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Island

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Island

Bei dem Namen Island denken viele sofort an Eis, Schnee und Iglus. Wenn man die Insel auf einer Karte sucht, bestätigt sich dieser Eindruck von Kälte noch. So weit nördlich wohnen sonst kaum Menschen. Immerhin grenzt dieser Inselstaat im Norden fast an den Polarkreis.

Island bedeutet „Eisland“ — doch in Wirklichkeit ist es dort gar nicht so kalt, wie der Name oder die geographische Lage vermuten lässt. Eine warme Meeresströmung, die ihren Ursprung etwas nördlich vom Äquator hat, trägt zu einem wesentlich milderen Klima bei, als man erwarten würde. Iglus gibt es übrigens keine. Die isländische Gesellschaft ist sehr fortschrittlich und man lebt in gut gebauten Häusern, die mit Erdwärme beheizt werden.

Island ist von starken Kontrasten geprägt. Im tiefen Winter lässt sich die Sonne nur wenige Stunden pro Tag am Horizont blicken. Zwar werden die langen, dunklen Nächte oft durch die spektakulären Polarlichter belebt, doch die Sonne scheint sich verkriechen zu wollen. Zum Ausgleich dafür hat man im Sommer mehrere Monate durchgehend Tageslicht. Im äußersten Norden des Landes bleibt die Sonne einige Wochen lang über dem Horizont. Das ist dann die Zeit der Mitternachtssonne.

Island gilt als das Land von Eis und Feuer, und das zu Recht. Etwa ein Zehntel der Fläche ist von Gletschern bedeckt. Und was das Feuer angeht, ist Island ein „Herd“ vulkanischer und geothermischer Aktivität. Hier sind schon Dutzende von Vulkanen ausgebrochen. In den vergangenen Jahrhunderten ist es alle fünf bis sechs Jahre zu einem Vulkanausbruch gekommen. Außerdem gibt es jede Menge heiße Quellen.

Dieses dünn besiedelte Land zeichnet sich durch viele Naturschönheiten und großen Tierreichtum aus. Saubere Luft, imposante Wasserfälle, zerklüftete Felsen und unberührte Natur locken viele Besucher an. Im Frühjahr kehren die Zugvögel in ihre Brutgebiete an den Klippen und in den Sümpfen zurück. Zu diesen Vögeln gehört die Küstenseeschwalbe, die bei ihrer alljährlichen Wanderung bis ans andere Ende der Erde, in die Antarktis, zieht. Die Klippen und Küsten sind von Papageientauchern, Eiderenten und Seemöwen bevölkert. Auf den Weiden grasen Schafe und das Hochland durchziehen die kleinen, robusten Islandpferde. Im Frühsommer schwimmen Lachse zu Tausenden flussaufwärts und springen die Wasserfälle hoch, um zu laichen.

Die 290 570 Einwohner Islands sind Nachkommen der Wikinger, die sich vor über 1 100 Jahren dort ansiedelten. Diese Siedler kamen überwiegend aus Norwegen und sprachen Altnordisch, wovon sich Isländisch herleitet. Bedeutende literarische Werke und die relative Isoliertheit des Landes haben dazu beigetragen, dass sich die Sprache kaum verändert hat. Dadurch können die Isländer heute noch die alten, zumeist im 13. Jahrhundert geschriebenen Sagas lesen. Die Isländer sind stolz auf ihre Sprache und wehren sich heftig gegen das Eindringen von Fremdwörtern.

Die ersten Siedler waren größtenteils „Heiden“. Erst Ende des 10. Jahrhunderts gab es Bestrebungen, den Isländern das „Christentum“ zu überbringen. Gegen Ende jenes Jahrhunderts ließen sich einige angesehene isländische Häuptlinge bekehren. Im Jahr 1000 bat das Althing, das isländische Parlament, einen angesehenen heidnischen Religionsführer, die beiden Religionen zu beurteilen. Überraschenderweise entschied er, man solle nur einen Glauben praktizieren, und zwar den „christlichen“. Diese Entscheidung wurde offenbar ohne großen Widerstand akzeptiert. Allerdings konnten die Leute weiter heimlich ihre heidnischen Götter anbeten und heidnische Bräuche pflegen. Diese eher politische als religiöse Einigung hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass die Isländer recht freidenkerisch und in religiösen Fragen liberal sind.

Heute gehören rund 90 Prozent der Bevölkerung der evangelisch-lutherischen Staatskirche an. Man findet zwar in fast jedem Haushalt eine Bibel, doch nur wenige sehen sie als Gottes Wort an.

Die gute Botschaft dringt nach Island

Anfang des 20. Jahrhunderts waren viele Isländer nach Kanada ausgewandert. Das lag zum Teil an den harten Lebensbedingungen, verursacht durch die Vulkanausbrüche und die Kälte. In Kanada hörten einige zum ersten Mal die gute Botschaft von Gottes Königreich — so auch Georg Fjölnir Lindal. Kurz nachdem er sich Jehova hingegeben hatte, wurde er Pionier. Da er Isländisch sprach, beschloss er 1929 im Alter von 40 Jahren nach Island zu ziehen. Er traf am 1. Juni in Reykjavík ein und war der Erste, der in Island die gute Botschaft verkündigte.

Bruder Lindal musste drei Monate lang auf seine erste Literaturlieferung warten, aber dann machte er sich sofort auf, allen Bewohnern des Landes zu predigen. Ende Oktober 1929 hatte er 800 Exemplare der Harfe Gottes auf Isländisch verbreitet. Er schrieb: „Seit meiner Ankunft hier habe ich eine Anzahl Städte mit insgesamt etwa 11 000 Einwohnern bearbeitet. Island hat gut 100 000 Einwohner. Ich muss also noch ungefähr 90 000 erreichen. Es dauert lange, bis man als Einzelner das ganze Gebiet hier durchkämmt hat, denn das Reisen ist sehr beschwerlich. Island ist ein bergiges Land mit einer zerklüfteten Küste. Da es keine Eisenbahn und kaum Straßen gibt, bin ich meistens mit dem Schiff unterwegs.“

Kein Wort der Klage spricht aus den wenigen handgeschriebenen Briefen in dem alten braunen Umschlag mit der fein säuberlichen Aufschrift „Island“. In demselben Brief von 1929 schrieb Lindal weiter: „Es erfüllt mich mit großer Freude, von einem schönen Erlebnis berichten zu können. Letztens hatte ich die Gelegenheit, einen Ort, den ich bereits bearbeitet hatte, erneut zu besuchen. Ich traf mehrere Leute, die bei meinem ersten Besuch Bücher gekauft hatten. Ein Mann sagte: ‚Ich habe Die Harfe schon zwei Mal durch und lese sie jetzt zum dritten Mal. Es ist ein gutes Buch. Vielen Dank, dass Sie vorbeigekommen sind.‘ Ein anderer meinte: ‚Da sind Sie ja wieder! Das Buch ist sehr gut. Warum kann man nicht alle Bücher von Richter Rutherford in Isländisch haben?‘ Ich teilte ihm mit, dass es vieles in Dänisch gibt. Darauf sagte er: ‚Schicken Sie mir alles, was Sie haben, ja, auch die Bände von Pastor Russell. Dann habe ich diesen Winter genug Studienmaterial.‘ Auch andere äußerten sich dankbar für die Bücher. Ich danke Gott, dass ich die Wahrheitsbotschaft Menschen bringen darf, die ein offenes Ohr dafür haben.“

Für eine Einzelperson war es eine gewaltige Aufgabe, alle Menschen auf dieser Insel zu erreichen, die gut halb so groß ist wie England. Von Norden nach Süden erstreckt sich Island über rund 300 Kilometer und von Osten nach Westen sind es ungefähr 500 Kilometer. Die Küste ist, wenn man die Fjorde und Buchten mitrechnet, 6 400 Kilometer lang. Trotzdem hatte Bruder Lindal nach zehn Jahren auf der ganzen Insel die gute Botschaft gepredigt und Literatur verbreitet. An der Küste reiste er mit dem Schiff und wenn er die Bauernhöfe landeinwärts besuchte, nahm er zwei Pferde zu Hilfe. Das eine trug ihn selbst und das andere seine Bücher und Habseligkeiten. Die Brüder, die ein paar Jahre mit ihm zusammenarbeiten durften, bevor er Island verließ, beschrieben ihn als hingebungsvoll, ernsthaft, schüchtern, zurückhaltend und wortkarg. Er war eine große, imposante Erscheinung — fast zu groß für die kleinen Islandpferde, mit denen er unterwegs war. Er war übrigens kräftig genug, sein Gepäck selbst zu tragen, falls er einmal kein Pferd hatte.

Als Bruder Lindal 1929 seine Mission begann, hatte er keine Ahnung, wie schwierig es sein würde und wie viel Geduld und Ausdauer nötig wären, um in Island das Eis zu brechen. Fast 18 Jahre lang war Bruder Lindal der einzige Zeuge Jehovas dort. Trotz seiner harten Arbeit war es ihm nicht vergönnt, mitzuerleben, dass jemand für das Königreich Stellung bezog. 1936 schrieb er: „In der Zeit, seit ich hier bin, habe ich zwischen 26- und 27 000 Bücher verbreitet. Viele Leute haben sie gelesen. Manche haben sich allem Anschein nach gegen die Wahrheit entschieden, aber die meisten sind einfach nur gleichgültig.“

Doch zumindest einige wussten die Botschaft, die er ihnen brachte, zu schätzen. Ein älterer Mann zum Beispiel nahm Die Harfe Gottes entgegen. Als Bruder Lindal ihn nach Monaten wieder besuchen wollte, traf er die Tochter des Mannes an. Sie sagte ihm, ihr Vater sei von dem Buch sehr angetan gewesen und habe es vor seinem Tod gründlich durchstudiert. Einem heidnischen Brauch entsprechend habe er sogar darum gebeten, dass dieses Buch bei seinem Tod mit in den Sarg gelegt werde. Die Bitte wurde ihm erfüllt.

Bruder Lindals lange Einsamkeit endete am 25. März 1947, als Absolventen der Wachtturm-Bibelschule Gilead nach Island kamen. Er setzte seinen Dienst fort, bis er 1953 nach Kanada zurückkehrte. 16 Jahre später beschloss Páll Heine Pedersen, der als Sonderpionier in Island eingesetzt war, nach Winnipeg (Kanada) zu reisen, um von Bruder Lindal aus erster Hand etwas über das Werk in Island zu erfahren. Inzwischen hatten nämlich die Missionare, die dort mit Bruder Lindal zusammengearbeitet hatten, das Land verlassen. Während eines Urlaubs in den USA fuhr Bruder Pedersen also mit dem Bus nach Winnipeg. Als er dort ankam, erfuhr er, dass Bruder Lindal am selben Morgen sein irdisches Leben beendet hatte. Bis zu seinem Tod hatte er Jehova treu gedient.

