Norwegen
Norwegen
ES WAR das Jahr 1892. Aufgeregt schaute der junge Mann an Bord des Schiffs in Richtung norwegische Küste. Sein Name? Knud Pederson Hammer. Noch bis vor einem Jahr war er Prediger einer Baptistengemeinde in Norddakota (USA) gewesen; doch in der Zwischenzeit hatte er sich den Bibelforschern angeschlossen (wie Jehovas Zeugen früher hießen). Jetzt war er auf dem Weg in sein Heimatland, um Freunden und Verwandten von seinem neuen Glauben zu erzählen.
Die meisten der zwei Millionen Einwohner Norwegens gehörten der evangelisch-lutherischen Staatskirche an. Knud hatte sehr vieles auf dem Herzen, was er seine Landsleute unbedingt wissen lassen wollte: dass der wahre Gott Jehova heißt, dass er ein Gott der Liebe ist, der niemanden in einer Feuerhölle quält, und dass unter Christi Tausendjahrherrschaft die Erde bald zu einem Paradies wird.
Sicher würde es in Norwegen Menschen geben, die dafür aufgeschlossen wären. Als sich das Schiff der Küste näherte, sah Knud im Geist seine wunderschöne Heimat vor sich — dieses lange, schmale Land mit seinen hohen, schneebedeckten Bergen, seinen tiefen Fjorden und seinen ausgedehnten Wäldern. Ihm wurde bewusst, dass es nicht einfach sein würde, in das dünn besiedelte Land vorzudringen: Es gab nur wenige Straßen und Brücken. Und wenn auch etliche Norweger in die immer größer werdenden Städte zogen, lebten doch noch viele auf dem Land, in den Fischerdörfern oder auf den Hunderten von Inseln entlang der Küste. Was kam bei seiner Predigtinitiative heraus? Konnte sich die Wahrheit über Jehova trotz schwieriger Hürden in Norwegen verbreiten? Darum geht es jetzt in diesem Bericht — ein Bericht, der für Zeugen Jehovas in aller Welt inspirierend und glaubensstärkend ist.
DIE GUTE SAAT GEHT AUF
Tatsächlich waren einige im Raum Skien, der Heimatstadt Knuds, an der Wahrheit interessiert, aber einige Zeit später musste er dann doch wieder zurück nach Amerika zu seiner Familie. 1899 reiste er jedoch nochmals nach Norwegen — diesmal auf die Bitte von Charles T. Russell hin, der seinerzeit das Werk der Bibelforscher leitete und ihn nun beauftragte, in Norwegen eine Versammlung zu gründen. Mit im Gepäck hatte
unser Bruder einige Bücher der ersten beiden Bände der Millennium-Tagesanbruch-Serie (später Schriftstudien genannt), die in ein norwegisch gefärbtes Dänisch übersetzt waren. (Damals ähnelte die norwegische Schriftsprache der dänischen und war sowohl für Dänen als auch für Norweger leicht zu lesen.) Er konnte vielen von Jehova erzählen und einige Bücher weitergeben. Doch nach einer Weile musste er wieder in die Vereinigten Staaten zurück.Im Jahr danach bekam ein gewisser Ingebret Andersen aus der direkten Umgebung Skiens das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter in die Hände — wahrscheinlich eins der Exemplare, die Knud mitgebracht hatte. Schon seit Langem hatte sich Ingebret für das „zweite Kommen“ Christi interessiert und nun verschlangen er
und seine Frau Berthe das Buch förmlich. Er versuchte auch andere dafür zu begeistern und ging sogar zu verschiedenen Gottesdiensten, um dort von der Tausendjahrherrschaft Christi zu erzählen. Wer sich interessierte, wurde von ihm besucht. Und so entstand über kurz oder lang in Skien eine kleine Versammlung mit mindestens zehn Bibelforschern.Davon erfuhr Knud durch einen seiner Verwandten und er reiste deshalb 1904 noch einmal nach Norwegen. Er fragte einen Mann auf der Straße: „Können Sie mir sagen, ob hier in der Gegend irgendwo ein Ingebret Andersen wohnt?“ „Na, das bin ich!“, meinte der Mann. Knud konnte es kaum fassen und vor lauter Freude öffnete er direkt mitten auf der Straße seinen Koffer, um Ingebret all die Bücher zu zeigen, die er mitgebracht hatte. Und erst recht freute sich Ingebret!
Mit großer Begeisterung erzählte Knud seinen norwegischen Glaubensbrüdern alles über die Organisation und das Predigtwerk. Irgendwann musste er freilich wieder zu seiner Familie zurück (mittlerweile lebten sie in Kanada). Doch sein Besuch gab der Versammlung in Skien großen Auftrieb und hat sie stark motiviert.
STÜCK FÜR STÜCK INS LAND VORGEARBEITET
Den ersten richtigen Schub bekam das Predigtwerk in Norwegen durch drei rührige Kolporteure (Vollzeitprediger), die 1903 ins Land kamen: Fritiof Lindkvist, Viktor Feldt und E. R. Gundersen. Fritiof zog in die Hauptstadt Kristiania (heute: Oslo). 1904 wurde in seiner Wohnung ein Büro der Watch Tower Society
eingerichtet, wo Literatur und Abonnements auf Zions Wacht-Turm bestellt werden konnten.Und Bruder Gundersen? Er predigte Ende 1903 in Trondheim im Herzen Norwegens. Dabei traf er Lotte Holm. Sie kam aus der Nähe von Narvik, einer Stadt nördlich des Polarkreises. Er konnte ihr von der Wahrheit erzählen und etwas zum Lesen geben. Sie wurde die erste Verkündigerin in ihrer Heimat hoch oben im Norden Norwegens. Etwas später ging auch Viktor Feldt nach Narvik und konnte dort zwei Ehepaare zur Wahrheit führen. Sie taten sich mit Lotte zusammen und schon bald traf sich dieses kleine Bibelforschergrüppchen regelmäßig zum gemeinsamen Studium. Dann kam noch Lottes Schwester Hallgerd zur Wahrheit. Die beiden Schwestern wurden nun auch Pionier„schwestern“ und haben in vielen Gegenden Norwegens mit großem Elan gepredigt.
Besonders guten Erfolg hatten Bruder Feldt und Bruder Gundersen 1904/1905 in Bergen. In der englischen Ausgabe von Zions Wacht-Turm vom 1. März 1905 konnte man lesen: „Ein angesehener Prediger der Freien Mission in ... [Bergen] ist vom klaren Licht völlig erfüllt worden und gibt jetzt die ganze und volle Evangeliumswahrheit an seine stets große und höchst aufmerksame Zuhörerschaft weiter.“
Diesem Prediger, Theodor Simonsen, wurde später allerdings von seiner Gemeinde die Tür gewiesen. Inzwischen hatte man nämlich herausgefunden, dass er die wundervollen neuen Wahrheiten, die er lehrte, aus unseren Publikationen hatte. Ihr Verlust war jedoch unser Gewinn: Die Brüder haben Theodor sowohl als Mensch als auch als Vortragsredner immer sehr gemocht. Er ging schließlich nach Kristiania, wo die Versammlung mittlerweile wuchs und wuchs.
BEKANNTSCHAFT MIT EINIGEN DER ERSTEN PIONIERE
Um das Jahr 1905 gab es in vier Städten Versammlungen: Skien, Kristiania, Bergen und Narvik. Einige der Bibelforscher konnten es kaum erwarten, in den Pionierdienst zu gehen. Ihnen ist es zu verdanken, dass die gute Botschaft noch in viele andere Teile des Landes kam. Und diese treuen Vorkämpfer hatten so manche Geschichte zu erzählen.
Wie zum Beispiel Helga Hess. Sie war als Waise groß geworden und wurde in Bergen mit 17 Jahren Sonntagsschullehrerin. Ihre Liebe zur Wahrheit entdeckte sie bei einer Predigt von Theodor Simonsen in der Freien Missionsgemeinde. Dabei erzählte er, was er aus einem der Bücher der Bibelforscher gelernt hatte. Sie besorgte sich die Bücher, las sie, gab die Sonntagsschule auf, ging zum Predigen nach Hamar und Gjøvik und wurde 1905 mit 19 Jahren die erste Pionierin Norwegens.
Oder nehmen wir Andreas Øiseth. Er war auf dem elterlichen Hof bei Kongsvinger gerade beim Holzhacken, als ihn ein Pionier ansprach und ihm das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter gab. Das war im Jahr 1908 und Andreas, damals Anfang 20, war begeistert von dem, was er las, und bestellte sich noch mehr Bücher. Einige Monate später übergab er den Hof einem seiner jüngeren Brüder und fing mit dem Pionierdienst an. Acht Jahre lang predigte er so gut wie im ganzen Land. Zuerst arbeitete er sich in Richtung Norden vor — im Sommer mit dem Drahtesel, im Winter mit dem Tretschlitten —, danach machte er von Tromsø aus in Richtung Süden weiter und bearbeitete die gesamte Küste bis hinunter nach Kristiania.
Dann war da noch Anna Andersen aus Rygge bei Moss. Sie war jahrelang bei der Heilsarmee gewesen und hatte sich zum Lebensziel gesetzt, Bedürftigen zu helfen. Um das Jahr 1907 las sie einige von unseren Büchern
und ihr wurde klar, dass das die Wahrheit war. In Kristiansund lernte sie noch eine andere Offizierin der Heilsarmee kennen. Sie hieß Hulda Andersen (später Øiseth) und interessierte sich ebenfalls für die Bibel. Nach kurzer Zeit machten sich die beiden Frauen mit dem Küstenschiff auf die lange Reise bis ganz hinauf nach Kirkenes, nahe der russischen Grenze — und gingen überall, wo das Schiff anlegte, an Land und verteilten Literatur. Um das Jahr 1912 herum wurde Anna Pionier. Jahrzehntelang reiste sie — entweder mit dem Boot oder per Fahrrad — im ganzen Land umher und verteilte in fast jeder Stadt Norwegens biblischen Lesestoff. Etwas länger blieb sie in Kristiansand im Süden, wo sie für die Versammlung, zu der sich immer mehr dazugesellten, eine unschätzbare Hilfe war.Nicht zu vergessen ist auch Karl Gunberg, der in allen Winkeln Norwegens predigte — und das bis ins hohe Alter. Er war Mitte 30, als er etwa 1911 den Pionierdienst anfing. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Navigationsausbilder, denn bevor er Bibelforscher wurde, war er bei der Marine. Er sah zwar eher etwas streng aus, war aber ein wirklich angenehmer und humorvoller Mensch. Seine Erfahrung als Marineoffizier und Navigationsausbilder sollte — wie wir nachher gleich sehen werden — der Verbreitung der guten Botschaft im Land noch sehr zugutekommen.
RÜCKENSTÄRKUNG
Im Oktober 1905 fand in Kristiania der erste Kongress statt, den alle schon ganz aufgeregt erwarteten. Man zählte 15 Anwesende, 3 ließen sich taufen. 1906 gab es dann einen Kongress in Bergen, und ab 1909 wurden jedes Jahr Kongresse veranstaltet mit Gastrednern aus Dänemark, Finnland und Schweden. Einige dieser Brüder besuchten die Versammlungen außerdem als Pilgerbrüder oder, wie man heute sagen würde, als reisende Aufseher.
Etwas ganz Besonderes in dieser Zeit waren die Besuche von Bruder Russell. 1909 kam er nach Bergen und nach Kristiania. Die Freude war groß: Endlich konnten die Brüder ihn persönlich treffen und hören! Das zweite Mal besuchte er Norwegen 1911. Diesmal kamen — man höre und staune! — um die 1 200 Personen zu seinem Vortrag. Man kann sich vorstellen, wie unsere 61 Brüder und Schwestern strahlten.
Drei Jahre danach sorgte Bruder Russell dafür, dass Henry Bjørnestad der erste norwegische reisende Aufseher wurde und regelmäßig die Brüder in Norwegen und Schweden besuchte.
AUFBRUCHSSTIMMUNG IN DER ZEIT VOR 1914
1910 hatten die Brüder etwas an die Hand bekommen, was ihnen beim Predigen eine echte Hilfe war: das Traktat Die Volkskanzel. Diese Traktatserie trug dazu bei, dass sich mehr und mehr Bibelforscher aktiv im Predigtdienst einsetzten. Den Brüdern und Schwestern lag viel daran, religiöse Irrlehren aufzudecken und andere über die Wahrheit aus der Bibel aufzuklären, und so verteilten sie kostenlos Tausende von Traktaten (oft als Zeitungsbeilage).
Die Bibelforscher waren schon ganz gespannt, wie das Jahr 1914 verlaufen würde. Wie in dem Buch Die Zeit ist herbeigekommen (zweiter Band der Millennium-Tagesanbruch-Serie) nämlich erklärt wurde, sollten in diesem Jahr die „Heidenzeiten“ enden. Damit würden Chaos und Anarchie einhergehen, danach würde Gottes Königreich in Aktion treten. Außerdem rechneten die Bibelforscher damit,
dass Christi Miterben dann ihren himmlischen Lohn erhalten würden.Dieses Thema haben die Brüder auch oft bei anderen angesprochen. Zum Beispiel Karl Kristiansen. Er spielte im Stadtorchester von Skien und sagte im Juli 1914 in einer Konzertpause zu einigen Leuten: „In ein paar Wochen wird etwas passieren: Erst gibt es Krieg, dann eine Revolution, dann Anarchie und dann kommt Gottes Königreich.“ Kurze Zeit später brach der Erste Weltkrieg aus und so mancher ging daraufhin zu Karl und fragte noch einmal genauer nach.
Von 1914 erzählte auch eine Schwester in Arendal, einem Küstenort im Süden. Sie war dort in jenem Jahr die einzige Bibelforscherin und verkündete einmal einer Frau, der sie auf der Straße begegnete: „Nach der Bibel gibt es diesen Herbst noch Krieg.“ Die Frau, sie hieß Mia Apesland, meinte daraufhin: „Wenn das wirklich passiert, dann haben Sie mich bekehrt.“ Als sie dann sah, dass es tatsächlich stimmte, hielt sie Wort und „bekehrte“ sich zum wahren Glauben. Mia und eine Handvoll anderer Brüder bildeten gemeinsam mit unserer freimütigen Schwester schließlich den Kern der Versammlung Arendal.
ERST FORTSCHRITT, DANN RÜCKSCHRITT
Nicht alles, was sich die Bibelforscher für das Jahr 1914 erhofften, trat ein, nichtsdestotrotz machten sie eifrig weiter. Von Dezember 1914 bis weit ins Jahr 1915 hinein zeigten sie in Kristiania, Bergen, Trondheim, Skien, Arendal und Kristiansand das „Photo-Drama der Schöpfung“. Scharen von Menschen kamen, um sich diese beeindruckende Darbietung von Filmen und Lichtbildern anzuschauen. Dadurch erfuhren sie Großartiges über die Bibel und Jehova.
Doch wenige Zeit danach wurde es kritisch: Fritiof Lindkvist, der etwa zehn Jahre lang das Werk in
Norwegen geleitet hatte, fing an, eigene Wege zu gehen, und trennte sich 1916 von der Organisation. Von da an kümmerten sich verantwortungsvolle Brüder in Schweden und Dänemark um Norwegen. 1921 wurde dann Enok Öman mit der Leitung beauftragt. Er betreute das Werk in Norwegen bis 1945.Für einigermaßen Unruhe sorgte 1916 außerdem der Tod von C. T. Russell und dass J. F. Rutherford sein Nachfolger wurde. Alles zusammen führte dazu, dass sich etliche von der Organisation lösten. Besonders heftig zu spüren war das in Bergen, dort blieben 1918 nur noch ein Bruder und sieben Schwestern übrig. Auch in Trondheim gingen relativ viele weg und Kristiania verlor ebenfalls eine Gruppe. Alle aber, die treu zur Organisation hielten, erlebten mit Jehova bald viel Schönes.
