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Angola

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Krieg und Lebensmittelknappheit, verheerende Krankheiten sowie Leid und Tod, verursacht von Menschen, die sich wie wilde Tiere aufführen: all das wurde in der Bibel vorausgesagt — veranschaulicht durch die Apokalyptischen Reiter (Offb. 6:3-8). Und kein Fleckchen Erde bleibt davon verschont, auch Angola nicht.

Landauf, landab ist der wilde Ritt der Apokalyptischen Reiter zu verspüren. Wie erging es Jehovas Zeugen unter diesen Umständen?

Viele Zeugen sind Zielscheibe brutaler Verfolgung gewesen. Einige haben in dem schrecklichen Bürgerkrieg, der kein Ende nehmen will, ihr Leben verloren, wenngleich sie an dem Geschehen völlig unschuldig und ganz unbeteiligt waren. Zufolge politischer Unruhen und wirtschaftlicher Probleme haben viele die furchtbaren Auswirkungen von Hungersnöten zu verspüren bekommen. Aber ihr Glaube an Jehova Gott und ihr Vertrauen in sein Wort konnten ihnen bis heute durch nichts genommen werden. Noch immer ist es ihr aufrichtiger Wunsch, sich Gott gegenüber als loyal zu erweisen und anderen ein gründliches Zeugnis über seine Vorsätze zu geben. Die Liebe, die sie untereinander zeigen, ist ein überzeugender Beweis dafür, daß sie wahre Jünger Jesu Christi sind (Joh. 13:35).

Betrachten wir einmal zwei Beispiele, die zeigen, wie stark ihr Glaube ist. Vor über 40 Jahren erklärte ein Polizeiinspektor einem Zeugen Jehovas in aller Deutlichkeit: „Soweit es Angola betrifft, ist es ... mit der Wachtturm-Organisation vorbei, vorbei, vorbei!“ Kurz danach sagte er drohend zu einem anderen einheimischen Zeugen: „Wissen Sie, was mit Ihnen geschieht?“ Darauf erwiderte der Zeuge ganz ruhig: „Mir ist klar, was Sie mir antun können. Schlimmstenfalls können Sie mich umbringen, mehr aber doch nicht, oder? Aber meinen Glauben werde ich nicht aufgeben.“ Trotz jahrelanger brutaler Mißhandlung in Gefängnissen und Strafgefangenenlagern hat dieser Zeuge — João Mancoca — an seinem Entschluß treu festgehalten.

Vor kurzem schrieb ein Ältester aus der Provinz Huambo: „Wir leben ständig in der Gefahr, unser Leben zu verlieren. Daß es kaum etwas zu essen gibt und es überall an Medikamenten fehlt, wirkt sich verheerend auf die Versammlungen aus. Es fehlen uns die Worte, die momentane Situation und die körperliche Verfassung unserer Brüder zu beschreiben.“ Doch dann fügte er hinzu: „Obwohl unsere körperliche Verfassung bedenklich ist, sind wir geistig stark. Was uns widerfährt, entspricht genau dem, was in Matthäus, Kapitel 24 und 2. Timotheus 3:1-5 vorausgesagt wurde.“

Worauf ist eine so positive Reaktion angesichts derartiger Härten zurückzuführen? Ein solcher Glaube und so viel Mut gehen nicht auf Selbstvertrauen oder das Vertrauen auf andere zurück, sondern auf das Vertrauen in Gottes Königreich mit Jesus Christus an der Spitze. Sie sind sich bewußt, daß Gott mit seinem Vorsatz die Oberhand gewinnen wird, ganz gleich, wer momentan am Ruder sitzt, und ungeachtet dessen, wie schwierig die Lage sein mag. Sie sind völlig davon überzeugt, daß Gottes Sohn, der vom Himmel aus regiert, den Sieg erringen wird und daß unter seiner Herrschaft die Erde ein Paradies werden wird (Dan. 7:13, 14; Offb. 6:1, 2; 19:11-16). Aus Erfahrung wissen Jehovas Zeugen in Angola, daß Jehova selbst in der heutigen Zeit Menschen trotz all ihrer Schwachheiten die Kraft geben kann, die über das Normale hinausgeht, damit sie Prüfungen ertragen können (2. Kor. 4:7-9).

Aber bevor wir uns weiter mit der Geschichte des Volkes Jehovas in Angola beschäftigen, wollen wir uns kurz in diesem Land umsehen.

Ein ungeschliffener Diamant

Angola liegt im südwestlichen Teil Afrikas und grenzt im Norden an die Demokratische Republik Kongo, im Süden an Namibia, im Osten an Sambia und im Westen an den Atlantischen Ozean. Angola hat eine Fläche von 1 246 700 Quadratkilometern, was in etwa der gesamten Grundfläche von Frankreich, Italien und Deutschland entspricht. Es ist fast 14mal so groß wie Portugal, das im 16. Jahrhundert begann, Angola zu kolonisieren. Auf Grund der Kolonisation durch die Portugiesen bekennen sich etwa 50 Prozent der Bevölkerung zum katholischen Glauben.

Obwohl Portugiesisch immer noch als Amtssprache gilt, ist die Bevölkerung Angolas vielsprachig. Umbundu, Kimbundu und Kikongo sind die am weitesten verbreiteten der mehr als 40 Sprachen, die hier gesprochen werden.

Viele Jahre lang haben andere Länder die Reichtümer Angolas ausgebeutet. In der Kolonialzeit wurden Millionen von Sklaven nach Brasilien verschifft, das zur damaligen Zeit eine andere portugiesische Kolonie war. Auf dem fruchtbaren Boden Angolas wuchsen einst Bananen, Mangos, Ananas, Zuckerrohr und Kaffee im Überfluß. Nachdem das Joch der Kolonialherrschaft abgeschüttelt worden war, ging es wegen des verheerenden Bürgerkriegs mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht so recht voran. Aber noch heute besitzt Angola reiche Ölvorräte, die vor der Küste lagern, und es gibt auch umfangreiche Diamanten- und Eisenerzvorkommen. Der größte Reichtum des Landes besteht jedoch aus bescheidenen und entschlossenen Menschen, von denen Tausende eine tiefe Liebe zum Wort Gottes und der darin verheißenen großartigen Zukunft unter Gottes Königreich haben.

„Sende dein Brot aus auf die Oberfläche der Wasser“

Der erste Bericht über die Tätigkeit von Zeugen Jehovas in Angola war der von Gray Smith und seiner Frau Olga, einem Pionierehepaar aus Kapstadt (Südafrika). Im Juli 1938 starteten sie in Johannesburg mit ihrem Wagen, der zum Abspielen von Schallplatten mit biblischen Ansprachen ausgerüstet war. Der Wagen war vollbepackt mit Wachtturm-Publikationen. Auf ihrer dreimonatigen Reise konnte das Ehepaar Smith Abonnements für die Zeitschrift Der Wachtturm abschließen und 8 158 Bibeln, Bücher und Broschüren bei interessierten Personen zurücklassen. Die beiden verbreiteten großzügig die biblische Literatur in einem riesigen Gebiet und erreichten dabei Menschen in Benguela, Luanda, Sá da Bandeira (jetzt Lubango) und anderen Städten im Westen Angolas. Doch im darauffolgenden Jahr brach der Zweite Weltkrieg aus, so daß es schwierig war, den Kontakt mit denjenigen aufrechtzuerhalten, die zuvor Interesse gezeigt hatten.

Eine Zeitlang führten ihre Predigtfeldzüge kaum zu greifbaren Ergebnissen. Doch der Grundsatz aus Prediger 11:1 erwies sich als zutreffend: „Sende dein Brot aus auf die Oberfläche der Wasser, denn im Verlauf vieler Tage wirst du es wiederfinden.“

Wie ein Bericht aus der Provinz Huíla zeigt, brauchte der Same der Wahrheit in einigen Fällen Jahre, bis er aufging. Viele Jahre nach der Predigttour des Ehepaars Smith erinnerte sich ein gewisser Herr Andrade immer noch daran, daß er von Leuten, die mit ihrem Auto auf der Durchreise von Südafrika waren, Wachtturm-Publikationen erhalten hatte. Damals wohnte er in Sá da Bandeira, war 41 Jahre alt und erhielt das Buch Reichtum sowie ein Abonnement auf die Zeitschrift Der Wachtturm. Daraufhin schrieb er an das brasilianische Zweigbüro, und man sorgte dafür, daß mit ihm brieflich die Bibel studiert wurde. Als Herr Andrade später jedoch feststellte, daß man seine Post zensierte, wurde das Bibelstudium eingestellt, und er hatte viele Jahre lang keinen Kontakt mehr zu den Zeugen.

Im Jahr 1967 zog Zuleika Fareleiro, die sich kurz zuvor hatte taufen lassen, nach Sá da Bandeira. Sie wußte noch recht wenig über die Wahrheit, und die Tätigkeit der Zeugen Jehovas war zu dieser Zeit im Land verboten. Doch es lag ihr sehr am Herzen, anderen das mitzuteilen, was sie wußte. Sie begann mit einer Frau die Bibel zu studieren, die ihr von einem Schuhmacher erzählte, der anscheinend der gleichen Religion angehörte. Schwester Fareleiro brachte ihm einige Schuhe zur Reparatur. Als sie ihm das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt zeigte, leuchteten seine Augen, und sie konnte mit ihm ein Bibelstudium beginnen. Dieser Mann war Herr Andrade, der inzwischen im Rollstuhl saß. Er hatte ein Trauma durchlebt, als er mit ansehen mußte, wie seine Frau umgebracht wurde. Die Königreichshoffnung wirkte deshalb anziehend auf ihn, und er war von ihr erfüllt. 1971 ließ er sich als Zeuge Jehovas taufen und diente Jehova treu, bis er 1981 im Alter von 80 Jahren starb. Trotz seiner Behinderung und seines fortgeschrittenen Alters fühlten sich andere durch seine regelmäßige Anwesenheit und seine Beteiligung an allen Zusammenkünften sehr ermuntert.

Bestrebt, Angolaner zu unterrichten und zu erbauen

Vor etwa 60 Jahren war ein Mann namens Simão Toco mit der Baptistenmission im Norden Angolas verbunden. Als er dabei war, von M’banza Congo (Angola) nach Léopoldville (Belgisch Kongo; heute: Kinshasa [Demokratische Republik Kongo]) umzuziehen, machte er bei einem Freund halt. Dort sah er ein Exemplar der Zeitschrift Luz e Verdade (heute: Despertai! [Erwachet!]). Darin war die portugiesische Übersetzung der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt enthalten. Das interessierte Toco, seinen Freund jedoch nicht. Also durfte Toco die Zeitschrift mitnehmen. Damit kam auch er in den Besitz biblischer Literatur, die von Jehovas Zeugen veröffentlicht worden war.

Nachdem Toco 1943 in Léopoldville eingetroffen war, gründete er einen Chor, der mit der Zeit Hunderte von Mitgliedern zählte. Da Toco eifrig bestrebt war, aus Angola ausgewanderte Landsleute zu unterrichten und zu erbauen, übersetzte er aus dem Portugiesischen Das Königreich — die Hoffnung der Welt ins Kikongo. Allmählich ließ er in die von ihm komponierten Hymnen das einfließen, was er über die Königreichshoffnung und andere biblische Wahrheiten gelernt hatte. Das war auch Gegenstand seiner biblischen Diskussionen mit einigen der Chorteilnehmer. 1946 schloß sich ein weiterer Angolaner, der in Léopoldville arbeitete, Tocos Bibelstudiengruppe an — João Mancoca. Die Zusammenkünfte fanden samstags und sonntags jeweils abends statt, und Mancoca war stets einer der ungefähr 50 Anwesenden.

Im Jahr 1949 fühlten sich Mitglieder der Gruppe dazu gedrängt, anderen von dem zu erzählen, was sie lernten, und so predigten viele von ihnen in Léopoldville. Das brachte Geistliche der Baptisten und die belgischen Behörden auf die Barrikaden. Bald darauf wurden viele der Anhänger Tocos verhaftet, unter anderem auch João Mancoca, und sie mußten mehrere Monate im Gefängnis zubringen. Wer sich weigerte, der Toco-Bewegung abzuschwören, und nicht damit aufhören wollte, die Literatur der Watch Tower Society zu lesen, wurde in sein Heimatland Angola abgeschoben. Das waren letztendlich etwa 1 000 Personen.

Die portugiesischen Behörden in Angola waren sich unschlüssig darüber, wie sie mit diesen Leuten verfahren sollten. Schließlich wurden diejenigen, die nach Angola heimgeschickt worden waren, auf verschiedene Gegenden des Landes verteilt.

Etwa zu dieser Zeit, nämlich im Jahr 1950, gelangte die biblische Wahrheit das erste Mal nach Huambo, der zweitgrößten Stadt Angolas (früher: Nova Lisboa). Das Werk machte nur zögernd Fortschritte, doch schließlich gehörten in dieser Gegend unter anderem João da Silva Wima, Leonardo Sonjamba, Agostinho Chimbili, Maria Etosi und Francisco Portugal Eliseu zu denen, die loyale Diener Jehovas wurden. Sie halfen auch ihren Familien, Jehova und seine gerechten Maßstäbe kennenzulernen.

Toco selbst schickte man mit einigen anderen zum Arbeiten auf eine Kaffeeplantage im Norden Angolas. Aber zu jener Zeit hatte Toco leider schon etwas andere Ansichten entwickelt. Als er und seine Gruppe noch in Léopoldville waren, hatten Anhänger von Simão Kimbangu, die Spiritismus ausübten, die Zusammenkünfte besucht. Einmal erlebten sie während einer Zusammenkunft etwas, was einige für das Ausgießen des heiligen Geistes hielten. Aber sie prüften nicht, um zu sehen, ob dieser Geist von Gott stammte (1. Joh. 4:1). João Mancoca gefiel es überhaupt nicht, daß das Studium der Bibel in den Hintergrund gedrängt wurde und man sich dafür lieber auf „den Geist“ verließ.

Nachdem João Mancoca nach Angola abgeschoben worden war, befand er sich schließlich in Luanda. Mancoca und Sala Filemon sowie Carlos Agostinho Cadi legten den anderen in der Gruppe dringend ans Herz, sich an die Bibel zu halten und Bräuchen den Rücken zu kehren, die nicht im Einklang mit der Bibel waren. Als Toco später an einen Ort im Süden des Landes verlegt wurde, kam er auf dem Weg dorthin durch Luanda. Es war offensichtlich, daß die Lehren der „Kimbangu“-Anhänger inzwischen noch stärker auf ihn abgefärbt hatten.

Im Jahr 1952 wurden João Mancoca, Carlos Agostinho Cadi und Sala Filemon verhaftet und in die Strafkolonie und Fischereistation Baía dos Tigres verbannt, weil sie von einem aus ihrer Gruppe verraten worden waren. Der Verräter hatte zwei Frauen, und er war dafür bekannt, daß er andere gern einschüchterte. Als er versuchte, die Führung der Gruppe in Luanda zu übernehmen, waren einige drauf und dran aufzugeben. Auf Grund seiner unehrlichen Methoden geriet er jedoch bald in Schwierigkeiten mit den Behörden, so daß auch er in die Strafkolonie verbannt wurde.

Besucher mit dreifachem Auftrag

Während des Jahres 1954 erhielt das Zweigbüro in Südafrika von der Gruppe in Baía dos Tigres eine Anzahl Briefe mit der dringenden Bitte um biblische Literatur. Daraufhin wurde John Cooke, ein Missionar der Watch Tower Society, 1955 von Frankreich aus nach Angola gesandt. Bei seiner Mission ging es um drei Aufgaben: Berichte zu überprüfen, wonach es in Angola 1 000 Zeugen gab; nach Möglichkeit den Brüdern beizustehen und herauszufinden, was getan werden konnte, um die Tätigkeit der Zeugen Jehovas in Angola gesetzlich zu befestigen. Nachdem er mit zahlreichen Gruppen zusammengekommen war, mußte er nach fünf Monaten feststellen, daß es in Angola weitaus weniger als 1 000 Zeugen gab. Wie aus dem Predigtdienstbericht des Jahres 1955 ersichtlich war, gab es im ganzen Land sage und schreibe 30 Verkündiger der guten Botschaft.

Es dauerte einige Wochen, bis die portugiesischen Behörden John Cooke die Genehmigung erteilten, João Mancoca und die kleine Gruppe in Baía dos Tigres im Süden Angolas zu besuchen. Man gestattete Bruder Cooke, sich dort fünf Tage aufzuhalten, und seine biblischen Darlegungen bestärkten Mancoca und die anderen in ihrer Überzeugung, daß er die Organisation vertrat, die Jehova Gott wirklich diente. Am letzten Tag seines Besuchs hielt Bruder Cooke vor einer Gruppe von etwa 80 Personen einen öffentlichen Vortrag mit dem Thema „Diese gute Botschaft vom Königreich“; auch der Verwaltungschef der Strafkolonie war anwesend.

Während der Monate seines Aufenthalts in Angola konnte Bruder Cooke mit Toco wie auch mit einigen seiner Anhänger an verschiedenen Orten Kontakt aufnehmen. Viele von ihnen waren lediglich sektiererische Nachfolger Tocos, die nicht an der Tätigkeit der Zeugen Jehovas interessiert waren. Eine Ausnahme war António Bizi, ein junger Mann aus Luanda, der gern mehr über Jehovas Vorsätze erfahren wollte. Toco selbst lebte zu jener Zeit als Verbannter in einem Dorf nahe Sá da Bandeira, und er durfte keine Post versenden oder empfangen.

Der Besuch von Bruder Cooke war eine große Quelle der Ermunterung für die kleine Gruppe von Treuen in Baía dos Tigres. Bruder Mancoca erinnert sich daran, wie durch den Besuch bestätigt wurde, daß sie „nicht auf dem Holzweg waren“. Es stellte sich auch heraus, daß es Voraussetzungen für weiteres Wachstum gab, wenngleich die Zahl der Zeugen geringer war, als zuvor berichtet wurde. In seinem Bericht erwähnte Bruder Cooke, daß einige, mit denen er zusammengekommen war, „wirklich etwas lernen wollten“ und daß „es ein ertragreiches Gebiet zu sein schien“.

Weitere Ermunterung folgt

Ein Jahr nach dem Besuch von Bruder Cooke sandte die Gesellschaft einen anderen befähigten Bruder, Mervyn Passlow, einen Absolventen der Gileadschule, zusammen mit seiner Frau Aurora nach Luanda. Sie hatten eine Liste von 65 Abonnenten und anderen Interessierten, die von John Cooke zusammengestellt worden war. Anfangs hatten die Passlows Schwierigkeiten, mit den Abonnenten in Kontakt zu kommen, weil als Anschrift nur das Postfach angegeben war, nicht aber die Privatadresse der Abonnenten. Doch zu jener Zeit kehrte eine Frau namens Berta Teixeira von Portugal nach Luanda zurück. In Portugal war sie mit Jehovas Zeugen in Berührung gekommen und hatte ziemliches Interesse an der biblischen Wahrheit gezeigt. Das Büro in Lissabon benachrichtigte die Passlows von ihrer Ankunft, und sie begannen unverzüglich ein Bibelstudium mit ihr. Einer von Bertas Verwandten arbeitete bei der Post und half den Passlows, die Anschriften der Abonnenten ausfindig zu machen. Viele von ihnen wurden eifrige Erforscher der Bibel, die schon bald mit ihren Freunden und Nachbarn sprachen. Innerhalb von sechs Monaten studierten die Passlows mit über 50 Personen.

Einige Monate nach ihrer Ankunft fingen die Passlows damit an, in ihrem Zimmer an Hand des Wachtturms ein regelmäßiges Bibelstudium durchzuführen. Nach Ablauf des ersten Monats war das Zimmer schon zu klein geworden. Berta Teixeira, die eine Sprachschule leitete, bot einen der Schulräume für die Zusammenkünfte an. Acht Monate später fand in der Bucht von Luanda die erste Taufe der Zeugen Jehovas in Angola statt.

Angesichts der damaligen Situation in Angola hatten die Passlows nur eingeschränkte Kontakte zu ihren afrikanischen Brüdern. Aber einige von ihnen besuchten die Passlows. António Bizi, dem schon John Cooke ein ernsthaftes Interesse an der Bibel nachgesagt hatte, war einer von denen, die regelmäßig zum Bibelstudium erschienen. Und João Mancoca, der immer noch in Haft war, sandte den Passlows ermunternde Briefe.

