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Guadeloupe

Guadeloupe

Guadeloupe

STELL dir vor, du bist in der Karibik auf einer kleinen Insel südlich von Guadeloupe. Du befindest dich in einem Städtchen mit nur 6 000 Einwohnern, wo fast nie etwas Aufregendes geschieht. Aber heute löscht ein Schiff, das regelmäßig Personen und Güter befördert, tonnenweise Eisenrohre und Aluminiumbleche. Innerhalb eines Tages werden die Metallteile zum Stadtrand transportiert und zusammengesetzt. Ein Kongreßsaal ist errichtet, in dem fast tausend Personen Platz finden. Es sind keinerlei Schilder nötig, um das bevorstehende Ereignis bekanntzumachen. Jeder weiß, daß nur eine Gruppe einen solchen Kongreß hier organisieren kann.

Dann, eine Woche später, legen gleichzeitig drei weitere Schiffe an. Die ganze Stadt sieht zu, wie tausend Menschen — Männer, Frauen und Kinder — vom Kai zur Kongreßstätte gehen. Sie tragen Koffer, Campingliegen und Wasservorräte. Es sind Zeugen Jehovas. Sie sind nicht nur in die Stadt gekommen, um einen Kongreß zu besuchen, sondern auch, um mit den Einwohnern über die biblische Wahrheit zu sprechen. Jeder auf Guadeloupe und auf den Nachbarinseln ist ihnen im Laufe der Jahre schon oft begegnet.

Wie ist die biblische Wahrheit ursprünglich auf diese Inseln gelangt? Was für Menschen leben dort? Wie sind die Inseln, auf denen sie wohnen, beschaffen?

Verschiedene Kulturen

Karukera, Inseln der schönen Wasser, nannten die karibischen Indianer Guadeloupe, lange bevor Kolumbus 1493 dort landete. Zweifellos dachten die Indianer an die vielen erfrischenden Wasserfälle von Guadeloupe und an die Schönheit des Wassers, das diese Insel umgibt. Doch später wird von einer anderen Sorte Wasser die Rede sein, die heute auf Guadeloupe reichlich fließt. Was dadurch bewirkt wird, ist sogar noch schöner.

In Wirklichkeit besteht das Departement aus den zwei Hauptinseln Guadeloupe und einer Reihe kleiner Inseln (Marie-Galante, Îles des Saintes, La Désirade, Îles de la Petite-Terre, Saint-Barthélemy und einem Teil von Saint-Martin). Auf einer Landkarte sehen die beiden Hauptinseln aus wie ein Schmetterling mit ausgebreiteten Flügeln. Im Westen liegt Basse-Terre mit seiner vulkanischen Bergkette, im Osten Grande-Terre, ein Tafelland mit einem Mosaik aus kleinen Hügeln. Strände, von türkisfarbenem Wasser gesäumt, grüne Landschaften und Regenwälder mit zahllosen Wasserfällen bringen ihre Schönheit noch mehr zur Geltung.

Menschen unterschiedlichster Rassen sind an den Küsten Guadeloupes gelandet. Die Ureinwohner waren Aruak; später kamen die Kariben, gefolgt von europäischen Siedlern. Erst über 140 Jahre nach der Reise des Kolumbus, die von Spanien finanziert worden war, siedelten sich Europäer auf Guadeloupe an; bei diesen Siedlern handelte es sich nicht um Spanier, sondern um Franzosen. Nach und nach rotteten sie die Kariben aus, bauten Zuckerfabriken und importierten Sklaven.

Politisch ist Guadeloupe ein französisches Überseedepartement, und in den letzten Jahrzehnten sind viele Franzosen dorthin gezogen. Die Hauptinseln sind jedoch überwiegend von Schwarzen bewohnt, deren Vorfahren als Sklaven von der afrikanischen Küste verschleppt wurden. Ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung sind Nachkommen von Arbeitern, die aus Indien hergebracht wurden, nachdem 1848 die Sklaverei in Guadeloupe abgeschafft worden war. Îles des Saintes und Saint-Barthélemy — zwei der sechs zu Guadeloupe gehörenden Inseln — sind hauptsächlich von Blancs-pays (einheimischen Weißen) bevölkert, deren bretonische und normannische Vorfahren zu den ersten kolonialen Siedlern gehörten. Es gibt auch einige libanesische und syrische Familien, die dort Unternehmen leiten.

Die Mehrheit der Bevölkerung gilt als römisch-katholisch. Die Inder sind zwar in die katholische Kirche integriert, pflegen allerdings weiterhin ihre hinduistischen Bräuche. Ihre heiligen Pfähle mit den leuchtendbunten Fahnen kann man auf dem Land hier und da sehen. Der Glaube vieler ist durchsetzt mit dem überlieferten Aberglauben, den die quimboiseurs (Zauberer) nach Kräften fördern.

Dennoch haben die Menschen dort im allgemeinen Respekt vor der Bibel. Sie glauben, daß sie Gottes Wort ist. In ihren Gebeten verwenden viele Auszüge aus den Psalmen. Tatsächlich liegt die Bibel oft aufgeschlagen da — manchmal neben einer brennenden Kerze —, und zwar bei einem Psalm, von dem sie glauben, daß er dem Haus Schutz und Segen bringt.

Die Vermischung verschiedener Kulturen — die afrikanische, die europäische und die asiatische — hat eine Lebensart hervorgebracht, die von Freundlichkeit und Güte geprägt ist. Viele Menschen sind wegen dieser guten Eigenschaften angenehme Gesprächspartner, und sie sind auch empfänglich für die Königreichsbotschaft.

Bescheidene Anfänge

Die Geschichte der Zeugen Jehovas in Guadeloupe ist ein gutes Beispiel dafür, was Jehovas Geist bei aufrichtigen und demütiggesinnten Menschen bewirken kann, die der göttlichen Einladung folgen, „Wasser des Lebens kostenfrei“ zu nehmen (Offb. 22:17). Schon 1936 wurde Guadeloupe von den Zeugen besucht. Das regelmäßige Zeugnisgeben nahm jedoch 1938 seinen Anfang, und zwar im Hafen von Pointe-à-Pitre.

Die Elektrifizierung der Insel hatte gerade erst angefangen, und auf den Straßen waren nur wenige Autos zu sehen. Im Hafen herrschte viel Betrieb. Schiffe aller Größen ankerten hier. Kaufleute und ihre Angestellten liefen umher, ebenso die Dockarbeiter, die große Säcke und schwere Kisten trugen sowie riesige Fässer rollten. Ein gewisser Mann hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, während der Mittagspause auf der Stufe vor einem Eingang im Schatten zu sitzen, umgeben von Arbeitern. Er sprach über die Bibel. Dieser Mann in den Vierzigerjahren war Cyril Winston. Er war verheiratet und gebürtig aus Dominica, einer Insel südlich von Guadeloupe. Cyril war groß, hatte graue Augen und ein tadelloses Benehmen; er sprach ruhig, und zwar in Kreolisch. Er war ein Vollzeitprediger oder Pionier, der gleichzeitig schwer arbeitete, um die Bedürfnisse seiner Familie zu befriedigen.

Condé Bonchamp gehörte zu den ersten, die Cyril Winston aufmerksam zuhörten. „Wir arbeiteten zusammen im Hafen als Dockarbeiter“, erzählte er. „Mittags setzten einige andere Arbeiter und ich uns um Cyril herum, weil wir gern zuhörten, wenn er die Bibel erklärte. In kurzer Zeit scharte er einige Arbeitskollegen aus Dominica um sich, und er organisierte Zusammenkünfte. Diese wurden von fünf Personen besucht.“

Bruder Winston mietete einen Raum in dem case von René Sahaï und dessen Frau, der als Zusammenkunftsstätte diente. Das westindische case ist eine Konstruktion aus Balken und daran festgenagelten Brettern mit einem Wellblechdach. Innen sind Räume abgeteilt, deren Trennwände oben Öffnungen haben, damit die Luft zirkulieren kann. Durch diese Trennwände kann man mühelos alles mithören; wenn also Zusammenkünfte stattfanden, hörte Frau Sahaï den Ansprachen zu. Auf diese Weise begannen sie und ihr Mann, sich für die biblische Wahrheit zu interessieren.

Noéma Missoudan (jetzt Apourou) erinnert sich an ihren ersten Kontakt mit dieser Gruppe: „Mich beunruhigte, daß mein Mann anfing, an bestimmten Tagen spät nach Hause zu kommen. Ich befürchtete, daß er sich für eine andere Frau interessierte. Eines Abends folgte ich ihm. Das war am 25. Dezember 1939. Er ging in ein case in einem Vorort von Pointe-à-Pitre. Einige Minuten später betrat auch ich das Haus. Zu meiner Überraschung befand ich mich mitten in einer Gruppe von 12 Personen. Ich setzte mich und hörte zu.“ So begann sie, die Zusammenkünfte zu besuchen. Da es keinen Strom gab, mußte jeder eine Kerze mitbringen.

Härten während des Krieges

Nachdem deutsche Truppen in Polen einmarschiert waren, erklärte Frankreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg. Die Französischen Antillen bekamen die Auswirkungen zu spüren, denn der Handel mit Frankreich kam bald darauf praktisch zum Erliegen. 1940 gelangte in Frankreich das Vichy-Regime an die Macht, das mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitete, und das wirkte sich auf Guadeloupe aus. Die Verbindung mit den Vereinigten Staaten brach ab. Guadeloupe konnte nun weder seinen Rum und seine Bananen ausführen noch Nahrungsmittel und andere Produkte einführen. Eine Ladung biblischer Literatur aus New York wurde sogar im Hafen von Pointe-à-Pitre verbrannt.

Doch die kleine Gruppe, die sich zum Bibelstudium in einem Vorort von Pointe-à-Pitre getroffen hatte, fing 1940 an, als eine alleinstehende Gruppe Zeugen Jehovas unter der Leitung der Watch Tower Society zu arbeiten. Es war die erste in Guadeloupe.

Eifrig und ohne Menschenfurcht

Einige, die die Zusammenkünfte der Gruppe besuchten, machten sich die Wahrheit schnell zu eigen. Daher taufte Bruder Winston im September 1940 sieben Personen, und zwar in dem Fluß La Lézarde nahe Petit-Bourg. Doch warum in einem Fluß, wenn es doch am Meer so viele leicht zugängliche Strände gab? Die Brüder hielten es für passender. Jesus selbst wurde in einem Fluß, im Jordan, getauft, oder etwa nicht? Natürlich erfüllt irgendein Gewässer, das sich für das Untertauchen eignet, den Zweck. *

Jene ersten Jünger in Guadeloupe offenbarten Aufrichtigkeit und Eifer; außerdem hatten sie keinerlei Menschenfurcht. In Erinnerung an die Anfangszeit sagte Bruder Bonchamp: „Sonntags waren wir im Predigtdienst. Wir waren nicht geschult und hatten nur wenig Erkenntnis; jeder redete so, wie es ihm am besten erschien. Ich war davon überzeugt, daß ich die Verantwortung hatte, soviel Menschen wie möglich zu bekehren; deshalb stellte ich mich, wenn die Messe zu Ende war, vor der katholischen Kirche in Pointe-à-Pitre auf und rief: ‚Ihr Menschen von Pointe-à-Pitre, hört auf das Wort Jehovas ...‘ Ich hatte gelesen, daß die Propheten der alten Zeit so gepredigt hatten. Während ich eine Zeitlang redete, strömte eine Menschenmenge zusammen. Einige hörten zu, andere begannen Lärm zu machen. Die Hauptwache war in der Nähe, und meine Frau und ich wurden verhaftet. Wir verbrachten die Nacht auf der Wache.“ Aber das schreckte die beiden nicht ab, später wieder Dienst zu verrichten.

