gerichtsverhandlungen, Geldstrafen und Verbannung bis hin zu „grausamen körperlichen Mißhandlungen sowie schwersten Formen von Entzug und Folter reichten, was vielfach zu dauerhaften Körperschädigungen und Invalidität der gefolterten unschuldigen Opfer, ja zum qualvollen Tod geführt hat“.

In der gleichen Zeitschrift kommen ausführlich Zeugen Jehovas zu Wort, die solche Verfolgung durchmachen mußten. Treue Brüder und Schwestern erzählen von extremer Mißhandlung: Sie wurden mit Fäusten verprügelt, durch Messerstiche verletzt, grün und blau, blutig und bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, ausgepeitscht, vom Pöbel gejagt, angespuckt, zu Boden geworfen und getreten, gesteinigt, verbrannt, gefoltert, mit Stricken und Ketten gefesselt und angeschossen. Savvas Tzezmetzidis berichtet: „Sie rissen mir die Kleider vom Leib, fesselten mich an Händen und Füßen und zerrten mich völlig nackt über ein Feld voller Dornen und Disteln, während sie mich gleichzeitig schlugen und traten.“

Was die Brüder in der Haft erdulden mußten, war schrecklich. Sie berichten, wie sie von ihrer Familie getrennt wurden, wochenlang in Gefängniszellen zubringen mußten, wo der Fußboden mit Wasser überschwemmt war, erzählen von kalten Wintermonaten in nicht beheizten Zellen, durch die der Wind pfiff, von langsamem Verhungern, unzureichender oder gar nicht vorhandener medizinischer Versorgung, von Nahrung, die absichtlich mit Exkrementen oder unbeschreiblichem Schmutz versetzt worden war, und von allen Arten seelischer Folter.

Beispielsweise zitiert die Zeitschrift einen Gefangenen mit den Worten: „Wenn die Haft beginnt, wird man zunächst in den Gefängniskeller hinabgeführt. Je tiefer man hinuntersteigt, desto mehr wird einem bewußt, daß in diesem Labyrinth jegliche Form von Anstand und Menschenwürde unterdrückt wird und gänzlich verlorengeht. Von da an beherrscht einzig und allein der Wille, um jeden Preis zu überleben, und der Drang zu fliehen alles und jeden ... An jenen schmutzverkrusteten Kellermauern stehen die Geschichte, die Qualen und das Elend von Männern geschrieben, die das Pech hatten, einen Teil ihres Lebens hier verbringen zu müssen. Der abstoßende Schmutz, die Abfallhaufen, die Ratten, die stickige Luft, die erbärmliche Glühbirne, die so tapfer versucht, die Finsternis zu erhellen, die verstopften und überlaufenden Toiletten, die verdreckten ... Wasserpfützen, die gebrauchten Nadeln und Spritzen, die Blutspuren auf dem Fußboden und an den Betonbänken, die aufgerissenen Schaumgummimatratzen, die einem ein paar Minuten sofortigen, aber unruhigen Schlaf ermöglichen, die elenden und trostlosen Gesichter, die einen an die mitleiderregenden Insassen der Heilanstalt von Leros erinnern, und verzweifelte Seelen, die einen in jämmerlichem Tonfall fragen: ‚Was ist heute eigentlich für ein Tag?‘, und die Flüchtlinge von überall her, die in fremdartig klingenden Sprachen leise traurige Lieder vor sich hin singen, und der Kaffeeverkäufer, der ausnahmslos alle übel beschimpft und unverschämte dreihundert Drachmen für eine Plastikflasche mit Wasser verlangt, und die ‚Lebenslänglichen‘, die hinter einer Trennwand versuchen, ihrer aufgestauten sexuellen Lust freien Lauf zu lassen, und der in einem aufsteigende unbändige Drang, endlich die bellende Stimme des Oberwärters den eigenen Namen ausrufen zu hören, was wie eine Stimme aus dem Himmel klingt, die einen aus dieser ‚Hölle auf Erden‘ ins Paradies ruft ...“