Mehr Erntearbeiter

Für das Predigen der guten Botschaft begann eine neue Ära, als 1947 die ersten Gileadmissionare eintrafen — beide aus Dänemark. Einer von ihnen war Leo Larsen. Im Dezember 1948 kamen noch zwei weitere Missionare hinzu: Ingvard Jensen aus Dänemark und Oliver Macdonald aus England. Diese neuen Erntearbeiter setzten das Werk von Bruder Lindal fort und verbreiteten große Mengen Literatur. Im Winter bearbeiteten sie Reykjavík und Umgebung und während des kurzen Sommers nahmen sie sich die ländlichen Küstengebiete vor. Eine bestimmte Predigttour ist Ingvard Jensen lebhaft in Erinnerung geblieben. Er schrieb: „Während meines ersten Sommers in Island begleitete ich einen der Missionare auf eine Fahrt ins Landgebiet. Normalerweise fuhr man mit dem Bus oder dem Schiff in das vorgesehene Gebiet und nahm Fahrräder, Zelte, Schlafsäcke, Literatur und Proviant mit. Eines Abends fuhren wir also mit dem Schiff nach Stykkishólmur an der Westküste und kamen am nächsten Tag nachmittags an. Wir hatten vor, alle Häuser in der Stadt zu besuchen und dann in das 100 Kilometer entfernte Borgarnes zu radeln. Von dort aus gab es täglich eine Fährverbindung nach Reykjavík. Es fing alles gut an. Wir hatten Mitte Juni und die Sonne schien. Nachdem wir am ersten Tag einen Teil der Stadt bearbeitet hatten, krochen wir in unsere Schlafsäcke. Allerdings wurde uns überhaupt nicht warm. Am Morgen sahen wir, woran das lag. Nachts waren zehn Zentimeter Schnee gefallen! Wir konnten die Tour nicht abbrechen, weil der Fährverkehr für eine Woche lahm gelegt war. Also mussten wir unseren Plan einhalten, die Stadt durcharbeiten und über eine Bergstraße zur nächsten Stadt radeln. Dabei besuchten wir die Bauernhöfe, die am Weg lagen.“

Sie fuhren bei Windböen von bis zu 110 Stundenkilometern durch Schneematsch und Regen und kamen nach vier Tagen in Borgarnes an. Ein kleiner Ausgleich für das schlechte Wetter war die außergewöhnliche Gastfreundschaft der Bauern entlang des Weges. Sie bekamen immer Kaffee und etwas zu essen vorgesetzt. Bruder Jensen berichtete, dass sie am Tag acht bis zehn Mahlzeiten einnahmen. Er sagte: „Ich hatte das Gefühl, es würde die Leute beleidigen, wenn wir ihr freundliches Angebot ablehnten. Und natürlich konnten wir bei dieser Gelegenheit gründlich über Jehovas aufgerichtetes Königreich Zeugnis ablegen.“

In den ersten drei Jahren Missionartätigkeit verbreiteten die Brüder über 16 000 Schriften. Mit den Rückbesuchen und Bibelstudien ging es allerdings nur schleppend voran. Die Leute nahmen zwar gern Literatur entgegen, aber bei der Botschaft sprang kein Funke über. Leo Larsen und seine Frau Missie können das nur bestätigen. Missie war übrigens 1950 aus Dänemark gekommen, um Leo zu heiraten. Einmal reisten die beiden an die Ostküste, um die Städte Höfn, Eskifjörđur, Neskaupstađur und Seyđisfjörđur zu bearbeiten. Auf dieser anstrengenden Reise verbreiteten sie 300 Bücher und etwa ebenso viele Broschüren. Sie hatten extra Lesezeichen drucken lassen, auf denen eine kurze biblische Botschaft und die Adresse der Missionare in Reykjavík stand. In jedem Buch steckte so ein Lesezeichen und jeder, der Literatur entgegennahm, wurde gebeten, an die Adresse zu schreiben, um sich eingehender über die Wahrheit zu informieren. Doch keiner reagierte.

Im Jahr 1952 beschloss man, dem Gebiet an der Nordküste mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Juni wurden deshalb Oliver und Sally Macdonald als Sonderpioniere nach Akureyri geschickt. Sally war 1949 aus England gekommen, um Oliver zu heiraten. Die beiden stießen auf den erbitterten Widerstand einer Gruppe von Plymouth-Brüdern unter der Führung des britischen Konsuls der Stadt. Er hatte viele Anhänger, und auch andere hörten auf ihn, wenn er Jehovas Zeugen in seinen Vorträgen und Artikeln angriff. Die Pioniere waren von Reykjavík her eine solche Gegnerschaft überhaupt nicht gewöhnt. Doch sie begegneten den Angriffen furchtlos, setzten ihre Tätigkeit einfach fort und ließen keine Gelegenheit aus, die falschen Anschuldigungen zu widerlegen. Ihre Gegenargumente wurden in einigen Zeitungen abgedruckt.

Die Pioniere bearbeiteten nicht nur die Stadt, sondern unternahmen auch Touren in die weitere Umgebung. Sie verbreiteten Literatur und kamen in den Genuss der typischen Gastfreundschaft, aber echtes Interesse an der Königreichsbotschaft fanden sie kaum. Bruder und Schwester Macdonald zogen im Juli 1953 nach Reykjavík zurück. Doch hatten sie in Akureyri Wahrheitssamen gesät, der später aufgehen sollte.

Eine Grundlage ist gelegt

Nach 27 Jahren des Pflanzens und Bewässerns kamen in Island endlich die Früchte der harten Arbeit zum Vorschein. Anfang 1956 bezogen sieben Neue Stellung für das Königreich und gaben sich Jehova hin. Bis dahin war das Interesse an der Wahrheit bei den meisten Leuten nicht von Dauer. Die einzige Ausnahme bildete Iris Åberg, eine englische Schwester, die dann aber das Land verließ. Jetzt ließen sich also sieben Neue taufen und damit war eine feste Grundlage gelegt. Die Missionare und Pioniere, die so angestrengt gearbeitet hatten, damit die Wahrheit Fuß fassen konnte, waren 1957 allerdings nicht mehr da. Sie hatten Island zumeist aus gesundheitlichen Gründen verlassen.

So kam es, dass die Sonderpionierin Edith Marx, die erst ein Jahr zuvor aus Dänemark gekommen war, 1957 mit der kleinen Versammlung allein dastand. Keiner von denen, die die Neuen zur Wahrheit und zur christlichen Reife geführt hatten, war übrig geblieben. Es wurden dringend weitere Erntearbeiter zur Unterstützung gebraucht. Nach kurzer Zeit kamen Sonderpioniere aus Dänemark, Schweden und Deutschland. Außerdem zogen viele Verkündiger und Pioniere nach Island, um beim Predigen zu helfen. Von nun an ging das Wachstum langsam, aber sicher voran.

Die Mehrung brachte aufregende Neuerungen mit sich, zum Beispiel regelmäßige Besuche des Kreisaufsehers und jährliche Bezirkskongresse. Man brauchte mehr Literatur in Isländisch. Der erste isländische Wachtturm war die Ausgabe vom 1. Januar 1960. Das Werk nahm dadurch großen Aufschwung. Wie sich die Brüder freuten, dass sie den Isländern diese Zeitschrift jetzt in ihrer Muttersprache anbieten konnten! Und wie glaubensstärkend für sie selbst, dass sie Monat für Monat in den Genuss dieser guten geistigen Speise kamen! Als der isländische Wachtturm auf einem Kreiskongress in Reykjavík angekündigt wurde, enthüllte man hinter dem Redner eine riesengroße Nachbildung der Zeitschrift. Die Brüder jubelten über dieses Geschenk von Jehova!

Bruder Pedersen weiß noch, dass im Oktober 1959, als er nach Island kam, nur die Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ in Isländisch zur Verfügung stand. Und viele Leute hatten bereits ein Exemplar. Die Verkündiger boten den Wachtturm und das Erwachet! in Dänisch, Englisch, Deutsch oder Schwedisch an, je nachdem welche Sprache ihr Gesprächspartner lesen konnte. Viele beherrschten zwar eine dieser Sprachen, aber den Wachtturm in der eigenen Muttersprache lesen zu können, hatte eine viel größere Wirkung. Das Predigtwerk bekam dadurch starken Auftrieb. Die 41 Verkündiger und Pioniere nahmen in jenem Dienstjahr 809 Abonnements auf und verbreiteten 26 479 Zeitschriften. Auch die Zahl der Bibelstudien nahm zu.

Ein weiterer Meilenstein war die Gründung eines Zweigbüros am 1. Januar 1962. Zuvor hatte Island den USA unterstanden und noch früher dem dänischen Zweigbüro. 1969 wurden Jehovas Zeugen dann rechtlich anerkannt und beim Ministerium für Justiz und kirchliche Angelegenheiten registriert. Jetzt hatten sie die gleichen Rechte wie alle anderen Religionsgemeinschaften und durften Ehen schließen und Beerdigungen abhalten.

Geistliche leisten Widerstand

In dem Monat, als das Zweigbüro eingerichtet wurde, bekamen die Brüder den Widerstand der Geistlichkeit zu spüren. Eines Morgens stand in den Schlagzeilen einer großen Zeitung, dass der Bischof der Staatskirche eine Broschüre herausgegeben hatte, in der die Leute davor gewarnt wurden, Jehovas Zeugen zuzuhören. Der Titel der Broschüre lautete Vottar Jehóva — advörun (Jehovas Zeugen — eine Warnung). Andere Zeitungen griffen die Story auf. Dann veröffentlichte Vísir, eine bekannte Abendzeitung, ein Interview mit einem Bruder vom Zweigbüro. In dem Artikel wurden unsere Ansichten erläutert. Auch diese Story griffen andere Zeitungen auf. So wurde ein enormes Zeugnis gegeben, und viele Menschen erfuhren von unserem Werk. Einige Leser schrieben Briefe zugunsten von Jehovas Zeugen, die ebenfalls in den Zeitungen abgedruckt wurden. Der Bischof schlug zurück, indem er eine „Antwort“ an uns veröffentlichte. Doch wir konnten in einem ganzseitigen Artikel in der größten Zeitung (Morgunbladid) unser Werk und unsere Glaubensansichten ausführlich erklären.