Olga Laaland, ein junger Mann von 20 Jahren, ließ sich ebenfalls nicht vom Predigen abhalten, als er die Wahrheit kennenlernte. Bereits am zweiten Sonntag, an dem er sich mit der kleinen Gruppe Zeugen traf, schloß er sich ihnen im Zeugniswerk an. Er wurde ein sehr eifriger und fortschrittlich eingestellter Bruder, der keine Menschenfurcht hatte. Seine Stimme war gewaltig, und man konnte nicht an ihm vorbeigehen, ohne Notiz von ihm zu nehmen.

Doch die Treue dieser Christen wurde nicht nur im Hinblick auf das öffentliche Zeugnisgeben geprüft.

Eine Prüfung der Demut während der Isolation

Die Brüder hatten nur wenig Druckschriften für das Bibelstudium. Die Mehrzahl der 30 Personen, die mit der alleinstehenden Gruppe von Zeugen dort verbunden waren, hatte noch keine geistige Reife erlangt. Durch die Beschränkungen während des Krieges konnten sie keinen weiteren Kontakt mit dem Hauptbüro der Gesellschaft pflegen. Außerdem wurde Cyril Winston zu dieser Zeit krank und kehrte nach Dominica zurück, wo er drei Monate später starb. Die Brüder hatten ihn geliebt, aber jetzt ließen sie es so weit kommen, daß ernste Schwierigkeiten unter ihnen bestanden. Sie wollten Jehova dienen, doch sie sahen die Organisation hauptsächlich vom menschlichen Standpunkt aus. Bruder Sahaï, in dessen Wohnung die Zusammenkünfte abgehalten wurden, glaubte, die Leitung innezuhaben. Andere bestritten das. Am 29. November 1942 erreichte der interne Streit seinen Höhepunkt, als die große Mehrheit, angeführt von Bruder Missoudan, den Entschluß faßte, sich zurückzuziehen und anderswo zusammenzukommen. Bruder Sahaï hielt in seiner Wohnung weiterhin Zusammenkünfte ab. Bei den Differenzen zwischen den beiden Gruppen ging es nicht um Lehrpunkte, sondern um unterschiedliche Charaktere.

Trotz der Spaltung beteiligten sich beide Gruppen am Zeugnisgeben, und die Menschen hörten zu. Auf beiden Seiten gab es aufrichtige Brüder und Schwestern. Wenn aber biblische Grundsätze nicht angewandt werden, entwickeln sich Zustände, die für Christen unpassend sind. „Daß keine Spaltungen unter euch seien“, ermahnt die Bibel. ‘Bemüht euch ernstlich, die Einheit des Geistes in dem vereinigenden Band des Friedens zu bewahren’ (1. Kor. 1:10; Eph. 4:1-3).

In dieser kritischen Zeit gelang es Bruder Sahaï, die Verbindung zum Hauptbüro der Gesellschaft wiederherzustellen. Die Gesellschaft schätzte seine Bemühungen in dieser Angelegenheit und seine beharrlichen Anstrengungen, während des Krieges biblische Literatur auf die Insel zu bekommen. Am 16. Februar 1944 wurde ein Brief nach Guadeloupe geschickt, mit dem Bruder Sahaï zum Versammlungsdiener (vorsitzführenden Aufseher) ernannt wurde. Damals war er 30 Jahre alt. Trotz seiner einfachen Herkunft und seiner schmächtigen Erscheinung war er ein sehr freimütiger und resoluter Mann.

Nachdem Bruder Sahaï dazu ernannt worden war, der Versammlung zu dienen, schrieb die Gesellschaft der anderen Gruppe: „Ihr Geschwister, die Ihr Euch abgesondert habt ..., solltet Euch nun vereinigen und mit ihm bei der Förderung der Königreichsinteressen zusammenarbeiten. So, wie Christus nicht geteilt ist ..., so muß der Leib Christi auf der Erde geeint sein ... Wir glauben, daß Eure Ergebenheit dem Herrn und dem Königreich gegenüber alle Betroffenen veranlassen wird, jegliche persönlichen Gefühle, die Ihr in dieser Angelegenheit haben mögt, außer acht zu lassen und darauf zu warten, daß der Herr, wenn er es für nötig hält, alle richtet, die falsch handeln, und daß jeder von Euch fortfährt, dem Herrn zu dienen.“ Die Bemühungen um Versöhnung gestalteten sich jedoch schwierig. Nicht jeder war der Meinung, daß Bruder Sahaï für seine Aufgabe die nötigen Fähigkeiten hatte. Zwar wünschten sich viele die Vereinigung der Gruppen, aber es fiel ihnen schwer, die persönlichen Gefühle zu unterdrücken. Weil es den Brüdern an geistiger Reife mangelte, dauerte die Spaltung bis 1948 an.

Die von der Gesellschaft anerkannte Versammlung berichtete 1944 nur neun Verkündiger.

Zusammenkünfte, die im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich waren

Um die biblische Botschaft der Wahrheit zu verbreiten, hielten die Zeugen während der milden tropischen Abende direkt auf den Straßen Vorträge. Die Redner sprachen so laut, daß es nicht nur die eigentlichen Zuhörer verstehen konnten, sondern daß auch die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden geweckt wurde. Oft erhielt Bruder Laaland, der eine kräftige Stimme hatte, dieses Dienstvorrecht. Er erinnert sich an folgende Szene: „Nach Sonnenuntergang trafen wir uns unter einem Baum oder an einer Straßenecke und bildeten einen Kreis. In der Mitte stand der Redner; einige spendeten mit Fackeln Licht. Das Programm begann mit Lied und Gebet. Der eigentliche Vortrag konnte 30 Minuten oder eine Stunde dauern, je nachdem was der Redner vorbereitet hatte. Die Themen unterschieden sich kaum, da das Hauptziel war, die falsche Religion niederzukämpfen.“

Durch diese Zusammenkünfte wurde einer Anzahl Menschen geholfen, die Wahrheit kennenzulernen. Doch nicht alle schätzten die Vorträge. Im Schutz der Dunkelheit bewarfen Leute manchmal die Gruppe mit Steinen. Dessenungeachtet rührten sich die Brüder nicht von der Stelle, bis die Zusammenkunft abgeschlossen war. Sie argumentierten: „Wenn Soldaten im Krieg bereit sind, Gewehren gegenüberzutreten, warum sollten wir dann nicht in Kauf nehmen, um der guten Botschaft willen ein paar Steine abzukriegen?“ (2. Tim. 2:3). Einige Verkündiger erlitten sogar Kopfverletzungen. Eines Abends, als eine Schwester für den Redner eine große Öllampe hielt, flog ein Stein, der die Lampe treffen sollte, gegen den Kopf eines Zuhörers. Diese Person starb später im Krankenhaus; daraufhin wurde der Täter vor Gericht gebracht und schwer bestraft.

Ein Bruder erhält Schulung

Bruder Laaland entschloß sich 1945, nach Französisch-Guayana zu gehen, wo seine Mutter lebte. In der Nähe von Saint-Laurent du Maroni, wo er sich niederließ, gab es keine Versammlung, doch das hielt ihn nicht davon ab, Zeugnis zu geben.

Das Jahrbuch berichtete später darüber: „Zwei Brüder sind im Januar nach Französisch-Guayana gegangen. Während sie mit den Einwohnern von St. Laurent in Verbindung traten, sagte man ihnen: ‚Weiter flußaufwärts wohnt ein Mann, der genauso redet wie ihr.‘ Die Brüder mieteten einen Wagen, um diesen Mann zu suchen, und fanden tatsächlich auch jemand, der von Guadeloupe gekommen war und öffentliche Vorträge hielt. Er besaß keinerlei Literatur, aber trotzdem redete er über das Königreich. Sein ärgster Feind war der Priester, der die Leute emsig davor warnte, auf das zu hören, was jener ‚verrückte Mensch‘ zu sagen hatte.“

Als die Brüder nach Paramaribo (Suriname), wo die Gesellschaft ein Zweigbüro unterhielt, zurückkehrten, begleitete Bruder Laaland sie. Dort traf er Pioniere, die ihn ermunterten, den Vollzeitdienst aufzunehmen. Er lernte, wie man vorgefundenem Interesse nachgeht und Heimbibelstudien leitet. In Paramaribo lernte er auch viel über die theokratische Organisation und wie sie arbeitet — und er stellte fest, daß er eine Menge zu lernen hatte. Nach drei Monaten wurde er zum Sonderpionier ernannt und nach Saint-Laurent zurückgeschickt.

Die Einheit des Geistes entwickelt

In der Zwischenzeit hatte die Gesellschaft von dem kritischen Zustand auf Guadeloupe Kenntnis erhalten, nämlich daß sich zwei Gruppen bemühten, Jehova zu dienen, jedoch nicht in Einheit miteinander. 1947 wurde Josua Steelman, ein englisch sprechender Kreisaufseher, von einer Nachbarinsel herübergesandt, um die Versammlung Pointe-à-Pitre zu besuchen. Bruder Steelman wurde sehr freudig empfangen, und 26 — offensichtlich Personen aus beiden Gruppen — beteiligten sich während seiner Besuchswoche mit ihm am Predigtdienst. Er konnte jedoch nicht französisch sprechen, und wie er in seinem Bericht erklärte, konnten die Brüder die Anweisungen, die sie auf englisch erhielten, weder lesen noch übersetzen. Das Werk mußte dringend organisiert werden. Die Brüder studierten dreimal in der Woche eines der Bücher von der Gesellschaft, aber es gab keine Exemplare vom Wachtturm. Trotzdem, so betonte Bruder Steelman, bestand der starke Wunsch, sich am Predigtdienst zu beteiligen. Seine Ermahnungen, die er gab, um die beiden Gruppen zu vereinigen, trugen jedoch nicht sofort Früchte.

