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Kongo (Kinshasa)

Kongo (Kinshasa)

Kongo (Kinshasa)

„Wir sind wie die Körner in einem Sack Mais. Wohin man uns auch bringt, Korn für Korn — der Regen wird kommen und wir werden überall sprießen.“ Das sagte vor über 50 Jahren ein treuer Zeuge Jehovas, der im damaligen Belgisch-Kongo vonseiten staatlicher Stellen viel zu erdulden hatte. Wer die folgenden Seiten liest, wird begeistert sein, auf welche Weise Jehovas Segen wie ein erfrischender Regen im ganzen Kongo für ein erstaunliches Wachstum an Königreichsverkündigern gesorgt hat.

Dieses Land, die heutige Demokratische Republik Kongo, auch Kongo (Kinshasa) genannt, liegt im Herzen Afrikas. * Es zieht sich beiderseits des Äquators entlang und ist zum großen Teil mit herrlich grünen Wäldern bedeckt. In den riesigen Wäldern und Savannen des Landes ist eine ungeheure Vielfalt an wild lebenden Tieren beheimatet. Außerdem ist das Land reich an Naturschätzen. Deswegen ist es seit langem Brennpunkt des internationalen Interesses und ständiger Herd für Invasionen und Bürgerkriege.

Im Jahr 1885 wurde der Freie Kongostaat gegründet, dessen Souverän und alleiniger Besitzer der belgische König Leopold II. war. Für die Menschen im Kongo war das Leben jedoch alles andere als frei. Leopolds Leute plünderten das Elfenbein und den Kautschuk des Landes und setzten hierbei Zwangsarbeit und brutale Gewalt ein. Die europäischen Nachbarländer Belgiens waren darüber dermaßen entrüstet, dass Leopold schließlich ihrem Druck nachgeben musste. 1908 wurde der Freie Kongostaat abgeschafft. Daraus entstand dann eine vom belgischen Staat kontrollierte Kolonie mit Namen Belgisch-Kongo. 1960 wurde der Kongo unabhängig.

Die Kongolesen sind recht religiöse Menschen. Im Kongo wimmelt es von Kirchen, Priesterseminaren und theologischen Schulen. Hier begegnet man ohne weiteres Menschen, die viel aus der Bibel zitieren können. Wie auch in anderen Ländern war es trotzdem nicht einfach, das wahre Christentum einzuführen. Im Kongo war das eine Zeit lang sogar besonders schwer, weil man Jehovas Zeugen mit den Kitawala, einer religiösen Bewegung, verwechselte.

Ein Identitätsproblem

Der Begriff „Kitawala“ leitet sich von einem Wort in Suaheli ab, das „herrschen, dirigieren oder regieren“ bedeutet. Somit war das Ziel der Bewegung im Grunde politischer Natur — sie wollte die Unabhängigkeit von Belgien erwirken. Dieses Ziel konnte, so dachten manche, am besten unter dem Deckmantel der Religion erreicht werden. Fatalerweise besorgten sich die Kitawala-Gruppen Publikationen von Jehovas Zeugen, die sie studierten und in Umlauf brachten. An dem Ort, wo sie sich versammelten, hing ein Schild, auf dem „Watch Tower“ stand. Diese „Watch-Tower-Bewegungen“ waren in der Provinz Katanga im Südosten des Kongo gut bekannt, lange bevor Jehovas Zeugen im Kongo überhaupt Fuß gefasst hatten. Jahrzehntelang gingen die Leute davon aus, dass die Anhänger der Kitawala mit Jehovas Zeugen identisch waren. Das war natürlich nicht der Fall.

Die Kitawala verdrehten biblische Lehren, um eine Handhabe für ihre politischen Anschauungen, ihre abergläubischen Bräuche und ihre unmoralische Lebensweise zu haben. Sie weigerten sich, Steuern zu zahlen, und widersetzten sich den Kolonialherren. Einige Kitawala-Gruppen beteiligten sich auch an bewaffneten Aufständen gegen die Regierung. Es kam daher nicht von ungefähr, dass sie von der belgischen Regierung verboten wurden.

Im Jahr 1956 verfasste ein Bezirkskommissar von Belgisch-Kongo einen Zeitungsartikel, der Licht auf die Geschichte der Kitawala wirft. In dem Artikel ging es um Tomo Nyirenda, einen aus Njassaland (dem heutigen Malawi) stammenden Mann, der in Nordrhodesien (dem heutigen Sambia) lebte. Nyirenda hatte offensichtlich von jemand, der mit Bibelforschern * in Kapstadt Kontakt hatte, so manches über die Bibel erfahren. In dem Artikel konnte man lesen: „1925 nistete sich ... [Nyirenda] in Katanga [Kongo] ein ... und behauptete, er sei Mwana Lesa — ‚Sohn Gottes‘. Er nutzte die uralte abergläubische Furcht der Einheimischen aus, verhext zu werden, und versprach ihnen, wenn sie ihm folgten, würden sie nicht nur von den Hexern oder Zauberern befreit werden, sondern auch von allen Steuern und Gesetzen der bestehenden Gewalten, ob staatliche oder kirchliche. Wer sich seinem Gesetz nicht beugte, wurde der Hexerei bezichtigt, bewusstlos geschlagen und während einer Zwangs‚taufe‘ ertränkt. (Aus einem Fluss wurden einmal 55 Leichen gezogen.) Tomo wurde von einem stellvertretenden Dorfhäuptling angezeigt, aber es gelang ihm, zu fliehen und nach Rhodesien zurückzukehren. Da die rhodesischen Behörden bereits wegen mehrfachen Mordes nach ihm suchten, wurde er festgenommen, verurteilt und gehängt.“

Laut belgischen Quellen nahm die Kitawala-Bewegung im Kongo ihren Anfang mit dem Aufenthalt des so genannten Mwana Lesa in Katanga zwischen 1923 und 1925. Es dauerte Jahrzehnte, bis Zeugen Jehovas ins Land einreisen und dort bleiben durften.

Um dieses Identitätsproblem richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass es in Afrika jede Menge unabhängige Kirchen gibt. Manche schätzen, dass es Tausende solcher Gemeinschaften gibt. John S. Mbiti, Experte für afrikanische Religionen, schrieb: „[Ein] bedeutendes Problem für das Christentum in Afrika ist die große Zahl an Abspaltungen von den Großkirchen, die Vielzahl von Glaubensgemeinschaften, Gruppen und Sekten. Viele davon kommen aus dem Ausland. Aber noch weit mehr wurden von afrikanischen Christen selbst gegründet, teilweise weil sie nicht ewig von den ausländischen Missionaren bevormundet werden wollten, teilweise aus persönlichen Machtambitionen, teilweise weil sie ein Christentum wollten, in dem sich die afrikanische Kultur und afrikanische Probleme widerspiegelten, und aus vielen weiteren Gründen.“

Es gab also viele unabhängige Kirchen. Die meisten hatten sich von einer etablierten Kirche gelöst oder auch ein paar Lehren von ihr übernommen. Von daher war die Kitawala-Bewegung nichts Außergewöhnliches. Aber sie bot der Christenheit eine außergewöhnlich gute Chance, Jehovas Zeugen vom Kongo fern zu halten. Obwohl die Geistlichen sehr wohl wussten, dass die Kitawala mit den Zeugen nichts gemeinsam hatten, förderten sie ganz bewusst die falsche Meinung, dass die Kitawala und Jehovas Zeugen ein und dasselbe sind.

Die Kirchen waren in einer sehr einflussreichen Position, um diese Lüge zu verbreiten. Denn sie verfügten seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Belgisch-Kongo über große Macht und insbesondere die katholische Kirche hatte einen langen Arm. Jehovas Zeugen dagegen hatten im Land noch nicht Fuß fassen können, und die Geistlichkeit wollte, dass das auch so bleibt. Eifersüchtig wachten die Kirchen über alle, die zu ihrem Glauben übergetreten waren, und sie wollten keinesfalls, dass ihnen Jehovas Zeugen in die Quere kamen.

Aufstände, Revolten oder Stammeskonflikte unter Einheimischen wurden bequemerweise den Kitawala-Gruppen in die Schuhe geschoben, die oft auch als Watch-Tower-Bewegung tituliert wurden. Der Name „Watch Tower“ war für Beamte und Behörden schließlich ein rotes Tuch. Dadurch hatten es alle, die Jehova im Kongo dienen wollten, sehr schwer.

In den Jahrzehnten vor der Unabhängigkeit des Landes schrieben Zeugen Jehovas aus anderen Ländern wiederholt an Regierungsstellen im Kongo und erklärten ihnen, dass die Watch Tower Bible and Tract Society nicht das Geringste mit der Watch-Tower-Bewegung zu tun hatte. Doch viele Jahre lang brachten Regierungsbeamte die Aktivitäten dieser einheimischen religiösen Bewegung immer wieder mit der Tätigkeit von Jehovas Volk in Verbindung. Die Brüder bemühten sich wiederholt, doch meist vergeblich darum, dass Zeugen Jehovas in den Kongo einreisen konnten.

Da keine Zeugen Jehovas ins Land gelassen wurden, ist sehr wenig darüber bekannt, wie viele echte Zeugen Jehovas es damals im Kongo gab. Einige Aufzeichnungen von den Zweigbüros der umliegenden Länder geben allerdings ein eindrucksvolles Bild von dieser schwierigen Anfangszeit. Es folgen nun einige Auszüge aus den „Annalen“ des Kongo. Sie umfassen einen Zeitraum von 30 Jahren und sind mit ein paar Anmerkungen versehen.

Die „Annalen“ des Kongo (Auszüge aus den Jahren 1930 bis 1960)

1930: Wir [haben] Postbestellungen auf Literatur bis aus ... dem belgischen Kongo erhalten.

1932: Wir hoffen ..., dass es später möglich werden wird, Belgisch-Kongo und andere Teile Mittelafrikas zu bearbeiten, in denen das Zeugnis bisher noch nicht gegeben worden ist.

Von Mai 1932 an beantragte das Zweigbüro der Zeugen Jehovas in Südafrika bei den belgischen Behörden wiederholt die Einreiseerlaubnis für Vollzeitprediger. Die Anträge wurden stets abgewiesen. Da es zwischen dem Kongo und Nordrhodesien jedoch immer Ein- und Auswanderer gab, gelang es einigen Brüdern aus Rhodesien, in den Kongo hineinzukommen, wenn auch meist nur für kurze Zeit.

1945: Es [erfordert] Mut, im zuletzt erwähnten Gebiet [Belgisch-Kongo] für Gott und sein theokratisches Reich einzustehen. Nicht nur ist das Werk und die Literatur der Gesellschaft dort vollständig verboten, sondern Kongo-Afrikaner, die mit uns verbunden zu sein bekennen, können in ein gewisses Gebiet überführt werden, wo sie manchmal jahrelang wie in der Verbannung bleiben müssen. Briefe, die uns [in Nordrhodesien] vom Kongo geschickt werden, erreichen uns selten, und Postsachen, die wir dorthin senden, werden allem Anschein nach nicht abgeliefert. ... [Doch] wird alles, was möglich ist, getan, um unsern Mitverkündigern des Königreiches in diesem von Priestern beherrschten Lande beizustehen.

1948: Es gibt dort zwei Königreichsverkündiger, die dem Büro in Brüssel einige Berichte eingesandt haben. Wir hoffen, dass dieses riesige Gebiet eines Tages erschlossen werden wird, sodass dort die Botschaft vom Königreich wird verkündigt werden können.

1949: Jahrelang ist nun in diesem katholisch-beherrschten Gebiet das Werk unter den größten Schwierigkeiten weitergeführt worden. Früher zwangen die Priester manchmal jemand sogar, einen Klumpen Salz ohne Wasser zu essen als Strafe dafür, dass er ein Zeuge Jehovas war. Jetzt aber sind ihre Methoden denen der spanischen Inquisition ähnlicher, indem sie verlangen, dass die Regierung die niederträchtige Arbeit für sie verrichte. Seit Jahren sind afrikanische Verkündiger wegen ihres Zeugniswerkes zu Gefängnisstrafen von unbestimmter Dauer verurteilt worden, und um die Sache noch schlimmer zu machen, werden sie nach Kasaji, in ein besonderes Konzentrationslager, rund ... [450] Kilometer von Elisabethville [das heutige Lubumbashi] entfernt, verbracht. Hier arbeiten sie abgesondert auf einer kleinen Landparzelle, manchmal sogar getrennt von ihren Familien. ... Die Strafzeit kann sogar bis zu zehn Jahren ausgedehnt werden. Oft werden viele Jahre dieser Abgeschlossenheit erduldet ohne die geringste Hoffnung auf Freiheit oder Rechtsprechung, außer um den schrecklichen Preis des Aufgebens ihrer Lauterkeit.

Als Folge davon ist das Werk gleichsam ins Versteck getrieben worden; die Versammlungen werden im Geheimen abgehalten und der Ort der Zusammenkunft muss ständig gewechselt werden, um der Gefahr der Verhaftung zu entgehen. Ein großer Teil des Zeugnisses ist durch Vorsprechen bei bekannten Leuten und ihren Freunden, die als freundlich gesinnt gelten, erfolgt. Aber selbst dann geriet der eine oder andere unserer Brüder in Schwierigkeiten. Der Zeuge wird verhaftet und eilends nach dem Kasaji-Lager verbracht.

Um diese Zeit herum reiste Llewelyn Phillips vom Zweigbüro in Nordrhodesien nach Belgisch-Kongo, um sich dort für die verfolgten Brüder einzusetzen. Der Generalgouverneur und andere Regierungsbeamte hörten ihm zu, als er ihnen erklärte, worum es bei unserem Königreichspredigtwerk geht und was die Unterschiede zwischen den Glaubensansichten der Zeugen und der Kitawala sind. Im Lauf der Unterhaltung fragte der Generalgouverneur jedoch bedrückt: „Und was wird aus mir, wenn ich Ihnen helfe?“ Er wusste genau, dass die katholische Kirche im Land das Sagen hatte.

1950: Das vergangene Jahr ist das schwierigste seit je gewesen, und für die Brüder, die in Belgisch-Kongo leben, bedeutet das viel. Zu Beginn des Dienstjahres trafen nicht alle nach dem Gebiet gesandten Bücher und Briefe ein und die Mitteilungswege wurden ziemlich alle geschlossen. Als Nächstes verbot der Generalgouverneur [am 12. Januar] die Gesellschaft und verurteilte zu zweimonatiger Gefängnisstrafe und einer Buße von 2 000 Francs einen jeden, der sich mit der Gesellschaft versammelte, sie in irgendeiner Weise unterstützte oder deren Mitglied war. Dieser Entscheid wurde von der katholischen Presse mit Entzücken begrüßt. Eine Verhaftung folgte der andern. Listen, die vor einem Jahr bei einem früheren ... [Versammlungs]diener in Elisabethville weggenommen worden waren, wurden als Mittel benützt, um Hunderte mit der Gesellschaft Verbundene aufzuspüren, und sie wurden mit ihren Frauen verhaftet. Nachdem ihre Strafen vollzogen waren, wurden nordrhodesische Afrikaner ausgewiesen, die einheimischen Freunde aus dem Kongo jedoch wurden in vielen Fällen nach Kasaji geschickt, einem Konzentrationslager, 450 km von Elisabethville entfernt, wo sich noch jetzt ein Teil befindet. Einigen der abgeschobenen Brüder wurde ein Minimum an Nahrung gegeben, und sie wurden gezwungen, die letzten 28 km von Sakania nach der nordrhodesischen Grenze zu Fuß zu gehen.

Die Geheimpolizei ist kürzlich verstärkt worden, und der Besitz einer Bibel genügt, um jemanden in den Verdacht zu bringen, er sei einer von Jehovas Zeugen.

Soeben ist die Nachricht eingetroffen, dass zwei europäische Schwestern aus dem Bezirk von Elisabethville zu 45 Tagen Gefängnis ... verurteilt worden sind, weil sie im Besitze des Wachtturms waren und Zeugnis abgelegt hatten. [Die Gefängnisstrafe wird im Falle guter Führung (was natürlich bedeutet, keine Arbeit für den Herrn zu tun) zu drei Jahren Bewährung ausgesetzt.] Täglich sehen sie ihrer Landesverweisung entgegen.

1951: In zahlreichen Artikeln, die in den belgischen Zeitungen und Zeitschriften erschienen, wurden Jehovas Zeugen und die Watch Tower Society beschuldigt, mit der fanatischen Eingeborenenbewegung in Belgisch-Kongo, genannt „Kitawala“, verbunden zu sein. In Belgien sieht das Gesetz vor, dass, wenn auf einen in einer Zeitung oder Zeitschrift erschienenen Artikel geantwortet wird, die betreffende Zeitung oder Zeitschrift die Antwort veröffentlichen muss. Wir machten von diesem Recht Gebrauch, um das Königreichswerk gegen diese verleumderischen Artikel zu verteidigen, und unsere Antworten wurden veröffentlicht.

Seit dem ... [12.] Januar 1949 ist das Werk der Watch Tower Society in Belgisch-Kongo verboten, und treue Zeugen Jehovas hatten zufolge der falschen Berichte zu leiden. Beim Kolonialministerium wurden schriftliche Proteste eingereicht und genügend Beweise unterbreitet, dass die Zeugen Jehovas und die Watch Tower Society mit der umstürzlerischen „Kitawala“ in keinerlei Verbindung stehen; doch blieben diese Proteste unbeantwortet. ...

In Belgisch-Kongo wurden Kampfmittel wie Verdrehungen, Verfolgungen, Geldstrafen, Schläge, Gefängnisstrafen und Deportationen angewandt in der Absicht, das „Predigen des Wortes“ in diesem Lande gänzlich lahm zu legen.

1952: Auch in Zentralafrika gibt es einen „eisernen Vorhang“! Soweit Jehovas Zeugen betroffen sind, hängt er vor den Grenzen von Belgisch-Kongo. Das Verbot des Zeugniswerkes in diesem vorwiegend katholischen Lande hält unvermindert an.

Vereinzelte Berichte, die aus dem Lande heraussickern, erzählen von Ausweisungen, Haftstrafen, Schlägen und von großen Entbehrungen bei den afrikanischen Verkündigern. Vielerorts sieht es so aus, als würde immer mehr Gift gegen die Zeugen verspritzt. Wenn Einheimische beim Predigen erwischt werden oder auch nur im Besitz von Wachtturm-Publikationen sind, werden sie in Arbeitslager verbannt. Schon allein wenn jemand eine Bibel besitzt, nimmt man das als Indiz dafür, dass er Zeuge Jehovas ist.

Die Häuser der Brüder werden ständig beobachtet und häufig durchsucht. Ein Bruder schilderte diese Situation mit den Worten: „[Die Polizei in Belgisch-Kongo] kommt wegen uns überhaupt nicht zum Schlafen, denn sie ist ständig unterwegs und sucht einzig und allein nach Zeugen Jehovas. Die Lage ist jetzt schlimmer als je zuvor.“

Für den Monat August traf im Zweigbüro ein einziger Versammlungsbericht von 30 Verkündigern ein. Darunter stand als Fußnote der Text aus 1. Thessalonicher 5:25 (NW): „Brüder, betet weiterhin für uns.“

Wie schon gesagt, gingen hin und wieder afrikanische Zeugen aus Nordrhodesien in den Kongo. Wenn sie allerdings gefasst wurden, wanderten sie ins Gefängnis und wurden später ausgewiesen. Die meisten von ihnen waren zwar nur kurz im Gefängnis, aber einige Brüder mussten auch mehrere Jahre in Arbeitslagern zubringen. Ein Bruder verbrachte fast fünf Jahre in den verschiedensten Gefängnissen. Er wurde von den Wachen sehr oft geschlagen. Sie sagten ihm auch, solange er weiterpredige, würde er nicht freikommen.

Aus diesem Grund meinte unser treue Bruder im Jahr 1952: „Wir sind wie die Körner in einem Sack Mais. Wohin man uns auch bringt, Korn für Korn — der Regen wird kommen und wir werden überall sprießen.“ Das Zweigbüro der Zeugen Jehovas in Nordrhodesien schrieb dazu: „Die Körner aus dem Maissack sprießen zweifelsohne im ganzen Kongo trotz — oder besser gesagt gerade wegen — der Verfolgung der Brüder. Einmal erfuhr das Zweigbüro in Lusaka (Sambia) von mehreren hundert Personen, die mit den Zeugen im Raum Kolwezi verbunden sind. Doch jetzt hören wir, dass eine Vielzahl von ihnen in andere Teile des Kongo verfrachtet werden.“ Die Zerstreuung der Brüder führte dazu, dass an immer mehr Orten gepredigt wurde.