Die Broschüre mit der Warnung wurde im ganzen Land verbreitet. Dadurch wurden Jehovas Zeugen überall bekannt, und die Resonanz war noch viele Jahre lang im Gebiet zu spüren. Eine Zeitung schrieb über diese Publicity: „Der Bischof hat sich zum Werbechef für Jehovas Zeugen gemacht.“ Wir wurden sogar in entlegenen Winkeln bekannt, wo wir noch gar nicht predigten. Manche Leute hörten zwar auf den Rat des Bischofs, aber die meisten wurden einfach nur neugierig. Im nördlichen Akureyri reagierten die Bewohner allerdings feindselig. Ab und zu wurden Heinrich und Katherine Karcher, die dort als Pioniere tätig waren, von Jugendlichen mit Steinen beworfen. Jahre später verbreiteten religiöse Gegner in Akureyri die Broschüre des Bischofs von neuem. Sie hatten sie vor Ort nachdrucken lassen. In Reykjavík taten die Pfingstler dasselbe. Sie dachten, sie könnten dadurch unser Predigtwerk stoppen oder zumindest behindern.

Kongresse veranstalten — keine leichte Aufgabe

Kongresse waren für Gottes Diener in Island schon immer schöne Höhepunkte. Selbst als es nur ganz wenige Verkündiger gab, scheute man keine Mühe, Kongresse zu veranstalten. Der erste fand im Juli 1951 statt. Damals besuchten Percy Chapman aus Kanada und Klaus Jensen aus Brooklyn mehrere Kongresse in Europa und machten dabei einen Abstecher nach Island. Obwohl es nur eine Hand voll Verkündiger in Island gab, waren auf dem Kongress 55 Personen anwesend. Der nächste Kongress wurde sieben Jahre später, im Juni 1958, abgehalten, als der Zonenaufseher Filip Hoffmann zu Besuch war. Den öffentlichen Vortrag hörten sich 38 Personen an. Seither finden jedes Jahr Kongresse statt.

Fridrik Gíslason gehörte zu den wenigen Brüdern, die in den 1950er Jahren beim Kongressprogramm mitwirkten. Er erzählt: „Bei den ersten Kongressen war ich für die Küche zuständig. Davon abgesehen, dass ich die meiste Arbeit selber tun musste, konnte es durchaus sein, dass ich pro Tag noch drei- bis viermal am Programm beteiligt war. Bei der Küchenarbeit trug ich eine Schürze. Wenn ich dann in den Saal hetzte, um eine Ansprache zu halten, streifte ich mir schnell ein Jackett über, aber manchmal mussten mich die Brüder daran erinnern, die Schürze abzunehmen. Mittlerweile haben wir 400 bis 500 Anwesende bei den Kongressen, und es gibt viele fähige Älteste, die das Programm gestalten können.“

Auf den Bezirkskongressen sind die biblischen Dramen immer ein begeisternder und lehrreicher Höhepunkt. In Island konnte man die Dramen aus Mangel an Darstellern allerdings nur als Hörspiel aufführen. Der dänische Zweig stellte Farbdias zur Verfügung, die man passend zur Tonaufzeichnung zeigen konnte, damit die Dramen lebendiger wirkten. Dennoch erforderte so ein Drama eine Menge Vorbereitung. Zuerst musste man es ins Isländische übersetzen. Dann folgte die Aufnahme, für die man isländische Stimmen brauchte. Die Musik und die Geräuscheffekte wurden vom englischen Band übernommen. Manche mussten mehrere Rollen sprechen und dafür ihre Stimme verstellen. Mit der Zeit ging man dann aber zu richtigen Dramen über.

Das erste sollte 1970 auf dem Bezirkskongress aufgeführt werden und handelte von Königin Esther. Die Brüder nahmen das Projekt sehr ernst und übten fleißig. Es war für sie eine ganz neue Erfahrung, sich wie in biblischen Zeiten zu kostümieren oder sich einen Bart ankleben zu lassen. Dass auf dem Kongress ein richtiges Drama aufgeführt werden sollte, blieb bis zum Schluss ein Geheimnis. Es war eine gelungene Überraschung. Auf kleinen Kongressen, wo jeder jeden kennt und alle dicht vor der Bühne sitzen, will man natürlich herausfinden, wer welche Rolle spielt. Nach einem Drama sagte eine Schwester: „Stellt euch vor, ich hab nur einen einzigen Bruder erkannt! Das war der, der den König Nebukadnezar gespielt hat.“ Sie nannte den Namen des Bruders und war ganz überrascht zu erfahren, dass sie sich geirrt hatte. Die harte Arbeit der vielen am Programm Beteiligten wird sehr geschätzt. Und die Lehren, die durch Dramen in der eigenen Sprache vermittelt werden, sind für jeden wertvoll.

Begeisternde internationale Kongresse

Im Lauf der Jahre haben die isländischen Brüder auch Kongresse in anderen Ländern miterlebt. Fünf Delegierte aus Island hatten 1958 die einmalige Gelegenheit, dem internationalen Kongress „Göttlicher Wille“ in New York beizuwohnen. Viele besuchten 1961 den Kongress „Vereinte Anbeter“ und 1963 den Kongress „Ewige gute Botschaft“ in einem anderen europäischen Land. Andere erlebten die Freude, auf dem internationalen Kongress „Göttlicher Sieg“ im Jahr 1973 mit Brüdern aus vielen Ländern zusammen zu sein. Über hundert Verkündiger aus Island besuchten den internationalen Kongress „Friede auf Erden“ in Dänemark, der vom 5. bis 10. August 1969 in Kopenhagen stattfand. Das war die größte Gruppe aus Island, die je zu einem internationalen Kongress reiste, nämlich 80 Prozent der Verkündiger.

Da so viele Isländer den Kongress von 1969 besuchen wollten, arrangierte der dänische Zweig alles so, dass sie zusammensitzen konnten. Vormittags vor Programmbeginn trafen sich die Brüder aus Island in ihrem Sektor und hörten sich eine Zusammenfassung des Programms in ihrer Sprache an.

Unter den Kongressbesuchern befand sich auch ein junger Anwaltssohn mit Namen Bjarni Jónsson. Seinem Vater gehörte das Gebäude in Reykjavík, das die Brüder als Missionarheim und Zweigbüro gemietet hatten. Bjarni wusste kaum etwas über die Wahrheit und war eigentlich nicht mit den Brüdern nach Kopenhagen gereist, um den Kongress zu besuchen. Warum war er trotzdem da?

Kjell Geelnard, der damalige Zweigdiener, hatte einmal mit Bjarnis Vater Verschiedenes zu bereden. Er erzählte ihm auch von dem internationalen Kongress in Kopenhagen und dass eine Gruppe von Brüdern dorthin fahren wollte. Als der Anwalt das hörte, fragte er, ob sich sein ältester Sohn der Gruppe vielleicht anschließen dürfe. Da Bjarni gerade seinen Schulabschluss gemacht habe, wolle er ihm gern eine Auslandsreise schenken und Kopenhagen wäre nicht schlecht. Kjell fand diese Idee gut und sagte zu dem Anwalt: „Wenn Bjarni den Kongress besuchen möchte, um sich das Ganze mal anzuschauen, könnte man für ihn eine Unterkunft in Kopenhagen besorgen.“ Erfreut über dieses Angebot, fragte der Anwalt seinen Sohn, ob er gern mit den Zeugen Jehovas auf die Kongressreise gehen würde. Bjarni war sofort einverstanden.

Man wandte sich an die Unterkunftsabteilung, um Bjarni in Kopenhagen unterzubringen. Er durfte bei einer Familie von Zeugen Jehovas wohnen. Ein amerikanischer Delegierter, der sich mit einem isländischen Bruder namens Jakob ein Zimmer teilen sollte, hatte sich abgemeldet. Deswegen konnte Bjarni seinen Platz einnehmen. Aus irgendeinem Grund erschien auch Jakob nicht. Der Einzige, der bei der Familie auftauchte, war Bjarni. Da die Unterkunftsabteilung den Gastgebern nicht mitgeteilt hatte, dass Bjarni anstelle des amerikanischen Bruders kommen würde, dachte die Familie, dass es sich bei dem Gast um Jakob handelte.

Wenn Brüder aus verschiedenen Ländern zusammentreffen, tauscht man normalerweise schöne Erlebnisse aus. Deshalb war die dänische Familie ganz überrascht, dass „Jakob“ so wenig zu erzählen hatte. Und Bjarni fand es etwas merkwürdig, dass seine Gastgeber ihn ständig Jakob nannten. Da Jakob ein biblischer Name ist, dachte er sich, bei den Zeugen Jehovas sei es sicher üblich, sich in Gesprächen mit solchen Namen anzureden. Das Missverständnis klärte sich auf, als ein Bruder, der mit Bjarni im selben Haus untergebracht war, einen dänischen Pionier aus Island traf. Er fragte ihn, ob „Jakob“ neu in der Wahrheit sei, weil er so wenig über das Werk in Island zu berichten wusste. Der dänische Bruder sagte ihm, dass „Jakob“ eigentlich Bjarni hieß und ein Student aus Island war, der mit den Brüdern nach Kopenhagen gereist war. Die dänische Familie war jedenfalls sehr gastfreundlich und bot Bjarni sogar an, noch eine weitere Woche zu bleiben, damit er sich Dänemark ansehen konnte. Dieses nette Angebot berührte Bjarni sehr.

Bjarni besuchte tatsächlich den Kongress. Obwohl er nicht die Grundkenntnisse hatte, um alles mitzubekommen, machte das, was er sah und hörte, doch großen Eindruck auf ihn. Sobald er wieder in Island war, begannen er und seine Familie ein Bibelstudium. Bjarni kam gut voran und ließ sich 1971 taufen. Seit 1979 gehört er zum Zweigkomitee von Island.

Svanberg Jakobsson arbeitet seit vielen Jahren als Übersetzer im isländischen Zweigbüro und ist jetzt der Aufseher der Übersetzungsabteilung. Als junger Verkündiger besuchte er 1973 in London den internationalen Kongress „Göttlicher Sieg“. Er erzählt: „Ich kann mich noch gut erinnern, wie begeisternd es für mich war, die Brüder und Schwestern zu beobachten, wie sie zu Tausenden ins Stadion strömten. Auch die vielen Brüder und Schwestern aus Afrika in ihren bunten Gewändern faszinierten mich. Es war ein unvergessliches Erlebnis, mit Zehntausenden von Brüdern zusammen zu sein, sich mit ihnen das Programm anzuhören, mit ihnen zu singen, mit ihnen im Gebet vereint zu sein, mit ihnen zu essen und einfach unter ihnen zu sein.“

Sólborg Sveinsdóttir, die sich 1958 taufen ließ, unternahm 1961 mit vier von ihren Kindern die sechstägige Schiffsreise nach Dänemark, um den Kongress in Kopenhagen zu besuchen. Sólborg gehörte zu einer kleinen Verkündigergruppe in Keflavík. Was für einen Eindruck hinterließ dieser große internationale Kongress bei ihr? Sie sagt: „Es war einfach überwältigend, über 30 000 Brüder gleichzeitig in fünf Sprachen Königreichslieder singen zu hören. Das ging unter die Haut. Alles war so gut organisiert.“

Die Reisen zu internationalen Kongressen waren natürlich teuer. Doch diese herrlichen geistigen Festmähler Jehovas zu besuchen und mit Tausenden von Gleichgesinnten zusammen zu sein, war es den Brüdern allemal wert.