Fotis Lazaridis berichtet Ähnliches: „Schlafen mußte ich auf einem mit Papiertüten bedeckten Lehmfußboden. Ich hatte nur sehr leichte Kleidung an. Meine Decke konnte ich auch nicht lange gebrauchen. Ich mußte sie in kleine Stücke zerreißen und damit ein paar Rattenlöcher in den Mauern verstopfen ... In den ersten Nächten kletterten die Ratten buchstäblich auf mir herum, während ich schlief. Und als ‚Toilettenanlagen‘ standen mir lediglich die Ecken meiner Zelle zur Verfügung, einer winzigen Zelle von zwei mal ein Meter ... Es war so feucht, daß an den Wänden das Wasser herunterlief.“

Die obenerwähnte Zeitschrift berichtet für die Zeit von 1938 (als das Verbot der Proselytenmacherei erlassen wurde) bis 1992 von fast 20 000 Verhaftungen wegen Proselytenmacherei; unter der Rubrik „Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ werden 2 269 Gerichtsverfahren aufgeführt; 68 Personen wurden in die Verbannung geschickt, 42 zum Tode verurteilt, 2 hingerichtet und 4 zu Tode gefoltert. Und schließlich werden 4 828 Fälle von körperlicher Mißhandlung aufgeführt, von denen 2 809 von Offizieren, 1 059 von Polizisten und 252 von Priestern verübt wurden. Anschließend heißt es: „Tausende anderer mußten die unterschiedlichsten Formen entwürdigender Behandlung über sich ergehen lassen.“

Wie können Menschen eine derartige schlechte Behandlung erdulden? Für wahre Christen ist brutale Verfolgung nichts Neues. In genau demselben Land wurde der Apostel Paulus mißhandelt und eingesperrt, und er erklärte offen, daß er nicht aus eigener Kraft ausharren konnte. Er schrieb: „Für alles bin ich stark durch den, der mir Kraft verleiht“ (Phil. 4:13). Dieser beständige Glaube an Jehova Gott hat es Tausenden Zeugen Jehovas ermöglicht, die Leiden zu erdulden.

Allerdings ist das griechische Volk seit jeher für seine Liebe zu Gerechtigkeit und Freiheit bekannt. Jehovas Zeugen in der ganzen Welt hoffen, daß aufrichtige Personen innerhalb der griechischen Regierung umgehend etwas unternehmen werden, um international den Ruf ihres Landes zu schützen, indem sie Macht und Einfluß der griechisch-orthodoxen Kirche beschneiden und unschuldige Menschen vor Verfolgung schützen.

Wachstum macht neue Zweigeinrichtungen erforderlich

Trotz allen Widerstands wächst und gedeiht das Predigtwerk in Griechenland unablässig. Am Ende des Dienstjahres 1985 gab es sogar über 20 000 Verkündiger. In den Zweiggebäuden in Marousi konnte die wachsende Bethelfamilie nicht mehr untergebracht werden. Zunächst löste man das Problem, indem man nahe gelegene Wohnungen mietete, später kaufte man ein etwa 4 Kilometer entfernt gelegenes kleines Hotel. Doch das half nur eine Zeitlang.

Mit Erlaubnis der leitenden Körperschaft machte man sich auf die Suche nach einem Grundstück, auf dem man einen neuen Zweigkomplex bauen könnte. Das war gar nicht so einfach, denn strenge Bauvorschriften verbieten ein Nebeneinander von Wohn- und Fabrikgebäuden. Schließlich erwarb man ein 22 Hektar großes Grundstück 60 Kilometer nördlich von Athen an der Autobahn von Athen nach Saloniki. Zweieinhalb Jahre mußten die Brüder auf die Baugenehmigung warten, bevor sie 1989 mit den Arbeiten beginnen konnten.