Während sich das Predigtwerk im Südosten des Landes etablierte, fasste die Wahrheit auch in Léopoldville (dem heutigen Kinshasa) Fuß, und zwar durch die Brüder aus Brazzaville, die bereits schnelle Fortschritte gemacht hatten und anderen eifrig von der Wahrheit erzählten. Einige dieser Brüder fuhren dann mit der Fähre über den Kongo und predigten in Léopoldville. Victor Kubakani und seine Frau waren die Ersten, die sich 1952 in Kinshasa taufen ließen. Nicht lange danach wurde eine Versammlung gegründet.

1953: Uns liegen Berichte vor, nach denen ungefähr 250 Brüder in den unterschiedlichsten Winkeln des Landes predigen, aber wahrscheinlich sind es viel mehr. Das Zeugnisgeben beschränkt sich auf ... [Rück]besuche und Heimbibelstudien, und zwar mit wenig oder ganz ohne Literatur, da die Brüder nie wissen, wann ihre Häuser durchsucht werden. Ein Bruder wurde von einem seiner so genannten Freunde verraten, weil er zwei Broschüren besaß. Er wurde zu zwei Monaten Haft im Zentralgefängnis in Elisabethville verurteilt.

1954: In Belgisch-Kongo ist die Gesellschaft und die Tätigkeit von Jehovas Zeugen nach wie vor durchweg verboten. ... Treue Zeugen setzen ihre Tätigkeit jedoch in den Gefängnissen fort und predigen anderen Häftlingen, die sich mit Bleistiftstummeln auf Papierschnitzeln Notizen machen, um später alles in der Bibel, die ihnen das Gefängnis zur Verfügung stellt, nachzuprüfen. Sicher ist das der Grund dafür, warum Jehovas Zeugen in manchen Gefängnissen von den anderen Häftlingen getrennt werden.

Nicht nur die Tätigkeit der Zeugen Jehovas, sondern auch die Aktivitäten der Kitawala wurden verboten. Die gesamte biblische Literatur, die ins Land kam, wurde beschlagnahmt. Und ging den Beamten doch einmal die eine oder andere Publikation durch die Lappen, wurde sie manchmal von den Kitawala abgefangen und für deren Interessen zweckentfremdet. Sowohl Zeugen Jehovas als auch Anhänger der Kitawala wurden verhaftet, geschlagen und in Konzentrationslager gebracht. Jesus erklärte jedoch einst: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mat. 7:16). Die Kolonialbehörden beobachteten das gute Verhalten der Brüder und merkten, dass sie anders waren als die Kitawala.

1955: Das Verbot in diesem Land hält an, und die Aussichten sind gering, dass es in der nahen Zukunft aufgehoben wird. Doch das dämpft den Eifer derer, die Jehova lieben und ihm dienen, nicht. Trotzdem im vergangenen Jahr so viele Brüder inhaftiert oder ausgewiesen wurden, legen sie nicht die Hände in den Schoß.

Unter den gegebenen Umständen ist es nicht möglich, von Haus zu Haus zu predigen, deshalb werden ... [Rück]besuche und Heimbibelstudien durchgeführt. Die Verkündiger einer Versammlung schreiben, dass sie gern die gute Botschaft öffentlich verkündigen würden, aber sie wüssten nicht, ob Jehova es ihnen in ihrem Land noch vor der Schlacht von Harmagedon ermöglichen würde, von Haus zu Haus zu predigen.

1957: Das Werk ist im letzten Jahr zweifelsohne stärker in den Blickpunkt gerückt als je zuvor, besonders, was Regierungsbeamte und die Presse angeht. Im November sprach Bruder [Milton G.] Henschel direkt bei der Regierung von Belgisch-Kongo in Léopoldville vor und übergab dort eine Petition, in der darum gebeten wurde, das Verbot der Gesellschaft und von Jehovas Zeugen aufzuheben. Auf diesen ersten Vorstoß folgte ein weiterer Besuch in Léopoldville. Außerdem wurde man bei Vertretungen in New York und Brüssel vorstellig. Später besuchte ein Afrikaexperte aus Belgien das Zweigbüro in Nordrhodesien. Damit bot sich die Gelegenheit, unser Werk und unsere Botschaft ausführlich zu erklären.

Das Verbot ist nach wie vor in Kraft, und die Brüder in Belgisch-Kongo können nur unter großen Schwierigkeiten predigen. Zweihundertsechzehn versammelten sich zur Gedächtnismahlfeier, wenn auch in kleinen Gruppen.

1958: Obwohl es immer noch verboten ist, die gute Botschaft zu predigen, und Brüder inhaftiert werden, konnte die Königreichsbotschaft im vergangenen Jahr mit zunehmendem Erfolg verkündet werden.

1959: Zum ersten Mal hat man den Brüdern mündlich die Genehmigung gegeben, Zusammenkünfte abzuhalten, obwohl das gesetzliche Verbot des Werkes noch nicht aufgehoben worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war es nicht möglich gewesen, Zusammenkünfte abzuhalten, und man hatte sich bis dahin nur in kleinen Gruppen in den Häusern der Brüder zum Bibelstudium versammelt. Doch jetzt organisierten die Brüder schnell ihre erste richtige Zusammenkunft — das Gedächtnismahl. Die fünf Versammlungen in Léopoldville zählten insgesamt 1 019 Anwesende. Außenstehende staunten nicht schlecht — zum einen, weil überhaupt Zusammenkünfte stattfanden, zum anderen, weil unter den Brüdern eine solche Freude und christliche Verbundenheit herrschte. Etlichen war von da an völlig klar, dass sich diese Gemeinschaft von den anderen Religionen unterschied, weil Jehovas Zeugen „wirklich Liebe untereinander haben“.

Es war nicht gleich möglich, Missionare in den Kongo zu senden, aber am 10. Juni 1958 kam ein Erlass heraus, der Jehovas Zeugen gestattete, „in Räumen oder Sälen zusammenzukommen“. Die Brüder waren überglücklich, dass sie sich nun frei versammeln konnten. Manchmal kamen Sicherheitsbeamte zu den Zusammenkünften und sprachen sich anerkennend über das gute, gesittete Benehmen der Brüder aus.

Es gab noch mehr positive Entwicklungen. Bis 1956 waren alle Schulen von religiösen Organisationen finanziert worden. Doch dann führte ein neuer, liberaler Kolonialminister staatliche Schulen ein und rief zu einer toleranteren Haltung gegenüber Minderheiten auf. Allmählich wurden Jehovas Zeugen auch nicht mehr so oft mit den Kitawala verwechselt, denn die Beamten sahen die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Ein erfrischender kleiner Regenschauer war auf die verstreuten Samenkörner gefallen. Überall stellten sich Menschen auf Jehovas Seite.

In dieser Zeit nahm ein Gemeindevorsteher mehrere Zeugen fest und brachte sie vor einen Verwaltungsbeamten mit Richterfunktion, damit sie verurteilt würden. Der Verwaltungsbeamte fragte den Gemeindevorsteher, was die Leute denn angestellt hätten. Der Mann wusste nichts darauf zu antworten. Daraufhin hielt ihm der Verwaltungsbeamte eine gehörige Standpauke, ließ die Brüder frei und ordnete an, dass sie nach Hause gefahren wurden.

1960: Mit dem Werk in Belgisch-Kongo ist es im letzten Jahr wunderbar vorangegangen. Trotz der Schwierigkeiten in jenem Land und trotz des Umstandes, dass das Werk im Prinzip unter Verbot weitergeführt wird, konnten sich die Brüder regelmäßig in Königreichssälen versammeln.

Besonderer Höhepunkt war ein Ereignis zur Gedächtnismahlzeit in der Hauptstadt Léopoldville. Die sechs ... [Versammlungen] in jener Stadt planten für den Sonntag einen öffentlichen Vortrag und waren begeistert, als 1 417 Personen zu dieser Zusammenkunft kamen. Einer der ... [Aufseher] schrieb damals: „Wir haben uns sehr gefreut, denn das war unser erster Vorstoß in diese Richtung; Jehovas Engel hatten sich rings um uns gelagert.“

Die „Annalen“ des Kongo, wie sie von den benachbarten Zweigbüros aufgezeichnet wurden, liefern wirklich ein einprägsames Bild davon, was in diesen 30 Jahren im Kongo so vor sich ging. Aber wie ging es dann weiter?

Die Unabhängigkeit des Landes steht ins Haus

Ende der 50er Jahre war das Königreichspredigtwerk im Kongo, das vom Zweigbüro in Nordrhodesien betreut wurde, also offiziell geduldet, wenn auch noch nicht anerkannt. In der Zwischenzeit traten neue Probleme und Unsicherheitsfaktoren auf. Der Nationalismus und der Widerstand gegen die Kolonialmacht hatten stark zugenommen. Im Januar 1959 plünderten Aufständische die Läden in Léopoldville und brannten sie nieder. Sie raubten auch Kirchen aus und warfen Götzenbilder auf die Straßen. Daraufhin wurde eine Konferenz belgischer Vertreter mit Repräsentanten der kongolesischen politischen Parteien einberufen. Dort setzte man ein Datum für die Unabhängigkeit des Landes fest: den 30. Juni 1960. Natürlich hatte sich kein einziger Zeuge Jehovas an den Krawallen beteiligt.

Im ganzen Land entstanden politische Parteien. Ihre Anhänger verband oftmals nicht so sehr ihre gemeinsame politische Überzeugung, sondern eher die Stammeszugehörigkeit. Die Brüder wurden enorm unter Druck gesetzt, Parteimitgliedskarten zu kaufen. Pierre Mafwa, der damals erst ein Jahr getauft war, erzählte: „Im Juni 1960 war ich an einem Samstagmittag auf dem Heimweg von der Arbeit. Als ich am alten Flughafen von Léopoldville vorbeilief, kam ein Mann mit einem Schwert auf mich zu. ‚Wo ist deine Parteikarte?‘, fragte er schroff. Ich gab ihm keine Antwort. Plötzlich schlug er mir mit dem Schwert ins Gesicht und verletzte mir dabei die Nase. Er schlug immer weiter mit dem Schwert auf mich ein. Ich versuchte wegzulaufen, aber ich fiel hin. Ich betete zu Jehova und bat ihn, sich in der Zeit der Auferstehung an mich zu erinnern, damit ich meine Frau und meine sechs Kinder wiedersehen könnte. Nach diesem Stoßgebet hörte ich Schüsse. Soldaten hatten den Mann, der mich beinahe ermordet hätte, mit einem Knieschuss zu Boden gestreckt. Ein Polizist brachte mich zur Behandlung ins Krankenhaus. Bibelverse machten mir großen Mut.“

Die ersten Missionare kommen ins Land — ein Zweigbüro wird eröffnet

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man sich ja wiederholt umsonst bemüht, Zeugen Jehovas aus dem Ausland in den Kongo zu senden. Doch jetzt wendete sich das Blatt in der Politik, und dadurch öffnete sich für Ernest Heuse jr. eine Tür, ins Land zu kommen.

Bruder Heuse kam aus Belgien, war groß und stämmig und hatte schwarzes welliges Haar. Er war ein furchtloser Mensch, aber ihm war sehr wohl bewusst, dass das Leben im Kongo für ihn, seine Frau Hélène und seine 11-jährige Tochter Danielle nicht einfach werden würde. Ernest brachte jedoch genau die Erfahrung mit, die für das, was vor ihm lag, nötig war: Er war 1947 ins Brüsseler Bethel gegangen. Ein Jahr später heiratete er und ging mit seiner Frau in den Pionierdienst. Anschließend erhielt er die Aufgabe, mit Juristen und Beamten in Belgien Kontakt aufzunehmen und ihnen eine speziell ausgearbeitete Broschüre zu übergeben, die die Unterschiede zwischen den Kitawala und Jehovas Zeugen abhandelte. Schließlich wurde er Kreisaufseher.

Ernest versuchte mehrmals, Papiere für die Einreise in den Kongo zu erhalten. Er wandte sich mit seiner Bitte sogar direkt an den belgischen König. Aber er erhielt keine Genehmigung. Stattdessen kam sein Name auf die Liste der Personen, die im Kongo „unerwünscht“ waren.

Doch Ernest ließ nicht locker. Er reiste nach Afrika und versuchte, über die Nachbarländer in den Kongo zu kommen. Nichts klappte. Schließlich bekam er ein Visum für die Einreise nach Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo. Von da aus fuhr er mit der Fähre über den Kongo nach Léopoldville. Seine Ankunft dort löste bei den Dienst habenden Beamten heftige Diskussionen aus. Manche sagten, man dürfe ihm kein Visum geben, weil sein Name auf der Liste der unerwünschten Personen stehe. Einer der Beamten, Cyrille Adoula, der später Premierminister wurde, meinte dann, er habe schon öfter mitbekommen, dass Ernest versucht hätte, in den Kongo einzureisen. Und er schlussfolgerte, wenn die frühere Kolonialmacht Heuse nicht mochte, musste er ein Freund des Kongo sein. Ernest erhielt zunächst ein Touristenvisum und dann eine Daueraufenthaltsgenehmigung. Somit hatten Jehovas Zeugen im Mai 1961 einen Vertreter im Kongo, der das Werk des Jüngermachens beaufsichtigen konnte.

Ernest ließ Hélène und Danielle nachkommen, und ab September besuchte Danielle die Schule in Léopoldville. Am 8. Juni 1962 wurde dann in der Hauptstadt das erste Zweigbüro gegründet. Das Büro und die Zimmer befanden sich in einer Wohnung im dritten Geschoss in der Avenue van Eetvelde (heute die Avenue du Marché). Aus Platzmangel wurde die Literatur woanders in einem Lager aufbewahrt. Das war zwar nicht ganz ideal, aber angesichts der akuten Wohnungsnot die beste Lösung.

Bruder Heuse machte sich direkt ans Werk. Er lieh sich einen Projektor und den Film Die glückliche Neue-Welt-Gesellschaft vom Zweigbüro in Brazzaville und führte ihn den Versammlungen in Léopoldville sowie einigen Regierungsbeamten vor. Sowohl für die Brüder als auch für Interessierte war es eine regelrechte Offenbarung, zu sehen, dass es eine internationale Bruderschaft von Zeugen Jehovas gibt, die in Frieden und Glück zusammenlebt. Sie waren verblüfft, als sie sahen, dass ein schwarzer Bruder Europäer taufte. Dem Bürgermeister von Léopoldville gefiel der Film derartig gut, dass er sagte: „Diese Arbeit [von Jehovas Zeugen] sollte man mit aller Kraft fördern.“ 1 294 Personen besuchten die ersten vier Filmvorführungen.

Für die Brüder war es nach so vielen Jahren des Wartens eine große Freude, endlich jemand als Stütze an ihrer Seite zu haben. Zuvor hatten sie die europäischen Brüder nur mit Namen gekannt. Manche hatten sich sogar gefragt, ob es sie wirklich gibt, zumal die belgischen Behörden behaupteten, es gäbe keine Zeugen Jehovas in Belgien. Doch nun war Bruder Heuse in ihrer Mitte. Die Brüder waren begeistert!

Die Wahrheit praktizieren — nicht immer leicht

Es war ein großes Stück Arbeit, den Brüdern zu helfen, die Wahrheit in ihrem Leben zu praktizieren. Zum Beispiel herrschten Rivalitäten zwischen den Stämmen, und manche Versammlungsaufseher wechselten mit anderen Aufsehern kein Wort. Wurde jemand in einer Versammlung, in der ein bestimmter Stamm stark vertreten war, ausgeschlossen, konnte es sein, dass Älteste einer anderen Versammlung, die sich hauptsächlich aus seinen eigenen Stammesgenossen zusammensetzte, dies völlig ignorierten. Entscheidungen, die in einer Versammlung getroffen wurden, waren für eine andere Versammlung nicht bindend. Die Sitten und Bräuche des Stammes bestimmten den Alltag, und das Denken in Stammeskategorien schwappte auch auf die Versammlungen über.

Die Stammesbräuche brachten noch andere Probleme mit sich. Bei manchen Stämmen heirateten ein Mann und eine Frau nur aus Treue zu ihrem Stamm. Im Allgemeinen hatten sie kein enges Verhältnis zueinander. Die Ehe wurde meist als Stammesangelegenheit angesehen. Waren Angehörige des Stammes mit einer Ehe nicht einverstanden, konnten sie den Mann dazu zwingen, sich von seiner Frau zu trennen und sich eine andere zu nehmen — und zwar eine, die ihnen passte.

Der Tod des Ehemanns konnte katastrophale Folgen haben. Oftmals nahm dann seine Familie alles im Haus an sich und ließ Frau und Kinder mittellos zurück. Bei manchen Stämmen machte man den Ehemann für den Tod seiner Frau verantwortlich, und die Familie der Frau verlangte dafür Geld von ihm.

Und es gab noch mehr Probleme. Bis heute glauben viele Menschen im Kongo, dass niemand eines natürlichen Todes stirbt. Deswegen werden beim Begräbnis Zeremonien abgehalten, durch die die Person identifiziert werden soll, die vermeintlich am Tod schuld ist. Beispielsweise werden dem Betreffenden die Haare abrasiert und viele andere Bräuche praktiziert. Bei manchen Stämmen wird die Frau nach dem Tod ihres Mannes von einem männlichen Mitglied ihres Stammes „geläutert“, indem er Sex mit ihr hat. Während einer Trauerfeier spricht man oft mit dem oder der Toten, weil man glaubt, dass die Seele oder der Geist weiterlebt. Wenn man von diesen tief verwurzelten Bräuchen hört, kann man sich gut vorstellen, vor welchen Problemen jeder stand, der Gott auf die richtige Weise anbeten wollte. Und so manche, die behaupteten, wahre Christen zu sein, hielten noch an einem Teil dieser Bräuche fest und versuchten sogar, sie in die Christenversammlung einzuführen.

Benötigt wurden couragierte, geradlinige Aufseher, die reinen Tisch machten. Wer Jehova liebte, lernte gern von ihnen und änderte alles, was zu ändern war. Allerdings war es sehr mühsam, mit den tief verwurzelten Irrtümern derer aufzuräumen, die sich einbildeten, die Wahrheit schon zu kennen. Das größte Problem war aber nach wie vor, dass die Leute Jehovas Zeugen mit den Kitawala verwechselten.

Als sich im Land herumsprach, dass ein Zweigbüro gegründet worden war, baten viele Gruppen von Brüdern darum, als Versammlung anerkannt zu werden. Auch Kitawala-Gruppen baten darum. In einem Bericht heißt es: „Manche kamen aus 2 300 Kilometer Entfernung mit langen Listen, auf denen die Namen aller notiert waren, die als Zeugen Jehovas gelten wollten. Diese Listen standen manchmal auf einem 70 × 90 Zentimeter großen Blatt Papier, und mitunter fanden sich die Namen aller Einwohner von zwei bis drei Dörfern darauf.“

Bevor man Einzelne oder ganze Gruppen als Zeugen Jehovas anerkennen konnte, musste man herausfinden, wer zu den echten Christen gehörte und wer zu den Kitawala. Bruder Heuse schickte reife Brüder ins Land, um das zu überprüfen. Das Ganze dauerte Jahre. Was erlebten einige dieser treuen Brüder dabei?

Den Kitawala entgegentreten

Im Jahr 1960 wurde Pontien Mukanga, ein schmächtiger Bruder mit einem sanften Wesen, der erste Kreisaufseher im Kongo. Nachdem er in Kongo (Brazzaville) geschult worden war, besuchte er die Versammlungen in Léopoldville und einige abgelegene Gruppen im Umkreis. Doch ihm stand eine weit schwierigere Aufgabe bevor: den Kitawala entgegenzutreten.

Eine seiner ersten Reisen unternahm Bruder Mukanga nach Kisangani (das damals Stanleyville hieß), mehr als 1 600 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Wieso die weite Reise? Ein Europäer hatte Bruder Heuse im Predigtdienst ein Foto gezeigt, das unmittelbar nach der Unabhängigkeit in Stanleyville aufgenommen worden war. Auf dem Foto sah man ein großes Schild am Bahnhof, auf dem eine geöffnete Bibel abgebildet war und die Aufschrift stand: „Watch Tower Bible and Tract Society — Internationale Bibelforscher-Vereinigung — Kongolesische Religionsgemeinschaft der Kitawala — Lang lebe Patrice E. Lumumba — Lang lebe Antoine Gizenga — Lang lebe die MNC-Regierung [Kongolesische Nationalbewegung]“. Ganz offensichtlich missbrauchten die Kitawala in Kisangani die Namen der gesetzlichen Körperschaften von Jehovas Zeugen.