Kurz nach der ersten Taufe weigerte sich die Regierung jedoch, die Visa der Passlows zu erneuern, so daß sie das Land verlassen mußten. Was das „Säen von Samen“ und das „Begießen“ von Pflanzungen anderer betraf, hatten sie vorzügliche Arbeit geleistet (1. Kor. 3:6). Sie hatten zu ihren angolanischen Brüdern auch eine tiefe Liebe entwickelt. Wegen der ablehnenden Haltung der Polizei warnten die Passlows die einheimischen Brüder, vor allem die afrikanischen, davor, sich öffentlich von ihnen zu verabschieden. Aber das Band der Liebe war zu stark. So kamen viele, um ihre Zuneigung zu zeigen, als die Passlows die Gangway hochgehen wollten, um an Bord des Schiffes zu gehen.

Harry Arnott, ein Zonenaufseher, hatte 1958 die Passlows während ihres Aufenthalts in Luanda besucht. Als er im Februar 1959 Angola noch einmal als Zonenaufseher besuchen wollte, kam eine kleine Gruppe von Brüdern, unter ihnen auch Bruder Mancoca und Schwester Teixeira, um ihn am Flughafen in Empfang zu nehmen. Doch die Polizei trat unverzüglich auf den Plan. Bruder Arnott wurde von der Gruppe getrennt und sein Gepäck durchsucht.

Schließlich wurde Bruder Arnott jedoch im gleichen Raum festgehalten wie auch Bruder Mancoca. Als sich die beiden anschauten, mußten sie lachen. Der Polizeibeamte verstand nicht, was an dieser Situation so amüsant war. Wütend sagte er deshalb zu Bruder Mancoca: „Wissen Sie, was mit Ihnen geschieht?“ Bruder Mancoca, der schon sechs Jahre eingesperrt gewesen und wiederholt geschlagen worden war, erwiderte ganz ruhig: „Darüber kann ich keine Tränen vergießen. Mir ist klar, was Sie mir antun können. Schlimmstenfalls können Sie mich umbringen, mehr aber doch nicht, oder?“ Abschließend sagte er entschieden: „Aber meinen Glauben werde ich nicht aufgeben.“ Dann blickte er zu Bruder Arnott hinüber und lächelte ihm ermunternd zu. Bruder Arnott erinnert sich: „Er schien gar nicht an seine eigene mißliche Lage zu denken und war nur darauf bedacht, mir zu helfen, mich durch diese Situation nicht entmutigen zu lassen. Es war sehr erhebend zu sehen, wie dieser afrikanische Bruder nach jahrelanger Haft so fest und mutig auftrat.“

Bruder Arnott wurde des Landes verwiesen, und mit der Maschine, mit der er gekommen war, flog man ihn wieder aus — aber erst nachdem er durch den kurzen Kontakt mit Bruder Mancoca ermuntert worden war. Nach einem siebenstündigen Verhör wurde auch Bruder Mancoca auf freien Fuß gesetzt.

Eine Woche nach diesem Vorfall ließ sich Bruder Mancoca schließlich zusammen mit seinen Freunden Carlos Cadi und Sala Filemon taufen. Etwa zu dieser Zeit mieteten sie einen Raum in Sambizanga, einem Vorort von Luanda. Dort hielt die erste offizielle Versammlung der Zeugen Jehovas in Angola ihre Zusammenkünfte ab. Damals konnten sie die Zusammenkünfte mit Lied und Gebet beginnen und beenden, und das Singen erregte die Aufmerksamkeit von Leuten, die sich gerade in der Nähe aufhielten. Daß sich die Anwesenden während des Wachtturm-Studiums beteiligen und im Anschluß sogar Fragen stellen konnten, beeindruckte viele. Es trug auch sehr zur Ausdehnung des Werkes bei, weil es etwas Derartiges in den Kirchen der Christenheit nicht gab.

„Vorsichtig wie Schlangen“

Von 1960 an war nicht mehr das Zweigbüro in Südafrika mit der Aufsicht über das Predigen der guten Botschaft in Angola betraut, sondern das Büro in Portugal. Dadurch kamen sich Zeugen Jehovas in diesen beiden Ländern sehr viel näher, ganz im Gegensatz zu den sich verschlechternden politischen Beziehungen zwischen Angola und Portugal, das lange Zeit die Kolonialherrschaft über Angola innehatte.

Die Unabhängigkeit des benachbarten Belgisch-Kongo und der darauf folgende Bürgerkrieg hatten großen Einfluß auf das politische Klima in Angola. Die Kolonialregierung verstärkte ihre Überwachung, konnte aber den Ausbruch eines Guerillakrieges nicht verhindern, der schließlich zur Unabhängigkeit Angolas führte. Im Januar 1961 brachen im Landesinnern Gewalttätigkeiten aus. Das führte im Februar zu einem Versuch, die Regierung in Luanda zu stürzen. Ausgelöst durch einen Streit um Arbeitslöhne im Norden des Landes, in der verarmten Region Kongo, ermordeten Angolaner dann im März Hunderte von portugiesischen Siedlern. Darauf folgten massive Vergeltungsschläge.

In den 60er Jahren entstanden drei hauptsächliche Unabhängigkeitsbewegungen im Land: die kommunistische Volksbewegung für die Befreiung Angolas (Movimento Popular de Libertação de Angola [MPLA]), die Nationale Befreiungsfront Angolas (Frente Nacional de Libertação de Angola [FNLA]) und die Nationalunion für die vollständige Unabhängigkeit Angolas (União Nacional para a Independência Total de Angola [UNITA]).

Dieser Bürgerkrieg führte umgehend zu Problemen für die kleine Gruppe der Zeugen Jehovas. In der Presse wurde sie als „antichristliche Sekte und gesellschaftlich destruktiv“ bezeichnet. Journalisten entstellten Zitate aus der Zeitschrift Erwachet! und behaupteten fälschlicherweise, daß die Zeugen „die Terrorakte, die sich kurz zuvor im Norden der Provinz zugetragen hatten, rechtfertigten oder gar dazu aufforderten“. So erschien das Foto einer Titelseite von Erwachet! mit der Bildunterschrift „Religiöse Propaganda vergiftet den Geist der Einheimischen“.

Zu jener Zeit wurden alle Zeugen Jehovas ständig überwacht. Man kontrollierte genau alle eingehende Post, so daß die Kommunikation mit dem Zweigbüro in Portugal nur begrenzt möglich war und die Brüder nur sehr schwer an Wachtturm-Publikationen herankamen. Diejenigen, die per Post Literatur erhielten, wurden von der Polizei verhört.

Kamen mehr als zwei Personen zusammen, die nicht miteinander verwandt waren, so erregte dies schon das Mißtrauen der Kolonialregierung. Sicherheitshalber versammelten sich die Brüder nur in kleinen Gruppen und jedesmal an einem anderen Ort. 1961 kamen jedoch 130 Personen zur Feier zum Gedenken an den Tod Christi. Danach besuchten Bruder Mancoca und Bruder Filemon alle Anwesenden, um herauszufinden, ob sie sicher zu Hause angekommen waren. Es stärkte die Brüder ungemein, daß man so liebevoll um sie besorgt war.

Eine Zeit schwerer Prüfungen

Die Erfahrung von Silvestre Simão vermittelt eine Vorstellung von dem, was jemand seinerzeit mitmachte, wenn er anfing, die Bibel zu studieren. Er ging noch zur Schule, als er 1959 von einem Klassenkameraden das Traktat Höllenfeuer — Biblische Wahrheit oder heidnisches Schreckmittel? erhielt. Später sagte er einmal: „Dieses Traktat war der Wendepunkt in meinem Leben. Man hatte mir früher immer Angst vor dem Höllenfeuer gemacht. Doch nachdem ich die Wahrheit darüber erfahren hatte, ging ich von heute auf morgen nicht mehr zur Kirche und fing an, die Veröffentlichungen der Gesellschaft zu lesen.“

Angesichts der angespannten Lage luden die Zeugen nicht gleich jeden zu ihren Zusammenkünften ein, der vorgab, Interesse zu haben. Nach zwei Jahren hatten sie jedoch das Empfinden, es sei ungefährlich, Silvestre einzuladen. Im Anschluß an seine erste Zusammenkunft stellte er Fragen über den Sabbat. Die Antworten überzeugten ihn davon, daß er die Wahrheit gefunden hatte. Doch wieviel bedeutete sie ihm? Seine Wertschätzung für das, was er gelernt hatte, wurde schon in der darauffolgenden Woche getestet, als er am 25. Juni 1961 seine zweite Zusammenkunft besuchte, die von Soldaten bei ihrem Kontrollgang aufgelöst wurde. Man befahl allen Männern, nach draußen zu gehen, und dort wurden sie mit Stahlrohren geschlagen. Ein Bruder erinnert sich: „Man schlug auf uns ein, als wollte man ein Stück Vieh umbringen — fast so, als würde man mit einem Knüppel ein Schwein erschlagen, um es dann auf dem Markt zu verkaufen.“ Bei Silvestre Simão und den anderen, die damals dabei waren, kann man noch heute die Spuren der Schläge sehen. Im Gänsemarsch mußten sie dann zu einem Fußballstadion marschieren, wo sie sich einer großen Gruppe wütender Europäer gegenübersahen, die erst kurz zuvor im Krieg im Norden Angolas Angehörige verloren hatten. Dort schlugen die Soldaten und einige der Europäer abermals brutal auf die Brüder ein.

Dann wurde Silvestre zusammen mit den anderen Brüdern auf Lkws „verladen“ und zum São-Paulo-Gefängnis gebracht, das in den Händen der berüchtigten Geheimpolizei war. Dort schlug man erneut brutal auf die Brüder ein und warf sie in eine Zelle — einen auf den anderen. Sie waren so schwer verwundet und bluteten dermaßen stark, daß man sie für tot hielt.

Da João Mancoca der Wachtturm-Studienleiter war, hielten die Behörden ihn für den Anführer der Gruppe. Nachdem er dermaßen furchtbar geschlagen worden war, brachte man ihn fort, um ihn hinzurichten. Ihm wurde vorgeworfen, er wolle gegen die Weißen vorgehen — so jedenfalls legten die Behörden fälschlicherweise einen Absatz im Wachtturm aus. Bruder Mancoca fragte, wie sie denn reagieren würden, wenn sie die gleiche Zeitschrift in der Hand von Europäern oder bei einer Familie in Brasilien oder in Portugal vorfinden würden? Er verwies darauf, daß diese Zeitschrift weltweit erscheint und von Menschen aller Nationalitäten studiert wird. Um sich davon zu überzeugen, brachte man Bruder Mancoca in die Wohnung einer portugiesischen Familie — ebenfalls Zeugen Jehovas. Als die Beamten dort die gleiche Zeitschrift sahen und erfuhren, daß die Familie denselben Stoff studiert hatte, sahen sie von einer Hinrichtung ab. Darauf wurde Bruder Mancoca ins São-Paulo-Gefängnis zurückgebracht.

Damit gaben sich aber nicht alle zufrieden. Bei ihrer Rückkehr ins Gefängnis nahm der Gefängniswärter, ein hagerer Portugiese, Bruder Mancoca „unter seine Fittiche“. Sehr „fürsorglich“ ließ er den Bruder den ganzen Nachmittag in der prallen Sonne verbringen, ohne ihm etwas zu essen oder zu trinken zu geben. Gegen 17 Uhr fing er damit an, Bruder Mancoca auszupeitschen. Bruder Mancoca sagt rückblickend: „Noch nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der mit einer Peitsche so umging wie er. Der Wärter sagte, er würde nicht eher aufhören, bis ich tot umfallen würde.“ Eine ganze Stunde lang schlug er mit seiner Peitsche unbarmherzig auf Bruder Mancoca ein, bis dieser schließlich keinen Schmerz mehr empfand. Noch während er ausgepeitscht wurde, überfiel ihn plötzlich eine starke Müdigkeit. Der inzwischen ebenso erschöpfte Wärter war davon überzeugt, daß Bruder Mancoca jeden Moment sterben würde, und so schleifte ein Soldat seinen Körper weg und stülpte eine Kiste über ihn. Als nachts Angehörige der Miliz kamen, um sich zu vergewissern, ob er wirklich tot war, zeigte der Soldat ihnen die Kiste, unter der Bruder Mancoca lag und sagte ihnen, er sei schon tot. Erstaunlicherweise erholte sich Bruder Mancoca. Der zuvor erwähnte Soldat erschrak, als er ihm drei Monate später im Speiseraum begegnete. Darauf erzählte er Bruder Mancoca ausführlich, was sich an jenem Abend abgespielt hatte. Offensichtlich war es die plötzlich aufgetretene Müdigkeit gewesen, die Bruder Mancoca das Leben gerettet hatte.

Bruder Mancoca konnte schließlich wieder mit den anderen Brüdern im Gefängnis zusammensein, und sie hielten dort Zusammenkünfte ab. Während der fünfmonatigen Internierung im São-Paulo-Gefängnis wurde dreimal ein öffentlicher Vortrag gehalten, wo jeweils etwa 300 Personen zugegen waren. Viele Gefangene, die Interesse gezeigt hatten, machten nach ihrer Entlassung Fortschritte und ließen sich taufen, so daß das Zeugnis, das im Gefängnis gegeben worden war, zur Festigung der Versammlungen außerhalb beitrug.

Während der fünf Monate, die Silvestre Simão im Gefängnis verbrachte, konnte er sich der Gruppe dort anschließen und systematisch die Bibel studieren, wodurch er die nötige geistige Stärke erlangte. Von dort wurden Mitglieder dieser Gruppe in andere Gefängnisse und Arbeitslager verlegt, wo sie immer wieder brutal geschlagen wurden und hart arbeiten mußten. Nachdem Silvestre vier Jahre lang an verschiedenen Orten inhaftiert gewesen war, wurde er im November 1965 auf freien Fuß gesetzt. Er kehrte nach Luanda zurück und schloß sich der Gruppe von Zeugen in der Gegend von Rangel an. Sein Glaube hatte bereits vielen Prüfungen standgehalten, als er sich schließlich 1967 taufen ließ. Andere Mitgefangene, zu denen auch Bruder Mancoca gehörte, kamen erst 1970 frei, nur um gleich wieder eingesperrt zu werden.

„Auch werden sie den Krieg nicht mehr lernen“

Im Land herrschte Krieg. Wer Jehovas Wege kennenlernt, wird aber nach den Worten der Bibel seine ‘Schwerter zu Pflugscharen schmieden und seine Speere zu Winzermessern. Auch wird er den Krieg nicht mehr lernen’ (Jes. 2:3, 4). Wie würden sich junge Männer in Angola verhalten?

Im März 1969 ergriff die Regierung brutale Maßnahmen gegen alle, die ihre christliche Neutralität nicht aufgeben wollten. Zu den ersten, die danach eingesperrt wurden, gehörten António Gouveia und João Pereira aus Luanda. Bruder Gouveia wurde von seinem Arbeitsplatz abgeholt und in eine ganz schmutzige Zelle gebracht. Seine Mutter durfte ihn erst besuchen, nachdem er schon 45 Tage inhaftiert war.

Fernando Gouveia, António Alberto und António Matías gehörten zu denen, die in Huambo festgenommen wurden. Dreimal täglich wurden sie grausam geschlagen. Nach diesen Schlägen konnte selbst Fernandos eigene Mutter ihn nicht mehr erkennen. Als schließlich die Brüder einen Brief an den Kommandeur der Streitkräfte richteten und darin die Mißhandlungen anprangerten, ließen die Grausamkeiten nach.

António Gouveia erinnert sich an einiges, was ihnen half auszuharren. Von Zeit zu Zeit versteckte seine Mutter eine Seite des Wachtturms in dem Essen, das sie ihm brachte. „Das half uns, geistig rege und auch geistiggesinnt zu bleiben“, sagt er und fügt hinzu: „Wir predigten den Wänden, ganz gleich, welches biblische Thema uns in den Sinn kam.“ Um sich bei Laune zu halten, machten einige der Brüder ab und zu einen kleinen Spaß. Lautstark verkündeten sie dann, wie viele Fliegen sie in ihrer Zelle „gelyncht“ hatten — ganz so, als wäre es ein herausragendes Ereignis.

Unter denen, die in Angola eingesperrt waren, befanden sich sechs junge Männer aus Portugal, die zum Militärdienst einberufen worden waren, diesen Dienst jedoch aus Gewissensgründen ablehnten. Einer von ihnen, David Mota, erzählt: „Oft haben wir Jehovas Schutz verspürt. Die Beamten versuchten, auf verschiedene Weise unsere Lauterkeit zu brechen und konzentrierten sich dabei auf einige aus unserer Gruppe, die noch nicht getauft waren. Eine ihrer Methoden, die sie wiederholt anwandten, bestand darin, uns mitten in der Nacht zu wecken, fünf von uns zur Seite zu stellen und einem der fünf eine angeblich geladene Pistole an den Kopf zu halten und dann abzudrücken. 30 Minuten nachdem wir zu unserer Schlafstätte zurückgeschickt worden waren, wiederholte sich das Ganze. Wir sind Jehova dankbar dafür, noch am Leben zu sein. Schließlich erwarben wir uns die Achtung der Gefängnisverwaltung und durften im Gefängnis sogar Zusammenkünfte durchführen. Wie glücklich wir doch darüber waren, zu erleben, wie sich sechs unserer Mitgefangenen im Gefängnis taufen ließen!“

Obwohl man den Brüdern sagte, sie müßten bis zu ihrem 45. Lebensjahr im Gefängnis bleiben, mußten sie nicht so lange warten. Trotzdem waren es schwere Zeiten. Durch das, was sie durchmachten, wurde ihr Glaube geläutert. Heute dienen die meisten dieser Brüder in den Versammlungen als Älteste.

Plötzliches Ende der Kolonialherrschaft

Am 25. April 1974 kam es zu einem Umsturz der Diktaturregierung in Portugal. Der 13jährige Kolonialkrieg in Angola war zu Ende, und die portugiesischen Truppen begannen mit dem Rückzug. Am 31. Januar 1975 wurde eine Übergangsregierung gebildet, die zehn Monate im Amt bleiben sollte, aber nur sechs Monate bestand.

Anfangs kam diese drastische Wende den Brüdern zugute. 25 Zeugen Jehovas, die wegen ihrer Neutralität im Gefängnis in Cabo Ledo inhaftiert waren, fielen im Mai unter eine Amnestie. Unter ihnen befanden sich die sechs Portugiesen, die sich geweigert hatten, in irgendeinem Krieg Partei zu ergreifen, was auch Auseinandersetzungen mit den afrikanischen Kolonien einschloß. Was würden diese europäischen Brüder mit ihrer unerwarteten Freiheit anfangen? David Mota sagt dazu: „Durch die Gefängniszeit in unserem innigen Verhältnis zu Jehova gestärkt, entschieden wir sechs uns, in Angola zu bleiben und sogleich den Pionierdienst aufzunehmen.“

Religiöse Toleranz war für die 1 500 Zeugen in Angola eine neue Erfahrung. Die Geheimpolizei gab es nicht mehr, Festnahmen gehörten der Vergangenheit an, und die Zeugen konnten sich frei versammeln. Sie durchkämmten ganz Luanda nach geeigneten Hör- oder Konzertsälen, Freizeiträumen oder anderen Räumlichkeiten, wo sich die Zeugen Jehovas, die ständig an Zahl zunahmen, versammeln könnten. Bis dahin trafen sich die Verkündiger der 18 Versammlungen des Landes in Privatwohnungen.

Vorbereitungen für eine besondere Dienstzusammenkunft im „Pavilhão do Ferrovia“ wurden getroffen. Unter den 400 Brüdern, die aus mehreren Versammlungen eingeladen worden waren, befand sich auch José Augusto, der jetzt zur Bethelfamilie in Portugal gehört. Er sagt: „Es war das erste Mal, daß ich so viele Brüder und Schwestern in Freiheit versammelt sah. Wir trauten unseren Augen nicht! Es war begeisternd, zu erleben, wie alle ohne Hemmungen aufeinander zugingen und sich so an der Gemeinschaft mit den Brüdern aus anderen Versammlungen erfreuen konnten.“

Theokratische Freuden in unruhevollen Zeiten

Zwischen den drei rivalisierenden Bewegungen im Land, der MPLA, der FNLA und der UNITA, gab es einen Machtkampf. Bewaffnete Einheiten der rivalisierenden Splittergruppen marschierten in Luanda ein und errichteten dort jeweils ihr Hauptquartier. „Anfangs wurde nur aus dem Hinterhalt geschossen“, berichtet Luis Sabino, ein Augenzeuge. „Als der Haß eskalierte, setzte man auch schwerere Waffen ein. Auf den Straßen sah man Panzer, und Raketen wurden abgeschossen. Hunderte von Wohnungen wurden verwüstet, was natürlich auch unsere Brüder traf.“

Es erschien daher vernünftig, Versammlungszusammenkünfte wieder in den einzelnen Buchstudiengruppen durchzuführen. „Es war ganz normal, wenn eine Zusammenkunft durch Maschinengewehrsalven unterbrochen wurde, die ganz in der Nähe zu hören waren“, erzählt Manuel Cunha. „Wir duckten uns alle, bis die Schießerei aufhörte, dann konnten wir mit dem Programm fortfahren. Um nicht die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, schalteten wir manchmal das Licht aus. Nach Programmschluß gingen die Brüder möglichst unbemerkt wieder nach Hause.“

Trotz der Gefahren waren die Brüder entschlossen, ihren Dienst auszudehnen. Delucírio Oliveira erklärt dazu: „In der Kolonialzeit war unser Werk verboten. Frei von Haus zu Haus zu gehen war also für die meisten Verkündiger eine neue Erfahrung. Pioniere gingen führend voran und ermunterten andere, sie zu begleiten. Die Predigtdienstzusammenkünfte wurden gut unterstützt.“ Doch überall wurde man an Krieg erinnert. Er fährt fort: „Es war nichts Außergewöhnliches, während unseres Predigtdienstes Schießereien zu hören. Manchmal mußten wir den Bürgersteig verlassen, wenn wir nicht in eine frische Blutlache hineintreten wollten. Ein andermal lagen Tote auf der Straße.“

Zwei Schwestern, eine davon eine Pionierin, waren gerade im Predigtdienst, als ganz in der Nähe eine Bombe explodierte. Eine der Schwestern kauerte sich so dicht wie möglich an eine Wand und schlug vor, nach Hause zu gehen. Die Pionierin ermunterte sie, noch ein bißchen durchzuhalten. Sie versicherte ihr, den Dienst zu beenden, sollte es noch einmal zu einer Explosion kommen. Etwas später an diesem Vormittag konnten sie ein Bibelstudium mit einem Ehepaar beginnen, das darum bat, dreimal in der Woche zu studieren.