Dann zog Bruder Laaland auf Bitten der Gesellschaft 1948 wieder nach Guadeloupe. Gleich nach seiner Ankunft begann er, auf eine Versöhnung der beiden Gruppen hinzuwirken. Einigen Brüdern war es so ernst mit ihrem Wunsch, wieder vereint zu sein, daß sie um 4 Uhr morgens aufstanden und auf einen Hügel gingen, um Jehovas Segen für die Bemühungen um Einheit zu erbitten. Im selben Jahr, etwa im März, wurde nach über fünfjähriger Spaltung die Einheit wiederhergestellt. Der Verkündigerdurchschnitt stieg von 13 im Jahr 1947 auf 28 im Jahr 1948, und die Höchstzahl war 46. In Psalm 133:1 heißt es: „Siehe! Wie gut und wie lieblich es ist, wenn Brüder in Einheit beisammenwohnen!“

Doch nicht alle freuten sich über die Vereinigung. Ein paar gaben deutlich zu verstehen, daß sie dabei nicht mitmachen wollten. Einige gründeten eine Sekte mit Namen „Le Messager de Sion“ und stellten Traktate her, die sie vor der Zusammenkunftsstätte ihrer früheren christlichen Brüder verteilten. Einer ihrer Führer kaufte sich ein Motorrad, damit er den Zeugen folgen und ihre Tätigkeit im Predigtdienst untergraben konnte. Bei einer seiner Kampagnen stieß er jedoch mit einem Ochsenkarren zusammen, der mit Zuckerrohr beladen war, und im Krankenhaus starb er. Danach hörte man nichts mehr von seiner Gruppe.

Die Einheit des Geistes zu pflegen schließt allerdings mehr ein, als sich miteinander zu treffen und gemeinsam in den Predigtdienst zu gehen (Eph. 4:1-3). Damals war es den Schwestern dort verboten, Schmuck zu tragen, ihr Haar zu schneiden und ohne Kopfbedeckung den Zusammenkünften im Königreichssaal beizuwohnen. Das war das Ergebnis einer falschen Auslegung eines bestimmten Rates aus der Bibel. Sie brauchten weitere Hilfe, um mit der weltweiten Gemeinschaft des Volkes Jehovas vollständig im Einklang zu sein. Etwas Hilfe kam später im Jahre 1948, als die Gesellschaft zwei Missionare, Absolventen der Gileadschule, nach Guadeloupe sandte.

Die ersten beiden Missionare

Die französischen Behörden erteilten den beiden Kanadiern Kenneth Chant und Walter Evans eine einjährige Aufenthaltserlaubnis für Guadeloupe. Während sie da waren, verstärkte sich die Tätigkeit in der Versammlung. Aber dadurch wurde auch Widerstand hervorgerufen, den offenbar die Geistlichkeit angezettelt hatte. Anfang 1949 teilte man den beiden Missionaren offiziell mit, daß sie das Land sofort verlassen müßten.

Dennoch hatte ihr kurzer Aufenthalt die Brüder geistig gestärkt. Die einheimischen Brüder hatten jetzt ein klareres Verständnis biblischer Grundsätze, und sie paßten sich immer mehr den organisatorischen Vorkehrungen an, deren sich Jehovas Zeugen auf der ganzen Welt bedienen.

Eine Versammlung in Desbonnes

Allmählich begann der Samen der Wahrheit außerhalb von Pointe-à-Pitre, der größten Stadt auf Guadeloupe, aufzugehen. Die Grundlage für eine zweite Versammlung wurde 1941 gelegt, als Duverval Nestor in Pointe-à-Pitre im Krankenhaus lag. Dort hörte er zum ersten Mal von der Wahrheit, und er nahm sie an. Als er wieder zu Hause war, besuchten ihn die Brüder weiterhin und stärkten ihn. Ein Adventistenprediger versuchte, ihn davon abzubringen, und sagte sogar: „Ich habe immer gedacht, Ihr Haus könnte ein schöner Tempel für den Herrn sein.“ Nun, als 1948 die zweite Versammlung gegründet wurde, ergab es sich, daß das Haus von Bruder Nestor als Königreichssaal benutzt wurde. Es lag 26 Kilometer von Pointe-à-Pitre entfernt, in Desbonnes, einem Dorf am Fuß eines Berges.

Heute gibt es in Desbonnes eine blühende Versammlung mit über hundert Verkündigern, die in einem schönen, 1989 erbauten Königreichssaal zusammenkommen.

Eifriges Predigen um die Mittagszeit

In Port-Louis, ungefähr 20 Kilometer nördlich von Pointe-à-Pitre, hatte Georges Moustache, dem dort 1943 die gute Botschaft überbracht worden war, das Vorrecht, weiteren Samen der Königreichswahrheit zu säen. Er erinnert sich an jene Anfangszeit und sagt: „Ich arbeitete in der Tischlerwerkstatt der Zuckerfabrik von Beauport und hielt dort jeden Tag in der Mittagspause aus dem Stegreif einen Vortrag. Ein älterer Seminarist, der mich ständig belästigte, forderte mich eines Tages heraus: ‚Wenn du den wahren Gott anbetest, dann versuch doch mal, über das Feuer zu gehen. Hier in der Esse brennt das Schmiedefeuer.‘ Ich antwortete so laut, daß man mich in der ganzen Werkstatt hören konnte: ‚Geh weg, Satan! Denn es steht geschrieben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ ‘ “ (Siehe Matthäus 4:5-7.)

Sonntags ging Bruder Moustache viele Kilometer zu Fuß, um Arbeitskollegen, die gern mehr hören wollten, weiter Zeugnis zu geben. Oft stand er von acht Uhr morgens bis sieben Uhr abends im Predigtdienst, manchmal, ohne etwas zu essen. Einer von denen, die Bruder Moustache jede Woche besuchte, war der Leiter einer kleinen Adventistengruppe in Port-Louis, der bald ein Zeuge wurde. Auch andere nahmen die Wahrheit an, darunter Daniel Boncœur, der bis heute treu ist, und Alfred Cléon, der ebenfalls treu war und zuletzt als Ältester diente, bis er im August 1993 starb.

Wasser der Wahrheit fließen in Basse-Terre

In Basse-Terre, Hauptstadt und Verwaltungssitz Guadeloupes, begannen in den 40er Jahren die Wasser der Wahrheit zu fließen — zunächst ein wenig, aber dann reichlich. Als Eugène Alexer, ein Zimmermann, in Pointe-à-Pitre war, hörte er Cyril Winston zu, der die Wahrheit der Bibel darlegte. 1948 bezog die Familie Alexer Stellung für die wahre Anbetung. In ihrem Haus in Basse-Terre wurden regelmäßig Zusammenkünfte abgehalten. Ein Jahr später schloß sich ihnen ein junger Mann mit Namen Verneil Andrémont an. Jeden Sonntag fuhr entweder Bruder Missoudan oder Bruder Moustache — später auch Bruder Laaland — mit dem Bus die 60 Kilometer von Pointe-à-Pitre nach Basse-Terre, um dort den Interessierten zu helfen. Ihre Anstrengungen wurden belohnt. Heute, ungefähr 45 Jahre später, gibt es in diesem Gebiet acht blühende Versammlungen: drei in Basse-Terre, eine in Gourbeyre, zwei in Baillif und zwei in Saint-Claude.

Zur gleichen Zeit wurde in Moule, einer Kleinstadt an der Ostküste von Grande-Terre, eine kleine Gruppe gegründet. Das geschah, nachdem ein Bruder aus Pointe-à-Pitre dort Zeugnis gegeben hatte. Die Familie Ruscade gehörte zu den ersten in diesem Gebiet, die für die Wahrheit Stellung bezogen, und in ihrem Haus wurden Zusammenkünfte abgehalten. Anasthase Touchard, der als erster aus der Gruppe ein Zeuge wurde, diente später hingebungsvoll als Ältester, bis er 1986 starb. Fünf Versammlungen, jede mit über hundert Verkündigern, sind jetzt in dem Gebiet tätig.

Ein Priester lockt einige Zuhörer an

An einem Sonntagvormittag im Jahr 1953 gab eine Gruppe von ungefähr 20 Verkündigern in Lamentin Zeugnis, einem Dorf im Nordosten von Basse-Terre, und anschließend wurde auf dem Dorfplatz, der natürlich vor der katholischen Kirche lag, ein öffentlicher Vortrag gehalten. Nach dem Anfangslied begann der Vortrag. Der wütende Priester schlug die großen Kirchentüren zu in der Absicht, die Stimme des Redners zu übertönen. Dieses heftige Zuschlagen der Türen führte jedoch dazu, daß eine Statue von der Wand abbrach und direkt vor der Kirche zu Bruch ging. Der jetzt noch wütendere Priester ließ alle Kirchenglocken läuten. Viele Menschen kamen angerannt. Einige waren schockiert über das Verhalten des Priesters. Es war unmöglich, den Vortrag an diesem Ort fortzusetzen, aber ein Ladenbesitzer lud den Redner ein, den Vortrag vor seinem Haus zu halten. Das tat er auch, und er hatte viele Zuhörer.

Heute gibt es in dieser Gemeinde (oder diesem Bezirk) drei blühende Versammlungen mit je über hundert Verkündigern. Dort haben wir auch unseren geräumigen Kongreßsaal gebaut.

Jugendliche haben sich an den Geistlichen ein Beispiel genommen und versucht, unsere öffentlichen Vorträge massiv zu stören. Während eines Vortrags, der auf dem Land nahe dem Dorf Sainte-Rose gehalten wurde, umringte eine Gruppe katholischer Pfadfinder den Redner und die wenigen anderen anwesenden Zeugen. Einige bliesen Hörner und andere schlugen auf große eiserne Bratpfannen, um den Redner mundtot zu machen. Léonard Clément versuchte nicht, den Lärm zu übertönen; statt dessen setzte er seinen Vortrag fort, indem er lediglich so tat, als ob er spräche, das heißt, er bewegte seine Lippen und machte Gesten. Es dauerte nicht lange, und die Pfadfinder gaben auf und verschwanden. Dann fuhr unser Bruder mit seinem Vortrag fort. Auch in diesem Gebiet wurde allmählich Interesse entfacht, und nun gibt es dort drei Versammlungen.

Das Ende einer Epoche

Diese öffentlichen Zusammenkünfte im Freien gehören in Guadeloupe jetzt der Vergangenheit an. Als es 1953 bei politischen Zusammenkünften zu Krawallen kam, wurden öffentliche Zusammenkünfte unter freiem Himmel und die Verwendung von Lautsprechern im Freien verboten. Danach mußten die Brüder andere Plätze finden, um Zusammenkünfte abhalten zu können.

Von 1938 bis 1953 haben öffentliche Vorträge im Freien jedoch dazu beigetragen, ein gewaltiges Zeugnis in der Öffentlichkeit zu geben. Die Verkündiger haben diese Tätigkeit mutig und eifrig unterstützt. Die meisten gingen zu Fuß zu den Zusammenkunftsorten; einige fuhren zu zweit auf einem Fahrrad. Wenn sie etwas Geld übrig hatten, mieteten sie für einen Tag einen Bus. Damals besaß nur einer von hundert Verkündigern ein Auto, und zwar einen alten Ford.

1954 — ein denkwürdiges Jahr

Anfang 1954 machten Bruder Knorr, der damalige Präsident der Gesellschaft, und sein Sekretär, Milton Henschel, aus Südamerika kommend, auf dem Flughafen von Pointe-à-Pitre eine Zwischenlandung. Es war zwar früh am Morgen, aber trotzdem waren einheimische Brüder dort, um sie zu begrüßen. Bruder Knorr versicherte ihnen, daß so bald wie irgend möglich weitere Missionare geschickt würden, um ihnen zu helfen.