Gab es in Kisangani echte Zeugen Jehovas? Das herauszufinden war Bruder Mukangas Auftrag. Das Zweigbüro wusste einzig und allein von einem gewissen Samuel Tshikaka, der in Bumba die Wahrheit kennen gelernt hatte und 1957 nach Kisangani zurückgekehrt war. Samuel hatte mit keiner der Kitawala-Gruppen irgendetwas zu tun und wollte Bruder Mukanga nach besten Kräften unterstützen. Bruder Mukanga schrieb später: „Samuel und ich fingen an, die Leute zu überprüfen, die sich Watch Tower nannten. Wir gingen zu einem Prediger, der uns einiges über seine Gruppe erzählte. Dabei erfuhren wir, dass manche der Gruppen zwar die Bibel verwendeten, aber alle durchweg an die unsterbliche Seele glaubten. Sie predigten Liebe und verstanden darunter Frauentausch.

Kurz nach meiner Ankunft versuchte die Polizei die Kitawala in der Stadt zu verhaften. Die Kitawala setzten sich zur Wehr. Daraufhin forderte die Polizei Soldaten zur Verstärkung an. Viele der Kitawala wurden getötet. Am nächsten Tag kam ein Boot voll mit Leichen und Verwundeten von der anderen Seite des Flusses. Der Sekretär des Predigers war auch dabei, und weil ich ja zwei Tage zuvor ihren Prediger besucht hatte, erkannte er mich wieder. Er beschuldigte mich völlig zu Unrecht, sie angezeigt zu haben, und machte mich für den Tod aller verantwortlich, die bei den Kämpfen umgekommen waren. Er hetzte seine Kitawala-Freunde auf, mich keinesfalls davonkommen zu lassen. Aber ich schaffte es, zu fliehen, bevor ich ihnen in die Hände fiel.“

Als die Zeitungen in Belgien über diese Vorfälle berichteten, überschrieben sie den Artikel mit der Schlagzeile: „Kämpfe zwischen Jehovas Zeugen und der Polizei“. Aber die kongolesischen Behörden — die nun den Unterschied zwischen den Kitawala und Jehovas Zeugen kannten — stellten die Vorfälle korrekt dar. Keine einzige Zeitung im Kongo behauptete, die Zeugen seien darin verwickelt gewesen.

Was ist aus Samuel Tshikaka geworden? Er ist nach wie vor in der Wahrheit und dient als Ältester in der Versammlung Kisangani Tshopo-Ost. Momentan gibt es in Kisangani 22 Versammlungen mit 1 536 Verkündigern. Samuels Sohn Lotomo ist Kreisaufseher, so wie es Pontien Mukanga seinerzeit, vor rund 40 Jahren, war.

Ein Kreisaufseher, der klare Verhältnisse schafft

François Danda tat als Kreisaufseher ebenfalls viel dafür, dass man den Unterschied zwischen den Zeugen und den Kitawala erkannte. Er erklärt: „Das war eine schwere Zeit und es herrschte große Verwirrung. Die Kitawala hatten an ihren Versammlungsstätten immer ein Schild in Englisch mit der Aufschrift ‚Watch Tower‘ hängen. In allen unseren Publikationen, egal in welcher Sprache, sieht man im Impressum den Namen ‚Watch Tower‘. Stellt euch jetzt mal vor, jemand liest unsere Publikationen und macht sich nun auf die Suche nach Gottes Volk. Er findet eine Versammlungsstätte mit dem Schild ‚Königreichssaal der Zeugen Jehovas‘ in der Landessprache und dann eine andere Versammlungsstätte mit dem Schild ‚Watch Tower‘ in Englisch. Wo wird er wohl hingehen? Ihr seht schon, das war wirklich verwirrend.

Viele Brüder hatten keine gute Bibelkenntnis und es gab nur wenige Publikationen. Die Versammlungen vermischten die Wahrheit oft mit den Lehren der Kitawala, vor allem, was die Heiligkeit der Ehe anging. In einer Stadt, die ich besuchte, dachten die Brüder, der Text in 1. Petrus 2:17, ‚Habt Liebe zur ganzen Bruderschaft‘, bedeute, dass die Schwestern in der Versammlung für jeden Bruder zu haben wären. Wenn eine verheiratete Schwester von einem anderen Bruder schwanger wurde, nahm der Ehemann das Kind als sein eigenes Kind an. Wie im ersten Jahrhundert hatten ‚die Ungelehrten und Unbefestigten‘ die Schriften verdreht (2. Pet. 3:16).

In meinen Vorträgen erklärte ich den Brüdern klipp und klar, was die Bibel über Jehovas Maßstäbe — auch zum Thema Ehe — zu sagen hat. Ich sagte, dass es zwar so manches gäbe, was wir nach und nach geduldig geradebiegen müssten, aber das mit dem Partnertausch würde nicht in diese Kategorie fallen. Wie gut, dass die Brüder die biblische Erklärung dann richtig verstanden und akzeptiert haben! Sogar einige von den Kitawala nahmen in dieser Stadt die Wahrheit an.“

Dank der Bemühungen von Bruder Mukanga und Bruder Danda und vielen anderen wie sie ist den Menschen im Kongo klar geworden, dass Jehovas Zeugen anders sind als die Kitawala. Heute bringt niemand mehr die „Kitawala“ mit dem Begriff „Watch Tower“ in Verbindung. Es gibt sie zwar noch, aber sie sind nicht mehr so im Vordergrund und so einflussreich wie früher. In vielen Gegenden sind sie völlig unbekannt.

Mehrung durch bessere Organisation

Ende des Dienstjahrs 1962 waren im gesamten Kongo mehr als 2 000 Verkündiger eifrig für Jehova im Einsatz. Doch nur wenige Brüder brachten die in der Bibel genannten Erfordernisse für Aufseher mit. Zum einen konnten manche, vor allem Ältere, nicht lesen und schreiben. Zum anderen waren die Traditionen und Bräuche für viele eine gewaltige Hürde und sie richteten sich deshalb nur zögerlich nach Gottes gerechten Maßstäben aus. Außerdem musste jeder, der mit den Kitawala verbunden war, Jahre warten, bevor ihm in der Versammlung Verantwortung übertragen wurde.

Mit der Zeit formten die gute biblische Belehrung und der Geist Jehovas die Brüder jedoch so gut, dass sie verantwortungsvolle Aufgaben in den Versammlungen übernehmen konnten. Der Mut von Kreisaufsehern und Pionieren war für die Brüder im ganzen Land ein großer Ansporn, und sie lernten viel von ihnen. In dieser Zeit kamen Kreisaufseher und Sonderpioniere, die in Sambia geschult worden waren, sogar nach Katanga und in den Süden Kasais hinein, obwohl in diesen Regionen der Bürgerkrieg tobte.

Nach der Unabhängigkeit folgen Jahre der religiösen Toleranz

Die Regierung hatte ja 1958 einen Erlass herausgegeben, der den Brüdern ein gewisses Maß an Religionsfreiheit schenkte. Anfang der 60er Jahre beantragten die Brüder mehrfach die offizielle Anerkennung. Sie wollten von der Regierung keine Subventionen oder sonstige finanzielle Unterstützung. Aber sie wollten gern die Anerkennung, um die gute Botschaft ungestört predigen zu können. Das war auch dringend nötig, denn in manchen Gegenden gingen staatliche Stellen gegen die Brüder gewaltsam vor. Versammlungsstätten wurden niedergebrannt und Brüder geschlagen, verhaftet und eingesperrt. Legten die Brüder beim Justizministerium Beschwerde ein, bekamen sie als Standardantwort zu hören: „Tut uns Leid, aber da Sie nicht rechtlich anerkannt sind, können wir nichts für Sie tun.“

Verschlimmert wurde das noch durch die chaotischen Zustände im Landesinneren. In einigen Teilen des Landes wurde die Machtbefugnis der Zentralregierung nicht anerkannt. Mancherorts genügte einfach ein Brief vom Zweigbüro, damit die Brüder aus dem Gefängnis freikamen. Doch an den Orten, wo Jehovas Zeugen heftig bekämpft wurden, konnte man nur wenig ausrichten, um die Brüder vor Verfolgung und dem Gefängnis zu bewahren.

In Kinshasa blies den Brüdern nicht so ein scharfer Wind ins Gesicht. Früher waren sie hier im größeren Rahmen nur zu Hochzeiten oder Beerdigungen zusammengekommen. Doch für 1964 plante das Zweigbüro in der Hauptstadt zwei Kreiskongresse. Für die meisten Brüder würde das der erste Kongress in ihrem Leben sein. In speziellen Zusammenkünften wurden die Brüder darin geschult, wie man Kongressvorträge hält und Kongressabteilungen organisiert.

In ihrer Begeisterung erzählten die Brüder überall von dem Kongress. Dadurch kam das auch dem Gouverneur der damaligen Provinz Léopoldville zu Ohren. Dieser Mann konnte Jehovas Zeugen allerdings nicht leiden und setzte einen Brief auf, der vervielfältigt und an die Ämter weitergeleitet werden sollte. In dem Brief wurden die Behörden angewiesen, jeden Zeugen, der beim Predigen erwischt wird oder der sich mit anderen zum Gottesdienst versammelt, zu verhaften. Zufällig bekam ein Bruder die Aufgabe übertragen, diesen Brief zu vervielfältigen. Es war jedoch nur noch sehr wenig Papier auf Lager, und er wusste, dass die Läden in Léopoldville ausverkauft waren. Als ihn sein Vorgesetzter nach den Kopien des Briefs fragte, zeigte ihm der Bruder die leeren Regale — kein Papier!

Inzwischen beteten die Brüder wegen dieser Situation inständig zu Jehova. Wie ging die Sache aus? Die Regierung beschloss plötzlich die Bildung einiger neuer Provinzen, und gerade die Provinz des Gouverneurs, der gegen uns war, wurde aufgelöst! Viele hatten es im Lauf der Jahre auf Gottes Volk abgesehen und versuchten, es zu vernichten. Aber ihre Versuche scheiterten (Jes. 54:17).

Weitere Missionare kommen ins Land

In den 60er Jahren nutzte die Organisation die Gelegenheit und schickte Missionare in den Kongo. In Kinshasa wurde ein kleines Missionarheim gegründet und im März 1964 kamen Julian und Madeleine Kissel aus Kanada hier an. Sie dienen heute, vierzig Jahre später, noch immer treu in der Bethelfamilie in Kinshasa.

Manche Missionare, die Ende der 60er Jahre in den Kongo kamen, leben mittlerweile in anderen Ländern. 1965 wurden Stanley und Bertha Boggus in den Kongo geschickt. Zuvor waren sie auf Haiti gewesen. Bruder Boggus war reisender Aufseher und kehrte 1971 aus Gesundheitsgründen in die Vereinigten Staaten zurück. Ende 1965 schlossen sich Michael und Barbara Pottage den Missionaren im Kongo an. Zurzeit sind sie im Bethel in Großbritannien. William und Ann Smith kamen 1966 in den Kongo; sie predigten hauptsächlich in Katanga. Wegen des Verbots wurden sie 1986 nach Kenia geschickt. Manfred Tonak aus Deutschland, der die 44. Gileadklasse absolviert hatte, war im Kongo als reisender Aufseher unterwegs. Als das Werk verboten wurde, kam er nach Kenia. Heute ist er der Koordinator des Zweigkomitees in Äthiopien. 1969 absolvierten Dayrell und Susanne Sharp die 47. Gileadklasse und gingen dann in den Kongo. Nach ihrer Ausweisung aus dem Kongo kamen sie nach Sambia. Seitdem sind sie in Lusaka im Bethel. Andere Missionare wurden in weitere Länder Westafrikas geschickt. Darunter waren auch Reinhardt und Heidi Sperlich, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen — eine Tragödie, die bei allen, die sie kannten, tiefe Trauer auslöste.

Im Jahr 1966 wurde das erste Missionarheim außerhalb Kinshasas eröffnet, und zwar in Lubumbashi, im Südosten des Landes. Später kamen in Kolwezi, nordwestlich von Lubumbashi, und in Kananga (dem damaligen Luluabourg) in der Region Kasai weitere Missionarheime hinzu. Die Anwesenheit der Missionare im Land hatte auf die Brüder eine sehr stabilisierende Wirkung und half ihnen, die Wahrheit wirklich zu leben. In Kasai herrschten unter den Brüdern zum Beispiel nach wie vor Stammesrivalitäten. Da die Missionare zu keinem Stamm gehörten, waren sie in einer guten Ausgangsposition, um bei Problemen zu vermitteln und Rechtsfälle unparteiisch zu behandeln.

Zwischen 1968 und 1986 dienten über 60 Missionare in verschiedenen Regionen des Landes. Manche hatten die Wachtturm-Bibelschule Gilead in den Vereinigten Staaten besucht, andere die Außenstelle der Gileadschule in Deutschland. Außerdem kamen französischsprachige Pioniere auf direktem Weg als Missionare in den Kongo. Viele lernten einheimische Sprachen und alle strengten sich mit ganzer Kraft an, die Menschen mit der guten Botschaft vom Königreich zu trösten.

Wie die Königreichssäle in den 60er Jahren aussahen

In den größeren Städten fanden die Zusammenkünfte in der Regel in Gebäuden statt, die seitlich offen waren. Das war bei der Hitze und der extremen Feuchtigkeit genau das Richtige; zudem wurden die Zusammenkünfte zumeist abends oder morgens abgehalten, wenn es kühl war. Und solange es nicht regnete, war das alles kein Problem. In der Regenzeit mussten die Zusammenkünfte allerdings oft auf einen anderen Tag verschoben werden.

Der erste Königreichssaal wurde 1962 in Kinshasa eingeweiht. Er befand sich im Stadtteil Kimbanseke und gehörte einer der sechs damaligen Versammlungen. Seit dieser Zeit haben die Versammlungen im Kongo beim Bau von Königreichssälen viel Initiative gezeigt. Hin und wieder gab es jedoch rechtliche Probleme. Manchmal erlaubte ein Bruder einer Versammlung, auf seinem Land einen Saal zu bauen, ohne das jedoch rechtlich abzusichern. Wenn der Bruder dann starb, rissen Familienangehörige gelegentlich den Saal mit allem Drum und Dran an sich. Dagegen konnte man nicht viel ausrichten. Außerdem wurden unter dem Verbot einige Zeit später viele Säle beschlagnahmt und umfunktioniert. Aus diesen Gründen konnte man nicht in dem gewünschten Umfang Königreichssäle bauen.

Trotz alledem wurden im ganzen Land Königreichssäle gebaut. Die meisten waren zwar ganz schlicht, aber sie alle sprachen für den Glauben derer, die sie gebaut hatten. Wie sahen solche Versammlungsorte Ende der 60er Jahre denn aus? Ein Missionar beschrieb das so:

„Wir sind in Léopoldville. Zwischen ein paar Häusern aus rohem Beton führt uns ein schmaler Weg zu einem Königreichssaal. Eine Schar Kinder läuft uns hinterher. Wir kommen in einen Hof, der von einer Betonmauer umgeben ist. In einem der Häuser wohnen Brüder und dahinter liegt der Königreichssaal. Er ist an den Seiten offen. Die Brüder üben gerade Königreichslieder. Ihr Gesang ist ein richtiger Genuss für die Ohren! Sie legen beim Singen ihr ganzes Herz hinein. Wir sind froh, dass Bäume um den Saal herum Schatten spenden und uns vor der Sonne schützen. Es gibt ungefähr 200 Sitzplätze. Die Bühne ist aus Beton und mit einem Wellblech überdacht. Sollte der Redner sehr groß sein, muss er wahrscheinlich den Kopf etwas einziehen. Da hängt auch ein Anschlagbrett für Briefe vom Zweigbüro und für die Aufgabenverteilung in der Versammlung. Und es gibt einen Tisch für Literatur. Rechts und links neben die Bühne haben die Brüder Pflanzen gestellt. Damit sie auch abends ihre Zusammenkünfte abhalten können, wird der Saal mit Petroleumlampen erleuchtet. Als wir wieder gehen, sind die Kinder noch draußen und begleiten uns zurück zur Straße.

Jetzt reisen wir ins Landesinnere des Kongo. Als wir in ein Dorf mit Grashütten kommen, fällt uns gleich der Königreichssaal ins Auge. Er besteht aus neun Pfosten, die ein dickes Dach aus Blättern tragen. In den Boden wurden quer durch den Saal kleine Gräben gezogen. Wir sind ganz verblüfft, wie bequem man auf dem Boden sitzt, wenn man die Füße in den Graben setzt. Über dem Bruder, der die Zusammenkunft gerade leitet, hängt ein handgeschriebenes Schild, auf dem in der Sprache der Einheimischen ‚Königreichssaal‘ steht. Ungefähr 30 Personen sind anwesend. Vielleicht die Hälfte von ihnen sind Verkündiger. Sie kennen nur ein paar Königreichslieder. Was ihnen an musikalischem Können fehlt, machen sie durch ihren Enthusiasmus wieder wett, und wir singen alle aus vollem Herzen.

Als Nächstes reisen wir in den Norden des Landes. Wir halten mit unserem Landrover an und schauen in Richtung Dorf. Hinter einer kleinen Grashüttensiedlung sehen wir ein Gebäude, das sich von allen anderen abhebt. Dieses Gebäude ist aus dicken Bambusstämmen gebaut, die fest miteinander verbunden sind. Die Bambuswände haben Fenster und eine Tür. Das Dach ist aus Gras. Vor dem Gebäude führt ein schmaler Weg durch einen gepflegten Rasen, auf dem ein Schild steht mit der Aufschrift: ‚Jehovas Zeugen‘. Wir gehen den schmalen Weg entlang zum Königreichssaal, wo wir von unseren Brüdern freudig empfangen werden. Drinnen fällt uns auf, dass auch die Sitzbänke aus Bambus sind, und zwar aus senkrecht stehenden Bambuspfählen, auf denen quer Bambusstämme liegen. Zum Glück hat der Königreichssaal ein wasserdichtes Dach! Sonst würde es problematisch. Denn wenn es auf die Bambuspfähle regnen würde, würden sie Wurzeln schlagen und in die Höhe schießen. Unsere Bänke wären dann nicht mehr 30 Zentimeter hoch, sondern um einiges höher. Auf einem Anschlagbrett hängen der Plan für die Zusammenkünfte und Briefe vom Zweigbüro. An einem Tisch aus Bambushälften, die mit Schilf zusammengebunden sind, holen sich die Brüder ihre Literatur ab.

Nun geht es in den Süden nach Katanga, wo die Sonne gerade untergeht. Hier ist es viel kühler und wir brauchen wärmere Kleidung. Wir kommen in ein Dorf und hören die Brüder schon von weitem singen. In der Regel haben die Brüder in den Dörfern keine Uhren; deshalb lesen sie an der Sonne ab, wann es Zeit für die Zusammenkünfte ist. Die Ersten, die im Saal eintreffen, singen schon mal Königreichslieder, bis die meisten da sind und die Zusammenkunft beginnen kann. Wir zwängen uns auf einen Sitz — ein in Hälften gesägter Baumstamm, der auf zwei Stützen liegt. Die Literatur wird in einem alten Schrank aufbewahrt, aber da kann sie nicht lange gelagert werden, denn die Scharen von Kakerlaken und Termiten würden das Papier ruinieren. Nach der Zusammenkunft führen uns die Brüder etwas im Saal herum. Die Wände bestehen aus kleinen Zweigen, die mit Schilf zusammengebunden und mit Lehm bedeckt wurden. Das wasserdichte Dach ist aus geflochtenem Gras.“

Jehova schützt seine Diener

In den 60er Jahren waren Bürgerkriege und Gewalt an der Tagesordnung. Viele Menschen verloren ihr Leben, auch einige unserer Brüder. Es erforderte von den Brüdern Mut und Glauben, sich zu versammeln, denn manchmal hielt man ihre Zusammenkünfte für politische Veranstaltungen. In der Provinz Équateur kamen einmal bewaffnete Soldaten auf einen Königreichssaal zu, wo die Brüder gerade eine Zusammenkunft abhielten. Die Soldaten durchschauten schnell, dass die Brüder dort ihren Gott anbeteten und nicht Politik betrieben. Und weil sie — wie sie erklärten — weder etwas gegen Religion noch gegen Gott hatten, zogen sie wieder ab.