Trotz der unstabilen Lage im Land scheuten sich die Brüder nicht davor, im März 1975 ihren ersten Kreiskongreß in öffentlichen Räumlichkeiten abzuhalten. Zu diesem Anlaß wurde Luandas größte überdachte Sportstätte gemietet: Cidadela Desportiva. Aus Vorsicht lud man nur diejenigen ein, die regelmäßig zu den Zusammenkünften gekommen waren, und trotzdem zählte man 2 888 Anwesende.

Da alles glattging, luden die Brüder zum zweiten Kongreß auch Interessierte ein und diejenigen, mit denen sie die Bibel studierten. Aníbal Magalhães erzählt: „Was uns auffiel, als wir den Saal betraten, waren die großen Buchstaben über der Bühne mit dem Kongreßmotto ‚Was für Menschen solltet ihr da sein? (2. Pet. 3:11)‘. Schon vor Beginn war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Wir waren überwältigt, als bekanntgegeben wurde, daß 7 713 Anwesende gezählt worden waren. Viele konnten ihre Freudentränen nicht zurückhalten. Was wir sahen, wies deutlich auf ein großes Einsammlungswerk hin, das noch vor uns lag; und wir dankten Jehova dafür, daß er uns bis zu diesem Tag bewahrt hatte.“

Als die Brüder nach dem Schlußgebet die Kongreßstätte reinigten, brachen erneut Schießereien aus — diesmal in der gesamten Umgebung. Das erinnerte wieder daran, daß die Brüder ‘mit denen zelteten, die den Frieden haßten’ (Ps. 120:6).

Vom Krieg zerrissen

Durch die Auseinandersetzungen zwischen den drei rivalisierenden politischen Gruppen war das Land zerrissen, und Luanda wurde zum Schauplatz dieser Auseinandersetzungen. Männer, Frauen und sogar Kinder wurden zwangsweise zur Miliz einberufen. Man konnte uniformierte Jungen auf der Straße sehen, die nicht älter als 12 Jahre waren und mit Schnellfeuerwaffen wild um sich schossen. Maschinengewehrfeuer, Explosionen von Granaten, Raketen und andere Geschosse bescherten vielen schlaflose Nächte. Angola wurde in einen Krieg gestürzt, der kein Ende zu nehmen schien. Das führte dazu, daß eine ganze Generation junger Angolaner aufwuchs, die zeit ihres Lebens nichts anderes kannte als eine Atmosphäre der Gewalt — eine ständige Geräuschkulisse aus Gewehrfeuer und Bombenexplosionen.

Um ihre christlichen Brüder und Schwestern zu stärken, schauten treue geistige Hirten auf ihrem Weg von und zu der Arbeit regelmäßig bei ihnen zu Hause herein. Sie vergewisserten sich, daß es allen gutging, und oft lasen sie zusammen mit der Familie ein paar Bibeltexte.

Zusammenkünfte zu besuchen und sich am Predigtdienst zu beteiligen erforderte Mut und außerdem Vertrauen zu Jehova. Oftmals war es jedoch der beste Schutz, wenn man als ein Zeuge Jehovas bekannt war. Faustino da Rocha Pinto war auf dem Weg zum Büro der Gesellschaft, als ein Soldat plötzlich sein Gewehr auf ihn richtete und ihn barsch anfuhr: „Wohin gehen Sie? Welcher Bewegung gehören Sie an? Her mit der Aktentasche!“ Als der Soldat sie öffnete, fand er nur eine Bibel und ein paar Wachtturm-Veröffentlichungen. Sofort wurde er zugänglicher. „So, Sie sind also einer von den Zeugen Jehovas! Oh, das tut mir leid; entschuldigen Sie bitte. Sie können gehen.“

Bei einer anderen Gelegenheit fauchte ein Soldat eine junge Schwester an: „Welche Bewegung unterstützen Sie?“ Sie gab zur Antwort: „Ich gehöre keiner Bewegung an. Ich bin eine Zeugin Jehovas.“ Darauf sagte der Soldat zu seinen Kameraden: „Schaut sie euch an! Guckt euch mal ihren Rock an! Ist sie nicht anständig angezogen? Sie ist anders als die anderen Mädchen. Sie ist wirklich eine Zeugin Jehovas.“ Die Schwester durfte weitergehen, aber man legte ihr ans Herz, vorsichtig zu sein.

Als die Kampfhandlungen zunahmen, wurde es immer schwieriger, mit den Versammlungen in Kontakt zu bleiben, vor allem mit denen in den Provinzen. Jedesmal, wenn Truppen in eine Stadt einzogen, plünderten sie Häuser und verbrannten, was sie nicht mitnahmen. Dadurch sahen sich Tausende — unter ihnen auch viele Brüder — dazu gezwungen, in den Busch zu fliehen. In Banga, wo sich neben den 100 Verkündigern noch 300 weitere Personen zu den Zusammenkünften einfanden, mußten jeweils alle ihre Häuser verlassen und tagelang im Busch Zuflucht suchen. Wer zu den Versammlungen in Jamba und Cela gehörte, mußte ebenfalls fliehen und hatte nur ‘seine Seele zur Beute’ (Jer. 39:18). Die meisten europäischen Zeugen, die noch in Lubango waren, gingen nach Windhuk im benachbarten Namibia.

Diese Brüder im Busch mit Literatur zu versorgen wurde immer schwieriger. Einige Versammlungen, wie die in Malanje, Lobito, Benguela, Gabela, Huambo und Lubango, waren manchmal für Monate von der Außenwelt abgeschnitten.

Eine traurige Zeit

Sobald das Joch der Kolonialherrschaft abgeschüttelt worden war, verließen Tausende von Portugiesen das Land. Ihre Flucht wurde immer dringlicher, weil eine Welle der Anarchie über das Land rollte. Die meisten konnten nur ein paar Habseligkeiten mitnehmen. Wie tief der Haß gegenüber Europäern saß, macht die Erklärung einer politischen Partei deutlich, wonach sie sogar Mulatten umbringen würden, weil sich ihre Vorfahren mit Weißen eingelassen hätten.

Natürlich hegten unsere portugiesischen und angolanischen Brüder keine solche Feindseligkeit. Sie fühlten sich durch ein starkes Band brüderlicher Liebe miteinander verbunden. Als die Portugiesen das Land verließen, verloren die Zeugen viele ihrer besten Freunde. Bis zum Juni 1975 mußten alle portugiesischen Brüder, die die Führung des Werkes innehatten, das Land verlassen. Die Aufsicht über das Predigtwerk und das Weiden der Herde Gottes lag nun in den Händen treuer einheimischer Brüder. Die meisten von ihnen waren Familienväter und mußten ganztags arbeiten. Obwohl es sie traurig stimmte, daß ihre portugiesischen Brüder sie verlassen mußten, waren sie entschlossen, das Werk mit Jehovas Hilfe fortzusetzen.

Welcher Situation sahen sich die Brüder gegenüber? Es dauerte nicht lange, und das Zweigbüro in Portugal erhielt vom Büro in Luanda folgende beunruhigende Nachricht: „Die Stadt liegt unter Artilleriebeschuß. Überall gibt es Straßenblockaden. Die Verbindung zu anderen Städten ist unterbrochen. Der Hafen von Luanda ist geschlossen, und in den Läden werden die Lebensmittel knapp. Überall hört man von Raub und Plünderungen. Eine Ausgangssperre ab 21 Uhr wurde verhängt — wer danach auf der Straße ist, muß damit rechnen, erschossen zu werden.“

Ein Schritt nach vorn

Diese Zeit politischer Unruhen war eine Zeit beispiellosen geistigen Wachstums. Es wurde eine Verkündigerhöchstzahl von 3 055 erreicht, eine 68prozentige Zunahme im Vergleich zum Vorjahr. Und das Gedächtnismahl wurde von 11 490 Personen besucht!

Am 5. September 1975 erhielten die Brüder die lang ersehnte Benachrichtigung. Der Justizminister der Übergangsregierung verlieh Jehovas Zeugen als „Religionsgemeinschaft“ die gesetzliche Anerkennung. João Mancoca erinnert sich noch: „Unter den Brüdern herrschte Hochstimmung. Noch nie zuvor hatten sie ihre Anbetung in vollständiger Freiheit ausüben können, ja, sie wußten gar nicht, was das ist. Es kam ihnen so vor, als wären die Gefängnistore weit geöffnet worden. Zum ersten Mal konnten in aller Öffentlichkeit Versammlungszusammenkünfte und Kreiskongresse durchgeführt werden. Die für das Frühjahr 1976 organisierten Kreiskongresse gaben dem Werk großen Aufschwung und stärkten die Brüder in ihrer Entschlossenheit, die für kommende Jahre dringend notwendig sein würde.“

Man plante fünf Kreiskongresse; doch es war Vorsicht geboten. Zu jedem Kongreß waren nur drei oder vier Versammlungen eingeladen. Außerdem wurden drei Brüder damit beauftragt, als Kreisaufseher an Wochenenden die Versammlungen zu besuchen.

Wegen der Verhältnisse in Angola konnten Älteste die ganzen Jahre über an keiner der besonderen Schulungen teilnehmen, die die Gesellschaft vorbereitet hatte. Deshalb wurde nun die erste Königreichsdienstschule für Älteste geplant, und zwar vom 19. bis 24. Mai 1976. Zwei angolanische Brüder besuchten die Schule in Portugal und wurden dort als Unterweiser geschult. Nach ihrer Rückkehr führten sie unter Anleitung von Mário P. Oliveira aus dem Zweigbüro in Portugal die Schule in Luanda durch.

Die 23 Ältesten schätzten die biblisch fundierte Unterweisung sehr, die ihnen helfen sollte, ‘die Herde Gottes zu hüten’ (1. Pet. 5:2). Carlos Cadi, der damals als Kreisaufseher diente, weiß noch, wie sich die Schulung auswirkte: „Die Ältesten konnten nun Jehovas Organisation in einem ganz anderen Licht sehen. Die Schule machte die Brüder auch mit dem Bildungswerk der Organisation Jehovas vertraut. Sie erfuhren, wie sie den Brüdern in der Versammlung künftig helfen könnten, biblische Grundsätze beim Lösen von Problemen anzuwenden. Die Schule half den Ältesten auch, die Tätigkeit der Versammlung noch besser zu organisieren, indem sie sich die Fähigkeiten der Dienstamtgehilfen besser zunutze machten, die an ihrer Seite dienten.“

Durch die gesetzliche Anerkennung wurde es unter anderem auch möglich, Bibeln und biblische Literatur einzuführen. So erhielten einige Versammlungen innerhalb von fünf Monaten ihre ersten Zeitschriften. Wie glücklich die Brüder doch darüber waren, endlich eine vollständige 32seitige Ausgabe der Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! zu haben! Die Brüder waren schnell durch die ‘große Tür zur Tätigkeit’ eingetreten, die sich ihnen geöffnet hatte (1. Kor. 16:9). Doch die unstabilen Verhältnisse im Land brachten weitere ernste Probleme mit sich.

Obwohl Angola die Unabhängigkeit von Portugal wie geplant am 11. November 1975 erlangte, dauerte es nicht lange, bis die Auseinandersetzungen zwischen den großen politischen Parteien zu einem Bürgerkrieg eskalierten. Innerhalb Angolas entstanden unabhängige Republiken, und Luanda wurde von der marxistischen MPLA zur Hauptstadt erklärt. Die Koalition von UNITA und FNLA erklärte Huambo zu ihrer Hauptstadt.

Die politische Propaganda, mit der sich die rivalisierenden Gruppen gegeneinander aufhetzten, führte zu beispiellosem Haß gegen Angehörige anderer Rassen und Stämme. In der Hauptstadt waren kaltblütige Morde an der Tagesordnung — man verbrannte Menschen sogar auf offener Straße. Ließ jemandes Sprache erkennen, daß er nicht aus Luanda kam, war das oft schon Grund genug, ihn umzubringen. Dieser Haß auf Bewohner anderer Regionen führte zu Spannungen, die eine massive Abwanderung der Bevölkerung zur Folge hatten, da Menschen aus den nördlichen und südlichen Landesteilen in ihre Heimatprovinz flohen. Einige Brüder blieben jedoch unerschrocken in Gegenden außerhalb ihrer Heimatprovinz, damit sie sich der Bedürfnisse ihrer geistigen Brüder annehmen konnten.

„Viva Jehova!“

Und wieder sahen sich Jehovas Zeugen brutaler Verfolgung gegenüber. Einige der Zeugen in Luanda wurden von Bürgerkomitees vorgeladen, die versuchten, die Brüder zum Kauf von Parteikarten zu zwingen. In einer solch spannungsgeladenen Atmosphäre beschuldigte das Politbüro des Zentralkomitees der MPLA die Zeugen, ihre Mitbürger dazu anzustiften, dem Staat den Gehorsam zu verweigern, die Fahne nicht zu respektieren und den Militärdienst abzulehnen. Stellungnahmen seitens der Zeugen Jehovas stießen auf taube Ohren.

Im März 1976 wurde eine Sendung biblischer Literatur von Portugal aus nach Angola auf den Weg gebracht. Die Lieferung bestand aus 3 000 Bibeln, 17 000 Exemplaren des Buches Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt, 3 000 Exemplaren des Buches Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies sowie Zeitschriften. Die gesamte Sendung wurde von den Behörden beschlagnahmt und verbrannt.

Am 27. Mai 1976 wies die Regierung über Rundfunk alle Bürgerkomitees und staatlichen Organisationen an, die Tätigkeit der Zeugen Jehovas genau zu überwachen. Die katholische Kirche ließ jeden Tag über ihre Rundfunkstation bekanntgeben, Jehovas Zeugen seien staatsgefährdend.

Standen Zeugen für Lebensmittel an, wurden sie oft gewaltsam aus den Warteschlangen herausgeholt. Hielten die Zeugen ihre Zusammenkünfte ab, rottete sich draußen ein Pöbel zusammen. Kinder wurden in der Schule schikaniert. Die Kinder von José dos Santos Cardoso und seiner Frau Brígida wurden stark unter Druck gesetzt, politische Slogans nachzusagen, die Nationalhymne zu singen und auszurufen: „Nieder mit Jehova!“ Weigerten sie sich, so wurden sie beschimpft. Der kleine José, der damals neun Jahre alt war, meldete sich auf einmal und sagte: „Okay, dann sage ich halt ‚Viva [lang lebe]!‘ “ Jeder war gespannt, was jetzt kommen würde. Schließlich rief der Junge: „Viva Jehova!“ Bevor ihnen klar war, was er eigentlich gesagt hatte, riefen sie im Chor: „Viva!“

Im „Feuerofen“

Die Regierungspartei war entschlossen, die Zeugen zum Militärdienst zu zwingen. Das führte zu weiterer grausamer Verfolgung.

Am 17. Februar 1977 versuchte ein eifriger Bruder namens Artur Wanakambi aus der Provinz Huíla seine neutrale Stellung zu erklären, doch leider erfolglos. Auf dem Weg ins Gefängnis wurde er zusammen mit drei anderen Brüdern durch die Straßen geführt, wo man Passanten und auch Straßenfeger dazu aufforderte, sie zu schlagen. Am nächsten Tag gingen die Frauen der drei verheirateten Brüder zum Gefängnis, um zu sehen, wo ihre Männer abgeblieben waren. Nachdem man sie lange hatte warten lassen, wurden sie erbarmungslos geschlagen; anschließend ließ man sie blutüberströmt und übel zugerichtet liegen. Noch am gleichen Nachmittag befanden sich die Schwestern im selben Gefängnis wie ihre Männer.

Bruder Teles erzählt, was zehn Tage später einer anderen Gruppe von Brüdern widerfuhr, die im Gefängnis waren: „35 von uns kamen in den ‚Feuerofen‘. Das war ein Raum, sieben Meter lang, drei Meter breit und drei Meter hoch. In der Stahlbetondecke gab es zwei kleine Luftlöcher — zu klein, um eine Hand durchzustecken. Es war die heißeste Jahreszeit, und die Zelle wurde wirklich zu einem Feuerofen. Da man entschlossen war, uns umzubringen, wurden die beiden Löcher zugestopft.

Am vierten Tag baten wir Jehova inständig um die Kraft, die unbarmherzige Hitze zu ertragen. Wir wurden an die drei treuen jungen Männer in den Tagen Daniels erinnert, die man in den Feuerofen geworfen hatte. Am nächsten Tag gegen drei Uhr morgens war an der Tür ein lauter Knall zu hören, und die Tür ging auf. War das eine Wohltat, wieder einmal frische Luft zu schnappen! Da stand der Gefängniswärter. Er hatte im Halbschlaf die Tür geöffnet und war dann zusammengebrochen. Nach ungefähr zehn Minuten stand er wieder auf, und ohne ein Wort zu verlieren, verschloß er die Tür wieder. Wir dankten Jehova für diesen Augenblick, wo wir frische Luft hatten.

Einige Tage später warf man sieben weitere Brüder in unsere Zelle. Wir hatten nun nicht einmal mehr genug Platz, um uns hinzusetzen. Wiederholt bekamen wir Schläge. Es wurde noch heißer, und der Geruch der Fieberblasen und der Wunden von den Schlägen war einfach furchtbar.

Am 23. März feierten wir das Gedächtnismahl, wenn es auch nur eine Ansprache ohne die Symbole war. Zu jener Zeit waren wir schon 45 in unserer Zelle. Einige von uns verbrachten 52 Tage in diesem ‚Feuerofen‘ und überlebten.“

Nachdem sie dem „Feuerofen“ entkommen waren, wurden sie in das Arbeitslager von Sakassange geschickt, 1 300 Kilometer entfernt, in der östlichen Provinz Moxico.

Verfolgung „legalisiert“

Am 8. März 1978 erklärte das Politbüro des Zentralkomitees der MPLA „die Kirche der ‚Zeugen Jehovas‘ “ als illegal und sprach ein Verbot aus. Um sicher zu sein, daß dieser Entscheid niemand entging, wiederholte Luandas Rundfunkstation die Bekanntmachung dreimal täglich. Ursprünglich wurde der Entscheid in Portugiesisch abgefaßt, aber um wirklich jeden zu erreichen, wurde die Bekanntmachung auch eine Woche lang in Chokwe, Kikongo, Kimbundu und Umbundu durchgegeben. Schließlich wurde der Entscheid am 14. März 1978 in der Parteizeitung Jornal de Angola veröffentlicht. In Wirklichkeit wurde durch das Verbot lediglich die Brutalität „legalisiert“, mit der man den Zeugen bereits begegnet war.

Die Beschuldigungen seitens der Organisation für die Volksverteidigung (ODP) nahmen zu. Viele der Zeugen wurden zusammengetrieben und ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt. Überall in Luanda überraschte man sie an ihrem Arbeitsplatz. In der Kofferfabrik Malas Onil nahm man 14 Zeugen fest. In der Stadt Lubango verhaftete man weitere 13 Brüder. Einige Tage später bestätigten sich Berichte über die Verhaftung von 50 Brüdern in Ndalatando. Innerhalb von nur einer Woche nach dem Verbot kamen mindestens 150 Brüder und Schwestern ins Gefängnis.