Nicht lange danach wurde sein Versprechen erfüllt. Am 17. März 1954 landete auf dem Flughafen von Pointe-à-Pitre ein Flugzeug, aus dem zwei Passagiere stiegen. Aber es war niemand da, um sie zu begrüßen, weil der Flug beträchtliche Verspätung hatte. Polizisten boten sich jedoch an, sie zu der chemischen Reinigung von Bruder Laaland zu bringen. Die beiden Reisenden, die kurz zuvor die Gileadschule absolviert hatten, waren aus Frankreich gebürtig. Es handelte sich um Pierre Jahnke, einen hochgewachsenen Bruder, und Paul Touveron.

Einige Tage nachdem die beiden Missionare angekommen waren, traf Bruder Henschel ein. In der Zwischenzeit hatte die Faith, das Missionarschiff der Gesellschaft, im Hafen festgemacht, und die Mannschaft war fleißig mit den Vorbereitungen für einen Kongreß beschäftigt, der in einer Schule am Ort stattfinden und am 26. März beginnen sollte.

Bei Programmbeginn herrschte eine freudige Atmosphäre, obwohl die Brüder etwas angespannt und besorgt waren, ob alles glattginge. Nach einigen Ansprachen und Demonstrationen wurde eine provisorische Leinwand aufgehängt. Dann sahen sie zum ersten Mal den Film der Gesellschaft Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit. Jetzt wurden sie in ihrer Überzeugung bestärkt, denn sie konnten mit eigenen Augen den klaren Beweis dafür sehen, daß es sich um Gottes Organisation handelt. Alle Anwesenden waren tief bewegt, als sie sahen, wie die Organisation in Frieden und Einheit tätig ist. Die Schwestern sahen außerdem, daß ihre Glaubensschwestern in anderen Ländern Schmuck trugen, wenn auch nicht übertrieben viel. Auch das Wissen darum, daß zwei Missionare in ihrer Mitte waren, Brüder, die die Organisation gesandt hatte und deren Beispiel im Dienst für Jehova die Versammlung stärken würde, ermunterte die Kongreßbesucher. Die Aufregung an jenem Abend war groß — zu groß für den vorsitzführenden Aufseher der Versammlung Pointe-à-Pitre, Clotaire Missoudan. Er ging nach Hause und starb noch in jener Nacht im Schlaf, ohne daß seine Frau es bemerkte.

Am zweiten Kongreßtag kündigte Bruder Henschel die Errichtung eines Zweigbüros der Watch Tower Society in Guadeloupe an. Es sollte sich um das Predigen der guten Botschaft in Guadeloupe und auf Martinique kümmern. Pierre Jahnke wurde zum Zweigdiener ernannt. Für die genaueren organisatorischen Richtlinien, die man auf diesen Inseln so dringend benötigte, wurde gesorgt.

Nach dem Kongreß machten sich die beiden Missionare an die Arbeit. Sie mieteten ein kleines Holzhaus, in dem das Zweigbüro seinen Platz haben sollte. Später kaufte die Gesellschaft ein kleines Gartenhaus am Raizet-Stadtpark, wo das Büro bis Dezember 1966 seinen Sitz hatte. Bruder Jahnke erledigte nicht nur die Arbeit im Zweigbüro, sondern er beteiligte sich auch am Predigtdienst in Pointe-à-Pitre und verbrachte soviel Zeit wie möglich mit den Brüdern. Inzwischen besuchte Bruder Touveron als Kreisaufseher die Versammlungen und alleinstehende Verkündiger, bis er es nach ungefähr einem Jahr für nötig hielt, nach Frankreich zurückzukehren.

Hilfe durch ein schwimmendes Missionarheim

Die Wertschätzung für Jehovas Organisation wurde vertieft durch periodische Besuche von Missionaren, die mit dem Schiff von Insel zu Insel fuhren. Die Gesellschaft besaß ungefähr zehn Jahre lang Schiffe, die im Gebiet der Westindischen Inseln als schwimmende Missionarheime dienten. Zuerst war es der 18 Meter lange Schoner Sibia, der später durch ein größeres Schiff, die Light, ersetzt wurde. Auch die 22 Meter lange Faith, die zwei Schiffsschrauben hatte, war im Einsatz. Die Missionare an Bord der Schiffe sprachen zwar nur englisch (die meisten Verkündiger in Guadeloupe nicht), aber trotzdem wurden ihre Besuche sehr geschätzt. Die Verkündiger dort erinnern sich noch immer an den Eifer jener Missionare, die mit den einheimischen Verkündigern den ganzen Tag im Predigtdienst standen.

Bei ihrem letzten Besuch mit der Light predigten die Missionare vom 26. Juli bis zum 7. August 1956 auf den Inseln Marie-Galante und La Désirade. Auf Marie-Galante zeigten sie den Film Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit. Einer der Zuschauer sagte: „Und wenn Sie mir zehntausend Franc gegeben hätten, Sie hätten mich nicht glücklicher machen können, als ich es heute abend bin!“

Pioniere aus Frankreich

Auf Guadeloupe und den dazugehörigen Inseln wurden schöne Fortschritte erzielt. Um das Werk weiterhin voranzutreiben, sandte die Gesellschaft noch zwei Pioniere aus Frankreich. Nicolas und Liliane Brisart trafen im Dezember 1955 ein. Bruder Brisarts Wesensart ist sowohl dynamisch als auch fröhlich. Bei ihrer Ankunft wurden sie den dichtbevölkerten Vororten Pointe-à-Pitres zugeteilt.

In diesem Gebiet wohnen viele in Holzhäusern, die auf vier Steinen ruhen, so daß der Boden ungefähr einen halben Meter über der Erde ist. Die Häuser stehen alle sehr dicht beieinander. Eines Tages, als Bruder Brisart dort Besuche machte, passierte ihm ein Mißgeschick, über das er immer noch lachen muß. Er erzählt: „Ich ging mit meiner Frau zu einem Bibelstudium, das sie mit einer älteren Dame durchführte; allerdings schien ihr Holzhaus noch älter zu sein als sie selbst. Wir wurden hineingebeten, und ich ging zur Mitte des kleinen Raumes; plötzlich brach der Boden durch, und ich fiel durch das Loch. Ich entschuldigte mich vielmals, doch der armen Frau war das alles überaus peinlich.“

Bruder Brisart und seine Frau bearbeiteten das Gebiet ungefähr acht Monate lang, danach schickte man sie in den Kreisdienst. 1958 erhielten sie die Einladung, die 32. Klasse der Gileadschule zu besuchen, und anschließend wurden sie wieder Guadeloupe zugeteilt. Als Bruder Jahnke heiratete und sich 1960 Nachwuchs einstellte, wurde Bruder Brisart der Zweigdiener. Er dient immer noch als Koordinator des Zweigkomitees, und Bruder Jahnke, der in Guadeloupe blieb, dient mit ihm in dem Komitee.

Widerstand stellt den Glauben auf die Probe

Viele von denen, die die Wahrheit annahmen, wie sie in der Bibel dargelegt ist, mußten unter sehr schwierigen Umständen Stellung beziehen, weil religiöser Widerstand manchmal wirklich äußerst bösartige Formen annahm. Flora Pemba war eine von ihnen. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann angefangen, die Bibel zu studieren. Aber als sie von einigen Nachbarn unter Druck gesetzt wurden, stellte ihr Mann, der ein kleines Lebensmittelgeschäft hatte, das Studium ein aus Angst, Kunden zu verlieren. Flora blieb jedoch dabei und machte auf geistigem Gebiet gute Fortschritte. Die Atmosphäre zu Hause wurde gespannt. Ihr Mann drohte sogar, sie zu töten. Als sie unter seinem Kopfkissen ein großes Messer entdeckte, floh sie; sie lief 16 Kilometer durch Tropenwald und Bananenplantagen und fand bei einer Familie von Zeugen Jehovas Zuflucht. Während sie sich vor ihrem Mann versteckt hielt, faßte sie den Entschluß, sich taufen zu lassen, und sagte: „Wenn ich schon wegen meines Glaubens dem Tod ins Auge blicken muß, dann möchte ich wenigstens zu den Dienern Jehovas zählen.“ 1957 ließ sie sich daher eines Morgens vor Sonnenaufgang im Meer taufen.

Trotz ihrer Bemühungen um Versöhnung hat ihre Familie sie verstoßen. Aber in Übereinstimmung mit Jesu Verheißung aus Matthäus 19:29 hat sie eine große geistige Familie erhalten. Diese treue Schwester nahm den Vollzeitdienst auf, und sie ist nach über 30 Jahren immer noch Pionier in Lamentin.

Ein unvergeßlicher Kongreß

Als 1958 der internationale Kongreß „Göttlicher Wille“ in New York abgehalten wurde, waren Delegierte aus 123 Ländern und Inselgruppen anwesend. Neunzehn Zeugen aus Guadeloupe waren darunter. Was sie sahen und hörten, vertiefte ihre Wertschätzung für die theokratische Ordnung. Verneil Andrémont, einer dieser Delegierten, sagte: „Dieser Kongreß war für mich eine Offenbarung. Ich verstand, wie die Dinge gemacht werden müssen.“ Der Zweigaufseher brachte das allgemeine Gefühl der ganzen Gruppe zum Ausdruck und schrieb: „Wir sperrten unsere Augen und Ohren auf, um alles zu erfassen. Es war nicht nur die Größe des Landes oder die gewaltigen Gebäude, die so hoch in den Himmel ragen, oder der erstaunlich dichte Verkehr auf den Straßen, was jemand, der von einer kleinen karibischen Insel kommt, beeindruckt, sondern mit eigenen Augen die großen Menschenmengen zu sehen — alles Brüder und Schwestern von allen Ecken und Enden der Erde —, die friedlich und vereint den einen wahren Gott anbeteten. Sie füllten zwei riesige Stadien!“

Sogar in Angelegenheiten des Lebens, die manche als Kleinigkeiten betrachten, wirkte sich dieser Kongreß auf unsere Brüder aus. Léonel Nestor zum Beispiel, ein 78jähriger Bruder, dessen Haus auch als Königreichssaal genutzt wurde, meinte, es müsse gestrichen werden, um Jehovas Organisation besser repräsentieren zu können. Folglich war der Königreichssaal das erste Haus in seinem Dorf, das angestrichen wurde.

Kleine Anfänge in Anse-Bertrand

Bis 1958 hatten nicht viele aus der Gemeinde von Anse-Bertrand, die an der Nordspitze von Grande-Terre (Guadeloupe) liegt, die Möglichkeit, die Königreichsbotschaft zu hören. Aber in jenem Jahr zeigte Marc Edroux seinem Freund, dem Bäcker Donat Tacita, eine Bibel und sagte: „Dieses Buch ist das Wort Gottes.“ Beide waren praktizierende Katholiken. Als Donat später von einem Hausierer eine Bibel angeboten wurde, kaufte er sich eine und begann darin zu lesen. Da sein Französisch nicht sehr gut war, benutzte er ein Wörterbuch. Er lud auch seinen Freund Marc Edroux zu sich ein, und zusammen mit Donats Frau lasen die beiden jeweils am Mittwoch und am Samstag in der Bibel und versuchten, sie zu erörtern.