Das Grundstück liegt in Eleona an einem Hang mit Blick auf Berge und fruchtbare Täler. Wer mit dem Auto oder dem Zug vorbeifährt, kann die Anlage gut sehen. 22 Häuser dienen als Wohngebäude; in jedem wohnen acht Personen. Alle Gebäude sind in ländlichem Stil gehalten.

Wie nicht anders zu erwarten, widersetzte sich die griechisch-orthodoxe Geistlichkeit dem Projekt von Anfang an. Sogar eine Demonstration von etwa 2 500 Personen wurde vor dem Grundstück veranstaltet. Die Behörden hatten jedoch eine 200 Mann starke Einsatztruppe der Bereitschaftspolizei entsandt, die die Hooligans daran hinderte, das Gelände zu betreten, und so löste sich die Demonstration bald auf. Priester führten auch Protestmärsche in Athen an, wobei sie mit Transparenten durch die Straßen marschierten, auf denen sie gegen das Bauvorhaben protestierten.

Am 13. April 1991 wurde das neue Zweigbüro eingeweiht, und die Brüder waren begeistert, Milton Henschel und Albert Schroeder von der leitenden Körperschaft bei diesem Ereignis — ein Meilenstein in der Geschichte des Volkes Jehovas — in Griechenland in ihrer Mitte zu haben. Tausende von Brüdern und Schwestern setzten bereitwillig ihre Zeit und Kraft für dieses Projekt ein. Nicht zu übersehen war die Liebe und Fürsorge seitens Jehovas und seiner irdischen Organisation. Selbst Außenstehende waren verblüfft zu sehen, wie Gebäude „wie Pilze aus dem Boden schossen“. Allem Widerstand zum Trotz hat Jehova in Eleona ein neuzeitliches Wunder vollbracht. Dabei kommen einem die Worte des Paulus aus 2. Korinther 13:8 in den Sinn: „Wir können nichts gegen die Wahrheit tun, sondern nur für die Wahrheit.“

Die Wasser der Wahrheit rücken unaufhaltsam vor

Von kleinen Anfängen im Jahre 1905 ist die Zahl der Lobpreiser Jehovas bis jetzt auf über 25 000 angestiegen. Die Wasser der Wahrheit sind von einem kleinen Rinnsal zu einem mächtigen Strom angeschwollen. Für den Namen unseres Gottes Jehova ist durch die Tätigkeit seiner Diener in jenem Land ein gewaltiges Zeugnis gegeben worden. In dem vorliegenden Bericht sind nur wenige Namen genannt worden, doch eigentlich haben Tausende unserer Brüder und Schwestern zu dem Zeugnis beigetragen. Hell lodert die Flamme der Wahrheit im Herzen vieler Griechen, dem Herzen bescheidener Männer und Frauen, die in ganz Griechenland und auf den Inseln furchtlos die gute Botschaft gepredigt haben. Nicht wenige haben um des Namens Jehovas willen unsägliches Leid auf sich genommen und selbst ihr Leben gegeben. Ihre Loyalität und Lauterkeit hat Jehovas Herz erfreut (Spr. 27:11).

Der Kampf gegen die Unwahrheit muß weitergehen bis zum Ende dieses Systems der Dinge. In dem Land, wo Paulus die gute Botschaft auf dem Areopag verteidigte und wo Johannes, verbannt auf die Insel Patmos, die Offenbarung erhielt, müssen Jehovas Zeugen nach wie vor einen harten Kampf für den Glauben kämpfen. Trotz Tausender Gerichtsfälle, trotz der von der Geistlichkeit angestachelten Verfolgung, ja trotz des Todes einiger wahrer Anbeter ist das Licht der Wahrheit nie ausgelöscht worden. Es scheint heute heller denn je zuvor. Und es wird auch in Zukunft scheinen. Die Wasser der Wahrheit werden immer weiter ansteigen, bis nicht nur Griechenland, sondern die ganze Erde „erfüllt sein [wird] mit der Erkenntnis Jehovas, wie die Wasser das ganze Meer bedecken“ (Jes. 11:9).