Ein „Kellner“ kommt zu Besuch

Viele sind nach Island gezogen, weil dort Hilfe gebraucht wurde. Für sie alle bedeutete der Umzug, dass sie den langen, harten Kampf mit der komplizierten isländischen Sprache aufnehmen mussten. Doch manchmal bringen Verständigungsprobleme auch ungeahnte Vorteile mit sich. Als Heinrich Karcher eines Tages von Haus zu Haus ging, stellte er sich einer jungen Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte, als Prediger vor. Kaum hatte er sich so eingeführt, bat sie ihn auch schon herein. Sie hatte ihn falsch verstanden, weil in Isländisch „Prediger“ dasselbe Wort ist wie „Kellner“. Sie hielt ihn für einen Kollegen ihres Mannes, der im Hotel am Ort als Kellner arbeitete. Da ihr Mann gleich heimkommen würde, dachte sie, man könnte den vermeintlichen Arbeitskollegen ja schon mal hereinbitten. Natürlich mussten sie herzlich lachen, als sich das Missverständnis aufklärte.

Dann kam der Mann nach Hause und unser „Kellner“ servierte den beiden ein ausgezeichnetes geistiges Mahl, das ihnen herrlich mundete. Sie baten Heinrich sogar, wiederzukommen und seine Frau mitzubringen. Das junge Ehepaar fing ein Bibelstudium an und gab schon bald anderen Zeugnis. Selbst an seinem Arbeitsplatz im Hotel sprach der junge Kellner mit allen, die ihm ihr Ohr liehen. Nach einiger Zeit ließen sich die beiden taufen. Sie waren froh, dass der geistige „Kellner“ vorbeigekommen war und nicht gezögert hatte, ihnen in einer Sprache zu predigen, die nicht seine eigene war.

Im Lauf der Jahre haben die fremdländischen Brüder beim Erlernen der Sprache immer wieder für lustige Missverständnisse gesorgt. Sally Macdonald zum Beispiel bereitete kurz nach ihrer Ankunft in Island die Einleitung vor: „Ich besuche hier die Leute, um mit ihnen über einen interessanten Gedanken aus der Bibel zu sprechen.“ Allerdings verwechselte sie das Wort für besuchen (heimsækja) mit dem Wort für verfolgen (ofsækja) und sagte mit einem freundlichen Lächeln: „Ich verfolge hier die Leute.“

Von Haus zu Haus mit einem evangelischen Pfarrer

Holger und Tove Frederiksen aus Dänemark waren jahrelang treu als Sonderpioniere in Island tätig und standen auch eine Zeit lang im Reisedienst. Tove hatte zwar ihre liebe Mühe, Isländisch zu lernen und zu sprechen, aber durch ihren Eifer und ihre Begeisterung führte sie viele zur Wahrheit.

Während der Zeit im Kreisdienst ging Holger einmal mit einem jungen Verkündiger in einem kleinen Dorf von Haus zu Haus. Zu ihrer Verwunderung wurden sie vom evangelischen Pfarrer begleitet. Wie kam das?

Kurz vorher hatten sie ihn zu Hause besucht. Er hatte eine freundliche Miene aufgesetzt und sie in sein Büro gebeten. Nachdem er einen Blick auf die angebotene Literatur geworfen hatte, behauptete er: „In diesen Büchern stehen falsche Lehren!“ Plötzlich stand er auf, streckte die Arme hoch und belegte die Brüder mit einem Fluch. „Ich verbiete Ihnen, in meiner Gemeinde zu predigen!“, rief er. Holger sagte ihm, er habe kein Recht, sie am Predigen zu hindern, und sie würden ihre Tätigkeit fortsetzen. Darauf meinte der Pfarrer: „Wenn Sie hier in meiner Gemeinde weiterpredigen, dann gehe ich eben mit.“ Holger erwiderte, das könne er gerne tun.

Nachdem der Pfarrer sie zu zwei Nachbarhäusern begleitet hatte, trafen sie auf Tove und eine andere Schwester, die sich wunderten, wer da von Haus zu Haus mitging. Der Pfarrer lud sie alle zu einer Tasse Kaffee in sein Haus ein. Sie hatten ein nettes Gespräch. Doch Holger wurde das Gefühl nicht los, dass dieser plötzliche Anflug von Gastfreundschaft sie davon abhalten sollte, den Leuten im Gebiet zu predigen. Also gingen sie am nächsten Tag noch mal dorthin, arbeiteten das ganze Dorf durch, verbreiteten eine Menge Literatur und fanden bei vielen ein offenes Ohr.

Von einer Lawine aufgehalten

Wenn man auf dem Land predigen will, muss man oft Pässe überqueren und mit Straßen vorlieb nehmen, die in den dunklen Wintermonaten vereist und von Schneewehen bedeckt sind. Im Dezember 1974 besuchten Kjell und Iiris Geelnard im Reisedienst Akureyri an der Nordküste. Während der Besuchswoche unternahmen sie eine Fahrt von über 80 Kilometern nach Húsavík. Begleitet wurden sie von Holger und Tove Frederiksen. Die vier bearbeiteten ein paar Tage lang Húsavík und Umgebung und beendeten die Tour mit einem Diavortrag in einer Schule. Als die Zusammenkunft anfing, kam ein eisiger Sturm mit Schnee und Eisregen auf. Nach Schluss, als die Besucher gerade ihre Sachen zusammenpacken wollten, fiel wegen des Schneesturms in der ganzen Stadt der Strom aus. Die Brüder verließen die Schule im Dunkeln, freuten sich aber, dass der Strom erst nach dem Diavortrag ausgefallen war.

Die Geelnards und Frederiksens mussten nach Akureyri zurück. Sie erkundigten sich bei der Polizei und bei einigen Bus- und Lkw-Fahrern nach den Straßenverhältnissen. Man versicherte ihnen, bisher habe es kaum Probleme gegeben. Daraufhin beschlossen sie, so schnell wie möglich aufzubrechen. Doch das Packen bei Kerzenlicht brauchte seine Zeit. Und als sie tanken wollten, musste der Tankwart das Benzin mit der Hand pumpen. Gegen 21 Uhr waren sie endlich startbereit.

Kjell berichtet über die Fahrt: „Zuerst ging es ganz gut, aber dann schneite es immer heftiger. Manchmal war die Straße so schwer zu erkennen, dass Holger aussteigen musste, um uns mit einer Taschenlampe den Weg zu leuchten. Dann blieben wir immer wieder in Schneewehen stecken. Ein paarmal konnten wir uns durch Schieben und Schaufeln befreien, aber dann standen wir plötzlich vor einer enormen Schneewand. Später erfuhren wir, dass dort eine Lawine niedergegangen war. Unter normalen Bedingungen dauert die Fahrt von Húsavík nach Akureyri zwei Stunden, aber wir waren jetzt schon sechs Stunden unterwegs und hatten nur die halbe Strecke geschafft.

Da standen wir nun um drei Uhr morgens — durchnässt, müde und schlotternd vor Kälte. Man kann sich vorstellen, wie froh wir waren, als wir in einem Bauernhof in der Nähe Licht brennen sahen. Deswegen hatten wir den Mut, dorthin zu gehen und anzuklopfen. Holger, ein höflicher und rücksichtsvoller Mensch, klopfte an die Haustür. Da sich niemand rührte, öffnete er die Tür, ging die Treppe hoch und pochte zaghaft an die Schlafzimmertür. Der Bauer und seine Frau schreckten zwar auf, nahmen ihm den Überfall aber nicht übel. Sie erzählten, dass sie beim Stromausfall zu Bett gegangen waren und vergessen hatten, das Licht auszuschalten.

Jetzt bekamen wir eine Kostprobe der isländischen Gastfreundschaft. Der Bauer und seine Frau brachten ihre schlafenden Kinder in einen anderen Raum, damit wir vier zwei Schlafzimmer für uns hatten. Und nach einer kleinen Weile standen heißer Kaffee und köstliches Brot auf dem Küchentisch. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück bestand der Bauer darauf, dass wir zum Mittagessen blieben. Nachdem wir zusammen mit der Familie gegessen hatten, setzten wir die Fahrt nach Akureyri fort. Inzwischen hatten zwei große Schneepflüge die Straße geräumt. Die Gastfreundschaft des Bauern und seiner Frau hatte uns die Gelegenheit geboten, mit ihnen über die biblische Wahrheit zu sprechen.“

Predigen auf See

Kjell Geelnard lernte im Predigtdienst einen jungen Mann mit Namen Fridrik kennen. Er war der älteste Sohn der Familie, war ein gläubiger Mensch und unterhielt sich gern über die Bibel. An seinen vielen Fragen merkte man, dass er großes Interesse daran hatte, die Bibel besser kennen zu lernen. Allerdings war es nicht leicht, ihn wieder anzutreffen, denn er war Maschinist auf einem Trawler. Die meiste Zeit war er auf See, und zwischen den Fangfahrten verbrachte er nur wenige Tage zu Hause. Doch Kjell erkundigte sich immer nach den Aus- und Einlaufzeiten des Trawlers und fragte Fridriks Mutter, wann sie ihren Sohn zurückerwartete. Manchmal erwischte er Fridrik im Hafen und manchmal zu Hause. So konnte er ihm helfen, Fortschritte zu machen.

Ende 1982 war Fridrik zu einem Kongress in Reykjavík eingeladen. Inzwischen war sein Glaube an Jehova schon so weit gewachsen, dass er darum betete, Mittel und Wege zu finden, um dabei sein zu können. Ein Mann aus seiner Mannschaft, der Urlaub beantragt hatte, überlegte es sich plötzlich anders. An seiner Stelle konnte sich Fridrik freinehmen und den Kongress besuchen. Das Programm hinterließ einen tiefen Eindruck bei ihm und er war sich jetzt sicher, dass er Jehova dienen wollte.