Donat, der gern mehr verstehen wollte, suchte nach dem Mann, der ihm die Bibel verkauft hatte, doch vergeblich. Ein Nachbar sagte ihm indes, er habe einen Cousin, Georges Moustache, der ein Zeuge Jehovas sei und ihm gern helfen würde. Veranlaßt durch das, was er von seinem Nachbarn über Jehovas Zeugen erfahren hatte, besuchte Donat sogar einige Leute, um ihnen Zeugnis zu geben, denn er wollte nicht, daß sein Glaube tot ist (Jak. 2:26).

Als Donat ungefähr ein halbes Jahr später von seinem Nachbarn erfuhr, daß Jehovas Zeugen in der Nähe von Pointe-à-Pitre einen Kongreß abhalten wollten, entschlossen er, seine Frau und Marc Edroux sich, diesen zu besuchen und sich taufen zu lassen. Bis zu jener Zeit hatten sie noch nie einen Zeugen Jehovas getroffen. Bei ihrer Ankunft wurden sie von den Zeugen willkommen geheißen. Die drei erklärten ihren Wunsch, Jehova zu dienen und getauft zu werden. Die Brüder stellten ihnen freundlich einige Fragen und führten ihnen vor Augen, daß sie vor ihrer Taufe ein Heimbibelstudium benötigten. Die herzliche brüderliche Atmosphäre auf dem Kongreß ging den dreien zu Herzen. Gestärkt und entschlossen kehrten sie nach Anse-Bertrand zurück. Sie machten beim Bibelstudium schnell Fortschritte und ließen sich ungefähr ein halbes Jahr später taufen.

Eifrig teilten sie anderen in ihrem Dorf die biblische Wahrheit mit. Doch es gab heftigen Widerstand. Als Bruder Brisart sie als Kreisaufseher besuchte, unternahm der katholische Priester des Ortes alles in seiner Macht Stehende, um zu verhindern, daß er blieb. Donat hatte ein Zimmer gemietet, in dem der Kreisaufseher mit seiner Frau wohnen konnte. Aber nach ihrem ersten Predigtdiensttag schritt der Priester ein und forderte, daß der Schlüssel zurückgegeben werde. Da er damit keinen Erfolg hatte, ging er zu dem Eigentümer des Zimmers und drohte, dessen Mutter zu exkommunizieren, falls der Schlüssel nicht zurückgegeben würde. Als die arme Frau das hörte, fiel sie in Ohnmacht. Am nächsten Tag versuchte es der Priester wieder, diesmal mit Hilfe eines Rechtsanwalts, doch ohne Erfolg, denn so etwas war illegal. Während dieses Besuchs des Kreisaufsehers wurden eine Anzahl schafähnliche Menschen gefunden und Bibelstudien eingerichtet. Einige Monate später, Anfang 1960, hielt man in diesem Dorf einen Kreiskongreß ab, um noch mehr Zeugnis zu geben. Während der Taufe kamen über 500 Menschen aus dem Dorf zum Strand, um dabei zuzusehen. An jenem Tag wurde kein Haus-zu-Haus-Dienst verrichtet. Alle Zeugen waren am Strand, umringt von Personen, die unbedingt mehr über Jehovas Zeugen und die Botschaft, die sie predigen, erfahren wollten.

Inzwischen sind in Anse-Bertrand zwei Versammlungen gegründet worden. Donat Tacita hat 22 Jahre als Sonderpionier gedient und ist ein Ältester in Anse-Bertrand.

Einen Dieb gesucht — ein Schaf gefunden

Anfang 1960 kam eines Tages ein Polizist zum Missionarheim in Le Raizet. Er zog Erkundigungen ein in Verbindung mit einem Diebstahl, der in der Nachbarschaft begangen worden war. Bruder Brisart und seine Frau waren zu Hause, und sie ergriffen die Gelegenheit, dem Polizisten Zeugnis zu geben. Er hörte zu und fragte dann: „Wie kann ich eine Bibel bekommen? Haben Sie eine Adresse, an die ich schreiben kann? Sie haben über sehr ernste Dinge gesprochen, ich muß über vieles nachdenken.“ Er bekam sofort eine Bibel und auch andere Literatur. Eine Woche danach schrieb er einen Brief mit vielen Fragen. Bald darauf wurde ein Bibelstudium eingerichtet und zweimal in der Woche durchgeführt.

Bruder Brisart sagt über das Ergebnis: „Selbst wenn der Polizist den Dieb nicht fand, wir fanden durch Jehovas unverdiente Güte ein Schaf.“ Dieser ehemalige Polizist ist jetzt ein Ältester in einer der Versammlungen von Pointe-à-Pitre.

Einen Platz für Kongresse gefunden

Da die Organisation in Guadeloupe größer wurde, gab es ein Problem, das gelöst werden mußte. Wo waren Räumlichkeiten zu finden, in denen wir unsere Kongresse abhalten konnten? Über zehn Jahre lang hatten wir eine Privatschule in Pointe-à-Pitre und die Festhallen in Abymes und Capesterre benutzt. Aber diese Hallen waren für uns zu klein geworden. Wir mußten nach etwas anderem suchen.

Neben Bruder Laalands Geschäft befand sich ein unbebautes Stück Land. Der Besitzer stellte es uns für unseren Kreiskongreß Ende Dezember 1964 freundlicherweise kostenlos zur Verfügung. Innerhalb von wenigen Tagen errichteten wir eine Holzkonstruktion aus Pfählen, die in den Boden eingelassen und oben mit Brettern zusammengehalten wurden. Als Dachhaut breiteten wir Persenning darüber aus. Die Seiten waren offen, so daß man leicht zu den Sitzplätzen gelangen konnte. Die Freude und der Fleiß der einheimischen Brüder bei der Arbeit ermunterten die Zeugen, die gekommen waren, um mitzuhelfen. Und welch ein Segen war es, fast 700 Besucher zählen zu können — eine neue Höchstzahl! Es war offenkundig, daß wir für künftige Kongresse unsere eigenen Einrichtungen brauchten.

Die Brüder entwarfen eine einzigartige Konstruktion, wobei sie Eisenrohre für den Rahmenbau und Aluminiumbleche für das Dach benutzten. Es gab Platz für 700 Sitze. Und der ganze „Kongreßsaal“ war transportabel. Damals gab es in Guadeloupe ungefähr 450 Verkündiger, daher dachten wir, es gäbe reichlich Platz.

Im Januar 1966 wurde die Konstruktion zum ersten Mal benutzt, und zwar für einen Kongreß in der Nähe von Basse-Terre. Als die Zeit für den öffentlichen Vortrag da war, drängte sich eine begeisterte Menge von 907 Personen in und um den Kongreßsaal, um zuzuhören. Er war also schon zu klein! In den folgenden Jahren mußten wir ihn immer wieder vergrößern.

Kreiskongresse fielen oft in den Regenmonat November. Wegen des schlechten Wetters war der Boden oft matschig, und wir fanden heraus, daß man am besten in Schaftstiefeln kam. Üblicherweise wurde für den Kongreß das Wochenende ausgewählt, an dem Vollmond war, damit den Brüdern abends für den Heimweg diese natürliche Lichtquelle zur Verfügung stand. Eine mondhelle Nacht machte es auch leichter, gleich nach der Schlußansprache des Kongresses einige Abbauarbeiten zu erledigen.

Daß unser Saal transportabel war und so die Möglichkeit bestand, Kongresse in irgendeiner Gemeinde unseres Gebiets abzuhalten, wirkte sich ausgezeichnet auf das Predigen der guten Botschaft in Guadeloupe aus. Außerdem bot sich unseren Brüdern dreimal im Jahr beim Auf- und Abbau des Saals die Gelegenheit, zu lernen, wie man zusammen arbeitet und eine aufopferungsvolle Einstellung entwickelt. Zweifellos ruhte der Segen Jehovas auf dieser Vorkehrung.

Ein anderer Lebensstil

Als Armand und Marguerite Faustini 1963 von Frankreich nach Guadeloupe zogen, um beim Predigen zu helfen, stellten sie fest, daß das Leben hier etwas anders war. Anfänglich wunderten sie sich, wenn die Wohnungsinhaber, ohne selbst an die Tür zu kommen, einfach riefen: „Kommen Sie bitte herein!“ Die Leute lebten in bescheidenen Verhältnissen und hatten wenig Geld, aber meistens gaben sie gern Obst und Gemüse im Tausch für biblische Literatur. Während die Faustinis also ihren Predigtdienst durchführten, mußten sie manchmal nicht nur Literatur, sondern auch Bananen, Mangos, Jamswurzeln und Eier mit sich herumtragen.

Sie kamen in den Kreisdienst, und Bruder Faustini erinnert sich: „Die Brüder hießen uns herzlich willkommen, aber auf dem Gebiet der Pünktlichkeit mußten sie sich enorm verbessern. Die wenigsten auf dem Land besaßen eine Uhr, daher bestimmten sie die Zeit mit Hilfe der Sonne. Das hatte manchmal zur Folge, daß die Zusammenkünfte eine ganze Stunde später anfingen. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten erlebten wir da so manche Überraschung.“

Hilfe für Marie-Galante

Im selben Jahr, als die Faustinis auf Guadeloupe ankamen, wurde auf der Insel Marie-Galante, die ungefähr 40 Kilometer südlich von Pointe-à-Pitre liegt, ein besonderes Zeugnis gegeben. Bruder Faustini und eine Gruppe von 16 Hilfspionieren verbrachten dort einen ganzen Monat und gaben den 14 000 Inselbewohnern Zeugnis. Während dieser Zeit wurde der Film der Gesellschaft Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit mehrmals gezeigt. Ein paar Jahre später erhielten dann Sonderpioniere den Auftrag, auf dieser Insel zu predigen. Zwei von ihnen, Bruder Frédéric Ferdinand und Bruder Léo Jacquelin, gründeten eine Familie und zogen dort ihre Kinder groß.

Um die Sonderpioniere auf Marie-Galante zu unterstützen, entschieden wir, unseren Kongreßsaal im April 1969 auf die Insel zu transportieren und dort einen Kongreß abzuhalten. Der Kreisaufseher, Bruder Faustini, berichtet: „Es war ein außergewöhnlicher Kongreß. Man stelle sich die Verwunderung der Menschen von Grand Bourg, einer Kleinstadt mit 6 000 Einwohnern, vor, als sie die ‚Invasion‘ von tausend Zeugen sahen, die aus drei Schiffen ausstiegen — jeder mit einem 20-Liter-Wasserkanister in der Hand. In jener Dürreperiode war das Wasser knapp, und die Inselbewohner schätzten es, daß die Besucher Wasser mitbrachten und so den Vorrat in den Zisternen schonten. Es war das erste Mal, daß sie so etwas beobachteten — eine endlose Reihe von Menschen, die von der Anlegestelle durch die Stadt zum Kongreßgelände gingen. Alle Einwohner der Insel wurden von den Zeugen besucht, manche sogar mehrmals am gleichen Vormittag. Sie hatten die Möglichkeit, innerhalb weniger Tage Gottes Organisation kennen- und schätzenzulernen.“ Auf Marie-Galante gibt es jetzt drei Versammlungen.

