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Paraguay

Paraguay

Paraguay

IM Herzen Südamerikas liegt der Binnenstaat Paraguay. Was bedeutet der Name? Darüber gehen die Meinungen auseinander, doch nach der landläufig verbreiteten Ansicht bedeutet er „Fluß, der aus dem Meer kommt“. Die Indianer in der Region glaubten, bestimmte Gewässer im brasilianischen Sumpfgebiet, wo der Río Paraguay entspringt, seien so groß wie ein Meer. Der Río Paraguay durchfließt das Land von Norden nach Süden und teilt es in zwei Teile. Auf der Ostseite des Flusses erstrecken sich sanfte Hügel, fruchtbare Felder mit rotem Ackerboden und dichte Wälder. Auf der Westseite liegt das dünnbesiedelte Chacogebiet, das aus Savannen, Buschland und ausgedehnten Sumpfgebieten besteht, in denen es von Insekten und farbenprächtigen tropischen Vögeln nur so wimmelt.

Paraguay ist ein Land, in dem die moderne Technik einen starken Kontrast zu der einfachen Lebensweise der Landbevölkerung bildet. Düsenflugzeuge und Nachrichtensatelliten haben die Tür zur Welt des Wissens geöffnet. Hohe Gebäude bestimmen die Silhouette der Hauptstadt Asunción. An der östlichen Landesgrenze, am Río Paraná, liegt Itaipú, ein Wasserkraftwerk, mit dessen Leistung sich kein anderes Kraftwerk in der Welt messen kann.

Im allgemeinen gilt Paraguay als ein spanischsprachiges Land; doch das war nicht immer so, noch trifft es genaugenommen heute zu. Die Ureinwohner waren die Guaraní, ein Indianervolk. Um das Jahr 1520 betraten portugiesische Forscher unter der Leitung von Alejo García als erste Weiße das Land. Im darauffolgenden Jahrzehnt ließen sich die Spanier in der Gegend des heutigen Asunción nieder. Das Land blieb bis zum Jahre 1811 unter der Herrschaft Spaniens, aber Guaraní, eine schöne, melodische Sprache, wurde niemals durch die Sprache der Eroberer ersetzt. Sie ist im heutigen Paraguay die Muttersprache der Mehrheit und gilt neben dem Spanischen als offizielle Landessprache.

Einige Jahrzehnte nach dem Eintreffen europäischer Forscher kamen die Jesuiten, um die Guaraní zum Katholizismus zu bekehren. Damals hatten die Guaraní weder Heiligenbilder noch Tempel. Doch die Jesuiten richteten für die Indianer dörfliche Siedlungen ein, wo man ihnen außer katholischen Bräuchen und Kirchenliedern auch handwerkliche Fertigkeiten beibrachte und sie Berufe erlernen ließ. Mit einem Teil des Erlöses, den die Indianer erwirtschafteten, wurden sie von den Jesuiten mit dem Lebensnotwendigen versorgt. Allerdings nutzten die Jesuiten die Einkünfte auch, um selbst zu Macht und Wohlstand zu gelangen. Das erregte den Neid vieler spanischer Grundbesitzer, die sich schließlich beim spanischen König Karl III. über die zunehmende Macht der Jesuiten beklagten. Diese Beschwerde, die nicht von den Guaraní-Indianern ausging, sondern von den katholischen Kolonisten, war der Hauptgrund dafür, daß die Jesuiten 1767 aus dem spanischen Herrschaftsbereich vertrieben wurden. Doch der von den Jesuiten gelehrte Katholizismus übte weiterhin Einfluß auf das Leben der Menschen aus. Formal hatten sie den katholischen Glauben angenommen, hielten aber vielfach auch an einigen ihrer traditionellen Glaubensansichten fest. Dadurch wurde dem Aberglauben Vorschub geleistet. Mit der Annahme des katholischen Glaubens machte sich im Leben der Menschen auch der mächtige Einfluß der katholischen Geistlichen bemerkbar.

Das religiöse Erbe brachte dem Land keinen Frieden. Kriege haben den Lauf der Geschichte Paraguays stark geprägt und im Leben der Menschen tiefe Narben hinterlassen. Von 1864 bis 1870 kämpfte Paraguay unter Francisco Solano López gegen Brasilien, Argentinien und Uruguay. Der Ausgang des Krieges war verheerend. Gemäß verfügbaren Quellen zählte die Bevölkerung des Landes zu Beginn des Krieges möglicherweise über eine Million. Am Ende des Krieges lebten, wie es heißt, noch etwa 220 000; mindestens 190 000 davon waren Frauen und Kinder. Weitere Kriege folgten. Einer wurde durch einen Streit mit Bolivien ausgelöst, wobei es um das Eigentumsrecht am Chaco ging; andere entstanden durch politische Unruhen. Es dürfte somit kaum überraschen, daß machthungrige Personen in Paraguay häufig zu Gewalt Zuflucht nahmen, um ihre Ziele zu erreichen.

In dieses Land gelangte die gute Botschaft von Jehovas Königreich schon vor 1914 — zunächst durch biblische Traktate, die mit der Post versandt wurden, und ab 1925 wurde die Botschaft dann persönlich überbracht. So gab es nun auch hier Wasser aus einem anderen Fluß, nicht aus dem Río Paraguay oder dem Río Paraná, sondern aus einem „Strom von Wasser des Lebens“, wie überall sonst auf der Erde (Offb. 22:1).

Die Königreichswahrheit erreicht das Land

Juan Muñiz wurde von J. F. Rutherford, dem damaligen Präsidenten der Watch Tower Society, gebeten, von Spanien nach Argentinien überzusiedeln, um das Predigen der guten Botschaft in diesem Teil der Erde zu organisieren und auszudehnen. Am 12. September 1924 traf er in Buenos Aires ein, und bald danach reiste er nach Uruguay und auch nach Paraguay, um die Königreichsbotschaft dort zu verbreiten. Samen der biblischen Wahrheit war gesät worden, doch Fortschritte gab es kaum.

Im Jahre 1932 wurde Paraguay erneut in einen Krieg verwickelt, diesmal mit Bolivien. Und wieder wurde die männliche Bevölkerung der Nation dezimiert. Das wirkte sich nicht nur sehr nachteilig auf die Wirtschaftslage des Landes aus, sondern beeinträchtigte auch die Sicherheit aller Ausländer, die sich gegebenenfalls an der Verkündigung der guten Botschaft beteiligen wollten. Ungeachtet dessen sandte das argentinische Zweigbüro mitten im Krieg — 1934 — drei Zeugen Jehovas nach Paraguay, um aufrichtige Menschen einzuladen, kostenfrei vom „Wasser des Lebens“ zu nehmen. Diese drei waren Bruder Martonfi, Bruder Koros und Bruder Rebacz (Offb. 22:17).

Erbitterter Widerstand von seiten Geistlicher

„Im Oktober jenes Jahres“, so berichtete Bruder Rebacz, „machten wir uns bereit, um ins Landesinnere aufzubrechen. Wir hatten zwei Kartons Literatur dabei, und jeder von uns trug einen Koffer. Von Asunción nach Paraguarí fuhren wir mit dem Zug, und die etwa 30 Kilometer bis Carapeguá, unserem ersten Reiseziel, mußten wir zu Fuß zurücklegen, da es kein Transportmittel gab. In jener Nacht schliefen wir auf der bloßen Erde mit der Literatur neben unserem Kopf. Als wir am nächsten Tag mit dem Predigtdienst anfingen, suchte der Dorfpfarrer die Bewohner auf und wies sie an, uns nicht zuzuhören. Er ritt sogar zusammen mit einem seiner Leute ins nächste Dorf und forderte auch dort die Menschen auf, uns nicht anzuhören, sondern uns aus dem Ort zu jagen, was einige auch versuchten.“

Wegen des Drucks, den der Geistliche ausübte, konnte nur wenig biblische Literatur verbreitet werden, und einige Leute gaben die Literatur sogar wieder zurück. Von Carapeguá aus gingen die Zeugen von einem Ort zum anderen zu Fuß — nach Quiindy, Caapucú, Villa Florída und nach San Miguel. Um nach San Juan Bautista zu gelangen, marschierten sie den ganzen Tag bis Mitternacht, schliefen unter freiem Himmel auf einem Feld und setzten frühmorgens ihren Weg fort. Nach ihrer Ankunft gingen sie als erstes zur Ortspolizei und erklärten ihre Tätigkeit. Die Beamten empfingen die Zeugen mit Respekt. Danach verbrachten die Brüder einen ganzen Tag im Predigtdienst.

Als Bruder Martonfi am nächsten Morgen vor die Hütte trat, die sie gemietet hatten, traute er seinen Augen kaum. Er rief in die Hütte, zu Bruder Rebacz gewandt: „Heute gibt es etwas ganz Neues!“ Die Literatur, die sie tags zuvor verbreitet hatten, war in Stücke gerissen und um die Hütte verstreut worden. Auf einigen Papierfetzen standen Beleidigungen und vulgäre Ausdrücke sowie die Drohung, sie würden den Ort nicht wieder lebend verlassen.

Während des Frühstücks erschien die Polizei und nahm die Brüder fest. Worauf war der Sinneswandel zurückzuführen? Später berichtete Bruder Rebacz: „Als wir nach dem Grund fragten, zeigten die Polizisten uns eine Zeitung, in der man uns beschuldigte, bolivianische Spione zu sein, die sich als Evangeliumsverkündiger ausgegeben hätten. Der Herausgeber der Zeitung war der führende Geistliche des Bezirks.“

Rückkehr nach Asunción

Die beiden Zeugen wurden als Gefangene nach Asunción gebracht. Es war ein langer Fußmarsch. Auf ihrem Weg von einer Polizeistation zur anderen wurden sie stets von einem bewaffneten Wachmann begleitet. Einige Bewohner, die am Straßenrand standen, riefen ihnen Schimpfworte nach und bewarfen sie mit Steinen. Die Polizisten hingegen behandelten die Brüder mit Respekt. Sie meinten sogar, es sei lächerlich, die Brüder für Spione zu halten. Streckenweise luden die Polizisten das Gepäck der Brüder auf ihre Pferde. Ein Polizist ließ Bruder Martonfi sogar auf seinem Pferd reiten, während er selbst zu Fuß ging und sich anhörte, was Bruder Rebacz ihm über das Königreich Gottes erzählte.