NEUER SCHWUNG
„Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ — so lautete das spannende Thema eines Vortrags von Bruder Rutherford im Jahr 1918. Das war ein aufrüttelnder Vortrag, der von 1920 bis 1925 um die ganze Welt ging. Auch in einigen Städten Norwegens wurde er gehalten. Dazu reiste eigens A. H. Macmillan von der Weltzentrale in New York an. Das Auditorium der Universität in Kristiania war bis auf den letzten Platz besetzt. Viele musste man wieder nach Hause schicken — bis Bruder Öman am Eingang auf eine Kiste kletterte und verkündete: „Wenn Sie in anderthalb Stunden wiederkommen, hält Herr Macmillan den Vortrag noch einmal!“ Und tatsächlich! Als Bruder Macmillan fertig war, strömten schon die Nächsten herein. Dieser Vortrag wurde in den Jahren danach von einheimischen Brüdern auch im übrigen Norwegen gehalten. Tausende hörten fasziniert zu, als ihnen aus der Bibel überzeugend bewiesen wurde, dass viele Harmagedon überleben werden und die Erde zu einem Paradies wird, in dem sie ewig leben können.
Und auch die dazu passende Broschüre Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben wurde gern gelesen.Zwischen 1922 und 1928 verbreiteten die Bibelforscher Zigtausende von Traktaten mit Resolutionen, die sie auf großen Kongressen angenommen hatten, wie Ein Aufruf an die Führer der Welt, Ein Warnruf an alle Christen oder Offene Anklage gegen die Geistlichkeit. Viele Bibelforscher haben bei diesen Traktataktionen mit dem Predigtdienst angefangen.
Dennoch ging es nur langsam vorwärts. Auch wenn die Pioniere und andere eifrige Verkündiger unverdrossen predigten, mussten doch noch einige Bibelforscher mehr für den Dienst begeistert werden. Außerdem gab es die Publikationen nach wie vor hauptsächlich nur in Schwedisch, Dänisch und dem norwegisch gefärbten Dänisch, aber eben nicht in Norwegisch. Wie konnte man das Predigtwerk mehr in Schwung bringen?
In der norwegischen Ausgabe des Bulletins (heute: Unser Königreichsdienst) vom April 1925 wurde eine begeisternde Neuigkeit mitgeteilt: „Hiermit übersenden wir euch die erste Ausgabe des Goldenen Zeitalters in Norwegisch. Ab sofort kann es im Abonnement bestellt werden.“ Das war die März-Ausgabe jenes Jahres, und es dauerte nicht lange, bis das norwegische Goldene Zeitalter (heute: Erwachet!) nicht nur in Norwegen, sondern auch in Dänemark weit verbreitet war. 1936 wurde die Zeitschrift in Ny Verden (Neue Welt) umbenannt und hatte in Norwegen 6 190 Abonnenten.
BESSERE ORGANISATION UND NEUE BÜROS
Im Mai 1925 kamen über 500 Bibelforscher aus ganz Skandinavien zu einem großen Kongress nach Örebro (Schweden). Dort kündigte Bruder Rutherford die Eröffnung eines nordeuropäischen Büros im dänischen Kopenhagen an. William Dey würde aus London dorthin ziehen und die Arbeiten in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und in den baltischen Ländern koordinieren. Die einzelnen Länder hätten trotzdem jemand vor Ort, der das Werk beaufsichtige, und für Norwegen bliebe das Enok Öman.
William Dey, der ursprünglich aus Schottland stammte, war ein energiegeladener Bruder, durch den das Predigen einen rechten Schub bekam. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Organisator, sondern tat den Brüdern auch sehr gut, weil er so eine angenehme Art hatte und sie in ihm ein echtes Vorbild hatten, was den Dienst anging. Im September und Oktober 1925 reiste er durch Norwegen und ließ die Brüder mithilfe eines Dolmetschers wissen, wie die Richtlinien der Weltzentrale für Versammlungsaktivitäten umzusetzen waren. Er blieb der Leiter des nordeuropäischen Büros bis zum Zweiten Weltkrieg.
Schon seit einiger Zeit hatte man sich nach einem passenderen Platz für das norwegische Büro umgesehen. Da kam es dann wie gerufen, dass ein Bruder, der geerbt hatte, 1925 in Oslo ein dreistöckiges Haus erwarb und es der Gesellschaft für etwa die Hälfte verkaufte. Es leistete uns bis 1983 ideale Dienste.
EINE ORGANISATION VON AKTIVEN ZEUGEN
Das Jahr 1931 war für Jehovas Diener in aller Welt ein Jahr, das Geschichte schrieb. Sie bekamen damals nämlich einen neuen Namen: Jehovas Zeugen. Bruder Öman schrieb: „Als es darum ging, den Namen anzunehmen, sprangen wir alle von unseren Plätzen auf und
riefen begeistert: ‚Ja!‘ “ Die Brüder und Schwestern waren überglücklich, nun einen biblischen Namen zu haben, und sie waren fest entschlossen, ihm auch wirklich gerecht zu werden.Es war nicht zu übersehen, dass Jehova den Predigteifer in Norwegen segnete. Aus den 15 Verkündigern im Jahr 1918 wurden 328 im Jahr 1938. Jehovas Diener waren nicht nur Bibelforscher, sie waren auch aktive Zeugen.
Zu ihnen gehörte Even Gundersrud. Er hatte sich 1917 taufen lassen und besuchte die Zusammenkünfte in Skien. Seine Frau fand das anfangs allerdings gar nicht gut und versteckte ihm die Schuhe. Doch das hielt ihn nicht auf, er ging einfach barfuß. Einmal sperrte sie ihn sogar im Schlafzimmer ein, aber er machte kurzerhand einen Satz aus dem Fenster. Was sie auch versuchte — mit nichts konnte sie ihn von den Zusammenkünften abhalten. Trotz allem blieb er immer sehr lieb zu ihr. Nach einiger Zeit war es ihr dann doch peinlich, dass ihr Mann immer barfuß in die Stadt ging. Warum waren ihm die Zusammenkünfte bloß so wichtig? Um das herauszufinden, ging sie mit ... und wurde später selbst eine Schwester.
Die Skiener Versammlung war ein typisches Beispiel für den Feuereifer, der damals generell in den Versammlungen herrschte. Die Brüder predigten intensiv — ob auf dem Land oder in größeren und
kleineren Städten. An den Wochenenden ging es häufig im offenen Lastwagen oder mit dem Boot in verschiedene Predigtgebiete, wo sie auch Zusammenkünfte organisierten. Neue Gruppen und Versammlungen wurden gegründet. Auch in den anderen Versammlungen summte es wie im Bienenstock.AUFSCHWUNG IN BERGEN
Ein Verkündiger voller Tatendrang in der Bergener Gegend war Torkel Ringereide. Er stieß 1918 auf eine Broschüre der Bibelforscher und versuchte daraufhin, Bruder Dahl zu finden, der damals der einzige Bruder in der Versammlung war. Die Zusammenkünfte fanden bei ihm daheim statt — mit sieben Schwestern! Darunter auch Helga Hess, die wieder nach Bergen zurückgekommen war. Torkel schloss sich der kleinen Versammlung an — und 1919 heirateten die beiden.
Torkel war ein furchtloser Mann mit einer kräftigen Stimme. Jahrelang hielt er als Einziger in der Versammlung Vorträge — und zwar meist sonntags. Er nahm kein
Blatt vor den Mund, um die Heuchelei der Geistlichkeit und ihre Irrlehren aufzudecken. Seine Vorträge wurden oft in Zeitungen angekündigt, und es waren immer weit mehr Interessierte als Bibelforscher da.Er feuerte dabei auch immer alle an, die Wahrheit weiterzuerzählen. Im Jahr 1932 saß unter seinen Zuhörern ein gewisser Nils Raae. Er kannte die Wahrheit schon seit einem Jahr, hatte aber, was das Predigen anging, noch nicht so recht die Kurve bekommen. Die Versammlung stand nun gerade vor einer intensiven Kampagne mit der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt und Torkel führte aus, wie wichtig das Predigen sei. Nils erzählte: „Seine Rede war so mitreißend, dass es mir förmlich in den Beinen kribbelte.“ Zum Schluss zitierte Torkel noch Jehovas Worte aus Jesaja 6:8: „Wen soll ich senden, und wer wird für uns gehen?“, und sagte dann: „Lasst uns doch alle so antworten wie Jesaja: ‚Hier bin ich! Sende mich.‘ “ Das war genau das, was Nils und seine Frau noch brauchten. Jetzt waren sie nicht mehr zu bremsen.
Die Brüder gingen bei Torkel und Helga ein und aus. Die beiden sprudelten von der Wahrheit nur so über; das hat die neuen und jungen Verkündiger immer sehr beflügelt. Oft fuhr die Bergener Versammlung mit dem Boot oder Lastwagen zum Predigen in die umliegenden Regionen. Danach trafen sich alle, erzählten sich, was sie erlebt hatten, und genossen die Zeit miteinander.
OSLOS EMSIGE PREDIGER
In den 20er- und 30er-Jahren wurde auch in und um Oslo viel gepredigt. Viel dazu beigetragen hat zum Beispiel Olaf Skau. Er war seit 1923 getauft und wurde 1927 der Dienstleiter der Versammlung. Viele Jahrzehnte lang war er ein rühriger und liebevoller Aufseher. Er sorgte dafür, dass in Oslo systematisch gepredigt wurde, und organisierte außerdem Wochenendfahrten mit dem Bus oder Lkw in den Umkreis der Hauptstadt. Bis in die Nacht hinein zeichnete er Gebietskarten und plante die nächsten Predigtfeldzüge.
Die Osloer Verkündiger arbeiteten sich von der Hauptstadt aus in alle Himmelsrichtungen vor — von Halden und Fredrikstad im Süden Oslos bis nach Hamar im Norden, von Kongsvinger im Osten bis nach Drammen und Hønefoss im Westen. In diesen Landgebieten und Ortschaften gab es nur eine Handvoll Brüder, die für ihre Unterstützung sehr dankbar waren. Schon gegen 9 Uhr standen sie an der ersten Tür. Dann ging es den ganzen Tag von Haus zu Haus. Oft hielten sie auch Zusammenkünfte ab. So legten sie den Grundstein für neue Gruppen und Versammlungen. Bei einer neuntägigen Kampagne im Jahr 1935 gaben die 76 Verkündiger Oslos sage und schreibe 13 313 Broschüren ab — pro Kopf gut 175!
Olafs Frau, Esther, litt an Arthritis und saß im Rollstuhl. Doch stand ihr Haus immer allen offen und oft
hat sich dort alles getroffen! Gekocht hat in der Regel Olaf. Meist gab es seine berühmten und leckeren Hähnchenflügel! Aber es waren vor allem die vielen schönen und spannenden Gespräche über die Bibel und die biblischen Ratespiele im Haus der Familie Skau, die viele Ältere noch in Erinnerung haben. „Wir sind von ihnen jedes Mal mit einem vollen Herzen weggegangen“, sagte Ragnhild Simonsen rückblickend.„ZUM EWIGEN LEBEN RICHTIG EINGESTELLT“
Damals waren die Leute noch religiöser und wussten mehr aus der Bibel als heute. Viele unterhielten sich gern darüber und wie im ersten Jahrhundert wurden „alle, die zum ewigen Leben richtig eingestellt waren, ... gläubig“ (Apg. 13:48).
Beispielsweise Durdei Hamre. 1924 erhielt sie eine Broschüre und las sie noch am selben Abend bis spät nachts durch. „Ich bin als Pfingstlerin zu Bett gegangen und als Zeugin Jehovas aufgewacht“, meinte sie später.
Mitte der 20er-Jahre hörte einer der acht Fjelltvedt-Brüder einen Vortrag über das Thema Hölle und nahm sich danach eine Broschüre dazu mit. Was er las, überzeugte ihn davon, dass die Höllenlehre falsch war. Bei der nächsten Gelegenheit, als die ganze Familie auf dem elterlichen Hof versammelt war, erzählte er das alles begeistert seinen sieben Brüdern und drei Schwestern. Bis in die Nacht diskutierten sie die Broschüre durch. In kürzester Zeit wurden alle seine Geschwister und auch etliche der Ehepartner Bibelforscher. Viele ihrer Kinder und Kindeskinder sind ebenfalls fleißige Verkündiger geworden; durch manche von ihnen hat sich die Wahrheit auch noch in andere Gebiete verbreitet.
Dass das Interesse an Religion groß war, zeigte sich 1936 auf den Sommerkongressen in Bergen und Oslo, zu
denen M. A. Howlett von der Weltzentrale in New York als Gastredner gekommen war. Den öffentlichen Vortrag in Bergen hörten 810 Personen, darunter einige Geistliche und ein Bischof; nur 125 waren Zeugen Jehovas. Und zu dem Kongress in Oslo kamen 140 Zeugen, aber man zählte 1 014 Anwesende!„JETZT GEHT’S LOS, SIE KOMMEN!“
Als 1935 genau erklärt wurde, was mit der „großen Volksmenge“ in Offenbarung 7:9-17 gemeint ist, die die „große Drangsal“ überleben würde, wurde das von Gottes Volk mit viel Jubel aufgenommen. Begeistert hörten die Brüder, dass sich alle, die auf ein Leben im Paradies auf der Erde hofften, als Gott hingegebene Diener den Gesalbten anschließen konnten. Von da an konzentrierte man sich beim Predigen darauf, die ausfindig zu machen, die auf der Suche nach dem wahren Gott waren und die große Volksmenge bilden würden — damit begann die größte Einsammlungsaktion aller Zeiten.
Im selben Jahr predigten Pioniere, die Gesalbte waren, im Landgebiet um Lillehammer. Dabei erzählten sie einer Familie Johansen, dass Gott vorhat, aus der Erde ein Paradies zu machen. Der 10-jährige John saß dabei und spitzte die Ohren. Was er hörte, arbeitete in ihm. Als er dann 13 war, konnte er es nicht mehr aushalten: Alle mussten von dieser herrlichen Zukunft wissen. Er lieh sich Vaters Tasche und ging ganz allein los, um den Nachbarn davon zu erzählen. Heute, über 70 Jahre später, predigt er zusammen mit seiner Frau Edith nach wie vor voller Elan und ist sehr glücklich darüber, dass er beim „Einsammeln“ der vielen Neuen im Lauf der Jahre einen kleinen Anteil haben konnte.
