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Benin

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Es war im April 1976. Soldaten mit automatischen Waffen hämmerten gegen die Tür des Bethelheims. „Alle herauskommen und an der Fahnengrußzeremonie teilnehmen!“ befahl der Kommandeur. Der wütende Pöbel rief politische Parolen.

Im Haus fuhren die Missionare mit der üblichen täglichen Besprechung einer Bibelstelle fort. Der Text, den sie betrachteten, lautete: „Die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden“ (Mat. 24:29). Das war für die Missionare an jenem Morgen eine große Kraftquelle. Draußen auf dem Zweigbürogelände hißten die Soldaten die Fahne. Man hatte den Besitz enteignet.

Kurz darauf befahlen die Soldaten allen Missionaren herauszukommen. Von ihrem persönlichen Eigentum durften sie nur so viel mitnehmen, wie in ihre Koffer paßte. Sie wurden unverzüglich in den Kleinbus der Gesellschaft verfrachtet, um unter Bewachung das Land zu verlassen.

Als der Kleinbus das Bethelgrundstück verließ, tauchte ein junger Bruder auf dem Fahrrad neben dem Bus auf und fragte: „Was geht hier vor? Wohin bringt man euch?“ Die Missionare gaben ihm durch Winken zu verstehen, er solle schnell weiterfahren, denn sie befürchteten, man werde auch ihn verhaften.

Was hatte zu dem Verbot der Zeugen Jehovas in Benin geführt? Wie blieben die einheimischen Zeugen in der schwierigen Zeit, die 14 Jahre dauern sollte, geistig stark? Kehrten die Missionare zurück? Und wie nutzten die Zeugen Jehovas in Benin ihre neugewonnene Freiheit, als die Einschränkungen schließlich aufgehoben wurden?

Das ist Benin

Ein Land, dessen Form an ein Schlüsselloch erinnert und das eingezwängt zwischen Togo und Nigeria an der Westküste Afrikas liegt — das ist Benin. Viele kennen es noch unter dem früheren Namen Dahomey. Die Menschen hier sind herzlich und freundlich, und das Klima ist angenehm. Französisch ist zwar die Landessprache, doch von den etwa 60 ethnischen Gruppen werden über 50 einheimische Sprachen gesprochen.

In Benin gibt es Miniaturschlösser und alte afrikanische Königreiche. In einer blauen Lagune liegt Ganvié, ein schwimmendes Dorf, das manche als das Venedig Afrikas bezeichnen. Dort sind die Straßen Flüsse und die Taxis farbenfrohe Einbäume, pirogues genannt. Im Norden des Landes befinden sich zwei Nationalparks, der Pendjari und der „W“, wo Löwen, Elefanten, Affen, Nilpferde und andere Tiere frei die Savanne durchstreifen. Im Süden wiegen sich die Palmen zur Melodie der Ozeanwinde.

Die Bewohner dieses Landes hatten eine Zeitlang jedoch ein sehr hartes Leben. Anfang des 17. Jahrhunderts ging Kpassè, der Herrscher des Königreiches Hweda, Handelsbeziehungen mit französischen, englischen und portugiesischen Sklavenhändlern ein. Gegen wertlosen Schmuck und Waffen verkaufte dieser skrupellose König seine eigenen Brüder. Diese wurden in Glehwe, dem heutigen Ouidah, auf Schiffe verladen und nach Amerika, Haiti und auf die Niederländischen Antillen gebracht. Der Sklavenhandel blühte vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hinein. Schließlich wurde er in vielen Ländern abgeschafft.

Anfang des 20. Jahrhunderts erhielten die Beniner die Gelegenheit, sich aus den Fesseln einer noch grausameren Art der Versklavung zu befreien — aus der Knechtschaft der falschen Religion mit all ihren abscheulichen Formen, wozu in Benin der Wodu gehört.

Wiege des Wodu

Die traditionelle Religion ist der Animismus, und für die Animisten in Benin ist Mahu der höchste Gott. Er wird von vielen Gottheiten oder Wodus verkörpert, die ihm untergeordnet sind und denen man an bestimmten Festtagen Opfer darbringt. Zum Beispiel ist Hébiosso der Gott des Donners, und von Zangbeto wird gesagt, er beschütze nachts die Felder der Bauern. Unter den Wodus wiederum stehen die niederen Gottheiten, von denen man auch glaubt, sie seien die Geister der Toten. Deshalb werden die Ahnen verehrt. In vielen Häusern findet man einen asen, der wie ein schmiedeeiserner kleiner Regenschirm aussieht, der zum Andenken an einen geliebten Verstorbenen mit Zeichen verziert ist.

Man kann nur über einen Fetischpriester oder eine -priesterin mit diesen Göttern verkehren. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in einem Fetischkloster ist man als Priester berechtigt, mit Göttern und Geistern zu kommunizieren. Diese mächtige Priesterschaft übt einen enormen Einfluß auf das Leben ihrer Anhänger in Benin aus.

Anhänger dieses Kults glauben, daß ein Mensch nach seinem Tod als Geist zurückkommen und Familienangehörige töten kann. Um die Tieropfer und die verschwenderischen Zeremonien zu bezahlen, mit denen man die Verstorbenen besänftigen will, verkaufen viele ihren Besitz oder stürzen sich in Schulden. Eine Familie kann dadurch völlig verarmen. Die abergläubische Furcht, die solche Glaubensansichten hervorrufen, hält Menschen gefangen.

In Benin sind auch sogenannte christliche Religionen vertreten, die oftmals zusammen mit dem Animismus ausgeübt werden. Gewöhnlich findet man nichts dabei, beide Formen der Anbetung zu vermischen, aber wenn jemand die animistischen Bräuche nicht mehr pflegt, gilt das als schwere Sünde. Und dennoch haben viele genau das getan.

Die ersten Jahre

Man schrieb das Jahr 1929, als die biblische Wahrheit, die Menschen wirklich von abergläubischer Furcht befreien kann, Dahomey erreichte. Bruder Yanada vom Stamm der Gun lernte die Wahrheit durch Bibelforscher (wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden) in Ibadan (Nigeria) kennen und kehrte heim, um sie seinen Stammesbrüdern zu lehren. In der Hauptstadt Porto Novo, seinem Geburtsort, versammelte er eine Gruppe von sechs Personen um sich und studierte mit ihnen die Bibel. Aus dieser Gruppe nahm Daniel Afeniyi, der aus Nigeria stammte, die Wahrheit an und ließ sich 1935 taufen. Aber die Verfolgung durch die Ortsgeistlichen zwang Bruder Yanada, wieder nach Nigeria zurückzugehen, und der neugetaufte Daniel Afeniyi mußte in sein Heimatdorf Daagbe zurückkehren. Als vier andere nigerianische Zeugen anfingen, in Porto Novo zu predigen, wurden sie verhaftet und auf der Stelle ausgewiesen.

Im Jahr 1938 wurden 12 nigerianische Brüder vom Stamm der Ibo nach Porto Novo gesandt. Sehr zum Leidwesen der protestantischen Geistlichen schätzten viele das, was die Zeugen sie aus der Bibel lehrten. Das traf auch auf Moïse Akinocho, einen Händler vom Stamm der Yoruba, zu. Obwohl er Methodist gewesen war, hatte er Ahnenverehrung betrieben. Infolge des Drucks, den Geistliche auf die örtlichen Behörden ausübten, waren Jehovas Zeugen erneut gezwungen, Porto Novo zu verlassen. Als die Verfolgung für die Brüder vom Stamm der Ibo immer heftiger wurde, hielt Bruder Akinocho zu ihnen und sagte: „Wenn die Beamten es darauf abgesehen haben, alle Zeugen Jehovas zu töten, so bin ich bereit.“ Er hielt bis zu seinem Tod im Jahr 1950 standhaft am Glauben fest.

Im Zweiten Weltkrieg kamen die nigerianischen Zeugen nicht ins Land hinein. Aber es waren Samenkörner der Wahrheit ausgesät worden, die später mit etwas Bewässerung und Pflege schnell aufgingen. Dazu kam es schon kurz nach dem Krieg. Der Beniner Nourou Akintoundé war während seines Aufenthalts in Nigeria ein Zeuge Jehovas geworden. Er kehrte 1948 als Pionier in sein Heimatland zurück und verbrachte viel Zeit damit, anderen über Jehova Gott und seinen in der Bibel geoffenbarten Vorsatz Zeugnis zu geben. Die Ergebnisse übertrafen die kühnsten Erwartungen.

Im Predigtdienstbericht vom Mai 1948 hieß es: „Es ist tatsächlich begeisternd, einen Bericht für ein neues Land einzusenden. Das Evangelium dringt in Französisch-Dahomey [Benin] ein, und die Menschen guten Willens sammeln sich um das ,Signal für die Nationen‘ “ (Jes. 11:12).

In demselben Monat wurde beim Gouverneur von Dahomey ein Antrag auf die rechtliche Anerkennung der Gesellschaft gestellt. Dieser wurde an den Hochkommissar in Dakar (Senegal) weitergeleitet. Nach einer Verzögerung von über einem Jahr wurde der Antrag jedoch abgelehnt. Trotzdem dehnte sich das Werk aus. Der damalige Zweigaufseher Nigerias, Wilfred Gooch, schrieb später: „Dort schlummerte so viel Interesse, daß sich dem Pionier [Bruder Akintoundé] innerhalb von sechs Wochen 105 Personen im Felddienst anschlossen. In den folgenden Monaten konnte dieser Pionier die gute Botschaft in umliegenden Ortschaften verkündigen, und das vorzügliche Wachstum hielt an. Im Juli 1948 wurde eine Höchstzahl von 301 Königreichsverkündigern erzielt.“

Die Verkündigung der guten Botschaft dehnt sich aus

Von Porto Novo aus wurde die gute Botschaft bis in abgelegene Ortschaften verbreitet. Bruder Akintoundé nahm zum Beispiel einige Interessierte zum Zeugnisgeben nach Lokogbo und Cotonou mit. Sie blieben jeweils mehrere Tage in einem Dorf, wo sie von neuinteressierten Personen willkommen geheißen und gastlich aufgenommen wurden. Damals nahmen Interessierte schon bald nach dem ersten Kontakt mit den Brüdern den Predigtdienst auf.

Keine vier Monate nachdem Bruder Akintoundé nach Benin zurückgekehrt war, wurde ein Kongreß in Porto Novo abgehalten. W. R. Brown (Bibel-Brown), Anthony Attwood und Ernest Moreton vom nigerianischen Zweigbüro waren zugegen. Es ließen sich 30 Personen taufen, was den protestantischen Missionaren außerordentlich mißfiel. Sie hatten alles versucht, um die Interessierten davon abzuhalten, aber diese blieben fest. Einer der Täuflinge auf diesem Kongreß sagte: „Wenn Sie alles untersucht haben und finden, daß etwas daran nicht gut ist, ist das Ihre Entscheidung. Ich hingegen bin zu dem Schluß gekommen, daß es sehr gut ist.“ Noch viele weitere Personen setzten sich mit den Lehren der Zeugen Jehovas auseinander und fanden sie „sehr gut“. Bis zum Januar 1949 gab es in Benin drei Versammlungen: Porto Novo, Lokogbo und Cotonou.

Ein Polygamist findet die Wahrheit

Obwohl die Tätigkeit der Zeugen Jehovas rechtlich nicht anerkannt war, wurde im Januar 1949 ein Kongreß in Cotonou genehmigt. Man setzte Lautsprecherwagen ein, um das Programm anzukündigen. Mehr als 1 000 Besucher kamen zum öffentlichen Vortrag „Friedensherrschaft“.

Einer der Anwesenden auf diesem Kongreß war Sourou Houénou, ein Notar und Richter, der auch Vorsteher der Revenanten war, einer Gruppe von Ahnenverehrern. Er hatte 4 Frauen. Würde er in der Lage sein, die notwendigen Änderungen vorzunehmen, um in den Fußstapfen Jesu Christi zu wandeln? Er wandte sich von der Ahnenverehrung mit all ihren Verbindungen zum Spiritismus ab. Das tat er in Übereinstimmung mit der Aussage Jesu: „Jehova, deinen Gott, sollst du anbeten, und ihm allein sollst du heiligen Dienst darbringen“ (Luk. 4:8). Auch brachte er seine ehelichen Verbindungen mit den christlichen Maßstäben in Einklang. Trotz des hohen Ansehens, das er im gegenwärtigen System auf Grund seiner Stellung genoß — ähnlich wie Saulus von Tarsus, bevor er zum Apostel Paulus wurde —, betrachtete er das alles „als eine Menge Kehricht“ und ließ es hinter sich (Phil. 3:8). Er gab seine Tätigkeit als Notar und Richter auf, um sich ungehindert den Königreichsinteressen widmen zu können, und nahm den Vollzeitdienst auf.

Die Versammlung Cotonou kam regelmäßig in Bruder Houénous Haus im Ortsteil Missebo zusammen. Einmal stachelten katholische Geistliche eine Horde Kinder an, die Zusammenkunft zu stören. Während des öffentlichen Vortrags im ummauerten Hof von Bruder Houénous Grundstück kletterte ein Jugendlicher auf einen Baum und warf dem Redner nicht nur Beleidigungen an den Kopf, sondern warf auch mit Steinen. Allerdings war er ein schlechter Schütze, denn der Redner wurde kein bißchen verletzt. Statt dessen traf einer der Steine, die ihr Ziel verfehlten, einen anderen jungen Störenfried, und zwar so schwer, daß er ins Krankenhaus mußte. Alle Kinder rannten schnell weg, aus Angst, dies sei die Strafe Gottes. Die Zusammenkunft verlief ohne weitere Zwischenfälle.

Wodu kontra Jehova

Dogbo-Tindé Ogoudina hatte diese Vorgänge aus einiger Entfernung beobachtet. Sie verkaufte Stoff und hatte ihr Geschäft auf der anderen Straßenseite von Bruder Houénous Haus. Außerdem war sie die Sekretärin des Fetischklosters in Porto Novo. Wie sich die Zeugen angesichts dieser Gegnerschaft benommen hatten, beeindruckte sie allerdings so sehr, daß sie sich für die Königreichsbotschaft zu interessieren begann. Schon bald wurde sie selbst die Zielscheibe des hitzigen Widerstands der Fetischpriester. Der oberste Fetischpriester verkündete, sie werde wegen ihrer Verbindung zu Jehovas Zeugen innerhalb von sieben Tagen sterben. Er benutzte Magie, um seine Vorhersage eintreffen zu lassen.