Als die Brüder allerdings in Quiindy der Armee übergeben wurden, ging man ziemlich brutal mit ihnen um. Man sperrte sie vierzehn Tage ein, befahl ihnen, sich aufrecht auf Holzstühle zu setzen, und verbot ihnen, sich hinzulegen oder aufzustehen. Man beschimpfte sie und schlug sie mit einer Reitpeitsche. Später, in Paraguarí, legte man ihnen Handschellen an und brachte sie unter Bewachung von 12 Soldaten mit Bajonetten zum Bahnhof. Dort übergab man sie für die Fahrt nach Asunción wieder der Polizei.

In der Hauptstadt waren die Haftbedingungen nicht minder hart. Aber trotzdem konnten sie mit Hilfe der Bibel, die sie noch besaßen, den anderen Gefangenen Zeugnis geben. Nach einer Woche Haft in der Hauptstadt brachte man sie schließlich in das Büro des Polizeichefs. Der Innenminister, Oberst Rivarola, war ebenfalls anwesend. (Wie später bekannt wurde, hatte Oberst Rivarola von den Beschuldigungen erfahren, die, wie in der Zeitung von San Juan Bautista berichtet, gegen unsere Brüder erhoben worden waren, und er hatte die Armeeobersten telegrafisch angewiesen, dafür zu sorgen, daß die Brüder unversehrt in die Hauptstadt zurückgebracht würden.) „Beide Männer brachten ihr Bedauern für das zum Ausdruck, was geschehen war“, berichtete Bruder Rebacz. „Wie sie sagten, sei Paraguay zwar ein katholisches Land, doch es bestehe Religionsfreiheit, und wir seien berechtigt, weiter von Haus zu Haus zu predigen, so, wie wir es getan hätten. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit sollten wir allerdings die Hauptstadt nicht verlassen.“

Als Bruder Muñiz in Buenos Aires von den Vorfällen hörte, wies er die Brüder an, nach Argentinien zurückzukehren und sich bis Kriegsende dort aufzuhalten. Im darauffolgenden Jahr war der Krieg dann zu Ende. Bruder Koros, der sich nicht bei den beiden, die verhaftet worden waren, befunden hatte, blieb hingegen in Asunción.

Paraguays Erstlingsfrüchte

Etwa um diese Zeit lernte einer der Pioniere einen Mann kennen, der ihn um Literatur in Arabisch bat, die er für seinen Schwiegervater, einen Emigranten aus dem Libanon, haben wollte. Auf diese Weise erhielt Julián Hadad ein Buch, das er sehr schätzen lernte. Überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben, begann er, seine Kinder darin zu unterweisen. Außerdem schrieb er an die Gesellschaft und bat um Literatur, die er an seine Nachbarn verteilen wollte. Einige Jahre später kam ein Pionier in San Juan Nepomuceno mit Julián in Kontakt und stärkte ihn im Glauben. 1940 ließen sich die Hadads taufen und waren somit die ersten getauften einheimischen Verkündiger in Paraguay. Seither hatten Julián, einer seiner Söhne und mehrere Enkelkinder die Freude, den Pionierdienst zu verrichten; Julián war sogar bis kurz vor seinem Tod — im Alter von 77 Jahren — als Pionier tätig.

Unterdessen hatte der Chacokrieg Juan José Brizuela veranlaßt, ernsthaft über den Sinn des Lebens nachzudenken. Er war verwundet und von den Bolivianern gefangengenommen worden. Als Kriegsgefangener hatte er viele Witwen wegen ihrer vaterlosen Kinder weinen sehen, und er hatte beobachtet, wie katholische Geistliche bolivianische Soldaten segneten. Er erinnerte sich daran, daß auch er und andere paraguayische Soldaten einen ähnlichen Segen empfangen hatten. „Irgend etwas stimmt da nicht“, sagte er sich. „Wenn es einen Gott gibt, darf so etwas nicht geschehen! Aber sollte Gott wirklich existieren, dann werde ich nach ihm suchen, bis ich ihn gefunden habe.“

Nach dem Krieg traf Julián Hadad in dem Ort Carmen del Paraná den zuvor erwähnten Juan José. Julián half ihm, an Hand der Bibel befriedigende Antworten auf seine Fragen zu finden. Wie der Apostel Paulus vor langer Zeit feststellte, ermöglicht es Gott Menschen, die ihn „tastend fühlen“, ihn auch „wirklich [zu] finden“ (Apg. 17:27). Schnell erkannte Juan José, daß er den wahren Gott, Jehova, gefunden hatte (5. Mo. 4:35; Ps. 83:18). Er ließ sich 1945 taufen und seine Frau Jóvita im Jahr darauf.

Auch an einem Gemüsestand auf dem Markt von San Lorenzo wurde über die biblische Wahrheit gesprochen. Es war kein Zeuge Jehovas, der dort predigte, sondern eine Frau, die sich für das interessierte, was Jehovas Zeugen lehren. Sebastiana Vázquez hörte aufmerksam zu, obwohl sie nicht lesen und schreiben konnte. Damit es ihr möglich war, im Glauben Fortschritte zu machen, lernte sie lesen, und 1942 ließ sie sich als eine Zeugin Jehovas taufen.

Glaubensprüfungen für eine kleine Gruppe

Im Jahre 1939 wurde in Paraguay die erste Versammlung oder Gruppe (wie man damals sagte) gegründet. Es gab nur zwei Verkündiger, doch sie waren eifrig im Predigtwerk tätig. In jenem Dienstjahr berichteten sie insgesamt 847 Stunden Predigtdienst und verbreiteten 1 740 Bücher und Broschüren. Zusammenkünfte fanden in Asunción in einer Wohnung in der Avenida Gaspar Rodríguez de Francia statt (früher: Amambay), zwischen der Antequera- und der Tacuarístraße. Nur 5 oder 6 Personen besuchten die Zusammenkünfte, die in einem Raum von etwa 4 mal 4 Meter Größe abgehalten wurden. Diese Räumlichkeit erfüllte bis 1944 ihren Zweck.

Im darauffolgenden Jahr setzten die Brüder zwei Plattenspieler ein, mit denen sie kurze biblische Vorträge über verschiedene Themen abspielten. Die Geistlichen wurden so wütend, daß sie die Regierung dringend baten, jede weitere Tätigkeit der Zeugen Jehovas zu verbieten. Aber die Zeugen machten weiter. Es war nicht zu leugnen: Diese deutlichen biblischen Vorträge auf Schallplatten verfehlten nicht ihre Wirkung. In den nachfolgenden Jahren wurde von solchen Aufnahmen in verschiedenen Sprachen guter Gebrauch gemacht, um Gemeinden polnischer, russischer, deutscher und ukrainischer Emigranten zu erreichen, die sich im Süden des Landes niedergelassen hatten.

Die Familie Golasik wohnte in einer polnisch-ukrainischen Kolonie in der Nähe von Encarnación. Sie gehörte zu den ersten in dieser Gegend, die die Wahrheit annahmen. Ausgerüstet mit einem Plattenspieler und bibelerklärender Literatur, schwang sich Roberto Golasik auf sein Pferd und gab in den verschiedenen Kolonien Zeugnis. Anfangs fanden die Zusammenkünfte dort einmal monatlich statt, dann zweimal und schließlich jede Woche. Zuweilen waren Personen aus fünf Sprachgruppen anwesend, doch alle erlernten nach und nach die reine Sprache der biblischen Wahrheit (Zeph. 3:9).

Leider blieben nicht alle, die sich damals am Zeugnisgeben beteiligten, auf dem schmalen Weg, der zum Leben führt. Der Aufseher des Literaturdepots der Gesellschaft in Asunción vertrat immer häufiger persönliche Ansichten. Als er sich von Jehovas Organisation lossagte, gaben auch andere den Dienst für Jehova auf. Die Zahl der Königreichsverkündiger sank von 33 im Jahre 1943 auf 8 im Jahre 1944. Was nun? Jehova segnete diejenigen, die sich als loyale Zeugen erwiesen, und die Organisation wurde wieder stärker (Ps. 37:28).

Missionare lernen die Lebensweise Einheimischer kennen

Aus liebevollem Interesse am Wohl der Herde in Paraguay sandte das argentinische Zweigbüro Gwaenydd Hughes dorthin, um die Leitung des Werkes zu übernehmen. Als er aber 1945 eingeladen wurde, die Wachtturm-Bibelschule Gilead zu besuchen, mußten Vorkehrungen für die Einreise von Ieuan Davies und seiner Frau Delia getroffen werden. Dadurch, daß die Beschaffung der nötigen Reisepapiere längere Zeit in Anspruch nahm, kam Hollis Smith, ein Absolvent der Gileadschule, vor ihnen an und konnte so Bruder und Schwester Davies empfangen, als diese Ende 1945 mit einem Flußdampfer in Asunción eintrafen. Einige Tage später landeten Albert und Angeline Lang mit dem Flugzeug; auch sie waren Absolventen der Gileadschule. Später trafen weitere Missionare ein. Man mietete ein Haus, in dem die Missionare untergebracht werden konnten, das aber auch Platz für eine Zusammenkunftsstätte der Ortsversammlung bot. Alle Missionare waren zwar voller Eifer für den Dienst, mußten sich aber zuerst mit der Lebensweise der Menschen vertraut machen.

Wie sie feststellten, waren die Menschen sehr religiös, aber von der Bibel wußten sie nur wenig. Jede Stadt hatte ihren Schutzheiligen; für die meisten war die „Jungfrau Maria“ die Schutzheilige.