Dazu kam, daß andere Zeugen durch willkürliche Entlassungen ihren Arbeitsplatz verloren. Jahrelange gute Führung, Kompetenz oder Leistung wurden erst gar nicht in Betracht gezogen. Ja, einige, die entlassen wurden, hatten verantwortliche Stellungen inne, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu tun hatten.

Frauen waren nicht ausgenommen. Ein Offizier sah Emília Pereira vor ihrem Haus und fragte sie, warum sie kein Mitglied der Miliz sei. Als sie ihm antwortete, daß sie alles, was mit Töten und Blutvergießen zu tun habe, nicht möge, war ihm klar, daß sie eine Zeugin sein mußte. Als sie das zugab, befahl man ihr, in einen bereitstehenden Lastwagen zu steigen. Ihre beiden Schwestern wollten wissen, was los sei. Auch sie schubste man in den Lkw. Dann kam ihr Vater nach Hause. Der Offizier befahl auch ihm, in den Lastwagen einzusteigen. Als sie gerade losfahren wollten, erkundigte sich ein Bruder, der in der Nähe wohnte, was hier vor sich gehe. Auch ihn ergriff man und zerrte ihn gewaltsam in den Lkw.

Man brachte sie zum Gefängnishof und von dort aus auf die Frauenstation. Abend für Abend versuchten Offiziere, diese jungen Schwestern sexuell zu belästigen, aber die Schwestern klammerten sich aneinander, schrien und beteten laut. Durch ihr Verhalten konnten sie die Männer von ihrem scheußlichen Vorhaben abbringen, und so entgingen sie einer Vergewaltigung.

Die Brüder der Provinz Malanje wurden ebenfalls aufs schwerste geprüft. Die menschenunwürdige Mißhandlung des 74jährigen José António Bartolomeu führte zu seinem Tod. Domingas António war so geschwächt, nachdem man sie festgenommen und immer wieder geschlagen hatte, daß sie einen Malariaanfall nicht überlebte. Weil Manuel Ribeiro seiner Familie aus dem Gefängnis einen Brief geschrieben hatte, vergiftete man ihn.

Eine Woche nach dem Verbot fand eine Zusammenkunft mit Ältesten aus allen Versammlungen Luandas statt. Sie erhielten Ermunterung aus der Bibel und Anleitung für ihre künftige Tätigkeit, die dann auch an die Versammlungen weitergeleitet wurde. Sie wurden in ihrer Entschlossenheit bestärkt, als sie den Jahrestext für 1978 betrachteten: „Sie werden nicht die Oberhand über dich gewinnen, denn ‚ich [Jehova] bin mit dir ..., um dich zu befreien‘ “ (Jer. 1:19).

Bei der Regierung Berufung eingelegt

Am 21. März 1978 sandten die drei Brüder, die in Angola als Direktoren der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas dienten, eine dringende Bitte an das Politbüro der MPLA. Sie drangen darauf, daß nur Gerichte über Gesetzesübertretungen befinden sollten und daß es nicht länger zu illegalen Verhaftungen von Zeugen kommen dürfe. Eine Kopie dieses Schreibens wurde sowohl an den Präsidenten der Republik als auch an den Premierminister, den Verteidigungsminister, den Justizminister sowie an den Minister für Bildung und Kultur geschickt. Eine Antwort blieb aus.

So wie einst der Apostel Paulus wandte man sich jetzt an die höchste Instanz des Landes (Apg. 25:11). In diesem Brief, der vom Zweigbüro in Portugal kam, wurde der Präsident der Volksrepublik Angola respektvoll darum gebeten, sich mit der Geschichte der Zeugen Jehovas und deren Ruf zu befassen und ihnen eine Anhörung zu gewähren. Man bat darum, den Fall eines jeden Zeugen, der noch eingesperrt war, vor Gericht zu bringen. Diesmal erhielt das Zweigbüro in Portugal eine Antwort, die besagte, daß man der Sache nachgehen wollte.

Tief beeindruckt von der Entschlossenheit

Da in Angola noch immer der Bürgerkrieg tobte, kamen aus dem Ausland nur wenige Besucher. 1979 wurde jedoch das Landeskomitee in Angola davon benachrichtigt, daß Albert Olih, ein Aufseher aus dem Zweigbüro in Nigeria, im August eintreffen solle. Darüber freuten sich die Brüder natürlich sehr.

Bruder Olih erzählt: „Mir kam es so vor, als hätte ich eine ganze Woche lang in Armeebaracken verbracht. Egal, wo man hinsah, überall gab es bewaffnete Soldaten.“ Nachts bekam er wegen der Schießereien auf den Straßen kein Auge zu.

Die angolanischen Zeugen hatten in den vorangegangenen Jahren rasche Veränderungen erlebt. Von 1973 — als das Land noch der Kolonialherrschaft unterstand — bis 1976 war die Zahl der Verkündiger um 266 Prozent gestiegen. Als sich dann 1977 die Verfolgung verschärfte und das Werk 1978 verboten wurde, kam das Wachstum zum Stillstand. Viele der Zeugen im Land hatten sich erst kurz zuvor taufen lassen. Allein im Jahr 1975 zählte man 1 000 Täuflinge. Obwohl es 31 Versammlungen gab, hatten viele von ihnen keine Ältesten. Ohne die liebevolle Fürsorge geistiger Hirten waren einige ernsthafte Probleme nicht gelöst und Fälle von Unmoral nicht bereinigt worden. In Gegenden wie Malanje, Waku Kungo und Ndalatando befanden sich nun ganze Versammlungen in Gefangenenlagern.

Bei seiner Ankunft erhielt Bruder Olih eine ausführliche Liste, aus der ersichtlich war, was alles besprochen werden mußte. Es ging zum Beispiel um die Frage, wie die einheimischen Zeugen unter den gegebenen Umständen ihren von Gott erhaltenen Predigtauftrag ausführen könnten. Den Brüdern wurde erklärt, wie sie die Versammlungen mit Literatur versorgen könnten, obwohl Papier nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stand. Es gab auch Diskussionen über den wachsenden Bedarf an Literatur in den Sprachen der Einheimischen, doch würde es natürlich Zeit in Anspruch nehmen, geeignete Übersetzer zu finden und zu schulen.

Man nahm sich auch der Probleme in den Versammlungen an. Bruder Olih betonte, daß es für alle — auch für Älteste — ein Muß ist, nach biblischen Maßstäben zu leben. Niemand solle denken, er benötige keinen Rat. Es wurden Fragen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Taufe beantwortet, Fragen über die Legalisierung von Ehen und Fragen in Verbindung mit dem Besuch des Kreisaufsehers. Die angolanischen Brüder waren der Gesellschaft sehr dankbar für die biblische Anleitung, die sie durch diesen erfahrenen Bruder erhielten.

Während Bruder Olih zu Besuch war, fand eine Zusammenkunft mit den Ältesten aus Luanda statt und allen Ältesten, die aus anderen Gegenden kommen konnten. Die ersten trafen schon um 10 Uhr ein, und zwar nacheinander, um nicht die Aufmerksamkeit auf den Versammlungsort zu lenken. Bis die Zusammenkunft um 19 Uhr begann, war jedoch der Versammlungsort zweimal verlegt worden, da es so aussah, als würden die Brüder überwacht werden. Als Bruder Olih am dritten Versammlungsort eintraf, erwarteten ihn schon 47 Älteste auf dem Hof. Während er die Grüße der Bethelfamilie aus Nigeria übermittelte, winkten sie ihm voller Wertschätzung schweigend zu. In seinem Vortrag sprach er eine Stunde lang an Hand der Bibel über die Einrichtung der Ältestenschaft, wobei er auf den Bedarf an mehr Ältesten in der Christenversammlung aufmerksam machte und auf die Aufgaben hinwies, die damit einhergehen. Nach der Ansprache stellten die Brüder noch zwei Stunden lang Fragen. Dann mußten sie sich verabschieden, um noch vor der Ausgangssperre sicher nach Hause zu kommen.

Wie empfand Bruder Olih, nachdem er eine Woche bei seinen angolanischen Brüdern verbracht hatte? „Ich muß sagen, der Besuch hat mir viel gegeben. Die feste Entschlossenheit der Brüder und Schwestern, Jehova trotz all der Schwierigkeiten zu dienen, hat mich sehr ermuntert. Als ich von Angola abreiste, betete ich im stillen mit Tränen in den Augen und dachte an die Brüder, die trotz allem, was sie durchmachten, wegen ihrer wunderbaren Hoffnung noch ein Lächeln auf dem Gesicht hatten.“

Ein Rückbesuch

Ein Jahr nach dem Besuch Bruder Olihs schickte die leitende Körperschaft Albert Olugbebi, einen weiteren Bruder aus dem Zweigbüro in Nigeria, nach Angola, um den Brüdern dort zu dienen. Er empfahl den Brüdern, für die 50 allgemeinen Pioniere die Pionierdienstschule durchzuführen. Auch ermunterte er sie, wenn irgend möglich, in kleinem Rahmen alle sechs Monate Kreiskongresse abzuhalten.

Während Bruder Olugbebi zu Besuch war, traf er sich dreimal mit je einer Gruppe von Ältesten und auch Brüdern, die mit Verantwortung in Versammlungen betraut waren, in denen es keine Ältesten gab. Dabei waren 102 anwesend. Die Ältesten wurden an Hand der Bibel ermahnt, an biblischen Grundsätzen festzuhalten, Vorbilder für die Herde zu werden und nicht über sie zu herrschen (1. Pet. 5:3). Er beantwortete auch Fragen dahin gehend, wie Älteste zur Ernennung vorgeschlagen werden können, wenn es bis dahin noch keinen Ältesten in der Versammlung gab.

Unter den Anwesenden bei dieser Zusammenkunft befand sich auch Silvestre Simão, dessen Glaube fast vier Jahre lang im Gefängnis und in Arbeitslagern auf die Probe gestellt worden war. Nachdem er einige Jahre als Ältester gedient hatte, war er als Kreisaufseher mit größerer Verantwortung betraut worden, als Mitte der 70er Jahre die europäischen Brüder gezwungen worden waren, Angola zu verlassen. Da es nun alle sechs Monate Kreiskongresse geben sollte, wurde ein Bezirksaufseher gebraucht. Obwohl Bruder Simão sechs Kinder hatte und einer weltlichen Arbeit nachging, um seine Familie zu versorgen, nahm er diese neue Aufgabe an. In den vergangenen 20 Jahren ist er nicht nur dieser Verpflichtung in beispielhafter Weise nachgekommen, sondern er dient auch noch im Zweigkomitee.

Nach Abschluß seines Besuchs konnte Bruder Olugbebi über eine freudige Entwicklung berichten: Wenn auch die Zeugen bei ihren Zusammenkünften und beim Predigen immer noch vorsichtig sein mußten, schien die brutale Verfolgung Wehrpflichtiger nachgelassen zu haben. Ja, obwohl sich zu jener Zeit noch zwischen 150 und 200 Brüder in Gefängnissen und Arbeitslagern befanden, ging bis März 1982 ihre Zahl auf 30 zurück.

Das Austeilen geistiger Speise — eine Herausforderung

Während der Verbotszeit galt es als vorrangig, für regelmäßigen Nachschub an geistiger Speise zu sorgen. Das war oft mit beträchtlichen Risiken verbunden.

Zunächst einmal war es sehr schwierig, Papier für die Vervielfältigung des Wachtturms zu bekommen. Zum Kauf von Papier brauchte man eine Genehmigung der Regierung. Bei mehr als 3 000 Verkündigern konnten zeitweise nur 800 bis 1 000 Exemplare der Studienartikel angefertigt werden, weil es nicht genug Papier gab. Trotzdem konnten die Brüder mit Hilfe kleiner Druckmaschinen Bücher in Miniaturformat mit flexiblem Einband herstellen, wie zum Beispiel das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt.

Fernando Figueiredo und Francisco João Manuel nahmen das große Risiko auf sich und erklärten sich bereit, Literatur herzustellen. Diese beiden tatkräftigen Brüder machten neue Räumlichkeiten ausfindig, wo sie Vervielfältigungsarbeiten in größerem Umfang durchführen konnten. Manchmal mußte aus Sicherheitsgründen auf andere Räumlichkeiten ausgewichen werden. An einigen Orten stand die Vervielfältigungsmaschine in einem schalldichten Raum ohne Fenster und ohne Belüftung — wahrhaft schwierige Arbeitsbedingungen. In einem Nebenraum sammelten andere freiwillige Helfer die einzelnen Druckbogen zu einer Zeitschrift zusammen und hefteten sie. Beim Zusammentragen, Heften und Verpacken der Zeitschriften war Eile geboten, damit alle Druckschriften noch in der gleichen Nacht verteilt werden konnten. Jegliche Spuren ihrer Arbeit mußten beseitigt werden, um nicht irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen. Mit wachsender Produktion waren gleichzeitig zwei Vervielfältigungsmaschinen im Einsatz, und zwar in der „Küche“, dem Ort, wo die geistige Speise in Form von Literatur vorbereitet wurde. Tag für Tag war ein Team von Brüdern damit beschäftigt, Matrizen zu schreiben, Korrektur zu lesen, die Zeitschriften zu vervielfältigten, zusammenzutragen, zu heften und sie dann an die Versammlungen auszuliefern.

Das Ausliefern der Literatur an die außerhalb von Luanda verstreut liegenden Versammlungen übernahmen Kuriere. Das war eine gefährliche Aufgabe. Einer der ehemaligen Kuriere erzählt: „Einige Monate nachdem das Verbot offiziell erlassen worden war, brachte mich meine berufliche Tätigkeit in die Provinz Benguela. Das Büro der Gesellschaft in Luanda hatte mir so einiges mitgegeben, was an Versammlungen in Lobito und Benguela ausgeliefert werden sollte. Ich kannte dort keinen einzigen der Brüder. Ich hatte lediglich die Telefonnummer eines Ältesten in Benguela, um mit den Brüdern in Kontakt zu kommen. Aus Sicherheitsgründen sollte nur der Deckname ‚Jesajas Familie‘ mein Erkennungsmerkmal sein.

Bei der Ankunft in Benguela schien alles recht gut zu verlaufen. Auf Grund meiner beruflichen Tätigkeit wurde ich am Flughafen wie gewöhnlich nicht durchsucht. Das Paket, das ich bei mir hatte, war unversehrt geblieben. In der Stadt eingetroffen, telefonierte ich umgehend mit den Brüdern, damit sie kommen konnten, um das Paket entgegenzunehmen. Der Bruder am Telefon sagte mir, daß es ihm nicht gutging, aber er versprach, jemanden zum Hotel zu schicken, der das Paket abholen würde. Aus unerklärlichen Gründen kam während meines viertägigen Aufenthalts im Hotel niemand vorbei, um das Paket abzuholen, obwohl ich jeden Tag mit dem Bruder telefonierte.

Am Tag meiner Abreise blieb mir nichts anderes übrig, als das Paket wieder mit nach Luanda zu nehmen. Als der Leiter unserer Delegation am Flughafen ankam, bestand er darauf, daß jeder einzelne seiner Delegation und das Gepäck durchsucht werden sollten, um anderen Reisenden ein Beispiel zu geben. Ich sah nur zwei Möglichkeiten: entweder das Paket in den Müllcontainer zu werfen oder es bei mir zu behalten mit der Gefahr, festgenommen zu werden.

Nachdem ich zu Jehova gebetet hatte, kam mir Sprüche 29:25 in den Sinn: ‚Vor Menschen zu zittern ist das, was eine Schlinge legt, wer aber auf Jehova vertraut, wird beschützt werden.‘ Ich wollte der Situation ins Auge sehen, weil sonst eine Menge geistiger Speise verschwendet werden würde.

Ich stellte mich ganz hinten an, damit es nicht so viel Aufsehen erregen würde, wenn die Polizei die Literatur und die Zeitschriften fände. Als bis auf zwei alle durchsucht worden waren, hörte ich jemanden rufen: ‚Hier möchte ein Mann einen Reisenden der Luanda-Delegation wegen eines Pakets sprechen.‘ Als ich das hörte, dachte ich so bei mir: ‚Jehova hat mein Gebet erhört. Jetzt verstehe ich, wie sich Jesaja 59:1 erfüllt: „Die Hand Jehovas ist nicht zu kurz geworden, daß sie nicht retten kann.“ ‘ Ich rannte nach hinten. Als ich zu dem Bruder kam, konnte ich ihm der Zeit wegen nur noch ‚Jesajas Familie‘ zuflüstern, worauf er gleich reagierte und das Paket entgegennahm. Ich mußte sofort wieder zurück, da das Flugzeug jeden Moment starten sollte. Es blieb also nicht einmal Zeit, mit dem Bruder ein paar Worte zu wechseln. Ja, Jehova ist ‚unsere Rettung in der Zeit der Bedrängnis‘ “ (Jes. 33:2).

Sorge um die Herde trotz Gefahr

Der Apokalyptische Reiter auf dem feuerfarbenen Pferd — der Krieg — richtete unter der Bevölkerung Angolas immer noch verheerenden Schaden an (Offb. 6:4). Ganze Städte und deren Fabriken wurden bombardiert, Straßen vermint, Brücken in die Luft gesprengt, Trinkwassereinrichtungen sabotiert und Dörfer überfallen. Massaker unter der Zivilbevölkerung waren an der Tagesordnung. Ernten wurden vernichtet, und viele Bauern flüchteten in die Städte. Kriegsflüchtlinge strömten nach Luanda. Die Rationierung von Lebensmitteln und die Verhältnisse auf dem Schwarzmarkt machten den täglichen Überlebenskampf zu einer Herausforderung. Doch die liebevolle Zusammenarbeit unter den Zeugen Jehovas half vielen, die sonst hoffnungslosen Verhältnisse zu überleben.

In diesen gefahrvollen Zeiten setzten Rui Gonçalves, Hélder Silva und andere ihr Leben aufs Spiel, um Versammlungen zu besuchen, die überall im Land verstreut waren. Bruder Gonçalves beschreibt, wie solche Besuche organisiert werden mußten: „Im Mai 1982 sollte die Versammlung in Tombua das erste Mal von einem Kreisaufseher besucht werden. Beginnend um 10 Uhr morgens, trafen an jenem Tag die 35 Brüder in gut geplanten zeitlichen Abständen am Ort der Zusammenkunft ein. Dann warteten sie still. Die ODP (Organisation für die Volksverteidigung) überwachte alles, was in der Stadt passierte. Ich kam 11 Stunden später um 21 Uhr im Schutz der Dunkelheit dort an. Eine halbe Stunde danach begann die Zusammenkunft, die bis 4.40 Uhr am nächsten Morgen dauerte.“

Die meisten der damaligen Kreisaufseher waren verheiratet und hatten Kinder. Aber sie gaben ihr Äußerstes, um für die geistigen Interessen der Versammlungen zu sorgen. Einer der Brüder, der jetzt dem Zweigkomitee angehört, erklärte, was so ein routinemäßiger Kreisaufseherbesuch alles einschloß: „Für jede Versammlung war eine Woche vorgesehen. Wir begannen mit unseren Besuchen jedoch nicht erst am Dienstag, sondern bereits am Montag, und zwar deshalb, weil es nicht möglich war, daß die ganze Versammlung auf einmal zusammenkam. So besuchten wir jede Versammlungsbuchstudiengruppe separat. In größeren Versammlungen kamen wir an ein und demselben Abend mit mehreren Gruppen zusammen. Die Versammlungszeiten waren gestaffelt, so daß der Kreisaufseher von einer Gruppe zur anderen gehen konnte. Auf diese Weise war es allen Gruppen möglich, das gleiche Programm zu verfolgen. Das bedeutete, daß er während einer Woche jede seiner Ansprachen zwischen 7- und 21mal hielt. Die Wochen waren voll ausgefüllt und recht anstrengend, doch die Brüder waren beharrlich, wenn es darum ging, die Versammlungen zu ermuntern.“

Rui Gonçalves erinnert sich noch lebhaft an die schreckliche Reise nach Cubal im Januar 1983. Um ein Haar hätte sie ihm das Leben gekostet. Er erzählt: „Die einzige Möglichkeit, diese Versammlung zu besuchen, bestand darin, sich einem Militärkonvoi anzuschließen. Nachdem das Militär die Lage vorsichtig gepeilt hatte, wurde den 35 Fahrzeugen die Genehmigung erteilt loszufahren. Wir befanden uns im Auto von Bruder Godinho, dem dritten in einer Kolonne von sechs Fahrzeugen. Nur zwei Stunden nach Antritt unserer Reise gerieten wir unter Beschuß von Guerillakämpfern, und den ersten Militärlastwagen traf es voll. Blitzschnell folgte das nächste Geschoß, wodurch das zweite Fahrzeug zerstört wurde. Unser Auto wurde von zwei Bomben getroffen, die jedoch nicht explodierten. Während wir noch fuhren, schrie Bruder Godinho laut, wir sollten alle abspringen. Als ich ins Gebüsch rannte, um dort Schutz zu suchen, wurde der größte Teil meines linken Ohres von einer Kugel zerfetzt, und ich fiel in Ohnmacht.“

Bevor Bruder Gonçalves ohnmächtig wurde, sah er, wie drei Guerillakämpfer den anderen Brüdern nachjagten, doch die Brüder flüchteten sich in den Dschungel. Bruder Gonçalves fährt fort: „Als ich aufwachte, war mein Kopf ganz blutig. Einige Stunden später kroch ich auf allen vieren zurück zur Straße. Dort las mich eine Militäreinheit auf, die mir Erste Hilfe leistete und mich ins Krankenhaus nach Benguela brachte.“ Später erfuhr Bruder Gonçalves, daß alle Fahrzeuge des Konvois verbrannt oder sonstwie zerstört worden waren. 12 Personen fanden in ihren Fahrzeugen den Tod, und 11 weitere waren durch Schüsse schwer verwundet worden. Die Brüder, die mit Bruder Gonçalves gereist waren, waren die einzigen, die keine Kugel abbekommen hatten. Obwohl Bruder Gonçalves fast sein ganzes Ohr und einige persönliche Sachen verloren hatte, sagte er abschließend: „Wir waren Jehova von Herzen dankbar.“

Lebengebendes Wasser an andere weitergeben

Zu einer Zeit, wo es den meisten Angolanern nur ums Überleben ging, waren Jehovas Zeugen eifrig bemüht, in diesem großen Gebiet überall die „gute Botschaft von etwas Besserem“ zu verbreiten (Jes. 52:7). Wie gingen sie dabei vor?