Zu Hause angekommen, erzählte Fridrik seiner Verlobten, wie er sich entschieden hatte und wie sich das auf sein Leben auswirken würde. Er wolle sie sehr gern zur Frau nehmen, aber wenn sie sich nicht vorstellen könne, mit einem Zeugen Jehovas verheiratet zu sein, solle sie die Verlobung besser lösen. Am nächsten Morgen klopfte jemand an die Tür des Missionarheims. Draußen standen Fridrik und seine Verlobte. „Helga will die Bibel studieren!“, sagte Fridrik kurz und knapp. Die Missionare kümmerten sich darum. Noch am selben Tag bat ein jüngerer Bruder von Fridrik um ein Bibelstudium. Und in derselben Woche brachte Fridrik seine jüngste Schwester mit zur Zusammenkunft und meinte: „Unnur will die Bibel studieren!“

Fridrik hatte nun den Wunsch, sich zum Zeichen seiner Hingabe an Jehova taufen zu lassen. Zuerst musste er allerdings seine Erkenntnis vertiefen und dann die Tauffragen beantworten. Das Problem war nur, dass er die meiste Zeit auf See zubrachte. Wenn Kjell ihn nicht zu Hause besuchen konnte, dann vielleicht an seinem Arbeitsplatz. Wie könnte man das bewerkstelligen? Fridrik heuerte Kjell als Helfer im Maschinenraum des Trawlers an. So ging Kjell Anfang 1983, mit Bibel und Studienmaterial im Gepäck, an Bord der Svalbakur.

„Das Arbeiten und Predigen an Bord der Svalbakur war ein unvergessliches Erlebnis“, berichtet Kjell. „Der Arbeitstag dauerte von halb sieben morgens bis halb sieben abends. Um 12 Uhr gab es Mittagessen und sowohl vormittags als auch nachmittags hatten wir eine Kaffeepause. Wir nutzten jede freie Minute zum Studieren, und es boten sich viele Gelegenheiten, der Schiffsbesatzung Zeugnis zu geben. An den Abenden studierten wir die Bibel und besprachen biblische Themen. Manchmal gingen wir erst nach Mitternacht zu Bett. Mittags versuchten wir, uns nicht lange in der Messe aufzuhalten, damit wir in Fridriks Kajüte den Tagestext besprechen konnten.“

Bei den Männern an Bord erregte es natürlich Aufsehen, dass jetzt ein Missionar zur Mannschaft gehörte. In den ersten Tagen waren sie argwöhnisch, weil sie nicht wussten, was sie erwartete. Doch dann hörten ihm einige gespannt zu. Einer zeigte ziemlich großes Interesse. Er wollte gerne bei den Tagestextbesprechungen in der Mittagszeit dabei sein. Als sich die Männer eines Mittags etwas ausgedehnter in der Messe unterhielten, wurde er ganz ungeduldig und sagte vor allen anderen zu Kjell und Fridrik: „Können wir jetzt nicht endlich nach oben gehen und den Tagestext lesen?“

Eines Abends luden Kjell und Fridrik die Mannschaft in Fridriks Kajüte ein, um gemeinsam das Erwachet! über Alkoholismus zu besprechen. Sieben Männer folgten der Einladung. Dieses denkwürdige Treffen sprach sich sogar auf anderen Trawlern herum.

„Nach fast zwei Wochen Predigen und Arbeiten an Bord der Svalbakur liefen wir im Hafen ein“, erzählt Kjell. „In dieser Zeit hatte ich mit Fridrik die Tauffragen durchgenommen, wir waren vielen biblischen Themen auf den Grund gegangen und hatten der Mannschaft Zeugnis gegeben und Schriften verbreitet.“ Im Frühjahr 1983 ließ Fridrik sich taufen. Fridriks Mutter, seine Schwester und Helga entschieden sich ebenfalls für die Wahrheit.

Bibelstudien am Telefon

Es war schon immer schwierig, den Menschen in den abgelegenen Gebieten dieser großen Insel die gute Botschaft zu predigen. Das Telefon ist eine große Hilfe, Interessierte zu erreichen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Viele sind dadurch mit der guten Botschaft vertraut geworden. Vor einigen Jahren besuchte Oddný Helgadóttir ihren Sohn und ihre Schwiegertochter, die mit Zeugen Jehovas Kontakt hatten. Als sie erzählten, was sie durch ihr Bibelstudium alles lernten, wollte sie auch die Bibel kennen lernen. Doch Oddný wohnte weit weg an der Nordwestküste Islands, über 300 Kilometer von der nächsten Versammlung entfernt. Als Gudrún Ólafsdóttir ihr ein Bibelstudium per Telefon anbot, freute sie sich sehr. Nach dem Anfangsgebet äußerte sich Oddný immer freimütig zu den Studienfragen in ihrem Buch. Bei ihrer gründlichen Vorbereitung schrieb sie alle angegebenen Bibelstellen ab. Dadurch konnte sie die Texte beim Studium vorlesen, sobald sie drankamen und musste sie nicht erst suchen. Als Oddný einmal zu Besuch kam, studierten sie bei Gudrún zu Hause. Sie fühlten sich beide etwas unwohl, weil sie sich zum ersten Mal beim Studium direkt gegenübersaßen. Spaßeshalber bot Gudrún an, ins Nebenzimmer zu gehen, wo ein zusätzliches Telefon stand.

Sobald Oddný merkte, dass sie die Wahrheit gefunden hatte, sprach sie auch mit ihrem Mann Jón darüber. Er interessierte sich dafür, doch sie war sich nicht sicher, ob es in Ordnung wäre, wenn sie das Bibelstudium leitete. Man sagte ihr, sie dürfe das Studium ruhig leiten, es sei aber angebracht, dabei eine Kopfbedeckung zu tragen. Sie brachte nicht nur ihrem Mann die Bibel näher, sondern sprach auch mit den Nachbarn über ihren Glauben. Nun wollte sie sich gern taufen lassen. Gudrún arrangierte, dass ein Ältester mit Oddný die Fragen in dem Buch Organisiert, unseren Dienst durchzuführen besprach, um zu sehen, ob sie die Voraussetzungen erfüllte. Nur eine Sache stand dem im Weg: Sie war noch nicht aus der Kirche ausgetreten.

Ungefähr eine Woche später rief sie Gudrún an und teilte ihr mit, dass sie jetzt nicht mehr zur Kirche gehörte. Auch ihr Mann hatte seinen Austritt erklärt. Das war für ihn eine bedeutende Entscheidung, weil er Vorsitzender des Kirchenvorstands gewesen war. Auf einem Kreiskongress ließ Oddný sich dann taufen. Der Kongress war ein schönes Erlebnis für sie, denn sie war erst ein einziges Mal mit einer kleinen Gruppe Zeugen zusammengekommen. Auf dem Kongress wurde sie in einem Interview gefragt, ob es schwer sei, so abgeschieden zu leben. Sie antwortete, sie fühle sich nie allein, weil sie wisse, dass Jehova auch an der Nordwestküste Islands nicht fern ist. Dann sagte sie noch, sie sei traurig, dass ihr Mann den Kongress nicht besuchen konnte, aber er habe ihr versprochen zu kommen, wenn er so weit sei, sich taufen zu lassen. Er hielt Wort! Nach einiger Zeit zogen sie in ein dichter besiedeltes Gebiet, damit sie regelmäßig die Zusammenkünfte besuchen konnten.

Missionarheime und Königreichssäle benötigt

Als Nathan H. Knorr von der Weltzentrale der Zeugen Jehovas 1968 Island besuchte, empfahl er, ein Gebäude für die Unterbringung des Zweigbüros und der Missionare zu suchen. Bis dahin hatte man dafür mehrere Wohnungen gemietet. Jetzt sah man sich also nach einem Grundstück um, auf dem man einen Komplex mit Königreichssaal, Missionarheim und Zweigbüro bauen könnte. In der Zwischenzeit mietete man in Reykjavík ein Haus in der Hrefnugata 5 und am 1. Oktober 1968 zogen die sechs Missionare dort ein. Dieses Gebäude diente in den nächsten fünf Jahren als Ausgangspunkt für die Tätigkeit in Island. Später kaufte man ein Grundstück in der Sogavegur 71. Im Frühjahr 1972 wurde mit dem Bau des neuen Zweigbüros begonnen. Das war ein gewaltiges Projekt für die wenigen Brüder dort, die vom Planen und Bauen nicht viel Ahnung hatten. Da es unter ihnen keine Bauunternehmer oder Maurer gab, musste man auf Fachleute zurückgreifen, die keine Zeugen waren. Diese Bauunternehmer waren sehr entgegenkommend und ließen die Brüder mitarbeiten. Man mietete einen Teil eines benachbarten alten Hauses als Cafeteria. Die Schwestern kochten abwechselnd zu Hause für die Arbeiter und brachten das Essen zur Baustelle.

Durch den Bau wurde in der Umgebung ein gutes Zeugnis gegeben. Die Bauunternehmer und die Leute vom Bauamt hatten Gelegenheit, Jehovas Zeugen näher kennen zu lernen. Auch andere kamen vorbei, um zu beobachten, wie es voranging. Für den Innenputz stellte sich ein gelernter Maurer aus Dänemark zur Verfügung. Und auch Schwestern halfen fleißig auf dem Bau. Als einige Leute vom Bauamt zum Inspizieren kamen, fiel ihr Blick auf die Schwestern an der Betonmischmaschine. Einer sagte: „Davon können sich die Frauen in unserer Kirche eine Scheibe abschneiden. Durch Arbeit lassen sich bestimmt besser Kirchen bauen, als wenn man nur mit der Sammelbüchse herumläuft.“ Das Gebäude wurde im Mai 1975 eingeweiht, als Milton G. Henschel Island besuchte und die Ansprache zur Bestimmungsübergabe hielt. Es diente jahrelang als wichtigstes Missionarheim des Landes und als Königreichssaal für die Versammlungen in Reykjavík. Heute ist dort ausschließlich das Zweigbüro untergebracht.

Im Jahr 1987 wurden in Akureyri ein neuer Königreichssaal und ein Missionarheim fertig gestellt. Die Einheit des Volkes Jehovas und die internationale Bruderschaft waren deutlich zu erkennen, als über 60 Brüder und Schwestern aus Finnland und Schweden anreisten, um ihren isländischen Glaubensbrüdern beim Bauen zu helfen.

„Das beste Stück Holz“

Besuche von Vertretern der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas waren für die Brüder in Island immer ein großer Ansporn. Der Höhepunkt des Jahres 1968 war der bereits erwähnte Besuch von Bruder Knorr. Er hielt vor den Brüdern eine mitreißende Rede, brachte Erfahrungsberichte und sprach über die Fortschritte des Predigtwerks in Island.

Bruder Henschel kam im Mai 1970 zum ersten Mal nach Island. Die Missionare, die ihn willkommen hießen, sahen ziemlich verschlafen aus. Das lag nicht nur daran, dass Bruder Henschel in aller Frühe eintraf, sondern auch daran, dass der berühmte Vulkan Hekla tags zuvor ausgebrochen war und sie sich die ganze Nacht lang das Schauspiel angesehen hatten.