Viele der Sitten und Bräuche, die die Missionare kennenlernten, sagten ihnen zu. Auf den Marktplätzen gab es beispielsweise Berge von Obst und Gemüse; Frauen balancierten schwere Lasten in großen Körben auf dem Kopf. In Läden sahen sie sogenannte ñanduti, von Hand gefertigte Spitzen und Borten, so zart und fein wie Spinnengewebe. Außerdem fiel den Missionaren auf, daß die Leute sehr früh mit der Arbeit anfingen, mittags aber alles geschlossen war, damit man in der heißesten Zeit des Tages Siesta halten konnte. Als die Missionare bei den Menschen mit der Königreichsbotschaft vorsprachen, lernten sie es, zuerst in die Hände zu klatschen und auf eine Einladung zu warten, bevor sie den Hof oder Garten betraten. Von der freundlichen, schlichten und herzlichen Art der Bevölkerung waren die Missionare einfach überwältigt. Doch sie mußten es lernen, sich mit den Menschen in ihrer Sprache zu verständigen, und zwar nicht nur in Spanisch, sondern auch in Guaraní.

Im April 1946, kurz nachdem die Missionare eingetroffen waren, erhielten Bruder und Schwester Davies eine neue Zuteilung: Argentinien. Pablo Ozorio Reyes, der die Zusammenkünfte erst wenige Monate besucht hatte, wurde beauftragt, das Wachtturm-Studium zu leiten, obwohl er noch nicht getauft war. Warum so früh? Weil er die Sprache beherrschte und in geistiger Hinsicht bereits gute Fortschritte gemachte hatte. Er hatte es aber mitunter nicht leicht. Später berichtete Bruder Ozorio: „Kurz nach meiner Ernennung zum Wachtturm-Studienleiter mußte ich einen falschen Kommentar richtigstellen. Der Kommentargeber geriet dermaßen in Wut, daß er mich auf der Stelle zu einem Kampf herausforderte. Natürlich ließ ich mich nicht darauf ein; ein Missionar half, die Wogen wieder zu glätten. Es gibt nichts Besseres, als mit etwas Verantwortung betraut zu werden, um an Reife zuzunehmen.“ Leider gab der hitzköpfige Kommentargeber später den Dienst für Jehova auf.

Aufbau der Organisation

Noch bevor das Jahr 1946 zu Ende ging, benötigte man ein größeres Gebäude als Zentrum für die theokratische Tätigkeit. Sechs weitere Missionare waren eingetroffen, darunter William und Fern Schillinger. In der Avenida Mariscal López wurde ein Haus mit einem parkartigen Garten gemietet. Das Gebäude lag direkt gegenüber dem Verteidigungsministerium. Das große Schild mit der Aufschrift „Königreichssaal“ war gut sichtbar am Eingang angebracht, so daß es keiner übersehen konnte, der in diesem Ministerium etwas zu tun hatte.

Am 1. September 1946 gründete die Gesellschaft in Paraguay eine Zweigniederlassung und richtete in dem neu gemieteten Haus das Zweigbüro ein. Mit der verbesserten Organisation nahm aber nicht nur die Intensität des Zeugnisgebens zu, sondern auch der Widerstand. Anscheinend nutzten die Geistlichen die Beichte, um an Informationen heranzukommen und katholische Postboten einschüchtern zu können, damit sie keine Wachtturm-Literatur mehr zustellten.

Im November kam Bruder Hughes aus Argentinien zu Besuch, um die vier kleinen Versammlungen, die es damals gab, zu stärken. Er war ein Gileadabsolvent und hatte den internationalen „Theokratischen Kongreß fröhlicher Nationen“ in Cleveland (Ohio, USA) besucht, auf dem das Programm in 20 Sprachen dargeboten wurde und wo am letzten Tag 80 000 Personen im vollbesetzten Stadion den Vorträgen lauschten. Bruder Hughes konnte also den Brüdern viel vermitteln. Diese Erbauung war nötig, damit sie ihren Dienst trotz Widerwärtigkeiten fortsetzen konnten.

Mitten in der Revolution

Zu Beginn des Jahres 1947 brach eine Revolution aus. Auf dem Bürgersteig vor dem Missionarheim brachten Soldaten der Regierung Maschinengewehre in Stellung. Die Kämpfe dauerten einen Tag, dann kehrte wieder etwas Ruhe ein. Am 7. März wurde es allerdings wieder gefährlich. Es kam zu Straßenkämpfen. Man rief den Ausnahmezustand aus. Das Polizeipräsidium im Zentrum von Asunción wurde von den Rebellen gestürmt.

Da mit einem Angriff auf das Armeehauptquartier gerechnet werden mußte, beschlagnahmte der verantwortliche General das Missionarheim für militärische Zwecke und gab den Brüdern drei Tage Zeit für die Räumung. Auf ein Gesuch hin wurde die Frist auf zehn Tage verlängert. Mitten in einer Revolution und einer Zeit extremer Wohnungsnot führten die Brüder ihren eigenen Feldzug durch: „Operation Wohnungsjagd“. Es hatte den Anschein, als wollte Jehova der Regierung Paraguays deutlich vor Augen führen, daß sie weiterhin mit der Anwesenheit seiner Zeugen rechnen mußte. Denn das einzige Haus, das in Frage kam, befand sich direkt neben dem Wohnhaus des Präsidenten, und zwar in einer Straße, in der viele Botschaften ihren Sitz hatten.

In einem Brief des Zweigaufsehers vom 26. März 1947 hieß es über die Revolution: „Die Lage verschlimmert sich von Tag zu Tag. Während ich schreibe, bombardiert ein Flugzeug einige Kilometer von hier — wie ich annehme — den Flugplatz. Das Flugzeug wird von Flugabwehrgeschützen angegriffen. Hunderte von Soldaten haben rund um das Haus des Präsidenten Stellung bezogen, und der Lärm der Geschütze ist ohrenbetäubend. Die Luft ist vom blauen Rauch des Schießpulvers erfüllt, und der Gestank ist abscheulich. Die Streitkräfte der Revolutionäre sind bereits in unmittelbarer Nähe der Stadt; ständig hören wir das Rattern der Geschütze und das Detonieren der Bomben ... Die Ernährungslage wird täglich kritischer.“

Die Streitkräfte der Revolutionäre hatten sich bis auf zehn Häuserblocks dem Missionarheim genähert, als sie von den Regierungsstreitkräften zurückgeschlagen wurden. Während der ganzen Zeit setzten die Brüder die Zeugnistätigkeit nach bestem Vermögen fort. Die Revolution dauerte ungefähr sechs Monate und war besonders für die einheimischen Brüder eine große Prüfung. Sie wurden von der Regierung hart behandelt, weil sie ihre christliche Neutralität bewahrten.

Das Zusammenkommen nicht aufgeben

Nach Beendigung der Revolution normalisierten sich wieder die Verhältnisse im Land, und so mancher, der nach Argentinien geflohen war, kehrte zurück. Der erste Kongreß in Paraguay war für den 4. bis 6. Juni 1948 geplant. Aber der Teufel sorgte für Unruhe. Am 3. Juni kam es zu einem Militärputsch. Der Präsident und seine Minister wurden festgenommen. In der Hauptstadt herrschte große Verwirrung. Was würde aus dem Kongreß werden?

Versuche, einen geeigneten Saal zu mieten, schlugen fehl; doch Jehova hielt eine andere Lösung bereit. Das frühere Missionarheim gegenüber dem Verteidigungsministerium war unbewohnt, und der Eigentümer erklärte sich bereit, es für den Kongreß an die Brüder zu vermieten. Das Haus lag außerhalb des Stadtzentrums, wo die Unruhen ausgebrochen waren. In dem parkartigen Garten konnte das Kongreßprogramm dargeboten werden, und im Haus konnten Delegierte, die von auswärts gekommen waren, schlafen. Bei der Begrüßung schüttelten sich alle die Hand, wie es in Paraguay üblich ist. Über 100 Personen hörten den Vortrag „Die bevorstehende Freude der ganzen Menschheit“. Welch zeitgemäßes Thema für die Menschen in Paraguay!

Die Polizei hält den Pöbel in Schach

Seitdem Jehovas Zeugen ihr biblisches Schulungswerk in Paraguay durchführen, ist es häufig zu Schwierigkeiten von seiten Geistlicher gekommen. 1948 wollte ein Kreisaufseher in einem kleinen Park der Kleinstadt Yuty in Südparaguay einen öffentlichen Vortrag halten. Der Park lag im Zentrum, direkt gegenüber der katholischen Kirche. Der Ortsgeistliche forderte die Bewohner auf, den Vortrag zu verhindern, denn die Zeugen würden die Kirche spalten und den Leuten ihre Religion rauben. Schon vor Beginn des Vortrags bildete sich vor der Kirche eine große Pöbelrotte. Als die Leute die Zeugen Jehovas — insgesamt 8 — auf der anderen Straßenseite im Park entdeckten, schrien sie: „Weg mit den Protestanten! Weg mit den Protestanten!“ Unterdessen hatten sich etliche eingefunden, die den Vortrag hören wollten, sich aber wegen des Pöbels fürchteten, den Park zu betreten.

Die Polizei brachte vor den Randalierern ein Maschinengewehr in Stellung und erklärte, sie würde schießen, falls jemand die Linie überqueren sollte. Dadurch wurde die Meute so lange in Schach gehalten, bis sich die Brüder aus dem Gebiet zurückgezogen hatten. Da sie die ganze Woche über den Vortrag angekündigt hatten, waren sie nun entschlossen, interessierten Personen die Möglichkeit zu bieten, ihn auch zu hören. Ein einheimischer Zeuge stellte sein Haus dafür zur Verfügung. Am Schluß des Vortrags traf eine weitere Gruppe ein, die ihn ebenfalls hören wollte. So hielt der Kreisaufseher den Vortrag an diesem Tag zweimal. Dort in Yuty traten die „Früchte“ zweier Anbetungsformen klar zutage.

Missionaren droht Ausweisung

Die Behörden von Paraguay haben im allgemeinen religiöse Toleranz bewahrt, obwohl bis 1992 der Katholizismus Staatsreligion war. Wenn es zu Schwierigkeiten kam, dann in der Regel in ländlichen Gegenden, und zwar auf Anstiften von Dorfgeistlichen und ihren fanatischen Anhängern. Allerdings versuchte man Anfang 1950 behördlicherseits, die Missionare der Watch Tower Society des Landes zu verweisen.