Ein Pionier aus Luanda berichtete, daß er gewöhnlich mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in den Predigtdienst ging. Nach der Begrüßung baten sie meist um einen Schluck Wasser für die Kleine. Ging der Wohnungsinhaber darauf ein, erzählten sie ihm von einer Sorte Wasser, die von noch größerem Nutzen ist als der erfrischende Trunk, den er freundlicherweise dem Töchterchen gegeben hatte. Neugierige wollten dann unbedingt wissen, was für Wasser das sei. Daraufhin konnte die Familie jedesmal über die Segnungen des Königreiches Gottes und die Hoffnung auf ewiges Leben sprechen (Joh. 4:7-15).

Sie nahmen weder eine Büchertasche mit in den Dienst noch eine Bibel, noch Literatur. Wenn der Wohnungsinhaber jedoch eine Bibel besaß und gern mehr darüber erfahren wollte, benutzten sie seine Bibel, um das Gespräch fortzusetzen. Wo immer sie Interesse begegneten, sprachen sie wieder vor. Durch taktvolle Einleitungen wie diese konnten die Zeugen herausfinden, wer sich für die Wahrheit interessierte, und so wurden die Versammlungen mit ständigem Wachstum gesegnet.

Ein Mann Gottes

Die gute Botschaft erreichte auch abgelegene Gegenden. Auf Grund der Bemühungen von Tchande Cuituna drang sie bis in die Gegend von Gambos vor, das nahe an der Grenze zu Namibia liegt. Tchande hörte das erste Mal von der Königreichsbotschaft im damaligen Rhodesien. Nachdem er eine Zeitlang in den Minen Südafrikas gearbeitet hatte, kehrte er nach Hause zurück und widmete sich der Viehzucht. In regelmäßigen Abständen reiste er nach Südafrika, um von dort Wachtturm-Veröffentlichungen zu beziehen. Anläßlich einer seiner Reisen ließ er sich im Jahr 1961 dort taufen. Danach verbreitete er voller Eifer die gute Botschaft unter seinen Landsleuten.

Oft war er mit einem Wagen — beladen mit Wasser, Lebensmitteln und biblischer Literatur — für zwei oder drei Monate unterwegs und predigte von quimbo zu quimbo (von einem kleinen Dorf zum anderen). Gab sein Wagen dabei den Geist auf, setzte er die Reise auf seinem Stier fort. Selbst im Alter von 70 Jahren legte er zusammen mit anderen Verkündigern Entfernungen von über 200 Kilometern zu Fuß zurück.

Mit der Zeit hatte Tchande Cuituna große Viehherden, die über die Hochebenen zogen. In dieser patriarchalischen Gesellschaft galt er als Familienhaupt. Der Tag begann mit dem Läuten einer Glocke, worauf sich alle einfanden, um ihm zuzuhören, während er einen Bibeltext in der Sprache der Einheimischen erklärte. An Tagen, an denen die Zusammenkünfte stattfanden, wurden etwa 100 Personen durch den vertrauten Klang der Glocke daran erinnert, zur geistigen Belehrung zusammenzukommen.

In der ganzen Gegend von Gambos war Tchande Cuituna als Mann Gottes bekannt. Bruder Cuituna wandte das, was er durch sein persönliches Studium der Bibel und durch die wertvollen Veröffentlichungen des „treuen und verständigen Sklaven“ gelernt hatte, an und gab dadurch ein äußerst nachahmenswertes Beispiel. Um so viele Menschen wie möglich mit der Botschaft zu erreichen, übersetzte er die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ in Nyaneka und Kwanyama.

Das Büro in Luanda erfuhr von der Tätigkeit Bruder Cuitunas durch die Predigtdienstberichte, die er von Zeit zu Zeit über Brüder in Windhuk (Namibia) einsandte. Um Bruder Cuituna in engeren Kontakt mit anderen Zeugen zu bringen, beauftragte das Büro in Luanda 1979 den Kreisaufseher Hélder Silva, ihn ausfindig zu machen. Bruder Silva kann sich nur allzugut an die Reise erinnern.

Er schreibt: „Die ersten 160 Kilometer fuhren wir mit dem Auto nach Chiange. Von dort aus ging es die restlichen 70 Kilometer zu Fuß weiter. Während der nächsten sechs Stunden machten sintflutartige Regenfälle ein Vorankommen fast unmöglich. Manchmal standen wir bis zu den Knien im Wasser, aber wir konnten nicht stehenbleiben, da es in der Gegend viele wilde Tiere gab. Wegen des Schlamms war es einfacher, barfuß zu gehen. Unsere Habseligkeiten hängten wir an einen Stock, den wir auf der Schulter trugen. Schließlich erreichten wir die Gegend von Liokafela und unser Reiseziel, das quimbo (Dorf) Cuituna. Wir waren hungrig und erschöpft. So brachten uns einige der Frauen Sauermilch, dann bulunga (kissangua) — ein einheimisches Getränk, das aus Mais zubereitet wird —, Kakao und ein Maispüree, das man ihita (pirão de massango) nennt. Nachdem wir uns am warmen Feuer ausgeruht hatten, nahmen wir unsere Arbeit in Angriff.“ Was das Organisieren des Predigtwerks in der Gegend von Gambos betrifft, so war dieser Besuch ein Schritt nach vorn.

Keiner der damals Anwesenden wird jemals vergessen, wie die 18 neuen Brüder und Schwestern im August 1986 im Caculuvar getauft wurden. Das war die erste Taufe in der Gegend von Gambos, deren Bewohner 40 Jahre zuvor das erste Mal von der Königreichsbotschaft gehört hatten. Die Pioniere, die zur Unterstützung des Predigtwerks gekommen waren, strahlten vor Freude. Es läßt sich nicht mit Worten beschreiben, wie glücklich Bruder Cuituna war, diese Taufe miterleben zu können. Er sprang vor Freude in die Luft und sagte: „Ich fühle mich wie König David, der dabei war, als die Lade Jehovas überführt wurde“ (2. Sam. 6:11-15). Bruder Cuituna ist immer noch allgemeiner Pionier.

Das Werk im Süden Angolas

Im Jahr 1975 hörte die 18jährige Tymoly, ein hochgewachsenes junges Mädchen aus der Provinz Huíla im Süden Angolas, durch den Pionier José Tiakatandela von der Wahrheit. Tymoly war von der Botschaft der Bibel beeindruckt, doch ihre Eltern leisteten ihr Widerstand. Manchmal bekam sie tagelang nichts zu essen, wurde geschlagen und schließlich mit Steinen beworfen. Da ihr Leben in Gefahr war, marschierte sie 60 Kilometer, um nach Lubango zu kommen. Dort konnte sie die Versammlungszusammenkünfte besuchen. Der Lese- und Schreibunterricht der Versammlung half ihr, so gute Fortschritte zu machen, daß sie sich in die Theokratische Predigtdienstschule eintragen lassen konnte. 1981 ließ sie sich taufen. Außerdem lernte Tymoly das Nähen, um sich damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie näht auch für sich selbst und kleidet sich sehr bescheiden. Drei Männer und vier Frauen, die der gleichen Volksgruppe angehören und die von der Königreichsbotschaft 1978 zum ersten Mal etwas gehört hatten, ließen sich 1980 taufen.

Im Jahr 1983 bewarb sich dann José Maria Muvindi aus Lubango für drei Monate als Hilfspionier. Er ging in den Süden und predigte in den ländlichen Gebieten in der Nähe der Orte Jau und Gambos. Er reiste in die südlich gelegene Provinz Namibe und predigte die gute Botschaft den Mukubais, der Volksgruppe, die in dieser Gegend dominiert. Da er den großen Bedarf an Predigern in dieser Region sah, bewarb er sich als allgemeiner Pionier. Andere folgten seinem Beispiel.

Bruder Muvindi erreichte mit dem Predigen der biblischen Wahrheit in dieser Gegend das Herz vieler, die nach und nach notwendige Änderungen in ihrem Leben vornahmen. Um Jehova annehmbaren Dienst darzubringen, mußten sie unbiblische Bräuche und Gewohnheiten, wie Polygamie, Unmoral, Trunkenheit und Aberglauben, aufgeben. Mit der Zeit trugen sie auch mehr als nur ihren traditionellen Lendenschurz, den tchinkuani. In regelmäßigen Abständen reisten Paare nach Lubango, um ihre Ehe gesetzlich eintragen zu lassen. Für einige war es das erste Mal in ihrem Leben, daß sie ihr Dorf verließen! Ein Standesamt in Chiange, das schon zehn Jahre geschlossen war, wurde wieder geöffnet, weil immer mehr Leute aus der Umgebung von Gambos nach Geburtsurkunden und Personalausweisen fragten, um ihre Ehe legalisieren zu lassen.

Leider starb Bruder Muvindi 1986 an Hepatitis, aber sein Eifer im Predigtdienst brachte gute Früchte hervor. Durch seine mühevolle Arbeit und die Anstrengungen anderer, die ebenfalls in dieser Region predigten, erhielten viele ein Zeugnis. Heute gibt es in dieser Gegend neun Versammlungen sowie zehn Gruppen, die noch keine Versammlungen sind. Sie alle tragen dazu bei, daß dort die wahre Anbetung gefördert wird.

Überwachung nimmt zu

Mit der Gründung der Volksbrigaden zur Überwachung (BPV) im Jahr 1984 wurde auf unsere Brüder erneut Druck ausgeübt. Die BPV sollte sicherstellen, daß jeder beschattet wurde, der sich nicht der Revolution anschloß. Wie ging die BPV dabei vor? Domingos Mateus, der zu dieser Zeit als Kreisaufseher reiste, kann sich noch gut erinnern: „An jeder Straßenecke in Luanda sah man einen Angehörigen der Volksbrigade, der an seiner blauen Armbinde mit den Initialen BPV zu erkennen war. Er war befugt, jeden Passanten zu durchsuchen. Für die Brüder wurde es immer schwieriger, die Veröffentlichungen der Gesellschaft zu den Zusammenkünften mitzubringen. Im Dezember 1985 standen in Luanda insgesamt 800 Einheiten der Volksbrigade im Dienst, so daß es nicht einmal mehr möglich war, Versammlungszusammenkünfte abzuhalten.

Die ganze Gegend um den Ex-Largo-Serpa-Pinto wurde von einer Gruppe von ungefähr 40 Angehörigen der Volksbrigade abpatrouilliert, die von Anhängern der Volksbewegung für die Befreiung Angolas (mit Maschinengewehren bewaffnet) begleitet wurden. Es war nicht ungewöhnlich zu hören, wie sie das Feuer auf jemanden eröffneten, dem sie hinterherjagten oder den sie anhalten wollten, um ihn ins Verhör zu nehmen.

Eine Versammlung plante eine große Zusammenkunft in der Wohnung eines Bruders. Kurz vor Beginn des Programms bemerkten wir, daß ein Mitarbeiter der BPV alle Brüder, die kamen, beobachtete und ihre Namen in ein Notizbuch schrieb. Der Bruder, dem die Wohnung gehörte, geriet trotz der Gefahr nicht in Panik. Er hatte eine Idee. Er schlich sich von hinten an den BPV-Mitarbeiter heran, und als er ganz in seiner Nähe stand, rief er auf einmal: ‚Ein Dieb! Haltet den Dieb!‘

Völlig überrascht ließ der Angehörige der BPV alles, was er in der Hand hatte, fallen und rannte davon. Als die Nachbarn die Treppe herunterkamen und andere sich aus ihren Fenstern lehnten, um zu sehen, was los war, ging der Bruder wieder in seine Wohnung und sagte zu dem Ältesten: ‚Bruder, du kannst jetzt mit der Zusammenkunft beginnen — alles unter Kontrolle.‘ Alle weiteren Zusammenkünfte, die für diese Woche in jener Wohnung geplant waren, verliefen problemlos und ohne Zwischenfälle.“

„Die Katze ist aus dem Sack“

Für die angolanischen Zeugen wurde es immer schwieriger, die Verbindungen zu ihren christlichen Brüdern im Ausland aufrechtzuerhalten. Doch António Alberto arbeitete für eine Ölgesellschaft, die in ausländischem Besitz war. Er half den Brüdern, indem er wichtige Post zwischen Angola und dem Zweigbüro in Portugal beförderte.

Im Jahr 1987 fing jedoch die Polizei am Flughafen eines Tages ein Päckchen ab, das Korrespondenz über Kreisaufseherbesuche und andere vertrauliche Einzelheiten enthielt. Bruder Alberto war ganz niedergeschlagen. Er ging mittags nach Hause, um seine Familie noch einmal zu sehen, da er damit rechnen mußte, bald festgenommen zu werden. Er rief den Bruder an, der mit dieser Angelegenheit betraut worden war, und sagte einfach: „Opa, die Katze ist aus dem Sack.“

Danach faßte sich Bruder Alberto ein Herz und suchte den verantwortlichen Sicherheitspolizisten des Flughafens in dessen Wohnung auf. Er erklärte ihm, daß er in der Zeit der Kolonialherrschaft zusammen mit einigen jungen Portugiesen im Gefängnis war und sie noch immer brieflichen Kontakt miteinander hätten, nun aber sei ein Päckchen mit solchen Briefen am Flughafen beschlagnahmt worden. Der Leiter des Sicherheitsdienstes gab Bruder Alberto eine Visitenkarte für denjenigen, der das Päckchen beschlagnahmt hatte und bat darum, es an sein Büro zu schicken. Als der Bruder den Beamten am Flughafen entsprechend benachrichtigte, war dieser sichtlich bestürzt. Warum? Weil die Korrespondenz dem Leiter des Sicherheitsdienstes nicht mehr ausgehändigt werden konnte — sie war bereits verbrannt worden. Sehr zur Erleichterung von Bruder Alberto war niemand zu Schaden gekommen.

Entschlossen, in Jehovas Wegen zu wandeln

Durch den andauernden Krieg waren Jehovas Zeugen von neuem dem Druck ausgesetzt, ihre christliche Neutralität aufzugeben. Im Februar 1984 nahm man dreizehn junge Männer fest, weil sie sich weigerten, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Nur drei von ihnen waren getaufte Zeugen; die anderen waren ungetaufte Verkündiger und Personen, mit denen die Bibel studiert wurde. Trotz aller Drohungen und körperlicher Mißhandlung hielten sie unerschütterlich an ihrer Entscheidung fest, in Jehovas Wegen zu wandeln (Jes. 2:3, 4). Tragischerweise stürzte das Flugzeug, das sie nach Luanda bringen sollte, kurz nach dem Start ab, und alle Insassen kamen ums Leben.

Im April 1985 weigerte sich eine Gruppe von neun jungen Männern — darunter getaufte Zeugen, ungetaufte Verkündiger und Interessierte — ihre Neutralität zu verletzen (Joh. 17:16). Man brachte sie mit dem Zug und dem Hubschrauber in ein hart umkämpftes Gebiet. Die Soldaten wollten sie zwingen, sich am Kampfgeschehen zu beteiligen. Als Manual Morais de Lima sich weigerte, erschossen sie ihn. Einen anderen Bruder, der von einem Geschoß getroffen und dessen Bein dadurch schwer verletzt worden war, brachte man aus der Kampfzone in ein Krankenhaus. Zwei Brüdern dieser Gruppe sagte man: „Es waren nicht Jehovas Hubschrauber, die euch hierhergebracht haben.“ Die Brüder sahen keinen anderen Ausweg, als das Kampfgebiet zu Fuß zu verlassen — ein Marsch von 200 Kilometern, auf dem sie mit Guerillaeinheiten und wilden Tieren rechnen mußten. In Luanda angekommen, wurden sie erneut eingesperrt! Trotzdem waren sie immer noch davon überzeugt, daß es richtig ist, sich in seinem Leben von der Liebe zu Jehova Gott und seinen Mitmenschen leiten zu lassen (Luk. 10:25-28).

In einem anderen Fall schickte man vier Zeugen in ein entlegenes Militärlager im äußersten Süden Angolas. Da in dieser Gegend dermaßen heftig gekämpft wurde, waren sich die Soldaten ziemlich sicher, daß den Zeugen nichts anderes übrigbliebe, als zu ihrem eigenen Schutz zur Waffe zu greifen. Wie sich Miguel Quiambata noch erinnern kann, waren einige der Offiziere jedoch von der Entschlossenheit jener Männer sehr beeindruckt, und weil sie merkten, wie harmlos sie sind, erlaubten sie ihnen, sich in dieser Gegend frei zu bewegen. Diese Freiheit nutzten sie, um andere darüber zu belehren, wie Jehova es durch seinen Sohn, Jesus Christus, möglich gemacht hat, ewiges Leben zu erlangen. Als sie 1987 die Feier zum Gedenken an den Tod Christi begingen, waren 47 Personen anwesend, und bald darauf stieg die Anwesendenzahl auf 58.

Im Jahr 1990 hielt man immer noch etwa 300 Zeugen Jehovas wegen ihrer christlichen Neutralität gefangen. Einige von ihnen waren wiederholt eingesperrt, und das jedesmal länger als fünf Jahre. Andere waren ohne Gerichtsverhandlung vier Jahre in Haft. Selbst nachdem eine Amnestie erlassen worden war, ließen einige Gefängnisverwaltungen die Brüder darüber im Ungewissen und hielten sie weiterhin gefangen. Andere zögerten eine Freilassung hinaus, weil die Zeugen in ihren Augen die besten Arbeiter waren und man ihnen auch Arbeiten außerhalb des Gefängnisses anvertrauen konnte, ohne mit einem Fluchtversuch rechnen zu müssen. Diese Amnestie verhinderte auch nicht, daß 1994 zwei weitere Zeugen festgenommen und anschließend hingerichtet wurden.

Einige Zeit später, als die Königreichs-Nachrichten Nr. 35 verteilt wurden, traf eine Pionierin einen ehemaligen Armeeangehörigen, der sagte, er habe die Hinrichtung von drei Zeugen miterlebt, die sich geweigert hatten, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Auf die Frage, ob es in der Welt besser aussehe, wenn alle Menschen Zeugen Jehovas wären, meinte er: „Wenn sie sich weigern, ihre Mitmenschen zu töten und dafür sogar bereit sind, in den Tod zu gehen, dann gäbe es auf der Welt ganz gewiß Frieden, wenn alle Menschen Zeugen Jehovas wären.“ Er nahm die Broschüre Was erwartet Gott von uns? entgegen, war mit einem Bibelstudium einverstanden und fing an, die Versammlungszusammenkünfte zu besuchen.

Die Wasser der Wahrheit hörten nicht auf zu fließen

Jehova gab dem Propheten Hesekiel eine Vision vom Wasser des Lebens, das von Gottes großem geistigem Tempel ausgeht. Es floß unter Hindernissen hindurch und an ihnen vorbei, durchquerte unwegsames Land und brachte Leben in eine vormals unfruchtbare Gegend (Hes. 47:1-9). In der heutigen Zeit ist das lebengebende Wasser der Wahrheit trotz Hindernissen in über 230 Länder geflossen — auch nach Angola.