Obwohl schon manche von bösen Geistern getötet wurden, ließ Schwester Ogoudina sich nicht einschüchtern. Sie sagte: „Wenn es der Fetisch ist, der Jehova gemacht hat, werde ich sterben; aber wenn Jehova der höchste Gott ist, dann wird er den Fetisch besiegen.“ Am Abend des 6. Tages beschworen die Fetischpriester ihren Fetisch Gbeloko und brachten ihm Ziegenopfer dar. Sie schnitten eine Bananenpflanze ab, hüllten sie in weiße Gewänder und schleiften sie über den Boden, was den Tod der Schwester darstellen sollte. Danach waren sie sich ihrer Sache so sicher, daß sie öffentlich verkündeten, Schwester Ogoudina sei nun tot. Doch was geschah am nächsten Morgen?

Schwester Ogoudina erschien genau dort, wo sie fast jeden Morgen war, und verkaufte auf dem Markt Stoff. Sie war nicht tot, sondern quicklebendig. Sofort sandte man eine Abordnung zu dem obersten Fetischpriester in Porto Novo, um ihn über das zu unterrichten, was geschehen war oder besser gesagt was nicht geschehen war. Er wurde wütend, weil sein Bannspruch keine Wirkung gezeigt hatte. Da er wußte, daß sein Einfluß auf die Menschen dadurch geschwächt würde, machte er sich von Porto Novo aus nach Cotonou auf und hatte dabei nur eines im Sinn: Schwester Ogoudina zu finden und zu töten. Die Brüder am Ort wußten, daß sich Unheil zusammenbraute, daher halfen sie ihr, das Lädchen zu schließen, und brachten sie an einen sicheren Ort.

Nachdem sie eine Woche lang versteckt gehalten worden war, mietete Bruder Houénou ein Auto und fuhr mit ihr durch Porto Novo, damit alle sehen konnten, daß sie noch lebte. In Afrika waren Autos 1949 noch rar, so daß man darin selten unbemerkt blieb. Bruder Houénou sorgte dafür, daß Schwester Ogoudina von so vielen Personen wie möglich gesehen wurde; zum Schluß beendeten sie ihre Fahrt vor dem Tor ihres früheren Fetischklosters. Sie stieg aus und verkündete für jeden hörbar, der oberste Fetischpriester habe sie zwar mit einem Todesbannspruch belegt, aber Jehova, ihr Gott, habe gesiegt. Er hatte sich für sie als „ein starker Turm“ erwiesen (Spr. 18:10). Trotz schlechter Gesundheit diente sie Jehova weiterhin treu bis zu ihrem Lebensende. Ihr mutiges Eintreten veranlaßte noch andere Fetischanhänger, sich von den Fesseln des Spiritismus zu befreien.

Gegnerschaft nimmt zu

Kurz vor dem Gedächtnismahl des Jahres 1949 traf man Vorkehrungen für einen Sondervortrag in Porto Novo. Über 1 500 Interessierte kamen. Das gefiel den Geistlichen ganz und gar nicht. Wieder einmal stachelten sie die Behörden gegen die Brüder auf, und zehn wurden verhaftet.

Ein Bruder berichtete später: „Die Brüder und Schwestern wurden mehrere Tage lang in Gewahrsam gehalten und dann eindringlich davor gewarnt, weiterhin auf Grund jenes Namens zu lehren oder zu predigen. Eine solche Gegnerschaft bot ihnen die Gelegenheit, vor Königen und Herrschern Zeugnis über die Hoffnung zu geben, die in ihnen ist.“ (Vergleiche Apostelgeschichte 4:17.)

Das Gedächtnismahl wurde in jenem Jahr heimlich abgehalten; 134 Personen waren anwesend, und fünf nahmen von den Symbolen. Taufen fanden nachts in der Lagune von Porto Novo statt. Der Zusammenkunftsort wurde ständig gewechselt, und ein Bruder stand immer Wache. Vor jeder Zusammenkunft stellte man Speisen auf einen Tisch, und wenn jemand kam, setzten sich die Brüder schnell an den Tisch und taten so, als ließen sie es sich gemeinsam schmecken. Und sie ließen sich ja wirklich etwas schmecken: die vorzügliche geistige Speise.

Die Brüder mußten stets, wie Jesus es ausdrückte, „vorsichtig wie Schlangen und doch unschuldig wie Tauben“ sein (Mat. 10:16). Die Behörden ließen ständig nach Bruder Akintoundé suchen, von dem sie meinten, er sei der Rädelsführer der Zeugen. Eines Tages wurde ein Polizist auf die Suche geschickt. Da der Polizist nicht wußte, wo Bruder Akintoundé wohnte, bat er einen Mann, ihn zu seinem Haus zu führen. Der Mann kam dieser Bitte nach, ganz wie es dem gastfreundlichen Wesen der Beniner entspricht. Der Mann, der ihm den Weg zeigte, war allerdings Bruder Akintoundé persönlich. Der Polizist erkannte ihn nicht. Als sie bei dem Haus ankamen, war es für Bruder Akintoundé nicht sonderlich überraschend, daß er nicht zu Hause war. Nachdem das Werk der Zeugen Jehovas schließlich im Juni 1949 von der Regierung verboten worden war, kehrte Bruder Akintoundé jedoch in seine Heimat Nigeria zurück.

Im August 1949 gab die Regierung eine Warnschrift gegen die Wachtturm-Publikationen heraus und setzte für jeden, der diese Literatur in irgendeiner Sprache verbreitete, eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe von 500 000 CFA-Franc (etwa 1 000 Dollar) fest. Besonders kritisiert wurde die Zeitschrift Der Wachtturm und das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“. Die Brüder ließen sich durch diese Wende nicht entmutigen. Ihnen war wohlbekannt, daß Jesus gesagt hatte: „Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15:20).

Kpoyè Alandinkpovi, einer der ersten, die in diesem Land die Wahrheit angenommen hatten, machte damals im Dienst guten Gebrauch von der traditionellen Tracht der Beniner. Das lange Gewand der Männer, bubu genannt, verfügt über eine ziemlich große Innentasche. Wenn Bruder Alandinkpovi sich sicher war, daß jemand echtes Interesse hatte, griff er in sein Gewand und zog ein in der großen Tasche verstecktes Buch oder eine Broschüre heraus. Er tat immer so, als wäre es das letzte Exemplar; sobald er aber jemand anders ausmachte, der nach der Wahrheit dürstete, fand sich irgendwie immer noch eins.

Zerstreut — doch weiter Zeugnis gegeben

„Predige das Wort, halte dringend darauf in günstiger Zeit, in unruhvoller Zeit“ (2. Tim. 4:2). Die Zeugen Jehovas in Benin nahmen sich diesen Rat des Apostels Paulus zu Herzen, und das Zeugniswerk gedieh auch in „unruhvoller Zeit“. Ende 1949 ging Albert Yédénou Ligan, ein neuernannter beninischer Pionier, nach Zinvié, einem kleinen Dorf nördlich von Cotonou. Gleich am ersten Tag sprach er mit Josué und Marie Mahoulikponto. Ihnen leuchteten die biblischen Lehren sofort ein. Josué war zwar Protestant, pflegte aber den Ahnenkult, hatte zwei Frauen und war der oberste Fetischpriester des Gottes Zangbeto. Noch in dem Monat, in dem sie mit der Wahrheit in Berührung kamen, gaben sie all dies auf. Ihr neugefundener Glaube wurde von ihren Angehörigen nicht gut aufgenommen. Diese leisteten erbitterten Widerstand und jagten sie sogar aus dem Haus und zerstörten ihre Felder.

Weil die beiden um ihr Leben fürchteten, mußten sie aus dem Dorf fliehen; sie ließen sich in Dekin, einem Dorf der Seebewohner, nieder. Durch ihren Umzug gelangte die Wahrheit in ein neues Gebiet. Der Dorfhäuptling von Dekin nahm als erster die Wahrheit an. Innerhalb von zwei Jahren machten sich 16 Personen die wahre Anbetung zu eigen, und das obwohl man sie verhaftete, sie schlug und alle ihre Publikationen, auch die Bibeln, vernichtete.

Als ein Pionier 1950 in einem Dorf Zeugnis gab, sagte ihm ein Mann, es gebe einen älteren Herrn, der genau das gleiche aus der Bibel lehre wie er. Jener ältere Herr war Bruder Afeniyi; er hatte zu der allerersten Gruppe gehört, die in Benin die Wahrheit kennenlernte, und sich 1935 taufen lassen. Er war zwar vom Kontakt zu anderen Brüdern abgeschnitten, aber Jehova hatte ihn nicht im Stich gelassen. Auch hatte er die Freude nicht vergessen, die er empfand, als er von den unbiblischen Glaubenslehren seiner früheren Religion, des Protestantismus, befreit wurde. Seine Frau kam nicht in die Wahrheit, und in dem Dorf, in dem er predigte, war Wodu tief verwurzelt, doch Bruder Afeniyi gab nie auf. Jahrelang konnte man ihn sehen, wie er andere aus der Bibel belehrte. Er starb mit 80 Jahren, nachdem er Jehova über 42 Jahre treu gedient hatte.

Anfang 1950 brach eine weitere Verfolgungswelle über die Zeugen herein. In der Gegend von Kouti stieß ein Polizeibeamter auf eine Gruppe von Brüdern, die den Tagestext betrachteten. Einige wurden verhaftet, mit Stricken gefesselt und vor den Distriktleiter gebracht. Nachdem man sie ernstlich davor gewarnt hatte, zu predigen oder Zusammenkünfte abzuhalten, ließ man sie später frei. Jehovas Volk war sich aber völlig bewußt, wie wichtig es ist, weiterhin zusammenzukommen und Gottes Wort zu studieren, nötigenfalls auch heimlich. Ein einheimischer Ältester schrieb: „Die einzige Möglichkeit, mit unseren Brüdern zusammenzukommen, um zu studieren, bietet sich, wenn man in aller Frühe aufsteht. Wer ein Fahrrad besitzt, der fährt in weit entfernte Gebiete, um Zeugnis zu geben. ... Schon eine Bibel bei sich zu haben ist gefährlich. Trotz der Schwierigkeiten werden wir fortfahren, das Wort bis zum Ende zu predigen.“ Im März 1950 kamen sie treu zur Feier zum Gedenken an den Tod Christi zusammen. Sie waren nicht aus Furcht ‘zurückgewichen’ (Heb. 10:38). Anfang 1951 berichteten 7 Versammlungen über ihre Tätigkeit, und 36 der 247 Verkündiger, die einen Bericht abgaben, waren im Pionierdienst.

Er gab die Kultgegenstände zurück

Zu Beginn der 50er Jahre konnten viele Brüder nicht gut lesen, aber sie taten ihr Bestes, um Zeugnis zu geben, und Jehova segnete ihre Bemühungen. Einmal versuchten zwei Brüder gerade, jemandem biblische Wahrheiten zu erklären, als Samuel Ogungbe dazukam. Er berichtete später: „Damals wußte ich es nicht, aber diese Männer waren Zeugen Jehovas, und sie waren sich nicht ganz einig, weil sie ihre Bibel in Gan nicht lesen konnten. Ich schaltete mich in die Unterhaltung ein und konnte ihnen helfen, weil ich die Bibel in Gan lesen kann.“ Allerdings war Samuel Ogungbe im Kirchenvorstand der Cherubim-und-Seraphim-Kirche und auch ihr Kassenwart. Mitglieder dieser Glaubensrichtung sind leicht zu erkennen; sie tragen lange weiße Gewänder und weiße Mützen, weil sie glauben, sie seien die Braut Christi. Obwohl er religiös gebunden war, fand Samuel Ogungbe das Gespräch mit den Zeugen Jehovas interessant. Man verabredete, das Gespräch am Samstag, nur vier Tage später, fortzusetzen. Doch zuvor passierte etwas, was Samuel in Angst versetzte.

„In der Kirche, der ich angehörte, praktiziert man Weissagung und Wahrsagerei sowie andere magische Künste“, erklärte er. „An dem Tag nach meinem ersten Treffen mit Zeugen Jehovas ging ich wie gewöhnlich zur Kirche. Und sofort wurde ich von Kirchenmitgliedern, die die Geister befragt hatten, gewarnt, ich solle mich in acht nehmen, und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens liefe ich trotz meiner hohen Stellung in der Kirche Gefahr, ein ,Überläufer‘ zu werden, und zweitens würde ich bald schwere Magenprobleme bekommen, die zum Tod führen würden, es sei denn, ich folgte den Anweisungen der Geister. Sie sagten, ich solle sieben Kerzen und duftendes Harz und Myrrhe für eine besondere Zeremonie kaufen, laut beten und sieben Tage fasten. Wenn ich nicht gehorchte, würde das meinen Tod bedeuten.“

Später räumte er freimütig ein: „Als ich am Donnerstag abend nach Hause ging, hatte ich Angst. Am Freitag morgen fing ich an, zu beten und zu fasten. Mir war bewußt, daß ich mich bald entscheiden müßte, ob ich die Gespräche mit den Zeugen fortsetzen wollte oder nicht. Beinahe hätte ich die Verabredung nicht eingehalten, aber in letzter Minute entschied ich mich anders. Wir diskutierten über vieles, und sie luden mich zu ihrer Zusammenkunft am Sonntag ein.“ Änderungen folgten auf dem Fuße. Die Mitglieder seiner Kirche versuchten, Samuel umzustimmen, aber er war überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben. Er gab alle seine Kultgegenstände zurück und fing noch im gleichen Monat mit dem Predigtdienst an. Nach sechs Monaten symbolisierte er seine Hingabe an Jehova durch die Taufe. Nebenbei bemerkt, Bruder Ogungbe ist wegen seines neuen Glaubens nicht gestorben. Er diente Jehova über 40 Jahre lang treu bis zu seinem Tod im Jahr 1996.

Auf Lese- und Schreibunterricht Wert gelegt

Jemand, der weder lesen noch schreiben kann, mag zwar durchaus in der Lage sein, Zeugnis zu geben, aber das Lesen des Wortes Gottes würde ihm helfen, stark zu werden und in schwierigen Situationen auszuharren. Die Lesefähigkeit ist auch wichtig, um wirkungsvoll lehren zu können. In der Vergangenheit konnten allerdings viele Beniner, auch unsere Brüder, nicht lesen. Daher empfahl die Gesellschaft den Brüdern, einen Lese- und Schreibunterricht einzuführen. Anfangs erhielt man Einzelunterricht. Später, in den 60er Jahren, wurden in den Versammlungen Klassen eingerichtet, in denen Lese- und Schreibunterricht erteilt wurde.

Bis zum heutigen Tag wird in vielen Versammlungen Benins Lesen und Schreiben gelehrt. Außerdem hilft man Außenstehenden auf individueller Basis. Da jedoch inzwischen bessere öffentliche Schulen zur Verfügung stehen, geht der Bedarf in dieser Richtung zurück. Wer den Sinn der gedruckten Worte verstehen lernt, kann sie in seinem eigenen Leben erfolgreicher anwenden und anderen wirkungsvoller an Hand des Wortes Gottes beistehen (Eph. 6:14-17).