Bruder Henschel widmete sich intensiv den Missionaren und Sonderpionieren. Er lud sie alle zu einem besonderen Treffen ein und erzählte ihnen, was er selber als Pionier während der Weltwirtschaftskrise erlebt hatte. Damals hatten die Pioniere Literatur gegen Eier, Butter, Hühner, Gemüse, Brillen oder sogar einen Welpen eingetauscht. So konnte das Werk in dieser schwierigen Zeit weitergehen und die Pioniere litten keinen Mangel.

Wer nach Island kommt, wird das Essen hier wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig finden. Zu den isländischen Spezialitäten gehört svid, halbierter, gekochter Schafskopf. Man bekommt also einen halben Schafskopf mitsamt Zähnen und einem Auge auf dem Teller serviert. Vielen Ausländern wird es „Auge in Auge“ mit svid ziemlich mulmig zumute. Natürlich steht auch frischer Fisch auf dem Speiseplan. Eine andere isländische Spezialität ist hardfiskur: filetierter, getrockneter Fisch. Er wird roh und vorzugsweise mit Butter gegessen. Normalerweise ist er ziemlich hart und muss erst mal weich geklopft werden. Gespannt warteten die Missionare auf Bruder Henschels Reaktion, als man ihm diesen Fisch servierte. Nachdem er ihn probiert hatte, fragten die Missionare, wie es ihm schmecke. Er überlegte einen Moment und antwortete dann diplomatisch: „Also, ich würde sagen, das ist das beste Stück Holz, das ich je gegessen habe.“

Auch andere Besuche von Vertretern der leitenden Körperschaft haben den Brüdern in Island gut getan und sind ihnen unvergesslich geblieben. Sie haben dadurch gespürt, dass sie trotz ihrer Abgeschiedenheit und geringen Zahl zu einer internationalen Bruderschaft gehören, die von christlicher Liebe zusammengehalten wird.

Gutes Einvernehmen mit Ärzten und Medien

Im Jahr 1992 nahm in Island ein aus vier Brüdern bestehendes Krankenhaus-Verbindungskomitee (KVK) seine Tätigkeit auf. Zur Schulung besuchten zwei der Brüder ein KVK-Seminar in England und die anderen zwei ein Seminar in Dänemark. Nachdem alles Organisatorische geregelt war, kam das neu gegründete KVK mit dem medizinischen Personal einer großen Universitätsklinik zusammen. Es waren 130 Personen zugegen, darunter Ärzte, Krankenschwestern, Anwälte und Verwaltungspersonal. Da das KVK zum ersten Mal mit medizinischen Fachleuten zusammenkam, fühlten sich die Brüder verständlicherweise etwas beklommen. Doch die Tagung war ein Erfolg und hinterher vereinbarten sie Termine mit kleineren Gruppen von Ärzten und anderen Fachleuten in verschiedenen Krankenhäusern. Die Brüder stellten auch gute Kontakte zu führenden Chirurgen und Anästhesisten her. Probleme bei der Behandlung ohne Blut konnten so abgewendet beziehungsweise gelöst werden.

Im Jahr 1997 wurde ein neues Gesetz über Patientenrechte erlassen. Danach darf ein Patient nur mit seiner Einwilligung behandelt werden. Und wenn man die Wünsche eines Patienten, der nicht bei Bewusstsein ist, kennt, müssen sie respektiert werden. Auch bei Kindern ab 12 Jahren muss laut Gesetz die Behandlung immer abgesprochen werden. Gudmundur H. Gudmundsson, der Vorsitzende des KVK, sagte: „Die Ärzte sind im Allgemeinen sehr entgegenkommend und es gibt selten Probleme. Selbst große Eingriffe werden ohne Blut vorgenommen.“

Als das Erwachet! vom 8. Januar 2000 über Medizin und Chirurgie ohne Blut erschien, ermunterte man die Brüder, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um die Zeitschrift so weit wie möglich zu verbreiten. Das Zweigbüro gab Anregungen, wie man die Zeitschrift anbieten und Fragen zum Thema Blut beantworten könnte. Manche zögerten zunächst, mit der Zeitschrift zu arbeiten, merkten aber dann, dass die Leute an dem Thema interessiert waren. Es wurden über 12 000 Exemplare verbreitet. Das bedeutet, dass jeder 22. Einwohner eine Zeitschrift bekam. Ein Bruder meinte: „Ich hatte Schwierigkeiten, das Gebiet durchzuarbeiten, weil ich so viele schöne Gespräche hatte.“ Eine Schwester sagte: „Nur zwei Personen wollten die Zeitschrift nicht nehmen.“

Die Moderatorin einer landesweit ausgestrahlten, wöchentlichen Rundfunksendung erhielt dieses Erwachet! ebenfalls. In ihrer Sendung erzählte sie, wie sie an die Zeitschrift gekommen war, und fasste dann die Geschichte der Bluttransfusionen, wie sie im Erwachet! geschildert wurde, zusammen. Zum Abschluss erwähnte sie, dass jeder, der mehr Informationen über eine medizinische Behandlung ohne Blut wünsche, von Jehovas Zeugen eine Publikation zu dem Thema erhalten könne.

Die Aktion mit dem Erwachet! machte vielen bewusst, wie vernünftig unser Standpunkt zum Blut ist. Außerdem wurde den Leuten klar, dass Jehovas Zeugen nicht sterben möchten, sondern die bestmögliche Behandlung wünschen. Manche, die falsche Informationen über unseren Standpunkt erhalten hatten, waren jetzt eher für die Königreichsbotschaft aufgeschlossen.

Zwei Säle in vier Tagen

Ein herausragendes Ereignis im Dienstjahr 1995 war für die Brüder in Island der Bau von zwei Königreichssälen im Monat Juni. Einer entstand in Keflavík und der andere in Selfoss. Das waren hierzulande die ersten Königreichssäle in Schnellbauweise. Es dauerte nur vier Tage, bis sie beide fertig waren. Dieses Projekt wurde durch die Hilfe von lieben Brüdern aus Norwegen möglich. Der norwegische Zweig lieferte einen Großteil des Baumaterials, und über 120 Brüder und Schwestern reisten aus Norwegen an, um mit Hand anzulegen. Die meistgehörte Bemerkung auf den Baustellen war: „Das ist einfach unglaublich!“ Die Brüder in Island hatten ja schon von Königreichssälen in Schnellbauweise gelesen und gehört, aber jetzt sahen sie so ein Projekt mit eigenen Augen. Unglaublich war natürlich auch, dass sich die Zahl der Königreichssäle in Island innerhalb weniger Tage verdoppelte!

Abgesehen davon, dass die isländischen Brüder zwei neue Königreichssäle erhielten, genossen sie auch die Gemeinschaft mit den norwegischen Brüdern und Schwestern, die auf eigene Kosten gekommen waren und für das Projekt Urlaubstage geopfert hatten. Wahrhaftig eine internationale Bruderschaft! Auch die isländischen Brüder halfen bei den Bauprojekten mit. Über 150 packten mit an, also ungefähr die Hälfte der Verkündiger im ganzen Land.

Durch die Saalbauten wurde auch vor der Öffentlichkeit ein gutes Zeugnis abgelegt. In den landesweit ausgestrahlten Nachrichten von zwei Fernsehsendern zeigte man Bilder von den Baustellen. Auch berichteten mehrere Rundfunksender und Zeitungen über das Projekt. Einem Pfarrer in Selfoss behagte es gar nicht, dass die Zeugen Jehovas im Rampenlicht standen. Im Lokalblatt veröffentlichte er eine Warnung vor den angeblich gefährlichen falschen Lehren der Zeugen Jehovas. Er meinte, willensschwache und sensible Menschen sollten sich besonders vorsehen. In einem Rundfunkinterview wiederholte er die Warnung. Die erhoffte Wirkung blieb allerdings aus. Die meisten Leute staunten über die Königreichssaalprojekte, und im Predigtdienst sagten viele, sie wunderten sich über die Reaktion des Pfarrers.

Ungefähr eine Woche nachdem die Warnung des Pfarrers publik gemacht worden war, erschien in der Zeitung ein Cartoon: Im Vordergrund sieht man die Kirche, im Hintergrund den Königreichssaal. Zwischen den beiden Gebäuden fließt ein Fluss und ein paar lächelnde, gut gekleidete Brüder mit Taschen in der Hand gehen vom Königreichssaal aus über die Brücke in Richtung Kirche. Vor der Kirche springt eine Frau voller Panik aus ihrem Rollstuhl. Ein Mann mit einem Gipsbein und ein Blinder rennen los und rufen: „Schnell weg hier! Die Zeugen kommen!“ Auf den Stufen der Kirche steht der Pfarrer und macht große Augen. Dieses Cartoon fand großen Anklang. Die Zeitungsredaktion erklärte es zum besten Cartoon des Jahres. Es wurde vergrößert und aufgehängt und blieb mehrere Jahre in der Redaktion hängen.

Eine Ausstellung, die viel bewirkt hat

Im Dienstjahr 2001 gab es eine Ausstellung über die neutrale Haltung der Zeugen Jehovas vor und während des Zweiten Weltkriegs, als sie unter der NS-Verfolgung standhielten. Die Ausstellung fand an drei Orten statt und wurde von insgesamt 3 896 Personen besucht. Am letzten Wochenende war die Ausstellungshalle in Reykjavík mit 700 Besuchern völlig ausgelastet. An allen drei Orten lief durchgehend das Video Standhaft trotz Verfolgung — Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime in Isländisch. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit, Platz zu nehmen und sich das Video in voller Länge anzusehen.

Die Standhaftigkeit der Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern beeindruckte Besucher, die uns von dieser Seite noch nicht kannten. Eine Professorin, die mehrmals kam, sagte, die Ausstellung habe großen Eindruck auf sie gemacht und sie denke jetzt ganz anders über Jehovas Zeugen. Besonders habe sie der starke Glaube der Zeugen in den Konzentrationslagern bewegt. Im Unterschied zu den anderen Häftlingen hätten sie ja freikommen können, wenn sie sich von ihrem Glauben losgesagt hätten.

Auch das landesweite Fernsehen und regionale Fernseh- und Rundfunksender brachten positive Berichte über die Ausstellung. Zur Eröffnung kam auch ein evangelischer Pfarrer mit Frau und Tochter. Etwas später lud ein Bruder ihn zu einer Bethelbesichtigung ein und er nahm die Einladung an. Ein paar Tage darauf hatte eine Frau eine Frage zu einer bestimmten Bibelstelle. Der Pfarrer ermunterte sie, sich an das Zweigbüro der Zeugen Jehovas zu wenden. Dort werde sie bestimmt eine Antwort erhalten. Später fing ein Bruder ein Bibelstudium mit diesem Pfarrer an.