Manchmal schienen die Hindernisse unüberwindlich, doch die von Gott kommenden Wasser des Lebens bahnten sich einen Weg daran vorbei. Die ganzen 80er Jahre hindurch war die Zensur dermaßen streng, daß durch Kuriere überbrachte Mitteilungen aus dem Ausland nur selten das Büro in Luanda erreichten. Doch biblische Literatur, die erfrischende Wahrheiten enthielt, gelangte über die Grenze zwischen Namibia und Angola, die man verhältnismäßig leicht passieren konnte. So erhielten die Brüder über einige Jahre hinweg Veröffentlichungen in Portugiesisch und in Sprachen der Einheimischen.

Hilfe kam aus vielen Richtungen. Eine Anzahl von höhergestellten Persönlichkeiten half den Brüdern, an Bibeln heranzukommen. Sogar Militärangehörige, von denen einige Verwandte hatten, die Zeugen Jehovas waren, riskierten viel, um den Brüdern in Angola zu helfen. Einige Sendungen mit Büromaterial — einschließlich einer wertvollen Vervielfältigungsmaschine — wurden im Namen einflußreicher Personen versandt. Unter ihnen befand sich einer, der sich später sogar dem Volk Jehovas anschloß, um unter der Führung des von Gott eingesetzten ‘Fürsten des Friedens’ zu dienen (Jes. 9:6).

Thierry Duthoit und seine Frau Manuela zogen 1984 von Zaire (jetzt: Demokratische Republik Kongo) nach Angola. Die einheimischen Brüder hatten sie bald ins Herz geschlossen. Bruder Duthoit war ein großer Mann und wurde oft für einen Russen gehalten. Unter dem damaligen Regime konnten sich die vielen Russen in Angola völlig frei bewegen.

Diese Verwechslung kam den Brüdern sehr gelegen, denn dadurch konnten sie in dieses vom Krieg zerstörte Land Literatur bringen, in der beschrieben wurde, wie Jehova Gott durch sein messianisches Königreich für die Menschheit wahren Frieden herbeiführen wird, der sich bis zu den Enden der Erde ausdehnen soll (Ps. 72:7, 8). Bruder Duthoit knüpfte eine Reihe von geschäftlichen Kontakten mit Piloten von Fluggesellschaften, die sich bereit erklärten, einige Kartons mit biblischer Literatur ins Land zu bringen. Er holte die Literatur immer am Flughafen ab und übergab sie dann den Brüdern. Außerdem erhielt er auf diesem Weg dringend benötigte Medikamente für kranke Brüder.

Bruder Duthoit machte verantwortliche Brüder auch mit Herrn Ilídio Silva bekannt, einem Geschäftsmann, der zwei Vervielfältigungsmaschinen spendete. (Normalerweise war es sehr schwer für die Brüder, an solche Maschinen heranzukommen, da die Regierung alle Büromaschinen im Land registriert hatte.) Das brachte ihm Segen ein, denn schließlich wurde er ein getaufter Diener Jehovas.

Mit Hilfe der elektronischen Vervielfältigungsgeräte wurde es möglich, eine 20seitige Ausgabe des Wachtturms herzustellen. Das schloß wichtige Nebenartikel ein, die den angolanischen Brüdern bisher entgangen waren. Innerhalb kurzer Zeit wurden durchschnittlich 10 000 Exemplare pro Ausgabe verbreitet. Auch die Broschüre Täglich in den Schriften forschen wurde vervielfältigt, was die Brüder sehr schätzten. Das Zweigbüro in Portugal schickte auch ausgewählten Stoff aus dem Buch „Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich“ zur Vervielfältigung. Später war es möglich, dieses Material als Broschüre zu erhalten. Das bereicherte das Programm der Theokratischen Predigtdienstschule. Wie erfrischend diese geistige Speise doch war!

Auf dieser Tätigkeit ruhte Gottes Segen. Das war unter anderem daran zu sehen, daß in diesem Land die Zahl der Lobpreiser Jehovas anstieg. Bis Ende des Dienstjahres 1987 war die Zahl derer, die über ihre Tätigkeit als Zeugen Jehovas Bericht erstatteten, auf 8 388 angestiegen. Das war seit dem Verbot im Jahr 1978 eine Zunahme von 150 Prozent! Die Anzahl der Versammlungen hatte ebenfalls um ein Vielfaches zugenommen, und zwar von 33 auf 89. Obwohl man sehr vorsichtig war, bevor man Neuinteressierte zu den Zusammenkünften einlud, war die Anwesendenzahl um 50 Prozent höher als die Gesamtzahl der Verkündiger. Die Verkündiger verbrachten jeden Monat durchschnittlich 18 Stunden im Predigtdienst und erreichten eine Höchstzahl von 23 665 Bibelstudien! Natürlich sahen sich die Brüder wirtschaftlichen Problemen gegenüber, und Lebensmittel waren knapp. Doch das Vertrauen, das unsere Brüder in Jehovas Verheißungen setzten, half ihnen, zuversichtlich zu sein. Sie waren entschlossen, weiterhin ‘das Wort Gottes mit Freimut zu reden’ (Apg. 4:31).

Spezielle Schulung für Kreisaufseher

Die Kreisaufseher, die sich ständig für die Versammlungen verausgabten, benötigten auch Ermunterung. Unter ihnen herrschte helle Begeisterung, als sie erfuhren, daß sie im November 1988 ein spezielles Seminar für reisende Aufseher in Lissabon (Portugal) besuchen sollten.

Können wir uns vorstellen, wie sehr sie sich darüber freuten, täglich mit der Bethelfamilie in Portugal zusammenzusein? Luis Cardoso, der das Seminar besuchte, faßt seine Empfindungen wie folgt zusammen: „Es war für mich eine besonders aufregende Zeit. Die Bethelfamilie in Portugal empfing uns überaus herzlich. Mir kam es so vor, als konnten die Brüder gar nicht genug für uns tun. Wir hatten 34 Tage lang ein volles Programm, erlebten dabei viel Freude und lernten eine Menge dazu.“

Während der ersten beiden Wochen begleiteten sie reisende Aufseher in Portugal, um von ihnen zu lernen. In den beiden darauffolgenden Wochen nahmen sie an dem Seminar teil, das besonders auf ihr theokratisches Betätigungsfeld zugeschnitten war und durch das sie auf ihre Aufgabe als Unterweiser von Klassen der Königreichsdienstschule vorbereitet werden sollten. Die folgende Woche erlebten sie, wie die Königreichsdienstschule für Älteste und Dienstamtgehilfen in Portugal durchgeführt wurde. Dadurch hatten die Brüder aus Angola Gelegenheit mitzuverfolgen, wie die reisenden Aufseher in Portugal einheimischen Ältesten das vermittelten, was sie in dem Seminar gelernt hatten.

„Dieses Seminar half mir zu verstehen, was es bedeutet, ein guter Schüler zu sein“, sagt Bruder Cardoso. „Zum ersten Mal in meinem Leben lernte ich, wie man studiert und nachforscht. Durch ihr Beispiel zeigten uns die Brüder, wie wir auf unsere Frau Rücksicht nehmen und als Team zusammenarbeiten können. Als Krönung dieser unvergeßlichen Zeit führten uns die Brüder das ‚Photo-Drama der Schöpfung‘ vor. Ich hatte schon oft davon gehört, doch es jetzt mit eigenen Augen zu sehen, war sehr aufregend.“

Im Anschluß an diese Unterweisung wurde im Oktober 1990 Mário Nobre, ein Kreisaufseher aus Portugal, beauftragt, mit den angolanischen Kreisaufsehern zusammenzuarbeiten, während sie Versammlungen in ihrem Heimatland dienten. Er schulte die Brüder zwei Monate lang, und sie schätzten seine liebevolle, geduldige Art ungemein.

Voller Freude erzählt Bruder Nobre folgende Erfahrung, die er einige Tage nach seiner Ankunft in Angola machte: „Die Brüder hatten alles vorbereitet, damit ich in einer Versammlung von 198 Verkündigern einen öffentlichen Vortrag halten konnte. Ich staunte nicht schlecht, als 487 Personen anwesend waren. Zu meiner Überraschung bat mich der vorsitzführende Aufseher, den Vortrag noch einmal zu halten, da nur die Hälfte der Versammlung anwesend war. Ich hatte natürlich nichts dagegen einzuwenden, und so kamen zur ‚zweiten Runde‘ 461 Personen — insgesamt also 948!“

Während seines Aufenthalts lernte Bruder Nobre viel über das Alltagsleben der angolanischen Brüder. Ihm wurde bewußt, wie gefährlich die Straßen Luandas wegen der Schießereien waren, doch er gewöhnte sich schnell an die Situation und konzentrierte sich auf das außergewöhnliche Interesse, das die Menschen der Königreichsbotschaft entgegenbrachten. Was die Unterkunft anbelangt, so sagt er: „Die Brüder gaben mir das Beste, was sie hatten. Es war zwar nur das Lebensnotwendigste, doch es genügte.“

Verheerende Dürre

Anfang 1990 hinterließ der Apokalyptische Reiter auf dem schwarzen Pferd seine Spur im südlichen Angola — Hungersnot —, als eine verheerende Dürre, die drei Monate andauerte, zahlreiche Opfer forderte (Offb. 6:5, 6). Ernteerträge wurden zerstört. Es gab viel Leid. Gemäß der Lissabonner Zeitung Diário de Notícias kamen zufolge der Dürre mindestens 10 000 Menschen um.

Als man im Zweigbüro in Portugal von der Situation erfuhr, schickte man umgehend sowohl über Brüder als auch über Geschäftsleute, die an der biblischen Wahrheit interessiert waren, zwei große Frachtcontainer: einen Container nach Benguela und den anderen nach Luanda.

Mit dem Lkw sandte das Zweigbüro in Südafrika 25 Tonnen Hilfsgüter über Namibia. Als die Brüder mit ihrem Lkw in Windhuk eintrafen, erbaten sie dort von dem angolanischen Konsulat eine Einreisegenehmigung für Angola, damit sie die Hilfsgüter ihren christlichen Brüdern aushändigen konnten. Obwohl der Beamte wußte, daß die Zeugen in seinem Land nicht anerkannt sind, stellte er bereitwillig die notwendigen Papiere aus, so daß die Hilfsgüter die Notleidenden erreichten. Man sorgte sogar für eine Militäreskorte, damit der Lkw am Bestimmungsort gut ankam.

Als der Lkw die Behelfsbrücke über den Cunene erreichte, mußten die Brüder alles auf einen kleineren Lkw umladen. Auf der anderen Seite des Flusses sicher angekommen, packte man alle Hilfsgüter wieder auf den großen Lkw. Nachdem sie dann noch mehr als 30 vom Militär überwachte Kontrollpunkte passiert hatten, trafen sie schließlich in Lubango ein. Diese erfolgreiche Mission bahnte den Weg für drei weitere Fahrten, bei denen jedesmal etliche Tonnen wertvoller Hilfsgüter befördert wurden.

Flávio Teixeira Quental, der dabei war, als der erste Lkw in Lubango eintraf, erinnert sich: „Als wir so etwa um 3 Uhr nachmittags den Lkw ankommen sahen, waren wir außer uns vor Freude. Es war so tröstend! Gleichzeitig waren wir aber auch ganz schön überrascht und ziemlich beklommen. Wohin mit 25 Tonnen Literatur, Kleidung und Lebensmitteln? Unser Königreichssaal war ja nach allen Seiten offen — ohne Türen und Fenster, und unser Haus war für all die Kartons zu klein. Schnell organisierten wir einen Wachdienst rund um die Uhr und stellten alles im Königreichssaal ab.“

Die Hilfsgüter wurden umgehend verteilt. Bruder Quental fährt fort: „Das war mitten im Krieg. ... Damals hatten wir oft nur eine Zeitschrift für die ganze Versammlung. Wie dankbar wir doch Jehova, seiner Organisation und unseren lieben Brüdern waren, die für Brüder ihr Leben riskiert hatten, die sie nicht einmal kannten! Das erinnerte uns an Jesu Liebe, die er der Menschheit gegenüber zeigte, als er sein menschliches Leben für andere dahingab“ (Joh. 3:16).

In einem Dankesbrief der Ältesten aus Benguela war zu lesen: „Das letzte Wochenende hatten wir alle Hände voll zu tun, denn 32 freiwillige Helfer verteilten all die Hilfsgüter, die wir erhalten hatten. Wir möchten allen danken, deren Herzen von Liebe angetrieben wurden, um uns dieses Geschenk zu machen.“ Trotz der Hungersnot starb keiner der Brüder an Unterernährung.

Wahrung der Menschenrechte zugesagt

Am 31. Mai 1991 wurde zwischen den rivalisierenden Parteien Angolas ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, worauf eine Zeit relativen Friedens folgte. Man stimmte einer neuen Verfassung zu, die Menschenrechte und politische Rechte gewährleisten sollte. Nach dem 16 Jahre langen Bürgerkrieg, in dem etwa 300 000 Menschen getötet wurden, war das Land verwüstet. Die Lebenserwartung von Männern lag bei 43 Jahren, die von Frauen bei 46. Es gab immer mehr Arbeitslose, und die Inflationsrate stieg ständig. Das Schulsystem war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Wiederaufbau in großem Stil war erforderlich. Würden diese Veränderungen auch eine Aufhebung des Verbots von Jehovas Zeugen einschließen, das seit 1978 bestand?

Am 22. Oktober 1991 trat man an den Justizminister mit der Bitte heran, die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Angola gesetzlich einzutragen. Um die Öffentlichkeit über dieses Gesuch zu informieren, wurde eine Presseinformation herausgegeben.

Tags darauf veröffentlichte die Tageszeitung Jornal de Angola einen Artikel, in dem es auszugsweise hieß: „Nach den Worten des Sprechers der Zeugen Jehovas in Angola herrscht bezüglich der Anerkennung der Gemeinschaft Optimismus, und das Vorgespräch im Justizministerium verlief zufriedenstellend.“ Der Artikel gab nicht nur einen Abriß der Geschichte der Zeugen Jehovas in Angola, sondern berichtete auch von all dem, was durch ihre Tätigkeit in Ländern wie Portugal und Mosambik bewirkt wurde, wo das Verbot der Zeugen Jehovas aufgehoben worden war.

Zum ersten Mal gab es in Angola eine positive Berichterstattung über Jehovas Zeugen! Einige Tage später sagte der Herausgeber der Zeitung, er habe viele Anrufe erhalten, sogar von einflußreichen Persönlichkeiten, die ihm zur Veröffentlichung dieses Artikels gratulierten.

„Ein unvergeßliches Erlebnis“

Nach und nach gingen Jehovas Zeugen dazu über, sich in größeren Gruppen frei zu versammeln. Versammlungen mit 100 Verkündigern berichteten zwischen 300 und 500 Anwesende! Wo nur würden die Zeugen, die sich bisher in kleinen Gruppen in Privatwohnungen getroffen hatten, all die Leute unterbringen? Einige Brüder überdachten ihren Hinterhof mit Wellblech und schlugen vor, dort Zusammenkünfte abzuhalten. Viele Versammlungen kamen einfach unter freiem Himmel zusammen. Da nicht für alle Interessierten genügend Platz war, sollte jemand erst dann zu den Zusammenkünften und Kongressen eingeladen werden, wenn er in seinem Bibelstudium bereits gute Fortschritte gemacht hatte. Ja, Anbetungsstätten wurden dringend benötigt.

Douglas Guest und Mário P. Oliveira wurden von Portugal nach Angola gesandt, um zu ermitteln, welche Arbeiten gleich erledigt werden mußten und mit welchen weiteren Arbeiten zu rechnen war. Während ihres Aufenthalts fanden besondere Zusammenkünfte mit den Ältesten und Pionieren der 127 Versammlungen Luandas statt. Es war auch eine Gelegenheit, mit Ältesten zusammenzusein, die aus 30 anderen Versammlungen kamen. Brüder aus allen Teilen des Landes waren zugegen. Es war wirklich eine Zeit der Erbauung!

Auch für Bruder Guest war dies ein ergreifendes Erlebnis. Über 30 Jahre hatte er mit diesen Brüdern eng zusammengearbeitet — allerdings nur schriftlich. Rückblickend sagt er: „Was mir besonders auffiel, war, daß keiner sein Los im Leben beklagte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht strahlte einen inneren Frieden aus, was verriet, daß sie geistig rege und gesund waren. Ihre Gespräche drehten sich immer wieder darum, welchen Aufschwung das Predigtwerk in ihrem Land noch nehmen würde. Es war für mich ein unvergeßliches Erlebnis.“

Erneute gesetzliche Anerkennung

Am 10. April 1992 hieß es in der offiziellen Regierungszeitung Diário da República, die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas sei gesetzlich anerkannt worden. Voller Begeisterung ergriffen Jehovas Zeugen die Gelegenheit beim Schopf. Im Nu war eine neue Höchstzahl von 18 911 Verkündigern erreicht — eine Zunahme von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresdurchschnitt. Die 56 075 Heimbibelstudien (durchschnittlich drei pro Verkündiger) ließen auf eine große Ernte schließen.

Nun wurde das Zweigbüro in Südafrika beauftragt, die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! sowie andere Literatur nach Angola zu liefern. Um die Auslieferung an die Versammlungen im Land zu erleichtern, kaufte man zwei Lkws. Die Brüder waren außer sich vor Freude, als 24 000 Exemplare des Wachtturms vom 1. Mai 1992 und 12 000 Exemplare des Erwachet! vom 8. Mai 1992 eintrafen! Bald hatten sie genügend Bücher zur Verfügung, mit denen sie Bibelstudien durchführen konnten. Früher war es üblich, daß Verkündiger jede Frage und jede Antwort in dem Studienhilfsmittel auswendig lernten.

Abermals schwierige Zeiten!

Doch Gewalttätigkeiten nahmen kein Ende. Nach den Wahlen im September 1992 wurde das Land abermals durch einen Bürgerkrieg entzweit. Am 30. Oktober kam es in fünf größeren Städten zu erbitterten Kämpfen — in Lubango, Benguela, Huambo, Lobito und ganz besonders in Luanda, wo nach Berichten in den ersten Tagen 1 000 Menschen umkamen.

Die Krankenhäuser waren völlig überfüllt. Leichen lagen auf den Straßen. Epidemien breiteten sich aus. Einige Wochen gab es keinen Strom, keine Lebensmittel und kein Wasser. Überall wurde gestohlen und geplündert. Ein Großteil der Zivilbevölkerung durchlebte ein Trauma.

Einige Zeugen Jehovas aus Luanda verloren dabei ihr Leben, andere wurden als vermißt gemeldet. Als das Zweigbüro in Portugal erfuhr, unter welch furchtbaren Verhältnissen die Brüder leben mußten, schickte es umgehend Lebensmittel und Medikamente.

Während die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Gruppierungen im Gange waren, konnte die Öffentlichkeit beobachten, wie Jehovas Zeugen ihre strikte Neutralität bewahrten. Daß sie die einzigen waren, die sich nicht in Politik einmischten und in dem Machtkampf für keine Seite Partei ergriffen, wurde positiv kommentiert. So kam es, daß Interessierte die Zeugen auf der Straße ansprachen und um ein Bibelstudium baten.

Dachten die Zeugen über ihre Situation nach, wurde ihnen bewußt, daß sich vor ihren Augen biblische Prophetie erfüllte, und das stärkte ihr Vertrauen in Gottes Königreich nur noch mehr. Für sie war es gerade der richtige Zeitpunkt, daß das Buch Die Offenbarung — Ihr großartiger Höhepunkt ist nahe! studiert wurde, vor allem der Teil über die Aktivitäten des wilden Tieres in den gegenwärtigen letzten Tagen.

Eine Nachricht von der leitenden Körperschaft

Kurz nachdem es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war, schrieb die leitende Körperschaft an das Zweigbüro in Portugal einen zu Herzen gehenden Brief, in dem sie ihre Sorge um die Brüder in Angola zum Ausdruck brachte. In diesem Brief ging es auch um die Frage, ob die angolanischen Brüder mit dem Lebensnotwendigsten versorgt waren. Abschließend bat die leitende Körperschaft darum, den Brüdern in Angola ihre herzlichen Grüße der Liebe zu übermitteln.

Als die Brüder in Luanda diese Nachricht erhielten, waren sie Jehova von Herzen dankbar für eine solch liebevolle Organisation, die sich in Zeiten der Not so rührend um sein Volk kümmert. Besonders tröstend waren diese liebevollen Worte für Brüder, die Angehörige während jener Zeit der Gewalttätigkeiten verloren hatten.

Bezirkskongreß — ein Meilenstein

Im Januar 1993 war es in Luanda wieder etwas ruhiger geworden, so daß viele Verkündiger aus verschiedenen Landesteilen den Bezirkskongreß „Lichtträger“ in der Hauptstadt besuchen konnten. Manche hatten große Strecken zu Fuß zurückgelegt. Eine Schwester aus der Provinz Huambo marschierte sieben Tage lang mit ihren vier kleinen Kindern, von denen das älteste sechs Jahre alt war. Sie kam völlig erschöpft an, war jedoch in froher Erwartung des bevorstehenden geistigen Festmahls.