[Fußnoten]

^ Abs. 7 Der Name des Ionischen Meers vor der Westküste Griechenlands stammt wahrscheinlich von Jawan.

[Kasten auf Seite 109]

EINE LEICHT VERSTÄNDLICHE BIBEL

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Zeugen Jehovas in Griechenland war der Bezirkskongreß „Göttliche Belehrung“ 1993. Jahrzehntelang verwendeten die Verkündiger der guten Botschaft die Vamvas-Bibelübersetzung. Diese Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert ist in der puristischen Sprache (Katharevussa) abgefaßt, die zwar moderner ist als die Koine der ursprünglichen Christlichen Schriften, aber für den heutigen Leser dennoch sehr veraltet klingt. Besonders für junge Leute ist die Vamvas-Übersetzung an vielen Stellen schwer verständlich. Das hat den Fortschritt in bezug auf biblische Erkenntnis gehemmt.

Daher waren die griechischen Zeugen Jehovas über die Maßen begeistert, als Albert Schroeder von der leitenden Körperschaft am Sonntag, dem 18. Juli 1993 — dem letzten Tag des Bezirkskongresses „Göttliche Belehrung“ —, Die Christlichen Schriften — Wiedergabe nach der Neuen-Welt-Übersetzung freigab. An drei Kongreßstätten, die durch Telefonleitungen miteinander verbunden waren, verteilten Ordner innerhalb von nicht einmal fünf Minuten etwa 30 000 Exemplare an die Kongreßbesucher. So konnten alle mit verfolgen, wie Bruder Schroeder auf einige der vielen Verbesserungen in dieser neuen Veröffentlichung im Vergleich zur Vamvas-Übersetzung hinwies. Am bemerkenswertesten ist die Verwendung des göttlichen Namens Jehova an 237 Textstellen. Die neue Wiedergabe enthält auch einen 68seitigen Anhang mit einem Index, textkritischen Kommentaren, Karten und biblischen Gesprächsthemen. Kein Wunder, daß diese Freigabe überschwenglich mit Applaus, Beifallsrufen und sogar Freudentränen empfangen wurde!

[Übersicht auf Seite 114]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Verkündiger

25 000

20 000

15 000

10 000

5 000

0

1938 1950 1960 1970 1980 1992

Verhaftungen (kumulativ)

25 000

20 000

15 000

10 000

5 000

0

1938 1950 1960 1970 1980 1992

[Karte auf Seite 66]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Philippi

Saloniki

Larissa

Korinth

Athen

Eleona

THESSALIEN

KORFU

KRETA

[Bilder auf Seite 72, 73]

1. George Koukoutianos im Jahre 1927. 2. Nicolas Kouzounis im berüchtigten Gefängnis von Kavala im Jahre 1948. 3. Grigoris Grigoriadis an seinem Schreibtisch im Bethel in der Kartalistraße (Athen). 4. Auf Leukas werden Fischernetze repariert. 5. George Douras (siehe Pfeil) zusammen mit der Versammlung Athen. Im Hintergrund: Kavala, das alte Neapolis — die Hafenstadt, die Paulus bei seiner Ankunft in Europa als erste betrat.

[Bilder auf Seite 88, 89]

1. Plato Idreos mit seiner Frau Phyllis. 2. Athanassios Karanassios, der erste Vertreter des Zweigbüros der Gesellschaft in Griechenland. 3. Fischer in Molivos auf der Insel Mitylene. 4. Michael Kaminaris (zweiter von links), der nach wie vor zur Bethelfamilie in Griechenland gehört. 5. Der Kanal von Korinth. Im Hintergrund: Patmos, die Insel, auf der der Apostel Johannes im Jahre 96 u. Z. von Jesus Christus die Offenbarung erhielt.