In Kisangani passierte etwas Ähnliches. Bernard Mayunga und einige andere Verkündiger wurden von Rebellen festgehalten, die eigentlich auf der Suche nach Verwaltungschefs aus der Region waren, um sie hinzurichten. Als sie Bernard fragten, zu welchem Stamm er gehörte, antwortete er: „Ich bin ein Zeuge Jehovas.“ Die Antwort überraschte den Rebellenführer und er verlangte eine Erklärung. Bernard gab ihm die Erklärung aus der Bibel. Danach meinte der Rebellenführer: „Wenn alle Leute so wären wie ihr, gäbe es keine Kriege.“ Bernard und die anderen Zeugen, die von ihnen festgehalten wurden, durften daraufhin gehen.

Endlich anerkannt!

Bis 1965 befand sich das kongolesische Bethel in einer Wohnung im Zentrum Kinshasas. Aber dort war es klein und beengt. Mittlerweile gab es annähernd 4 000 Königreichsverkündiger im Land und man brauchte mehr Platz im Bethel. Nach einer intensiven Suche kauften die Brüder in der Avenue des Elephants im Stadtteil Limete ein Haus, das erst sechs Jahre alt war. Das Haus mit der Nummer 764 hatte zwei Etagen, ein Wohn- und Esszimmer und vier weitere Zimmer. Die Brüder machten sich an die Arbeit und bauten das geräumige Wohn- und Esszimmer im Erdgeschoss in ein Büro um. In die Garage wurde der Versand und die Vervielfältigungsausrüstung verlegt. 1972 wurde an das Gebäude angebaut.

Im November 1965 kam Joseph-Désiré Mobutu durch einen Putsch an die Macht. Wieder einmal reichte das Zweigbüro einen Antrag auf Anerkennung ein, und am 9. Juni 1966 unterzeichnete Präsident Mobutu dahin gehend eine Verordnung. Jetzt genoss Jehovas Volk die gleichen Rechte und Privilegien wie alle anderen anerkannten Religionen im Land. Endlich war es so weit! Worauf die Brüder seit 1932 hingearbeitet und wofür sie die ganze Zeit gebetet hatten, war nun eingetroffen: Sie konnten ungehindert überall predigen, große Kongresse abhalten und Land erwerben. Diese Freiheit sollte jedoch nur sechs Jahre anhalten.

Durch Kongresse wird ein enormes Zeugnis gegeben

Die Brüder freuten sich, dass ihnen ihr neuer Rechtsstatus jetzt erlaubte, Kreiskongresse zu planen. Die erste Kongressserie bestand aus 11 Kongressen und wurde von insgesamt 11 214 Personen besucht. 465 ließen sich taufen.

Die Kongresse lösten bei den Kirchen vor Ort heftige Reaktionen aus. Die Geistlichkeit hatte erbittert dagegen gekämpft, dass Jehovas Zeugen in diesem ergiebigen Gebiet, das die Geistlichkeit als ihr persönliches Territorium betrachtete, anerkannt wurden. In Gandajika in der Provinz Kasai legten Geistliche beim Bürgermeister Protest ein. Doch der Bürgermeister ließ sich von ihnen nicht einschüchtern. Also schickten sie ein paar Jugendliche zum Kongressgelände, damit sie den Kongress störten. Zufälligerweise wurde auf dem Kongress gerade ein biblischer Film gezeigt, und es waren sehr viele Leute gekommen, um ihn zu sehen. Bald setzten sich auch die Störenfriede hin und schauten sich den Film an. Sie waren sehr angetan. Jedes Mal, wenn die Filmrolle gewechselt wurde, rief die Menschenmenge, die mehrere Tausend zählte, laut: „Jehovas Zeugen — lang sollen sie leben!“

Jehovas Zeugen durften nun auch Bezirkskongresse abhalten, aber dazu musste im Vorfeld noch sehr viel organisiert werden. Biblische Dramen mussten einstudiert werden, und für die Dramen brauchte man Kostüme. Die Brüder mussten nun auch eine Lautsprecheranlage installieren und bedienen. Sie meisterten alles sehr gut, weil sie einsatzfreudig und lernwillig waren.

Unterwegs zu Kreiskongressen

Im Jahr 1964 gab es im Kongo genügend Kreise, um zwei Bezirke zu bilden. 1969 kam dann in Kasai ein dritter hinzu und bis 1970 waren es vier Bezirke. Wegen der schlechten Straßen gestaltete sich die Anreise zu Kreis- und Bezirkskongressen oft schwierig. William Smith, ein Bezirksaufseher, hat eine solche Reise zu einem Kreiskongress einmal sehr plastisch beschrieben. Wenn man das liest, kommt es einem vor, als wäre man dabei gewesen.

„Der Regen hatte das Land unter Wasser gesetzt, und die Flüsse waren angeschwollen. Unser Ziel war Kamina. Hier sollte ein Kreiskongress stattfinden. Bis dorthin waren es circa 350 Kilometer. Der sintflutartige Regen hatte einige Straßen in die reinsten Schlammfelder verwandelt und an manchen Stellen waren sie völlig überschwemmt. Ein Tal war komplett zu einem See geworden. Überall standen Autos, Lkws und Regierungsfahrzeuge, weil die Leute darauf warteten, dass die Wasser zurückgingen. Viele rechneten mit zwei Wochen Verzögerung.

Ich wusste, dass die Brüder schon voller Vorfreude auf das Kongressprogramm waren. Manche waren wahrscheinlich tagelang zu Fuß unterwegs gewesen, um dabei sein zu können. Deshalb erkundigte ich mich, ob man das Tal irgendwie umfahren konnte. Zu meiner Verblüffung erzählte man mir, dass Jehovas Zeugen eine kleine Nebenstraße gebaut hätten. Doch weil der Boden so weich sei, würden sie niemand durchlassen, bis der Bezirksaufseher durchgekommen wäre, der auf dem Weg nach Kamina sei.

Tatsächlich hatten Brüder aus zwei Dörfern einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang bis in den nächsten Tag hinein an einem neuen Straßenstück gearbeitet, auf dem sich die unpassierbare Stelle umfahren ließ. Ich fand die Brüder und machte mich mit dem Jeep auf den Weg zu der Straße, die sie gebaut hatten. Dort stand eine ganze Menge Leute herum, die sehen wollten, ob der Jeep durchkommen würde. Wir waren ganz enttäuscht, als der Jeep schon nach wenigen Metern auf der neuen Straße im weichen Boden stecken blieb.

Die Brüder schoben den Wagen an, aber er rührte sich nicht von der Stelle. Sie hatten sich so abgeplagt und die Enttäuschung stand ihnen im Gesicht geschrieben. Aber sie waren nach wie vor fest entschlossen, alles zu tun, damit ihr Bezirksaufseher zum Kongress kam. Die Schaulustigen, die die neue Straße wohl eher für einen Reinfall als einen Glücksfall hielten, gingen zu ihren Autos zurück. Die Brüder beschlossen, es noch einmal zu versuchen. Diesmal luden sie den Jeep komplett aus, in dem sich jede Menge Literatur, die Lautsprecheranlage, ein Generator und noch vieles mehr befand. Die Brüder schaufelten und schoben, bis die Räder, trotzdem sie durchdrehten, den Jeep Zentimeter um Zentimeter vorwärts bewegten.

Eine Stunde später feierten sie unsere erfolgreiche Rutschpartie durch den Schlamm mit großem Jubel und sangen dazu Königreichslieder. Die Brüder hatten etwas geschafft, was die Leute in den anderen Fahrzeugen für unmöglich gehalten hatten. Der Kongress war ein voller Erfolg dank der großen Anstrengungen unserer Brüder. Jehova war mit seinem Volk und half ihm, seinen Willen zu tun.“

Ein neues Regime bringt wieder Veränderungen

Es war nicht leicht, zu den Menschen hinzukommen, die in den unendlichen Regenwäldern und Savannen verstreut lebten. Die Missionare predigten hauptsächlich in den größeren Städten, wogegen einheimische Brüder und Schwestern als Sonderpioniere das Landgebiet erschlossen. Viele Dorfbewohner waren jedoch Analphabeten und das erschwerte es den Brüdern, starke Versammlungen aufzubauen. Außerdem sollten baldige politische Veränderungen nicht spurlos an den Brüdern vorübergehen.

Mit dem Jahr 1970 hielt das Einparteiensystem im Kongo Einzug. Die Partei nannte sich Revolutionäre Volksbewegung (in Französisch: Mouvement Populaire de la Révolution, kurz: MPR). Ihr Ziel war die Rückkehr zu traditionellen Werten. Dazu gehörte auch, dass Städte und Ortschaften neue Namen erhielten. Aus Stanleyville war schon zuvor Kisangani geworden, und Elisabethville war in Lubumbashi umbenannt worden. 1971 änderte die Regierung den Namen des Landes und seines wichtigsten Flusses von Kongo auf Zaire. Die Währung wurde von Franc auf Zaire umgestellt. Die Regierung verlangte auch von den Einwohnern, ihre Namen zu ändern: Europäische Taufnamen mussten durch authentische afrikanische Namen ersetzt werden. Krawatten wurden verboten, weil man sie mit Europäern in Zusammenhang brachte. Auf allen diesen Gebieten ordneten sich die Brüder respektvoll unter (Mat. 22:21).

Nach der politischen Weltanschauung der Partei war jeder Bürger mit der Geburt automatisch aktives Mitglied der MPR. Wer seinen Arbeitsplatz behalten, die Schule besuchen oder auf dem Markt etwas verkaufen wollte, musste eine Parteikarte besitzen. Außerdem erwartete man von jedem, dass er ein Parteiabzeichen trug, vor allem, wenn er ein Amt betrat. Für Jehovas Volk war das eine schwere Zeit. Manche Brüder verloren ihre Arbeit und etliche Kinder wurden von der Schule gewiesen.

Einige Regierungsbeamte verstanden jedoch die Haltung von Jehovas Zeugen. Der Innenminister fragte einen Bruder, der für ihn arbeitete, warum er kein Parteiabzeichen trage. Der Bruder erklärte ihm die biblischen Gründe dafür. Daraufhin sagte der Minister: „Wir kennen Sie, und wir werden Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten; aber die Jugendbewegung wird Ihnen das Leben schwer machen.“

Präsident Mobutu selbst soll einmal bei einem Treffen mit seinen Parteifreunden zu den vielen Beschwerden über Jehovas Zeugen dem Sinn nach gesagt haben: „Wenn mir jemand je Probleme bereiten wird, dann keinesfalls die Zeugen Jehovas. Denkt daran, wer Jesus damals verraten hat. Das war Judas, einer seiner eigenen Jünger. Wenn ich jemals verraten werde, dann von jemand, der mit mir isst.“

Das Bethel wird zu klein

Nathan H. Knorr von der Weltzentrale in Brooklyn besuchte den Kongo im Januar 1971. Dabei wurde unter anderem die Frage angeschnitten, ob das Bethelheim und die Büros erweitert werden sollten. Denn 1970 gab es schon 194 Versammlungen und über 200 abgelegene Gruppen mit nahezu 14 000 Verkündigern. Die Nachfrage an Publikationen stieg ständig, und das Literaturlager im Bethel war mittlerweile zu klein geworden. Die Freude war groß, als Bruder Knorr bekannt gab, dass an das bestehende Gebäude angebaut werden würde. Man entwarf die Pläne für ein neues, modernes zweigeschossiges Gebäude, das doppelt so groß sein würde wie das bisherige. Darin würden ein großes Büro, ein geräumiges Lager und mehrere Bethelzimmer Platz finden.

Im Juni 1971 wurden die Pläne genehmigt und die Arbeiten gingen los. Don Ward wurde von Dahomey (dem heutigen Benin) als Bauleiter in den Kongo geschickt. Zusammen mit vielen freiwilligen Helfern aus den 39 Versammlungen in Kinshasa wurde das Bauprojekt abgeschlossen. Das starke Wachstum im Gebiet und die Vergrößerung des Bethels war den Religionen der Christenheit erneut ein Dorn im Auge, aber mehr davon später.

Die 70er Jahre — eine Zeit, in der Mut und Vorsicht geboten waren

Im Dezember 1971 erließ die Regierung ein Gesetz, das die Stellung vieler neuer Religionen und Gebetsgruppen regelte, die landesweit entstanden. Nach diesem neuen Gesetz waren nur drei Religionen anerkannt: die katholische Kirche, die protestantischen Kirchen und die Kimbanguistische Kirche, eine einheimische Religion. 1972 wurden drei weitere Religionen anerkannt: der Islam, die griechisch-orthodoxe Kirche und der Judaismus. Viele kleinere Religionsgemeinschaften reihten sich selbst in die protestantische Richtung ein.

Von 1971 bis 1980 herrschte also eine Art lockeres Verbot, durch das die Aktivitäten von Gottes Volk auf bestimmten Gebieten eingeschränkt waren. Jehovas Zeugen waren nicht offiziell anerkannt, aber man hörte auch nichts davon, dass die Missionare das Land verlassen sollten, und das Bethel wurde nicht behelligt. Ein Missionarheim in Kananga wurde geschlossen, aber die Heime in Bukavu, Kisangani, Kolwezi und Lubumbashi blieben. Die Brüder konnten keine Bezirkskongresse mehr veranstalten. Aber sie konnten sich vielerorts in ihren Königreichssälen versammeln. Und sie hielten in größeren Sälen kleine Kreiskongresse ab. Vieles hing vom Gutdünken der Beamten vor Ort ab. Waren sie starke Gegner, mussten die Brüder mit Verfolgung und Verhaftungen rechnen. Dann wurden Hunderte von Brüdern eingesperrt. Stand man uns positiv gegenüber, konnten sie ihre Tätigkeit frei ausüben.

Trotz der Einschränkungen predigten die Zeugen freimütig weiter. Einmal gingen drei Brüder und eine Schwester auf dem Markt predigen. Zwei Männer kamen auf sie zu und nahmen einen der Brüder fest, der gerade einem Interessierten ein Buch gegeben hatte. Sie brachten ihn zur Parteizentrale und ließen ihn da in einem Raum sitzen, wo er auf den Parteichef warten sollte. Der Parteichef kam gerade dazu, als der Bruder einem anderen Mann, der auch dort wartete, das Buch Hat sich der Mensch entwickelt, oder ist er erschaffen worden? anbot.

„Verbreiten Sie Ihre Propaganda jetzt auch hier?“, wollte der Parteichef wissen.

Der Bruder antwortete: „Tja, wenn Sie jemand fragen würde: ‚Hat sich der Mensch entwickelt, oder ist er erschaffen worden?‘, was würden Sie antworten?“

Der Parteichef antwortete nichts. Er drehte sich zu dem Mann, der den Bruder festgenommen hatte, und sagte: „Lassen Sie ihn gehen. Er tut nichts Unbefugtes.“

Der Bruder ging zum Markt zurück und predigte weiter. Einige Zeit später kam zufällig der Parteichef vorbei und sah ihn. Er zeigte auf den Bruder und sagte zu seinen Begleitern: „Ist das nicht ein mutiger Mann?“

Im Jahr 1974 sah sich der Zweigaufseher Ernest Heuse gezwungen, nach Belgien zurückzukehren. Das hatten ihm seine Ärzte empfohlen, denn er litt schon seit einiger Zeit an einem Emphysem, und die wiederholten Malariaanfälle verschlechterten seine Gesundheit immer mehr. Die Brüder liebten Familie Heuse sehr; sie hatte so vieles mit aufgebaut und zum Predigtwerk beigetragen. Die ganze Familie diente Jehova in Belgien eifrig weiter. Ernest schloss die Augen im Jahr 1986; seine Frau Hélène starb acht Jahre später. Die Aufgabe als Zweigaufseher in Kinshasa wurde Timothy A. Holmes übertragen, der seit 1966 Missionar war.

1980 erneut rechtlich anerkannt

Am 30. April 1980 unterzeichnete der Präsident der Republik eine Verfügung, nach der die Vereinigung der Zeugen Jehovas rechtlich anerkannt war. Das Interesse an der Wahrheit war größer als je zuvor. 90 226 besuchten das Gedächtnismahl und rund 35 000 Bibelstudien wurden bei interessierten Personen zu Hause abgehalten. Es kamen immer mehr neue Verkündiger und Pioniere hinzu. Der Zweig brauchte geeignetere Räumlichkeiten, um die Versammlungen besser betreuen zu können. Die Brüder freuten sich deshalb, als die leitende Körperschaft den Kauf eines Grundstücks genehmigte, das zweieinhalb Mal so groß war wie das bisherige. Doch es traten Schwierigkeiten auf. Darauf wird etwas weiter hinten in diesem Bericht eingegangen.

Seit Jahren hatten die Brüder keine großen Bezirkskongresse abhalten können. Jetzt durften sie es. 1980 fanden im ganzen Land fünf Bezirkskongresse unter dem Motto „Göttliche Liebe“ statt. Einige Kongressbesucher mussten bis zum Kongressort weit reisen. Viele Familien waren mehr als 400 Kilometer zu Fuß unterwegs. Zwei Sonderpioniere aus einer sehr abgelegenen Gegend fuhren mit dem Rad 700 Kilometer durch tiefen Sand und dichten Regenwald. Sie brauchten zwei Wochen. Andere Kongressbesucher reisten aus Kongo (Brazzaville), Burundi und Ruanda an.

In den Jahren danach wurde es notwendig, an noch weiteren Orten Bezirkskongresse zu organisieren. Die Brüder hatten jetzt zwar Religionsfreiheit, aber wirtschaftlich ging es ihnen immer schlechter. Für viele war es ein reiner Überlebenskampf. Die Preise stiegen sprunghaft an, aber die Gehälter blieben gleich. Die meisten Brüder hatten einfach kein Geld für weite Reisen. Darum sorgte das Zweigbüro liebevoll dafür, dass dort, wo die meisten Brüder wohnten, zusätzliche Kongresse veranstaltet wurden.

Im Kongo ähneln die Straßen oft einer Strecke für den Hindernislauf: Umgestürzte Bäume, beschädigte Brücken, tiefer Sand und Schlammlöcher — das ist hier ganz normal. Vertreter des Zweigbüros und deren Frauen nehmen viel auf sich, wenn sie über solche Strecken zu Kongressen fahren. Doch noch größere Opfer bringen unsere treuen einheimischen Brüder und Schwestern, die oftmals tagelang zu Fuß unterwegs sind und im Freien übernachten. Noch heute ist es normal, dass Brüder zu Bezirkskongressen 50 bis 150 Kilometer laufen.

Neue Missionarheime

Mit der Anerkennung im Jahr 1980 war der Weg frei für die Einreise neuer Missionare. 1981 wurde in Goma (Provinz Kivu) ein neues Heim eröffnet. In den anschließenden beiden Jahren wurden weitere Heime in Likasi (Katanga), Mbuji-Mayi (Kasai), Kikwit (Bandundu) und in der Hafenstadt Matadi (Bas-Kongo) gegründet. Heime, die geschlossen worden waren, wurden wiedereröffnet. Und schließlich wurde 1986 eines in Isiro (Provinz Orientale) eröffnet. Damit gab es insgesamt 11 Missionarheime im Land. Sie waren gleichzeitig auch Literaturdepots. Die Missionare waren ein Bindeglied zwischen dem Zweigbüro und den Brüdern im Land. Die einheimischen Brüder und Schwestern waren für den Ansporn und die Schulung, die sie durch die Missionare erhielten, sehr dankbar. Ende des Dienstjahrs 1981 gab es erstmals 25 753 Verkündiger. Die Chancen auf Mehrung standen sehr gut.

Keine Furcht vor Kimbilikiti

Kimbilikiti ist der Name eines Stammesgeists. Dieser Geist wird von den Angehörigen des Rega-Stamms im tiefen Regenwald im Osten des Landes angebetet. Das Leben dieser Menschen — zumeist Jäger, Bauern und Fischer — wird von den religiösen Vorstellungen des Kimbilikiti-Kults dominiert. Dieser Kult ist geheimnisumwoben, und die Priester üben große Macht aus über alle, die in Furcht und Schrecken vor dem Geist leben.

Die Zeugen Jehovas in dieser Region haben keine Angst vor Kimbilikiti, denn sie wissen, dass Jehova der einzig wahre Gott ist. Sie sind die Einzigen, die sich von den Kimbilikiti-Priestern nichts sagen lassen — wenn sie zum Beispiel das Opfern von Ziegen oder Hühnern verlangen, die die Priester dann selbst essen.

Im Jahr 1978 fingen Mitglieder dieses Kults an, Jehovas Zeugen offen zu verfolgen. Sie brannten etliche Königreichssäle nieder, verjagten Brüder aus ihren Häusern und rissen deren Hab und Gut an sich. Außerdem versuchten sie, den Brüdern durch Zauberei und Bannsprüche zu schaden, aber die erhoffte Wirkung blieb aus. Im August 1983 führten sie dann einen makabren Plan aus — in der Nähe des Dorfs Pangi ermordeten sie acht Brüder auf brutalste Weise.