Nach ungefähr zehn Jahren mußten Bruder und Schwester Faustini wieder zurück nach Frankreich. Später konnten sie erneut in die Karibik gehen, und heute ist Bruder Faustini ein Mitglied des Zweigkomitees von Martinique.

Die Wasser der Wahrheit auf La Désirade und den Îles des Saintes ausgeteilt

Nachdem die Light 1956 La Désirade das letzte Mal angelaufen hatte, wurde auf dieser ebenfalls zu Guadeloupe gehörenden Insel kaum gepredigt. Doch 1967 erhielten die Sonderpioniere Médard und Turenna Jean-Louis von der Gesellschaft die Zuteilung, dort zu dienen. Diese 11 Kilometer lange und 2,4 Kilometer breite Insel war größtenteils Ödland, und es gab kein fließendes Wasser, aber den dort lebenden 1 560 Menschen mußte die Gelegenheit geboten werden, die Königreichsbotschaft zu hören. Von 1969 bis 1972 dienten dort noch zwei weitere Sonderpioniere. Ein anderer Sonderpionier, Jacques Mérinon, harrte trotz der schwierigen Bedingungen von 1975 bis 1988 auf der Insel aus.

Nach vielen Jahren wurde eine kleine Versammlung gegründet. 1987 diente dort Henri Tallet, ein Arzt, mit seiner Familie. Mit der Unterstützung vieler Brüder, besonders der Brüder aus Moule und Saint-François, organisierte er den Bau eines Königreichssaals.

Zwei Jahre später wurde La Désirade durch den Hurrikan Hugo verwüstet. Ein Bruder erzählt: „Der Königreichssaal war stark beschädigt worden. Aber die Brüder halfen uns aus Liebe, und schon bald erhielten wir das, was wir brauchten, um den Saal und die beschädigten Häuser der Verkündiger instand zu setzen. Wir waren die ersten auf der Insel, die mit den Reparaturen begannen, gleichzeitig setzten wir unser Predigtwerk fort, und die Menschen im Gebiet nahmen das gebührend zur Kenntnis. Seither werden wir eher akzeptiert, wenn wir predigen.“

13 Kilometer von Basse-Terre entfernt liegen die Îles des Saintes mit 3 000 Einwohnern. Dorthin wurden im September 1970 die beiden Sonderpioniere Amick Angerville und Jean Jabés gesandt. Es war viel Geduld erforderlich, aber 1980 konnte schließlich eine kleine Versammlung gegründet werden, und jetzt gibt es dort 18 Verkündiger.

Saint-Martin hört die gute Botschaft

Ungefähr 250 Kilometer nordwestlich von Pointe-à-Pitre liegt die Insel Saint-Martin, deren nördlicher Teil ebenfalls zu dem französischen Überseedepartement Guadeloupe gehört. Die andere Inselhälfte gehört zu den Niederländischen Antillen, aber im allgemeinen wird Englisch gesprochen. Doch ungeachtet der Sprache, die jemand spricht, muß er die gute Botschaft hören.

Georges Manuel, der von Saint-Martin gebürtig war, lernte Anfang der 40er Jahre die Wahrheit kennen, als er sich auf Guadeloupe aufhielt. 1949 ankerte die Sibia, ein Schiff der Gesellschaft, das erste Mal vor Saint-Martin, und die Mannschaft ging an Land, um mit den Menschen über die Bibel zu sprechen. Als nächstes ließen sich Georges Dormoy und der Hafenmeister Léonce Boirard taufen. 1953 gab es auf der Insel sechs Verkündiger.

Charles Gumbs war einer von denen, die Literatur entgegennahmen, obwohl er nicht sehr religiös war. Als er aber den Wachtturm las, war er überzeugt, die wahre Religion gefunden zu haben. Was er lernte, teilte er seinem Bruder Jean und seiner Schwester Carmen mit. Nachdem sie eine Weile studiert hatten, gingen Carmen Gumbs und ihre Tochter Léone Hodge eines Tages um sieben Uhr morgens zum Missionarheim und baten darum, getauft zu werden. Der Bruder im Missionarheim war davon überzeugt, daß die beiden genau wußten, was sie taten, rief einen anderen Bruder herbei, und die Taufe fand noch vor dem Frühstück statt.

Sie hatten wirklich verstanden, was es bedeutet, sich Jehova hinzugeben. Im folgenden Jahr, 1959, nahm Léone den Vollzeitdienst auf und etwas später auch ihre Mutter. Nach fünfunddreißig Jahren sind diese beiden treuen Schwestern immer noch Sonderpioniere.

Eine Versammlung auf Saint-Martin

Im Laufe der Zeit zog eine beträchtliche Zahl Haitianer nach Saint-Martin, um dort zu arbeiten. Einige von ihnen nahmen die Wahrheit an, und 1973 wurde eine französischsprachige Versammlung gegründet. Zwei Sonderpioniere, Jonadab und Jacqueline Laaland, halfen beim Aufbau der Versammlung so lange mit, bis sie fortgingen, um die Gileadschule zu besuchen.

Dann fand 1975 ein Ereignis statt, das einen echten Wendepunkt im Königreichswerk auf Saint-Martin darstellte. Am 13. und 14. Februar wurde auf dem Fußballplatz von Marigot ein Kongreß abgehalten. Ein Teil unseres transportablen Kongreßsaals war per Schiff dorthin gebracht worden, um eine Überdachung zu bieten. Dieser Kongreß beeindruckte viele Insulaner tief. Er half ihnen erkennen, daß die Handvoll Zeugen auf ihrer Insel zu einer großen Organisation gehören.

Wegen der Entwicklung des Tourismus wuchs die Bevölkerung Saint-Martins innerhalb weniger Jahre von 8 000 auf 28 000 an. Im Wohnbezirk Marigots wurde ein schöner Königreichssaal mit 250 Sitzplätzen gebaut, und jetzt gibt es zwei französischsprachige Versammlungen auf der Insel.

Widerstand auf Saint-Barthélemy

Die Insel Saint-Barthélemy gehört ebenfalls zu Guadeloupe und liegt 210 Kilometer nordwestlich der Hauptinsel. Piraten, die die Insel früher als Operationsbasis benutzten, trugen erheblich zu ihrem Wohlstand bei. Heute macht man dort Luxusurlaub. Die ungefähr 5 000 Einwohner sind Nachkommen bretonischer und normannischer Seeleute sowie schwedischer Siedler. Es sind Menschen mit angenehmen Umgangsformen; sie arbeiten viel und sind fromme Katholiken. Würden einige von ihnen die Königreichsbotschaft annehmen?

Im September 1975 zog ein junges Ehepaar aus Frankreich, Jean und Françoise Cambou, die als Sonderpioniere dienten, auf die Insel, um den Einwohnern die Gelegenheit dazu zu bieten. Trotz starken Widerstands der Geistlichen säten sie in den drei Jahren, die sie auf der Insel verbrachten, reichlich Wahrheitssamen aus. Jahre später verbrachten Jeans Bruder Pierre und dessen Frau Michèle als Sonderpioniere zwei Jahre auf Saint-Barthélemy. Ihre Arbeit trug Früchte. Es wurde eine kleine Verkündigergruppe gegründet, die sich auch zum Studium versammelte, und später wurde diese von vier dynamischen Sonderpionierinnen unterstützt: Patricia Barbillon (jetzt Modetin, mit ihrem Mann Sonderpionier in der Dominikanischen Republik), Jéranie Bénin (jetzt Lima, mit ihrem Mann ein Mitglied der Bethelfamilie von Guadeloupe), Angeline Garcia (jetzt Coucy; sie bearbeitet das spanischsprachige Gebiet auf Guadeloupe) und Josy Lincertin. Achtzehn Verkündiger berichten jetzt in dieser Versammlung über ihre Tätigkeit.

Christliche Neutralität bewahrt

In allen Nationen sind Jehovas Zeugen neutral, was die Konflikte der Welt betrifft. Da sie sich an ihren Auseinandersetzungen nicht beteiligen, lassen sie sich auch nicht dafür ausbilden. Es ist kein Mensch, der ihnen sagt, was sie zu tun haben; es ist Gottes Wort, dem sie gehorchen (Jes. 2:2-4; Mat. 26:52; Joh. 17:16). An diesem Wort festzuhalten bedeutet für einzelne Zeugen, daß ihre Treue geprüft wird.

Als sich Mitte der 60er Jahre auf Guadeloupe ein junger Mann taufen ließ, wußte er, daß ihm eine solche Prüfung bevorstand. Zur Stärkung seines Glaubens nahm er sofort den Hilfspionierdienst auf. Bei seiner Einberufung zum Militärdienst erklärte er der Behörde seinen Standpunkt als Christ. Was hatte das zur Folge? Er kam ins Gefängnis, in eine Einzelzelle. Ihm wurde gedroht: „Wenn Sie Ihre Meinung nicht ändern, werden Sie wenigstens zwei Jahre im Gefängnis bleiben. Außerdem werden Sie die ganze Zeit allein in der Zelle sein; überlegen Sie sich das also gut — zwei Jahre lang allein!“ Unser Bruder antwortete jedoch: „Nun, das glauben Sie, aber ich werde nicht allein sein, wie Sie sagen, ganz und gar nicht. Jehova Gott wird bei mir sein und mich durch seinen Geist stärken.“ Über die Antwort erstaunt, ließen sie ihn in Ruhe. Seine Standhaftigkeit, seine Ruhe und sein gutes Benehmen beeindruckten sie, und daher bekamen sie Respekt vor ihm. Sie erkannten, daß sein Entschluß, „seinem Jehova“, wie sie sagten, treu zu bleiben, durch nichts erschüttert werden konnte.