Das Übersetzen im Lauf der Jahre

Bei den wenigen Verkündigern in Island war es oft nicht leicht, die gesamte geistige Speise des „treuen und verständigen Sklaven“ ins Isländische zu übersetzen (Mat. 24:45). In der Anfangszeit waren die Übersetzer zumeist isländische Zeugen, die in Kanada lebten. Später wurde die Übersetzungsarbeit nach Island verlegt. Nachdem 1947 die ersten Missionare eingetroffen waren, lernten sie einen älteren Dichter kennen, der im selben Haus wohnte wie sie. Er konnte Englisch und half den Missionaren beim Erlernen der Sprache. Auch bot er seine Dienste als Übersetzer an. Die Brüder beauftragten ihn daher, das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ und die Broschüre Freude für alles Volk zu übersetzen. Leider griff er auf einen alten poetischen Stil zurück mit vielen ungebräuchlichen Wörtern und Wendungen. Einer der neuen Missionare und Bruder Lindal überprüften die Übersetzung zwar und tippten sie neu, aber das Buch wurde nie ein so gutes Studienhilfsmittel, wie man gehofft hatte. Dennoch wurde es weit verbreitet und hatte schließlich eine Gesamtauflage von 14 568 Exemplaren. Von der Broschüre wurden 1949 über 20 000 Exemplare gedruckt. Später engagierten die Brüder einen anderen Übersetzer für das Buch Was hat die Religion der Menschheit gebracht?

In jenen Jahren übersetzte eine kleine Gruppe von Brüdern mehrere Broschüren. Eine hieß „Diese gute Botschaft vom Königreich“ und wurde 1959 gedruckt. Mit dieser Broschüre konnten die Brüder viele neue Bibelstudien beginnen. Damals wurde auch die Genehmigung gegeben, den Wachtturm in Isländisch zu drucken.

Es wurden auch viele hervorragende Bücher übersetzt und veröffentlicht: „Dies bedeutet ewiges Leben“ (1962), Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies (1966), Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt (1970), Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben (1984) und Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt (1996). Ab 1982 erschien dann auch Erwachet! vierteljährlich in Isländisch.

Jahrelang hatten die Brüder kein Liederbuch in ihrer Sprache. 1960 wurden für einen Kongress vier Lieder übersetzt und vervielfältigt. Auf dem Bezirkskongress im November 1963 wurde zur großen Freude der Brüder ein kleines Liederbuch mit 30 ausgewählten Liedern in Isländisch freigegeben.

Bis dahin war das Singen in der Versammlung immer ein Sprachgemisch gewesen. Günther und Ruth Haubitz kamen 1958 als Sonderpioniere von Deutschland nach Island. Ruth kann sich noch gut daran erinnern, dass die fremdsprachigen Brüder alle ihre eigenen Liederbücher in Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Norwegisch oder Schwedisch benutzten. Die Isländer stimmten einfach in die Sprache ein, die sie am besten konnten. Ruth meinte dazu: „Es war schon ein ziemlich zusammengewürfelter Chor!“ Im Lauf der Jahre wurden immer mehr Königreichslieder übersetzt, aber erst 1999 erschien ein vollständiges Liederbuch mit allen 225 Liedern in Isländisch. Die Brüder sind für dieses Geschenk zum Lobpreis Jehovas sehr dankbar.

Auf dem Bezirkskongress im August 1999 gab es in Island etwas noch nie Dagewesenes. Das Buch Die Prophezeiung Daniels — Achte darauf! in Isländisch erschien gleichzeitig mit der englischen Ausgabe. Als der Redner auf dem Kongress die Freigabe des englischen Buches bekannt gab, klatschten alle. Doch statt den Brüdern wie üblich zu sagen, dass das Buch später auch in Isländisch erscheinen würde, hielt er zur großen Freude aller ein isländisches Exemplar hoch! Seither sind auch Band 1 und 2 des Buches Die Prophezeiung Jesajas — Licht für alle Menschen zur gleichen Zeit wie die englischen Bände erschienen.

Bethelerweiterung und mehr Wachstum

Im Jahr 1998 wurde das Zweigbüro renoviert. Man kaufte auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwei Wohnungen für Bethelmitarbeiter, damit im Zweigbüro mehr Büroraum für die Übersetzungsabteilung zur Verfügung stand. In den letzten Jahren hatten die Übersetzer übrigens auch öfter Besuch aus der Weltzentrale in New York. Sie wurden in Computerprogramme eingewiesen, die von Jehovas Zeugen speziell für die Übersetzungsarbeit konzipiert wurden.

Es kamen auch Beauftragte vom Hauptbüro, um den „Course in Improved English Comprehension“ abzuhalten. Dieser Kurs hat den Übersetzern geholfen, sich ein tieferes Verständnis des englischen Textes zu verschaffen, bevor sie mit dem Übersetzen beginnen.

Das Zweigbüro schreibt: „Rückblickend sind wir froh, dass einige den Mut aufbrachten, unter primitiven Bedingungen und mit begrenzten Sprachkenntnissen das Übersetzen ins Isländische in Angriff zu nehmen. Die Qualität war damals zwar nicht dieselbe wie heute, doch wir möchten den Tag kleiner Dinge nicht verachten (Sach. 4:10). Wir freuen uns darüber, dass Jehovas Name und sein Königreich auch in Island bekannt gemacht worden sind und dass viele Menschen die Wahrheit kennen gelernt haben.“

Zurzeit gibt es im Zweigbüro acht Vollzeitmitarbeiter. Andere pendeln zum Bethel und arbeiten Teilzeit mit. Als Ersatz für den Königreichssaal im Zweiggebäude wurde ein neuer Saal für die Versammlungen in Reykjavík gebaut. Dadurch kann man jetzt einen Umbau des Zweiggebäudes planen, sodass dort mehr Bethelmitarbeiter untergebracht werden können.

Das Predigen der guten Botschaft in Island erfordert Ausdauer, Opferbereitschaft und Liebe. Die harte Arbeit der eifrigen Königreichsverkündiger in den vergangenen 76 Jahren ist bestimmt nicht umsonst gewesen. Viele treue Brüder und Schwestern haben sich in dem Erntewerk eingesetzt. Eine ganze Anzahl sind für einige Jahre aus dem Ausland hierher gezogen und ihr Einsatz wird nicht in Vergessenheit geraten. Andere sind geblieben und haben Island zu ihrer Heimat gemacht. Auch die Ausdauer der vielen fleißigen Einheimischen ist sehr zu loben.

Der Verkündigerdurchschnitt — 281 — ist zwar klein, aber man kennt Jehovas Zeugen im ganzen Land. Zurzeit sind sieben Missionare in den Landgebieten und in kleinen Versammlungen auf der Insel eingesetzt. Im vergangenen Dienstjahr besuchten 543 Personen die Feier zum Gedenken an Christi Tod und es laufen fast 180 Bibelstudien.

Eines Tages wird man in Island vielleicht ein Wachstum haben, wie in Jesaja 60:22 beschrieben: „Der Kleine selbst wird zu einem Tausend werden und der Geringe zu einer mächtigen Nation. Ich selbst, Jehova, werde es beschleunigen zu seiner eigenen Zeit.“ Die Zeugen Jehovas in Island sind jedenfalls entschlossen, das Werk fortzusetzen, das ihnen der König Jesus Christus übertragen hat: das Predigen der guten Botschaft. Dabei vertrauen sie darauf, dass Gott die Wahrheitssamen in empfänglichen, dankbaren Herzen aufgehen lässt (Mat. 24:14; 1. Kor. 3:6, 7; 2. Tim. 4:5).

[Kasten auf Seite 205]

Wo Vornamen zu Nachnamen werden

Die Isländer haben traditionsgemäß keine Familiennamen. Man redet sich mit dem Vornamen an. Der Nachname eines Kindes setzt sich aus dem Vornamen des Vaters und der Nachsilbe -son bei Jungen und -dóttir bei Mädchen zusammen. Die Kinder von Haraldur zum Beispiel würden Haraldsson beziehungsweise Haraldsdóttir heißen. Frauen behalten bei der Heirat ihren Namen. Da so viele Isländer denselben Namen haben, steht in den Telefonbüchern nicht nur Name, Adresse und Telefonnummer, sondern auch der Beruf. Die Isländer können ihren Stammbaum über tausend Jahre zurückverfolgen.

[Kasten auf Seite 208]

Island auf einen Blick

Landesnatur: Der Inselstaat liegt direkt unter dem Polarkreis zwischen Nordatlantik, Grönlandsee und Norwegensee. Das Land ist reich an Vulkanen, heißen Quellen und dampfenden Geysiren. Ein Zehntel der Fläche ist von Gletschern bedeckt.

Bevölkerung: Als Nachkommen der Wikinger, die zumeist aus Norwegen kamen, sind die Isländer im Allgemeinen fleißig, kreativ und tolerant. Die meisten Bewohner leben in Küstennähe.

Landessprache: Die Amtssprache ist Isländisch. Doch viele Isländer sprechen noch zwei oder mehr Fremdsprachen, meist Deutsch, Englisch oder eine skandinavische Sprache.

Existenzgrundlage: Die Fischerei spielt für die isländische Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Die Trawler fangen Heringe, Kabeljaue, Kapelane und Schellfische, die zum großen Teil weiterverarbeitet und exportiert werden.

Nahrung: Man isst viel Fisch und Lammfleisch. Eine isländische Spezialität ist gekochter Schafskopf.

Klima: Durch eine warme Atlantikströmung herrscht ein gemäßigtes Klima. Die Winter sind mild, aber windig. Im Sommer ist es relativ kalt.

[Kasten/Bild auf Seite 210]

6. September 1942: „Nach wie vor ist nur ein einziger Pionier in dem Land tätig, also gibt es nicht viel zu berichten. Island hat ungefähr 120 000 Einwohner und es gibt rund 6 000 Bauernhöfe. Diese Höfe sind nur mit Reit- und Lastpferden zu erreichen. Um alle Häuser zu besuchen, muss man über 15 000 Kilometer reisen und viele Pässe und Wildbäche überqueren. Bislang ist kaum Interesse an der Botschaft zu beobachten.“

Diese Zeilen schrieb Georg F. Lindal nach 13 Jahren Pionierdienst in Island. Er sollte noch 5 weitere Jahre der einzige Verkündiger in Island bleiben.