Dieser entsetzliche Vorfall war ein Schock für die Versammlung, besonders für diejenigen, die ihren lieben Mann oder Vater verloren hatten. Das Zweigbüro und einheimische Brüder versuchten gemeinsam, den betroffenen Familien geistig und finanziell unter die Arme zu greifen.

Unterdessen fühlten sich die Mörder im abgelegenen Regenwald sicher. Doch nach einer Weile wurden sie gefasst. Die Verhandlung fand im Bezirksgericht in Kindu statt. Die Angeklagten behaupteten, Kimbilikiti, der Geist, hätte sie zu dem Mord aufgerufen. Doch der Staatsanwalt machte deutlich, wo der wahre Grund für den Mord lag. Er erklärte: „Bestimmte Stammesangehörige ... [des Rega-Stamms], die in der Vergangenheit an den Riten für Kimbilikiti teilnahmen und die Geheimnisse kennen, sind jetzt mit Jehovas Zeugen verbunden. Sie haben die Geheimnisse geoffenbart, besonders was es mit dem angeblichen Geist namens Kimbilikiti auf sich hat. Folglich haben sie auch die Nichtigkeit der Opfer, die der besagte Geist fordern würde, enthüllt, der gemäß den Zeugen Jehovas lediglich ein groß angelegter Betrug der Stammesältesten ist, die die Zeremonien leiten.“

Somit wurden die Angeklagten und nicht der Kimbilikiti-Geist für schuldig befunden. Gegen das Urteil wurde zwar Berufung eingelegt, aber eine höhere Instanz in Bukavu bekräftigte das Todesurteil. Die Staatsanwälte drohten mit Konsequenzen, falls es zu weiteren Anschlägen auf Zeugen Jehovas durch Anbeter des Kimbilikiti-Geists kommen sollte. *

Es ist seitdem noch zu weiteren Vorfällen gekommen, aber den Mitgliedern des Kults ist klar geworden, dass sie sich weder im Wald verstecken noch auf den Schutz eines nicht existierenden Kimbilikiti-Geists zählen können. Jehovas Zeugen helfen treu anderen weiter, von diesem Kult loszukommen. Jehova war gut zu ihnen und hat ihre Mühe belohnt. Heute gibt es in dieser Gegend über 300 eifrige Verkündiger. Sie lieben Jehova! Sie haben keine Furcht vor Kimbilikiti!

Das Werk wird verboten

Im Jahr 1985 lief das Königreichswerk im Kongo auf vollen Touren. Man hatte auf dem Grundstück, das 1980 gekauft worden war, mit dem Bau des neuen Bethels angefangen. Dazu waren ungefähr 60 freiwillige Helfer aus dem Ausland gekommen. Ende des Dienstjahrs gab es fast 35 000 Verkündiger und so viele Pioniere wie nie zuvor. 60 Missionare predigten eifrig im ganzen Land. Reisende Aufseher schulten Älteste und Pioniere. Alles deutete auf ein gewaltiges Wachstum hin.

Doch nicht alle waren begeistert davon, dass es dem Volk Gottes geistig und materiell so gut ging. Die Geistlichen wirkten auf die Politiker ein, damit sie den Aktivitäten der Brüder einen Riegel vorschoben. Am 12. März 1986 unterzeichnete Präsident Mobutu einen Erlass, durch den das Werk der Zeugen Jehovas verboten wurde. Das Verbot wurde am nächsten Tag landesweit im Radio verkündet. Einer der Sprecher sagte: „Jetzt werden wir [im Kongo] nie wieder was von Jehovas Zeugen hören!“ Da sollte er sich aber gründlich täuschen!

Das Zweigbüro holte vier der Missionare, die als Bezirksaufseher eingesetzt waren, ins Bethel und übertrug einheimischen Brüdern diese Aufgabe. Da die Missionare nicht mehr öffentlich predigen konnten, war es, als stünden sie unter Hausarrest. Die einheimischen Brüder predigten mit äußerster Vorsicht (Mat. 10:16). Leider bekamen es viele Interessierte mit der Angst zu tun und hörten auf zu studieren. Einige Königreichssäle wurden geschlossen oder sogar zerstört. Andere wurden von der Regierung beschlagnahmt. Die Brüder mussten sich in kleinen Gruppen treffen. Einige wurden nachts in ihrem eigenen Haus festgenommen und man stahl ihnen ihr Hab und Gut.

In der Provinz Équateur wurden viele Brüder geschlagen und eingesperrt. Ein Sonderpionier wurde verprügelt und drei Monate ins Gefängnis gesteckt. An allen diesen Vorfällen war nur diese Radiomeldung schuld! Es war noch gar kein offizielles Gesetz erlassen worden, durch das das Verbot in Kraft getreten wäre. Die Brüder hatten kurz nach der Verkündung des Verbots Einspruch eingelegt, aber ohne Reaktion. Im Juni 1986 hielt der Präsident des Landes eine öffentliche Rede, in der er behauptete, die Zeugen seien unpatriotisch und würden die Staatsgewalt missachten.

So schnell hatte sich das Blatt gewendet! Gerade noch geachtete Menschen wurden plötzlich nicht mehr geachtet. Der Bau des neuen Bethels wurde eingestellt. Die Baustelle, auf der man immer fleißig und fröhlich gearbeitet hatte, war nun wie ausgestorben. Alle freiwilligen Helfer aus dem Ausland mussten das Land verlassen, und die Baugeräte wurden verkauft. Ungefähr 20 einheimische Brüder blieben als Wachen auf dem Grundstück zurück.

Dann kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein Schreiben des Sicherheitschefs, datiert vom 26. Juni 1986, in dem alle Missionare angewiesen wurden, das Land zu verlassen. Demnach war dieses Verbot ganz anders geartet als das Verbot von 1972. Damals durften die Missionare bleiben. Es war ein trauriger Anblick, als die Missionare ihre Siebensachen zusammenpackten und sich ihre Habseligkeiten nach und nach im Versand stapelten! 23 Missionare verließen im Juli den Kongo und gingen in andere Länder. Missionare, die zu der Zeit gerade im Ausland auf Urlaub waren, kamen gar nicht erst zurück. Damit begann für die Brüder im Kongo eine weitere Feuerprobe.

Umstrukturierung für die Arbeit im Untergrund

Wenn die Gegner dachten, sie könnten Jehovas Volk entmutigen oder vernichten, dann hatten sie sich getäuscht. Sie kannten weder die Macht von Jehovas heiligem Geist noch die Entschlossenheit seines Volks. Einem kleinen Kern erfahrener Missionare gelang es, im Land zu bleiben. Das Königreichspredigtwerk wurde von mehreren Privatwohnungen aus organisiert. Auch die Pionierdienstschule fand im ganzen Land in Privatwohnungen statt.

Alle waren mit geistiger Speise gut versorgt, denn die Brüder druckten und verbreiteten nach wie vor biblische Publikationen. Das Zweigbüro schickte den Versammlungen das Material für die Kreis- und Bezirkskongresse. Dieser Stoff wurde dann in Form von Vorträgen dargeboten. Bis das Verbot aufgehoben wurde, spielten die Kreisaufseher den Versammlungen ab 1986 jedes Jahr Aufnahmen von Kongressdramen vor, die es in verschiedenen Landessprachen gab. Das bedeutete zwar viel Arbeit, aber es stärkte die Brüder sehr.

Währenddessen nahmen Älteste Kontakt zu Regierungsvertretern auf, um zu erklären, was es mit unserer politischen Neutralität auf sich hat, und ihnen klar zu machen, dass neutral nicht gleichbedeutend ist mit umstürzlerisch. Dadurch hörten alle, bis hinauf zu den höchsten Stellen des Landes, von Jehovas Namen und seinem Vorhaben. Jehovas Diener ragten wirklich als einzigartige Gruppe heraus: strikt neutral, jedoch friedfertig und keineswegs umstürzlerisch.

Erst Rückgang, danach wieder Zunahme

Im Dienstjahr 1987 ging die Zahl der Verkündiger um 6 Prozent zurück. Manche hatten Angst und wollten sich nicht mit einer verbotenen Organisation identifizieren. In etlichen Regionen setzte brutale Verfolgung ein.

Manchmal hatte die Gegnerschaft jedoch einen Bumerangeffekt. Ein Beispiel: Ein Dorfvorsteher hielt auf einer Sonderveranstaltung eine Rede gegen Jehovas Zeugen. Er zeigte das Buch Mein Buch mit biblischen Geschichten und sagte den Leuten, sie sollten jeden zur Polizei bringen, der dieses Buch verbreitet. Die Leute meinten, dass sie sich das Buch aber erst etwas genauer anschauen wollten, damit sie es auch wiedererkennen würden. Er hatte nichts dagegen. Sie waren von dem Buch sehr angetan. Einige bestellten das Buch dann bei einem Sonderpionier, der im Nachbardorf wohnte. Der Sonderpionier erinnert sich: „Ich habe damals zehn Bibelstudien angefangen. Ich hatte nie zuvor in dem Dorf gepredigt. Wenn der Dorfvorsteher nicht die Rede gegen uns gehalten hätte, hätten diese Menschen vielleicht nicht die Gelegenheit gehabt, die Wahrheit kennen zu lernen!“

Die Brüder passten sich der neuen Situation an. Sie waren zwar auf vielen Gebieten eingeschränkt, aber nicht „bewegungsunfähig eingeengt“ (2. Kor. 4:8). Im Dienstjahr 1988 stieg die Zahl der Verkündiger um 7 Prozent. Es gab rund 60 000 Bibelstudien. Brüder von der Dienstabteilung besuchten die Brüder in den größeren Städten, um ihnen Mut zuzusprechen und sich mit Ältesten und reisenden Aufsehern zu treffen. Die ganze Zeit über betreute das Zweigbüro dazu noch das Werk im Nachbarland Kongo (Brazzaville), wo Jehovas Zeugen ebenfalls verboten waren, und in Burundi.

Ein Bruder, der in Kolwezi Schulleiter war, weigerte sich, einen politischen Eid zu leisten. Dafür wurde er mit Schlägen traktiert und nach Lubumbashi überführt, wo nach Meinung seiner Gegner das Todesurteil auf ihn wartete. Der Bruder erklärte seelenruhig die Gründe für seine neutrale Haltung. Er wurde freigesprochen und nach Kolwezi zurückgebracht. Von denen, die ihn geschlagen hatten, wurde verlangt, sich zu entschuldigen! Er konnte in seinen Lehrberuf zurückkehren und wurde sogar als Schulrat eingesetzt!

Im Oktober 1988 rissen Gemeindevorsteher das Baugelände des Bethels in Kinshasa an sich und beschlagnahmten Unmengen von biblischer Literatur. Die Soldaten stahlen immer wieder kartonweise Bücher und Bibeln, die dann auf dem Markt verkauft wurden. Die Leute kauften sie und überreichten den Brüdern damit sozusagen auf einem silbernen Tablett neue Bibelstudien. *

Trotz des Verbots stieg die Zahl der Königreichsverkündiger 1989 auf 40 707 an. Die religiösen Feinde von Jehovas Zeugen waren erbost. Der damalige Justizminister, allseits als Freund der katholischen Kirche bekannt, drückte in einem Brief an alle Staatsanwälte im Kongo seine Entrüstung darüber aus, dass Jehovas Zeugen nach wie vor aktiv waren. Er forderte die Anwälte auf, Jehovas Zeugen strafrechtlich zu verfolgen und ihre Königreichssäle zu schließen. In einer Rede vor Kirchenführern bezeichnete er Jehovas Diener später als die „reinsten Teufel“. Das löste in Bandundu, der Heimatprovinz des Ministers, Verfolgung aus.

Kinder kommen ins Gefängnis

In dieser Zeit wurden auch einige Kinder von Zeugen Jehovas eingesperrt, weil sie in der Schule bei politischen Zeremonien nicht mitmachten. Zum Beispiel wurden zwei Jungs mitsamt ihrem Vater eingesperrt. Die Gefängniswärter wurden angewiesen, den dreien nichts zu essen zu geben. Perplex fragte einer der Wärter: „Hier sitzen Mörder und Diebe, und die bekommen was zu essen. Warum sollten dieser Mann und seine beiden Söhne nichts bekommen?“ Als er keine einleuchtende Antwort bekam, brachte er ihnen selbst etwas zu essen. Die Jungs mussten 11 Tage im Gefängnis verbringen und ihr Vater, ein Sonderpionier, 7 Tage. Doch sie ließen sich durch diese schwierige Situation nicht im Mindesten entmutigen.

In Kikwit kam eine Schwester mit ihren beiden Töchtern ins Gefängnis. Danach wurde ihr Mann, der kein Zeuge Jehovas war, festgenommen. Als die Beamten herausfanden, dass er nicht denselben Glauben hatte wie seine Frau, befahlen sie ihm, wieder zu gehen. Er weigerte sich aber und erklärte, er werde seine Frau und seine Kinder nicht allein im Gefängnis sitzen lassen. Als er mit seiner Familie schließlich freigelassen wurde, studierte er die Bibel und ließ sich taufen. Heute ist er in seiner Versammlung Ältester.

Unruhen im Land

Im September 1991 kam es als Folge einer Militärrevolte in Kinshasa zu großen Plünderungen. Lebensmittel und Treibstoff wurden extrem knapp. Im Land herrschten Massenarbeitslosigkeit und galoppierende Inflation. Von den Zweigbüros der Zeugen Jehovas in Südafrika und Frankreich trafen Hilfslieferungen ein.

Neben den eigenen Problemen, mit denen das Zweigbüro im Kongo kämpfen musste, kümmerte es sich auch um Flüchtlinge aus den Nachbarländern Angola und Sudan. Im Nordosten des Kongo besuchte Zekaria Belemo, der damals Kreisaufseher war, eine Gruppe Brüder, die aus dem Sudan geflohen waren. In seinem begrenzten Englisch sprach er ein paar Worte zu den Brüdern, die anschließend ins Arabische gedolmetscht wurden. Zekaria fragte sich, wie viel die Brüder wohl von allem verstanden hatten. Ungefähr fünf Jahre später kamen zwei junge Männer, die im Bethel zu Besuch waren, auf ihn zu und fragten ihn: „Erinnerst du dich noch an uns? Wir haben damals im Flüchtlingslager gehört, was du gesagt hast. Du hast uns sehr angespornt und wir haben uns deine Worte zu Herzen genommen und angefangen die Bibel zu studieren.“ Später gaben sich diese beiden jungen Männer Jehova hin.

Ein anderes großes Problem im Land waren ständige ethnische Konflikte. Viele Menschen von Kasai waren weiter südlich in die Provinz Katanga gezogen. Doch 1992/93 wurden sie von der einheimischen Bevölkerung dort verjagt. Die meisten mussten alles zurücklassen — ihre Arbeit, ihr Hab und Gut, ihr Zuhause. Sie flohen um ihr Leben und gingen in Lager oder an andere Orte, wo sie sicher waren. Über 100 000 kehrten in ihre Heimat nach Kasai zurück. Darunter waren auch ungefähr 4 000 Zeugen Jehovas. Obwohl die Brüder, die in der Umgebung wohnten, selbst wenig besaßen und kaum etwas zu essen hatten, halfen sie ihnen, wo sie konnten. Eine Versammlung befand sich neben einer Hauptverbindungsstraße nördlich von Katanga. Ein paar Brüder aus dieser Versammlung stellten sich an die Straße und überprüften bei jedem Lastwagen, der hier vorbeikam, ob Zeugen dabei waren. Wenn ja, wurden sie von den Brüdern mit dem Nötigen versorgt.

Das Zweigbüro in Südafrika schickte mehrere Lkws mit Lebensmitteln und Medikamenten, die an die vertriebenen Brüder in den Lagern verteilt werden sollten. Dadurch konnte vielen das Leben gerettet werden. Die leitende Körperschaft beauftragte die Brüder in Kinshasa außerdem, Lebensmittel, Medikamente sowie Hacken und Schaufeln zu kaufen, damit sich die Familien wieder in Kasai niederlassen und die Felder bebauen konnten.

Eine Wende zeichnet sich ab

Eine Rede des Präsidenten auf einer Pressekonferenz am 24. April 1990 setzte das Signal für einen merklichen Umschwung in der offiziellen Haltung gegenüber Jehovas Zeugen. In seiner Pressekonferenz vor Vertretern der in- und ausländischen Presse versicherte der Präsident, seine Regierung schütze alle Grundrechte, die Presse- und Religionsfreiheit inbegriffen. Damit war die Tür für die Brüder offen — sie konnten nun ungehinderter predigen und sich versammeln. Alle Brüder, die in Gefängnissen saßen, wurden freigelassen.

Was war eigentlich aus dem Radiosprecher geworden, der 1986 getönt hatte, dass man im Kongo nie wieder etwas von Jehovas Zeugen hören würde? Seine Prognose hatte sich als falsch erwiesen. Als damals das Verbot erlassen wurde, gab es im Kongo 34 207 Verkündiger. Ende des Dienstjahrs 1990 gab es 50 677 Verkündiger und 156 590 Personen besuchten das Gedächtnismahl. Die Körner aus dem afrikanischen Maissack waren überall am Sprießen — trotz Gegnerschaft, Verleumdung, Verfolgung und trotz des Zorns religiöser und politischer Führer. Als das Regime von Präsident Mobutu 1997 gestürzt wurde, musste der Radiosprecher — und nicht Jehovas Zeugen — aus dem Land fliehen.

Wieder Freiheit

Durch den Erlass des Präsidenten im Jahr 1986 war die gesamte Tätigkeit von Jehovas Zeugen verboten und ihre rechtliche Körperschaft im Land aufgelöst worden. Doch am 8. Januar 1993 fällte der Oberste Gerichtshof von Zaire (Kongo) eine Entscheidung in dem Fall Jehovas Zeugen gegen die Republik Zaire. Der Gerichtshof erklärte den Erlass des Präsidenten für ungerechtfertigt und damit für ungültig. Das löste natürlich große Freude bei den Brüdern aus!

Der Entscheid des Obersten Gerichtshofs verursachte gehöriges Aufsehen, denn das Gericht stützte sein Urteil auf eine neue provisorische Verfassung, die von dem Präsidenten und seinen Anhängern nicht akzeptiert wurde. Andere hielten die Entscheidung dagegen für wegweisend für die künftige Rechtsprechung im Land. Jehovas Zeugen standen plötzlich zwischen den beiden Fronten. Doch dadurch konnte ein enormes Zeugnis zur Ehre des Namens Jehovas gegeben werden! Dutzende von Zeitungsartikeln berichteten über diesen bedeutsamen Fall. Danach setzte das Justizministerium die Gouverneure der einzelnen Provinzen davon in Kenntnis, dass Jehovas Zeugen wieder berechtigt waren, ihre Religion frei auszuüben. Das war wirklich ein Triumph für Jehovas Volk und die wahre Anbetung!

Erschwerte Transportmöglichkeiten im Kongo

Der Kongo ist ein riesiges Land. Doch abgesehen von einem kleinen Küstenstreifen in Bas-Kongo ist er ein Binnenland. Größeres Frachtgut trifft zumeist im Hafen Matadi ein. Zwischen Matadi und der circa 300 Kilometer entfernten Hauptstadt gibt es eine eingleisige Eisenbahnstrecke und eine gepflasterte Straße.

Zweigbüros in Europa schickten einige geländegängige Lkws in den Kongo, die beim Versand der Publikationen und beim Bau wertvolle Dienste leisten. Seit 1999 gibt es in Matadi ein Literaturlager. Das ist eine große Hilfe, denn dadurch kann die Literatur von den Schiffen sofort abgeladen und dann im Lager aufbewahrt werden, bis ein Lkw vom Bethel kommt, um sie abzuholen und nach Kinshasa zu bringen.

In den 80er Jahren war es noch möglich, von Kinshasa bis nach Lubumbashi quer durchs Land zu fahren und bei den Missionarheimen in Kananga und Mbuji-Mayi, die gleichzeitig Literaturlager waren, Halt zu machen. Mit dem Flugzeug schaffte man die Strecke zwischen Kinshasa und Lubumbashi in zwei Stunden, doch ein beladener Lkw brauchte dafür zwei Wochen! Im Lauf der Jahre wurden die Straßen allerdings immer schlechter, bis sie völlig unpassierbar waren. Zwar gibt es genug befahrbare Flüsse — ein Netz, das Tausende von Kilometern umspannt —, aber auf die Boote, die von Kinshasa aus ins Landesinnere fahren, ist kein Verlass. Hinzu kommen die ständigen politischen Unruhen in manchen Gegenden. Das grenzt den Radius, in dem die Bethelfahrzeuge von Kinshasa aus Literatur ausliefern können, noch mehr ein. Am besten lässt sich die Literatur in entlegene Winkel des Landes per Luftfracht versenden.