Katholischer Priester macht mit Juju-Priester gemeinsame Sache

Da die Geistlichkeit die biblische Wahrheit, die Jehovas Zeugen lehren, nicht widerlegen konnte, bediente sie sich oftmals der Obrigkeit, um das Werk des Volkes Jehovas zum Erliegen zu bringen. In einem Fall machte ein katholischer Priester mit einem Juju-Priester gemeinsame Sache und wollte Dekin und Umgebung von den Zeugen Jehovas befreien. Sie erhoben Anklage, indem sie Halbwahrheiten mit glatten Lügen vermischten, und behaupteten, die Zeugen wiegelten die Bevölkerung gegen die Regierung auf, sagten einen dritten Weltkrieg voraus, verkündeten das Ende der Welt und zahlten keine Steuern. Der Juju-Priester gab beim Distriktbeamten an, daß die Geister wegen der Zeugen den Regen zurückhielten und das Land deshalb von Hungersnot bedroht sei. Der katholische Priester sagte, die Zeugen seien dafür verantwortlich, daß seine Gebete und seine Messen bei Gott kein Gehör finden würden.

Aufrichtige Menschen erkannten, was hinter diesen Angriffen stand — die Furcht der religiösen Führer. Diese befürchteten, das Werk der Zeugen Jehovas werde unter der Bevölkerung Fuß fassen. Solche Angriffe bewirkten bei den Brüdern nur, daß sie sich noch mehr auf Jehova verließen. Ein Bericht von damals besagt: „Die Brüder ‘stehen wirklich fest in e i n e m Geist, mit e i n e r Seele Seite an Seite für den Glauben der guten Botschaft streitend’, und Jehova segnet ihre Anstrengungen mit Mehrung (Phil. 1:27). Wir glauben, er wird das auch in Zukunft tun.“

Segnete Jehova ihre entschlossenen Anstrengungen denn weiterhin? Auf alle Fälle! Trotz heftiger Gegnerschaft und Verfolgung stieg die Zahl derer, die für seinen Namen und sein Königreich Zeugnis ablegen, von 301 im Jahr 1948 auf 1 426 im Jahr 1958. Manchmal mußte allerdings im Gefängnis Zeugnis gegeben werden.

Im Gefängnis gründlich Zeugnis gegeben

David Denon aus Porto Novo wurde verhaftet, weil er den Dienst für Jehova nicht aufgab, und daher betrachtete er das Gefängnis als sein Gebiet. Seine Zuhörer konnten ja nicht weglaufen! Aber dem Gefängnisaufseher mißfiel sein Predigen, und er ließ ihn in ein anderes Gefängnis versetzen. Dort wurde er jedoch besser behandelt und konnte den Insassen ungehindert predigen. Der Gefängnisdirektor persönlich zeigte Interesse, zwei weitere Gefangene nahmen die Wahrheit an und predigten gemeinsam mit Bruder Denon in ihrem Gebiet — innerhalb der Gefängnismauern.

Tagsüber arbeitete Bruder Denon, dem man sehr vertraute, außerhalb des Gefängnisses als Zimmermann am Haus des Polizeipräsidenten. Auch dieser Mann war an der biblischen Wahrheit interessiert und erlaubte Bruder Denon sogar, nach Hause zu gehen, um ihm Literatur zu holen — die gleiche Literatur, derentwegen Bruder Denon eingesperrt worden war.

Bald trafen weitere Helfer ein, die dieses ungewöhnliche Gebiet bearbeiten sollten. 1955 kamen 50 nigerianische Verkündiger zur Unterstützung nach Benin, um die gute Botschaft in abgelegenen Gebieten des Landes zu verkündigen. Sie wurden allesamt zusammengetrieben und zum nächsten Gefängnis gebracht. Da es dort nicht genug Platz für alle gab, schickte man die Schwestern und einige Brüder nach Hause. 27 Brüder, die man beschuldigte, „verbotene Literatur“ verbreitet zu haben, wurden in ein Gefängnis im Landesinneren überführt, wo sie auf ihren Prozeß warteten. Dort angekommen, verloren sie keine Zeit. Als sie von Nigeria fortgingen, hatten sie zwar nicht unbedingt diese Art von Gebiet im Sinn gehabt, aber hier waren Menschen, die die gute Botschaft hören mußten. Auf Grund ihrer Tätigkeit zeigten mindestens 18 Personen Interesse, unter anderem auch Gefängnisbeamte und der Gefängnisarzt.

Ende August wurde den Zeugen der Prozeß gemacht. Die Nachricht davon hatte sich weit und breit herumgesprochen, und mehr als 1 600 Personen waren zugegen. Aus der ganzen Umgebung kamen katholische Priester und erzählten, jeder Bruder werde zu 12 Jahren Haft verurteilt — und das, noch bevor die Anhörung vor Gericht überhaupt begonnen hatte.

Trotz allem war der Richter wohlwollend und ermöglichte den Brüdern, vor Gericht ein gutes Zeugnis zu geben. Er verglich die Zeugen Jehovas mit Jesus Christus, der vor Gericht gebracht worden war, ohne jemals eine Straftat begangen zu haben. Der Richter äußerte sein Bedauern darüber, daß er die meisten Brüder zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilen müsse. Das Urteil sei allerdings rückwirkend gültig, die Zeit zähle also schon von Beginn ihres Gefängnisaufenthalts vor nahezu drei Monaten an. Die Brüder nutzten die ihnen noch verbleibende Zeit im Gefängnis weise aus. Im August berichteten sie, daß jeder über 100 Stunden die Königreichsbotschaft innerhalb der Gefängnismauern gepredigt hatte. Der Vorfall rückte die Tätigkeit von Jehovas Zeugen auf spektakuläre Weise in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Biblische Publikationen in Gan

Literatur in der Volkssprache ist eine große Hilfe, um die Menschen biblische Wahrheiten zu lehren. Die Sprache Gan ist in dem Land weit verbreitet. Wie glücklich die Brüder doch waren, als sie 1955 das Traktat Was glauben Jehovas Zeugen? in Gan erhielten und 1957 den Königreichsdienst, der ihnen half, die Dienstzusammenkünfte und Predigtdienstaktivitäten zu verbessern. Auch begann eine Bibelgesellschaft, die komplette Bibel in Gan nachzudrucken.

Als nächstes kam die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ heraus. Nach Erhalt der ersten Exemplare sorgte man dafür, daß sie in den Versammlungsbuchstudien studiert wurde. Anfang des darauffolgenden Jahres sollte sie in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Der Erfolg war wirklich bemerkenswert. Die demütigen Menschen dieses Landes nahmen die deutliche Erklärung biblischer Wahrheiten gern an. Bis zum April 1958 hatte man mit 1 426 Verkündigern eine neue Verkündigerhöchstzahl erreicht, die 84 Prozent über dem Durchschnitt des Vorjahres lag.

Die breite Zustimmung, auf die diese Publikation in Gan stieß, war dermaßen ermutigend, daß schon bald an der Übersetzung des Buches „Gott bleibt wahrhaftig“ gearbeitet wurde. Beginnend mit der Ausgabe vom 1. Dezember 1960, standen auch vervielfältigte Exemplare des Wachtturms in Gan zur Verfügung. All diese Publikationen steigerten die Wertschätzung der Brüder für die Wahrheit und rüsteten sie aus, anderen zu helfen, sich von der Knechtschaft der falschen Religion zu befreien.

Einige waren „nicht von unserer Art“

Wenn jemand erfährt, daß er Lügen gelehrt wurde, wendet er sich vielleicht sehr schnell von seiner früheren Religion ab und beginnt, Jehova anzubeten. Um die wahre Anbetung aber weiterhin ausüben zu können, muß man demütig sein und Jehova wirklich lieben sowie auf Fortschritt im Hinblick auf christliche Reife bedacht sein und Gottes Wort in jedem Bereich seines Lebens anwenden. Nicht alle, die in Benin so begeistert mit dem Predigen begannen, verfolgten diesen Kurs. Bei einigen zeigte es sich, daß sie „nicht von unserer Art“ waren (1. Joh. 2:19).

Als in der Versammlung Gbougbouta ein Aufseher die Wahrheit verließ, versuchte er Kouadinou Tovihoudji zu überreden, es ihm gleichzutun. Bruder Tovihoudji erinnerte ihn taktvoll daran, daß er, als er noch ein Diener Jehovas gewesen war, anderen immer gesagt hatte, bei manchen werde die Liebe zur Wahrheit erkalten (Mat. 24:12). Bruder Tovihoudji meinte weiter, er könne nun sehen, daß sich die Worte der Bibel bewahrheiteten, da die Liebe des Aufsehers erkaltet war. Klugerweise folgte Bruder Tovihoudji ihm nicht, sondern blieb Jehova treu.

Allerdings verstanden nicht alle Brüder so deutlich, wie mit denen umzugehen war, die Gottes gerechten Grundsätzen nicht länger folgen wollten. Sie benötigten Hilfe. 1959 wurde ein nigerianischer Kreisaufseher, Theophilus Idowu, nach Porto Novo gesandt, um die Brüder zu erbauen. Sie waren froh, ihn zu sehen, aber etwas entmutigt, als sie feststellten, daß er ihre Sprache nicht beherrschte. Für seine Ansprachen und Besprechungen mit den Ältesten mußten Übersetzer herangezogen werden. Bruder Idowu erkannte, daß es Probleme in den Versammlungen gab, deren man sich annehmen mußte. Da er aber die Sprache nicht beherrschte, waren seine Möglichkeiten begrenzt. Das beunruhigte ihn, und so machte er sich daran, Gan zu lernen. Sein Sprachstudium machte rasche Fortschritte, und schon bald konnte er den Brüdern sogar in schwierigen Situationen beistehen. Nach und nach nahm man sich der verschiedenen Probleme an. Die Brüder, die einen unmoralischen Lebensweg eingeschlagen hatten und nicht davon abgingen, wurden aus der Versammlung entfernt.

Einer der größten Schwachpunkte war immer noch das mangelnde Verständnis von Neueren, die weder lesen noch schreiben konnten. Diejenigen, die die Wahrheit jedoch richtig erfaßt hatten und ihr Herz davon beeinflussen ließen, änderten ihr Leben tiefgreifend. Germain Adomahou war einer von ihnen.

Ein Polygamist findet einen besseren Weg

Germain Adomahous Vater hatte 12 Frauen. Aber schon bevor Germain ein Zeuge Jehovas wurde, hatte er beschlossen, nur e i n e Frau zu heiraten. Zwar konnte er sehen, daß man als wohlhabend und einflußreich galt, wenn man mehrere Frauen hatte, aber er sah auch, daß unter den Frauen seines Vaters ständig erbitterter Streit und Eifersucht herrschten. Nach der Hochzeit blieb Germains Frau jedoch kinderlos, und das ist für manche Afrikaner eine Schande. Ungeachtet seiner früheren guten Vorsätze nahm er sich schon bald zwei weitere Frauen, danach noch zwei und hatte somit dann insgesamt fünf Frauen. Es dauerte nicht lange, bis auch in seinem Heim erbitterte Rivalität und Eifersucht herrschten. Um seine Probleme zu vergessen, wandte er sich anderen Frauen zu, mit denen er nicht verheiratet war. Nun glich sein Zuhause dem seines Vaters, gegen das er eine so große Abneigung gehabt hatte.

Obwohl er ein Fetischverehrer war, suchte er Trost und Rat bei einem katholischen Priester, der ihm sagte, er müsse sich taufen lassen, um in den Himmel zu kommen. Der Priester äußerte sich weder über die Fetischverehrung noch über Germains fünf Frauen, noch darüber, was die Bibel zu außerehelichen Beziehungen sagt. Germain wurde katholisch getauft, blieb aber trotzdem Fetischverehrer und Polygamist. Eigentlich hatte sich gar nichts geändert. Dann erhielt er 1947 ein Exemplar des Buches „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Nachdem er es gelesen hatte, brach er mit der katholischen Kirche und mit dem Fetischismus. Die Polygamie und ein unmoralischer Lebenswandel hatten ihn aber immer noch fest im Griff. Ihm war klar, daß er sich auch davon lösen mußte, wenn er zu Jehovas Volk gehören wollte. Dann trat eine Änderung ein.

Einige Brüder aus der Versammlung Abomey wurden verhaftet und eingesperrt. Diese Neuigkeit sprach sich im ganzen Dorf herum. Germain hatte noch nie erlebt, daß man Menschen, die einer anderen Religion angehörten, derart behandelte. Die Willigkeit der Zeugen Jehovas, wegen des Predigens der biblischen Botschaft Verfolgung auf sich zu nehmen, beeindruckte ihn tief. Das überzeugte ihn davon, daß Jehovas Zeugen die wahren Christen sind (2. Tim. 3:12). Seine Entscheidung stand fest. Er gab seinen polygamen Lebensstil auf, handelte in Übereinstimmung mit den Lehren der Bibel und gab sich Jehova Gott hin.

Sein neugefundener Glaube ließ allerdings nicht zu, daß er seine Exfrauen einfach im Stich ließ. Er lebte zwar nicht mehr mit ihnen zusammen, sorgte aber so lange materiell und geistig für sie, bis sie wieder heirateten. Zwei seiner Exfrauen ließen sich später taufen, um Jehova zu dienen; die jüngere heiratete einen Vollzeitprediger und stand schließlich mit ihrem Mann im Kreisdienst. Auch viele der Kinder, die aus seiner polygamen Ehe stammten, lernten die Wahrheit kennen.

Der letzte Wunsch eines Sterbenden

Es gab noch mehr Menschen, die nach der Wahrheit dürsteten. Amos Djagun war der Leiter der Methodistenkirche in Kilibo, einem Dorf im Norden Benins, und Silas Fagbohoun war ein prominentes Mitglied dieser Kirche. Als ein Zeuge Jehovas bei Silas Fagbohoun vorsprach, sagte er jedoch freiheraus, er und viele andere seien mit dem Durcheinander in ihrer Kirche nicht zufrieden und sie wüßten, daß in ihrer Mitte Unrecht geduldet werde. Er selbst hatte zwei Frauen und mehrere Geliebte, unter anderem auch die Frau eines führenden Laienpredigers seiner Kirche.

Nachdem die Zeugen Amos Djagun besucht hatten, versammelte er viele Kirchenmitglieder um sich, die, wie er wußte, nach der Wahrheit hungerten. Der Kreisaufseher, der gerade zu Besuch war, zeigte ihnen, wie man die Bibel mit Hilfe des Buches „Gott bleibt wahrhaftig“ und der Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ studiert. Er zeigte ihnen auch, wie sie guten Gebrauch vom Tagestext machen konnten. Viele von ihnen, unter anderem auch Amos Djagun und Silas Fagbohoun, nahmen das, was sie lernten, mit Freuden an.