Einmal, im Jahr 1937, unterhielt sich Olaf Rød bei sich zu Hause gerade mit einem anderen Bruder über die „große Volksmenge“. Die beiden waren die einzigen Zeugen in Haugesund und fragten sich, woher bloß all
die Leute kommen sollten. Plötzlich klopfte es: Vor der Tür stand ein gewisser Alfred Trengereid. Er erzählte Olaf, er habe einen Wachtturm gefunden, ihn gelesen und sei voller Begeisterung direkt in sein Boot gesprungen und herübergerudert. Olaf sei nämlich der einzige Zeuge weit und breit, den er kenne, und er wolle gern mehr zum Lesen haben. Olaf war sprachlos. „Jetzt geht’s los, sie kommen!“, dachte er bei sich. Und sie kamen tatsächlich, wenn auch nicht alle auf einmal und auf dieselbe Weise. Alfred wurde ein Bruder und bekam in seiner Gegend bald noch viele neue Brüder und Schwestern an seine Seite.MIT DEM BOOT AUF „FISCHFANG“
Als man in Norwegen anfing zu predigen, war die große Frage, wie man wohl die verstreut lebenden Einwohner auf den zahllosen Inseln und in den abgelegenen
Küstengebieten erreichen konnte. 1928 kaufte man daher ein Motorboot, das für die zerklüftete Küste Norwegens robust genug war und zwei bis drei Pionieren Platz bot. Aber wer sollte so ein Boot navigieren? Gut, dass es Karl Gunberg gab! Er war nicht nur ein erfahrener Pionier, sondern brachte als ehemaliger Marineoffizier und Navigationsausbilder auch genau die richtigen Kenntnisse mit. Mit dem ersten Boot — der Elihu — stachen die Brüder von Oslo aus in Richtung Süden in See und machten unterwegs in den Häfen halt. Allerdings zerschellte das Boot 1929 in einer stürmischen Winternacht bei Stavanger. Die Brüder konnten sich jedoch glücklicherweise an Land retten.1931 kaufte man ein neues Boot, die Ester, mit der man die nächsten sieben Jahre die Westküste und Nordnorwegen bearbeitete. Zur Besatzung gehörten anfangs
wieder unser Steuermann Karl und zwei weitere Brüder. 1932 hatte er jedoch das Gefühl, für solche Abenteuer langsam zu alt zu werden, und beschloss, das Seemannsdasein aufzugeben. Er übergab das Ruder Johannes Kårstad und ging als Pionier in den Osten Norwegens. Ab 1938 gab es schließlich ein neues Pionierboot, die Ruth. Sie konnte aber nur bis 1940 eingesetzt werden, denn dann durchkreuzte der Zweite Weltkrieg die Reisepläne unserer seefahrenden Pioniere. Bis dahin hatten sie jedoch schon viele Gebiete erreicht und überall viel Literatur zurückgelassen. Allein 1939 gaben Andreas Hope und Magnus Randal über 16 000 Bücher, Broschüren und Zeitschriften ab und ließen 1 072 Mal das Grammofon laufen, sodass insgesamt 2 531 Personen einen Vortrag hören konnten.Die Brüder erlebten aber nicht nur viel Schönes im Predigtdienst, sondern genossen auch traumhafte Natureindrücke. Andreas Hope erzählt zum Beispiel über eine Reise in Richtung Norden: „Tag für Tag fuhren wir von einem Fjord zum anderen, vorbei an hohen Steilhängen, durch eine unberührte, majestätische Landschaft. Es war atemberaubend schön.“ Im Winter konnten sie oberhalb des nördlichen Polarkreises den „unglaublich faszinierenden Tanz der Nordlichter“ (Aurora borealis) bestaunen und
im Sommer fesselte sie das „helle Leuchten der Mitternachtssonne“.EINE DYNAMISCHE PIONIERIN
In den 30er-Jahren gab es einen richtigen Pionierboom. Die Pioniere hatten damals nicht viel und mussten sich irgendwie behelfen. Dennoch gelang es ihnen, einen großen Teil des Gebiets mit der guten Botschaft durchzuarbeiten und den Menschen biblische Literatur in die Hände zu legen. Ihrer Ausdauer und ihrem Tatendrang ist es zu verdanken, dass später immer mehr den Weg zu Jehova und seiner Organisation gefunden haben.
Da war zum Beispiel Solveig Løvås (später Stormyr) aus Oslo. Auf der Suche nach dem wahren Glauben besuchte sie die verschiedensten Gottesdienste — und einmal auch eine unserer Zusammenkünfte. Sie wusste sofort: „Diese Menschen lehren wirklich das, was in der
Bibel steht!“ 1933 ließ sie sich taufen und zwei Jahre später machte sie sich als Pionierin auf den Weg in den Norden Norwegens. Obwohl sie früher Kinderlähmung hatte und daher etwas hinkte, schaffte sie es, in sechs Jahren in den allermeisten Ortschaften, Gemeinden, Städten und Fischerdörfern von Bodø bis hinauf nach Kirkenes zu predigen. Tausenden konnte sie etwas zum Lesen zurücklassen. In nur einem Jahr nahm sie über 1100 Abonnements auf unsere Zeitschriften auf!In Hennes, einem Dorf auf den Vesterålinseln, hörte sich ein Tischler namens Dag Jensen mit großem Interesse an, was ihm Solveig zu erzählen hatte. Er hatte sich nämlich seit Jahren des Öfteren von anderen Interessierten Literatur besorgt. Solveig verschaffte ihm ein Abonnement und zog dann weiter ins nächste Gebiet. Dag fing ganz allein an zu predigen und verlieh sein bisschen Lesematerial an jeden, den das interessierte.
Auf Andøya sprach Solveig ganz mutig eine Gruppe kräftig gebauter Fischer in ihrer Fischerhütte an und erzählte ihnen von der Wahrheit. Sie spielte ihnen auf dem Grammofon ein paar Vorträge vor und bot ihnen ein Abonnement an. Ein junger Mann, er hieß Frits Madsen, wollte unsere Zeitschriften nur zu gern abonnieren. Sobald Solveig die Insel durchgearbeitet hatte, zog sie weiter. Denn so war es damals: Die Pioniere predigten, trafen auf Menschen, die sich für die Bibel interessierten, gaben ihnen etwas zum Lesen oder schlossen Abonnements ab und zogen dann weiter in neue Predigtgefilde.
Was konnte man nun tun, um all die Interessierten zu betreuen?SICH UM GOTTES SCHAFE KÜMMERN
Im Januar 1939 wurde der Reisedienst umorganisiert. Norwegen wurde in vier Zonen oder Kreise aufgeteilt und die Kreisaufseher (seinerzeit Zonendiener genannt) sollten nun länger an einem Ort bleiben als vorher. Es wurde mehr Gewicht darauf gelegt, den Versammlungen zur Seite zu stehen, neue zu gründen und Interessierten zu helfen, aktive Prediger zu werden. Andreas Kvinge sollte Kreis 4 übernehmen, der damals von Florø bis nach Kirkenes ging — eine Strecke von 2 600 Kilometern. In diesem riesigen Gebiet gab es nur drei Versammlungen: Trondheim, Namsos und Narvik. Zu besuchen waren aber auch noch die Zeitschriftenabonnenten und Verkündiger und Gruppen fernab.
Andreas bereiste also mit seiner Sigrid den Norden des Landes. Meist waren die beiden mit dem Fahrrad unterwegs und versuchten, Verkündigern und Interessierten zu helfen, in der Wahrheit immer standfester zu werden. Von Pionieren wie Solveig Løvås wusste Andreas, wer interessiert war und wem noch weitergeholfen werden musste. So erfuhr er auch von Dag Jensen in Hennes und Frits Madsen auf Andøya.
Andreas weiß noch genau, wie er Dag das erste Mal traf. Dag war gerade dabei, sich zu rasieren, und hatte jede Menge Rasierschaum im Gesicht. „Nie werde ich diese
leuchtenden Augen vergessen, die mich aus dem Schaum anstrahlten. Ans Rasieren dachte er überhaupt nicht mehr.“ Andreas konnte ihm auf dem Weg der Wahrheit ein ganzes Stück weiterhelfen. Dag war Feuer und Flamme und hatte auch bald seine Frau Anna und viele seiner Freunde und Verwandten für die Wahrheit begeistert.Auf Andøya fragte sich Andreas in dem Örtchen Bleik nach dem jungen Fischer Frits Madsen durch. Er hatte mit ihm viele fruchtbare Gespräche, und so nahm mit Frits und seiner Frau die Versammlung dort ihren Anfang. Andreas und Sigrid besuchten noch viele weitere Interessierte, auf die hart arbeitende Pioniere wie Solveig im Land gestoßen waren. Auch die anderen Kreisaufseher organisierten Zusammenkünfte und gründeten Versammlungen. Es war wie bei den Christen im ersten Jahrhundert: Einige pflanzten und andere bewässerten, aber Gott ließ es wachsen, und zwar auf beeindruckende Weise (1. Kor. 3:6).
NORWEGEN WIRD VOM ZWEITEN WELTKRIEG ERSCHÜTTERT
Im April 1940 marschierten deutsche Truppen in Norwegen ein. Nach nur 62 Tagen hatten sie das Land in ihre Gewalt gebracht. Mehrere Städte waren heftig bombardiert worden. Einige Tage nach dem Einmarsch der Deutschen verhaftete die Gestapo Enok Öman, der ja in der Zeit das Werk in Norwegen leitete, und setzte ihn eine Woche lang hinter Schloss und Riegel. Nach einem kurzen Verhör ließ man ihn wieder laufen. Einige Wochen später holte man ihn erneut zum Verhör.
Die Brüder hatten Angst, dass sie wie die Zeugen in Deutschland in Konzentrationslager geschickt würden. Aber nichts dergleichen geschah und sie predigten entschlossen und voller Eifer weiter. Durch den Krieg waren die Menschen im Land für die gute Botschaft sogar aufgeschlossener denn je und es konnten viele Bibelstudien
begonnen werden (damals Musterstudien genannt). Die Zeitschrift Ny Verden gab es noch auf Norwegisch, den Wachtturm aber nur noch auf Dänisch und die Brüder erhielten ihn aus Dänemark. Nach wie vor hatten sie ihre Zusammenkünfte und Kongresse, und das Erstaunliche geschah — die Zahl der Verkündiger stieg und stieg.BESCHLAGNAHMUNGEN, VERHAFTUNGEN, VERBOT
Trotz allem brauten sich dunkle Wolken zusammen. Immer wieder kam die deutsche Polizei ins Büro, fragte nach der Literatur und verhörte Bruder Öman. Ende 1940 zog sie das Buch Feinde ein, weil sich darin so manche Aussagen über den Faschismus und Nationalsozialismus fanden. Anfang 1941 wurden mehrere Pioniere verhaftet und vernommen. Manchmal mischten sich unter die Brüder in der Versammlung auch Spitzel (Deutsche wie Norweger). Schließlich beschlagnahmte man den gesamten Bestand der Broschüren Faschismus oder Freiheit und Herrschaft und Friede.
Im Juli 1941 holte die Gestapo dann überraschend zu einem Rundumschlag aus, um das Predigtwerk in Norwegen zu unterbinden. Fünf deutsche Polizisten kamen ins Bethel, stellten sicher, was an Literatur noch da war, und nahmen alle zum Verhör auf die Polizeihauptwache mit. Von da an hatte sich Bruder Öman 12 Wochen lang jeden Tag bei der Polizei zu melden.
In einer gut geplanten Aktion stürmte die Gestapo an verschiedenen Orten die Wohnungen von verantwortlichen Brüdern und nahm die gesamte Literatur an sich. Man drohte den Brüdern mit KZ, wenn sie nicht aufhören würden zu predigen. Etliche Brüder und Schwestern wurden verhaftet und für einige Tage festgehalten.
Auch bei Sigurd Roos in Moss schlug die Polizei zu und konfiszierte alle Literatur. Er, seine Frau und ein weiterer Bruder wurden verhaftet. Man befahl ihnen, mit
dem Predigen aufzuhören und den Namen Jehova nicht mehr zu verwenden. Doch die drei erklärten, nie und nimmer würden sie aufhören, von Jehova und seinem Königreich zu erzählen. Am Ende mussten die Polizisten einräumen: „Tja, wir sehen, wir können Ihnen Ihren Glauben nicht wegnehmen.“ Einige Stunden später ließen sie unsere standhaften Brüder frei.Auch Olaf Skau in Oslo blieb nicht verschont. Die Polizei durchwühlte sein Haus, stellte sämtliche Bibeln, Publikationen und Grammofone sicher und versiegelte seinen Bücherschrank. Die Verkündigerkarten wurden allerdings nicht entdeckt, sie waren nämlich im Ofen versteckt. Einige Zeit später kam die Polizei mit einem Lkw wieder, um alles abzuholen — angeführt von dem gefürchteten SS-Untersturmführer Klaus Grossmann. Als Olaf ihn fragte, was sie mit den ganzen Büchern machen würden, meinte er nur: „Die stampfen wir ein.“
„Haben Sie denn gar keine Angst, sich mit Jehova anzulegen?“, fragte Bruder Skau.
„Der soll mir nur kommen!“, gab der SS-Mann arrogant zurück. Als die Deutschen vier Jahre später kapitulierten, beging Grossmann Selbstmord.
Im Juli 1941 wurde in Bodø auch Andreas Kvinge festgenommen und gefragt, wo es im Norden des Landes Zeugen gibt. „Keine Ahnung, wo sie mittlerweile alle sind“, gab Andreas zur Antwort, und das entsprach der Wahrheit. Doch dann schütteten die Offiziere alles, was in seiner Tasche war, auf den Boden. Und was war in seiner Tasche? Lauter Zettel mit den Namen und Adressen von Versammlungen, Versammlungsdienern und Interessierten! Andreas hielt die Luft an. Doch seltsamerweise schaute sich keiner die Zettel näher an! Die
Gestapomänner waren vielmehr darauf erpicht, dass Andreas eine Erklärung unterschrieb, in der stand, er wisse, dass Jehovas Zeugen und das Predigen verboten waren.„Das kann ich gern unterzeichnen, denn wir wissen ja, dass unsere Tätigkeit jetzt verboten ist“, erklärte er heilfroh. „Aber auch wenn wir nicht zusammenkommen und keine Bücher und Zeitschriften verteilen dürfen, werden wir trotzdem weiter mit der Bibel predigen und von Gottes Königreich erzählen.“ Sobald klar war, dass bei Andreas nichts auszurichten war, ließ ihn die Gestapo wieder gehen.
Zu guter Letzt wurde das Haus, in dem das Büro für Norwegen untergebracht war, beschlagnahmt. Ehepaar Öman durfte dort wohnen bleiben, die anderen Betheliten dagegen mussten ausziehen.
ZUSAMMENKÜNFTE TROTZ VERBOT
Als die Nationalsozialisten versuchten, Jehovas Zeugen auszumerzen, verlegten diese ihre Aktivitäten kurzerhand in den Untergrund. Manchen Brüdern war es trotz allem möglich, im Land zu reisen und den Brüdern und Schwestern Mut zuzusprechen. Um den Süden kümmerte sich Søren Lauridsen, der eine Zeit lang im Bethel gewesen war. Im Norden schaute Andreas Kvinge weiter nach den Brüdern in seinem Kreis. Dabei nahm er oft irgendwelche Gelegenheitsarbeiten an, um keinen Verdacht zu erregen. 1943 ließ sich Magnus Randal (einer der Pioniere auf der Ruth) von Bruder Öman Adressen geben und fuhr mit dem Fahrrad über 1 200 Kilometer in Richtung Norden bis nach Bodø, um seine Brüder und Schwestern zu ermuntern.
Trotz des Verbots versammelten sich die Brüder, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken — normalerweise in kleineren Gruppen in Privatwohnungen, aber manchmal auch irgendwo heimlich in größeren
Gruppen. So konnten sie sich 1942 an zwei verschiedenen Orten in Oslo zur Gedächtnismahlfeier treffen! Die Freude der Brüder war übergroß, als sie insgesamt 280 Personen zählten, 90 nahmen von den Symbolen.Sogar Kongresse wurden veranstaltet! Und zwar auf abgelegenen Bauernhöfen oder mitten im Wald. Der größte Kongress fand 1943 in einem Wald in der Umgebung von Ski statt. Dort hatten sich ungefähr 180 Brüder und Schwestern aus der Gegend um den Oslofjord versammelt. Doch als sie in der Mittagspause gerade alle gemütlich beim Essen zusammensaßen, tauchten auf einmal drei deutsche berittene Soldaten auf. Und jetzt?
Ein Bruder, der Deutsch konnte, ging auf die Soldaten zu und fragte sie, ob er ihnen irgendwie helfen könne. Sie erzählten ihm, dass sie eigentlich schwimmen gehen wollten, sich aber verirrt hatten. Ach so! Na, da wollten ihnen die Brüder natürlich liebend gern behilflich sein. Sie zeigten ihnen, wo es langging.
„Was das wohl für eine Veranstaltung ist?“, fragte der eine Soldat die anderen beim Wegreiten.