Damit die Brüder überall mit Literatur versorgt sind, helfen andere Zweige aus. Von Kamerun aus gelangen die Publikationen per Lkw über die Zentralafrikanische Republik in den Norden des Kongo. Von Ruanda und Kenia aus werden die östlichen Landesteile beliefert. Und in Gegenden im Süden erhalten die Versammlungen ihre Literatur aus Südafrika und Sambia.

Die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung — ein Segen für die Predigttätigkeit

Im Jahr 1995 fand in Kinshasa zum ersten Mal die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung statt. Bis April 2003 ist der Kurs 16-mal abgehalten und von mehr als 400 Brüdern besucht worden. Fünf von ihnen wurden Bezirksaufseher, über sechzig sind Kreisaufseher. Fünfzig Studenten kamen in den Sonderpionierdienst. Diese Brüder sind ein echter Gewinn und ihre Begeisterung für den Predigtdienst wirkt ansteckend.

Für einige war es nicht leicht, die Schule in Kinshasa zu besuchen. Zu ihnen gehörte zum Beispiel Georges Mutombo, der in einer von regierungsfeindlichen Truppen kontrollierten Gegend lebte. Zunächst musste er mit dem Rad 400 Kilometer bis nach Kamina fahren, wo das Flugzeug nach Kinshasa abgehen sollte. Unterwegs regnete es drei Tage lang und er musste 16 Militärkontrollen passieren. Außerdem ging seine Fahrt streckenweise durch eine Verbrechergegend. Einmal setzten ihm ein paar Straßenräuber auf dem Fahrrad nach. Die Verfolgungsjagd endete, als der Anführer der Gruppe plötzlich einen Platten hatte. Offensichtlich hatten die Banditen Georges jedoch angesehen, dass er ein Zeuge Jehovas war. Sie riefen ihm nämlich nach, sie würden ihn jetzt in Ruhe lassen, denn sie könnten sehen, dass sein Gott, Jehova, mit ihm war.

Ein neues Bethel, das dem Wachstum gerecht wird

Seit 1965 befand sich das Zweigbüro in Kinshasa im Stadtteil Limete in der Avenue des Elephants 764. Aber im Jahr 1991 kaufte man ein Grundstück im Industriegebiet der Stadt. Auf dem Grundstück standen drei große Gebäude, in denen sich früher eine Stofffabrik und später einige Werkstätten befunden hatten. Ziel war, das Zweigbüro an einen zentralen Ort zu verlagern, und dementsprechend wurden die Gebäude umgebaut. Wegen der höchst instabilen politischen Lage dauerte es zwar eine Weile, bis man mit den Arbeiten an den neuen Zweiggebäuden beginnen konnte. Aber mit dem Eintreffen von International Servants im Jahr 1993 war es dann so weit. Im April 1996 zogen die Bethelmitarbeiter von der Avenue des Elephants in die neuen Gebäude um. Ein Bethelältester meinte nach dem Umzug: „Jetzt ist die ganze Familie wieder zusammen wie vor 10 Jahren, bevor das Verbot kam. Wir danken Jehova Gott und seiner sichtbaren Organisation aus tiefstem Herzen für diese wunderschönen Gebäude.“ Im Oktober 1996 gab es erstmals über 100 000 Verkündiger. Und zur großen Freude der Brüder sah es ganz danach aus, als würden es noch viel mehr werden.

Missionare kommen als Unterstützung ins Land

In den 90er Jahren war es wieder möglich, Missionare in den Kongo zu schicken. Sie schlossen sich den sieben Missionaren an, die es geschafft hatten, während der Verbotsjahre im Land zu bleiben. Im Juli 1995 wurden Sébastien Johnson und seine Frau Gisela vom Senegal in den Kongo versetzt. Doch das war erst der Anfang. Weitere Missionare kamen aus den Vereinigten Staaten, nachdem sie die Gileadschule abgeschlossen hatten, andere kamen aus Belgien, Großbritannien und Frankreich. Im März 1998 trafen Christian und Juliette Belotti aus Französisch-Guayana ein. Im Januar 1999 siedelten Peter Wilhjelm und seine Frau Anna-Lise aus dem Senegal in den Kongo um. Später kamen aus Kamerun, Mali und dem Senegal noch weitere Missionare.

Im Dezember 1999 wurde in einem Wohnviertel in Kinshasa ein neues Missionarheim eröffnet. Dort leben zwölf Missionare. Das Missionarheim in Lubumbashi musste seit 1965 kein einziges Mal geschlossen werden. 2003 hat man dort ein zweites Missionarheim aufgemacht, wo momentan vier Ehepaare dienen. Im Mai 2002 wurde auch in Goma, im Osten des Landes, ein Missionarheim gegründet, wo sie im Moment zu viert sind. Die Missionare waren und sind ein echter Segen in diesem riesigen und produktiven Gebiet.

Als Christen im Krieg neutral

Die meisten Missionare kamen zu einer Zeit, in der das Land gerade im Umbruch war. Im Oktober 1996 brach im Osten des Landes Krieg aus, der schnell um sich griff. Ziel des Kriegs war der Sturz des Präsidenten Mobutu. Am 17. Mai 1997 marschierten die Truppen von Laurent-Désiré Kabila in Kinshasa ein und er wurde Präsident des Landes.

Im Fernsehen konnte man rund um die Welt entsetzliche Bilder von Not leidenden Flüchtlingen sehen, die von Hunger und Krankheiten geplagt waren. In dieser Zeit verkündigte Jehovas Volk unentwegt die Botschaft der Bibel, die den Menschen Hoffnung und Trost schenkt. Leider kamen Tausende von Menschen im Krieg um, darunter auch 50 Zeugen. Nach dem Krieg starben zudem viele an Cholera und anderen Krankheiten.

Wegen der Kriegswirren besitzen die meisten Menschen keinen Ausweis. Besonders problematisch wird das für die Brüder immer bei speziellen Predigtaktionen. Auf den Straßen gibt es nämlich überall Militärkontrollen. Die Verkündiger einer Versammlung hatten alle keine Ausweise. Ein Ältester schlug deshalb vor, stattdessen das Dokument zur ärztlichen Versorgung vorzuzeigen. An einem Kontrollpunkt sagten die Soldaten zu ihnen: „Das wollen wir nicht sehen. Wir wollen Ihren Ausweis sehen, der Sie als Bürger dieses Landes identifiziert!“

Die Brüder gaben zur Antwort: „Diese Karte weist uns als Zeugen Jehovas aus.“ Die Soldaten ließen sie passieren.

In Kisangani nahmen ausländische Söldner, die auf der Seite der Regierungstruppen kämpften, vier junge Brüder fest. Ihnen wurde zu Unrecht vorgeworfen, an den Feind Informationen weitergegeben zu haben. Jeden Vormittag wählten die Söldner zehn Gefangene aus, fuhren mit ihnen in den Busch und töteten sie. An einem Tag nahmen sie zusammen mit acht anderen Gefangenen auch zwei der Brüder mit. Sie fuhren davon. Unterwegs machte der Lastwagen Halt, weil auf der Straße eine Leiche lag. Die Söldner befahlen den beiden Brüdern, die Leiche zu vergraben. Als die Brüder damit fertig waren, warteten sie auf den Lkw, der inzwischen ohne sie weitergefahren war. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, zu fliehen, aber das wollten sie nicht, um das Leben ihrer beiden Freunde, die noch im Gefängnis waren, nicht zu gefährden. Der Lkw kam ohne die acht Gefangenen zurück. Sie waren erschossen worden. Im Gefängnis trauten alle kaum ihren Augen, als die beiden Brüder lebend zurückkamen. Kurze Zeit später nahm die gegnerische Seite die Stadt ein. Das Gefängnistor wurde aufgesprengt. Die Söldner flohen, und die Brüder kamen frei.

Zweigbüros in Europa kommen in Notzeiten zu Hilfe

Seit 1996 gibt es in weiten Teilen des Landes Krieg; zahllose Menschen sind vertrieben worden. Tausende von Brüdern aus dem Kongo flohen nach Tansania und Sambia in Flüchtlingslager. Je mehr Regionen die Rebellen unter ihre Kontrolle bekamen, desto schwieriger wurde es für das Zweigbüro, mit den Brüdern in den besetzten Gebieten Kontakt zu halten und sich um sie zu kümmern. In den größeren Städten wurden Hilfskomitees eingesetzt, die Sach- und Geldspenden verteilten. Die Bethelfamilie war sehr hilfs- und opferbereit und arbeitete bis spät in die Nacht, damit die Hilfsgüter verteilt werden konnten. Auf dem Luftweg schickten Zeugen Jehovas aus Belgien, Frankreich und der Schweiz tonnenweise Lebensmittel, Kleidung und Medikamente sowie 18 500 Paar Schuhe und 1 000 Decken in den Kongo. Die Hilfsaktionen gehen noch weiter. Dadurch kann die Not vieler gelindert werden. Und diese Hilfsaktionen kommen nicht nur Zeugen Jehovas zugute.

Im Oktober 1998 hieß es in einem Artikel einer Zeitung, die in Kinshasa erscheint: „Die christlichen Gemeinden der Zeugen Jehovas aus verschiedenen europäischen Ländern sammelten in einer gemeinsamen Aktion für Kongo (Kinshasa) und Kongo (Brazzaville) über 400 Tonnen Hilfsgüter. Dank der Zusammenarbeit freiwilliger Helfer aus England, Frankreich und der Schweiz sind bereits 37 Tonnen Reis, Trockenmilch, Bohnen und Vitaminriegel von Ostende (Belgien) nach Kinshasa eingeflogen worden und in der Landeszentrale der Zeugen Jehovas eingetroffen. Ein weiteres Flugzeug ... mit 38 Tonnen Lebensmitteln ... soll folgen.

Erwähnenswert ist, dass Jehovas Zeugen schon seit dem Völkermord in Ruanda Flüchtlingen in Ostafrika zu Hilfe kommen. ... Wie ein Sprecher der Zeugen Jehovas erklärte, trugen diese freiwilligen Spenden von insgesamt mehr als 200 Tonnen Lebensmitteln und Medikamenten dazu bei, die Choleraepidemie zu bekämpfen. Gleichzeitig waren auch mehrere Teams von Zeugen Jehovas aus Frankreich und Belgien im Einsatz, um Flüchtlingen in den Lagern zu helfen. Er erwähnte auch die Hilfsmaßnahmen der Zeugen Jehovas für Notleidende in Osteuropa und Bosnien.“

Der Krieg kann das Verhältnis zu Jehova nicht beeinträchtigen

Im September 1998 drangen die Rebellen in Ndjili, einen Vorort von Kinshasa, ein. Es kam zu heftigen Krawallen. Eine Gruppe Brüder suchte Schutz in einem Haus, wo gerade der Kreisaufseher untergebracht war. Er sprach für alle ein Gebet und las ihnen Jesaja 28:16 vor. In diesem Vers heißt es: „Keiner, der Glauben übt, wird in Panik geraten.“ Er redete allen gut zu, die Ruhe zu bewahren und auf Jehovas Führung zu vertrauen.

Manche schlugen vor, aus Ndjili zu flüchten und den Weg über die Brücke zu nehmen, andere wollten den Weg entlang der Eisenbahn gehen. Zu guter Letzt beschlossen die Brüder, einfach zu bleiben, wo sie waren. Drei Tage später brachten Regierungstruppen die Gegend wieder in ihre Gewalt. Die Brüder erfuhren, dass sie in jedem Fall genau in die Kampfzone geraten wären, egal welchen Weg sie genommen hätten.

Ein Bruder aus der Versammlung Museka Kipuzi in Katanga verkaufte einigen Soldaten Fisch. Nach einer Unterhaltung warfen ihm die Soldaten vor, ein Spion der Opposition zu sein. Er wurde gefesselt, brutal geschlagen und dann zum Militärhauptquartier der Region gebracht. Es war schon dunkel, als er dort ankam. Die Soldaten befahlen ihm, für sie zu tanzen. Der Bruder meinte: „Im Dunkeln können Sie doch gar nicht sehen, wie ich tanze. Was haben Sie dann davon?“

„Dann sing uns etwas vor“, erwiderten sie. Aus tiefstem Herzen sang der Bruder das Lied „Wirf die Bürde auf Jehova“. Der Text bewegte die Soldaten sehr und sie wollten das Lied noch einmal hören. Er wiederholte es. Einer der Soldaten verlangte danach von ihm, noch ein anderes Lied zu singen. Diesmal sang er das Lied „Hab Dank, Herr Jehova“, und zwar in seiner Muttersprache Kiluba. Als er es zu Ende gesungen hatte, nahmen ihm die Soldaten die Fesseln ab. Am nächsten Vormittag brachten sie ihn zurück in die Stadt und fragten in seiner Nachbarschaft etwas herum, um sicherzugehen, dass er wirklich kein Spion war. Bevor sie gingen, meinten sie: „Eigentlich hatte deine letzte Stunde geschlagen, aber jetzt wirst du nicht sterben. Deine Religion hat dir das Leben gerettet! Der Text von den beiden Liedern hat uns sehr berührt. Gib den Dienst für deinen Gott nicht auf!“

Königreichssaal-Bauprogramm zur Ehre Jehovas

In den letzten Jahren hat die leitende Körperschaft von Jehovas Zeugen den Bau von Königreichssälen in ärmeren Ländern verstärkt gefördert. Die Brüder im Kongo waren darüber sehr froh, denn sie hatten Königreichssäle dringend nötig. In Kinshasa gab es beispielsweise 298 Versammlungen, aber nicht einmal 20 würdige Säle. Im ganzen Land wurden Hunderte von Sälen benötigt. Im April 1999 lief das Königreichssaal-Bauprogramm in Kinshasa an. Später wurde es auf die anderen Provinzen des Kongo ausgedehnt. Bis Anfang 2003 sind in den beiden Kongos circa 175 Königreichssäle gebaut worden.

Ein Mann, der die Wahrheit schon seit den 50er Jahren kannte, beobachtete den Bau eines Königreichssaals gegenüber seiner Siedlung und war tief beeindruckt. Er sagte: „Ich habe die Zeugen früher nie für voll genommen. Aber jetzt sehe ich, was sie alles erreicht haben. Sie haben neben dem Haus meines Bruders einen Königreichssaal gebaut, und jetzt steht einer gegenüber meiner Siedlung. Sieht so aus, als ob die Zeugen mir überallhin folgen!“ Er nahm die Einladung für die Feier zum Gedenken an den Tod Christi und für die Einweihung dieses neuen Königreichssaals an. Mittlerweile besucht er regelmäßig die Zusammenkünfte.

Drei Versammlungen in Matete hielten ihre Zusammenkünfte in einem recht heruntergekommenen Gebäude ab, das sie 1994 gekauft hatten. Die Brüder hatten kein Geld, um das Gebäude herzurichten. Also blieb es sechs Jahre lang in diesem Zustand. Gegenüber stand eine große Kirche. Als sie gebaut wurde, sagte der Prediger, dass die Zeugen nun wohl bald von der Bildfläche verschwinden würden. Die Anwohner machten sich immer wieder über die Brüder lustig, weil sie keinen ansprechenden Versammlungsort hatten. Und selbst als die Brüder für einen neuen Königreichssaal bereits die Bausteine herstellten, lachten einige Nachbarn sie noch aus. Aber dann waren sie doch erstaunt, als sie die Ergebnisse sahen! Jetzt sagen sie, dass Jehovas Zeugen das schönste Gebäude in der Gegend haben. Eine Anwohnerin, die sich vorher nie mit den Zeugen unterhalten wollte, war sehr angetan von dem, was die Brüder leisteten. Sie sah sich die Baustelle an und versprach, beim nächsten Mal den Zeugen zuzuhören.

Auf einer Baustelle sprach eine Frau eine Schwester an, die das Essen für die Helfer kochte. Sie fragte: „Bauen Sie hier eine Kirche?“

„Wir bauen unseren Königreichssaal“, erwiderte die Schwester.

Daraufhin meinte die Frau: „Dieses Gebäude wird genauso werden wie Sie Zeugen Jehovas. Sie sind immer so ordentlich und gepflegt. Ihre Kirche wird genauso werden wie Sie!“

Änderung in der Leitung des Zweigbüros

Mit Blick auf das Gebiet und die Bedürfnisse der Verkündiger musste das Zweigkomitee umgebildet werden. Entsprechende Änderungen nahm die leitende Körperschaft im Mai 1996 vor. Am 20. Mai 1996 wurde Sébastien Johnson als Koordinator des Zweigkomitees eingesetzt. Er und Peter Ludwig, der zwei Monate zuvor ins Zweigkomitee gekommen war, bildeten vorerst das ganze Zweigkomitee, dem die Aufsicht über das Werk übertragen wurde. In den Jahren danach wurden weitere Brüder ins Zweigkomitee berufen: David Nawej, Christian Belotti, Benjamin Bandiwila, Peter Wilhjelm, Robert Elongo, Delphin Kavusa und Uno Nilsson. Aus Gesundheitsgründen mussten Peter Ludwig und seine Frau Petra nach Deutschland zurückkehren und sie gehören jetzt dort zur Bethelfamilie.

Die Brüder des Zweigkomitees setzen sich voll ein, damit die Verkündiger überall im Land theokratische Anleitung erhalten. Außerdem wurden Diener Jehovas aus Nordamerika, Europa und Japan als International Servants, Bethelmitarbeiter im Auslandsdienst und Missionare in den Kongo geschickt. Im Lauf des Dienstjahrs 2003 ist die Bethelfamilie in Kinshasa auf mehr als 250 Mitarbeiter angewachsen. Das Durchschnittsalter der Bethelfamilie lag bei 34 Jahren.

Es gibt noch viel zu tun

Ein Prophet aus alter Zeit schrieb: „Gesegnet ist der kräftige Mann, der sein Vertrauen auf Jehova setzt und dessen Zuversicht Jehova geworden ist“ (Jer. 17:7). Obwohl in mehreren Regionen immer noch Krieg herrscht, machen die Brüder die gute Botschaft vom Königreich überall bekannt. Und obwohl der Bürgerkrieg die Bemühungen des Zweigbüros behindert, den Brüdern im ganzen Land geistig zur Seite zu stehen, war es ermutigend, zu sehen, dass die Zahl der Verkündiger so hoch stieg wie nie zuvor: auf 122 857.

Dieser Bericht hat nun Erlebnisse von treuen Dienern Jehovas im Kongo geschildert. Es ist unmöglich, die Namen aller Brüder und Schwestern zu erwähnen, die dazu beigetragen haben, dass die gute Botschaft im Kongo verteidigt und gesetzlich befestigt wurde. Doch sie alle können sich ganz sicher sein, dass Jehova ihre Anstrengungen honoriert. Der Apostel Paulus schrieb einmal an Mitchristen: „Gott ist nicht ungerecht, dass er eure Arbeit und die Liebe vergessen würde, die ihr seinem Namen gegenüber erzeigt habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dient“ (Heb. 6:10).

Es gibt noch enorm viel zu tun. Neue Gebiete warten darauf, erschlossen zu werden. Königreichssäle müssen gebaut werden. Das Zweigbüro muss vergrößert werden. Doch nach dem Rückblick auf die mehr als 50 Jahre, in denen sich theokratisch gesehen im Kongo viel getan hat, kann man nur bestätigen, was unser Bruder 1952 sagte: „Wir sind wie die Körner in einem Sack Mais. Wohin man uns auch bringt, Korn für Korn — der Regen wird kommen und wir werden überall sprießen.“ Es ist spannend, mitzuverfolgen, wie viel unser himmlischer Vater Jehova von dem Königreichssamen noch aufgehen lassen wird (1. Kor. 3:6).

[Fußnoten]

^ Abs. 3 Im Lauf der Jahre hieß dieses Land Unabhängiger oder Freier Kongostaat, Belgisch-Kongo, Kongo, Zaire und seit 1997 ist es die Demokratische Republik Kongo. Inoffiziell nennt man es Kongo (Kinshasa), um es von seinem Nachbarland Kongo (Brazzaville) zu unterscheiden. In diesem Bericht wird durchweg einfach vom Kongo gesprochen.

^ Abs. 9 So hießen Jehovas Zeugen damals.

^ Abs. 155 Siehe Wachtturm vom 1. März 1985, Seite 3—10.