Monate vergingen, und es kam die Zeit für den Bezirkskongreß 1966 mit dem Thema „Gottes Söhne der Freiheit“. Welch eine Überraschung! Der Bruder wurde freigelassen und war am ersten Kongreßtag anwesend. Während eines Programmpunkts erzählte er seine Erfahrung. Er wußte nicht, daß ein Offizier in Zivil unter den Zuhörern war. Nach dem Programm ging der Offizier zu dem Bruder und gratulierte ihm herzlich, daß er an seiner Überzeugung festgehalten hatte. Dann wandte sich der Offizier an einen dabeistehenden Bruder und sagte: „Alles, was Ihr Bruder gesagt hat, entspricht genau der Wahrheit; alles war so, wie er es erzählt hat. Ich hatte mit seinem Fall zu tun. Er ist ein wertvoller Mann, der Respekt verdient, der seinem Gott treu ist und der fest zu seinen Entscheidungen steht. Er weiß, was er will, und wenn er nein sagt, bedeutet das nein, und nichts kann ihn davon abbringen.“ Dann fügte er hinzu: „Wissen Sie, was meine Frau zu mir gesagt hat? Sie hat gesagt: ‚Glaub bloß nicht, daß ihr das von euch aus getan habt. Nein, sondern sein Gott Jehova hat das für ihn getan, damit er seinen Kongreß besuchen kann. Sein Gott Jehova ist stärker als unser Gott!‘ “ Der Offizier war sichtlich gerührt und sagte abschließend: „Ich bewundere Sie, und wenn ich früher die Gelegenheit gehabt hätte, das zu erfahren, was Sie über Gott wissen, wäre ich bestimmt nicht das, was ich heute bin.“

Neue Herausforderungen

Durch die Entwicklung des Tourismus und des Handels seit 1970 ist der Lebensstandard in Guadeloupe gestiegen. Das Gebiet hat sich verändert. Menschen von anderen Inseln, besonders von Dominica und Haiti, sind hierhergezogen. Im Januar 1987 war es notwendig, eine englischsprachige Versammlung in Pointe-à-Pitre zu gründen. Außerdem schienen die Menschen es immer eiliger zu haben. Es wurde nötig, in unserem Haus-zu-Haus-Dienst direkte und wirkungsvolle Einleitungen zu gebrauchen, um zu erreichen, daß die Menschen zuhören.

Auch innerhalb der theokratischen Organisation gab es wichtige Veränderungen. In Übereinstimmung mit dem, was weltweit unter Jehovas Zeugen geschah, hatte von 1972 an in jeder Versammlung nicht mehr ein einzelner Aufseher die Aufsicht, sondern eine Ältestenschaft. Vor dieser Zeit hatten wir von „Bruder Soundsos Versammlung“ gesprochen. Die Versammlungsaufseher wurden von allen respektiert und hatten großen Einfluß. Dessenungeachtet begrüßten diese Brüder die Veränderungen, durch die organisatorische Vorkehrungen stärker mit der Schrift in Einklang gebracht wurden. Nach dem Wechsel erklärte Bruder Brisart: „Es hat uns tief berührt, zu sehen, welch guten Geist unsere Brüder bekunden. Ohne Zweifel war es für jeden einzelnen eine Prüfung der Demut. Wir sind stolz, daß alle die Prüfung erfolgreich bestanden haben.“

Auch die Königreichsdienstschule hat zu einem verbesserten geistigen Zustand in den Versammlungen beigetragen. 1961 besuchten 19 Älteste die erste Klasse in Guadeloupe. Aber 30 Jahre später, als sich Älteste vom ganzen Archipel versammelten, um Belehrung zu empfangen, waren 300 anwesend. Im Durchschnitt sorgen jetzt in jeder Versammlung fünf Älteste für die Befriedigung der geistigen Bedürfnisse.

Diese geistigen Hirten haben sich liebevoll um die Herde gekümmert, nicht nur unter relativ normalen Umständen, sondern auch in Krisenzeiten.

Respekt vor Gottes Gesetz, das Blut betreffend

Jehovas Zeugen sind aufgrund ihres Bemühens, Jehovas Forderung, sich von Blut zu enthalten, zu entsprechen, in schwierige Situationen geraten, weil einige im medizinischen Bereich tätige Personen die Rechte des Patienten nicht genügend respektieren (Apg. 15:28, 29). Die Ältesten wünschten sich, den Zeugen, die sich in einer medizinischen Notlage befinden, besser helfen zu können. Deshalb kam das Zweigkomitee Anfang 1987 mit zwei Zeugen, die Ärzte waren, zusammen, um die Situation zu besprechen. Es wurde offensichtlich, daß ein besserer Kontakt zu dem medizinischen Personal notwendig war. Ein Komitee wurde beauftragt, dafür zu sorgen. Es vereinbarte ein Treffen mit den Anästhesisten im Krankenhaus, was sich als sehr nützlich erwies.

Wie fast überall auf der Welt haben auch die Zeugen Jehovas auf Guadeloupe jetzt Krankenhaus-Verbindungskomitees. In Seminaren, die die Gesellschaft durchgeführt hat, sind siebzehn Brüder für ihre Aufgabe in diesen Komitees gut geschult worden.

Bedrohung durch einen Vulkan

Andere Krisen hatten etwas mit Naturkatastrophen zu tun. 1976 wurde der Vulkan Soufrière nach einer langen Ruhephase wieder aktiv. Anfang des Jahres ereigneten sich immer häufiger Beben. Am 8. Juli gegen neun Uhr morgens riß an einer Bergseite eine Verwerfung auf, aus der eine große Gas- und Dampfwolke austrat. Vulkanischer Aschenregen fiel auf Basse-Terre und benachbarte Dörfer. Eine graue Staubschicht legte sich über die Menschen und das Land. Am 15. August ordneten die Behörden wegen der zunehmenden seismischen und vulkanischen Tätigkeit die sofortige vollständige Evakuierung von 72 000 Menschen an. Erst fünf Monate später wurde ihnen erlaubt, in ihre Häuser zurückzukehren.

Sieben Versammlungen waren evakuiert worden. Sofort sorgte man für Hilfe, um sicherzustellen, daß unsere Brüder während dieser schwierigen Zeit eine Unterkunft hatten. Verkündiger, die früher regelmäßig zusammengekommen waren und miteinander gearbeitet hatten, waren jetzt in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Um die notwendige geistige Hilfe zu gewährleisten, wurde eine besondere Zusammenkunft mit den Ältesten und den Dienstamtgehilfen abgehalten. Sie alle wurden dringend gebeten, die Verkündiger ihrer jeweiligen Versammlung ausfindig zu machen und mit ihnen in engem Kontakt zu bleiben. Man traf besondere Vorkehrungen, damit sich die Herde nicht zerstreute. Die Brüder sollten die Versammlungszusammenkünfte dort besuchen, wo sie untergebracht waren. Außerdem wurde dafür gesorgt, daß sie ein Versammlungsbuchstudium besuchen konnten, das extra für sie eingerichtet und von einem Ältesten oder Dienstamtgehilfen aus ihrer ursprünglichen Versammlung geleitet wurde. Das erwies sich als ein echter Segen. Kein einziges Schaf ging verloren.

Eine Schreckensnacht

Dreizehn Jahre danach ereignete sich eine weitere Katastrophe. Am Samstag, dem 16. September 1989, fegte der Hurrikan Hugo unbarmherzig über Guadeloupe hinweg. Es war nicht das erste Mal, daß die Insel von einem Hurrikan verwüstet wurde. 1966 hatte der Hurrikan Ines die Dächer der meisten Holzhäuser abgedeckt, und einen Monat hatte es keinen Strom gegeben. Aber 1989 waren die Verheerungen wesentlich schlimmer. Stundenlang peitschten Windböen die Insel, manche mit einer Geschwindigkeit von 260 Kilometern in der Stunde. Es schien, als nähme die Nacht kein Ende. Als schließlich der Morgen dämmerte, bot sich ein niederschmetternder Anblick. Die Straßen waren mit Trümmern übersät und glichen einem Schlachtfeld. Ungefähr 30 000 Menschen waren obdachlos geworden. Auch die Zeugen waren betroffen; 117 Häuser waren zerstört und weitere 300 stark beschädigt. Acht Königreichssäle waren teilweise zerstört und 14 andere beschädigt.

Damals, 1966, als der Hurrikan Ines Verwüstungen angerichtet hatte, brachten Jehovas Zeugen von Puerto Rico, Martinique, Französisch-Guayana und Saint Croix Hilfsgüter herbei. Aber als 1989 der Hurrikan Hugo Guadeloupe verwüstete, stellte die leitende Körperschaft sofort Hilfsgelder zur Verfügung. Dann besorgten die Brüder von Martinique, Frankreich und von anderswoher schnell die notwendigen Nahrungsmittel, Kleidung und Materialien für den Wiederaufbau. Einige kamen persönlich und boten ihre Hilfe an. Die Brüder und Schwestern von Guadeloupe waren von diesem Liebesbeweis tief berührt. Sie haben bis heute nicht vergessen, was für sie getan wurde.

Auch andere Ereignisse haben die Verbundenheit mit der internationalen Bruderschaft gestärkt.

Der erste internationale Kongreß

Im Jahre 1978 hatten die Verkündiger von Guadeloupe das große Vorrecht, bei einem internationalen Kongreß Gastgeber zu sein. Die Höchstzahl der Anwesenden betrug 6 274, und das, obwohl es damals nur 2 600 einheimische Zeugen gab. Welche Freude empfanden sie, Delegierte aus Belgien, Kanada, der Schweiz, den Vereinigten Staaten und anderswoher willkommen zu heißen! Ein Hoteldirektor schlug den Brüdern von der Unterkunftsabteilung vor, die Zimmerpreise um 10 Prozent zu erhöhen und den Aufschlag selbst einzustreichen. Das lehnten die Brüder ab und erklärten, es sei unehrlich. Es war dem Direktor peinlich, den Vorschlag gemacht zu haben, und er sagte: „Ihr Zeugen Jehovas seid wirklich anders. Ich habe den Vorschlag gemacht, weil ihn andere religiöse Gruppen zuvor angenommen hatten. ... Aber Sie sind wirklich anders!“

Der Erfolg dieses Kongresses unterstrich, daß wir unbedingt einen festen Platz für unsere Kongresse finden mußten.

Ein neuer Kongreßsaal

Unser transportabler Kongreßsaal war bereits mehrmals vergrößert worden. Eigentlich waren daraus mehrere Konstruktionen geworden, die zusammen ungefähr 30 Tonnen wogen und 5 000 Personen Platz boten. Es war eine gigantische Aufgabe, ihn jedesmal zum Kongreßort zu transportieren, ihn aufzustellen und wieder abzubauen. Doch offensichtlich wußte Jehova, was wir benötigten.

Mit den großzügigen Spenden aller Versammlungen auf den zu Guadeloupe gehörenden Inseln wurde ein fünf Hektar großes Stück Land in schöner Lage gekauft. Im Jahr darauf, 1980, benutzten wir das neue Gelände zum ersten Mal — allerdings verwandten wir noch immer unseren transportablen Kongreßsaal. Bei dem damaligen Bezirkskongreß „Göttliche Liebe“ wurde mit 7 040 Anwesenden eine neue Höchstzahl erreicht. Diesmal war es jedoch nicht nötig, nach Programmschluß alles auseinanderzunehmen. Welch eine Erleichterung!

Diese neue Vorkehrung war einige Jahre in Gebrauch. Dann erkannten wir, daß es an der Zeit war, etwas Dauerhafteres zu bauen. Qualifizierte Brüder machten sich an die Arbeit und entwarfen einen geräumigen Saal, dessen offene Seiten eine natürliche Ventilation gewährleisten. Der neue Kongreßsaal sollte halbkreisförmig werden und 4 000 Personen Platz bieten. Die Baugenehmigung wurde erteilt, und 1987 begann man mit der Arbeit. Im Juli, sechs Monate nach Baubeginn, waren zwei Drittel des Projekts fertiggestellt, daher konnten wir den Saal für unsere beiden Bezirkskongresse in jenem Jahr benutzen. Endlich kein Schlamm mehr und keine Schaftstiefel!