„Ach“, meinte einer der beiden, „wahrscheinlich so eine Art Gesangsverein.“ Die Brüder machten logischerweise
keine Anstalten, das aufzuklären, und atmeten nur erleichtert auf, als die drei Reiter im Wald verschwanden.IM UNTERGRUND
Wenn es um Geheimverstecke für die Publikationen ging, war man oft sehr einfallsreich. Der Begriff „Untergrund“ erhielt noch eine ganz andere Dimension, als die Brüder die Literatur tatsächlich im Boden verbuddelten und bei Bedarf wieder ausgruben. Bruder Skau war Elektriker und versteckte einen Karton Bücher hinter einem Transformator am Arbeitsplatz. Bruder Øiseth ließ die Literatur in einem Bienenstock verschwinden und Bruder Kvinge hatte ein Geheimlager in seiner Kartoffelkiste.
In Harstad befand sich ein Literaturdepot und Lotte Holm hatte Sorge, dass es entdeckt werden könnte. Also holte sie die Kartons von dort weg, ging damit auf ein Boot, stapelte sie dort alle sorgfältig auf und setzte sich obendrauf. Als das Boot ablegte, stellte sie entsetzt fest, dass auch viele deutsche Soldaten an Bord waren. Fieberhaft überlegte sie, wie sie die Kartons bloß unbehelligt wieder an Land bekommen könnte. Sie hätte sich jedoch keine Sorgen zu machen brauchen. Als sie wieder anlegten, hatten die Soldaten so viel Mitleid mit der alten Dame und ihrem schweren Gepäck, dass sie ihr die Kartons nicht nur an Land, sondern sogar bis nach Hause trugen. Diese liebenswürdigen Soldaten hatten ja keine Ahnung, was für einen wertvollen Dienst sie damals den Zeugen erwiesen!
Das Verbot hinderte die Brüder nicht daran, aus Schweden und Dänemark immer wieder die neuesten Wachttürme ins Land zu schleusen. Die Studienartikel wurden ins Norwegische übersetzt, mit der Schreibmaschine abgetippt und landesweit verteilt. Es gab ein ausgeklügeltes Kuriernetz, und so fand die zeitgemäße
geistige Speise per Zug, Rad oder Boot ihren Weg zu Jehovas Dienern im ganzen Land.VOM PREDIGEN NICHT ABZUHALTEN
Während des Kriegs entstand eine Situation, die für die Brüder in Norwegen nicht so ganz einfach war. Als das Werk im Juli 1941 verboten wurde, erhielten sie den Rat, vorsichtig vorzugehen und Probleme mit den Behörden nicht herauszufordern. Viele predigten daraufhin eher im privaten Rahmen: Freunden, Verwandten oder Interessierten, die sie von früher noch kannten. Das war einigen Brüdern jedoch viel zu verhalten. Sie meinten, es könne doch nicht schaden, wenigstens mit der Bibel von Haus zu Haus zu gehen. Die beiden Gruppen waren sich zwar nicht einig, wie das Predigen nun genau vonstattengehen sollte, aber beide wollten sich unbedingt treu für Jehova einsetzen, komme, was da wolle.
Wie sollten sie das Problem lösen? Wegen des Kriegs war es nicht möglich, bei der Weltzentrale in New York nachzufragen; von daher ließ sich die Sache wahrscheinlich nicht so schnell klären. Würden die Brüder zulassen, dass die Problematik an ihrem Glauben nagte? Oder würden sie so gut, wie sie konnten, weiterpredigen und darauf warten, dass Jehova und seine Organisation die Sache irgendwann klärten?
Dass Jehova ihren treuen Einsatz segnete, war nicht zu übersehen. Denn die Organisation wuchs im Krieg genauso stark wie in den fünf Jahren davor. Trotz Krieg, Verbot und unterschiedlicher Meinungen über das Predigen stieg die Zahl der Verkündiger zwischen 1940 und 1945 von 462 auf 689. Die Brüder konnten sich also wirklich freuen!
IM DIENST JEHOVAS VEREINT
Nach Kriegsende 1945 besuchte William Dey im Juli und August die Brüder in Norwegen, um ihnen dabei zu
helfen, sich neu zu organisieren. Er hielt in Oslo, Skien und Bergen Zusammenkünfte ab und redete allen bittend zu, wieder an einem Strang zu ziehen: Sie hätten ja Jehovas Segen verspürt, gesehen, wie viele Neue dazugekommen seien, und könnten jetzt doch im Vertrauen auf Jehovas Leitung mit Schwung den Weg gemeinsam fortsetzen.Im September 1945 hatte Nathan H. Knorr in der Weltzentrale eine kleine Unterredung mit Bruder Marvin F. Anderson. Dieser 28-jährige amerikanische Bruder dänischer Abstammung hatte eine Zeit lang im Bethel in New York mitgearbeitet und diente gerade in den Vereinigten Staaten als Kreisaufseher. Bruder Knorr fragte ihn, ob er bereit sei, nach Norwegen zu gehen, sich da um das eine oder andere zu kümmern und dort „ein Weilchen“ zu bleiben. Bruder Anderson sagte zu. Allerdings dauerte es noch ein paar Monate, bis er dann auch wirklich in Norwegen eintraf.
In der Zwischenzeit, im Dezember 1945, kamen Bruder Knorr und Bruder Henschel zu Besuch. Ihre liebevollen, richtungweisenden Worte schweißten die Brüder noch mehr in Liebe zusammen. Wie Bruder Knorr außerdem mitteilte, würde Bruder Dey vorläufig ihren Bruder Öman ablösen. Im Februar übernahm dann Bruder Anderson die Leitung. Jetzt, wo der Zweite Weltkrieg vorüber war, konnten sich Jehovas Diener in ganz Norwegen wieder mit neuer Kraft ans Werk machen und fest auf Jehovas Segen zählen.
JEHOVAS ORGANISATION GEHT VORWÄRTS
Als Marvin Anderson im Januar in Norwegen ankam, herrschte im Bethel bereits Hochbetrieb: Nicht nur dass die Verkündiger im September 1945 eine Broschüre auf Norwegisch und vier auf Schwedisch erhalten hatten. Seit der Ausgabe vom 1. Oktober 1945 wurde nun auch Der Wachtturm auf Norwegisch veröffentlicht. Und mit der Zeit sollten ja noch mehr Publikationen dazukommen.
Es war wirklich sehr wertvoll, sie alle auf Norwegisch zu erhalten. Wieso? Dazu etwas Lustiges: Eine der schwedischen Broschüren trug den Titel Hopp. Das ist das schwedische Wort für „Hoffnung“. Auf Norwegisch bedeutet es jedoch: „Hüpf!“ oder: „Spring!“ Und so erklärten die Verkündiger den Leuten oft dazu: „Wenn Sie hier etwas über unsere Botschaft der Hoffnung lesen, soll das nicht heißen, dass Sie dann immer gleich hüpfen und springen müssen.“
Für die immer größer werdende Bethelfamilie war damals viel zu wenig Platz. Sogar Bruder Anderson musste sich mit fünf anderen Brüdern das Zimmer teilen. Das Problem war: Seit der NS-Zeit wohnten in dem Gebäude auch einige, die keine Zeugen waren. Für sie mussten jetzt andere Wohnräume gefunden werden. Dann konnte sich die Bethelfamilie im Gebäude ausbreiten.
Bruder Anderson ging mit großem Schwung an seine neue Aufgabe heran. Das Büro wurde renoviert und man kaufte neue Maschinen, darunter auch
eine Druckpresse mit Fußantrieb. 1946 wurde außerdem ein neues, aufregendes Unterrichtsprogramm eingeführt: die Theokratische Predigtdienstschule. Endlich konnten sich mehr Brüder darin üben, Ansprachen auszuarbeiten und zu halten. Bald hatten viele von ihnen so viel dazugelernt, dass man sie für öffentliche Vorträge einsetzen konnte.Die ersten Bezirkskongresse nach dem Krieg fanden im September und Oktober 1946 statt, und zwar in Oslo, Bergen und Trondheim. Alles in allem hörten 3 011 Anwesende den öffentlichen Vortrag „Der Fürst des Friedens“; 52 ließen sich taufen. Das waren wirklich begeisternde Zahlen, zumal es in Norwegen damals ja nur 766 Verkündiger gab.
Im Dezember 1946 führte man dann nach über fünf Jahren Unterbrechung wieder den Kreisdienst ein. Eingesetzt wurden dafür junge Brüder, die zum Teil im Bethel mitgeholfen hatten. Eins der Hauptziele der Kreisaufseher (die damals „Diener für die Brüder“ hießen) bestand darin, die Verkündiger im
Haus-zu-Haus-Dienst zu schulen. Deshalb versuchten sie, mit so vielen wie möglich aus der Versammlung in den Dienst zu gehen. Einer von ihnen, Gunnar Marcussen, erzählt, er habe in manchen Versammlungen während der Besuchswoche mit 50 bis 70 Verkündigern zusammengearbeitet. Nach und nach wurden die Brüder im Predigen der guten Botschaft immer geschickter und kamen mehr und mehr ohne die Zeugniskarten und Grammofone aus, die sie ja seit den 30er-Jahren verwendet hatten. Größeres Gewicht legte man außerdem auf die Nacharbeit und auf Bibelstudien.„PIONIERE BRAUCHT DAS LAND“
Nach dem Krieg interessierten sich immer mehr für die Botschaft vom Königreich. Deshalb kam der Aufruf zum Pionierdienst. Etliche, die nach dem Verbot im Jahr 1941 mit dem Pionierdienst aufgehört hatten, fingen daraufhin wieder damit an. Und so zählte man Ende 1946 trotz der harten Zeiten 47 Pioniere im Land.
Eine von ihnen war Svanhild Neraal. Sie machte sich 1946 auf den Weg in die Finnmark im Norden Norwegens. 1941 war sie mit Solveig Løvås zusammen in dieser Ecke des Landes als Pionierin gewesen und hatte miterlebt, wie Kirkenes und Vardø ausgebombt wurden. Ihr gingen die Interessierten dort nicht aus dem Sinn, deshalb kehrte sie jetzt in das mittlerweile vom Krieg zerstörte Kirkenes zurück. Die Leute fassten sich an
den Kopf und fragten sie, wie sie bloß auf die Idee gekommen sei, zu ihnen zu ziehen, wo sie doch gar nicht wüsste, wo sie unterkommen könnte.Doch Svanhild vertraute auf Jehova. Im ersten Winter schlief sie in einem kleinen Haus, in dem fünf Personen wohnten, auf dem Küchenboden. Die Nachkriegszeit war eine schlimme Zeit und sie musste viele Härten ertragen. Wie oft stand sie eine Ewigkeit im Schnee und Eisregen, weil das Boot, auf das sie wartete, später als geplant kam — wenn es überhaupt kam!
Aber sie erlebte viel Interessantes im Dienst. Zum Beispiel bei dem Volksstamm der Samen. Diese Menschen lebten sehr abgelegen. Fuhr kein Bus zu ihnen, dann nahm sie ein Flussschiff oder das Fahrrad. Die gastfreundlichen Samen luden sie meist in ihre Zelte aus Rentierhaut ein und hörten sich aufmerksam an, was sie ihnen durch einen Dolmetscher zu sagen hatte. Oft wurde sie auch zum Mittagessen eingeladen. Da gab es dann Rentierfleisch. Einige, denen Svanhild von der guten Botschaft erzählte, nahmen später die Wahrheit an.
Kjell Husby, der in dieser Zeit im Bethel arbeitete, erzählte, dass sie immer genau wussten, wo Svanhild gerade unterwegs war. Sie sahen das nämlich an den Abonnement-Adressen. In den drei Jahren in der Finnmark nahm Svanhild doch tatsächlich 2 000 Wachtturm-Abonnements auf und gab 2 500 Bücher ab!
„MENSCHENFISCHER“
Auch die Verkündiger waren begeistert beim Predigen dabei — und wenn man sieht, was sie alles erreicht haben, wird einem richtig warm ums Herz. Ein Beispiel: Noch im Krieg hatte Dag Jensen ja in seinem kleinen Dorf Hennes auf den Vesterålinseln Freunden und Verwandten von Jehova erzählt. Viele von ihnen waren auch wirklich interessiert, studierten die Bibel und
verwendeten dabei unsere Publikationen. Dann war der Krieg vorbei und Dag ließ sich taufen. Schon im nächsten Jahr (1946) konnte in Hennes eine Versammlung gegründet werden und 16 Personen ließen sich bei Dag zu Hause taufen. Fünf Jahre später zählte die Versammlung um die 50 Verkündiger, und 1971 meldete Dag aus seiner Versammlung über 20 Pioniere!Seine Liebe zu Jehova und sein Eifer im Predigtdienst waren wirklich ansteckend. Åshild Rønning, die in der Versammlung groß geworden ist, weiß noch genau: „Wann immer Dag hereinkam, ging die Sonne auf. Er war so ein fröhlicher Mensch und sein Enthusiasmus übertrug sich einfach auf alle.“ Auch den Kindern hat er immer sehr den Rücken gestärkt, zum Beispiel wenn sie Aufgaben in der Theokratischen Predigtdienstschule hatten. „Er hat uns stets das Gefühl gegeben, dass das, was wir beizusteuern hatten, sehr wichtig war“, sagt Åshild. Durch seine liebe Art hoch motiviert, fing sie 1962 selbst mit dem Pionierdienst an und konnte am eigenen Leib verspüren, wie viel Freude es bereitet, anderen von der „herrlichen guten Botschaft des glücklichen Gottes“, Jehova, zu erzählen (1. Tim. 1:11).
Wieso wurden so viele aus dieser Gegend eifrige Zeugen? Die meisten im Dorf waren zwar keine Kirchgänger, glaubten aber an Gott und die Bibel. Im Übrigen waren viele Brüder als gute Familienväter bekannt und ihre Frauen als gute Ehefrauen. Einer davon war Dags Neffe, Arnulf Jensen, der sich 1947 hatte taufen lassen. Er arbeitete als Fischer und blieb unter der Woche mehrere Tage hintereinander zum Fischen auf See. Mar. 1:16-18).
Doch jeden Freitagabend kam er nach Hause — selbst wenn ein vielversprechender Fischfang ausstand und die anderen Fischer draußen blieben und so jede Menge Geld verdienten. Es war für ihn ein ungeschriebenes Gesetz, am Wochenende daheim zu sein, um mit seiner Frau und den acht Kindern — die alle fest für die Wahrheit einstanden — in die Zusammenkünfte und den Dienst zu gehen. Samstags und sonntags gingen die Brüder also immer ihrem Auftrag als „Menschenfischer“ nach; oft fuhren sie dazu in abgelegenere „Fischgründe“ — und zwar mit Arnulfs Boot! („DAS WERK, DAS WIR TUN, IST WICHTIG“
Norwegen profitierte auch sehr von der Missionarschule Gilead in New York. Die ersten Studenten aus dem Land waren Hans Peter Hemstad und Gunnar Marcussen. Das war 1948. Sie wurden wieder nach Norwegen zurückgeschickt und dienten als Kreisaufseher und im Bethel — erst noch ledig, dann mit ihren Frauen. Zwischen 1948 und 2010 besuchten über 40 Norweger die Gileadschule. Über die Hälfte von ihnen wurden in der Heimat als reisende Aufseher, im Bethel oder sonstwie im Vollzeitdienst eingesetzt.
Unter den ersten Gileadmissionaren aus anderen Ländern waren Andreas Hansen aus Dänemark und Kalevi Korttila aus Finnland. Sie wurden 1951 in die Ostfinnmark geschickt, wo sie mit dem Boot, dem Fahrrad und auf Skiern riesige Strecken zurücklegten. Oft bauten sie auf dem auf, was Svanhild Neraal ein paar Jahre zuvor als Grundstein gelegt hatte. Das Ergebnis? Schon ein Jahr später gab es in ihrem Gebiet nicht mehr nur 3, sondern 15 Verkündiger!