Man hatte den „Industrial Fair Pavilion“ für zwei aufeinanderfolgende Wochen gemietet. Generatoren und eine Verstärkeranlage stellten die Brüder in Portugal zur Verfügung. Obwohl zum Kongreß nur Personen eingeladen wurden, die regelmäßig zu den Zusammenkünften kamen, war der Pavillon bei beiden Kongressen zum Bersten gefüllt. Insgesamt wurden 24 291 Anwesende gezählt. Es war das erste Mal, daß die angolanischen Brüder ein vollständiges dreitägiges Bezirkskongreßprogramm verfolgen konnten, wozu auch das Drama gehörte. Bei den beiden Kongressen ließen sich 629 neue Diener Gottes taufen; und die Kongreßteilnehmer waren voller Freude, als sie die Broschüre Für immer auf der Erde leben! in Kikongo, Kimbundu und Umbundu erhielten sowie die Broschüre Kümmert sich Gott wirklich um uns? in Portugiesisch.

Einigen Regierungsbeamten entging nicht das gute Benehmen der anwesenden Zeugen. Der Kontrast zu dem, was sich sonst in Luanda abspielte, hätte kaum größer sein können. Am Eröffnungstag des ersten Kongresses kam es in verschiedenen Stadtteilen zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen heimkehrende Flüchtlinge. Es gab viele Tote und Hunderte von Verletzten. Überall wurde geplündert. Häuser wurden zerstört, einschließlich der einiger Brüder. Diese dunkle, drohende Wolke erneuter Gewaltakte ließ den Kontrast zu dem geistigen Licht, dessen sich Jehovas Volk erfreute, noch stärker hervortreten (Jes. 60:2).

Versammlungen auf sich gestellt

Wegen erneuter Kämpfe verloren die meisten Versammlungen in den Provinzen nach und nach den Kontakt zum Büro in Luanda. Die Widerstandsarmee etablierte im Januar 1993 ihr Hauptquartier in Huambo, worauf es zu heftigen Kämpfen kam. Während diese schöne Stadt nahezu dem Erdboden gleichgemacht wurde, flüchteten die Brüder in Scharen in den Busch. Vier Monate lang war von den 11 Versammlungen, die es zuvor in dieser Stadt gab, absolut nichts zu hören. Im April ging schließlich eine kurze Nachricht ein: „Zahl der Anwesenden beim Gedächtnismahl von den 11 Versammlungen in Huambo: 3 505. Bis jetzt haben wir niemanden zu beklagen.“ Wie gut, daß keiner der Brüder umgekommen war!

In den darauffolgenden Monaten und Jahren sickerte hier und da ein Bericht durch, der erkennen ließ, daß die Brüder treu ausharrten. Eine Versammlung berichtete: „Am schrecklichsten waren die beiden Monate, wo so erbittert gekämpft wurde, daß sich tagsüber niemand auf die Straße wagte. Die Brüder fanden sich im Keller eines Wohnhauses zusammen. Nachts machten sie sich immer auf die Suche nach Wasser, das sie dann abkochten, damit sie am nächsten Tag etwas zu trinken hatten. Versuchte jemand, die Straße zu überqueren, um von einem Gebäude zum anderen zu kommen, mußte er damit rechnen, von Heckenschützen niedergeschossen zu werden. Wie kamen die Brüder an Lebensmittel heran? Sie legten alle ihre Ersparnisse zusammen und kauften von Soldaten Reis zu Wucherpreisen. Jeder bekam nur eine Tasse Reis pro Tag. War nicht an Lebensmittel heranzukommen, versuchten sie, den quälenden Hunger mit abgekochtem Wasser zu betäuben. Literatur war nicht zu bekommen. Um aber geistig stark zu bleiben, lasen sie ihre Zeitschriften und Bücher immer und immer wieder. Das führte dazu, daß sie sich noch heute mit Jehova enger verbunden fühlen als je zuvor.“

Eine Versammlung in der Provinz Kwanza Norte war vom Büro in Luanda zwei Jahre lang abgeschnitten. Obwohl die Zeugen dort ganz auf sich gestellt waren, führten sie über ihre Predigttätigkeit und die eingegangenen Spenden ganz gewissenhaft Buch. Zwar befanden sie sich in einer sehr schwierigen Lage, aber diese Mittel wurden nie für persönliche Zwecke verwendet. Sie spendeten sogar regelmäßig kleine Beträge für das weltweite Werk. Als die Brüder dann schließlich wieder mit dem Büro in Kontakt treten konnten, sandten sie das Geld ein. Was für ein Beispiel der Wertschätzung für Jehovas sichtbare Organisation!

Bethelerweiterung

Ende 1992 konnte die Gesellschaft der Zeugen Jehovas das dreigeschossige Gebäude kaufen, das bisher als Büro für das Landeskomitee gemietet worden war. Noch im selben Jahr war es den Zeugen möglich, ein Lagerhaus zu mieten, das sich gut als Literaturlager eignete. Später konnten sie dort auch eine kleine Druckerei unterbringen. Zwei Jahre danach machte man Pläne, das dreigeschossige Gebäude zu renovieren und einen Anbau mit drei Etagen hinzuzufügen.

Da es nicht möglich war, die Baumaterialien für dieses Projekt in Angola zu kaufen, wurden die einzelnen Bauteile für das geplante Gebäude in Portugal vorgefertigt und dann in Containern nach Angola verschifft. Carlos Cunha, Jorge Pegado und Noé Nunes kamen aus Portugal, um beim Aufbau Hand anzulegen. Der ebenfalls aus Portugal stammende Bauleiter Mário P. Oliveira erzählt: „Als die Bauarbeiten im Juli 1994 anfingen und ein Container nach dem anderen ankam, ging es im Bethel zu wie in einem Taubenschlag. Fast die gesamte Bethelfamilie half mit, die Container auszuladen, in denen all die Werkzeuge und Baumaterialien angeliefert wurden, wie Farbe, Fliesen, Türen, Fensterrahmen und vieles mehr. Die Bethelfamilie hatte zwar etwas über zeitsparende Baumethoden gelesen, doch als die Brüder jetzt sahen, wie schnell das dreigeschossige Gebäude hochgezogen wurde, trauten sie ihren Augen kaum.“

Nach Ende der Bauarbeiten erhielt das Bethel von einem einheimischen Bruder einen von Herzen kommenden Dankesbrief. Er schrieb: „Ich bin Jehova dankbar dafür, daß ich beim Bau des neuen Bethels mithelfen durfte. Anfangs glaubte ich zu träumen, aber es war doch wahr! Bei der Tagestextbesprechung dabeisein zu können, war für mich ein ganz besonderes Vorrecht, wodurch ich sehr ermuntert wurde. Jetzt kenne ich auch alle Glieder der Bethelfamilie mit Namen. Einige von ihnen kannte ich bisher nur als Kongreßredner. Ich bete immer zu Jehova um das große Vorrecht, mich irgendwann einmal am Bau eines neuen Bethels oder irgendeines anderen Projekts beteiligen zu dürfen.“

Um den wachsenden Bedürfnissen gerecht zu werden, wurde inzwischen etwa 10 Kilometer außerhalb von Luanda ein 4,5 Hektar großes Stück Land gekauft, und die Brüder hoffen, daß dort ein neues Bethel entstehen wird.

Brüder und Schwestern aus anderen Ländern kamen nach Angola, weil sie gern mithelfen wollten. So trafen im Mai und Juni 1994 acht Missionare ein. Einige Male reisten Brüder aus Südafrika an, um beim Aufstellen einer neuen Druckmaschine zu helfen und die einheimischen Brüder in ihre neue Arbeit einzuweisen. Brüder aus Portugal statteten das Büro mit Computern aus und halfen bei der Buchhaltung sowie anderen organisatorischen Angelegenheiten. Bethelmitarbeiter im Auslandsdienst aus Kanada und Brasilien waren bereit, ihre Fertigkeiten einzusetzen. Wie sehr die angolanischen Brüder doch die Willigkeit dieser Helfer schätzten, die sie bei ihrer Arbeit unterstützten und einheimischen Brüdern wertvolle Fertigkeiten vermittelten!

Günstiges Zeugnis durch Kongresse

Im Jahr 1994 traf man Vorbereitungen für Bezirkskongresse an mehreren Orten. Zum ersten Mal fanden zwei Kongresse in den Provinzen statt: einer in Benguela, bei dem 2 043 Personen anwesend waren, und der andere in Namibe, wo 4 088 Besucher gezählt wurden. Die Gesamtanwesendenzahl im Land betrug 67 278, und 962 Personen ließen sich taufen.

Der Verwalter einer Sportanlage war von dem, was er sah, dermaßen beeindruckt, daß er den Brüdern anbot, die Sportstätte zwei Wochen lang kostenlos zu nutzen. Ein Interessierter sagte: „Das gute Benehmen war auffallend und herzerfrischend! Ich wollte Ihnen nicht nachspionieren, nein, aber ich möchte mich Ihnen gern anschließen. Bitte tun Sie mir den großen Gefallen und schicken Sie mir so bald wie möglich jemand, der mir beibringt, wie ich Ihrem Beispiel gezielt folgen kann.“

Für den Bezirkskongreß „Freudige Lobpreiser“ im August 1995 nahmen die Zeugen ein großes Stadion im Herzen Luandas unter Vertrag. Die Brüder erneuerten einen Großteil der Holzbänke, gaben ihnen einen neuen Anstrich und reparierten Wasserleitungen. Wie würde die Öffentlichkeit auf eine Einladung zum Kongreß reagieren? Der Kongreß fand überwältigenden Zuspruch! Am ersten Wochenende kamen so viele, daß Besucher sogar auf dem Spielfeld und unter den Zuschauertribünen Platz nehmen mußten. Die Anwesenden freuten sich zu hören, daß 40 035 Personen zugegen waren. Am darauffolgenden Wochenende kamen noch einmal 33 119. Insgesamt ließen sich 1 089 taufen.

Woher kamen so viele Besucher, da es doch im ganzen Land nicht einmal 26 000 Zeugen Jehovas gab? Es waren Angolaner, die sich für das, was ihnen Jehovas Zeugen aus der Bibel zeigten, interessierten. Ein Reporter einer Nachrichtenagentur in Luanda sagte: „Im Coqueiros-Stadion spielt sich derzeit etwas ab, was es nie zuvor gegeben hat. Ungefähr 60 000 Menschen aller sozialen Schichten haben sich hier zum Bezirkskongreß der Zeugen Jehovas eingefunden. Es ist wirklich bemerkenswert, wie Männer, Frauen, Kinder und ältere Menschen sich miteinander versammeln ..., um sich ermuntern zu lassen, ihren Gott Jehova zu preisen.“

Wer die Delegierten bei der Ankunft im Stadion beobachtete, war einfach davon beeindruckt, wie adrett und sauber sie gekleidet waren, und das trotz ihrer begrenzten finanziellen Mittel. Während des Programms hörte jeder aufmerksam zu. Anscheinend liefen nur die Ordner umher, die die Anzahl der Besucher ermittelten. Eine stellvertretende Ministerin, die das gesamte Programm am Sonntagvormittag verfolgte, bemerkte folgendes: „Ich bin einfach sprachlos darüber, wie sehr sich die Leute in diesem Stadion von denen außerhalb unterscheiden. Von dem praktischen Wert Ihres Programms bin ich wirklich beeindruckt. Meinen herzlichen Glückwunsch!“

Die angolanischen Zeugen hatten von großen Kongressen des Volkes Jehovas in anderen Teilen der Welt gelesen. Aber jetzt konnten sie einen Kongreß in ihrem eigenen Land erleben! Wie gesegnet sie doch waren, nachdem sie jahrelang unter sehr schwierigen Bedingungen ausgeharrt hatten! Dieses Erlebnis ging ihnen unter die Haut. Ihr Herz war voller Dankbarkeit gegenüber Jehova, weil er es ihnen während einer solch außergewöhnlichen Zeit der Menschheitsgeschichte ermöglichte, ein Teil seiner besonderen irdischen Familie zu sein.

Angola wird ein eigener Zweig

Das Predigen der guten Botschaft war nicht aufzuhalten. In der Zeit von 1994 bis 1996 nahm die Zahl der Verkündiger jedes Jahr im Durchschnitt um 14 Prozent zu. Die Verkündigerhöchstzahl betrug 28 969, und es wurden mehr als 61 000 Bibelstudien berichtet. Als 1992 die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas eingetragen wurde, gab es 213 Versammlungen; bis 1996 war die Zahl der Versammlungen auf 405 angestiegen. Und die Zahl von 108 394 Besuchern anläßlich des Gedächtnismahls ließ auf eine weitere reiche Ernte schließen.

Dadurch, daß das Büro in Luanda ein Zweigbüro wurde, konnte besser auf die örtlichen Bedürfnisse eingegangen werden. Also nahm am 1. September 1996 ein Zweigbüro in Angola die Arbeit auf. Die leitende Körperschaft ernannte drei Brüder zu Mitgliedern des Zweigkomitees, die bereits treu im Landeskomitee gedient hatten: João Mancoca, Domingos Mateus und Silvestre Simão. Unterstützt wurden sie von zwei Missionaren, nämlich von José Casimiro und Steve Starycki.

Um den Brüdern während der Übergangsphase zu helfen, besuchte Douglas Guest vom Zweigbüro in Portugal im Juni 1996 Angola. Vor der 56köpfigen Bethelfamilie sprach er darüber, wie wichtig es für jeden von ihnen sei, in allen Dingen ein gutes Beispiel zu geben. Anläßlich eines besonderen Programms, zu dem 5 260 Älteste und Pioniere aus Luanda und Umgebung sowie deren Frauen eingeladen worden waren, gab es Interviews mit Gliedern des Zweigkomitees und anderen älteren Brüdern, die an herausragende Ereignisse in der Geschichte des Volkes Jehovas in Angola erinnerten. Bruder Guest schilderte, wie Vertrauen zu Jehova und das Gebet um Kraft uns Mut geben.

Einheimische in ihrer Muttersprache mit der Wahrheit erreichen

In Offenbarung 7:9 wird gesagt, daß sich „eine große Volksmenge ... aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Zungen“ der Anbetung Jehovas anschließen würde. Diese Prophezeiung trifft bestimmt auch auf Angola zu, wo 42 Sprachen und unzählige Dialekte gesprochen werden. Die am weitesten verbreiteten einheimischen Sprachen sind Umbundu, Kimbundu und Kikongo.

Jahrelang mußte oftmals das Studienmaterial in den Versammlungszusammenkünften aus dem Portugiesischen in mindestens eine der Lokalsprachen gedolmetscht werden. Wollte man selbst die Veröffentlichungen der Gesellschaft studieren, mußte man Portugiesisch lernen, doch es gab nur begrenzte Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Eine der ersten Veröffentlichungen in Umbundu war die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“. Als 1978 ein Ältester ein Exemplar davon erhielt, meinte er: „Mit Hilfe solch einer Broschüre in Umbundu wird es in Moçâmedes [jetzt Namibe] über 300 Verkündiger geben. Die meisten Leute in dieser Gegend sprechen und lesen diese Sprache. Das ist wirklich ein Segen!“ Die Broschüre erwies sich als so segensreich, daß es jetzt in Namibe 21 Versammlungen mit 1 362 Verkündigern gibt.

Aber es war noch mehr erforderlich, um die Herzen der Angolaner mit der guten Botschaft in ihrer jeweiligen Muttersprache zu erreichen. Es mußte eine vollständige Übersetzungsabteilung aufgebaut werden. Kurz nachdem Jehovas Zeugen 1992 gesetzlich eingetragen worden waren, wurden drei angehende Übersetzer in das Zweigbüro nach Südafrika geschickt, um angelernt zu werden. Computer wurden angeschafft. Dann kamen Keith Wiggill und seine Frau Evelyn aus Südafrika, um die neue Abteilung einzurichten und die Übersetzer mit den Computerprogrammen der Gesellschaft vertraut zu machen, die als Übersetzungshilfe entwickelt worden waren.

Nach und nach war immer mehr Literatur in den Sprachen der Einheimischen erhältlich. In Umbundu wurden Broschüren wie Für immer auf der Erde leben! und Kümmert sich Gott wirklich um uns? veröffentlicht. Danach erschienen sie auch in Kikongo und Kimbundu; außerdem kam eine ganze Anzahl von Traktaten heraus. 1996 wurden das Buch Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt und die Broschüre Was erwartet Gott von uns? in allen drei Sprachen freigegeben. Ein Bezirksaufseher, der in einer der gastgebenden Versammlungen diente, berichtete, wie er mit einer recht einfachen, jedoch direkten Darbietung in nur einer Woche 90 Bibelstudien einrichten konnte! Im Jahr darauf stieg die Zahl der Versammlungen von 478 auf 606.

Es erwies sich für die Brüder als ein Segen, die biblische Wahrheit in ihrer Muttersprache hören und lesen zu können. 1998 wurde in Huambo zum ersten Mal das ganze Bezirkskongreßprogramm in Umbundu dargeboten. Über 3 600 waren anwesend. Voller Wertschätzung hörte man die Delegierten sagen: „Jehova hat uns nicht vergessen!“ Als dann mit der Ausgabe vom 1. Januar 1999 Der Wachtturm schließlich in Umbundu erschien, war das ein weiterer Beweis liebevollen Interesses.

Königreichssäle dringend benötigt

Viele Jahre lang war es Jehovas Zeugen in Angola nicht möglich, eigene Königreichssäle zu haben, weil ihre Tätigkeit verboten war. Seit 1992 ist allein in Luanda die Zahl der Versammlungen von 147 auf 514 gestiegen. Im ganzen Land gibt es jetzt 696 Versammlungen — eine Zunahme von über 200 Prozent. Die Zusammenkünfte vieler Versammlungen werden durchschnittlich von 200 bis 400 Personen besucht. Die Zahl der Kongreßbesucher war 1998 viermal so hoch wie die der Verkündiger! Geeignete Zusammenkunftsstätten werden also dringend benötigt.

In Lubango wurde der erste Königreichssaal 1997 gebaut, in Lobito im Juli 1998 und in Viana (etwas südlich von Luanda) im Dezember 1999. Mit Hilfe des gegenwärtigen internationalen Königreichssaal-Bauprogramms geht es nun voran.

Für Angola hat man Königreichssäle entworfen, die aus einer zerlegbaren, an allen Seiten offenen Stahlkonstruktion bestehen. Warum zerlegbar? Trotz der Bemühungen, Eigentumsrechte für ein Grundstück zu erwerben, kann es passieren, daß jemand nach Errichtung eines Gebäudes Anspruch erhebt, der rechtmäßige Grundstückseigentümer zu sein. Der Königreichssaal ist so konzipiert, daß er notfalls woanders aufgestellt werden kann. Und er ist nach allen Seiten offen, weil das bei dem heißen Klima angenehmer ist. Im Mai 2000 trafen vorgefertigte Teile für den ersten Saal dieser Art ein. Im ganzen Land gibt es bisher nur 24 Königreichssäle, die ganz verschieden aussehen. 355 weitere Säle werden in den nächsten fünf Jahren benötigt. Die Brüder hoffen, daß durch die gegenwärtige Bautätigkeit der dringende Bedarf gedeckt werden kann.

Doch es werden nicht nur Königreichssäle gebaut. Inzwischen gibt es auch Pläne für einen Kongreßsaal mit 12 000 Sitzplätzen — ebenfalls eine nach allen Seiten offene Stahlkonstruktion.

Achtung vor der Heiligkeit des Blutes

Um einem weiteren Bedürfnis abzuhelfen, nahm im Oktober 1996 ein Krankenhaus-Verbindungskomitee (KVK) seinen Dienst auf. Es besteht aus zehn engagierten Ältesten, die Hunderten von Versammlungen in Luanda und Umgebung beistehen. Die einheimischen Zeugen freuen sich sehr darüber, gut geschulte Brüder zu haben, die bereit sind, ihnen zu helfen, eine medizinische Behandlung zu erhalten, bei der ihr Wunsch, ‘sich des Blutes zu enthalten’, berücksichtigt wird (Apg. 15:28, 29).

Die medizinischen Einrichtungen, die den Krieg überdauert hatten, waren seit Mitte der 70er Jahre kaum gewartet worden. Medikamente waren knapp. Wären Ärzte unter diesen schwierigen Bedingungen überhaupt bereit, mit Jehovas Zeugen zusammenzuarbeiten und ein Programm für medizinische Behandlung und Operationen ohne Bluttransfusionen zu erarbeiten? Anfangs reagierten die meisten Ärzte und Vertreter von Krankenhausverwaltungen negativ oder verschoben vereinbarte Gesprächstermine. Dann kam es zu einem medizinischen Notfall.