Ein neues Gesetz verlangte von allen Einwanderern die Registrierung beim Departamento de Tierras und einen Beschäftigungsnachweis. Doch als sich die Missionare registrieren lassen wollten, sagte man ihnen, das sei nicht möglich, weil sie sich illegal im Land aufhielten und eigentlich verhaftet werden müßten. Anscheinend waren die Behörden über die Tätigkeit der Missionare falsch unterrichtet worden.

Einige Beamte zeigten zwar Verständnis, doch sowohl ihre Bemühungen als auch die der amerikanischen Botschaft schienen vergeblich. In Lateinamerika ist es oftmals nicht so wichtig, wer man ist, sondern wen man kennt. In diesem Fall kannten die Brüder einen Mann, der uns wohlgesinnt war; er arbeitete im Büro des Präsidenten. Durch ihn überreichten sie dem Privatsekretär des Präsidenten eine Einladung zum Mittagessen im Missionarheim. Die Einladung wurde wohlwollend angenommen.

So war es möglich zu erklären, worin die Tätigkeit der Missionare eigentlich besteht und welcher Nutzen sich für das Land daraus ergibt. Man schnitt auch das Problem der Registrierung an, was den Privatsekretär des Präsidenten sehr interessierte. So kam es, daß sich der erste Missionar am 15. Juni 1950 als Einwanderer registrieren lassen konnte; mit Erhalt der Aufenthaltserlaubnis war es ihm möglich, das biblische Schulungswerk im Land fortzusetzen.

Ein turbulenter Tag im Landgebiet

Mit den Aufgaben eines Kreisaufsehers waren in jenen Tagen besondere Herausforderungen verbunden. Die Reisen dauerten viele Stunden, und mitunter war der Widerstand sehr heftig. Lloyd Gummeson, ein Absolvent der Gileadschule, begann seinen Vollzeitdienst als Kreisaufseher im Jahre 1952. Nachdem er nördlich von Yuty eine Versammlung besucht hatte, berichtete er, was geschah. Das nahe gelegene Gebiet war erst kurz zuvor bearbeitet worden, so daß beschlossen wurde, in einer abgelegenen Stadt Zeugnis zu geben. Die Gruppe, bestehend aus 6 Brüdern und 4 Schwestern, machte sich frühmorgens um 4 Uhr auf den Weg. Außer einer Schwester mit ihrem einjährigen Kind gingen alle zu Fuß. Gegen 11 Uhr erreichten sie ihr Gebiet. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf und gingen in den Dienst.

„Wir waren erst eine Stunde im Dienst und gaben gerade in einem strohgedeckten Haus einer interessierten Familie Zeugnis“, berichtete Bruder Gummeson, „als der Sheriff und ein 16jähriger Soldat das Haus betraten — die Gewehre auf uns gerichtet. Der Sheriff wies die Familie an, uns die Literatur zurückzugeben, und befahl uns dann, mit auf die Polizeiwache zu kommen. Als wir dort eintrafen, waren die anderen Verkündiger bereits da. Ich versuchte vernünftig mit dem Sheriff zu reden, stellte aber fest, daß er kein Spanisch sprach, sondern nur Guaraní. Sein Gesicht war rot vor Wut, als er uns befahl, die Stadt zu verlassen und nie mehr zurückzukehren.

Nachdem wir etwa einen Kilometer zurückgelegt hatten, machten wir unter einem großen Baum halt und aßen etwas. Plötzlich sprangen alle auf und begannen zu rennen. Ich blickte mich um und sah den Sheriff und einen Soldaten mit langen Peitschen heranreiten. ‚Es ist besser bei der Gruppe zu bleiben‘, dachte ich und rannte hinterher. Als ich über einen Bach sprang, verlor ich meine Sonnenbrille. Beim Aufheben hörte ich noch das scharfe Knallen der Peitsche, bevor sie meinen Rücken traf. Dann wollte der Sheriff das Pferd dazu bringen, mich niederzutreten. Da ich aber etwas von Pferden verstehe, schwenkte ich meine Diensttasche vor dem Tier hin und her und hielt es so von mir ab.

Unterdessen schlug der Sheriff drei andere Brüder wiederholt mit der Peitsche und versuchte dann, eine 70jährige Schwester, eine Pionierin, mit seinem Pferd zu überrennen. Schließlich ließen die Verfolger von uns ab und kehrten in die Stadt zurück, und wir setzten unseren Weg fort. Niemand war ernstlich verletzt worden, wenngleich bei einigen dunkelrote Striemen auf dem Rücken zurückblieben. Aber keiner verspürte irgendwelche Schmerzen. Nach einem 16stündigen Fußmarsch kamen wir um 20 Uhr zu Hause an.“

Trotz dieser Vorfälle, die sich in kleineren Ortschaften und Dörfern abspielten, nahm die Verkündigung des Königreiches zu.

Nach einem Regierungswechsel

Was das politische Leben des Landes anbelangte, war 1954 ein kritisches Jahr. Die Regierung unter Don Federico Chávez wurde gestürzt. Am 11. Juli wurde General Alfredo Stroessner zum Präsidenten gewählt. Damit begann eine mehr als 34jährige Militärherrschaft. Wie wirkte sie sich auf die Tätigkeit der Zeugen Jehovas aus?

In der Zeit vom 25. bis 28. November jenes Jahres sollte ein viertägiger Bezirkskongreß stattfinden. In Paraguay herrschte der Ausnahmezustand, was bedeutete, daß für jede Zusammenkunft, ganz gleich welcher Art, eine polizeiliche Genehmigung benötigt wurde. Würde es Probleme geben? Die Brüder hatten bereits einen Saal in Aussicht. Doch als sie die Genehmigung für den Kongreß einholen wollten, sagte man ihnen, der Kongreß könne nicht stattfinden. Was war der Grund? Ein Beamter gab zu, daß die Priester Druck ausgeübt hatten. Nach unzähligen Besuchen und Gesprächen, bei denen die Brüder an die Vernunft appellierten, teilte man ihnen schließlich mit, sie dürften den Kongreß auch ohne offizielle Genehmigung durchführen, die Polizei werde nichts unternehmen. Klugerweise verzichteten die Brüder auf die Ankündigung des Kongresses mit Einladungszetteln oder in Zeitungsanzeigen. Alle Einladungen erfolgten mündlich, und der Kongreß verlief ohne Zwischenfälle.

Religiös motivierter Widerstand hält an

Die katholischen Geistlichen ließen in ihren Bemühungen, Jehovas Zeugen zum Schweigen zu bringen, nicht nach. Gegen Ende 1955 wurden in Piribebuy, 72 Kilometer östlich der Hauptstadt, Vorbereitungen für einen kleinen Kreiskongreß getroffen. Am ersten Kongreßtag rückte der Gemeindepfarrer nach Einbruch der Dunkelheit mit einer Pöbelrotte an, die mit Stöcken und Macheten bewaffnet war, und wollte den Kongreß sprengen. Ein ortsansässiger Lehrer schritt dagegen ein, worauf sich die Meute auf die Straße zurückzog. Dort johlte sie den ganzen Abend und warf Steine und Feuerwerkskörper.

Religiös motivierter Widerstand zeigte sich am 1. März 1957 auch in Itá, südöstlich der Hauptstadt gelegen. Lange im voraus hatten die Brüder alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllt, damit der Kreiskongreß dort stattfinden konnte. Die Genehmigung für den Kongreß hatten sie sowohl von den städtischen Behörden in Itá als auch von der Polizei in der Hauptstadt eingeholt. Als die Brüder jedoch in Itá eintrafen, bemerkten sie, daß etwas nicht stimmte. Die Stadt glich einer Geisterstadt. Die Straßen waren menschenleer; die Fenster und Türen waren geschlossen und die Rolläden heruntergelassen. Weshalb?

Der Gemeindepfarrer hatte sich geschworen, diesen Kongreß zu verhindern, und er hatte alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um das zu erreichen. Er ließ sogar in dieser Gegend von einem Flugzeug aus Tausende von Flugblättern abwerfen, auf denen es hieß: „Am Freitag, dem 1. März 1957, wird es um 17.30 Uhr vor der Kirche eine Massenkundgebung aller katholischen Christen aus der Stadt und der Umgebung geben ... Um 18.30 Uhr wird eine große Menge von Katholiken Jehovas (falsche) Zeugen mit aller Macht ablehnen. Die protestantischen Ketzer haben kein Recht, in Itá irgendeinen Kongreß zu veranstalten.“

Als die Brüder von den Plänen des Pfarrers Ayala erfuhren, hielten sie es für das beste, den Kongreß von den offenen Anlagen, die sie gemietet hatten, in das Haus eines Bruders zu verlegen. Dort wären sie im Falle eines Angriffs besser geschützt.

Man stelle sich einmal vor: Im Haus des Bruders waren etwa 60 friedliebende Christen versammelt, um Gottes Wort zu betrachten. Nur zwei Häuserblocks davon entfernt hatten sich mehr als 1 000 Menschen eingefunden, und die Menge wuchs ständig an Zahl. Sie alle hörten den Pfarrer schimpfen und wie er die Menge zu Gewalt anstachelte.

Aber nicht alle waren mit dem Vorgehen des Geistlichen einverstanden. Solano Gamarra, ein Leutnant der paraguayischen Luftwaffe, versuchte den Pfarrer zu beruhigen. Er sprach auch mit den Helfern des Pfarrers, doch umsonst. Einer von Ayalas Begleitern versetzte dem Leutnant wutentbrannt einen derartigen Schlag, daß dessen Lippe aufplatzte. Daraufhin stürzte sich die Horde wie ein Rudel Wölfe auf den Leutnant und schlug auf ihn ein, so daß er klaffende Kopfwunden davontrug. Der Pöbel riß ihm sogar das Hemd vom Leib, zog es an einer Fahnenstange hoch und verbrannte es. Gamarra rannte um sein Leben.