Ein Missionar stammte auch aus Hennes, unserem kleinen Dorf auf den Vesterålinseln: Kjell Martinsen. Er kam 1953 frisch von Gilead zurück und wurde mit gerade einmal 22 in den Provinzen Vestfold und Telemark
als Kreisaufseher eingesetzt. Damals fühlte er sich als junger Mann dem Kreisdienst nicht gerade gewachsen. Er hat aber viele schöne Erinnerungen daran, wie lieb er von allen aufgenommen wurde und wie loyal die erfahreneren Brüder mit ihm zusammengearbeitet haben. Bis 2001 blieb Kjell im Kreisdienst. Dann wechselte er in den Pionierdienst und ließ sich mit seiner Frau Jorunn in Svolvær auf den Lofotinseln nieder.1950 ging eine Schwester aus Dänemark nach Egersund und Kongsvinger, wo es keine einzige Versammlung gab. Sie hieß Karen Christensen und war in ihrem Pioniergebiet viel mit dem Fahrrad unterwegs. 1954 absolvierte sie Gilead und wurde nach Kongsberg geschickt. Zwei Jahre später heiratete sie Marvin Anderson. Seitdem ist sie im Bethel. Mittlerweile blickt sie auf über 60 Jahre Vollzeitdienst zurück. Sie sagt immer:
„Wir selber sind nicht so wichtig, aber das Werk, das wir tun, ist wichtig.“EIN RECHTLICHER MEILENSTEIN
Zwischen 1948 und 1951 kamen enorm viele Neue dazu. Allein 1951 gab es eine Steigerung um 29 Prozent und so viele Verkündiger wie nie zuvor: 2 066! Allerdings hatten Jehovas Zeugen in Norwegen in der Zeit auch manche Rechte durchzufechten.
Ein Gerichtsfall erregte besonders großes Aufsehen. Dabei ging es um die Frage, ob man sich mit dem Wachtturm auf die Straße stellen durfte, wie es einige Verkündiger Ende November 1949 in Oslo getan hatten. Daraufhin wurden sie zur Polizeiwache gebracht und durften erst ein paar Stunden später wieder gehen. Doch die Brüder ließen sich nicht einschüchtern und standen am folgenden Wochenende erneut in Oslo im Straßendienst. Und abermals kam die Polizei und nahm sie alle fest, mit der Erklärung, dass sie das ohne polizeiliche Genehmigung nicht tun dürften. Sie könnten den Verkehr behindern und einen Menschenauflauf provozieren. Sieben Verkündiger wurden verhört und vor das Stadtgericht gebracht — mit dem Ergebnis, dass sie eine kleine Geldstrafe zahlen oder drei Tage ins Gefängnis gehen sollten.
Da es hier nicht nur darum ging, grünes Licht von der Polizei zu bekommen, sondern das grundlegende Recht auf Religionsfreiheit betroffen war, legte man Berufung ein und brachte den Fall vor Norwegens Obersten Gerichtshof. In der Zeitung Dagbladet wies der Pressesprecher der Zeugen Jehovas, John Roos, darauf hin, dass es durch unseren Straßendienst zu keinerlei Störungen gekommen war, und argumentierte: „Wenn das Missionieren auf der Straße erfolgt, ohne dass die Ruhe gestört, der Verkehr behindert oder ein Menschenauflauf
provoziert wird, wozu braucht man dann eine Genehmigung von der Polizei? Oder gibt die Religionsfreiheit nicht vielmehr jedem Bürger das Recht, auf diese Weise zu missionieren?“ Bis das Gericht ein Urteil fällte, machten die Zeugen mit dem Straßendienst weiter, obwohl man sie dafür wiederholt verhaftete und immer höhere Geldstrafen verhängt wurden. Einige Brüder wurden bis zu zehn Mal verhaftet.Am 17. Juni 1950 stieß der Oberste Gerichtshof den Beschluss des Stadtgerichts um, und die Brüder wurden freigesprochen. Entscheidungen wie diese bekräftigten das gesetzlich verankerte Recht der Zeugen Jehovas in Norwegen, auch ohne polizeiliche Genehmigung biblische Literatur anzubieten — ob auf der Straße oder von Haus zu Haus.
UNVERGESSLICHE KONGRESSE
In den 50er- und 60er-Jahren wurden viele Kongresse veranstaltet, die die Organisation festigten, die Brüder enger zusammenrücken ließen und allen unvergesslich blieben. Dazu gehörte der Landeskongress in Lillehammer 1951, auf dem Nathan H. Knorr und Milton G. Henschel von der Weltzentrale Vorträge hielten. Die Brüder reisten aus allen Teilen des Landes an und strahlten übers ganze Gesicht, als sich 89 taufen ließen und 2 391 den öffentlichen Vortrag hörten. In den darauffolgenden Jahren besuchten eine ganze Reihe Norweger die internationalen Kongresse in London und New York, von denen sie noch lange schwärmten. 1955 fuhren ungefähr 2 000 norwegische Brüder zum internationalen Kongress nach Stockholm.
1965 kam dann ein aufregender Moment: der internationale Kongress „Wort der Wahrheit“ im Osloer Ullevål-Stadion. Es gab da jedoch ein Problem: Am Abend vor dem Kongress hatte die norwegische Fußballnationalmannschaft im Stadion ein Länderspiel. Und so
wartete vor den Eingangstoren ein ganzes Heer von Zeugen darauf, dass die Fußballbegeisterten abzogen und sie ins Stadion ausschwärmen konnten, um es kongressfein zu machen. Sie arbeiteten die ganze Nacht hindurch: putzten, räumten den Müll weg, stellten Cafeteria-Zelte auf, bauten Bühnen, einen Musikpavillon und für das norwegische Flair drei typische Hütten und ein Lagerhaus — jeweils mit Grasdach. Die Zeitung Dagbladet sprach von einem „Wunder über Nacht“: „Ullevål-Stadion verwandelt sich in Landidyll ... Jehovas Zeugen schaffen das Unmögliche!“Über 7 000 Gäste aus dem Ausland (die meisten aus Dänemark) wurden von den gastfreundlichen norwegischen Brüdern und Schwestern aufgenommen. Auf einem Feld außerhalb der Stadt hatte man ein Zeltlager errichtet — was auch ideal war, solange das Wetter hielt. Aber dann fing es an zu regnen und wohl keiner der 6 000 Camper wird so schnell vergessen, wie sich der Boden an den ersten Kongresstagen in ein einziges Schlammfeld verwandelte. Alle waren froh, als der Himmel an den letzten beiden Tagen etwas aufklarte. Trotz allem genossen die Brüder es in vollen Zügen, in einer so schönen und fröhlichen Runde zusammen zu sein und all die Liebe zu verspüren. Das zeitgemäße Programm
tat ihnen ungemein gut. Man kann sich vorstellen, wie hellauf begeistert alle waren, als sich 199 taufen ließen und man beim öffentlichen Vortrag von Bruder Knorr 12 332 Anwesende zählte — das hatte es noch nie gegeben!„WIR BRAUCHEN DAS PREDIGEN WIE DIE LUFT ZUM ATMEN“
Nicht nur der Haus-zu-Haus- und Straßendienst, sondern auch das informelle Predigen war von Erfolg gekrönt. Ein Beispiel: 1936 gab Konrad Flatøy, der als Schiffsheizer arbeitete, Paul Bruun, dem Schiffsoffizier, eine Broschüre. Noch in derselben Nacht las Paul sie durch.
„Ich wusste sofort, dass das die Wahrheit ist“, erzählte er. „Durch die Broschüre wurde mir der Unterschied zwischen der wahren und der falschen Religion klar.“ Er beschäftigte sich immer intensiver mit der Wahrheit und gab sein neues Bibelwissen an andere weiter; im Krieg hatte er mit einem Matrosen sogar ein richtiges Bibelstudium. Als dieser Seemann die Bibel immer besser verstand, sah er sich nicht mehr in der Lage, die Maschinengewehre an Bord zu bedienen. Paul wurde befohlen, das Studium mit ihm einzustellen. Er weigerte sich jedoch und da setzte man die beiden in London kurzerhand an Land. Einen Monat danach wurde das Schiff von einem Torpedo getroffen und sank! Der Matrose wurde einige Zeit später unser Bruder. Und wie ging es mit Paul weiter? Er wurde zur Gileadschule eingeladen. 1954 schickte man ihn von dort als Missionar auf die Philippinen. Nach einer Weile kam er
zurück nach Norwegen und reiste mit seiner Frau Grethe an der Seite als Kreisaufseher.Noch ein Beispiel: Holger Abrahamsen arbeitete 1948 im Hafen von Narvik. Sein Motto war immer: „Wir brauchen das Predigen wie die Luft zum Atmen.“ Und so ließ er keine Gelegenheit aus, den Arbeitern, die er zu einem Schwimmbagger hin und zurück beförderte, von der Bibel zu erzählen. Einer der Arbeiter, Olvar Djupvik, fand das mit dem Paradies sehr interessant und erzählte seiner Verlobten Anne Lise davon. Beide wurden Zeugen Jehovas und halfen später auch ihren vier Söhnen, diesen Weg zu gehen. Einer von ihnen, Hermann, ging mit seiner Frau Laila als Missionar nach Bolivien. Heute sind die beiden hier in Norwegen im Reisedienst.
HIRTEN FÜR JEHOVAS SCHAFE
In den 60er- und 70er-Jahren wurden sowohl das Zweigbüro als auch die Versammlungen umstrukturiert. Roar Hagen löste Marvin Anderson als Zweigdiener ab. 1969 übernahm Thor Samuelsen die Leitung. 1976 wurden schließlich Zweigkomitees eingeführt. Das erste in Norwegen bildeten Thor Samuelsen, Kåre Fjelltveit und Niels Petersen.
Für die Hirtenarbeit in den Versammlungen wurden im Oktober 1972 Ältestenschaften eingesetzt. Von da an wurden reife Männer dazu ausgebildet, den vielen Neuen, die die Wahrheit annahmen, echte Hirten zu sein. Jehovas Volk hat diese Facette seiner liebevollen Führung sehr geschätzt und die Brüder treu unterstützt. Das wiederum hat Jehova sehr gesegnet.
DIE GUTE BOTSCHAFT STÖSST AUF HÖRENDE OHREN BEI DEN SAMEN
Zwei, drei Jahrzehnte lang versuchten Pioniere und andere Verkündiger, den Menschen, die zum Volksstamm
der Samen gehörten, die gute Botschaft näherzubringen — sogar den Rentierhirten auf der Hochebene Finnmarksvidda. Neben ihrer Muttersprache Sami sprachen die meisten Samen zwar auch Norwegisch, aber mitunter war doch ein Dolmetscher nötig. Einer der ersten Zeugen, die wirklich viel in Sami predigten, war Aksel Falsnes. Er hatte samisches Blut in sich und konnte Sami, Norwegisch und Finnisch. Wie hatte er die Wahrheit kennengelernt? Durch seine Schwester. Sie lebte im Süden Norwegens, war Zeugin Jehovas geworden und hatte ihm eine unserer Publikationen zugeschickt. Fasziniert las er sie durch. Allerdings gab es damals in dem Teil der Provinz Troms, wo er lebte, keinen einzigen Zeugen! Doch 1968 bekam er Besuch von einigen Pionieren und einem Kreisaufseher und machte dank ihrer Hilfe richtig schön Fortschritte.Er wurde ein engagierter Prediger. Wie oft packte er schon in aller Frühe sein Fahrrad aufs Ruderboot, paddelte durch den Fjord und radelte dann von einer Siedlung zur anderen! Seine Samikenntnisse waren Gold wert: Bis in die hintersten Winkel der Finnmark konnte er den Samen vieles von der Bibel erzählen.
Aksel war zäh: Um auch in den entferntesten Gegenden predigen zu können, legte er Hunderte Kilometer zurück — und zwar auf Skiern! Einmal fuhr er im tiefsten Winter von Karasjok über eine Hochebene nach Kautokeino und dann weiter nach Alta. Alles, was er dabeihatte, war ein einfacher Rucksack mit ein paar persönlichen Sachen und
etwas Literatur — mehr ging nicht. Nach einigen Wochen und rund 400 Kilometern auf Skiern (!) kam er bei Freunden in Alta an.Anfang der 70er-Jahre nahmen etliche Samen die Wahrheit an: In Hammerfest zum Beispiel studierten eine samische Frau und ihr Mann die Bibel. Auch einige ihrer Verwandten in Alta wurden neugierig. Daher fingen Arne und Marie Ann Milde, die dort im Sonderdienst waren, mit ihnen ein Bibelstudium an. Oft machten 10 bis 12 Personen mit. Ungefähr die Hälfte von ihnen wurden Zeugen.
„Es ist gar nicht so ohne, den Samen zu predigen“, meint Hartvig Mienna über seine Landsleute. Da viele von ihnen sehr abgeschieden leben, fährt dieser Pionier aus Alta oft mit dem Schneemobil zu ihnen. „Wir haben sehr weite Strecken zurückzulegen. Außerdem hängen viele sehr an ihren Traditionen. Andererseits sind sie sehr gastfreundlich und wir konnten schon mehrere Bibelstudien anfangen.“
VOLLER ERWARTUNGEN
Von Mitte der 60er-Jahre bis Mitte der 70er-Jahre stieg die Verkündigerzahl kontinuierlich an. Doch dann kam das Jahr 1975, von dem sich manche Brüder sehr
viel erhofften. Als die große Drangsal doch noch auf sich warten ließ, musste sich ihr Glaube bewähren. Einige verließen aus Enttäuschung die Organisation, andere verloren eine Zeit lang ihren Schwung. Und so war zwischen 1976 und 1980 ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Wie dachte jedoch die Mehrheit? Wollte sie im Dienst für Jehova weitermachen?„Ich hatte natürlich schon eine gewisse Erwartungshaltung und war sehr gespannt, was 1975 passieren würde“, sagte Hans Jakob Lilletvedt ganz offen, „aber davon hing doch mein Glaube nicht ab!“
Und wie sahen das John und Edith Johansen? „Wir hatten uns Jehova doch nicht nur bis zu einem bestimmten Datum hingegeben. Also machten wir einfach so weiter wie vorher“, erklärten diese treuen langjährigen Zeugen.
So ähnlich formulierte das auch Lea Sørensen: „Ich werde Jehova für immer dienen. Ob das Ende 1975 kommt oder erst später — das ist doch ganz egal.“
EIN NEUES ZWEIGBÜRO
Ende der 70er-Jahre gab es im Bethel immer mehr zu tun und man brauchte dringend sowohl mehr Mitarbeiter als auch mehr Wohn- und Arbeitsräume. 1979 genehmigte die leitende Körperschaft deshalb den Bau eines neuen Zweigbüros außerhalb Oslos. Ein passendes Gelände dafür wurde Ende 1980 in Ytre Enebakk ausgemacht, rund 30 Kilometer von Oslo.
Um die Kosten möglichst niedrig zu halten, wollte man den Gebäudekomplex mit freiwilligen Helfern erstellen. Losgehen sollte es Anfang 1981. Wie man sich denken kann, war es eine ziemliche Herausforderung, knapp 100 Bauleute unterzubringen, sie zu verköstigen, das nötige Baumaterial zu besorgen und das gesamte Projekt zu koordinieren.
Ps. 110:3, Fn.). Viele brachten Kartoffeln, Gemüse, Obst, Brot, Eier und Fisch oder spendeten Kleidung, Werkzeug und sonstiges Material. Im Wald wurden Bäume gefällt, die in der kleinen Sägemühle auf dem Baugelände zugesägt wurden. Und sehr viele unterstützten das Bauprojekt durch Darlehen oder Geldspenden.