^ Abs. 173 Nach Entscheid des Obersten Gerichtshofs wurden den Brüdern schließlich wieder die Rechte auf das beschlagnahmte Grundstück zugesprochen, wo man Anfang der 80er Jahre mit dem Bethelbau begonnen hatte und das später von Soldaten besetzt worden war. Als die Soldaten im Jahr 2000 endlich abzogen, teilten Beamte vor Ort das gesamte Grundstück in kleinere Parzellen auf, die sie illegal an Siedler verkauften. Auf dem Grundstück leben nun Hunderte von illegalen Siedlern. Dieses Problem muss noch gelöst werden.

[Herausgestellter Text auf Seite 229]

„Jetzt werden wir [im Kongo] nie wieder was von Jehovas Zeugen hören!“

[Herausgestellter Text auf Seite 249]

„Eigentlich hatte deine letzte Stunde geschlagen, aber jetzt wirst du nicht sterben. Deine Religion hat dir das Leben gerettet!“

[Kasten auf Seite 168]

Kongo (Kinshasa) auf einen Blick

Landesnatur: Die Demokratische Republik Kongo, die zu beiden Seiten des Äquators liegt, ist gut und gern sechsmal so groß wie ihr Nachbarland Kongo (Brazzaville). Der Norden des Kongo ist zumeist von tropischem Regenwald bedeckt, der so dicht ist, dass das Sonnenlicht selten auf den Boden gelangt. Im östlichen Teil des Landes gibt es Berge und tätige Vulkane. Im Westen grenzt der Kongo mit einer 40 Kilometer langen Küste an den Atlantik.

Bevölkerung: Die 55 Millionen zählende Bevölkerung im Kongo setzt sich aus über 200 afrikanischen Volksgruppen zusammen. 50 Prozent sind katholisch; 20 Prozent protestantisch; 10 Prozent Kimbanguisten; 10 Prozent Muslime.

Landessprache: Es werden viele Sprachen gesprochen. Amtssprache ist zwar Französisch, aber die hauptsächlichen afrikanischen Sprachen sind Lingala, Kingwana, Suaheli, Kikongo und Tschiluba.

Existenzgrundlage: Der Kongo besitzt reiche Bodenschätze wie Erdöl, Diamanten, Gold, Silber, Uran. Doch durch die jüngsten Kämpfe im Land ist der Export drastisch zurückgegangen und die Auslandsschulden sind enorm gestiegen. Auf dem Land bauen die Familien einen großen Teil ihrer Nahrung selbst an, wie zum Beispiel Maniok, Mais und Reis.

Tierwelt: Es gibt sehr viele wild lebende Tiere. In den Wäldern wohnen jede Menge Paviane, Gorillas und andere Affenarten. Auf freierem Gelände leben Antilopen, Leoparden, Löwen, Nashörner und Zebras. In den Flüssen sind Krokodile und Nilpferde zu Hause.

[Kasten/Bild auf Seite 173, 174]

Seine Suche nach der Wahrheit war nicht umsonst

Henry Kanama gehörte zu einer evangelikalen Kirche in Luena. Er merkte aber, dass diese Religion nicht die Wahrheit lehrte. Zum Meditieren und zum Gebet ging er oft in die Berge. Dort stieß er auf eine Gruppe, die behauptete, mit unsichtbaren Geistern kommunizieren zu können. Angehörige dieser Gruppe erklärten Henry, Gott sei ihrer Meinung nach weit weg, wenn sie auch nicht wüssten, wo er sei.

Henry machte sich auf die Suche nach dem wahren Gott. Einige Zeit später lernte er einen Mann kennen, der ihm ein Erwachet! in Französisch gab. Was er darin las, klang für ihn auf Anhieb glaubwürdig und richtig. Genau danach hatte er gesucht! In der Zeitschrift sah er eine Adresse von Jehovas Zeugen. Er schrieb dorthin und fing kurz danach per Briefwechsel ein Bibelstudium an. Nach einer Weile fragte Henry in einem seiner Briefe, wie er sich zusammen mit seiner Frau Elisabeth und einigen Bekannten taufen lassen könne. Im Antwortschreiben nannte man ihm die Adressen der Zweigbüros in den Nachbarländern und bat ihn, sich an sie zu wenden. Die meisten Zweigbüros waren sehr weit weg.

Die kleine Gruppe, die sich aus Henry und Elisabeth und Hyppolite Banza und seiner Frau Julienne zusammensetzte, beschloss, nach Nordrhodesien zu gehen. Ihnen war klar, dass sie dort allerdings die Sprache Bemba lernen mussten, wenn sie die Wahrheit besser verstehen wollten. Sie durchdachten alles gut und zogen nach Rhodesien um. Nach sechs Monaten ließen sie sich 1956 taufen.

Noch im gleichen Jahr kehrten sie in den Kongo zurück, wo sie anderen begeistert von der guten Botschaft erzählten. 1961 wurden Henry und einige seiner Begleiter verhaftet und eingesperrt. Man warf ihnen vor, zu den Kitawala-Anhängern zu gehören, die einen Häuptling getötet hatten, der seinerseits die Ermordung eines anderen Häuptlings geplant hatte. Natürlich gab es hierfür keinerlei Beweise und später wurden sie wieder freigelassen.

Henry und Elisabeth gingen in den Pionierdienst. Etwas später wurden sie Sonderpioniere und kamen in den Kreisdienst. Henry ist 1991 gestorben, Elisabeth ist nach wie vor allgemeine Pionierin. Einer ihrer Söhne, Ilunga, ist Kreisaufseher.

[Kasten/Bilder auf Seite 178]

Albert Luyinu — ein treuer Zeuge

Albert hörte von der Wahrheit zum ersten Mal im Jahr 1951, und zwar durch seinen Arbeitskollegen Simon Mampouya aus Kongo (Brazzaville). Er war der erste einheimische Zahnarzt im Kongo, und aufgrund seiner hohen sozialen Stellung war es für ihn nicht leicht, sich zur Wahrheit zu bekennen. Er und seine Frau ließen sich 1954 nach dem Gedächtnismahl taufen. Die Taufe fand nachts statt, weil das Werk damals verboten war.

Von 1958 bis 1996 fungierte Albert als Rechtsvertreter der Vereinigung der Zeugen Jehovas (der im Kongo eingetragenen Körperschaft der Zeugen). Er weiß noch gut, wie er einmal eine Hochzeitsansprache von Bruder Heuse vor 1 800 Zuhörern dolmetschte. Als Erstes besprach Bruder Heuse die Aufgaben der christlichen Frau. Albert erinnert sich, dass er seine Frau und die anderen Schwestern dabei ganz selbstbewusst ansah und sich direkt ein paar Zentimeter größer fühlte. Doch als er hörte, welche Aufgaben und Pflichten ein christlicher Ehemann hatte, wurde er immer kleiner, bis er sich zum Schluss der Ansprache nur noch „so klein mit Hut“ vorkam.

[Bild]

Albert und Emilie Luyinu

[Kasten/Bild auf Seite 191-193]

Ein Interview mit Pontien Mukanga

Geburtsjahr: 1929

Taufe: 1955

Kurzporträt: Er war der erste Kreisaufseher im Kongo.

Im Jahr 1955 ging ich ins Krankenhaus, weil ich Zahnschmerzen hatte. Der Zahnarzt, Albert Luyinu, behandelte mich, und dann zeigte er mir den Text aus Offenbarung 21:3, 4, wo von einer Zeit gesprochen wird, in der es keine Schmerzen mehr gibt. Ich gab Albert meine Adresse, und er kam noch am selben Abend bei mir vorbei. Ich machte rasche Fortschritte und ließ mich im gleichen Jahr taufen.

Im Jahr 1960 wurde ich dann Kreisaufseher für den gesamten Kongo. Der Kreisdienst war damals nicht leicht. Tage- und sogar wochenlang fuhr ich hinten auf voll beladenen Lastwagen in der glühenden Sonne über holprige Straßen. Nachts piesackten mich die Stechmücken. Oft hatte der Lastwagen eine Panne, und ich musste warten, bis er wieder repariert war. Häufig ging ich auch allein irgendwelche Trampelpfade entlang, die nicht beschildert waren. Nicht selten habe ich mich verlaufen.

Einmal besuchte ich mit Leon Anzapa zusammen eine Stadt im Norden des Kongo. Von da aus fuhren wir mit dem Fahrrad weiter zu einer anderen Stadt, die 120 Kilometer entfernt lag. Aber wir verirrten uns und mussten eine Nacht in einem Hühnerstall schlafen. Die Hühner waren voller Ungeziefer, das uns sehr plagte. Darum machte der Mann, dem der Hühnerstall gehörte, mitten im Raum ein kleines Feuer. Aber der Raum hatte kein einziges Fenster.

In derselben Nacht kam es zu einem Gerangel zwischen dem Sohn des Hühnerstallbesitzers und einigen Dorfbewohnern. Nicht lange danach mischte sich auch der Vater in die Rangelei ein. Uns war klar: Sollte er den Kürzeren ziehen, ginge es sehr wahrscheinlich uns an den Kragen. In dieser Nacht haben wir vor lauter Ungeziefer und Rauch und wegen dieser Streithähne kein Auge zugetan.

Noch vor dem Morgengrauen schlichen wir uns mit unseren Fahrrädern davon, aber nach ein paar Kilometern hatten wir uns schon wieder verirrt. Wir fuhren einfach weiter und folgten einer verlassenen Straße. Am Abend war Leon so ausgehungert und erschöpft, dass er vom Fahrrad stürzte. Er schlug mit dem Gesicht auf einen Steinbrocken auf und riss sich die Oberlippe blutig. Er blutete wirklich heftig, aber wir fuhren weiter bis zum nächsten Dorf. Als die Dorfbewohner Leon sahen, wollten sie wissen, wer ihn so zugerichtet hatte. Wir erklärten ihnen, dass er vom Fahrrad gefallen war. Aber sie wollten uns das nicht glauben und beschuldigten mich, ihn so verletzt zu haben. Auch diesmal haben wir die ganze Nacht wach gelegen; Leon hatte große Schmerzen und die Dorfbewohner sprachen davon, es mir heimzuzahlen. Am nächsten Morgen fuhren wir weiter bis zu einem Dorf, wo es ein paar Medikamente gab. Die Leute dort kippten ein Antiseptikum auf Leons Lippe und verschlossen die Wunde dann mit sechs Klammern. Wir fuhren noch einmal 80 Kilometer weiter nach Gemena, wo ich Leon endlich zur Behandlung in ein kleines Krankenhaus bringen konnte. Danach fuhr ich allein weiter, bis ich wieder bei meiner Frau war. Gemeinsam arbeiteten wir uns dann flussabwärts nach Kinshasa vor.

Pontiens Frau Marie begleitete ihren Mann oft auf seinen Reisen. Sie starb im Jahr 1963. Pontien heiratete 1966 wieder und blieb bis 1969 im Kreisdienst. Er ist heute noch im Vollzeitdienst als allgemeiner Pionier.

[Kasten/Bild auf Seite 195, 196]

Ein Interview mit François Danda

Geburtsjahr: 1935

Taufe: 1959

Kurzporträt: Er war zwischen 1963 und 1986 reisender Aufseher und von 1986 bis 1996 im kongolesischen Bethel. Heute ist er Ältester und Sonderpionier.

Im Jahr 1974 war ich gerade in einer Versammlung in Kenge (in der Provinz Bandundu) zu Besuch, als militante Anhänger der amtierenden Partei sieben von uns verhafteten. Uns wurde hauptsächlich zur Last gelegt, dass wir uns nicht an politischen Zeremonien zu Ehren des Staatsoberhaupts beteiligten. Man steckte uns in eine zwei Quadratmeter große Zelle ohne Fenster. Wir konnten uns weder hinsetzen noch hinlegen; wir konnten uns nur gegeneinander lehnen. 45 Tage waren wir in dieser Zelle und nur zweimal am Tag durften wir kurz hinaus. Als meine Frau Henriette erfuhr, was passiert war, kam sie die knapp 300 Kilometer aus Kinshasa angereist, um mich zu sehen. Aber man ließ sie nur einmal in der Woche zu mir.

Eines Tages besuchte der Staatsanwalt das Gefängnis. Ihm zu Ehren hielt man eine politische Zeremonie ab. Alle außer uns sangen politische Lieder und riefen Parteiparolen. Der Staatsanwalt geriet außer sich und befahl mir, den anderen sechs Brüdern Order zu geben, zu singen. Ich erwiderte ihm, dass ich nicht über sie zu bestimmen habe und dass es ihre Entscheidung ist, ob sie singen oder nicht. Dafür bekam ich Schläge.

Später wurden wir auf einen Geländewagen verfrachtet. Zwei Soldaten waren als Wachen bei uns, und besagter Staatsanwalt saß vorn beim Fahrer. Wir waren auf dem Weg nach Bandundu, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Der Wagen fuhr sehr schnell. Ich sagte den Brüdern, sie sollten sich gut festhalten, und fing an zu beten. Als ich gerade mit Beten fertig war, fuhr der Wagen zu schnell in eine Kurve, überschlug sich und landete auf dem Dach. Erstaunlicherweise wurde niemand dabei getötet, ja nicht einmal verletzt. Wir hatten das Gefühl, dass uns Jehova beschützt hatte. Nachdem wir das Fahrzeug wieder umgedreht hatten, befahl der Staatsanwalt den beiden Soldaten, uns zu Fuß zurück ins Gefängnis zu bringen. Er fuhr weiter nach Bandundu.

Zurück im Gefängnis, erzählten die Soldaten den Verantwortlichen, was passiert war, und flehten sie an, uns freizulassen. Der Gefängnisdirektor war tief beeindruckt, und auch er glaubte so wie wir, dass uns Gott beschützt hatte. Die nächsten paar Tage kamen wir in eine normale Zelle und man erlaubte uns, mit den anderen Häftlingen im Hof zusammen zu sein. Dann wurden wir freigelassen.

Nach 24 Jahren Kreisdienst halfen François und Henriette im Bethel mit. Zehn Jahre später kamen sie in den Sonderpionierdienst. Henriette starb am 16. August 1998.

[Kasten/Bild auf Seite 200-202]

Ein Interview mit Michael Pottage

Geburtsjahr: 1939

Taufe: 1956

Kurzporträt: Michael und seine Frau Barbara waren 29 Jahre im Kongo. Sie sind jetzt im Londoner Bethel und Michael ist Ältester in einer Lingala-Versammlung.

Zunächst mussten wir lernen, uns mit anderen in ihrer Sprache zu unterhalten. Da hieß es als Erstes, fließend Französisch zu lernen, die Amtssprache im Kongo. Doch das war nur der Anfang. In Katanga lernten wir Suaheli, in Kananga brauchten wir Tschiluba und als wir nach Kinshasa kamen, lernten wir Lingala.

All die Mühe hat sich wirklich ausgezahlt. Erstens sind unsere Brüder immer schnell aufgetaut, wenn sie gesehen haben, wie sehr wir uns abgeplagt haben, um mit ihnen reden zu können. Für sie waren unsere Anstrengungen, ihre Sprache zu sprechen, ein echter Liebesbeweis. Zweitens wurde unser Predigtdienst dadurch konstruktiver. Wenn die Menschen uns in ihrer Sprache reden hörten, waren sie erst einmal überrascht. Dann freuten sie sich darüber und achteten uns deswegen. Und schließlich wollten sie sehr gern hören, was wir zu sagen hatten.

Im Bezirksdienst haben uns unsere Kenntnisse der Landessprachen in brenzligen Situationen oftmals gerettet. In Krisenzeiten waren Straßensperren der Militärs und politischer Parteien gang und gäbe und ein willkommener Anlass, um Bestechungsgelder einzukassieren. Vor allem Ausländer galten als eine lukrative und einfache Geldquelle. Wenn wir an eine Straßensperre kamen, grüßten wir die Soldaten stets in ihrer Sprache. Sie wichen immer überrascht zurück und fragten uns, wer wir seien. Wenn wir ihnen dann über eine simple Begrüßung hinaus in ihrer eigenen Sprache genau erklären konnten, was wir taten, reagierten sie in der Regel gut, baten uns um Publikationen und wünschten uns mit Gottes Segen eine sichere Reise.

Die hingebungsvolle, aufrichtige Liebe unserer afrikanischen Brüder hat uns oft tief berührt. Viele Jahre lang war der Kongo nur ein Einparteienstaat, der jeden, der neutral blieb — wie Jehovas Zeugen —, aktiv und mitunter auch brutal bekämpfte. In diesem politischen Klima reisten wir im Bezirksdienst mit dem Jeep durch das Land und dienten unseren Brüdern auf den Kongressen.

An einen Kongress kann ich mich noch besonders gut erinnern. Am letzten Tag kam während des Abendprogramms der Chef einer lokalen politischen Partei hinter die Bühne. Er war betrunken und wurde ausfallend. Er wollte unter allen Umständen auf die Bühne und allen sagen, dass sie eine Parteikarte kaufen müssen. Als wir ihn nicht auf die Bühne ließen, wurde er wütend und beschimpfte uns lauthals, Jehovas Zeugen wären gegen die Regierung und gehörten ins Gefängnis. Ein paar Brüder konnten ihn zum Gehen bewegen. Er zog ab und schrie dabei, er würde uns dem Verwaltungsbeamten melden und dann zurückkommen und unseren Jeep und die Grashütte, wo wir wohnten, in Brand stecken. Wir wussten, dass das keine leere Drohung war.

Aber die Brüder waren wunderbar. Statt vor lauter Angst wegzulaufen, umringten sie uns und ermutigten uns, auf Jehova zu vertrauen und alles in seinen Händen zu lassen. Dann hielten sie abwechselnd die ganze Nacht bei unserer Grashütte und unserem Jeep Wache. Das war herzergreifend für uns. Die Brüder waren nicht nur bereit, ihr eigenes Leben zu geben, um uns zu schützen. Sie nahmen auch das Risiko in Kauf, nach unserer Abreise brutal behandelt zu werden, weil sie sich geweigert hatten, die politische Partei zu unterstützen. Diesen Ausdruck aufopferungsvoller christlicher Liebe und so viele andere zu Herzen gehende Liebesbeweise, die wir in unseren Jahren im Kongo erlebten, haben wir nie vergessen.

[Kasten/Bild auf Seite 211-213]

Ein Interview mit Terence Latham

Geburtsjahr: 1945

Taufe: 1964

Kurzporträt: Er war 12 Jahre lang Missionar und lernte Französisch, Lingala und Suaheli. Er dient momentan mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Spanien.

Raymond Knowles und ich flogen 1969 nach Kisangani. Damals war Kisangani die Hauptstadt der nordöstlichen Provinz des Kongo und hatte ungefähr 230 000 Einwohner.

Wir wurden von den wenigen Verkündigern und den vielen Interessierten dort ja so herzlich aufgenommen! Sie überschütteten uns mit Geschenken — Papayas, Ananas, Bananen und tropische Früchte, die wir noch nie zuvor gesehen hatten. Einige kamen sogar mit lebenden Hühnern und Schildkröten an. Samuel Tshikaka nahm uns netterweise bei sich auf. Wir fanden schon bald einen Bungalow, den wir mieten konnten. Dann gesellten sich Nicholas und Mary Fone sowie Paul und Marilyn Evans zu uns. Wir waren selig! Zusammen renovierten und strichen wir das erste Missionarheim in Kisangani. Es war ganz zugewachsen mit Kletterpflanzen und hohem Gras, und während unserer Säuberungsaktion störten wir auf dem Dachboden zwei Zibetkatzen auf. Später kamen noch Peter und Ann Barnes zu uns, zusammen mit Ann Harkness, die meine Frau wurde.

In den ersten vier Jahren, die wir in Kisangani predigten, lernten wir Lingala und Suaheli. Die gastfreundlichen, liebenswürdigen Menschen dort wuchsen uns ans Herz. Wir hatten so viele Studien, dass wir von frühmorgens bis spätabends unterwegs waren, um sie alle zu schaffen. In den Jahren in Kisangani erlebten wir mit, wie aus einer Gruppe von nicht einmal zehn Verkündigern acht Versammlungen wurden.

Als wir einmal auf der Straße den Ituri entlangfuhren, entdeckten ein paar von uns ein Pygmäenlager. Wir wollten ihnen unbedingt predigen. Die Pygmäen, so sagen manche Gelehrte, bezeichnen den Wald als ihre Mutter oder ihren Vater, weil er ihnen Nahrung, Kleidung und Obdach schenkt. Deshalb halten die Pygmäen den Wald für heilig und glauben, dass sie durch eine Zeremonie, die sie molimo nennen, mit ihm kommunizieren können. Bei dieser Zeremonie wird um ein Lagerfeuer herum getanzt und gesungen. Der Tanz wird von einer molimo-Trompete begleitet. Das ist ein langes Holzrohr, mit dem die Männer Töne und Tierlaute erzeugen.