Einmal Blut geleckt, zog die Pöbelrotte nun in Richtung Kongreßort und schrie: „Nieder mit Jehova!“ „Jehova soll sterben!“ Als sie sich dem Haus, wo der Kongreß stattfand, näherte, zogen sich die wenigen Polizisten zurück. Die Brüder verbarrikadierten die Tür des Hauses von innen. Einige der Randalierer versuchten zwar, über das Nachbargrundstück in den hinteren Patio des Hauses zu gelangen, doch der Nachbar verhinderte es. Er hatte nicht vergessen, daß der Zeuge, dessen Haus jetzt angegriffen wurde, einmal sehr hilfsbereit gewesen war, als er krank daniederlag. Die Brüder setzten unterdessen im Vertrauen auf Jehova das Programm so gut wie möglich fort. Aus Sicherheitsgründen blieben jedoch alle über Nacht im Haus des Bruders. Am nächsten Tag wurde die Genehmigung für den Kongreß vom Polizeipräsidium in Asunción rückgängig gemacht, um die Zeugen zu schützen, weil die Polizei am Ort der Pöbelrotte nicht gewachsen war. Es wurde ein Bus gemietet, in dem die Delegierten fröhlich singend nach Asunción fuhren, und dort, im Missionarheim des Zweigbüros, beendeten sie dann ihren Kongreß. Sie hatten eine Glaubensprüfung bestanden und waren gestärkt daraus hervorgegangen.

Rechtliche Anerkennung

Nach der Pöbelaktion in Itá unternahm das Zweigbüro in Paraguay — getreu dem Beispiel des Apostels Paulus — Schritte zur „gesetzlichen Befestigung der guten Botschaft“ (Phil. 1:7; Apg. 16:35-39). Die Ergebnisse waren erfreulich. Sobald alle gesetzlichen Erfordernisse erfüllt waren, wurde die Watch Tower Bible and Tract Society am 14. Oktober 1957 als juristische Person anerkannt mit der Befugnis, Jehovas Zeugen im Land zu vertreten. Der betreffende Präsidialerlaß wurde in den Zeitungen veröffentlicht. Das erwies sich beim Erwerb benötigter Grundstücke als sehr nützlich und ermöglichte auch, daß Missionare ein Dauervisum erhielten.

Zum erstenmal einen Film gesehen

Von 1954 bis 1961 wurde durch das Vorführen von Filmen viel Gutes bewirkt, denn auf diese Weise wurde die Öffentlichkeit mit der Organisation Jehovas bekannt gemacht. Man traf Vorbereitungen, die Filme der Gesellschaft fast überall im Osten des Landes zu zeigen. In den fünf Jahren, in denen bei den Filmvorführungen eine Zählung vorgenommen wurde, kam man auf mehr als 70 000 Anwesende.

Es war nicht gerade einfach, den Generator sowie die gesamte Ausrüstung, die für eine Vorführung in einer ländlichen Gegend nötig war, zu transportieren. Als Ort der Vorführung diente gewöhnlich ein Fußballfeld. Der Projektor wurde vor Einbruch der Dunkelheit aufgestellt. Dann lud man die Öffentlichkeit über Lautsprecher ein. Es kam vor, daß Randalierer mit Steinen warfen. Die Anwesendenzahlen waren recht unterschiedlich. In General Artigas, wo es eine Versammlung mit kaum 20 Verkündigern gab, die ihre Zusammenkünfte 8 Kilometer vom Ort entfernt abhielten, sahen an einem Abend 1 300 Personen den Film. Es war nichts Ungewöhnliches, daß die Menschen zu Beginn des Films bei einem Szenenwechsel vor Vergnügen aufjauchzten, denn viele von der Landbevölkerung sahen zum erstenmal in ihrem Leben einen Film.

Diese Filme vermittelten den einheimischen Zeugen und der Öffentlichkeit eine bessere Vorstellung vom Ausmaß des weltweiten Werkes der Zeugen Jehovas.

Missionare boten sich willig dar

Während die Zahl der Verkündiger anstieg, waren die Missionare gemeinsam bestrebt, den einzelnen zu christlicher Reife zu verhelfen. Die guten Ergebnisse dieser Bemühungen zeigten sich, als die Missionare 1953 das Vorrecht hatten, den Kongreß „Neue-Welt-Gesellschaft“ in New York zu besuchen. In ihrer Abwesenheit war es notwendig, daß die einheimischen Brüder alle Aufgaben übernahmen, die in Verbindung mit der Aufsicht in der Versammlung Asunción zu bewältigen waren. Im Predigtdienst wurden neue Höchstzahlen erreicht. Die Brüder leisteten so gute Arbeit, daß sie nach der Rückkehr der Missionare gebeten wurden, sich weiterhin um diese Aufgaben zu kümmern. Dadurch war es den Missionaren möglich, an anderen Orten zu dienen.

Es gab genug zu tun. Als Werner Appenzeller ungefähr vier Monate in Paraguay war und daher nur gebrochen Spanisch sprach, wurde er gebeten, den Kreis in der Gegend von Encarnación zu übernehmen. Die meisten Straßen waren noch unbefestigt. Man reiste gewöhnlich hoch zu Pferd oder auf Schusters Rappen. Im ganzen Kreis gab es nur 100 Verkündiger, doch Ermunterung und Schulung trugen zum geistigen Fortschritt bei. Einige Jahre später wurde Ladislao Golasik als Kreisaufseher eingesetzt. Er war der Sohn von Roberto Golasik und stammte aus dieser Gegend.

Ende 1961 waren die auf der Gileadschule ausgebildeten Missionare 15 Jahre in Paraguay tätig. Damals gab es im ganzen Land 411 Zeugen Jehovas, die in 22 Versammlungen organisiert waren. Sie setzten mehr als 594 000 Stunden für das Predigen der guten Botschaft ein. Um diese Zeit waren 5 Missionarheime eingerichtet, und zwar in Asunción, Encarnación, Villarrica, Coronel Oviedo und Pedro Juan Caballero. Von diesen Städten aus reisten die Missionare auch in umliegende Gebiete. Bis zum Jahre 1961 hatten bereits 50 Missionare an dem Werk in Paraguay einen Anteil. Wegen Krankheit oder aus anderen Gründen hielten es 29 von ihnen für notwendig, in ihr Heimatland zurückzukehren. Doch sie alle haben auf die eine oder andere Weise zur Förderung der Königreichsinteressen in Paraguay beigetragen. Im Dezember 1961 trafen Elmer und Mary Pysh, Absolventen des ersten zehnmonatigen Gileadkurses, in Paraguay ein.

Bau von eigenen Versammlungsstätten

Etwa um diese Zeit bauten die Brüder in Asunción einen Königreichssaal, den sie als erste eigene Versammlungsstätte in Paraguay der Bestimmung übergaben. Es war ein hübsches Gebäude aus Ziegelsteinen und Zement mit Sitzplätzen für 200 Personen. Welch ein Zeugnis es doch für die Gemeinde war, Männern, Frauen und Kindern zuzusehen, wie sie bei Erdarbeiten halfen, Zement mischten, Steine polierten, Malerarbeiten verrichteten und aufräumten! Für Beobachter war klar, daß es sich hier um fleißige Arbeiter handelte.

In Vacay, einer ländlichen Gegend im Süden des Landes, besuchten viele Personen die Zusammenkünfte einer kleinen Gruppe von Zeugen, die noch keine Versammlung bildete. Die Brüder kamen zu dem Schluß, daß sie ebenfalls einen Königreichssaal benötigten. Allerdings fehlten ihnen die Mittel. Was sollten sie tun? Sie trafen eine Vereinbarung mit einem Holzfäller, bei dem sie als Gruppe ein Stück Land roden konnten und im Austausch dafür Baumaterial und etwas Geld erhielten. Als der Saal fertiggestellt war, verkauften vier an der Wahrheit interessierte Familien ihre entlegenen Farmen und zogen in die Nähe des Königreichssaals, damit sie die Zusammenkünfte nicht versäumten.

Später wurden auch Gebäude für Kongresse errichtet. Die Brüder hatten mehrmals Räumlichkeiten im Club Martín Pescador, in der staatlichen Universität und in der amerikanischen Schule benutzt. Doch Anfang 1970 erhielten sie durch Schenkung ein Grundstück, auf dem sie ein eigenes Kongreßzentrum bauen konnten, was auch im Laufe der Jahre geschah.

Für geeignete Zweiggebäude gesorgt

Infolge vermehrter Tätigkeit und des daraus resultierenden Segens Jehovas wurde es nötig, für geeignetere Zweiggebäude zu sorgen. Man hatte im Laufe der Jahre für diesen Zweck verschiedene Gebäude gemietet. Doch 1962 entschied Nathan Knorr, der damalige Präsident der Watch Tower Society, in einem besseren Wohnviertel der Stadt ein Grundstück zu kaufen, auf dem ein Bethel mit einem Missionarheim und einem Königreichssaal gebaut werden konnte. Man fand ein Grundstück an einer der großen Avenidas in der Hauptstadt, zwei Häuserblocks vom größten Sportstadion Paraguays entfernt. Nachdem die Baupläne fertiggestellt und von der Stadt genehmigt worden waren, wurde im Januar 1965 mit den Bauarbeiten begonnen. Innerhalb von 10 Monaten war das Projekt abgeschlossen. Die Brüder freuten sich, daß Bruder Knorr während eines Zonenbesuchs Anfang 1966 die neuen Gebäude der Bestimmung übergab.

Auf Grund der günstigen Lage des Gebäudekomplexes wurde täglich Tausenden von Einwohnern Asuncións bewußt, daß Jehovas Zeugen präsent sind. Und weitere Tausende, die auf dem Weg zu Sportveranstaltungen an den Gebäuden vorbeigingen, wurden daran erinnert, daß Jehova auch in Paraguay seine Zeugen hat.

Neue Verwaltung

Wie in allen Zweigbüros der Gesellschaft auf der ganzen Erde nahm am 1. Februar 1976 ein Zweigkomitee seine Arbeit auf, das den Zweigaufseher ersetzte. In den 30 Jahren zuvor hatten Albert Lang, William Schillinger, Max Lloyd, Lloyd Gummeson, Harry Kays und Elmer Pysh unterschiedlich lange als Zweigaufseher gedient. Alle haben einen vorzüglichen Beitrag zum Königreichswerk geleistet. Jetzt trat eine neue Einrichtung in Kraft; ein Komitee reifer Männer führte gemeinsam die Aufsicht über die Tätigkeit der Zeugen Jehovas im ganzen Land.