Im Lauf der Bauzeit halfen über 2 000 Freiwillige aus dem In- und Ausland mit (Manche Fachleute konnten nur zeitweise mitarbeiten und so musste ein Großteil der Arbeiten von ungelernten Kräften bewältigt werden. John Johnson, der für die gesamte Elektroinstallation zuständig war, weiß noch, dass er und auch andere Verantwortliche sich oft ziemlich überfordert fühlten. Doch er erzählt: „Die Helfer wurden gut angelernt und haben wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet. Erstaunlich war auch, wie sich manche Probleme lösten und sich am Ende immer alles fügte. Es war deutlich zu spüren, dass Jehova den Bau wirklich leitete.“
Dank der vielen fleißigen Hände, der gebefreudigen Brüder und Schwestern und dank Jehovas Segen ging es mit dem Bau gut voran — und so konnten die neuen Zweiggebäude am 19. Mai 1984 eingeweiht werden, als gerade Bruder Milton Henschel von der leitenden Körperschaft zu Besuch war. Das Bauprojekt hat viel Freude gemacht und die Brüder in Norwegen richtig zusammengeschweißt. Und viele Helfer sind in den Jahren danach Hilfspioniere oder allgemeine Pioniere geworden.
IMMER MEHR KÖNIGREICHSSÄLE IN KÜRZESTER ZEIT
Der allererste Saal wurde schon 1928 gebaut, und zwar in einem Vorort von Bergen von vier Fjelltvedt-Brüdern. Bis Anfang der 80er-Jahre hatten mehrere Versammlungen ihren eigenen Saal gebaut oder gekauft. Aber viele hielten die Zusammenkünfte noch immer in gemieteten Räumen ab, die oft alles andere als ideal
waren. Während des Bethelbaus überlegte man, wie man in kurzer Zeit mehr Königreichssäle bauen könnte. Es hatte sich herumgesprochen, dass Baumannschaften in den USA und in Kanada in Rekordzeit Königreichssäle hochzogen, und man dachte sich: „Wenn unsere Brüder das dort mit der Hilfe Jehovas schaffen, wieso dann nicht auch wir?“Pläne wurden angefertigt und konkrete Details ausgearbeitet. Nach einem Pilotprojekt in Askim im Jahr 1983 baute man 1984 drei Königreichssäle in Schnellbauweise — in Rørvik, Steinkjer und Alta. Wie ging man dabei vor? Ganz einfach, man legte vorher schon das Fundament und koordinierte dann sorgfältig die verschiedenen Arbeiten der Bauhelfer — ob gelernte oder ungelernte Kräfte. So konnte der komplette Bau in nur wenigen Tagen fertiggestellt werden.
Nach diesem Prinzip baute man in den nächsten 10 Jahren rund 80 Königreichssäle. Und auch Island bekam später für drei Königreichssaalprojekte Verstärkung aus Norwegen. Heute haben die meisten Versammlungen ihren eigenen Saal, dennoch gibt es immer noch viel zu tun: Alte Säle müssen renoviert, andere vergrößert und manche noch gebaut werden.
„DAS GEMEINSCHAFTSGEFÜHL IST STÄRKER GEWORDEN“
So sind in Norwegen viele schöne und zweckmäßige Säle entstanden. Durch die Bauprojekte bekamen die Menschen vor Ort außerdem ein gutes Bild von Jehovas Volk. 1987 sprachen zum Beispiel drei Brüder in Fredrikstad mit der Stadtbehörde die Baupläne für ihren Königreichssaal durch. Als sie erwähnten, dass der Bau in drei Tagen fertig sein würde, lachten die Beamten bloß. Aber schon am ersten Tag (Freitag) zeichnete sich ab, dass die Zeugen den Saal wie geplant fertigstellen
würden. Deshalb kam einer der Beamten am Samstag auf die Baustelle, um sich für seine anfängliche Skepsis zu entschuldigen — und zwar auf ganz besondere Art: Er brachte seine Blaskapelle mit und ließ den Bauhelfern ein kleines Ständchen bringen! Nicht schlecht gestaunt hat auch eine Frau in Arendal, als sie 1990 so ein Schnellbauprojekt mitverfolgte. „Es ist unglaublich, was für ein Tempo ihr Zeugen vorlegt“, meinte sie. „Aber noch erstaunlicher sind die vielen fröhlichen, lächelnden Gesichter.“Zwei regionale Baukomitees koordinieren heute den Bau der Säle im ganzen Land. Im Lauf der Zeit standen noch größere und komplexere Bauprojekte an, bei denen wieder etliche Brüder und Schwestern gern zupackten. 1991/1992 musste zum Beispiel das Zweigbüro vergrößert werden. 1994 baute man einen schönen Kongresssaal in Oslo. Und 2003 errichtete die Baumannschaft in Bergen einen großen Königreichssaal, der auch für Kongresse genutzt werden kann.
Solche Bauprojekte tun Jehovas Volk gut, weil alle auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten und an einem Strang ziehen. „Die Verkündiger sind dadurch noch enger zusammengerückt“, stellt ein Bruder fest, der seit 1983 bei Saalbauten mithilft, „und das Gemeinschaftsgefühl in der Bruderschaft ist stärker geworden; es sind viele enge Freundschaften entstanden und wir haben gelernt, besser zusammenzuarbeiten.“
DAS BETHEL ARBEITET AUF HOCHTOUREN
Jetzt, wo man das neue Bethel hatte, konnte man die Zahl der Mitarbeiter aufstocken und noch mehr für das Predigtwerk in Norwegen tun. Zum Beispiel wurden immer mehr Publikationen ins Norwegische übersetzt. Ein ganz wichtiges Jahr war das Jahr 1996, als die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift komplett in Norwegisch erschien. (Die Christlichen Griechischen Schriften waren bereits 1991 herausgekommen.) Heute gibt es so gut wie alles auf Norwegisch, auch das Einsichten-Buch.
Endlich hatte man auch das lang ersehnte Tonstudio. Seit den 60er-Jahren waren die Dramen in Königreichssälen oder auf dem Dachboden oder im Keller des alten Zweigbüros aufgenommen worden — was nicht gerade ideal war. Wie oft musste unterbrochen werden, weil von draußen der Verkehrslärm zu hören war! Doch das ist jetzt alles kein Thema mehr. Dank des neuen Studios kann man sich nun den Wachtturm und das Erwachet! auf Norwegisch anhören — außerdem Dramen, Videos, Choraufnahmen von Königreichsliedern und (über die Website www.pr418.com oder auf CD) auch die komplette Bibel und einige andere Bücher.
AUF IN GEBIETE, WO ES NOCH VIEL ZU TUN GIBT!
Die meisten Verkündiger konzentrieren sich auf ihr Versammlungsgebiet, doch so mancher Verkündiger
und Pionier konnte in nichtzugeteilten Außengebieten mithelfen, wie zum Beispiel in Longyearbyen, hoch oben im Norden des Landes auf der Insel Spitzbergen (Svalbard-Archipel). Manche sind in die hintersten Winkel des Landes gezogen, um dort die gute Botschaft zu predigen und wenn möglich Versammlungen mit aufzubauen.Zu ihnen gehörten Finn und Tordis Jenssen, die 1950 geheiratet hatten. Sie wussten, dass in Hammerfest, einer der nördlichsten Städte der Welt, Not am Mann war. Zwar hatten sie nicht viel Geld, dafür aber großen Elan, Courage, ein klares Ziel vor Augen und ... Fahrräder! Also schwangen sie sich auf den Sattel und fuhren von Bodø in Richtung Hammerfest los — eine Strecke von 900 Kilometern. Auf halbem Weg drückten ihnen Freunde etwas Geld in die Hand, und so konnten sie den Rest der Strecke mit dem Boot fahren. In Hammerfest machten sie sich mit Feuereifer ans Predigen und luden zu den öffentlichen Vorträgen ein, die Finn jedes Wochenende hielt. Jehova hat ihren Herzenseinsatz sehr gesegnet und schon bald entstand dort eine kleine Versammlung.
Eine beeindruckende Geschichte ist auch die von Viggo und Karen Markussen aus Stavanger. Die beiden saßen 1957 in Trondheim auf einem Bezirkskongress und spitzten die Ohren, als in einem der Vorträge der Appell erging, in ein Gebiet zu ziehen, wo es noch nicht genug Verkündiger gab. Viggo stupste Karen mit dem Ellbogen an. Ihr war sofort klar, was das bedeutete, und sie dachte: „Unsere Tage in Stavanger sind gezählt.“ Nur, was würden wohl ihre drei Töchter von einem Umzug halten? (Sie waren zwischen 11 und 14 Jahre alt und bereits Verkündigerinnen.)
Als sie nach dem Kongress zu diesem Thema eine Familienkonferenz abhielten, waren sich alle einig: Sie
konnten und wollten sich zur Verfügung stellen. Sie schrieben ans Zweigbüro und bekamen die Auskunft, sie könnten nach Brumunddal gehen; dort gebe es noch keine Versammlung. Also verkauften sie 1958 ihr komfortables Haus und das Möbelgeschäft und zogen in ein einfaches Blockhaus in der Nähe von Brumunddal. Jehova hat ihnen für alles, was sie aufgegeben haben, viel Schönes zurückgeschenkt und viele, mit denen sie die Bibel studierten, kamen im Lauf der Jahre zur Wahrheit. Als die Mädchen dann flügge wurden und Viggo und Karen in den Kreisdienst kamen, ließen sie eine blühende kleine Versammlung mit rund 40 Verkündigern zurück.Auch etliche junge ledige Brüder siedelten in Gegenden um, wo es noch keine Versammlungen gab, und konnten viel Aufbauarbeit leisten. So zog 1992 ein Trupp Pionierbrüder, die meisten um die 19 Jahre alt, in ein gemietetes Haus in Måløy am Nordfjord. Sie stürzten sich sofort in die Arbeit, versuchten alle aufzusuchen, die schon Interesse gezeigt hatten, und hielten gleich von Anfang an in ihrem Haus Zusammenkünfte ab. Dabei stießen sie im Predigtdienst auf eine Frau, die sich sehr für die Bibel interessierte und gern studieren wollte. Sie war enorm gastfreundlich und wurde für die Jungs wie eine Mutter. Später zog ein Ältester mit seiner Frau nach Måløy, und so konnte eine Versammlung gegründet werden. Die jungen Brüder hatten dort eine sehr schöne Zeit. Es gab zahllose Bibelstudien zu betreuen und viel für die vor Tatendrang sprühende kleine Versammlung zu tun. „Es war eine aufregende Zeit, wir haben viel dazugelernt und konnten uns so richtig entfalten“, freut sich einer von ihnen. Dank ihres Engagements und dem vieler anderer gibt es in der Versammlung Nordfjord heute circa 30 Verkündiger, die 50 bis 60 Bibelstudien leiten.
IN ALLEN MÖGLICHEN SPRACHEN
In den letzten 20 Jahren sind immer mehr Immigranten ins Land gekommen. Und die Versammlungen versuchen mit vereinten Kräften, ihnen in ihrer Muttersprache oder in einer Sprache, die sie verstehen, die Wahrheit näherzubringen. Die erste fremdsprachige Versammlung in Norwegen wurde 1986 in Oslo gegründet, und zwar für spanische und portugiesische Muttersprachler, hauptsächlich aus Lateinamerika. Ungefähr zur selben Zeit fing man im Raum Oslo an, sich systematisch auf die Suche nach Englischsprachigen zu machen — im Straßendienst, in Flüchtlingsaufnahmelagern und über das Telefonbuch. Das Interesse war groß, besonders bei Immigranten aus Afrika und Asien. Viele studierten die Bibel, und so wurde 1990 eine englische Versammlung gegründet.
Mittlerweile hat sich eine ganze Reihe norwegischer Verkündiger an eine andere Sprache herangewagt, um die fremdsprachigen Brüder zu unterstützen. Und so gibt es jetzt Gruppen oder Versammlungen in Arabisch, Chinesisch, Englisch, Pandschabi, Persisch, Polnisch, Russisch, Serbisch/Kroatisch, Spanisch, Tagalog, Tamil und Tigrinja.
Auch im Gebärdensprachgebiet hat sich viel getan. In Norwegen gibt es einige Tausend Gehörlose, die die Norwegische Gebärdensprache sprechen. Und der Organisation liegt viel daran, dass sie erreicht werden. In den 70er-Jahren fing man deshalb damit an, in Zusammenkünften und auf Kongressen zu dolmetschen. Seitdem haben mehrere Verkündiger die Sprache gelernt. An einige Versammlungen sind inzwischen Gebärdensprachgruppen angeschlossen, und 2008 wurde in Oslo die erste Versammlung gegründet. Es gibt 25 gehörlose Verkündiger im Land, die froh sind, Publikationen in Norwegischer Gebärdensprache auf DVD zu haben, und sie auch ausgiebig nutzen.
KRANKENHAUS-VERBINDUNGSKOMITEES
Da wir als Zeugen Jehovas ja keine Bluttransfusionen akzeptieren, ist es manchmal gar nicht so einfach, die nötige medizinische Behandlung zu bekommen. Um unseren Brüdern in solchen Situationen beizustehen und ihnen Informationen über andere Behandlungsmöglichkeiten zu liefern, wurden 1990 in Norwegen Krankenhaus-Verbindungskomitees (KVKs) ins Leben gerufen. Zwischen 1990 und 2010 konnte das KVK im Raum Oslo ungefähr 70 Informationsgespräche mit medizinischem Personal arrangieren und mehr als 500 Patienten zur Seite stehen. Durch den engagierten Einsatz der Komitees wurden viele Ärzte gefunden, die unseren Standpunkt respektieren. Und dank der Informationsmappen haben sich mehr Ärzte dafür entschieden, andere Behandlungswege einzuschlagen. Sehr dankbar sind Patienten und deren Angehörige auch für die Krankenbesuchsgruppen. Sie leisten wirklich wertvolle Arbeit.
Wie gut es ist, dass es die KVKs gibt, erlebte eine junge Pionierin namens Helen am eigenen Leib. 2007 wurde sie schwer krank und musste ins Krankenhaus. Ihre Blutwerte sanken rapide und man setzte sie unter Druck, sich eine Bluttransfusion geben zu lassen: Das sei jetzt das Einzige, was sie noch retten könne. Mit der Unterstützung eines KVK-Mitglieds konnte sie die Ärzte schließlich davon überzeugen, dass man sie in ein größeres und besser ausgerüstetes Krankenhaus verlegte. Als sie und ihre Mutter dort ankamen, wurden sie schon von einem Bruder vom KVK erwartet. Er redete ihnen beruhigend zu und leitete alles Nötige in die Wege, damit unsere Schwester gut versorgt wurde. Das Krankenhaus war bereit, es mit einer Behandlung zu versuchen, die die Produktion der roten Blutkörperchen anregen sollte. Nach wenigen Tagen wurden ihre Blutwerte besser und bald war sie außer Gefahr. Heute ist sie wieder auf den
Beinen und sehr dankbar dafür, dass das Krankenhaus ihre Überzeugung respektiert hat, wo ihr das doch so wichtig war. Sowohl Helen als auch ihre Mutter sagen: „Wir werden nie vergessen, wie schön es war, Jehovas Organisation in Aktion zu erleben und zu spüren, dass unsere Brüder und Schwestern für uns da sind und für uns beten. Dafür werden wir ewig dankbar sein.“MEDIENHETZE LETZTLICH VERPUFFT
Zwischen 1989 und 1992 war gegen unsere Brüder in Norwegen eine regelrechte Hetzkampagne im Gang und sie wurden von Presse, Funk und Fernsehen in den Schmutz gezogen. Ein Dorn im Auge war unseren Gegnern vor allem, dass wir uns an das halten, was die Bibel zum Umgang mit Ausgeschlossenen sagt (1. Kor. 5:9-13; 2. Joh. 10). Die Brüder kamen dadurch im Dienst, auf der Arbeit, in der Schule und im Familienkreis oft in unangenehme Situationen. Solche Schmutzkampagnen überraschen uns als Jesu Nachfolger zwar nicht, aber so einfach zu verkraften sind sie natürlich auch nicht (Mat. 5:11, 12).