Natürlich wünschte sich Silas Fagbohoun nichts sehnlicher, als daß seine Frau und seine Kinder den neugefundenen Glauben ebenfalls annahmen, doch fand er anscheinend wenig Widerhall. In der Nacht vor seinem Tod im Juni 1963 rief Silas seinen ältesten Sohn Joseph zu sich ans Bett und sagte: „Es tut mir leid, daß du bislang für die wahre Religion keine Stellung bezogen hast. Ich möchte nur sagen, daß das, was du jetzt ablehnst, die Wahrheit ist, die zu ewigem Leben führt. Ich bete darum, daß Jehova dir bei der Bewältigung der schwierigen Aufgabe, die ich dir hinterlasse, beisteht. Du bist verantwortlich für deine Brüder, kümmere dich in materieller und besonders in geistiger Hinsicht um sie.“ Würde sich Bruder Fagbohouns letzter Wunsch erfüllen?

Joseph vertrat anscheinend feste Ansichten. Er ließ sich später in eine protestantische Sekundarschule in Cotonou einschreiben. Während seines Aufenthalts dort führte er einmal eine biblische Diskussion mit dem Geistlichen vor einer Klasse von 80 Schülern. Die Antwort des Geistlichen auf fast alle Fragen lautete: „Das bleibt ein göttliches Geheimnis.“ An Hand des Buches „Gott bleibt wahrhaftig“ konnte Joseph viele biblische Fragen zufriedenstellend beantworten. Dem letzten Wunsch seines Vaters entsprechend, verlangte Joseph vor der gesamten Klasse und dem Geistlichen, daß man seinen Namen von der Mitgliederliste der protestantischen Kirche strich. Nun war er frei! Er ließ sich im Juli 1964 taufen und nahm 1969 den allgemeinen Pionierdienst auf.

Bruder Fagbohouns Frau Lydie war zwar sehr freundlich und gutmütig, sah aber keine Notwendigkeit, ihre Religion zu wechseln. Sie glaubte, sie könne ewiges Leben erhalten und trotzdem protestantisch bleiben. Erst als ein älterer Pastor ihrer Kirche sexuelle Beziehungen mit ihr aufnehmen wollte, um sie in ihrer Witwenschaft „zu trösten“, gingen ihr die Augen auf. In jene Kirche setzte sie nie wieder einen Fuß! Die Ermunterung ihres Sohnes und die Hilfe eines Sonderpioniers bewirkten, daß sie begann, mit Jehovas Zeugen zu studieren. Mit der Zeit ließ nicht nur sie sich taufen, sondern fast alle ihre Kinder machten sich die Wahrheit zu eigen.

In Gilead geschulte Missionare treffen ein

Wie sehr sich die Brüder freuten, als am 3. Februar 1963 die ersten Missionare der Gileadschule eintrafen. Keith und Carroll Robbins hatten die 37. Gileadklasse besucht. Sie suchten sich eine Wohnung und waren schon kurz darauf dabei, Gan zu lernen. Die Brüder wurden durch die Anwesenheit weißer Glaubensgefährten sehr ermuntert. Für sie war das ein Beweis für die Einheit unter der weltweiten Bruderschaft. Die Missionare, die mit dem Rad unterwegs waren, besuchten nicht nur die Versammlungen im Busch, sondern schulten auch andere, die diese Aufgabe erhielten. Als sie wegen Familienverpflichtungen in ihre Heimat Kanada zurückkehren mußten, war das für die Brüder ein großer Verlust.

In den darauffolgenden Monaten wurden zwei weitere kanadische Missionare nach Benin gesandt — Louis und Eleanor Carbonneau. Da sie Französisch sprachen, wurde schon kurz darauf in Cotonou eine französischsprachige Versammlung gegründet. Der Gruppe standen für ihr Studium viele Publikationen in Französisch zur Verfügung, so daß sie in geistiger Hinsicht schnell Fortschritte machte.

Bruder Carbonneau war der Vorsitzende des Bezirkskongresses „Frucht des Geistes“, der im November 1964 in Abomey stattfand. Die Polizei war, wie bei Großveranstaltungen üblich, ebenfalls zugegen. Die Beamten hatten nichts zu bemängeln, sie waren sogar sehr freundlich zu den Brüdern und hörten sich gern die biblischen Ansprachen an. Auch waren sie erstaunt, eine vereinte Bruderschaft von 1 442 Personen zu sehen, die teils aus dem Norden und teils aus dem Süden stammten. Das war um so bemerkenswerter, als damals gerade Unruhen zwischen den Bewohnern des Nordens und denen des Südens herrschten.

In Benin dienten noch mehr Missionare — manche nur für eine kurze Zeit, andere hingegen kamen mit dem Wunsch, Benin zu ihrem Zuhause zu machen. Don und Virginia Ward und Carlos und Mary Prosser trafen Anfang 1966 ein, nachdem sich ihre Ankunft in Benin auf Grund politischer Unruhen etwas verzögert hatte. Kurz darauf, im März 1966, wurde ein Zweigbüro in Cotonou eröffnet, um das Predigen der guten Botschaft in diesem Land zu beaufsichtigen.

Seit 1948 waren die Zeugen Jehovas bemüht, die rechtliche Anerkennung für ihr biblisches Schulungswerk zu erlangen, was man ihnen jedoch immer wieder verweigerte. Welche Freude war es deshalb, in Benins offiziellem Blatt den Namen der Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania zu sehen! In der Notiz hieß es, es sei Jehovas Zeugen erlaubt, im ganzen Land mit der Bibel von Tür zu Tür zu predigen, und ihre Missionare könnten ungehindert tätig sein.

Es ist an der Zeit, sich trauen zu lassen

Bis 1966 hatte man in Benin keine Möglichkeit, die Ehe gesetzlich eintragen zu lassen. Ehen wurden auf traditionelle Weise geschlossen, aber die Brüder schickten jeweils auch eine unterschriebene Treueerklärung an das Zweigbüro. 1966 sorgte die Regierung dafür, daß man seine Ehe gesetzlich eintragen lassen konnte, wenn man wollte. Die Missionare führten den einheimischen Brüdern die Wichtigkeit vor Augen, diese rechtliche Möglichkeit zu nutzen.

Dadurch stellten sich für die Brüder viele Probleme ein. Zum einen kostete es Geld, schwerverdientes Geld. Zum anderen mußte das Brautpaar seine Geburtsdaten ermitteln lassen. Diese waren nicht immer bekannt, denn akkurate Aufzeichnungen waren eher die Ausnahme. Trotz dieser Hindernisse waren Jehovas Diener entschlossen, Ehen zu führen, die in Gottes Augen „ehrbar“ sind (Heb. 13:4).

Die Brüder in Hetin, einem Dorf, das hauptsächlich aus Pfahlbauten bestand, fanden es kostengünstiger, den Standesbeamten kommen zu lassen, anstatt daß 25 Paare zu ihm hinfuhren. Weil es so viele waren, stimmte der Beamte zu. Als er schließlich eintraf, fand er sogar 60 wartende Paare vor, die standesamtlich getraut werden wollten. Was war geschehen? Während man in Hetin die Massentrauung vorbereitete, hörten andere Dörfer davon. Da den Menschen von seiten ihrer Geistlichen keine Hilfe angeboten worden war, ihre Ehen gesetzlich eintragen zu lassen, fragten sie die Zeugen, ob sie die Dienste des Standesbeamten ebenfalls in Anspruch nehmen dürften. In einem Zeitraum von etwa vier Monaten stieg die Zahl der Versammlungsverkündiger von 69 auf 90.

Geeignete Zweiggebäude

Damit die Arbeit im Zweigbüro reibungslos ablaufen konnte, mußten geeignete Räumlichkeiten vorhanden sein. Bevor Don Ward den Vollzeitdienst aufnahm, war er Bauunternehmer gewesen. Seine Erfahrung kam ihm 1968 in Cotonou beim Bau eines Zweigbüros mit Missionarheim zugute. Mit der Hilfe von 16 Pionieren und vielen anderen einheimischen Brüdern dauerte der eigentliche Bau nur acht Monate. Ein schöner Königreichssaal, Büros, ein Speisesaal und ein Versandbereich befanden sich im Erdgeschoß des Gebäudes. Die darüber liegenden sechs Zimmer boten Aussicht auf einen großen Palmengarten. Jenseits der Gartenmauer war eine glitzernde Lagune zu sehen, die mit Fischern in Einbäumen übersät war.

Der 12. Januar 1969 ging als ein besonderer Tag in die theokratische Geschichte Benins ein. An jenem Tag wurde das neue Zweigbüro und Missionarheim der ihm von Jehova zugedachten Bestimmung übergeben. Die Brüder empfanden ein so schönes Gebäude als Beweis dafür, daß ihr Werk von Jehova gesegnet wurde. Von noch größerem Wert als dieses Gebäude waren jedoch die christlichen Persönlichkeiten, die sich mit Hilfe von gottgefälligen Eigenschaften heranbildeten.

Ehrlichkeit — der richtige Weg

Daniel Aïnadou, der in einem vornehmen Hotel arbeitete, mußte eines Tages beweisen, wie es um seine christlichen Eigenschaften bestellt war. Als er die Hose eines Hotelgastes in die Reinigung brachte, fand er in einer der Taschen umgerechnet 1 600 Dollar. Das war so viel, wie er in zwei Jahren verdiente. Was würde er tun? Da stand er nun mit einem Vermögen in der Hand, und weit und breit war niemand zu sehen.

Der Bruder war zwar noch nicht lange getauft, hatte aber erst kurz zuvor einen Wachtturm studiert, in dem es um Ehrlichkeit ging. Er war entschlossen, Gott nicht dadurch zu mißfallen, daß er unrechtmäßigerweise Geld behielt. Er lieferte das Geld an der Rezeption ab. Als der Angestellte jedoch das viele Geld sah, nahm er den Bruder beiseite und sagte: „Komm, wir behalten das Geld, und das ist dann unser kleines Geheimnis!“ „Das kann ich nicht machen“, sagte der Bruder, „ich bin ein Christ und ein Zeuge Jehovas.“ „Ich bin doch auch ein Christ“, protestierte der Angestellte. „Ich gehe regelmäßig in die katholische Kirche. Ich kann nichts Verkehrtes daran finden, das Geld zu behalten. Der Mann hat es doch verloren, oder etwa nicht?“ Der Bruder ließ sich nicht beirren und brachte das Geld dem Hoteleigentümer, der es in den Safe des Hauses einschloß.

Etwas später kehrte der Gast in sein Zimmer zurück und suchte verzweifelt nach dem Geld — unter dem Bett, im Schrank, hinter den Stühlen. Es war nirgends zu finden. Ganz aufgelöst ging er zum Hoteleigentümer, der ihm versicherte, daß sein Geld nicht verlorengegangen sei, sondern im Hotelsafe liege. Als der Gast erfuhr, daß einer der Hotelangestellten das Geld abgegeben hatte, wollte er diesen ehrlichen Mann gern kennenlernen. Der Gast sagte ganz beeindruckt: „Ich weiß, daß Zeugen Jehovas gute Menschen sind. Wenn ich nach Frankreich zurückkehre, werde ich sie aufsuchen, denn ich möchte mehr über sie erfahren.“ Sogar der Hotelmanager, der für Jehovas Zeugen sonst kaum etwas übrig hatte, sagte nun, er sei froh, sie als Arbeitskräfte zu haben.

Der Vorfall geriet nicht so schnell in Vergessenheit. Später soll ein anderer Gast eine kleine Geldsumme verloren haben, und er beschuldigte Bruder Aïnadou, das Geld gestohlen zu haben. Als der Hoteleigentümer davon hörte, war er sofort zur Stelle, verteidigte unseren Bruder und erzählte dem Gast von dem besagten Vorfall.

Aus Benin wurde in den darauffolgenden Jahren eine ständige Zunahme an eifrigen Zeugen berichtet. 1971 dienten 22 Missionare in ihrer Predigtdienstzuteilung oder im hiesigen Zweigbüro. 1975 betrug die Zahl derer, die im Predigtdienst tätig waren, 2 381, verglichen mit einer früheren Höchstzahl von nur 290 Verkündigern im Jahr 1950. Jehova segnete die aufrichtiggesinnten Personen, die sich von den Fesseln der falschen Religion befreiten, tatsächlich. Diese Mehrung gefiel allerdings nicht jedem. Am Horizont begannen sich immer mehr dunkle Wolken der Verfolgung zusammenzubrauen.

Politische Veränderungen

«Pour la révolution?» (Bereit für die Revolution?) «Prêt!» (Ich bin bereit!) Solche Grußformeln waren auf den Straßen Benins oft zu hören, als Anfang 1975 das marxistisch-leninistische Regime Fuß faßte. Die Ämter beendeten jeden Brief mit den Worten: „Bereit für die Revolution, der Kampf geht weiter!“

Jehovas Zeugen sind in der ganzen Welt dafür bekannt, daß sie sich in politischen Fragen neutral verhalten. Ihr biblisch geschultes Gewissen erlaubte ihnen nicht, solche Parolen zu rufen (Joh. 15:19; 18:36). Das trug ihnen große Feindschaft ein.

November 1975: Eine Festnahme

Pierre Worou war im November 1975 im Predigtdienst tätig, als ein Mann ihn mit einer politischen Parole begrüßte. Da Bruder Worou nicht darauf einging, wurde er sofort zum Polizeirevier gebracht. Dort wollte man ihn dazu bewegen, die Parolen zu rufen, aber er weigerte sich. Man zwang ihn, stundenlang auf den Knien und Ellbogen herumzukriechen. Bruder Worou blieb fest.

Schließlich sprachen einige Brüder mit den zuständigen Polizeibeamten, und weil es Sonntag war, erklärten diese sich bereit, ihn am Ende des Tages freizulassen. Dieser Vorfall brachte den Brüdern zum Bewußtsein, was auf sie zukommen würde.

Dezember 1975: Warnungen im Rundfunk und in Zeitungen

Im Dezember prangerte der staatliche Rundfunksender „Die Stimme der Revolution“ die organisierte Religion als Ganzes an. Wie man hörte, plünderten Gruppen von Jugendlichen Kirchen. Viele Revolutionäre warnten Jehovas Zeugen davor, weiter zu predigen. Bis zum 14. Januar 1976 hatten die Behörden bereits an etlichen Orten das öffentliche Zeugniswerk unterbunden. An sechs Orten waren Königreichssäle geschlossen worden, und in drei Privatwohnungen hatte man die Zusammenkünfte abgebrochen. In Hetin war der Königreichssaal enteignet und für politische Versammlungen benutzt worden. In manchen größeren Zentren konnten die Pioniere und Missionare dagegen ihren Predigtdienst einigermaßen ungestört fortsetzen.