Elmer Pysh wurde zum Koordinator des Zweigkomitees ernannt; Charles Miller und Isaac Gavilán waren die beiden anderen ernannten Mitglieder. Bruder Pysh und Bruder Miller sind Gileadabsolventen. Und Bruder Gavilań, ein Paraguayer, hatte bis dahin in seinem Heimatland 13 Jahre Vollzeitdienst verrichtet.

Eine neue Verfolgungswelle behördlicherseits

Überall auf der Erde verhalten sich Jehovas Zeugen in politischen Angelegenheiten neutral. Sie beherzigen die Worte, die Jesus an seine Nachfolger richtete: „Ihr ... [seid] kein Teil der Welt“ (Joh. 15:19). Sie kennen auch den biblischen Rat: „Hütet euch vor Götzen.“ und meiden daher nationalistische Zeremonien, die sie als Götzendienst betrachten (1. Joh. 5:21). Regierungsbeamte, die im politischen Leben völlig aufgehen und den Nationalismus als ein Mittel betrachten, die Menschen zu vereinen, haben vielleicht Mühe, die Einstellung der Zeugen Jehovas sofort zu verstehen. Sie wissen, daß Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, ja selbst die Geistlichen, nicht zögern, sich politisch zu betätigen und an nationalistischen Zeremonien teilzunehmen. Häufig machen sich Geistliche diese Situation zunutze, um bei Regierungsbeamten Mißtrauen gegenüber Jehovas Zeugen zu säen.

In einem Brief vom 31. Oktober 1974 erbat Dr. Manfredo Ramírez Russo, der damalige Director General de Cultos, Informationen über die Glaubenslehren und die Organisation der Zeugen Jehovas. Am 25. Februar 1976 hieß es in einem Regierungserlaß, daß in „allen Lehranstalten die tägliche Fahnengrußzeremonie und das Singen der Nationalhymne“ Pflicht seien. In der religiösen Veröffentlichung El Sendero (Der Pfad), Ausgabe vom 3. bis 17. September, erschien in sensationeller Aufmachung ein ganzseitiger verleumderischer Artikel, betitelt „Jehovas Zeugen“. In der Patria, dem offiziellen Organ der Regierungspartei, folgte am 14. März 1977 ein ähnlich diffamierender Artikel mit dem Titel „Fanatismus“.

In der Zwischenzeit wurden Vertreter vom Zweigbüro der Zeugen Jehovas zu einem Interview mit dem Director General de Cultos vorgeladen. Nach diesem Treffen wurde eine Liste der Glaubenslehren der Zeugen Jehovas zusammengestellt. Es ging darin speziell um die Fahnengrußfrage, um das Singen der Nationalhymne sowie um den Militärdienst. Wenige Tage darauf sprach der Polizeibeamte Obdulio Argüello Britez im Zweigbüro der Gesellschaft in Asunción vor und bat um Auskunft über den Bezirkskongreß, den Jehovas Zeugen vom 6. bis 9. Januar desselben Jahres veranstaltet hatten. Kurze Zeit später kam es zu einer Unterredung mit der Generalstaatsanwältin Dr. Clotilde Jiménez Benítez und einigen Vertretern der Gesellschaft, bei der es um dieselben Themen ging, die bereits zuvor im Büro für religiöse Angelegenheiten erörtert worden waren.

Nach dieser Reihe von Ereignissen wurden ab 1978 Kinder von Zeugen Jehovas, die die Nationalhymne nicht mitsangen, von der Schule verwiesen, und zwar ohne die Möglichkeit, in eine andere Schule aufgenommen zu werden. Das war aber noch nicht alles.

Verbot — und was es bedeutete

Am 3. Januar 1979 platzte schließlich die „Bombe“. Durch einen Erlaß wurde der Watch Tower Society, die Jehovas Zeugen vertrat, der rechtliche Status aberkannt.

Die Zeitungsmeldungen über diesen Erlaß schockierten sowohl die Zeugen als auch Außenstehende gleichermaßen. Praktisch alle Nachrichtenmedien berichteten über den Fall. Einige begrüßten den Schritt, andere verurteilten ihn. Die Zeitung ABC bezeichnete den Erlaß als einen „Verstoß gegen ein grundsätzliches Menschenrecht, das in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte feierlich zugesichert wird“.

Ohne das Ausmaß des Verbots zu kennen, sorgte das Zweigkomitee sofort nach dem Bekanntwerden dafür, daß die Tätigkeit des Zweigbüros an anderen Orten fortgesetzt werden konnte. „In unseren Augen ist das keine religiöse Verfolgung gewesen“, erklärte Dr. Raul Peña, Minister für Erziehung und Religion. Aber Jehovas Zeugen sahen sich gezwungen, in kleinen Gruppen in Privatwohnungen zusammenzukommen. Ihre Predigttätigkeit war eingeschränkt, wenn auch der Eifer und der Mut der meisten Brüder nicht darunter litt. Um aus christlichen Kongressen Nutzen ziehen zu können, besuchten sie eine Zeitlang die Kongresse in anderen Ländern.

Wie hatte diese Serie von Ereignissen begonnen? Hatte Dr. Manfredo Ramírez Russo einzig und allein in seiner Eigenschaft als Vertreter der Regierung gehandelt? Interessanterweise brachte die in Asunción erscheinende Zeitung Ultima Hora am 25. August 1981 ein Foto von Manfredo Ramírez Russo und „Monsignor“ José Mees, auf dem sie sich freundschaftlich gegenüberstanden. Die Bildunterschrift lautete: „In Anerkennung seiner Dienste für die katholische Kirche wurde Manfredo Ramírez Russo, Leiter des Amtes für Religion im Erziehungsministerium, von Monsignor José Mees, dem apostolischen Nuntius Seiner Heiligkeit, die Ehrenmedaille des ‚Heiligen Gregor des Großen‘ verliehen.“

Nach Erlaß des Verbots wurden an vielen Orten Zeugen Jehovas festgenommen. Man verhaftete sie, wenn man sie bei kleineren Zusammenkünften in Privatwohnungen vorfand oder wenn sie andere Menschen in deren Wohnung aufsuchten, um ihnen die biblische Botschaft der Hoffnung zu überbringen, oder wenn sie mit interessierten Personen in deren Wohnung die Bibel studierten.

In der Zeit vom 8. bis 11. Oktober 1981 kamen 9 Brüder aus Encarnación ins Gefängnis. Als Antonio Pereira, ein Ältester, der nicht verhaftet worden war, darum bat, mit dem Polizeichef Julio Antonio Martínez sprechen zu dürfen, um sich nach dem Befinden der inhaftierten Brüder zu erkundigen, ordnete der Polizeichef kurzerhand auch seine Verhaftung an und ließ ihn in eine besonders sichere Zelle bringen. Unterdessen suchte Joseph Zillner aus einer Nachbarversammlung die Mutter eines der zuerst verhafteten Brüder zu Hause auf, weil er wissen wollte, was geschehen war. Irgend jemand mußte die Polizei informiert haben, denn innerhalb von zehn Minuten befand er sich, begleitet von einer Polizeieskorte, auf dem Weg ins Gefängnis von Encarnación.

Verfolgung flammt erneut auf

Einige Jahre nachdem das Verbot erlassen worden war, hörten die Verhaftungen auf. Nach und nach benutzten die Brüder wieder ihre Königreichssäle und hielten kleinere Kongresse ab. Doch 1984 war es damit ganz plötzlich vorbei, als eine Tageszeitung berichtete, daß vier Schüler (Zeugen Jehovas) von der technischen Fachschule in Asunción verwiesen worden waren, weil sie die Nationalhymne nicht mitsingen wollten. Das ließ die Verfolgung erneut aufflammen und führte zu einer noch heftigeren Kampagne gegen Jehovas Zeugen. Die Folge war, daß fast alle Kinder von Zeugen Jehovas von der Schule verwiesen wurden. Für viele dieser Kinder war es nicht mehr möglich, eine Schule zu besuchen.

Im selben Jahr, und zwar vom 2. bis 5. Mai, veröffentlichte die Zeitung Hoy eine Serie verleumderischer Artikel von Antonio Colón, einem katholischen Geistlichen. Etwas später in dem Jahr wurde ein neuer Minister für Erziehung und Kultus vereidigt, der jedoch die Verfahrensweise seines Vorgängers übernahm. Nachdem er eine stark nationalistisch gefärbte Erklärung abgegeben hatte, wurde den meisten Kindern von Zeugen Jehovas für das darauffolgende Jahr der Schulbesuch verwehrt. Im Namen von 10 Schülern — 6 von ihnen waren von der Schule verwiesen und 4 erst gar nicht aufgenommen worden — wurde gerichtlich Beschwerde eingelegt, um das Recht von Zeugen Jehovas geltend zu machen, ihren Kindern Schulunterricht zu ermöglichen, ohne daß diese ihren Glauben aufgeben oder dem Diktat ihres Gewissens zuwiderhandeln müssen. Das Gericht entschied zugunsten der Zeugen. Doch das Ministerium für Erziehung und Kultus brachte den Fall vor das Oberste Gericht.

Während des ganzen Jahres (1985) stand der Fall im Brennpunkt des Interesses. Einige Kolumnisten verteidigten den Standpunkt der Zeugen Jehovas, während Personen aus Regierungskreisen die Zeugen weiterhin angriffen. Am 23. Juli 1985 — der Rechtsstreit lief noch — richtete das Hauptbüro der Zeugen Jehovas einen Brief an den Präsidenten von Paraguay.

Da im Fall der Schulkinder eine untere Instanz ein günstiges Urteil gefällt hatte, ermutigte das Zweigbüro die Versammlungen, allmählich wieder ganz offen die Königreichssäle zu benutzen. Dadurch sollten die Behörden zu einer eindeutigeren Haltung veranlaßt werden, entweder gegen Jehovas Zeugen vorzugehen oder ihnen mehr Freiheit zu gewähren.