„Es war eine schwere Zeit“, erklärte ein Bruder. „Aber sie hatte auch etwas für sich. Ich habe mich zum Beispiel noch einmal gründlich damit auseinandergesetzt, auf welchem biblischen Fundament meine Glaubensansichten stehen — und mir durch den Kopf gehen lassen, was für eine wertvolle geistige Speise wir doch vom treuen und verständigen Sklaven bekommen! Das hat mich in meinem Glauben nur bestärkt. Ich denke, letztendlich hat die ganze Sache uns alle nur stärker gemacht für künftige Glaubensprüfungen.“
„Es hat uns sehr berührt, dass sich unsere Brüder und Schwestern von alldem nicht unterkriegen ließen“, meint ein Kreisaufseher rückblickend. „Uns wurde klar: Das Beste, was wir jetzt machen konnten, war, uns noch mehr im Predigtdienst einzubringen, auch im Straßendienst.
Und es war schön, zu sehen, wie viele genau so reagierten.“Interessant ist in dem Zusammenhang, wie jemand, der einmal ausgeschlossen war, selbst über den Ausschluss dachte — im Gegensatz zu der ganz konträr zur Bibel stehenden Auffassung, die in den Medien propagiert wurde. „Ich wurde mit 20 ausgeschlossen“, erzählt Fred. „Das war für mich der Auslöser dafür, einmal ernsthaft über mein Leben nachzudenken. Der Ausschluss war natürlich nicht gerade ein angenehmes Gefühl, hatte aber einen guten Effekt. Es kam mir vor, als ob Jehova zu mir sagt: ‚Jetzt musst du dich am Riemen reißen, Junge! Wenn du jetzt nicht etwas änderst, geht das für dich nicht gut aus.‘ Das war genau das, was ich brauchte. Statt weiter über die Stränge zu schlagen und mich in der Welt auszutoben, beschäftigte ich mich ernsthaft mit der Wahrheit. Auch einige meiner Freunde waren wieder auf einem besseren Weg.“ Alles nahm ein gutes Ende: Fred tat von Herzen leid, was er getan hatte, er änderte sich, wurde wiederaufgenommen und ist heute Ältester.
„SO WEIT SEIN, DASS JEHOVAS TAG MORGEN KOMMEN KANN“
Obwohl viele Menschen in Norwegen im Wesentlichen nur ans Geld denken und sich immer weniger für die Bibel interessieren, lassen sich Jehovas Diener nicht davon anstecken. Für sie hat alles, was ihren Glauben stark macht, wie das tägliche Bibellesen und ihre Zusammenkünfte, in ihrem Leben Priorität. Und immer mehr von ihnen möchten sich noch stärker im Predigtdienst einbringen und werden deshalb allgemeine Pioniere. Ein Bruder spricht vielen aus dem Herzen,
wenn er sagt: „Wenn ich nicht so weit bin, dass Jehovas Tag morgen kommen kann, werde ich, wenn er dann kommt, auch nicht bereit sein. Wir müssen uns einfach immer weiter nach vorn bewegen. Eines Tages ist er dann da.“ Eine so schöne Einstellung ist sicher mit ein Grund dafür, wieso es seit 2001 in Norwegen ein konstantes Wachstum gibt.Einen spürbaren Schub bekamen die Versammlungen auch durch die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung (heute: Bibelschule für ledige Brüder). Hier wurden viele Brüder hervorragend für Aufgaben innerhalb der Organisation ausgebildet. „Acht Wochen intensives Bibelstudium haben mir die Wahrheit so nahe gebracht wie nie zuvor. Alles, was in der Bibel steht, ist für mich jetzt viel lebendiger und realer“, so fasste es einer von ihnen zusammen. Über 60 Brüder besuchten diese Schule in den letzten 20 Jahren. Sie tun ihrer Versammlung sehr gut und ihr Eifer überträgt sich auf die Brüder.
ZEUGEN JEHOVAS IN DER X-TEN GENERATION
Viele, die sich im Lauf der Jahre taufen ließen, sind in der Wahrheit groß geworden. Einige gehören bereits zur dritten, vierten oder fünften Generation von Zeugen. „Ich habe schon so oft gedacht, was für ein großes Glück ich doch habe, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, in der sich immer alles zuerst um Jehova dreht“, sagt Ivan Gåsodden, ein Urenkel von Ingebret Andersen, dem ersten Bibelforscher in Skien. Was trug dazu bei, dass er sich ebenfalls für die Wahrheit entschied? Wie er selbst sagt, waren das sein „persönliches Studium, das regelmäßige Bibellesen und gute Freunde, die dieselben Ziele hatten“. Auch Ivans Söhne, André und Richard, können sich nichts Schöneres denken, als in so einer Familie aufgewachsen zu sein, und finden, ihre Familie hätte nichts Wertvolleres an sie weitergeben können.
„Ich bin so dankbar für meinen Start ins Leben. Das hat mir viele Probleme erspart“, meint Bente Bu. Sie ist Pionierin und eine Enkelin von Magnus Randal, der damals mit dem Pionierboot Ruth unterwegs war, und auch sie möchte sich heute ganz für andere einsetzen.
Manche, die als Jugendliche ein kleines Tief in der Wahrheit hatten, wurden später engagierte Zeugen Jehovas. Ein Beispiel dafür sind Thomas und Serine Fauskanger aus Bergen. Die beiden wurden in der Wahrheit erzogen, machten aber nicht so richtig Ernst damit. Wieso hat sich das dann geändert?
„2002 kam ein junger Bruder in unsere Versammlung, der auf der Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung gewesen war“, erzählt Thomas. „Er hat mich im Dienst so richtig mit einbezogen und mir geholfen, mir Ziele zu stecken.“
Mit 25 heiratete Thomas Serine, und 2007 zogen die zwei nach Båtsfjord in der Finnmark, weil sie ein Pionierehepaar bei der vielen Arbeit, die es dort zu tun gab, unterstützen wollten. Kurz danach wurden die beiden ebenfalls Pioniere. 2009 gingen sie für drei Monate in ein nichtzugeteiltes Gebiet. Zusammen mit ein paar anderen Verkündigern konnten sie in dem Fischerdorf Kjøllefjord über 30 Bibelstudien anfangen. Um die Nacharbeit machen zu können, sind sie etwas näher in Richtung Kjøllefjord gezogen. So können sie jetzt regelmäßig zu den Interessierten hinfahren und für sie da sein. Dafür sind sie hin und zurück rund 7 Stunden unterwegs. Sie haben wirklich einen vollen Zeitplan, aber Serine meint: „Ich habe jetzt so ein schönes und unkompliziertes Leben und bin wirklich happy. Wir haben zwar nicht viel — aber auch nicht viele Probleme.“
NACH VORN SCHAUEN IM VERTRAUEN AUF JEHOVA
Seit der Zeit, als Knud Pederson Hammer und andere Bibelforscher anfingen zu predigen, hat sich das Leben in Norwegen sehr verändert. Damals stachen Jehovas Diener ziemlich heraus, weil sie in einer von Kirchen und Irrlehren stark geprägten Gesellschaft die Wahrheit aus der Bibel aufzeigten. Im Lauf der Jahrzehnte haben sich zahllose aufrichtige Menschen voller Freude mit der Bibel beschäftigt und sich nur zu gern auf die Seite Jehovas gestellt.
Heute herrscht ein ganz anderes religiöses Klima in Norwegen. Es glauben nicht mehr so viele Menschen an Gott, und man verwahrt sich dagegen, dass es nur eine wahre Religion geben soll. Da dauert es seine Zeit und kostet viel Mühe, bis jemand genügend Bibelkenntnisse hat und an Gott und sein Wort wirklich Glauben entwickelt. Zu lernen, nach der Bibel zu leben, erfordert dann oft noch mehr Zeit. Man sieht aber, dass Jehova Menschen, die es ehrlich meinen, nach wie vor „zieht“ — ob sie nun in einem Fischerdorf weitab vom Schuss wohnen oder in einem Hochhaus mitten in der Stadt (Joh. 6:44).
Für Jehovas Zeugen in Norwegen ist es — wie für alle anderen Zeugen weltweit auch — eine große Ehre, für den Souveränen Herrn Jehova mit viel Mut im „heiligen Dienst“ zu stehen (Luk. 1:74). Auf der Suche nach den „Schafen Jehovas“ bekommen sie beim Durchkämmen ihres riesigen Predigtgebiets immer wieder einen Vorgeschmack auf die herrliche Ruhe und die paradiesische Schönheit, die der Schöpfer der ganzen Erde zugedacht hat. Zusammen mit ihren treuen Glaubensbrüdern rund um den Globus fiebern Jehovas Zeugen in Norwegen der Zeit entgegen, wenn Gottes Königreich seinen Willen in jedem Winkel unserer wunderschönen Erde durchsetzen wird (Dan. 2:44; Mat. 6:10).
[Herausgestellter Text auf Seite 106]
Das hielt ihn nicht auf, er ging einfach barfuß
[Herausgestellter Text auf Seite 111]
„Ich bin als Pfingstlerin zu Bett gegangen und als Zeugin Jehovas aufgewacht“
[Herausgestellter Text auf Seite 122]
„Tja, wir sehen, wir können Ihnen Ihren Glauben nicht wegnehmen“
[Herausgestellter Text auf Seite 157]
„Jetzt musst du dich am Riemen reißen, Junge! Wenn du jetzt nicht etwas änderst, geht das für dich nicht gut aus“
[Kasten/Bild auf Seite 90]
Kurzinformation zu Norwegen
Landesnatur:
Norwegen gilt als das Land der traumhaft schönen Fjorde, der atemberaubenden Berge und der Tausende von Inseln. Rechnet man die Inselgruppe Svalbard, die zwischen dem Festland und dem Nordpol liegt, einmal ab, so ist Norwegen etwas größer als Italien. Klirrende Kälte kennt man vor allem im arktischen Norden, doch dank der warmen Meeresströmungen und Passatwinde ist es (im Vergleich zu anderen Ländern auf dem gleichen Breitengrad) ansonsten erstaunlich mild.
Bevölkerung:
Die meisten der 5 Millionen Einwohner sind ethnisch-norwegischer Herkunft, etwa 10 Prozent sind Migranten. Das Volk der Samen (früher Lappen genannt) lebt zum Großteil immer noch vom Fischfang, Jagen und Fallenstellen und von der Rentierhaltung.
Landessprache:
Die Amtssprache Norwegisch kennt zwei schriftsprachliche Varianten: das Bokmål (Buchsprache), das von den meisten Norwegern verwendet wird und viel mit dem Dänischen gemeinsam hat, und das Nynorsk (Neunorwegisch).
Wirtschaft:
Norwegens stärkstes wirtschaftliches Standbein sind die Erdöl- und Erdgasförderung und die Fertigungsindustrie. Eins der wichtigsten Exportgüter ist Fisch. Nur etwa 3 Prozent von Norwegens Fläche wird landwirtschaftlich genutzt.
Typische Kost:
Norweger essen gern Fisch, Fleisch, Kartoffeln, Brot und Milchprodukte. Das norwegische Nationalgericht heißt Fårikål (in Kohl geschmortes Hammelfleisch). Durch die vielen Migranten, die in den letzten Jahren ins Land gekommen sind, ist die norwegische Küche internationaler geworden.
[Kasten/Bilder auf Seite 95, 96]
Er setzte seine ganze Energie für Jehova ein
THEODOR SIMONSEN
GEBURTSJAHR: 1864
BIBELFORSCHER AB: 1905
KURZPORTRÄT: Ein reisender Aufseher, der früher Prediger der Freien Mission war
▪ THEODOR SIMONSEN erfuhr aus unseren Publikationen, dass die Höllenfeuerlehre unbiblisch ist. Das ließ er dann bei seinen Predigten vor der Freien Missionsgemeinde direkt mit einfließen — was vielen seiner Zuhörer ungemein gefiel. Doch eines Tages bekam er nach einer seiner Predigten einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem stand: „Sie können gehen. Wir wollen Sie hier nicht mehr hören!“
Das war im Jahr 1905, und noch im gleichen Jahr wurde er ein Bibelforscher. Danach hielt er zahllose Vorträge vor Hunderten seiner Glaubensbrüder. Und sie hörten ihm gerne zu. Sein Geld verdiente er als Anstreicher, er lag seiner Familie also nicht auf der Tasche. Doch seine Wochenenden gehörten voll und ganz dem Predigen und Lehren. Von ihm lernte man wirklich eine Menge, denn er hatte ein ausgezeichnetes Bibelwissen, strahlte bei seinen Ansprachen viel Ruhe aus und konnte alles logisch erklären. Er konnte auch schön singen, und so leitete er seine Vorträge meist mit einem Lied ein und begleitete sich dabei auf seiner norwegischen Zither.
1919 erlaubten ihm seine familiären Umstände, als reisender Aufseher unterwegs zu sein. Bis 1935 besuchte er Versammlungen in Norwegen, Dänemark und Schweden. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte nicht nur Versammlungen und
abgelegene Verkündigergruppen zu ermuntern, sondern auch Vorträge in Orten zu halten, wo es keinen einzigen Bibelforscher gab. Dass das sehr anstrengend war, kann man sich gut vorstellen, wenn man nur einmal e i n e Reiseroute von ihm herausgreift: Zwischen Kristiansand im Süden und Tromsø im Norden standen in 12 Monaten 190 Orte auf seinem Programm. Damals blieben reisende Aufseher in der Regel höchstens ein, zwei Tage an einem Ort, dann hieß es schon wieder weiter zum nächsten — wie auch immer man dahin kam.Nur in den wenigsten Orten, die Bruder Simonsen besuchte, gab es schon Bibelforscher, aber zu seinen Vorträgen kamen immer viele, die interessierte, was er zu sagen hatte. 1922 war er zum Beispiel in Bodø. Dort lud er gemeinsam mit Anna Andersen, einer Pionierin, die auch gerade dort predigte, zu einem Vortrag ein. Unter den Zuhörern waren Johan und Olea Berntsen. Sie nahmen Theodor und Anna zu sich nach Hause mit, weil ihnen viele Fragen zur Bibel auf der Seele brannten. Berntsens wurden dann die ersten Bibelforscher in Bodø.
Auf den meisten Schallplattenvorträgen, die in Norwegen in den 30er-Jahren produziert wurden, ist Bruder Simonsens Stimme zu hören. Dieser treue Gesalbte starb 1955.
[Kasten/Bild auf Seite 102]
Er ging seinen Weg mit Gott
ENOK ÖMAN
GEBURTSJAHR: 1880
TAUFE: 1911
KURZPORTRÄT: Leitete von 1921 bis 1945 das Werk in Norwegen
▪ ENOK ÖMAN wuchs in Schweden auf. Als Jugendlicher berührte es ihn tief, dass sein biblischer Namensvetter Henoch seinen Weg immer treu mit dem wahren Gott ging (1. Mo. 5:22). Das wollte Enok auch so gerne. Doch musste er erst 31 Jahre alt werden, bis er erfuhr, wie man das tun kann — denn da bekam er den ersten Band der Schriftstudien in die Hände. Er ließ sich als Bibelforscher taufen, ging in den Pionierdienst und kam später ins schwedische Zweigbüro.
1917 wurde er von Schweden ins Büro nach Norwegen geschickt, und 1921 erhielt er die Aufsicht über das Werk dort. Damals bestand das Büro der Watch Tower Society nur aus einem einzigen Raum, in dem sich Enok ganz allein um alles kümmerte. Im gleichen Haus hatte auch Schwester Maria Dreyer eine Wohnung und einen Fußpflegesalon. Als die beiden dann 1922 heirateten, stand ihnen für ihre Bethelarbeit die gesamte Wohnung von Maria zur Verfügung. Die zwei arbeiteten bis zu Marias Tod 1944 gemeinsam im Bethel. 1953 heiratete Bruder Öman dann noch einmal und wurde wieder Pionier. Er hatte seine himmlische Berufung immer fest im Auge und ging treu seinen Weg mit Gott, bis er im Jahr 1975 starb.