Veränderungen im Zweigbüro

Währenddessen gab es Veränderungen im Zweigbüro. Im Februar 1976 trat in allen Zweigbüros der Gesellschaft eine Änderung bezüglich der Aufsicht ein. Statt eines einzigen Aufsehers, der im jeweiligen Zweig die Leitung innehatte, wurden Vorkehrungen für ein Komitee von drei oder mehr Mitgliedern getroffen, die unter der Aufsicht der leitenden Körperschaft ihrer Verantwortung nachkommen sollten. In Guadeloupe wurde Nicolas Brisart, Pierre Jahnke und Jean-Pierre Wiecek die Aufsicht übertragen. Als Bruder Wiecek, der Missionar war, es für nötig erachtete, nach Frankreich zurückzukehren, trat Flavien Bénin an seine Stelle. Danach wurde Paul Angerville und später Jean Cambou, ein Kreisaufseher, eingeladen, im Zweigkomitee zu dienen.

Technische Fortschritte, die in der Weltzentrale und in verschiedenen Zweigen gemacht wurden, kamen auch Guadeloupe zugute. Der Wachtturm traf von nun an zur gleichen Zeit ein wie bei den Brüdern in anderen Ländern, rechtzeitig für das Studium. Unser Königreichsdienst in Französisch wurde zur gleichen Zeit gedruckt wie der englische. Dadurch fühlten wir uns auf verschiedene Weise stärker mit der übrigen Organisation vereint. Obwohl wir mitten im Meer auf ein paar Inseln leben, fühlen wir uns nicht isoliert. Wir dienen „in Einklang“ mit unseren Glaubensbrüdern (Jes. 52:8).

Passende Räumlichkeiten für ein größer werdendes Zweigbüro

Die Gesellschaft hatte 1966 ein Haus in Morne Udol 46, nahe Pointe-à-Pitre, gekauft, das als Zweigbüro dienen sollte. Es wurde später dadurch vergrößert, daß direkt daneben ein Gebäude erstellt wurde, in dem auch Büros, ein Literaturlager und ein Königreichssaal untergebracht waren. Doch in Anbetracht der wachsenden Zahl von Lobpreisern Jehovas in Guadeloupe wurde etwas Größeres gebraucht. Ende 1988 genehmigte die leitende Körperschaft daher den Bau eines vollständig neuen Bethelheims und Zweigbüros.

Auf einer so kleinen Insel wie Guadeloupe ein passendes Grundstück zu finden war eine schwierige, aber auch reizvolle Aufgabe. Doch Jehova, der Eigentümer der Erde, kann das Notwendige beschaffen, und er tat es auch. Wir konnten ein etwa ein Hektar großes Stück Land auf einem Hügel mit Blick auf das Meer bei Sainte-Anne erwerben. Die Vorentwürfe und Blaupausen besorgte das Planungsbüro der Gesellschaft in New York. Michel Conuau, ein französischer Architekt, leistete wertvolle Unterstützung. Dank des Bürgermeisters, des Gemeinderats und des Stadtplanungsbüros von Sainte-Anne wurde die Baugenehmigung in Rekordzeit erteilt.

Die Bauarbeiten begannen im September 1990. Freiwillige aus 14 Ländern halfen bei der Arbeit und brachten ihr Wissen und ihre Erfahrung mit ein. In zwei Jahren wurden nicht nur die Bauarbeiten ausgeführt, sondern es entwickelten sich auch enge Freundschaften zwischen den Zeugen auf Guadeloupe und den freiwilligen Helfern aus anderen Ländern, mit denen sie zusammen gearbeitet hatten. 1954, als Milton Henschel bei seinem Besuch die Eröffnung eines Zweigbüros in Guadeloupe bekanntgab, waren dort 128 Verkündiger tätig. Am 29. und 30. August 1992 war er ebenfalls anwesend, um unsere schönen neuen Zweiggebäude einzuweihen und Jehova Gott zu übergeben — zu diesem Zeitpunkt berichteten 6 839 Verkündiger. Unsere Nachbarn nennen es in positivem Sinne „das kleine Dorf der Zeugen Jehovas“.

Unser Gebiet — eine Herausforderung

Das begrenzte Gebiet auf Guadeloupe stellt eine Herausforderung dar, die jeder Verkündiger annehmen muß. Im Durchschnitt haben wir für jeden Verkündiger nur ein Gebiet mit 12 Wohnungen. Wie gehen wir mit dieser Situation um? Das A und O ist Vorbereitung. Eine Pionierin erklärt: „Ich gewöhne die Leute daran, mich ständig zu sehen. Ich finde immer noch neue Bibelstudien, indem ich meine Bemühungen intensiviere. Wenn ich an mein Gebiet denke, dann denke ich an Einzelpersonen.“ Der Dienstaufseher einer der Versammlungen in Pointe-à-Pitre, wo auf einen Verkündiger 28 Einwohner kommen, sagt: „Die Menschen sind bereit zuzuhören, wenn wir etwas Interessantes zu sagen haben.“ Dann und wann fragt zwar ein Verkündiger: „Wo sollen wir denn noch predigen?“, aber die ständig steigende Zahl der Bibelstudien (jetzt über 8 500) ermutigt uns, die gute Botschaft weiterhin zu verkündigen.

Der direkte Gebrauch der Bibel ist ein wesentlicher Faktor, der unseren Predigtdienst wirkungsvoll macht. Im allgemeinen respektieren die Menschen in Guadeloupe die Bibel als Gottes geschriebenes Wort, und sie sind beeindruckt, wenn wir ihnen zeigen, was sie über die gegenwärtigen Ereignisse sagt. Wirkungsvolle Veranschaulichungen veranlassen die Menschen zum Nachdenken. Was das betrifft, haben gerade unsere älteren Brüder und Schwestern immer wieder neue Einfälle. Als sie noch jung waren, dachten sie viel über die Natur nach, was durch die damals dort übliche Art zu leben begünstigt wurde. Wenn sie die Königreichsbotschaft überbringen, verweisen sie daher vielleicht wie Jesus zur Veranschaulichung auf Dinge aus der Natur um sie herum (Mat. 6:25-32).

Schöner denn je

Jehova hat durch seinen Geist in Guadeloupe Großartiges bewirkt. Er hat demütige Menschen gefunden, die sich wie der formbare Ton des Töpfers nicht geweigert haben, sich nach seinem Willen formen zu lassen. An dem Tag, an dem Jehova alle Nationen mit seinen Gerichtsbotschaften ‘erschüttert’, sammelt er „die begehrenswerten Dinge“ heraus und bringt sie in den irdischen Vorhof seines großen geistigen Tempels (Hag. 2:7). 1968, dreißig Jahre nachdem Cyril Winston auf Guadeloupe angekommen war, berichteten zum ersten Mal 1 000 Verkündiger. Bis 1974 hatte sich die Zahl verdoppelt. Die 3 000er Marke wurde 1982 erreicht. Aus den 3 000 waren sieben Jahre danach 6 000 geworden. Heute versammeln sich über 7 250 Verkündiger in 86 Versammlungen. Obwohl das Verhältnis der Verkündiger zu den Einwohnern 1 zu 53 beträgt, sind wir weiterhin entschlossen, eifrig zu predigen und zu lehren, wobei wir zu Jehova aufblicken und ihn um seinen Segen bitten. Die „Insel der schönen Wasser“ ist in geistigem Sinne schöner denn je. Zweifellos werden noch viele Menschen die Aufforderung „Komm!“ befolgen. Und sie werden „Wasser des Lebens kostenfrei“ erhalten (Offb. 22:17).

[Fußnote]

^ Abs. 23 Vergleiche Apostelgeschichte 2:41, wo von der Taufe von ungefähr 3 000 Menschen berichtet wird, die offensichtlich nicht im Jordan getauft wurden — allein der Hinweg hätte für die Taufbewerber einen Fußmarsch von ungefähr 30 Kilometern bedeutet —, sondern in Teichen in oder bei Jerusalem.

[Karte auf Seite 116]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

GUADELOUPE

GRANDE-TERRE

Pointe-à-Pitre

BASSE-TERRE

[Karte auf Seite 151]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

GUADELOUPE

Saint-Martin

Saint-Barthélemy

La Désirade

Îles de la Petite-Terre

Îles des Saintes

Marie-Galante

[Bild auf Seite 120]

Condé Bonchamp, einer der ersten in Guadeloupe, die voller Wertschätzung auf die gute Botschaft hörten

[Bild auf Seite 123]

Der Mann von Noéma Missoudan (jetzt Apourou) kam öfter spät nach Hause; sie folgte ihm und befand sich unversehens in einer Zusammenkunft der Bibelforscher

[Bild auf Seite 124]

René Sahaï tauft neue Zeugen im Jahre 1945

[Bild auf Seite 125]

Olga Laaland auf einem Kongreß in Frankreich, wo er über das Werk in Guadeloupe berichtete

[Bild auf Seite 130]

Duverval Nestor hörte zum ersten Mal von der Wahrheit und nahm sie auch an, als er im Krankenhaus lag

[Bild auf Seite 131]

Georges Moustache gab an seinem Arbeitsplatz in jeder Mittagspause Zeugnis

[Bild auf Seite 133]

Die Versammlung Basse-Terre Ende der 50er Jahre

[Bild auf Seite 136]

Ein Bus mit Verkündigern, die ins Landgebiet fahren

[Bild auf Seite 138]

Missionare auf dem Schiff „Light“ beteiligten sich eifrig am Zeugnisgeben

[Bild auf Seite 139]

Nicolas und Liliane Brisart aus Frankreich wurden 1955 nach Guadeloupe gesandt

[Bild auf Seite 141]

Flora Pemba, die trotz schwerer Drangsal für Jehova Stellung bezog

[Bild auf Seite 142]

Von links nach rechts: Mickaëlla und Donat Tacita mit Marc Edroux, 1994

[Bild auf Seite 143]

Verneil Andrémont, einer der 19 Delegierten aus Guadeloupe auf dem internationalen Kongreß 1958

[Bild auf Seite 146, 147]

Transportabler Kongreßsaal in Guadeloupe

[Bild auf Seite 150]

Armand und Marguerite Faustini, die 10 Jahre in Guadeloupe dienten; jetzt sind sie auf Martinique

[Bilder auf Seite 158]

Über 100 Jahre alt; jede dient Jehova seit mehr als 30 Jahren

Laurentia Jean-Louis

Catherine Gumbs

[Bilder auf Seite 161]

Kongreßsaal in Lamentin

[Bilder auf Seite 162]

Das Zweigbüro auf Guadeloupe und die Bethelfamilie

[Bild auf Seite 167]

Das Zweigkomitee (von links nach rechts): Paul Angerville, Nicolas Brisart, Pierre Jahnke, Jean Cambou