Am 21. März 1986 wurde der Koordinator des Zweigkomitees ins Polizeipräsidium beordert. „Sie benutzen wieder Ihre Versammlungsstätten, aber das wurde Ihnen nicht gestattet“, sagte der Beamte warnend. Bruder Gavilán entgegnete: „Erlauben Sie mir bitte, darauf hinzuweisen, daß der Erlaß, durch den uns der rechtliche Status aberkannt wurde, als verfassungswidrig angefochten worden ist. Der Fall wird gegenwärtig vom Obersten Gericht geprüft. Das Gericht hat noch keine Entscheidung getroffen. Da der Erlaß nicht rechtskräftig werden kann, solange die Verfassungsbeschwerde anhängig ist, dürfen wir rechtlich gesehen unsere Zusammenkünfte so lange abhalten, bis die endgültige Entscheidung des Gerichts vorliegt.“ „Ich bin kein Rechtsanwalt“, sagte der Beamte, „dazu kann ich nichts sagen. In diesem Fall bringen Sie mir am besten eine Liste aller Zusammenkunftsstätten, und wir werden sehen, was passiert.“ Damit war das Gespräch beendet. Zusammen mit der angeforderten Liste wurde eine rechtliche Begründung eingereicht. Seither ist kein Königreichssaal mehr geschlossen worden.

Am 26. Februar 1987 entschied indessen das Oberste Gericht unter Gerichtspräsident Dr. Luis María Argaña gegen Jehovas Zeugen, was den Fall der Schüler betrifft. Viele Intellektuelle hielten das für eine politische Entscheidung, und nicht wenige verurteilten sie. Wie wirkte sich all das auf das Werk der Zeugen Jehovas aus?

Die gute Botschaft wird weiterhin gepredigt

Das Königreichspredigtwerk wurde in diesen schwierigen Jahren nicht unterbrochen. Im Januar 1984 organisierte das Zweigbüro einen Predigtfeldzug und ließ abgelegenes Gebiet von Sonderpionieren auf Zeit bearbeiten. Im ersten Jahr beteiligten sich 30 Pioniere an der Aktion, die sich auf 75 Ortschaften konzentrierte. In 14 dieser Orte erhielten die Brüder von den örtlichen Behörden nicht die Erlaubnis zu predigen. An anderen Orten bot man ihnen dagegen sogar Polizeischutz an, und manchmal durften sie direkt auf dem Polizeirevier übernachten, nachdem sie den Beamten den Nutzen ihrer Tätigkeit erklärt hatten.

Durch diese Aktion wurden viele interessierte Personen gefunden. Zum Beispiel erhielt eine Frau, die etwa 200 Kilometer von Asunción entfernt wohnte, von den Pionieren das Buch Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben. Sie schrieb an das Zweigbüro und bat um weitere Hilfe. Als ein Ehepaar sie auf Grund dessen besuchte, blickte sie mit Tränen in den Augen zum Himmel und dankte Jehova. Trotz des Widerstands von seiten ihrer Angehörigen wurde sie eine loyale Dienerin Jehovas und gibt Nachbarn wie auch Bekannten fleißig Zeugnis.

In diesen entlegenen Gebieten wurden Verkündigergruppen gebildet und Versammlungen gegründet. Die Aktion in Verbindung mit Sonderpionieren auf Zeit wird immer noch Jahr für Jahr durchgeführt und zeitigt wunderbare Ergebnisse.

Der Druck läßt nach

In offiziellen Kreisen wurden Jehovas Zeugen und ihre Tätigkeit immer besser bekannt. Man setzte die Bemühungen, Beamten zu helfen, die Tätigkeit der Zeugen besser zu verstehen, so lange fort, bis schließlich die mündliche Genehmigung erteilt wurde, daß am 21. und 22. März 1987 im Kongreßzentrum der Zeugen Jehovas ein Kongreß abgehalten werden dürfe.

Welch ein freudiger Tag das doch war! Die Brüder und Schwestern umarmten sich mit Freudentränen in den Augen. Nachdem sie 9 Jahre unter Belastungen, Spannungen und Ungewißheit gelitten und sogar offene Verfolgung erduldet hatten, konnten sie sich nun in Paraguay zum erstenmal zur wahren Anbetung frei versammeln. Unter den Besuchern befanden sich Delegierte aus Argentinien, Brasilien und Uruguay, die zu diesem besonderen Ereignis eingeladen worden waren. Damit war dem Verbot der Todesstoß versetzt worden.

Erneut rechtlich anerkannt

In Paraguay bahnten sich Veränderungen an. Die politischen Spannungen nahmen zu. In der Nacht vom 2. Februar 1989 war in Asunción schließlich schweres Geschützfeuer zu hören. Es kam zu einem Umsturz. Am nächsten Tag ging die Militärherrschaft von Alfredo Stroessner zu Ende.

Sofort bemühte man sich wieder um die rechtliche Anerkennung. Am 8. August 1991 wurde der Antrag endlich angenommen. Welch ein freudiger Tag für Jehovas Volk in Paraguay!

Am 20. Juni 1992 trat eine neue Verfassung in Kraft. Wichtig waren unter anderem Klauseln, in denen es um Menschenrechte ging, wie zum Beispiel um Versammlungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Religions- und Meinungsfreiheit, und um die Abschaffung der Staatsreligion. Diese und andere Fortschritte brachten willkommene Erleichterungen mit sich.

Das Werk geht voran

Was das Predigen der guten Botschaft in Paraguay betraf, so gab es immer noch viel zu tun. Als das Verbot 1979 erlassen wurde, gab es im Land 1 541 Königreichsverkündiger. Im Jahr der erneuten rechtlichen Anerkennung berichteten 3 760 über ihren Dienst. Jetzt sind mehr als 6 200 Verkündiger tätig. Aber das Verhältnis der Verkündigerzahl zur Einwohnerzahl in Paraguay beträgt immer noch 1 zu 817. Was kann noch getan werden, um Menschen zu erreichen?

Jedes Jahr werden regelmäßig Sonderpioniere in Städte gesandt, wo es keine Versammlungen gibt. Aber 49 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land. 1987 wurde im Zweigbüro ein Lkw mit einer Grundausstattung versehen, damit er sich als Wohnmobil für Sonderpioniere eignete. Seit 10 Jahren ist dieses Fahrzeug jetzt in Landgebieten im Einsatz, wo weder Versammlungen noch Sonderpioniere auf Zeit predigen. Auf diese Weise gelangt das „Wasser des Lebens“ bis in die fernen Gebiete Paraguays.

Besondere Anstrengungen werden auch unternommen, um den Menschen Zeugnis zu geben, die an Flußufern leben. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt ist oftmals ein Boot. So ließ die Gesellschaft 1992 ein Boot für eine vierköpfige Besatzung bauen. Diese vier machten sich auf eine systematische Suche nach schafähnlichen Menschen, die an den Flußufern wohnen. Das Boot bekam den passenden Namen El Pionero (Der Pionier).

„Als wir den Río Paraguay überquerten“, berichtet der für die Gruppe verantwortliche Bruder, „legten wir in Puerto Fonciere an, etwa 480 Kilometer von Asunción entfernt, und predigten von Haus zu Haus. Bei der Unterhaltung mit einer älteren Frau erwähnten wir, Gott habe versprochen, alles Böse zu vernichten, und wir als Zeugen Jehovas teilten den Menschen mit, daß er dies durch sein Königreich tun werde. Unvermittelt unterbrach die Frau das Gespräch und sagte zu ihrer Enkelin, sie solle den Großvater rufen, denn ‚seine Leute‘ seien gekommen. Kurz darauf erschien der Großvater — ein Mann in den 70ern — ziemlich verschwitzt von der Arbeit auf der Farm. Er begrüßte uns sehr herzlich, und mit Tränen in den Augen dankte er Gott dafür, daß wir endlich gekommen seien. Er erzählte, er habe schon lange auf uns gewartet. Etwas verdutzt baten wir um eine Erklärung. Wie er erzählte, hatte ihm ein Kommandant von der Insel Peña Hermosa eine Bibel und das Buch ‚Dinge, in denen es unmöglich ist, daß Gott lügt‘ gegeben. Der Kommandant hatte einige Schriftstellen wie Psalm 37:10, 11 und Psalm 83:18 angestrichen und gesagt, eines Tages würden Zeugen Jehovas ihn besuchen und ihm mehr über Jehovas Vorsätze erzählen. Sofort wurde bei ihm ein Bibelstudium eingerichtet.“

Bis heute wurde mit dem Boot mindestens zweimal das gesamte Ufergebiet des Río Paraguay bearbeitet — von der Grenze Boliviens im Norden bis zur Grenze Argentiniens im Süden —, insgesamt etwa 1 260 Kilometer.

Fleißige Arbeiter bringen die Ernte ein

Als Jesus seine Jünger im ersten Jahrhundert unterwies, forderte er sie auf: „Bittet ... den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte aussende“ (Mat. 9:38). Jehovas neuzeitliche Zeugen haben sich diese Worte zu Herzen genommen, und der Herr hat in der Tat viele fleißige Arbeiter in das „Feld“ geschickt, um in übertragenem Sinn eine Ernte in Paraguay einzubringen.

Von 1945 bis jetzt haben 191 Missionare in Paraguay gedient. 60 von ihnen sind oder waren 10 Jahre oder länger im Land (davon dienen 22 zwar als Missionare, sind aber keine Gileadabsolventen); derzeit befinden sich 84 Missionare im Land. Im gesamten Osten Paraguays, auf den sich die Tätigkeit der Missionare konzentriert, gibt es jetzt 61 blühende Versammlungen.

Um das Zeugniswerk in diesem Land zu unterstützen, wo auf einen Zeugen Jehovas immer noch 817 Einwohner kommen, haben benachbarte Zweige einige Sonderpioniere nach Paraguay geschickt. Auch andere Verkündiger sind dorthin gegangen, und zwar aus Ländern wie Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Italien, Kanada, Luxemburg, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien, Uruguay und den Vereinigten Staaten. Sie alle haben ihre Mittel und Fähigkeiten auf vielerlei Weise eingesetzt, um die Verkündigung des Königreiches zu fördern. Einige verrichten ihren Dienst in Stadtgebieten, andere hingegen in kleineren Ortschaften und Dörfern, wo der Lebensstandard ziemlich niedrig ist. Die meisten sind Pioniere. Manche haben beim Bauen von Königreichssälen und Zweiggebäuden mitgeholfen.