März 1976: Einschränkungen nehmen zu

Am 24. März 1976 schrieb der Beniner Zweig an die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas: „Die Behörden in mehreren Regionen beschränken weiterhin die religiösen Aktivitäten auf verschiedene Weise. In vielen Landesteilen sind etliche Fetischriten und andere religiöse Zeremonien verboten worden. Auch hat man das Predigen an den Türen oder in verschiedenen Bereichen von Ortschaften verboten.“

Zwei Wochen später schrieb der Zweig erneut an die leitende Körperschaft: „In einer Gegend im Norden (Gouka) wurden in einer Versammlung alle Brüder (aber nicht die Schwestern) verhaftet und 72 Stunden festgehalten. Damit wollte man sie vor dem Predigen warnen und dazu bringen, politische Parolen zu rufen, was sie aber verweigerten. ... Man sagte den Brüdern, sie dürften sich in ihrem Königreichssaal versammeln, vorausgesetzt, sie würden an der Vorderseite eine Fahne anbringen sowie vor und nach jeder Zusammenkunft eine Zeit für politische Lieder und Parolen reservieren. Den Brüdern war klar, daß sie das nicht tun könnten, und so müssen sie ihre Zusammenkünfte notgedrungen in Privatwohnungen abhalten.“

April 1976: Brüder in Cotonou verhaftet

Die politischen Spannungen nahmen im ganzen Land zu. Anfang April gab es in den meisten Firmen wöchentliche Lehrprogramme, die politische Parolen, Fahnenzeremonien, die Nationalhymne und „Ideologiekurse“ umfaßten. Wer nicht an diesen Versammlungen teilnahm, mußte mit einer Anzeige rechnen. In einem Viertel von Cotonou, wo drei Brüder und eine Schwester arbeiteten, wurde eine solche Versammlung einberufen. Die Brüder lehnten es ab, dorthin zu gehen, wogegen die Schwester hinging, sich aber weigerte mitzumachen. Als sie sich am Montag darauf zur Arbeit meldeten, zwang man zuerst die Schwester und dann die drei Brüder, bis zum Polizeirevier vor einem Polizeiwagen herzulaufen. Das war eine Strecke von ungefähr fünf Kilometern. Die Schwester war im vierten Monat schwanger. Auf dem Polizeirevier ließen sie sich nicht von ihrer Haltung abbringen; sie weigerten sich, politische Parolen zu rufen. Obwohl sie schwer geschlagen wurden, blieben sie fest. Körperliche Gewalt konnte ihren Glauben nicht brechen.

Carlos Prosser schrieb am 7. April 1976 stellvertretend für das Beniner Zweigbüro an die leitende Körperschaft: „Ich schreibe diesen Brief, kurz nachdem mir der Distriktleiter mit seinem Sicherheitsbeamten und seinem Sekretär einen Besuch abgestattet hat. Er stellte Fragen über Parolen, Fahnengruß usw., und ich konnte mit ihm über einige Punkte sprechen. Er erwähnte, einige unserer Leute seien verhaftet worden, weil sie die Teilnahme verweigert hätten, und sprach außerdem von einer Namenliste, die gerade zusammengestellt werde. Er war bei dem Besuch recht freundlich, doch in einigen Punkten vertrat er eine ziemlich entschiedene Meinung. Zum Beispiel sagte er, wir dürften nicht in den Häusern predigen, sondern sollten in unserer ‚Kirche‘ bleiben. Wir wissen nicht, was diese Amtspersonen entscheiden werden, aber eins wissen wir: Jehovas Zeugen sind bekannter als je zuvor, und wir beten darum, daß all das zu einem Zeugnis ausschlagen wird. Alle Missionare machen sich schon Gedanken, wieviel Zeit ihnen hier noch bleibt.“

Die Verfolgung nimmt an Heftigkeit zu

Am 16. April 1976 übte der Innenminister in einer Rundfunksendung für das Volk heftige Kritik an Jehovas Zeugen. Unter anderem sagte er, daß sich Jehovas Zeugen weigern, an Ideologiekursen teilzunehmen, und daß man ihnen beibringt, keine politischen Parolen zu rufen. Sollten Jehovas Zeugen bis Ende des Monats nicht von ihrer Haltung abrücken, so erklärte er mit allem Nachdruck, dann würden alle ihre Repräsentanten, das heißt die Missionare, die er als amerikanische Agenten hinstellte, des Landes verwiesen werden.

Solche Äußerungen wurden etwa zwei Wochen lang in allen Teilen Benins gesendet. Viele, die noch nie von Jehovas Zeugen gehört hatten, fragten sich: „Wer sind diese Leute, von denen soviel geredet wird?“ Die Sendungen weckten große Neugierde, und der Name Jehovas wurde landesweit in einem Ausmaß bekanntgemacht, das Jehovas Zeugen mit ihrer inzwischen eingeschränkten öffentlichen Tätigkeit nicht erreicht hätten.

Es kam noch ein anderer Beauftragter mit Begleitung vom Amt des Distriktleiters zum Zweigbüro, um die Namen aller festzustellen und sich über weitere Einzelheiten zu erkundigen. Es ging ihnen um die Namen aller Männer in Schlüsselstellungen im ganzen Land. Man nannte ihnen die Namen der Missionare, die im Zweigbüro und Missionarheim lebten. Als die Männer gegangen waren, wurden sämtliche Unterlagen der Gesellschaft vom Grundstück weggeschafft und gut versteckt.

Am 17. April, dem Tag darauf, kamen zwei Beamte, die den Verantwortlichen sprechen wollten. Da beide rauchten, sagte Bruder Prosser zu ihnen, sie müßten ihre Zigaretten ausdrücken, bevor sie hereinkämen. Sie kamen der Bitte nach und wurden ins Büro gebeten. Nach wie vor wollten sie die Namen aller verantwortlichen Brüder im ganzen Land wissen. Aber mittlerweile waren die wichtigen Unterlagen des Zweigbüros spurlos verschwunden und wären auch bei einer Hausdurchsuchung nicht zum Vorschein gekommen.

Der Abschied der Missionare rückt näher

Am 26. April 1976 suchten einige Brüder den Distriktleiter in Akpakpa (Cotonou) auf, weil sie es für vernünftig hielten, ein klärendes Gespräch mit ihm zu führen. Hätte das Zweigbüro von ihrem Vorhaben gewußt, so hätte man ihnen davon abgeraten. Ein paar Älteste wollten zwar die Abordnung, die in wohlmeinender Absicht loszog, von diesem Vorgehen abbringen, aber die Brüder bestanden darauf zu gehen. Das hatte verheerende Folgen. Nachdem sich der Distriktleiter eine Weile mit ihnen unterhalten hatte, rief er politische Parolen, und als sie nicht darauf antworteten, ließ er sie festnehmen.

Zu diesem Zeitpunkt waren noch 10 der 13 Missionare im Land. Bruder und Schwester Mahon erwarteten Nachwuchs und hatten sich darauf vorbereitet, in einigen Wochen nach England zurückzukehren. Wegen der bedrohlichen Lage hatte ihnen das Zweigbüro jedoch geraten, nicht bis zur letzten Minute zu warten, sondern so schnell wie möglich abzureisen. Das hatten sie dann auch getan. Maryann Davies vom Missionarheim in Porto Novo hielt sich wegen der Krankheit ihrer Mutter in Kanada auf.

Am Abend des 26. April wurden die übriggebliebenen Missionare zu „Gefangenen“ im Bethelheim. Sie durften weder hinausgehen noch jemand hereinlassen. Auch konnten sie nicht telefonieren. Die Missionare packten ihre Sachen für den Fall, daß sie ausgewiesen würden.

27. April 1976: Koordinator des Zweigkomitees mitgenommen

Am Morgen darauf kam ein bewaffneter Polizist, um Bruder Prosser abzuholen. Er forderte ihn auf, in den Kleinbus der Gesellschaft einzusteigen und zu fahren, und hielt die ganze Zeit über eine Waffe auf ihn gerichtet. Bruder Prosser sollte auf dem Polizeirevier von Akpakpa vernommen werden. Man mißhandelte ihn nicht, versuchte aber, ihn mit Beschimpfungen einzuschüchtern.

„Sagen Sie uns die Namen aller Männer in Schlüsselstellungen!“ brüllte ihn der Polizist an. Bruder Prosser erwiderte: „Ich kann Ihnen die Namen meiner Brüder nicht nennen. Wenn Sie sie wissen wollen, können Sie zum Königreichssaal kommen und sie selbst aufschreiben.“ Das akzeptierten sie. Er wußte allerdings, daß keine Gefahr bestand, weil seit einiger Zeit im Königreichssaal keine Zusammenkünfte mehr stattfanden. Sie wurden von den Gruppen, die jeweils zu einem Versammlungsbuchstudium gehörten, in Privatwohnungen abgehalten.

„Was ist mit Samuel Hans-Moévi? Kennen Sie ihn? Ist er nicht einer von euch?“ Diese Frage erschreckte Bruder Prosser. In Bruder Hans-Moévis Haus waren in zwei alten, abgenutzten Koffern die Unterlagen der Gesellschaft versteckt. Darin standen die Namen vieler Brüder. Hatte die Polizei die Unterlagen etwa schon gefunden? Bruder Prosser gelang es, nach außen hin ruhig zu wirken, während er von ganzem Herzen Jehova im stillen um Führung bat.

Schließlich ging die Vernehmung zu Ende. Bruder Prosser hatte keine Namen verraten und war unversehrt. Er wurde freigelassen und durfte allein weggehen. Ein paar Jahre später sagte Bruder Prosser in Erinnerung an diesen Augenblick: „Mein erster Gedanke war: ‚Wie kann ich meinen Brüdern helfen?‘ Dann dachte ich: ‚Sei vorsichtig! Vielleicht ist es eine Falle. Es kann sein, daß sie vorhaben, mir zu folgen in der Hoffnung, ich führe sie zu den Brüdern.‘ “

Weiter erzählte er: „Statt direkt nach Hause zu fahren, überquerte ich die Brücke in Richtung Stadt, um zu sehen, ob auf dem Postamt etwas für uns eingetroffen war. Ich wollte nichts tun, was die Brüder in Schwierigkeiten bringen konnte. Aber ich hatte den sehnlichen Wunsch, sie zu sehen, um ihnen zu versichern, daß es uns gutging, und einige Anleitungen für die nächste Zeit zu geben.

Ich machte mich auf den Heimweg und fragte mich die ganze Zeit über, wie ich mit den Brüdern Kontakt aufnehmen könnte. Plötzlich kam ein heftiger Wind auf, und es setzten sintflutartige Regenfälle ein. Ohne Vorwarnung raste ein Motorrad an mir vorbei, auf dem zwei Leute saßen. Ich fragte mich, wer das sein mochte, denn auf der schmalen Brücke war es gefährlich zu überholen, noch dazu bei strömendem Regen. Als das Motorrad nun vor mir fuhr, drehte sich der Beifahrer um und hob den Helm, so daß ich ihn erkennen konnte. Zu meinem Erstaunen war es ein Mitglied des Zweigkomitees und der Fahrer ebenfalls. Ich hatte sie tagelang nicht gesehen, weil wir im Bethel und Missionarheim unter Arrest standen.

Es schüttete weiter wie aus Eimern, und die meisten Leute rannten irgendwohin, wo sie sich unterstellen konnten. Ich fuhr auf der Brücke weiter, dann vorbei an der Straße, die zu unserem Haus führte, und wartete am Straßenrand. Ich betete und wartete in der Hoffnung, meine Brüder zu sehen — vielleicht zum letztenmal.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis das Motorrad mit den beiden Brüdern schließlich neben mir anhielt. Es war ein idealer Zeitpunkt für ein Gespräch, denn bei dem strömenden Regen war niemand in der Nähe. Ich sagte den Brüdern, daß die Unterlagen der Gesellschaft auf Grund dessen, was die Polizisten bei der Vernehmung gesagt hatten, an einen anderen Ort gebracht werden müßten. Wir sprachen auch über Fragen, die die Sonderpioniere betrafen, darüber, daß die Kreisaufseher rasch alle Versammlungen besuchen sollten, um sie über die Geschehnisse zu informieren, und daß die Zusammenkünfte in kleinen Gruppen in Privatwohnungen fortgesetzt werden müßten. Mit ziemlicher Sicherheit würde sehr bald ein Verbot erlassen werden.“

Durchsuchung des Bethels und Missionarheims

Am Dienstag, den 27. April wurde das Bethel und Missionarheim nachmittags von Soldaten umstellt. Sie trugen automatische Waffen. Ein Soldat war am Eingang aufgestellt, ein anderer am Hinterausgang und wieder andere im Garten. Alle Missionare wurden aufgefordert, in den Speisesaal hinunterzugehen. Gewehre waren auf sie gerichtet. Einer nach dem anderen wurde in sein Zimmer gebracht, wo die Soldaten eine Durchsuchung vornahmen, weil sie dachten, sie würden sicher auf Beweise stoßen, daß die Missionare amerikanische Spione oder ausländische Revolutionäre seien. Die Soldaten marschierten in Margarita Königers Zimmer und begannen mit der Suche. Aha! Jetzt hatten sie Belastungsmaterial in den Händen — dachten sie. Sie nahmen eine Kopie des Testaments von Schwester Königers Vater, das er in Deutsch aufgesetzt hatte, an sich. Sie waren überzeugt, daß es sich um eine verschlüsselte Nachricht handelte. In Peter Pompls Zimmer fanden sie etwas, was sie für eine geheime Formel hielten. Es war allerdings nur ein Rezept, das er wegen einer Pilzerkrankung an den Fußnägeln erhalten hatte.

Das Zimmer von Carlos und Mary Prosser wurde als letztes durchsucht. In einem Koffer fanden die Soldaten eine große Geldsumme. Das Geld war zwei Tage vorher vom Bankkonto der Gesellschaft abgehoben worden, weil man befürchtete, das Konto würde gesperrt werden. Da alle Missionare seit einiger Zeit unter Arrest standen, hatten sie das Geld nicht aus dem Gebäude schaffen können. Aus irgendeinem Grund hatten die Soldaten, als sie es fanden, geradezu Angst davor, es anzufassen, und taten es schnell wieder in den Koffer. Später wurde der gesamte Betrag unangetastet zum Zweigbüro in Lagos (Nigeria) gebracht.