Die Siedlung dieses Wandervölkchens, das gewöhnlich nur ungefähr einen Monat an einem Ort bleibt, war faszinierend und imponierte uns. Das Lager bestand aus bienenkorbförmigen Schlafstellen, die die Pygmäen aus jungen Bäumen und Blättern fertigten. Jeder Unterschlupf hatte nur eine Öffnung und war in weniger als zwei Stunden gebaut. Und er war groß genug, dass sich darin ein paar Pygmäen zum Schlafen einrollen konnten. Einige Kinder fassten unsere Haut und unsere Haare an; sie hatten noch nie im Leben Weiße gesehen. Das war wirklich ein besonderes Erlebnis, diese freundlichen Bewohner des Waldes zu treffen und ihnen zu predigen! Sie erzählten uns, dass sie schon vorher Zeugen getroffen hatten. Sie seien aus den Dörfern gekommen, in deren Umkreis sie ihre Lager aufgeschlagen hatten.

[Kasten/Bild auf Seite 215, 216]

Ein Interview mit David Nawej

Geburtsjahr: 1955

Taufe: 1974

Kurzporträt: Von allen einheimischen Mitgliedern der Bethelfamilie im Kongo ist er am längsten im Bethel. Er gehört außerdem zum Zweigkomitee.

Ich war überrascht, als ich 1976 einen Brief mit einer Einladung ins Bethel erhielt. In dem Brief waren die Wörter „dringend“ und „sofort“ unterstrichen. Ich lebte damals in Kolwezi, ungefähr 2 500 Kilometer von Kinshasa weg. Es fiel mir nicht leicht, von zu Hause wegzugehen, aber ich wollte so reagieren wie Jesaja: „Hier bin ich! Sende mich!“ (Jes. 6:8).

Als ich im Bethel ankam, zeigten mir die Brüder eine Schreibmaschine und fragten mich, ob ich Maschine schreiben kann. Ich antwortete ihnen, dass ich Schneider bin und weiß, wie man eine Nähmaschine bedient, aber eine Schreibmaschine? Nein. Doch ich klemmte mich dahinter und lernte Maschine schreiben. Damals arbeitete ich in der Übersetzung und in der Dienstabteilung.

Später sollte ich die Korrespondenz erledigen. Dazu gehörte, die Kupons weiterzuleiten, die Leute aus den Publikationen ausgeschnitten und an das Zweigbüro geschickt hatten. Gewöhnlich baten sie um weitere Publikationen. Ich habe mich oft gefragt, wie sie wohl auf die Literatur, die sie dann erhielten, reagiert haben. In einem Fall weiß ich es. Zwei junge Männer machten schnelle Fortschritte. Später wurden sie Pioniere und dann Sonderpioniere. Als sie ins Bethel geholt wurden, war einer von ihnen mein Zimmerpartner.

Manchmal schrieben die Leute auch ans Bethel und baten um Geld. Wir hatten einen Musterbrief abgefasst, in dem wir dem Empfänger taktvoll erklärten, dass unser Werk auf freiwilliger, unentgeltlicher Basis aufgebaut ist, und ihn anspornten, die Bibel zu studieren. Vor einiger Zeit erzählte mir ein Bruder, dass er durch einen solchen Brief in die Wahrheit gekommen ist. Er zeigte ihn mir. Er hatte vor Jahren ans Bethel geschrieben und um Geld gebeten. Die Anregung in dem Brief hat ihn bewegt und heute ist er in der Wahrheit.

Als Nächstes hatte ich mit Rechtsfragen zu tun. Einmal half ich einigen einheimischen Brüdern, die auf der Anklagebank saßen, weil sie kein Parteiabzeichen trugen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sagte zu den zuständigen Beamten: „Was beweist schon ein Abzeichen? Wir haben gerade einen Bürgerkrieg hinter uns, und alle, gegen die Sie gekämpft haben, haben solche Abzeichen getragen. Ein Abzeichen bedeutet gar nichts; es sagt nichts darüber aus, was jemand wirklich denkt. Was zählt, ist doch, was ein Mensch im Innern ist. Bürger, die Zeugen Jehovas sind, werden nie und nimmer einen Bürgerkrieg anzetteln. So eine gesetzestreue Haltung ist viel mehr wert als ein Abzeichen.“ Die Brüder wurden freigelassen. Jehova hat uns in solchen Situationen immer beigestanden.

Ich bin jetzt über 27 Jahre im Bethel. Obwohl ich körperlich nicht ganz auf dem Damm bin und keine besondere Schulbildung besitze, strenge ich mich sehr an, damit Jehova mich gebrauchen kann. Denn im Bethel gibt es immer noch viel, was „dringend“ und „sofort“ erledigt werden muss!

[Kasten/Bild auf Seite 219, 220]

Ein Interview mit Godfrey Bint

Geburtsjahr: 1945

Taufe: 1956

Kurzporträt: Er absolvierte die 47. Gileadklasse und diente 17 Jahre im Kongo. Momentan ist er Mitglied des Zweigkomitees in Ruanda. Er spricht Englisch, Französisch, Lingala, Suaheli und Tschiluba.

Im Jahr 1973 war ich mit einem einheimischen Bruder in Kananga im Predigtdienst. Wir waren gerade bei einem Bibelstudium, als Behördenvertreter ins Haus drangen und uns festnahmen. Die nächsten zwei Wochen verbrachten wir im Gefängnis. Mein Missionarpartner, Mike Gates, brachte uns die ganze Zeit über Essen, denn im Gefängnis selbst bekamen wir nichts. Schließlich wurden wir freigelassen. Drei Monate später hörten Mike und ich, dass alle Brüder aus einer Nachbarversammlung verhaftet worden waren. Genau an dem Tag sollte eigentlich unser Flug nach England gehen, wo wir einen internationalen Kongress besuchen wollten. Aber wir wollten auch unsere Brüder sehen und ihnen etwas zu essen bringen. Als wir den Haftrichter fragten, ob wir zu den Brüdern dürften, ließ er uns sofort verhaften. Das war eine Überraschung! Während wir auf den Gefängnisbus für unseren Abtransport warteten, hörten wir, wie unser Flugzeug abhob. Sicher könnt ihr euch vorstellen, wie geknickt wir da waren!

Als wir dann im Gefängnis saßen, sah ich viele Häftlinge, die schon vor drei Monaten da gewesen waren. Weil mein Missionarpartner, der mir damals das Essen gebracht hatte, ja nun selber im Gefängnis saß, fragten uns die Häftlinge: „Und wer bringt Ihnen jetzt was zu essen?“

Wir erwiderten ihnen, dass unsere Brüder uns etwas bringen würden, aber die Häftlinge schüttelten nur ungläubig den Kopf. Sie wussten, dass es weit und breit keine anderen europäischen Zeugen gab. Sie waren völlig verblüfft, als unsere kongolesischen Brüder am nächsten Tag so viel Essen brachten, dass wir ihnen sogar etwas abgeben konnten! Das war ein einmaliges Zeugnis für unsere internationale Bruderschaft und die Liebe, die uns vereint. Diese lieben Brüder riskierten, dafür eingesperrt zu werden. Fünf Tage später ließ man uns frei. So konnten wir dann doch nach England fliegen und kamen gerade noch rechtzeitig zum Kongress an.

[Kasten/Bild auf Seite 224-226]

Ein Interview mit Nzey Katasi Pandi

Geburtsjahr: 1945

Taufe: 1971

Kurzporträt: Sie predigte als unverheiratete Schwester furchtlos in schwierigen Gebieten und begleitete später von 1988 bis 1996 ihren Mann im Reisedienst. Heute ist sie im Sondervollzeitdienst in Kinshasa.

Alles fing 1970 an. Ich las gerade in der Bibel, als es bei mir zu Hause in Kinshasa an der Tür klopfte. Es war ein Mann mit seinem kleinen Sohn. Der Junge erzählte mir etwas über die Bibel und bat mich, in meiner Bibel Matthäus 24:14 aufzuschlagen. Eigentlich hatte ich mich immer für ziemlich religiös gehalten, aber ich konnte die Bibelstelle einfach nicht finden. Er half mir dabei und wir hatten ein nettes Gespräch.

Der Bruder sah, dass ich interessiert war, und lud mich zu einer Zusammenkunft am folgenden Sonntag ein. Das Predigtwerk war ja verboten, und deshalb fand die Zusammenkunft hinter dem Haus eines Bruders statt. Mir gefiel der Vortrag und ich blieb zum Wachtturm-Studium. Noch am selben Abend kamen die Brüder zu mir nach Hause und fingen ein Bibelstudium mit mir an.

Nach einer Weile ließ ich mich taufen und fing mit dem Vollzeitdienst an. In Unserem Königreichsdienst las ich, dass in anderen Teilen unseres Landes noch sehr viele Verkündiger benötigt wurden. Ich fragte, ob ich nach Kenge in der Provinz Bandundu gehen dürfe. Die Brüder waren einverstanden, aber sie gaben mir auch zu bedenken, dass dort einige verhaftet worden waren. Ich dachte mir: „Sie können ja nicht alle verhaften!“, und beschloss zu gehen.

Ich kam dort abends an und freute mich zu hören, dass der Kreisaufseher, François Danda, in der Versammlung zu Besuch war. Am nächsten Morgen ging ich zur Zusammenkunft für den Predigtdienst, musste aber feststellen, dass François und etliche andere Brüder festgenommen worden waren. Der Sicherheitschef wollte mich sprechen. Er sagte: „Wir wissen, dass Sie eine Zeugin Jehovas sind. Sie können in Kenge bleiben, wenn Sie wollen, aber wenn wir Sie je mit Ihrer Tasche herumlaufen sehen, nehmen wir Sie fest.“

Die Menschen in der Stadt waren recht ungehalten über den Sicherheitschef und seine Leute. Sie wussten, dass Jehovas Zeugen niemandem etwas zuleide taten. Sie waren der Meinung, die Sicherheitsbeamten sollten sich lieber um die Verbrecher kümmern — von denen es hier genug gab — und ihre Zeit nicht mit Jehovas Zeugen verschwenden. Nach einer Weile wurden die Brüder freigelassen.

Im Jahr 1975 wurde ich zur Sonderpionierin ernannt und reiste in viele Städte und Dörfer, wo ich immer so zwei, drei Wochen blieb. Nach kurzer Zeit waren sechs Gruppen mit Interessierten entstanden. In einem Brief an das Zweigbüro bat ich darum, dass Brüder zu uns geschickt würden, um die Gruppen zu betreuen.

Ich lernte Jean-Baptiste Pandi kennen, der ebenfalls Sonderpionier war. Schon früher hatte ich mich mit Missionaren über das Heiraten und den Vollzeitdienst unterhalten. Sie hatten mir erklärt, wenn ich gern lange im Vollzeitdienst bleiben wollte, wäre es einfacher, wenn ich keine Kinder hätte. Jean-Baptiste war damit einverstanden und wir heirateten. Für die Menschen hier sind Kinder eine Sicherheit im Alter. Aber die Zeiten haben sich geändert und ich kenne viele Eltern, die sehr enttäuscht worden sind. Jean-Baptiste und ich sind in keiner Weise enttäuscht worden.

Im Lauf der Jahre haben wir oft miterlebt, wie andere in die Wahrheit gekommen sind. Besonders glücklich bin ich über meine eigene Familie. Ich konnte nicht nur meinem Papa und meiner Mama, sondern auch meinen vier Brüdern und meiner Schwester helfen, die Wahrheit zu akzeptieren.

In Psalm 68:11 steht: „Die Verkündigerinnen der guten Botschaft sind ein großes Heer.“ Das bedeutet, dass auch wir Schwestern eine große Verantwortung haben und unser Bestes geben müssen. Ich bin Jehova so dankbar, dass ich etwas dazu beitragen darf.

[Kasten auf Seite 240]

Übersetzen von biblischen Publikationen

Französisch ist im Kongo zwar die Amtssprache, aber in Kinshasa und entlang dem Kongo wird hauptsächlich Lingala gesprochen. Lingala hat nicht gerade einen umfangreichen Wortschatz, aber dafür ein paar sehr aussagekräftige Wendungen. Zum Beispiel sagt man in Lingala für „bereuen“ kobongola motema, was wörtlich bedeutet: „das Herz umdrehen“. Eine andere Formulierung, die mit dem Herzen und mit Gefühlen zu tun hat, lautet kokitisa motema, was wörtlich heißt: „das Herz hinlegen“ oder mit anderen Worten: „sich beruhigen“.

Der Wachtturm erscheint seit Jahrzehnten in Lingala. Derzeit werden Publikationen in folgende Sprachen des Kongo übersetzt: Kiluba, Kinande, Kipende, Kisonge, Kituba, Lingala, Lingombe, Lomongo, Mashi, Monokutuba, Ngbaka, Suaheli (Kongo), Tetela, Tschiluba und Uruund.

[Kasten auf Seite 247]

Eifrig trotz einer Körperbehinderung

Richard ist 20 Jahre alt und gelähmt. Seit 15 Jahren ist er ans Bett gefesselt und kann nur seinen Kopf bewegen. Dennoch wurde er im Januar 1997 ungetaufter Verkündiger. Richard predigt allen, die ihn besuchen. Dabei schwingt in seiner Stimme vollste Überzeugung mit. Im Durchschnitt predigt er im Monat zehn Stunden. Am 12. April 1998 ließ er sich auf einer Trage zu einem Fluss nicht weit von seinem Zuhause bringen, weil er sich taufen lassen wollte. Momentan kann er regelmäßig alle Zusammenkünfte besuchen. Er bringt die Wahrheit auch einem seiner Verwandten näher, der bereits die christlichen Zusammenkünfte besucht und gute Fortschritte macht. Wenn dieser Bruder auch körperlich schwach ist — Gottes Geist macht ihn kraftvoll und stark.

[Kasten auf Seite 248]

„Kein Teil der Welt“

Eines Tages wurde die 12-jährige Esther in der Schule damit überrumpelt, dass ihr Lehrer von jedem Schüler verlangte, aufzustehen und die Nationalhymne vorzusingen. Als Esther an der Reihe war, erklärte sie dem Lehrer höflich, dass sie das nicht tun kann. Esther erzählt, wie es dann weiterging:

„Der Lehrer war sehr wütend. Ich hab ihn gefragt, ob ich vielleicht etwas anderes singen darf. Damit war er einverstanden. Also hab ich das Lied ‚Kein Teil der Welt‘ gesungen. Danach wollte der Lehrer, dass die ganze Klasse klatscht.

Nach dem Unterricht rief mich der Lehrer zu sich und sagte, ihm habe das Lied wirklich gefallen, besonders der Text. Er meinte: ‚Ich sehe, dass ihr Zeugen Jehovas euch wirklich von der Welt getrennt habt. Dein Verhalten in der Schule beweist das auch.‘

Eine meiner Klassenkameradinnen war ebenfalls sehr angetan. Sie stellte mir einige Fragen und ich beantwortete sie ihr. Am Ende des Schuljahrs mussten wir uns leider voneinander trennen, weil sie wegzog, aber ich hab ihr gesagt, sie soll dort nach Zeugen Jehovas suchen. Das hat sie auch gemacht, und jetzt ist sie unsere Schwester.“

[Kasten auf Seite 251]

Ehrlichkeit ehrt Gott

Ein Bruder arbeitete in einer Fabrik. Eines Tages ging während seiner Schicht ein Teil der werkseigenen Ausrüstung kaputt, weil seine Mannschaft einen Fehler gemacht hatte. Der Direktor beschloss, alle Arbeiter zu entlassen. Er zahlte ihnen ihren Lohn aus und schickte sie nach Hause. Zu Hause bemerkte der Bruder, dass er 500 Kongo-Francs (ungefähr 1 Euro) zu viel ausgezahlt bekommen hatte. Also ging er noch mal hin, um das Geld zurückzugeben. Bei der Gelegenheit gab er auch gleich Zeugnis. Dem Direktor imponierte die Ehrlichkeit des Bruders so sehr, dass er ihn bat, weiter bei ihm zu arbeiten.

[Übersicht auf Seite 176, 177]

KONGO (KINSHASA) — EINIGE WICHTIGE ETAPPEN

1932: Jehovas Zeugen bemühen sich, in den Kongo hineinzukommen.

1940

1949: Ein Erlass bestätigt das inoffizielle Verbot von Jehovas Zeugen.

1960

1960: Der Kongo wird unabhängig; eine Zeit lang herrscht religiöse Toleranz.

1962: In Léopoldville (dem heutigen Kinshasa) wird ein Zweigbüro gegründet. Die ersten Missionare reisen ein.

1966: Jehovas Zeugen werden offiziell anerkannt.

1971: Die rechtliche Anerkennung wird rückgängig gemacht.

1980

1980: Jehovas Zeugen werden erneut anerkannt.

1986: Jehovas Zeugen werden verboten.

1990: Inoffiziell herrscht Religionsfreiheit.

1993: Der Oberste Gerichtshof erklärt das Verbot von 1986 für ungültig. Die Brüder beginnen mit den Arbeiten an einem neuen Zweigbüro.

2000

2003: Kongo (Kinshasa) zählt 122 857 Verkündiger.

[Übersicht]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

Gesamtzahl der Verkündiger

Gesamtzahl der Pioniere

120 000

80 000

40 000

1940 1960 1980 2000

[Karten auf Seite 169]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

SUDAN

ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK

REPUBLIK KONGO

BRAZZAVILLE

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

Isiro

Bumba

Kongo

Kisangani

Goma

Bukavu

Bandundu

KINSHASA

KASAI

Kenge

Kikwit

Matadi

Kananga

Mbuji-Mayi

KATANGA

Kamina

Luena

Kolwezi

Likasi

Lubumbashi

ANGOLA

SAMBIA

[Ganzseitiges Bild auf Seite 162]

[Bild auf Seite 185]

Hélène, Ernest und Danielle Heuse in Kinshasa in den 60er Jahren

[Bilder auf Seite 186]

Viele Kongolesen waren beeindruckt, als sie in dem Film „Die glückliche Neue-Welt-Gesellschaft“ die Szenen mit der Taufe auf den internationalen Kongressen sahen

[Bild auf Seite 199]

Madeleine und Julian Kissel

[Bild auf Seite 205]

Im ganzen Land wurden schlichte Versammlungsstätten gebaut

[Bild auf Seite 207]

Das Zweigbüro in Kinshasa (1965)

[Bild auf Seite 208]

Kongress in Kolwezi (1967)

[Bild auf Seite 209]

Schlechte Straßen haben das Reisen erschwert

[Bild auf Seite 221]

Der Bezirkskongress „Göttliche Liebe“ (1980) war nach 8 Jahren wieder der erste große Kongress in Kinshasa

[Bild auf Seite 223]

Bepackt mit Proviant und Utensilien, sind viele tagelang zu Fuß unterwegs, um bei Kreis- und Bezirkskongressen dabei sein zu können

[Bild auf Seite 228]

Im Dezember 1985, nur drei Monate bevor ein strenges Verbot verhängt wird, findet in Kinshasa der Bezirkskongress „Bewahrer der Lauterkeit“ statt

[Bild auf Seite 230]

Während des Verbots wurden unsere Brüder eingesperrt und mussten brutale Schläge erdulden

[Bild auf Seite 235]

Zekaria Belemo, ein reisender Aufseher, besucht eine Gruppe Brüder, die aus dem Sudan geflohen sind

[Bilder auf Seite 237]

Da die Straßen im Land extrem schlecht sind, müssen die Fahrzeuge für den Transport der Literatur robust sein

[Bild auf Seite 238]

Die allerersten Studenten der Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung in Kongo (Kinshasa) (1995)

[Bild auf Seite 241]

Gisela und Sébastien Johnson

[Bild auf Seite 243]

In diesem Missionarheim in Kinshasa wohnen 12 Missionare

[Bilder auf Seite 244, 245]

1998 trafen aus Europa Hilfsgüter ein, die an Notleidende verteilt wurden

[Bilder auf Seite 246]

Reisende Aufseher wie Ilunga Kanama (unten links) und Mazela Mitelezi (kleines Bild: links) stehen in den Kriegsgebieten vor vielen schwierigen Situationen

[Bilder auf Seite 252, 253]

(1) Das Bethelgelände in Kinshasa

(2—4) Einige Königreichssäle, die in letzter Zeit gebaut wurden

(5) Ein Bruder hilft beim Bau eines Königreichssaals mit

[Bild auf Seite 254]

Das Zweigkomitee (von links nach rechts): Peter Wilhjelm, Benjamin Bandiwila, Christian Belotti, David Nawej, Delphin Kavusa, Robert Elongo, Sébastien Johnson und Uno Nilsson