[Kasten/Bild auf Seite 110]
„Er war ein echter Sonnenschein“
WILHELM UHRE
GEBURTSJAHR: 1901
TAUFE: 1949
KURZPORTRÄT: Predigte voller Elan, obwohl ihm seine Muskelkrankheit sehr zu schaffen machte
▪ WILHELM UHRE wohnte auf den Vesterålen. Durch eine Muskelkrankheit waren seine Beine gelähmt und auch das Sprechen fiel ihm schwer. Als er aber Mitte der 30er-Jahre von der guten Botschaft hörte, erzählte er gleich anderen von all dem schönen Neuen, was er erfuhr. Er hatte ein Motordreirad, das er gut für das Predigtwerk einsetzen konnte. Immer wieder fuhr er zum Hafen von Sortland, spielte dort Grammofonplatten mit biblischen Vorträgen ab und verteilte Literatur. Wegen seiner Krankheit und weil er so weit weg wohnte, konnte er sich erst 1949 taufen lassen. Aber mit Feuereifer gepredigt hat er allemal. Viele Küstenreisende haben durch ihn von der Wahrheit gehört und manche sind Zeugen Jehovas geworden.
Als er älter wurde, ging er in ein Pflegeheim in Tromsø. Mit lieben Verkündigern an seiner Seite konnte er aber weiter predigen, und zwar brieflich. Es tat gut, mit ihm zusammen zu sein. Das empfand auch das Pflegepersonal so, denn er war einfach ein gutmütiger und angenehmer Mensch. Die Heimleiterin sagte über ihn: „In sein Zimmer sind wir immer gern gegangen. Er war ein echter Sonnenschein — das hat sein Glaube gemacht!“
[Kasten/Bild auf Seite 113]
Er hielt sich an sein Versprechen
JOHANNES KÅRSTAD
GEBURTSJAHR: 1903
TAUFE: 1931
KURZPORTRÄT: War acht Jahre mit dem Pionierboot unterwegs
▪ JOHANNES KÅRSTAD lag 1929 mit Tuberkulose im Krankenhaus. Dort fing er an, in der Bibel zu lesen, und versprach Gott: „Sollte ich je wieder ganz auf die Beine kommen, werde ich dir dienen.“
Kurz vor seiner Entlassung las er mit großem Interesse Bücher der Bibelforscher. Später besorgte er sich noch mehr und las jedes Buch gleich vier bis fünf Mal durch. Und er versuchte, auch andere für die neu gefundenen Wahrheiten zu begeistern. Sobald er völlig auskuriert war, machte er sich nach Bergen auf und besuchte Bruder Ringereide. Was schlug dieser ihm vor? Den Pionierdienst! Zwar hatte Johannes gerade erst mit dem Predigen angefangen, aber er zögerte keinen Moment und bewarb sich als Pionier.
Von 1931 bis 1938 war er mit dem Pionierboot Ester unterwegs, und danach ein Jahr auf der Ruth. Er schipperte die gesamte Küste entlang, bis hoch ins nördliche Tromsø. Ab 1939 war er dann als reisender Aufseher im östlichen Norwegen unterwegs und half auch zeitweise im Bethel aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg heiratete er und blieb mit seiner Sigrid weiter im Pionierdienst. Er gehörte zu den Gesalbten und starb 1995 in Fredrikstad.
[Kasten/Bild auf Seite 132]
Auf ebener Straße machen ihre Beine noch mit
RANDI HUSBY
GEBURTSJAHR: 1922
TAUFE: 1946
KURZPORTRÄT: Seit 1946 im Vollzeitdienst
▪ RANDIS Eltern ließen sich 1938 taufen. Später entschied auch sie sich für die Wahrheit. 1946 bekam sie die Einladung, im Bethel mitzuarbeiten. Sie nahm sie gern an. Dort traf sie einen jungen Bruder: Kjell Husby. Die beiden lernten sich kennen, heirateten und gingen in den Pionierdienst. Gemeinsam kosteten sie die verschiedensten Facetten des Vollzeitdienstes aus und hatten eine schöne Zeit dabei. 2010 starb Kjell.
In den letzten Jahren hat unsere Schwester große Probleme mit den Beinen und kann nicht mehr so gut Treppen steigen oder steile Wege laufen. Auf ebener Straße machen ihre Beine aber noch mit und man sieht sie oft in den Gassen und Läden von Trondheim predigen. Damit sie auch jedem, der ihr begegnet, von der guten Botschaft erzählen kann, hat sie immer Literatur in mindestens acht Sprachen dabei. Außerdem hat sie etliche Zeitschriftenrouten. Und damit Randi sie regelmäßig betreuen kann, spielen liebe Brüder aus ihrer Versammlung gern ihren Chauffeur.
Sie hat zwar nicht mehr so viel Kraft wie früher, ist aber nach wie vor mit großer Freude und ganzem Herzen im Dienst dabei, weil sie weiß, dass Jehova nichts, was sie aus Liebe für seinen Namen getan hat und noch tut, vergisst (Heb. 6:10).
[Kasten/Bilder auf Seite 149, 150]
Seine Erfahrung? Die Bibel kann einen völlig verändern
VIKTOR UGLEBAKKEN
GEBURTSJAHR: 1953
TAUFE: 1981
KURZPORTRÄT: War früher kriminell; schaffte es, seine Drogensucht aufzugeben und sich von Dämonen zu befreien
▪ VIKTOR nahm als Jugendlicher Haschisch und andere Drogen und geriet dann auf die schiefe Bahn. Die Bibel hatte ihn allerdings schon immer interessiert und als er 1979 an einem Tiefpunkt in seinem Leben ankam, überlegte er sich, ob ihm vielleicht Gottes Wort aus allem heraushelfen könnte. Er versuchte es mit mehreren Religionen, aber was er hörte, enttäuschte ihn und gab ihm nicht viel.
Er wurde so depressiv, dass er sich das Leben nehmen wollte. Doch dann erhielt er einen Brief von seiner Cousine in Bergen, die gerade ein Bibelstudium angefangen hatte. Er fuhr nach Bergen und setzte sich mit dazu. Am Anfang wollte er den Zeugen nur beweisen, dass sie auf dem Holzweg waren. Aber als er hörte, dass Gott vorhat, „die zu verderben, die die Erde verderben“, und aus ihr ein Paradies zu machen, gefiel ihm das gut, denn die Umwelt war ihm schon immer wichtig gewesen (Offb. 11:18).
Gleich von Anfang an ging er mit seiner Cousine in die Zusammenkünfte mit. Er war von der Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Zeugen (sowohl im Königreichssaal als auch privat) sehr angetan. Ihm wurde klar, dass er sein Leben ändern und mit den Drogen aufhören musste. Immer wieder betete er intensiv zu Jehova und erlebte am eigenen Leib, wie Gottes Wort und der heilige Geist einen völlig verändern können (Luk. 11:9, 13; Heb. 4:12).
Psalm 103:13 viel Mut zu: Wie ein Vater, der seinen Söhnen Barmherzigkeit erweist, erweise Jehova denen Barmherzigkeit, die ihn fürchten. Das war genau das, was er brauchte. Von da an wurde sein Verhältnis zu Jehova immer enger und 1981 ließ er sich taufen. Zwar musste er für eine seiner Straftaten noch einmal eine Zeit ins Gefängnis, aber schon kurz nach seiner Freilassung wurde er Pionier. Seitdem konnte er viele zu Jehova führen. Besonders guten Erfolg hat er in Gefängnissen: Zwei Häftlinge sind bereits zur Wahrheit gekommen.
Der Weg zur Taufe war allerdings nicht einfach. Nur mit der Hilfe Jehovas schaffte er es, sich aus dem Griff der Dämonen zu befreien und sich durch zwei Rückfälle in die Drogensucht nicht zurückwerfen zu lassen. Ein Ältester sprach ihm mit dem Text ausMittlerweile ist er ein gestandener Familienvater und Ältester, auf den Verlass ist. Und er ist nach wie vor im Pionierdienst — zusammen mit seiner Frau Tone und seinem Sohn. „Gerade durch den Dienst habe ich mich sehr verändert“, meint er heute rückblickend. „Ich bin Jehova wirklich unendlich dankbar, dass ich anderen so viel Wertvolles über ihn weitererzählen darf.“
[Kasten/Bild auf Seite 152]
Etwas Besseres als Fußball
TOM FRISVOLD
GEBURTSJAHR: 1962
TAUFE: 1983
KURZPORTRÄT: War Fußballspieler; lernte dann Jehova kennen und entschied sich für ihn
▪ TOM hatte mit 20 eine vielversprechende Karriere als Fußballspieler in einer der besten Mannschaften Norwegens vor sich. Seine Mutter war schon Zeugin Jehovas. Irgendwann bot ein junger Pionier, der gerade bei ihr zu Besuch war, Tom ein Bibelstudium an. Er war einverstanden, sagte aber gleich dazu, er habe keinerlei Ambitionen, selbst ein Zeuge zu werden.
Allerdings ging er zu den Zusammenkünften mit und war sehr berührt, wie herzlich er dort aufgenommen wurde. Außerdem schlugen alle während des Programms immer wieder die Bibel mit auf. „Das muss wohl an der Bibel liegen, dass die Leute hier so nett sind“, überlegte er sich.
Nach einiger Zeit war er sich sicher, dass das die Wahrheit war und er Jehova dienen wollte. Nur: Wie sollte er seine Fußballmannschaft davon überzeugen, ihn gehen zu lassen, wo er doch einer ihrer verheißungsvollsten Spieler war? Doch das Unverhoffte geschah: Nachdem er dem Vorstand erklärt hatte, er habe jetzt etwas Besseres gefunden, für das er sein Leben einsetzen wolle, entließ man ihn aus dem Vertrag.
Er ließ sich 1983 taufen und fing 1985 mit dem Pionierdienst an. 1987 zog er mit Viktor Uglebakken nach Hammerfest, weil man dort noch Unterstützung brauchen konnte. Später wurde er Kreisaufseher und heute ist er mit seiner Frau Kristina im Bethel.
[Übersicht/Bilder auf Seite 162, 163]
WICHTIGE ETAPPEN — Norwegen
1890
1892 Knud Pederson Hammer fängt in Norwegen an zu predigen
1900
1900 Erste Versammlung gegründet
1904 Eröffnung eines Büros in Kristiania (Oslo)
1905 Erster Kongress (in Kristiania)
1909 und 1911 C. T. Russell kommt zu Besuch
1910
1914 Ernennung des ersten reisenden Aufsehers
1914/1915 Das „Photo-Drama der Schöpfung“ — ein Publikumsmagnet
1920
1920—1925 Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ landesweit gehalten
1925 Das Goldene Zeitalter (Erwachet!) erscheint in Norwegisch
1928—1940 Predigtreisen per Boot entlang der Küste
1930
1940
1940—1945 Trotz Widerstand und Krieg wird weiter gepredigt
1945 Der Wachtturm erscheint in Norwegisch
1948 Die ersten Gileadmissionare
1950
1950 Oberstes Gericht bestätigt Recht, mit Literatur zu predigen
1960
1965 Internationaler Kongress in Oslo
1970
1980
1984 Einweihung eines neuen Zweigbüros
1990
1990 Krankenhaus-Verbindungskomitees werden eingeführt
1994 Einweihung eines Kongresssaals in Oslo
1996 Vollständige Neue-Welt-Übersetzung erscheint in Norwegisch
2000
2010
2011 Neue Höchstzahlen (Hilfspioniere, Pioniere, Verkündiger, Gedächtnismahlbesucher)
[Übersicht/Bild auf Seite 159]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Verkündiger
Pioniere
10 000
8 000
6 000
4 000
2 000
1920 1935 1950 1965 1980 1995 2010
[Karten auf Seite 91]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
SCHWEDEN
STOCKHOLM
Örebro
Bottnischer Meerbusen
FINNLAND
HELSINKI
Finnischer Meerbusen
OSTSEE
DÄNEMARK
KOPENHAGEN
NORWEGEN
OSLO
Kjøllefjord
Båtsfjord
Vardø
Kirkenes
Karasjok
Hammerfest
Alta
Finnmarksvidda
Kautokeino
Tromsø
Harstad
Narvik
Sortland
Hennes
Svolvær
Bodø
Rørvik
Namsos
Steinkjer
Trondheim
Kristiansund
Måløy
Florø
Bergen
Haugesund
Stavanger
Egersund
Kristiansand
Arendal
Skien
Kongsberg
Drammen
Hønefoss
Gjøvik
Lillehammer
Brumunddal
Hamar
Kongsvinger
Ski
Askim
Moss
Halden
Fredrikstad
Oslofjord
NORDSEE
NORWEGISCHE SEE
Andøya
Bleik
Svalbard
Longyearbyen
PROVINZEN
Finnmark
Troms
Telemark
Vestfold
[Bild auf Seite 88]
Knud Pederson Hammer
[Bild auf Seite 88, 89]
Reine (im Norden Norwegens)
[Bild auf Seite 92]
Die Skiener Versammlung (1911) mit Ingebret und Berthe Andersen
[Bild auf Seite 93]
Viktor Feldt
[Bild auf Seite 94]
Hallgerd Holm (1), Theodor Simonsen (2) und Lotte Holm (3)
[Bilder auf Seite 98]
Die ersten Pioniere: (1) Helga Hess, (2) Andreas Øiseth, (3) Karl Gunberg, (4) Hulda Andersen und (5) Anna Andersen
[Bild auf Seite 100]
„Die Volkskanzel“
[Bild auf Seite 104]
Das norwegische „Goldene Zeitalter“
[Bild auf Seite 106]
Even Gundersrud
[Bild auf Seite 107]
Die Skiener Versammlung fuhr oft im offenen Lastwagen ins umliegende Gebiet
[Bild auf Seite 108]
Torkel Ringereide
[Bild auf Seite 109]
Olaf Skau
[Bilder auf Seite 114]
Karl Gunberg war Steuermann auf der „Elihu“
[Bilder auf Seite 115]
Johannes Kårstad kümmerte sich um die „Ester“
[Bilder auf Seite 116]
Andreas Hope und Magnus Randal waren mit der „Ruth“ unterwegs
[Bild auf Seite 117]
Aurora borealis im Norden Norwegens
[Bild auf Seite 118]
Solveig Løvås
[Bild auf Seite 119]
Andreas und Sigrid Kvinge
[Bild auf Seite 124]
Kongress in einem Wald bei Ski während der Verbotszeit
[Bild auf Seite 127]
Marvin Anderson und seine Frau Karen
[Bild auf Seite 128]
Die Druckpresse mit Fußantrieb
[Bild auf Seite 129]
Bezirkskongress in Bergen (1946)
[Bild auf Seite 130]
Svanhild Neraal (1961)
[Bild auf Seite 133]
Arnulfs Boot kam im Dienst oft zum Einsatz
[Bild auf Seite 135]
Gunnar Marcussen (1) und Hans Peter Hemstad (2) waren die ersten einheimischen Gileadmissionare
[Bild auf Seite 138]
Zeltlager beim internationalen Kongress „Wort der Wahrheit“
[Bild auf Seite 139]
Paul Bruun
[Bild auf Seite 142]
Mit dem Schneemobil zum Predigen bei den Samen: Hartvig Mienna mit einigen anderen
[Bild auf Seite 144]
Der Bethelbau begann 1981
[Bild auf Seite 145]
Das Zweigbüro heute
[Bild auf Seite 147]
Osloer Kongresssaal
[Bild auf Seite 160]
Das Bibelstudium im Familienkreis — so wurden auch die Kinder und Kindeskinder treue Diener Jehovas