Ein Bruder aus der Provinz Malanje wurde wegen eines Magentumors in das Américo Boavida Hospital in Luanda eingeliefert. Ein Mitarbeiter des KVK begleitete die Frau des Bruders, um mit dem Chirurgen zu sprechen. Dr. Jaime de Abreu, Chefchirurg des Krankenhauses, empfing die beiden Zeugen. Zu ihrer Überraschung kannte er Jehovas Zeugen und ihre Einstellung zu Blut, denn während eines Urlaubs in Portugal hatte er von den Behandlungsalternativen zu Bluttransfusionen gehört.

Dank der guten Zusammenarbeit mit Dr. de Abreu verlief die Operation ohne Bluttransfusion erfolgreich. Später kamen die Brüder vom KVK noch einmal mit Dr. de Abreu und seinem Team zusammen, um ihnen weitere Informationen zukommen zu lassen. Derzeit sind fünf Ärzte bereit, mit den Zeugen zusammenzuarbeiten und ihren Standpunkt in bezug auf das Blut zu respektieren.

Mehr Arbeiter für die Ernte

Nachdem sich die Brüder der vielen organisatorischen Angelegenheiten angenommen und sich um die Beschaffung von Literatur gekümmert hatten, richteten sie nun ihr Augenmerk auf das außergewöhnliche Interesse, dem die Brüder im Predigtdienst begegneten. Wie sehr doch die Worte Jesu auf Angola zutreffen: „Ja, die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige“ (Mat. 9:37)! Gemäß Berichten wurde in Dutzenden von Städten Hilfe benötigt, um dem vorgefundenen Interesse an der Wahrheit nachzugehen.

Daraufhin schickte die Gesellschaft 11 weitere Missionare ins Land, um bei der „Ernte“ zu helfen. Einige von ihnen wurden beauftragt, in den Küstenstädten Benguela und Namibe zu predigen. Doch die meisten „Erntearbeiter“ hat Jehova aus den Reihen der Angolaner ausgewählt. Allein in den letzten fünf Jahren haben sich 21 839 Personen taufen lassen, und sie haben sich der Schar von Jehova hingegebenen Lobpreisern in diesem Land angeschlossen.

Jehovas Augen sind auf sie gerichtet

Es war einfach nicht möglich, überall dort, wo Interesse an Gottes Wort bestand, erfahrene Brüder einzusetzen. Wozu hat das geführt? Dadurch wurde noch offenkundiger, daß dieses Werk nicht von Menschen geleitet wird, sondern durch Gottes Geist (Sach. 4:6). Jehovas Augen sind nicht nur auf all seine Diener gerichtet, sondern auch auf jene, die in Aufrichtigkeit den wahren Gott kennenlernen und ihm dienen möchten (Ps. 65:2; Spr. 15:3).

Einige Dorfbewohner aus der Provinz Kwanza Norte reisten nach Luanda und erhielten von Zeugen auf der Straße Zeitschriften. Nachdem die Dorfbewohner auf die gute Botschaft in den Zeitschriften aufmerksam geworden waren, entschlossen sie sich, dem Beispiel der Zeugen aus Luanda zu folgen und die Zeitschriften weiterzugeben. Sie erkannten auch die Wichtigkeit, sich zu versammeln. Also versuchte einer aus der Gruppe, so gut er es konnte, Zusammenkünfte zu leiten. Da ihr Dorf jedoch sehr abgelegen ist, war die Nachricht, daß Jehovas Zeugen drei Jahre zuvor gesetzlich anerkannt worden waren, noch nicht bis zu ihrer Gemeindeverwaltung vorgedrungen. Deshalb durften die Dorfbewohner keine öffentlichen Zusammenkünfte abhalten. Doch sie ließen sich nicht abschrecken und trafen sich im Busch.

Schließlich erfuhren die Brüder im Zweigbüro in Luanda, daß in Quilombo dos Dembos Hilfe gebraucht wurde, weil man dort eine Versammlung gründen wollte. Im Oktober 1997 wurde ein Kreisaufseher in das Dorf gesandt, und anläßlich seines Besuchs kamen 140 Personen zu der Zusammenkunft. Da er stets eine Kopie der Satzung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas bei sich hatte, konnte er den Gemeindevertretern den Nachweis erbringen, daß Jehovas Zeugen eine gesetzlich eingetragene Organisation sind. Inzwischen ist die Gruppe dort glücklich darüber, daß sie sich öffentlich versammeln darf, und es gibt nun in ihrer Mitte Pioniere, die sich der vielen Interessierten annehmen.

Im Jahr 1996 traf Ana Maria Filomena in einer kleinen Stadt in der Provinz Bié ein. Sie tat, was in ihrer Kraft stand, um die gute Botschaft zu verbreiten, und bald darauf versammelte sich jede Woche eine Gruppe Interessierter zum Buchstudium und zum Wachtturm-Studium. Da es keinen getauften Bruder gab, leitete Ana Maria die Zusammenkünfte. Eines Tages sagte man ihr, daß ein hochrangiger Kommandeur am Sonntag zur Zusammenkunft kommen würde, um sich ein Bild davon zu machen, was dort gelehrt werde. Er kam in Begleitung von zwei Soldaten. Offensichtlich war er von dem, was er hörte, angetan, denn bevor er ging, sagte er: „Sie brauchen keine Angst zu haben, Ihre Arbeit in dieser Gegend fortzusetzen.“ Aus dieser kleinen Gruppe ist inzwischen die 40 Verkündiger starke Versammlung Kuito-Bié-Sul-Umbundu hervorgegangen, die sonntags bei den Zusammenkünften 150 Anwesende hat.

Weil die Versammlungen in der Provinz Uíge ungefähr zwei Jahre lang keine Kontakte nach außen hatten, fehlte es an der notwendigen geistigen Speise. Einer der dort ansässigen Zeugen sprach über das Problem mit einem Verwandten, der regelmäßig mit dem Transport von Versorgungsgütern per Luftfracht zu tun hatte. Freundlicherweise bot der Verwandte an, beim nächsten Flug den Kreisaufseher, einen Sonderpionier und 400 Kilo Literatur unentgeltlich zu befördern. Bei ihrer Ankunft fanden diese Brüder eine Versammlung vor, die sich um fünf abgelegene Gruppen kümmerte. Jede Gruppe hielt Zusammenkünfte ab, die jeweils von 50 bis 60 Interessierten besucht wurden.

Anfang 1996 besuchte ein Kreisaufseher in der gleichen Provinz eine Versammlung, die von der übrigen Organisation mehr als vier Jahre abgeschnitten war. Was erlebte er dort? Obwohl es nur 75 Verkündiger gab, hörten insgesamt 794 Personen seinen öffentlichen Vortrag! Offensichtlich ließen sich diese Brüder in ihrem Eifer, die gute Botschaft anderen zu predigen, nicht bremsen, obwohl sie ganz auf sich gestellt waren.

Aus der Gegend von Gabela, das ein ganzes Stück südlich von Luanda liegt, kamen den Brüdern ähnliche Berichte über großes Interesse an der Wahrheit zu Ohren. Ein Pionier leitet dort fünf Versammlungsbuchstudien — jeden Abend ein anderes. Auch er ‘bittet den Herrn der Ernte, daß er mehr Arbeiter aussende’ (Mat. 9:37, 38).

„Die tragischste Auseinandersetzung unserer Zeit“

Wenn man bedenkt, wie erfolgreich Jehovas Zeugen in Angola unter den dortigen Verhältnissen die gute Botschaft gepredigt haben, dann kann man nur staunen. Ein Bericht der Vereinten Nationen beschrieb den Bürgerkrieg in Angola als „die tragischste Auseinandersetzung unserer Zeit“. Sieht man, wieviel Leid damit verbunden ist, kann man dieser Beschreibung kaum widersprechen. Selbst nach dem Waffenstillstand wurde berichtet, daß täglich 1 000 Leute umgebracht wurden. Im März 2000 hieß es in der New York Times: „Der Krieg in Angola — ein Land mit zwölf Millionen Einwohnern — hat einer Million Menschen das Leben gekostet, und drei Millionen sind aus ihrer Heimat vertrieben worden.“

Selbst wenn man allen Schießereien Einhalt gebieten könnte, würden die Auswirkungen des Krieges zu spüren sein. Angola zählt zu den am stärksten verminten Ländern der Welt, und dort leben schätzungsweise 70 000 Menschen, die durch explodierende Minen verstümmelt wurden — mehr als sonstwo in der Welt. Es ist unbegreiflich, daß die Konfliktparteien noch heute Minen auslegen. Die Folge davon ist, daß die Bauern ihre Felder verlassen, was wiederum zu einer extremen Lebensmittelknappheit beiträgt.

All diese Gewalttätigkeiten sind an Jehovas Zeugen nicht spurlos vorübergegangen. In der Provinz Kwanza Norte verloren vier Zeugen und ein Interessierter bei Schußwechseln zwischen Regierungstruppen und der Widerstandsarmee ihr Leben. Einige kamen bei Unfällen mit Landminen und bei Bombenexplosionen auf Marktplätzen um. 1999 bezahlten vier Zeugen den Versuch, ihre Mitchristen in Huambo mit Lebensmitteln und anderen Gütern zu versorgen, mit dem Leben. Zu solchen Zwischenfällen kam es glücklicherweise nur selten.

So wie viele andere litten auch Zeugen Jehovas sehr darunter, daß es ihnen an Lebensmitteln, Kleidung und Obdach fehlte. Als der Bürgerkrieg 1999 eskalierte, sahen sich schätzungsweise 1 700 000 Menschen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen — darunter viele Zeugen Jehovas. Oft ziehen Kriegsflüchtlinge zu ihren Verwandten, die ohnehin schon unter beengten Verhältnissen leben. Obwohl es den Ältesten viel abverlangt, für ihre Familie zu sorgen, kümmern sie sich trotzdem weiterhin um die geistigen Bedürfnisse ihrer Brüder. Die Wertschätzung dieser Zeugen für Mitchristen in Italien, Portugal und Südafrika, die auf ihren Hilferuf hin viele Container mit Lebensmitteln, Kleidung und dringend benötigten Medikamenten schickten, läßt sich nicht mit Worten beschreiben.

Vorbilder des Glaubens

Wie man in alter Zeit Gold durch starke Hitze läuterte, so haben die Prüfungen bei treuen Dienern Gottes bewirkt, daß die Echtheit ihres Glaubens geprüft wurde (Spr. 17:3; 1. Pet. 1:6, 7). Tausende der Zeugen Jehovas in Angola, sowohl jung als auch alt, haben einen solchen auf Echtheit geprüften Glauben.

Carlos Cadi, ein langjähriger Diener Jehovas, der vor über 50 Jahren die kostbaren biblischen Wahrheiten zusammen mit João Mancoca in Belgisch-Kongo kennenlernte, machte folgende Beobachtung: „Die mutige und entschlossene Haltung unserer Brüder — einschließlich der vielen, die ihr Leben verloren haben — ist zu einem großartigen Zeugnis ausgeschlagen. Das war nicht nur auf ihre Taten zurückzuführen, sondern auch darauf, daß sie selbst vor vielen Amtspersonen furchtlos Zeugnis gaben.“

Einer von denen, die ein solches Zeugnis gegeben haben, ist Antunes Tiago Paulo. Man wollte ihn zwingen, seine christliche Neutralität aufzugeben. Deshalb wurde er grausam mißhandelt. Heute dient er im angolanischen Bethel zusammen mit anderen, die ähnliche Brutalitäten ertragen mußten: Justino César, Domingos Kambongolo, António Mufuma, David Missi und Miguel Neto. Alfredo Chimbaia, der mehr als sechs Jahre im Gefängnis verbrachte, steht jetzt zusammen mit seiner Frau im Kreisdienst.

Eine Schwester erlebte, wie ihr Mann von der Familie weggerissen und von feindlichen Stammesangehörigen umgebracht wurde. Man legte ihr dringend ans Herz, in die Demokratische Republik Kongo zu fliehen, wenn sie am Leben bleiben wollte. Um dorthin zu kommen, mußte sie mit ihren vier Kindern zu Fuß gehen. Sie war zehn Monate unterwegs. Vor Antritt der Reise wußte sie noch nicht, daß sie schwanger war. Das Kind kam zur Welt, noch bevor sie im Kongo ankam. Leider starb es später. Die Schwester betete fast ununterbrochen. Sie sagte, daß man in einer solch ausweglosen Situation seine Bürde auf Jehova werfen muß (Ps. 55:22). Versäumt man zu beten, wird man vor Selbstmitleid zerfließen und fragen: „Warum ausgerechnet ich, Jehova?“ Die Schwester war so dankbar, noch am Leben zu sein, daß sie gleich den ersten Monat nach ihrer Ankunft in Kinshasa als Hilfspionier diente.

‘Gott schämt sich ihrer nicht’

Was der Apostel Paulus über Männer und Frauen des Glaubens in alter Zeit schrieb, trifft auch sehr gut auf Jehovas Diener in Angola zu. Vielleicht könnte man seine Worte wie folgt umschreiben: Was sollen wir noch mehr sagen? Denn die Zeit wird uns fehlen, wenn wir weitererzählen von all den Vorbildern des Glaubens, die der Schärfe des Schwertes entrannen, aus einem Zustand der Schwäche mit Kraft erfüllt wurden und die gefoltert wurden, weil sie keine Befreiung durch irgendwelche Kompromisse annahmen. Sie erhielten ihre Erprobung durch Verspottungen und Geißelungen, in der Tat, mehr als das, durch Fesseln und Gefängnisse. Sie wurden auf die Probe gestellt, sie erlitten Mangel, Drangsal, Mißhandlung; und die Welt war ihrer nicht würdig (Heb. 11:32-38). Wenn sie auch von ihren Verfolgern verachtet wurden und wenn viele von ihnen auf Grund von Krieg und Anarchie noch heute Entbehrungen auf sich nehmen müssen, „schämt sich Gott ihrer nicht, als ihr Gott angerufen zu werden“, weil sie ihre Augen fest auf die Erfüllung seiner Verheißungen gerichtet halten (Heb. 11:16).

Wenngleich Jehovas Zeugen in Angola weiterhin die furchtbaren Auswirkungen der wütend einherstürmenden Apokalyptischen Reiter verspüren, sind sie sich doch auch der Segnungen Gottes deutlich bewußt. Im vergangenen Jahr haben die mehr als 40 000 Verkündiger in diesem Land über 10 000 000 Stunden eingesetzt, um anderen die gute Botschaft von Gottes Königreich zu überbringen. Eifrig haben sie jeden Monat durchschnittlich über 83 000 Heimbibelstudien mit Interessierten durchgeführt. Es ist der sehnlichste Wunsch der Königreichsverkündiger in Angola, so vielen wie möglich Gelegenheit zu bieten, das wirkliche Leben zu ergreifen, das Gott durch Jesus Christus ermöglicht. Und wie glücklich waren sie, als sich trotz der instabilen Verhältnisse im Land über 181 000 Personen zur jährlichen Feier des Abendmahls des Herrn versammelten! Sie haben wirklich mehr als genug Beweise, daß die Felder immer noch weiß sind zur Ernte (Joh. 4:35).

Zusammen mit ihrer weltweiten christlichen Bruderschaft setzen Jehovas Zeugen in Angola ihr unerschütterliches Vertrauen auf ihren himmlischen König und Führer, Jesus Christus, der schließlich triumphieren wird (Ps. 45:1-4; Offb. 6:2). Ganz gleich, welchen Prüfungen sie gegenüberstehen, sind sie fest entschlossen, sich als seine loyalen Diener und als treue Zeugen ihres liebevollen Gottes, Jehova, zu erweisen (Ps. 45:17).

[Herausgestellter Text auf Seite 68]

„Obwohl unsere körperliche Verfassung bedenklich ist, sind wir geistig stark. Was uns widerfährt, entspricht genau dem, was in ... [der Bibel] vorausgesagt wurde.“

[Herausgestellter Text auf Seite 73]

Sie studierten die Bibel und fingen an zu predigen. Bald darauf wurden sie nach Angola abgeschoben.

[Herausgestellter Text auf Seite 78]

„Schlimmstenfalls können Sie mich umbringen, mehr aber doch nicht, oder? Aber meinen Glauben werde ich nicht aufgeben.“

[Herausgestellter Text auf Seite 82]

Er war davon überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben. Doch wieviel bedeutete sie ihm?

[Herausgestellter Text auf Seite 85]

Im Gefängnis predigten sie den Wänden, ganz gleich, welches biblische Thema ihnen in den Sinn kam

[Herausgestellter Text auf Seite 89]

Überall wurde man an Krieg erinnert, trotzdem drängten die Brüder in ihrem Dienst voran

[Herausgestellter Text auf Seite 91]

Christliche Hirten schauten auf ihrem Weg von und zu der Arbeit regelmäßig bei ihren Brüdern herein. Oft lasen sie zusammen mit der Familie ein paar Bibeltexte.

[Herausgestellter Text auf Seite 96]

„Okay, dann sage ich halt ‚Viva!‘ “ Jeder war gespannt, was jetzt kommen würde. Schließlich rief der Junge: „Viva Jehova!“

[Herausgestellter Text auf Seite 103]

„Als ich von Angola abreiste, betete ich im stillen mit Tränen in den Augen und dachte an die Brüder, die trotz allem, was sie durchmachten, wegen ihrer wunderbaren Hoffnung noch ein Lächeln auf dem Gesicht hatten“

[Herausgestellter Text auf Seite 108]

Er hielt jede seiner Ansprachen zwischen 7- und 21mal. Die Wochen waren voll ausgefüllt und recht anstrengend.

[Herausgestellter Text auf Seite 111]

In dieser patriarchalischen Gesellschaft galt er als Familienhaupt. Er war als Mann Gottes bekannt.

[Herausgestellter Text auf Seite 116]

Als sie unter Druck gesetzt wurden, ihre christliche Neutralität aufzugeben, hielten sie unerschütterlich an ihrer Entscheidung fest, in Jehovas Wegen zu wandeln

[Herausgestellter Text auf Seite 124]

„Wie dankbar wir doch Jehova, seiner Organisation und unseren lieben Brüdern waren, die für Brüder ihr Leben riskiert hatten, die sie nicht einmal kannten!“

[Herausgestellter Text auf Seite 128]

Die strikte Neutralität der Zeugen Jehovas entging der Öffentlichkeit nicht

[Herausgestellter Text auf Seite 138]

Es gibt 696 Versammlungen, aber nur 24 Königreichssäle

[Karte/Bilder auf Seite 81]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Atlantischer Ozean

DEM. REP. KONGO

ANGOLA

Luanda

Malanje

Lobito

Benguela

Huambo

Lubango

Namibe

Baía dos Tigres

NAMIBIA

[Ganzseitiges Bild auf Seite 66]

[Bilder auf Seite 71]

Gray und Olga Smith

[Bild auf Seite 74]

John Cooke (Mitte) mit João Mancoca (rechts) und Sala Filemon (links) — sie gehörten zu den ersten, die in Angola für die wahre Anbetung entschlossen Stellung bezogen

[Bild auf Seite 87]

Begeisternder Kongreß im Jahr 1975, als es für kurze Zeit Freiheit gab

[Bild auf Seite 90]

Ein vom Krieg verwüstetes Land

[Bilder auf Seite 102]

Die „Küche“, wo die geistige Speise zubereitet wurde

[Bild auf Seite 104]

Silvestre Simão

[Bilder auf Seite 123]

Verladen von Hilfsgütern für Angola in Südafrika

[Bild auf Seite 126]

Oben: Besondere Zusammenkunft mit Ältesten und allgemeinen Pionieren in Luanda

[Bild auf Seite 126]

Douglas Guest (links) im Jahr 1991 in Angola — zusammen mit João und Maria Mancoca und Mário Oliveira

[Bild auf Seite 131]

Erstes Büro der Zeugen Jehovas in Luanda

[Bilder auf Seite 134]

Bezirkskongreß „Freudige Lobpreiser“ in Luanda mit 73 154 Anwesenden

[Bild auf Seite 139]

Eine Metalldachkonstruktion — einer der 24 Königreichssäle in Angola

[Bild auf Seite 140]

Zweigkomitee (von links nach rechts): João Mancoca, Steve Starycki, Silvestre Simão, Domingos Mateus, José Casimiro

[Bild auf Seite 140, 141]

Die angolanische Bethelfamilie im Jahr 1996, als das Zweigbüro seine Arbeit aufnahm

[Bilder auf Seite 142]

Einige der Bethelmitarbeiter, die ihren Glauben angesichts schwerer Mißhandlungen bewiesen hatten: (1) Antunes Tiago Paulo, (2) Domingos Kambongolo, (3) Justino César

[Bild auf Seite 147]

Carlos Cadi