Schwester Prosser erzählte: „Ein Soldat sagte zu mir: ‚Sie sind schon lange hier. Bestimmt kennen Sie die Namen einiger, die in Ihrer Gemeinde die Aufsicht haben.‘ Ich antwortete: ‚Sie wissen ja, wie das hier ist. Niemand wird mit seinem vollen Namen angesprochen. Wir kennen sie als Papa Emmanuel oder Mama Eugenie und so weiter. Ich weiß wirklich nicht, wie sie alle ihren Namen schreiben.‘ Der Soldat konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und sagte: ‚Sie sind tatsächlich schon lange hier!‘ “

Dann fuhr Schwester Prosser fort: „Uns fiel auf, daß einer der Männer aufgehört hatte zu suchen und nur dasaß. Sein Kommandeur merkte das und befahl ihm, mit der Arbeit weiterzumachen. Seine Erwiderung ging uns zu Herzen. Er blickte auf und sagte: ‚Ich kenne Herrn und Frau Prosser seit vielen Jahren, und sie haben oft bei mir zu Hause mit mir über die Bibel gesprochen. Wie kann ich jetzt hierherkommen und ihr Zimmer durchsuchen?‘ “

Die Soldaten beendeten die Durchsuchung im Zimmer der Prossers und gingen nach unten. Sie hatten nichts Belastendes gefunden. Die meisten der Missionare hatten in der Nacht mehrere Stunden damit zugebracht, aus irgendwelchen Ordnern, die sich noch im Zweigbüro befanden, die Namen auszuschneiden. Das Papier wurde dann entweder in der Toilette hinuntergespült oder verbrannt. Bei der Durchsuchung fiel einem der Beamten ein schwelender Haufen im Garten auf, und er fragte danach. „Ja, da verbrennen wir unseren Müll“, erklärte Bruder Prosser. Beiden, dem Beamten und Bruder Prosser, war klar, daß wichtige Unterlagen verbrannt worden waren.

„He, sieh mal einer an!“ rief einer der Soldaten bei der Durchsuchung der Versandabteilung. Die Soldaten hatten das Tonband und das Skript eines biblischen Dramas gefunden, das auf einem Bezirkskongreß aufgeführt worden war. Sie waren überzeugt, daß es sich bei den Namen um Schlüsselfiguren in der Organisation handelte. Schadenfroh nahmen sie das Band und das Skript als Beweismaterial mit.

Zur Sûreté Nationale

Die Soldaten befahlen den Missionaren, ihren Paß zu holen und zur Sûreté Nationale mitzukommen, einer Abteilung des Innenministeriums. Man las ihnen den Ausweisungsbescheid vor. Die Missionare sollten sofort bis zur Grenze gefahren und deportiert werden, ohne nach Hause zurückkehren und ihre Habseligkeiten holen zu dürfen. Glücklicherweise war es mittlerweile spät, und die meisten Polizeibeamten waren heimgegangen. Da niemand mehr zurückgeblieben war, der die Missionare zur Grenze bringen konnte, sollten sie nach Hause gehen und um 7 Uhr morgens zur Abreise bereit sein.

„Als wir zu Hause ankamen“, erzählte Bruder Prosser, „war es nach 20 Uhr. Wir stellten uns auf eine schwere Nacht ein. Tausende von Revolutionären hatten unser Heim umstellt, riefen politische Parolen, urinierten gegen die Wand und beschimpften uns. Das ging die ganze Nacht so. Wir schliefen nur wenig, wenn überhaupt, weil wir nicht wußten, was die wütende Meute draußen vorhatte. Einige fragten sich insgeheim, ob ihnen in der Nacht etwas zustoßen würde und ob sie den nächsten Tag überhaupt noch erleben würden. Die Schwestern brachen nicht weinend zusammen, sondern hielten sich damit beschäftigt, zu packen und sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Dank dem Schutz Jehovas drangen die Revolutionäre nicht in das Gebäude ein, und niemand kam zu körperlichem Schaden. Doch die psychische Belastung und Zermürbung war eine Prüfung, die wir nur mit der Unterstützung Jehovas ertragen konnten, indem wir beteten und uns gegenseitig aufmunterten.“ Auch in den folgenden Stunden war es äußerst wichtig, einander zu helfen und auf Jehova zu vertrauen.

Der letzte Tag in Benin

Gegen 6 Uhr drangen die ersten Strahlen der Morgensonne durch die Wolken und kündigten den neuen Tag an. Es war der 28. April — ein Tag, der nicht so schnell in Vergessenheit geraten sollte. Wie gewöhnlich versammelten sich die Missionare um 7 Uhr am Frühstückstisch, um einen Bibeltext zu betrachten. Es war ganz sicher kein Tag, an dem man das Studium des Wortes Gottes vernachlässigen durfte. Alle Missionare wußten, daß sie besonders viel Kraft brauchten, um den Tag überstehen zu können.

Theophilus Idowu, ein Nigerianer, der vor Jahren die Sprache Gan gelernt hatte, diente als Übersetzer im Zweigbüro, wohnte aber nicht dort. Er hatte das Geschehen von draußen genau mitverfolgt. Da niemand hinein- oder herausgelassen wurde, hatten die Missionare kein Brot zum Frühstück. Bruder Idowu wußte das und ging deshalb in eine Bäckerei, kaufte Brot und stellte sich dem Soldaten am Eingangstor des Bethels als der Brotlieferant vor. Er trug alte, zerschlissene Kleidung und hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, damit ihn keiner der Umstehenden erkannte. Die Wache ließ ihn hinein. Wie ermutigend es doch für die Missionare war, das freundliche Gesicht ihres lieben Bruders Idowu noch einmal zu sehen! Diese einfache Geste verlieh der Bitte „Gib uns heute unser Brot für diesen Tag“ eine neue Bedeutung (Mat. 6:11). Die Missionare erkannten, daß Jehova seine Hand im Spiel hatte, und das stärkte sie.

„Bum! Bum! Bum!“ Jemand hämmerte gegen das Haupttor. Als die Besprechung des Tagestextes begann, herrschte draußen große Unruhe. Der Distriktleiter und andere Revolutionäre hatten vor dem Grundstück einen Fahnenmast aufgestellt zum Zeichen, daß das Gebäude jetzt „dem Volk gehörte“. Die Missionare sollten nach draußen kommen und am feierlichen Hissen der Fahne teilnehmen. Sie wußten nicht, ob man sie gewaltsam herausholen würde, aber sie waren alle entschlossen, die Teilnahme zu verweigern. Paul Byron, einer der Missionare, sagte: „Sie müßten mich schon mit Gewalt hinauszerren.“ Seine Äußerung bestärkte die anderen Missionare in ihrer Entschlossenheit. Aus irgendeinem Grund — vielleicht weil Jehova es verhinderte — zwangen die Soldaten die Missionare nicht hinauszugehen. So blieben ihnen noch ein paar Minuten, um die Besprechung des Tagestextes zu beenden.

Nach dem feierlichen Hissen der Fahne befahlen die Offiziere den Missionaren, ihre persönliche Habe nach unten zu bringen. Die Sachen wurden gründlich durchsucht. Sie durften nur das mitnehmen, was sie in die Koffer gepackt hatten. Alles, was sie sonst noch besaßen, mußten sie zurücklassen. Soldaten führten Bruder Prosser zu den verschiedenen Bethelräumen, damit er die Türen verschloß, und verlangten dann die Schlüssel. Das Zweigbüro war enteignet. Einige einheimische Brüder standen außerhalb und beobachteten die Szene schweren Herzens aus der Ferne. Ihre innig geliebten Missionare mußten das Heim verlassen und wurden wie Verbrecher von bewaffneten Männern abgeführt.

Die Ausweisung

Die Missionare wurden erneut zur Sûreté Nationale mitgenommen, und man stellte für sie alle die Ausweisungspapiere aus. Alle außer Margarita Königer und Gisela Hoffmann wurden wieder in den Lastwagen der Gesellschaft gedrängt, um zur nigerianischen Grenze gefahren zu werden. Schwester Königer und Schwester Hoffmann wurden später zur Grenze nach Togo gebracht.

Der bewaffnete Beamte, der mit der Mehrzahl der Missionare in dem Wagen fuhr, war äußerst angespannt. Er war überzeugt, gefährliche Verbrecher an die Grenze zu bringen. Zwischendurch gab er die Erlaubnis anzuhalten, um den Wagen aufzutanken. Der junge Tankwart, der das Fahrzeug der Gesellschaft erkannte, fragte, was denn der ganze Aufruhr zu bedeuten habe. „Wir sind Missionare und werden ausgewiesen, weil wir das predigen, was die Bibel sagt“, erklärte einer der Missionare traurig. „Macht euch keine Sorgen. Eines Tages seid ihr wieder da“, entgegnete der junge Mann. Seine Worte bewahrheiteten sich, allerdings noch nicht so bald.

Unter Verbot

Die beninische Zeitung Ehuzu verkündete in ihrer Ausgabe vom 30. April 1976 in fetten Lettern: „SEKTE DER ‚ZEUGEN JEHOVAS‘ IN DER VOLKSREPUBLIK BENIN VERBOTEN“. Verfolgung war für Jehovas Volk dort nichts Neues. Satan setzte von Anfang an alles daran, die Wasser der Wahrheit nicht in diese Hochburg der falschen Religion fließen zu lassen.

In den Tagen, Wochen und Monaten nach der Ausweisung der Missionare flohen etliche Brüder — über 600 — mit sehr wenig materiellen, aber vielen geistigen Gütern aus dem Land. Viele Daheimgebliebene, ob jung oder alt, wurden grausam geschlagen. Wieder andere verloren alle Habseligkeiten und ihre Arbeit.

Brüder in hohen Stellungen traf es am härtesten, denn man erwartete von ihnen, am Ende eines Briefes, bei Telefonaten und bei Begrüßungen politische Parolen zu wiederholen, wie zum Beispiel „Bereit für die Revolution?“ oder „Der Kampf geht weiter!“ Apollinaire Amoussou-Guenou leitete eine Klinik im Raum Cotonou. Er weigerte sich mitzumachen, weil er einzig und allein das Königreich Gottes unterstützen wollte. Seine Verwandten baten ihn eindringlich, die Parolen aufzusagen, selbst wenn er nicht dahinterstehe. „Denk an deine Kinder“, mahnte ihn ein junger Neffe. Da Jehovas Diener immer heftiger verfolgt wurden, beschloß er, nach Nigeria zu gehen.

Aus Nigeria schrieb er: „In relativ kurzer Zeit habe ich in materieller Hinsicht alles verloren: Haus, Auto und Arbeit. Hier in Nigeria wohnen wir in einem Rohbau. Es gibt weder Fenster noch Türen, und der Fußboden ist noch nicht zementiert. Meine neun Kinder sind bei mir, und die beiden ältesten haben glücklicherweise Arbeit gefunden. Wir kämpfen gegen Würmer, Moskitos, den Regen und die Kälte an. Ein Bruder hat uns ein kleines Bett gegeben, das wir als Wiege für unser drei Monate altes Baby benutzen. Wir geben uns mit dem, was wir haben, zufrieden und vertrauen weiterhin auf unseren liebevollen Gott, Jehova, der bald jede Träne von unseren Augen abwischen wird.“ Nach dem Erlaß des Verbots gerieten viele Brüder in eine ähnliche Notlage.

„Vorsichtig wie Schlangen“

Diese Zustände konnten der wahren Religion nicht Einhalt gebieten. Immer noch gab es Menschen, die die Befreiung aus religiöser Sklaverei sehr schätzten. Die Versammlungen wurden weiter von Kreisaufsehern besucht, allerdings oft nur für zwei oder drei Tage. Nun mußten die Brüder vorsichtig sein und vorausschauend handeln, um nicht gefaßt zu werden. Die meisten Kreisaufseher trugen schmutzige alte Kleidung und trafen gewöhnlich vor dem Morgengrauen oder nach Sonnenuntergang in einem Ort ein, damit ihre Ankunft nicht auffiel. Für den Fall, daß jemand ahnte, wer sie waren, waren sie jederzeit bereit, schnell in andere Kleider zu schlüpfen. Zacharie Elegbe, der inzwischen in Benin zum Zweigkomitee gehört, kann sich noch gut erinnern, wie er in dieser Zeit die Versammlungen als Kreisaufseher besuchte. „Ich weiß noch, daß ich einmal einen ganzen Tag in einem aus Lehm gebauten Maissilo zugebracht habe, weil Beamte hinter mir her waren“, sagte er. „Ich habe ihre Stimmen gehört, aber sie kamen nicht auf die Idee, in dem Silo nach mir zu suchen. Am Ende des Tages konnte ich fortgehen.“

Damals brauchte man eine Genehmigung vom Rathaus, um eine größere Zusammenkunft abhalten zu können. Jehovas Diener erwiesen sich „vorsichtig wie Schlangen und doch unschuldig wie Tauben“ (Mat. 10:16). Wenn ein Paar heiraten wollte, besorgte man sich bei den örtlichen Behörden eine Genehmigung für die Hochzeitsfeier. Das bereitete in der Regel keine Schwierigkeiten. Der Vorsitzende erklärte zu Beginn des Programms, wie die „zweitägige Feier“ ablaufen sollte. Eine zweitägige Hochzeitsfeier? Ja. In Wirklichkeit war die Feier ein kleiner Bezirkskongreß. Das Brautpaar saß in der ersten Reihe vor den Rednern, und es wurden biblische Ansprachen für die Neuvermählten und die glückliche Zuhörerschaft gehalten. In dem Dorf Hetin besuchten einmal über 600 Personen eine solche „Feier“, und 13 ließen sich taufen. Viele Dorfbewohner äußerten sich über die seltsamen Hochzeitsfeiern der Zeugen Jehovas, noch dazu, als sie von der Taufe hörten. Übrigens bot sich auch bei Beerdigungen die Gelegenheit, Kongresse abzuhalten.

Biblische Literatur gelangte auf verschiedenen Wegen ins Land: in Kanus, auf Fahrrädern oder in Rucksäcken, auf Buschpfaden oder auf irgendeine andere Weise, die sich damals anbot. Nicht alle Beamten leisteten dem Werk heftigen Widerstand. Als 1984 zwei junge Brüder von Nigeria aus in einem mit Literatur vollgepackten Kanu einen Fluß überquerten, wurden sie auf der beninischen Seite von zwei Zollbeamten überrascht. Würden die Schriften beschlagnahmt werden? Würde man die Brüder schlagen und einsperren? „Was ist in den Taschen?“ wollte einer der Zollbeamten wissen. „Biblische Literatur“, antworteten die Brüder. „Lassen Sie mal sehen.“ Die Brüder boten jedem ein Exemplar der Broschüre Für immer auf der Erde leben! an, das sie gern entgegennahmen. „Bringen Sie immer noch Schriften für Jehovas Zeugen hierher?“ Die Brüder erstarrten vor Schreck und wußten nicht, was sie sagen sollten. „Gehen Sie nur weiter“, sagte der Zollbeamte. Die beiden Brüder dankten Jehova im stillen. Solche Vorkommnisse stärkten das Vertrauen der Brüder, daß Jehova ihre Bemühungen segnete, geistige Speise „zur rechten Zeit“ zu beschaffen (Mat. 24:45).