[Kasten/Bild auf Seite 213, 214]

Ein Leben des treuen Dienstes

Oliver Macdonald, der die 11. Gileadklasse besucht hatte, gehörte zu den ersten Missionaren in Island. Er kam im Dezember 1948 zusammen mit Ingvard Jensen an. Sie waren von New York aus mit einem Frachter gefahren. Die Reise dauerte 14 Tage und auf dem Nordatlantik herrschte raue See. Beide waren die meiste Zeit seekrank.

Im März 1950 heiratete Bruder Macdonald Sally Wild aus England, die dort im Bethel gearbeitet hatte. Mac, wie man ihn liebevoll nannte, und Sally leisteten in jenen Anfangsjahren gute Arbeit. Einige, denen sie die Bibel näher brachten, dienen Jehova immer noch treu.

Mac und Sally kehrten 1957 nach England zurück. Sally starb an einer Krebserkrankung, die man in Island festgestellt hatte. Nach Sallys Tod nahm Mac wieder den Vollzeitdienst auf und war 13 Jahre lang zunächst allgemeiner Pionier und dann reisender Aufseher. 1960 heiratete er die Sonderpionierin Valerie Hargreaves. Gemeinsam waren sie in verschiedenen Kreisen Großbritanniens tätig — von Nordschottland bis zu den Kanalinseln vor der englischen Südküste. Als sie im Norden reisten und bis zu den Shetlandinseln vor der Nordküste Schottlands kamen, pflegte Mac zu sagen: „Die nächste Station ist bestimmt Island!“ Was als Scherz gemeint war, wurde Ernst.

Im Jahr 1972 wurden Mac und Valerie zu Missionaren ernannt und nach Island geschickt. Mac war dort Zweigdiener und später Koordinator des Zweigkomitees. Er und Valerie blieben sieben Jahre lang in Island und wurden dann als Missionare nach Irland geschickt — zuerst nach Dublin und später nach Nordirland. Nach 20 Jahren Tätigkeit in Irland starb Mac im Dezember 1999 an Krebs. Er hatte 60 Jahre im Vollzeitdienst gestanden. Valerie ist immer noch allgemeine Pionierin in Belfast.

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Valerie und Oliver Macdonald in Reykjavík (1970er Jahre)

[Kasten/Bild auf Seite 218]

Reykjavík

Reykjavík bedeutet „Rauchbucht“ und ist die Hauptstadt von Island. Es wurde von Ingólfur Arnarson, dem ersten festen Siedler, so benannt, weil von den heißen Quellen Dampf aufstieg. Heute ist Reykjavík eine geschäftige, moderne Stadt mit etwa 180 000 Einwohnern.

[Kasten/Bild auf Seite 223, 224]

Sie machten Island zu ihrer Heimat

Páll Heine Pedersen stammt aus Dänemark. 1959 wurde er als Sonderpionier nach Island geschickt. 1961 besuchte er zwei der internationalen Kongresse „Vereinte Anbeter“ in Europa und lernte dabei Violet kennen. Sie kam aus Kalifornien und wollte mehrere dieser Kongresse miterleben.

Nach den Kongressen ging Páll wieder zurück nach Island und Violet nach Kalifornien. Sie schrieben sich fünf Monate lang und im Januar 1962 zog Violet nach Island, um Páll zu heiraten. Er war nach wie vor Pionier und der einzige Zeuge Jehovas in einer dünn besiedelten Gegend im Nordwesten Islands. Die beiden wohnten in einem kleinen Städtchen, wo im Winter zwei Monate lang keine Sonne schien. Um manche Leute zu erreichen, mussten sie auf steilen und oft stark vereisten Straßen fahren. Ihr einziges Gefährt war ein Motorrad, das Páll aus Dänemark mitgebracht hatte. Da Violet im sonnigen Kalifornien aufgewachsen war, dachten viele Brüder, sie würde es nicht lange in Island aushalten. Doch sie schaffte es und gewann Land und Leute lieb.

Páll und Violet waren zusammen im Pionierdienst, bis 1965 ihre Tochter Elísabet zur Welt kam. Páll setzte seinen Pionierdienst bis 1975 fort und auch Violet war in dieser Zeit hin und wieder Pionier. 1977 beschlossen die beiden, wegen Pálls Gesundheit nach Kalifornien zu ziehen. Doch nach einiger Zeit zog es sie wieder irgendwohin, wo mehr Königreichsverkündiger gebraucht wurden. Sie nahmen erneut den Pionierdienst auf und als ihre Tochter mit der Schule fertig und erwachsen war, wurden sie wieder als Missionare nach Island geschickt. Einige Jahre lang waren sie im Missionar- und Reisedienst. 1989 wurde Páll dann ins Zweigkomitee berufen. 1991 eröffnete man in Island offiziell ein Bethelheim, in das Páll und Violet als erste Bethelmitarbeiter einzogen. Dort sind sie heute noch tätig.

[Kasten/Bild auf Seite 228, 229]

Bekannt für ihre Gastfreundschaft

Zu den sieben Neuen, die sich 1956 taufen ließen, gehörten auch Fridrik Gíslason und seine Frau Ada. Fridrik und Ada lernten die Wahrheit durch Oliver und Sally Macdonald kennen. Zuerst studierte nur Fridrik die Bibel und Ada traf sich den ganzen Winter über mit ihrem Nähklub. Im Frühjahr, als der Nähklub aufgelöst wurde, setzte sie sich während des Studiums in die Küche. Doch dann weckten die biblischen Gespräche ihre Neugier und sie fragte, ob sie als Zuhörerin mit dabeisitzen dürfe. Es dauerte aber nicht lange und sie beteiligte sich rege daran.

Später fand bei ihnen zu Hause regelmäßig ein englisches Wachtturm-Studium statt. Sie besuchten auch die Zusammenkünfte im Missionarheim. „Ich weiß noch, wie wir in einem kleinen Zimmer unter dem Dach zusammenkamen, wo die Missionare wohnten“, erzählt Fridrik. „Es passten 12 Stühle hinein, aber manchmal, wenn mehr Besucher kamen als sonst, öffneten wir die Tür zum nächsten Zimmerchen. Was für ein Unterschied zu heute, wo der Königreichssaal in Reykjavík mit drei Versammlungen ausgelastet ist!“

Fridrik und Ada wurden für ihre Gastfreundschaft bekannt. Obwohl sie sechs Kinder hatten, stand ihr Haus immer für die Brüder offen. Als die Versammlung noch ganz jung war, wohnten viele, die aus anderen Ländern nach Island kamen, bei Fridrik und Ada, bis sie eine eigene Wohnung fanden.

[Kasten/Bild auf Seite 232]

Die Bibel in Isländisch

Die ersten Bibelübertragungen ins Isländische sind in dem Werk „Stjórn“ aus dem 14. Jahrhundert enthalten, das Übersetzungen und freie Wiedergaben von Teilen der Hebräischen Schriften enthielt. Das erste vollständige „Neue Testament“ in Isländisch wurde 1540 gedruckt. Der Übersetzer war Oddur Gottskálksson, Sohn des Bischofs von Hólar. Er hatte in Norwegen den reformierten Glauben angenommen und war in Deutschland mit Martin Luther in Kontakt getreten. Zurück in Island, soll er unter schwierigen Bedingungen in einem Kuhstall an seiner Übersetzung gearbeitet haben, weil er seinen katholischen Arbeitgeber, den Bischof von Skalholt, nicht vor den Kopf stoßen wollte. Oddur übersetzte von der lateinischen Vulgata und brachte die fertigen Manuskripte persönlich nach Dänemark, um sie dort drucken zu lassen. 1584 gab Bischof Gudbrandur Thorláksson den Druck der ersten kompletten Bibel in Isländisch in Auftrag. Die erste vollständige Übersetzung der Bibel vom hebräischen und griechischen Grundtext wurde 1908 gedruckt und 1912 erschien eine revidierte Ausgabe davon.

[Bild]

„Gudbrandsbiblía“, die erste vollständige Bibel in Isländisch

[Übersicht auf Seite 216, 217]

ISLAND — EINIGE WICHTIGE ETAPPEN

1929: Georg F. Lindal kommt an, der erste Verkündiger im Land.

1940

1947: Die ersten Missionare treffen ein.

1950: Eine kleine Versammlung wird gegründet.

1960

1960: Der Wachtturm erscheint in Isländisch.

1962: In Reykjavík wird ein Zweigbüro eröffnet.

1975: Ein neues, größeres Zweigbüro wird eingeweiht.

1980

1992: Ein Krankenhaus-Verbindungskomitee wird gegründet.

1995: Im Juni werden zwei Königreichssäle innerhalb von vier Tagen gebaut.

2000

2004: Island zählt 284 Verkündiger.

[Übersicht]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

Gesamtzahl der Verkündiger

Gesamtzahl der Pioniere

300

200

100

1940 1960 1980 2000

[Karten auf Seite 209]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

ISLAND

Húsavík

Hólar

Akureyri

Seyđisfjörđur

Neskaupstađur

Eskifjörđur

Stykkishólmur

Borgarnes

Höfn

REYKJAVÍK

Skalholt

Keflavík

Selfoss

[Ganzseitiges Bild auf Seite 202]

[Bild auf Seite 207]

Rechts: Georg F. Lindal (1947)

[Bild auf Seite 207]

Unten: Bruder Lindal mit einem Islandpferd (Anfang der 1930er Jahre)

[Bild auf Seite 212]

Einige der ersten Missionare in Island (von links nach rechts): Ingvard Jensen, Oliver Macdonald und Leo Larsen

[Bild auf Seite 220]

In diesem Gebäude war von 1962 bis 1968 das Zweigbüro untergebracht

[Bild auf Seite 227]

Über 100 Verkündiger aus Island besuchten 1969 den internationalen Kongress „Friede auf Erden“ in Kopenhagen

[Bild auf Seite 235]

Iiris und Kjell Geelnard in Akureyri (Januar 1993)

[Bild auf Seite 238]

Rechts: Der Trawler „Svalbakur“

[Bild auf Seite 238]

Unten: Fridrik und Kjell

[Bild auf Seite 241]

Rechts: Oddný Helgadóttir

[Bild auf Seite 241]

Unten: Gudrún Ólafsdóttir

[Bild auf Seite 243]

Rechts: Königreichssaal und Missionarheim in Akureyri

[Bild auf Seite 243]

Unten: Bjarni Jónsson vor dem Zweigbüro

[Bild auf Seite 249]

Oben: Bau des Königreichssaals in Selfoss (1995)

[Bild auf Seite 249]

Rechts: Das fertige Gebäude

[Bild auf Seite 253]

Die isländische Bethelfamilie

[Bild auf Seite 254]

Das Zweigkomitee (von links nach rechts): Bjarni Jónsson, Gudmundur H. Gudmundsson, Páll H. Pedersen und Bergthór N. Bergthórsson