Im Laufe der Jahre hat Paraguay Personen unterschiedlicher nationaler Herkunft die Einreise erlaubt. Deutsche, Polen, Russen, Ukrainer, Japaner und Koreaner haben sich in vielen Teilen des Landes niedergelassen. Auch ihnen wird gepredigt, sowohl von Missionaren als auch von anderen Verkündigern, die nach Paraguay ausgewandert sind.

Wie steht es aber mit der Guaraní sprechenden Bevölkerung? Diese Volksgruppe macht 90 Prozent aller Einwohner aus. Gemäß einer unlängst durchgeführten Umfrage sprechen 37 Prozent aller Paraguayer nur Guaraní. Es sind größtenteils einheimische Zeugen, die den Menschen dieser Volksgruppe predigen, und sie sind froh, dafür Broschüren in Guaraní zur Verfügung zu haben.

Einige dieser einheimischen Zeugen haben viele Jahre im Vollzeitdienst verbracht. Edulfina de Yinde hat beispielsweise in den 36 Jahren ihres Sonderpionierdienstes 78 Personen geholfen, sich Gott hinzugeben und sich auf die Taufe vorzubereiten. Sie und ihr Mann sind überglücklich, daß es dort, wo sie gedient haben, jetzt 5 blühende Versammlungen gibt. Auch María Chavez hat in den 39 Jahren, in denen sie als Sonderpionierin tätig ist, vielen geholfen.

Tausende, die nicht im Pionierdienst stehen, dienen Jehova ebenfalls voller Eifer. So manch einer nimmt lange Fußwege in Kauf — nicht nur, um die Zusammenkünfte zu besuchen, sondern auch, wenn es darum geht, in ländlichen Gebieten gründlich Zeugnis zu geben. Häufig haben sie eine ausreichende Menge „Paraguayer Suppe“ (überbackenes Maisgericht) oder eine Portion Tortillas und Yuccawurzeln dabei, wenn sie noch vor dem Morgengrauen das Haus verlassen, um in ihr Gebiet zu gelangen. So gegen 7 Uhr fangen sie mit dem Dienst an, und kurz vor Sonnenuntergang machen sie Schluß. Nach ihrer Rückkehr sind sie zwar müde, aber sie sind auch glücklich — glücklich darüber, daß sie sich verausgabt haben und anderen etwas von Jehova und seinem wunderbaren Vorsatz erzählen konnten.

„Jeder, den dürstet ..., nehme Wasser des Lebens kostenfrei“

Wie in der Bibel vorhergesagt, gilt die Einladung jedem, der es wünscht, ‘Wasser des Lebens kostenfrei zu nehmen’ (Offb. 22:17). In Paraguay sind Tausende dieser Einladung gefolgt.

Zu ihnen gehört Herenia. Als Katholikin erzogen, glaubte sie fest an die kirchlichen Traditionen und wurde von abergläubischen Vorstellungen beherrscht. Sie fürchtete sich sehr vor den Toten und dem Höllenfeuer. Herenia glaubte an Omen und lebte in Angst und Schrecken, wenn sie etwas sah oder hörte, was sie als ein böses Omen deutete. So erging es ihr 20 Jahre lang. 1985 begann Herenia schließlich, mit Jehovas Zeugen die Bibel zu studieren. Im Verlauf des Studiums fühlte sie sich durch die Wasser der Wahrheit sehr erfrischt, und sie wünschte sich, für immer in dem Paradies zu leben, das in Gottes Wort verheißen wird.

Im Jahre 1996 kostete auch Isabel, eine Frau aus Carapeguá, von dem Wasser des Lebens. Was sie allerdings in dem Buch Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt las, stimmte nicht mit ihren Glaubensansichten überein. Daher bat sie die Zeugen, nicht wiederzukommen. Aber sie las das Buch für sich allein und sprach mit ihren Nachbarn über den Inhalt; als sie wieder einmal einem Zeugen begegnete, warteten bereits Personen aus vier Familien darauf, mehr zu erfahren. Die Begeisterung der meisten flaute allerdings wieder ab, als ein Prediger der Pfingstgemeinde Druck ausübte. Doch es wurde ein gutes Zeugnis gegeben, und die zuerst erwähnte Frau sowie eine Nachbarin ziehen weiter Nutzen aus den lebengebenden Wahrheiten.

Als Dionisio und Ana zum erstenmal das Wasser der Wahrheit angeboten wurde, lebten sie wie viele andere ohne Trauschein zusammen, und zwar bereits 20 Jahre. Dionisio und seine älteste Tochter begannen 1986, mit Jehovas Zeugen die Bibel zu studieren. Ana und die beiden anderen Töchter waren gegnerisch eingestellt. Ana flehte den Zeugen an, nicht mehr mit Dionisio zu sprechen; sie drohte sogar, ihn umzubringen, und sagte, sie werde die Polizei rufen; außerdem fragte sie eine katholische Nonne um Rat. Dann rief Ana das Jugendgericht an und behauptete, das Bibelstudium schade ihrer ältesten Tochter. Nachdem die Richterin erfahren hatte, daß Dionisio tatsächlich gut für die Familie sorgte, empfahl sie Ana, zusammen mit Dionisio die Bibel zu betrachten. Ana protestierte, indem sie darauf hinwies, daß ihre Bekannte, eine Nonne, ihr erzählt habe, Jehovas Zeugen trieben in ihren Zusammenkünften unmoralische Dinge. Die Richterin beruhigte sie und sagte: „Wir Katholiken behaupten zwar, die Bibel zu kennen, aber in Wirklichkeit wissen wir nichts. Jehovas Zeugen studieren die Bibel. Ich schlage vor, daß auch Sie die Bibel erforschen.“ Außerdem empfahl die Richterin Ana, sie solle Dionisio heiraten.

Ziemlich verblüfft ging Ana wieder zu der Nonne und bat um ein Bibelstudium. Das sei nicht nötig, meinte diese. Außerdem riet sie Ana davon ab, Dionisio zu heiraten, obwohl sie früher, als Dionisio noch nichts vom Heiraten wissen wollte, Ana wiederholt dazu aufgefordert hatte. Kurz darauf wurde Anas Vater schwer krank. Die Zeugen am Ort erwiesen sich für die Familie als eine große Hilfe. Das war der entscheidende Wendepunkt für Ana. Sie begann, die Bibel zu studieren, und heiratete Dionisio. Inzwischen sind fast 10 Jahre vergangen. Dionisio ist ein Ältester, und die ganze Familie dient Jehova voller Eifer.

Die liebevolle Beharrlichkeit der Verkündiger hat das Herz vieler in Paraguay berührt. 1982 gab es beispielsweise in der Region von San Lorenzo nur eine einzige Versammlung. Trotz des Verbots standen viele Verkündiger im Pionierdienst. So wurde das Versammlungsgebiet, wozu auch umliegende Städte gehörten, regelmäßig bearbeitet. Jehova segnete den Eifer der Verkündiger. Gegenwärtig gibt es in dieser Gegend 9 Versammlungen. Für Werner Appenzeller und seine Frau Alice ist das Wachstum, das sie in diesem Teil des Landes beobachten konnten, während sie dort dienten, die größte Freude in ihrem 40jährigen Dienst in Paraguay.

Das Wachstum hält weiter an, und zwar nicht nur in einer Gegend, sondern überall im Land. 1996 wurde etwa 10 Kilometer von Asunción entfernt ein schöner neuer Gebäudekomplex der Bestimmung übergeben. In vielen Teilen des Landes sind Königreichssäle entstanden, wo regelmäßig biblische Unterweisung erteilt wird. Jehovas Zeugen besuchen nach wie vor die Menschen in ihren Wohnungen und sprechen sie auch auf der Straße an. Voller Eifer laden sie alle Arten von Menschen ein, ‘Wasser des Lebens kostenfrei zu nehmen’.

[Ganzseitiges Bild auf Seite 210]

[Bild auf Seite 213]

Juan Muñiz trug wesentlich dazu bei, daß die Königreichsbotschaft in Paraguay bekannt wurde

[Bild auf Seite 217]

Julián Hadad gehörte zu den ersten, die in Paraguay die biblische Wahrheit annahmen

[Bild auf Seite 218]

Jóvita Brizuela ließ sich 1946 taufen; sie ist immer noch als Sonderpionierin tätig

[Bild auf Seite 218]

Sebastiana Vázquez dient Jehova seit 1942

[Bild auf Seite 222]

William Schillinger diente 40 Jahre lang als Missionar in Paraguay — bis zu seinem Tod

[Bild auf Seite 230]

Werner Appenzeller mit seiner Frau Alice — seit 40 Jahren Missionare in Paraguay

[Bild auf Seite 233]

Stolz auf ihren eigenen Königreichssaal (in Asunción) — der erste von Zeugen Jehovas erbaute Königreichssaal in Paraguay

[Bilder auf Seite 235]

Kongreßzentrum der Zeugen Jehovas

[Bild auf Seite 237]

Zeugnisgeben während der Zuckerrohrernte in Villarrica

[Bild auf Seite 243]

Königreichssaal, Fernando de la Mora (Norte)

[Bild auf Seite 243]

Königreichssaal, Asunción, Vista Alegre (Norte)

[Bilder auf Seite 244, 245]

Fleißige Arbeiter aus vielen Ländern sind nach Paraguay gekommen, um sich am Zeugnisgeben zu beteiligen: (1) Kanada, (2) Österreich, (3) Frankreich, (4) Brasilien, (5) Korea, (6) USA, (7) Belgien, (8) Japan, (9) Deutschland

[Bild auf Seite 246]

Das Boot „El Pionero“ auf dem Río Paraguay

[Bilder auf Seite 251]

Bethelheim und Zweigbüro in Paraguay, unweit von Asunción, und diejenigen, die dort tätig sind

[Bilder auf Seite 252]

Zweigkomitee (von oben nach unten): Charles Miller, Wilhelm Kasten, Isaac Gavilán