‘Das Wort Gottes ist nicht gebunden’

Die Zeugen Jehovas, die in Benin geblieben waren, konnten nicht aufhören, über die kostbaren Wahrheiten zu sprechen, von denen ihr Herz erfüllt war. So kam es, daß im Leben von Maurice Kodo eine Wende eintrat. Er war Lehrer in Calavi, einem Dorf, das etwa 20 Kilometer von Cotonou entfernt liegt. Früher hatte er gedacht, wenn er ein guter Mensch sei, käme er in den Himmel. Als er jedoch mit Zeugen Jehovas in Berührung kam, erfuhr er aus der Bibel, daß mehr erforderlich ist, um in Gottes Gunst zu gelangen. Ein Cousin stellte ihm einen benachbarten Zeugen Jehovas vor, und als dieser merkte, wie sehr Maurice an der Bibel interessiert war, bot er ihm ohne Umschweife ein kostenloses Heimbibelstudium an. Er und seine Frau begannen, die Bibel zu studieren, und machten rasch Fortschritte. Schon bald wollte sich Maurice am Predigtwerk beteiligen, da er überzeugt war, die Wahrheit gefunden zu haben. Natürlich mußten die Brüder sichergehen, daß er aufrichtig war. Manch einer hatte Interesse vorgetäuscht, nur um sie dann zu verraten. Nicht so Maurice Kodo. Er ließ keine Gelegenheit ungenutzt, mit seinen Verwandten, Freunden und Kollegen über die Wahrheit zu sprechen.

Am 11. Februar 1982 wurden Bruder und Schwester Kodo festgenommen. Sie wurden zusammen mit dem Bruder, der ursprünglich mit ihnen die Bibel studiert hatte, und einem neuinteressierten Mann, mit dem wiederum Bruder Kodo studierte, ins Gefängnis geworfen. Weshalb? Weil sie Zeugen Jehovas waren und mit anderen über Gottes Königreich sprachen beziehungsweise an den Lehren der Zeugen Interesse zeigten. In dem Bericht, den die Behörden abfaßten, hieß es, Jehovas Zeugen seien in dem Dorf Calavi „so emsig tätig wie in einem Bienenstock“. Das mißfiel den Beamten sehr.

Die vier Inhaftierten, zu denen auch Bruder Kodos Frau gehörte, wurden mit Verbrechern der schlimmsten Sorte in dieselbe Zelle gesteckt, wo die unmenschlichsten Bedingungen herrschten. Man sagte ihnen, sie könnten freikommen, wenn sie einfach nur ein Schriftstück unterzeichnen würden, aus dem hervorginge, daß sie keine Zeugen Jehovas mehr seien. Das lehnten die Brüder rundweg ab. Jehova, ihren Gott, konnten sie nicht verleugnen. Sie hatten sich ihm vorbehaltlos hingegeben, und daran gab es nichts zu rütteln. Diese Haltung versetzte die Beamten in Wut, und sie beschlagnahmten alle biblischen Publikationen, die die Brüder in der Zelle hatten.

Die beiden Kinder von Bruder und Schwester Kodo, Nadine (sechs Jahre) und Jimmy (drei Jahre), wurden krank. Schwester Kodo fragte, ob sie nach Hause gehen dürfe, um nach ihnen zu sehen. Die Bitte wurde abgewiesen, aber sie erhielt die Erlaubnis, die Kinder im Gefängnis zu pflegen. Jetzt waren sie zu sechst im Gefängnis.

Wie sollten sie das bevorstehende Gedächtnismahl feiern? Den Brüdern am Ort gelang es, ungesäuertes Brot und Wein für die Feier einzuschleusen. Bruder Kodo erinnert sich: „Es war eigenartig. Während wir das Gedächtnismahl feierten, kam eine gewisse Ruhe über das Gefängnis, so daß unsere Feier nicht gestört wurde.“

Schließlich wurde der für ihre Inhaftierung zuständige Beamte in einen anderen Landesteil versetzt. Der Mann, der seinen Platz einnahm, war ihnen freundlicher gesinnt, und so wurden sie am 26. Mai, dreieinhalb Monate nach ihrer Festnahme, freigelassen.

Vier Jahre später saß Bruder Kodo erneut hinter Gittern — diesmal, weil er sich weigerte, politische Parolen zu rufen. Später erzählte er, wie er seine Zeit weise genutzt hatte: „Ich war im Gefängnis als Hilfspionier tätig. Dieses Mal durfte ich einen ansehnlichen Literaturvorrat behalten, den ich in ‚meinem persönlichen Gebiet‘ gut gebrauchen konnte. Ich predigte den anderen Häftlingen, den Aufsehern und den Polizisten und leitete viele Bibelstudien.“ Obwohl er im Gefängnis saß, war „das Wort Gottes nicht gebunden“ (2. Tim. 2:9).

Rückblickend stimmen die Brüder zu, daß sie in dem Dorf Calavi tatsächlich so emsig tätig waren „wie in einem Bienenstock“. Aus den 4 Verkündigern im Jahr 1982 sind mittlerweile 2 blühende Versammlungen mit über 160 Verkündigern geworden. Seit seiner Taufe hat Bruder Kodo über 30 Personen zur Freiheit verhelfen dürfen — nicht zur Befreiung von Gefängnisketten, sondern von Babylon der Großen, dem Weltreich der falschen Religion.

Ende der 80er Jahre veränderte sich in der Regierung einiges. Keiner wußte so recht, was dabei herauskommen würde. Doch der Sturm der Verfolgung gegen Jehovas Volk begann sich zu legen. In manchen Gegenden konnten sie sogar ganz offen Zusammenkünfte abhalten — allerdings nicht überall.

„Ich bin nur der Vorbote“

Damals ereignete sich etwas, woran zu erkennen war, daß in Benin noch viele dankbar die befreienden Wahrheiten aus Gottes Wort annehmen würden. Pierre Awhanto war entmutigt, als er die religiöse Heuchelei, die Geldliebe und die Unmoral in der Eglise du Christianisme Céleste (Kirche des himmlischen Christentums) beobachtete, der er angehörte. Die Kirche praktizierte zwar Wunderheilungen, aber dadurch wurde sein Kind nicht vor dem Tod bewahrt. „Gott hat deinen Sohn in den Himmel gerufen“, sagte ihm der Pastor. Da ihn diese Erklärung nicht zufriedenstellte und er wegen der Praktiken, die in dieser Kirche geduldet wurden, beunruhigt war, sagte er sich 1973 von ihr los und nahm sich vor, eine eigene Religion zu gründen. Er wünschte sich eine Religion, die von der Heuchelei und den verwerflichen Praktiken, die er bisher beobachtet hatte, frei wäre.

So wurde er zum Gründer und selbsternannten Pastor der Kirche Ayi-Wiwé (Heiliges Herz). 1964 war er mit Zeugen Jehovas in Berührung gekommen. Er bewunderte sie. Er war sich sicher, daß auch er eine Religion ins Dasein bringen könnte, die von Habgier und Unmoral frei wäre wie die der Zeugen Jehovas. Innerhalb kurzer Zeit hatte seine Kirche 2 700 Anhänger in 21 Gemeinden. Er gelangte zu Einfluß und Reichtum.

Eines Tages kam ein Mann zu ihm, um sich heilen zu lassen. Er hatte ein recht hartnäckiges Hautleiden. Pierre Awhanto machte ihn gesund. Der Mann war darüber so froh, daß er ihm dafür ein Haus schenkte.

Allerdings schlichen sich allmählich Unmoral und Habgier in die Kirche ein, also genau das, was Pierre Awhanto veranlaßt hatte, eine eigene Religion zu gründen. Wenn er eine reine Anbetung wünschte — das wurde ihm jetzt klar —, durfte er Jehovas Volk nicht nachahmen, sondern mußte sich ihm anschließen. Er begann, mit Zeugen Jehovas die Bibel zu studieren. Mit der Zeit lehrte er von der Kanzel, was er bei seinem Bibelstudium mit den Zeugen gelernt hatte. Oft beendete er seine Predigten mit einem seltsamen Ausspruch: „Ich bin nur der Vorbote. Die echten Wahrheitsverkünder werden später kommen.“ Viele seiner Zuhörer rätselten, was er wohl damit meinte.

Nachdem er sich entschlossen hatte, zweimal statt einmal wöchentlich mit den Zeugen zu studieren, erkannte er, daß er sich entscheiden mußte. Er rief alle Pastoren seiner Kirche zusammen. Es waren 28 an der Zahl. An Hand der Bibel setzte er ihnen den Unterschied zwischen der wahren und der falschen Religion auseinander. Bei diesem Treffen wurde entschieden, in den Kirchen alle Bilder zu beseitigen und die Talare der Geistlichen abzuschaffen. Darauf wurden die Pastoren angewiesen, Zeugen Jehovas in ihrer Gegend um ein Heimbibelstudium zu bitten. Die Pastoren vieler Gemeinden taten es Pierre Awhanto nach. Mittwochs studierten sie die Bibel, und sonntags stützten sie ihre Predigten auf das Gelernte. Später wurde aus dem Mittwochsstudium das Versammlungsbuchstudium und aus der sonntäglichen Predigt ein öffentlicher Vortrag.

Im Jahr 1989 berief Pierre Awhanto eine Zusammenkunft aller seiner Anhänger ein. Über 1 000 versammelten sich in Porto Novo. Bei dieser Gelegenheit sagte er zu ihnen: „Erinnert ihr euch, daß ich meine Predigten oft mit den Worten abschloß: ‚Ich bin nur der Vorbote. Die echten Wahrheitsverkünder werden später kommen.‘ ? Jetzt sind sie da: Es sind Jehovas Zeugen!“ Diese Bekanntmachung führte zu einer Frage-und-Antwort-Diskussion, die ungefähr sieben Stunden dauerte. Die Neuigkeit kam nicht bei allen gut an. Einige zogen ihren eigenen Lebensstil vor, der ihnen die Polygamie erlaubte. Dennoch haben sich bis heute allein in Benin über 75 ehemalige Mitglieder der Ayi-Wiwé-Kirche taufen lassen, und etwa 200 weitere studieren die Bibel und arbeiten auf dasselbe Ziel hin. Viele von ihnen lernen überdies lesen und schreiben.

Was Pierre Awhanto betrifft, er ließ sich im Juni 1991 taufen. Er hat alle Verbindungen zu seiner früheren Religion formell abgebrochen. Acht seiner Kirchen sind zu Königreichssälen umfunktioniert worden. Und wie steht es mit dem Haus, das ihm der geheilte Mann geschenkt hatte? Bruder Awhanto gab es ihm zurück. Verständlicherweise war der Mann äußerst erstaunt. Bruder Awhanto erklärte ihm, er wisse jetzt, nachdem er die Wahrheit gefunden habe, daß irgendeine Heilung, die er vollbracht habe, nicht auf Gottes Macht, sondern auf die der Dämonen zurückzuführen sei.

Wie ermutigend ist es doch, zu beobachten, daß Menschen — noch dazu in großer Zahl — von religiösem Irrtum befreit werden und „zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim. 2:4). Auch können sie sich jetzt ungehindert versammeln, um aus Gottes Wort belehrt zu werden.

Ein unvergeßlicher Tag

Am 24. Januar 1990 reisten zwei Brüder aus Benin mit einem wichtigen Dokument in den Händen nach Lagos (Nigeria). Sie wollten den nigerianischen Zweig, der sich in den schwierigen Jahren um das Werk in Benin gekümmert hatte, davon in Kenntnis setzen, daß die Verordnung Nr. 004 vom 23. Januar 1990 die frühere Verordnung (Nr. 111 vom 27. April 1976), die das Werk der Zeugen Jehovas in der Republik Benin verboten hatte, für null und nichtig erklärte. Jehovas Zeugen hatten endlich die gesetzliche Freiheit, öffentlich zu predigen und christliche Zusammenkünfte abzuhalten. Wie sollten die einheimischen Zeugen davon unterrichtet werden?

Man plante eine Zusammenkunft in Cotonou. Allerdings gaben die Brüder, die sie veranstalteten, nicht den Grund dafür bekannt. Die einheimischen Zeugen wunderten sich, weshalb sie in einen öffentlichen Saal mitten in Cotonou eingeladen wurden. Als sie eintrafen, waren sie erstaunt, ein großes Transparent zu sehen, mit dem Jehovas Zeugen willkommen geheißen wurden. „Wie kann das sein? Wir stehen unter Verbot“, dachten viele Brüder. „Ob das eine Falle ist?“ fragten sich einige.

Die Zusammenkunft sollte um 10 Uhr beginnen, aber um 9 Uhr waren schon alle Plätze besetzt. Im Saal waren zwei große Transparente aufgespannt. Auf einem standen die Worte aus Offenbarung 4:11: „Du bist würdig, Jehova, ja du, unser Gott, die Herrlichkeit und die Ehre ... zu empfangen.“ Auf dem anderen war Psalm 144:15 zu lesen: „Glücklich ist das Volk, dessen Gott Jehova ist!“

Gleich zu Beginn der Zusammenkunft verkündete der Vorsitzende, daß laut dem Dokument, das er in den Händen halte, „die Regierung das Verbot unseres Werkes aufgehoben hat“. Bruder Olih, ein Mitglied des nigerianischen Zweigkomitees, berichtet über seine Eindrücke: „Die Bekanntmachung wurde mit solchem Applaus aufgenommen, daß das Gebäude, wenn es nicht stabil gebaut gewesen wäre, unter der Lawine des donnernden Beifallssturms eingestürzt wäre. Plötzlich verstummte der Beifall, als ob die Anwesenden sich die Worte noch einmal vergegenwärtigen wollten. Dann setzte er erneut ein und hielt einige Minuten an. Der Vorsitzende wies auf Psalm 126 hin, konnte ihn aber wegen des Applauses nicht vorlesen. Eine ganze Anzahl von uns, darunter auch der Vorsitzende, hatten Tränen in den Augen. Es war wie bei einer Auferstehungsszene, als sich die Brüder einander zuwandten und sich dankbar und voller Freude die Hände drückten.“

In den anschließenden Vorträgen wurden die Brüder für ihr Ausharren während des 14jährigen Verbots gelobt. Jetzt sei nicht die Zeit, bittere Tränen zu vergießen, sondern aufzubauen und die neugewonnene Freiheit weise zu nutzen. Beispielsweise könne man Pionier werden, sofern es die Umstände erlaubten, oder nach anderen Dienstvorrechten in der Versammlung streben. Es sei wichtig, weiterhin auf Jehova zu vertrauen, der seinem Volk den Sieg geschenkt habe. Die Zusammenkunft dauerte vier Stunden ohne Unterbrechung, aber den Anwesenden kam es wie wenige Minuten vor.

Der letzte Redner erwähnte, daß die Brüder, wenn sie sich vor einigen Tagen auf der Straße begegnet wären, aufgepaßt hätten, sich nicht gegenseitig zu verraten. Doch nun wurden sie aufgefordert, die verlorene Zeit nachzuholen und freimütig aufeinander zuzugehen. Etwa zwei Stunden nach dem innigen Schlußgebet standen noch viele Zeugen vor dem Gebäude, umarmten und küßten sich und frischten Bekanntschaften auf. Die Religionsfreiheit ließ die Herzen höher schlagen. Aber wie würden die Brüder ihre Freiheit nutzen?

Die Freude, sich zur Anbetung versammeln zu können

Königreichssäle mußten gereinigt, gestrichen und renoviert werden, um sie in einen brauchbaren Zustand zu bringen. Die Brüder stellten bereitwillig Zeit und Mittel zur Verfügung, damit die Arbeit getan wurde. Die Gesellschaft sorgte außerdem dafür, daß die Kreisaufseher in einem kurzen Zeitraum alle Versammlungen für zwei oder drei Tage besuchten. Es war eine Reorganisierung im Gange.

Was für eine Freude es doch war, zu sehen, wie ganze Familien wieder zu den Königreichssälen strömten. Die Zahl der Anwesenden bei den Zusammenkünften ist oft zwei- bis dreimal so hoch wie die Zahl der Verkündiger. Viele kommen mit dem Fahrrad, einige mit dem Motorrad und andere mit dem Einbaum. Wieder andere, die zu Fuß gehen, lassen sich von der mehrere Kilometer langen Strecke nicht abschrecken. Die Mutter bindet das Jüngste mit einem Tuch auf dem Rücken fest. Die größeren Kinder kümmern sich um die kleineren. Oft trägt der Vater die kostbaren Bücher, die für die Zusammenkunft gebraucht werden — kostbar, weil Jehova dadurch Belehrung vermittelt und auch weil jedes der großen Bücher unter Umständen einen ganzen Tagelohn darstellt.

Mit der Zeit ging alles, was während des Verbots enteignet worden war, an die rechtmäßigen Besitzer zurück: sämtliche Königreichssäle, das Missionarheim in Porto Novo und das Zweigbüro in Cotonou. Unverzüglich wurden die dringendsten Renovierungsarbeiten am Zweigbüro und an dem Heim in Porto Novo vorgenommen. Im August 1990, also nicht einmal einen Monat nach Rückgabe des Zweigbüros, fand dort auf dem Grundstück der Gesellschaft ein Kongreß statt, zu dem ungefähr 2 000 Besucher kamen. So konnte jeder sehen, daß Jehovas Zeugen diese Räumlichkeiten wieder für ihr biblisches Schulungswerk benutzten.

Das Zweigbüro in Benin nahm den Betrieb im September 1991 wieder auf, so daß ein engerer Kontakt zu den Brüdern möglich wurde und ihren geistigen Bedürfnissen besser abgeholfen werden konnte.

Eifrig Zeugnis für die Wahrheit abgelegt

Jehovas Zeugen in Benin wollten die gute Botschaft in der gleichen Weise predigen wie ihre Brüder in anderen Ländern auch. In den 14 Jahren des Verbots hatten sie zumeist informell Zeugnis gegeben. Selbst manche Älteste hatten noch nie von Haus zu Haus gepredigt. Doch es brauchte nur ein wenig Ermunterung und Unterweisung, und sie machten sich daran.

In Benin ist das Zeugnisgeben nicht schwer. Im allgemeinen ist die Bevölkerung der Bibel sehr zugetan. Die Leute bieten den Zeugen oft eine Sitzgelegenheit an und hören aufmerksam zu. Wenn Zeugen Jehovas von einem Haus zum nächsten gehen, kommt es nicht selten vor, daß ihnen ein Radfahrer zuruft und nach den neusten Ausgaben des Wachtturms und des Erwachet! fragt.

Häufig wohnen viele Angehörige derselben Familie in Hütten, die einen gemeinsamen Hof haben. Respektvoll bittet der Zeuge Jehovas als erstes darum, mit dem Familienoberhaupt sprechen zu dürfen. Danach spricht er bei den erwachsenen Söhnen und ihren Familien vor.

Aus Wertschätzung für alles, was Jehova für sie getan hat, nahmen Hunderte nach der Aufhebung des Verbots den Pionierdienst auf. Die Zahl der Sonderpioniere, der allgemeinen und der Hilfspioniere lag 1989 bei 162; 1996 waren es 610.

Was für einen Widerhall findet ihre Tätigkeit? Ein Sonderpionierehepaar wurde an einen Ort gesandt, wo es keine Zeugen Jehovas gab. Nach wenigen Monaten stand die Feier zum Gedenken an den Tod Christi vor der Tür. Die interessierten Personen am Ort erfuhren, daß das Gedächtnismahl normalerweise in einem Königreichssaal stattfindet, den es dort allerdings noch nicht gab. Einer der Interessierten ging zu einem Mann, der ein großes Stück Land besaß, und fragte ihn, ob man einen Teil davon roden dürfe, um einen Königreichssaal zu bauen. Der Mann hatte eine gute Meinung vom Werk der Zeugen Jehovas und erklärte sich einverstanden. Nach ein paar Tagen hatten die beiden Sonderpioniere und die interessierten Personen das Land gerodet und einen schönen Königreichssaal mit Wänden aus verflochtenen Palmzweigen und einem Strohdach gebaut. An der Vorderseite hatte er zwei Bogen aus Palmzweigen, die mit Blumen geschmückt waren. Als eine ortsansässige Wodupriesterin zum Widerstand aufhetzen wollte, sagten die Dorfältesten zu ihr: „Das Land dieses Dorfes gehört Ihnen nicht. Wir möchten, daß Jehovas Zeugen bleiben. Wenn die Zeugen gehen, werden Sie auch gehen!“ Danach verursachte sie keine Schwierigkeiten mehr. Zum Gedächtnismahl kamen 110 Besucher, von denen nur die Sonderpioniere getaufte Zeugen waren.

Kongreßgebäude

Kurz nach Aufhebung des Verbots wurden in Calavi, einem Dorf unweit von Cotonou, 5 Hektar Land erworben, und später kam noch ein angrenzendes 4 Hektar großes Grundstück hinzu. Es handelt sich um das Dorf, in dem einige Brüder inhaftiert wurden, weil die Beamten sagten, Jehovas Zeugen seien in der Gegend „so emsig tätig wie in einem Bienenstock“. Das traf inzwischen um so mehr zu. 1990 konnte Jehovas Volk dort in Freiheit und auf eigenem Grund und Boden einen Kongreß abhalten.

Aber wie sollte man ein Kongreßgebäude für 4 000 Personen errichten, das die Brüder finanzieren könnten? Sie bauten es in einem Stil, der für Jehovas Zeugen in Westafrika typisch ist. Mehrere Brüder gingen in den Busch und schnitten Bambus und Kokospalmblätter ab. Aus den Bambuspfählen machten sie Sitzbänke. Sie trieben in Abständen von 1,20 Meter Pfosten in den Boden, die etwa 50 Zentimeter herausragten. Das waren die Beine der Sitzbänke. Zwei längere Bambusstangen wurden über die Pfosten gelegt und festgebunden. Voilà! Sitzgelegenheiten für 15 Personen. Größere Bambuspfähle dienten als Stütze für die Dachkonstruktion, und die Palmblätter wurden verflochten und zum Dachdecken benutzt. Eine solche Konstruktion ist zwar nicht wasserdicht, aber sie schützt alle vor der heißen afrikanischen Sonne, und es läßt sich darunter recht gut aushalten.

Später wird hier ein neues Zweiggebäude entstehen sowie ein stabilerer, an den Seiten offener Kongreßsaal.

Missionare kehren zurück

Ungefähr drei Monate nachdem das Verbot aufgehoben worden war, erließ die Regierung eine weitere Verordnung. Damit wurde eine frühere Verordnung hinfällig, die 1976 zu der Ausweisung der Missionare geführt hatte, und es hieß, Jehovas Zeugen seien nun frei, ihr Missionswerk in Benin fortzusetzen.

Auf diesen Amtserlaß hin wurden im November 1990 erneut Missionare nach Benin gesandt. Tab und Janis Honsberger, die in Dakar (Senegal) gedient hatten, kamen nach Benin zurück. Michel Müller und seine Frau Babette sowie Claude und Marie-Claire Buquet trafen wenige Tage später ein. Sie hatten zuvor auf Tahiti gepredigt.

Bruder Honsberger erzählt: „Als wir in unserem neuen Gebiet zum erstenmal von Haus zu Haus predigten, waren wir von der Reaktion der Leute angenehm überrascht. Sie hießen uns erneut in Benin willkommen. Ein Mann sagte, mit dem Land sei es bergab gegangen, als die Missionare der Zeugen Jehovas vor Jahren abreisten.“ 14 Jahre zuvor hatte ein junger Tankwart gesehen, wie die Missionare ausgewiesen wurden. Er sagte damals: „Macht euch keine Sorgen. Eines Tages seid ihr wieder da.“ Seine Worte haben sich bewahrheitet, die Missionare sind zurückgekehrt.

Bruder Buquet bezeichnet Benin als Paradies für Missionare, weil viele Beniner eine tiefe Liebe zu Gott und zur Bibel haben. Viele der mehr als 50 Missionare, die zur Zeit in Benin dienen, sind auf der Straße schon einmal von jemandem angehalten worden, der um ein Bibelstudium bat oder eine tiefgründige biblische Frage stellte.

Die Freiheit weise genutzt

Vor vielen Jahren wurden Beniner als Sklaven verkauft und nach Übersee verschifft. So schrecklich das auch war, besteht doch bis auf den heutigen Tag eine andere Art der Sklaverei fort, die von der falschen Religion herrührt. Sie hält Herz und Sinn von Menschen gefangen, die sich womöglich für frei halten. Mitunter ruft sie größere Furcht hervor als die Peitsche eines Sklaventreibers.

In Benin sind Tausende von solchen Fesseln befreit worden und sind nun freudige Zeugen für Jehova. Sie wissen auch, was es bedeutet, als Nachahmer Christi „kein Teil der Welt“ zu sein. Dadurch erfreuen sie sich der Freiheit von der Sklaverei unter dem „Herrscher dieser Welt“, von dem Jesus sagte, er könne ihm nicht beikommen (Joh. 12:31; 14:30; 15:19). Die Jahre heftiger Verfolgung, die Jehovas Zeugen in Benin durchlebten, brachten sie nicht in die Sklaverei zurück. Ihnen waren die Worte Jesu Christi wohlbekannt: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15:20). Auch wußten sie, daß der Apostel Paulus geschrieben hatte: „Alle, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus in Gottergebenheit leben wollen, [werden] auch verfolgt werden“ (2. Tim. 3:12). Obschon sie eine Zeitlang nicht die Freiheit hatten, sich in der Öffentlichkeit zur Anbetung zu versammeln oder Zeugnis zu geben — einige kamen sogar ins Gefängnis —, hatten sie doch nach wie vor Freiheiten, die ihnen kein Mensch nehmen konnte.

Nun sind etwa sieben Jahre verstrichen, seitdem das Verbot aufgehoben wurde und Jehovas Zeugen die rechtliche Anerkennung zurückerhielten. Haben die beninischen Brüder ihre Freiheit weise genutzt? Kurz bevor das Verbot erlassen wurde, waren in diesem Land ungefähr 2 300 Königreichsverkündiger tätig. Inzwischen sind es mehr als doppelt so viele. Die Zahl der Vollzeitdiener hat sich mehr als verdreifacht. Viele nehmen die Einladung an, „Wasser des Lebens kostenfrei“ zu nehmen (Offb. 22:17). Wenn die Versammlungen die Feier zum Gedenken an Christi Tod begehen, schließt sich ihnen eine große Zahl interessierter Personen an, so daß die Besucherzahl mehr als viermal so groß ist wie die Zahl der Zeugen. Ganz offensichtlich muß noch viel getan werden, um diesen Interessierten zu helfen, alles, was Jesus geboten hat, anzuerkennen und in ihrem Leben anzuwenden (Mat. 28:19, 20).

Freilich gibt es viele Schwierigkeiten zu bewältigen, solange das alte System der Dinge noch besteht. Dennoch ist es herzerfreuend, die Versammlungen der Diener Jehovas in Benin zu besuchen und mit eigenen Augen die Freiheit zu sehen, die Gottes Wort den Menschen hier bereits gebracht hat. Da ist zum Beispiel der ehemalige Polygamist in dem Dorf Logou, der sich von einheimischen unbiblischen Traditionen gelöst hat, um in Jehovas Gunst zu stehen, und jetzt nur noch mit einer Ehefrau zusammenlebt. Oder der junge Mann in der Versammlung Togoudo Godomey, dessen Vater ihm äußerst verlockende Bildungschancen bot und in Aussicht stellte, eines Tages Wodupriester zu werden und Haus und Ehefrauen von ihm zu erben, der sich aber statt dessen entschied, Jehova zu dienen. Oder die Schwester in Tori-Cada Zounmé, die früher viele Jahre in einem Wodukloster lebte, aber jetzt allgemeiner Pionier ist. Ein junger Mann, der sich mit Stehlen über Wasser hielt, hat inzwischen die neue Persönlichkeit angezogen und dient als Sonderpionier in Kotan. Ein früherer Militärangehöriger, der Jehovas Diener verfolgte, ist heute allgemeiner Pionier und Dienstamtgehilfe. Sie und mit ihnen viele andere sind fleißig damit beschäftigt, aufrichtigen Menschen zur Befreiung von religiöser Sklaverei zu verhelfen, so wie ja auch ihnen geholfen wurde. Sie wissen aus Erfahrung, daß ‘da, wo der Geist Jehovas ist, Freiheit ist’ (2. Kor. 3:17).

[Ganzseitiges Bild auf Seite 66]

[Bild auf Seite 72]

Nourou Akintoundé kehrte als Pionier nach Benin zurück und half vielen, den Dienst für Jehova aufzunehmen

[Bild auf Seite 80]

Lese- und Schreibunterricht in Sekandji (1996)

[Bild auf Seite 86]

Germain Adomahou gab die Polygamie auf und lebt seither mit seiner ersten Frau Vigue zusammen

[Bild auf Seite 89]

Amasa Ayinla mit seiner Familie, als er Kreisaufseher in Benin war

[Bild auf Seite 90]

Die Missionare Carlos und Mary Prosser, bereit für den Predigtdienst

[Bild auf Seite 95]

Königreichsdienstschule 1975 während einer Zeit politischer Spannungen

[Bild auf Seite 102]

Peter Pompl mit Mary und Carlos Prosser — sie wurden aus Benin ausgewiesen und dienen jetzt in Nigeria beziehungsweise in Kamerun

[Bild auf Seite 115]

Pierre Awhanto, ehemals selbsternannter Geistlicher, ist heute ein ordinierter Diener Gottes

[Bilder auf Seite 116]

Zusammenkunft, bei der die Aufhebung des Verbots verkündet wurde

[Bild auf Seite 118]

Kongreßgelände in Calavi

[Bild auf Seite 123]

Das Zweigbüro in Benin mit dem Zweigkomitee im vergangenen Dienstjahr (von links nach rechts): Zacharie Elegbe, Tab Honsberger, Sourou Hounye