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Ruanda

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RUANDA ist mit das kleinste, aber auch mit das schönste Land Afrikas. Man nennt es das Land der tausend Hügel. Neben seinen Bergen, Wäldern, Seen und Wasserfällen bezaubert Ruanda auch durch eine unglaublich vielseitige, schier endlose Flora und Fauna. Im Grenzgebiet zur Demokratischen Republik Kongo * im Westen und Uganda im Norden liegen die mächtigen und beeindruckenden Virungaberge. Mit seinen rund 4 500 Metern ist der Karisimbi der höchste Gipfel. Hagel und Schneeregen setzen dem schlafenden Vulkan öfter mal ein weißes Häubchen auf. In den tieferen Lagen ist das Landschaftsbild von dichtem Bambus und Regenwald geprägt. In diesen bewaldeten Hängen kann man die inzwischen stark gefährdeten Goldmeerkatzen sehen, wie sie sich schwerelos von Liane zu Liane und von Ast zu Ast schwingen. Das üppige Grün beherbergt auch eine der kostbarsten Attraktionen Ruandas: den Berggorilla!

Die saftig grüne, exotische Pflanzenwelt zieht sich hinunter bis zu den Ufern des Kiwusees und dem Urwald von Nyungwe. In diesem Wald mit seinen 270 Baumarten tummeln sich neben Schimpansen und schwarz-weißen Stummelaffen mehr als 70 andere Säugetierarten und fast 300 Vogelarten. Und nicht zuletzt durch die vielen, vielen Schmetterlinge und Orchideen ist dieses Naturschutzgebiet ein traumhaft schönes Stück Erde.

Mitten im tiefsten Nyungwewald bahnt sich ein Bächlein seinen Weg in Richtung Osten. Nach und nach fließen ihm andere Bäche und Flüsse zu und die Wassermassen strömen in den Victoriasee. Von dort aus wird der Strom immer mächtiger und nimmt immer mehr Fahrt auf. Auf seiner langen Reise in den Norden fließt er vorbei an Äthiopien und durch den Sudan bis nach Ägypten, wo er dann ins Mittelmeer mündet. Und so legt dieser Fluss — der Nil — von seinen bescheidenen Anfängen in den Waldhügeln im Herzen Afrikas bis hin zu seiner Endstation gut und gern 6 800 Kilometer zurück und ist damit einer der längsten Flüsse der Welt.

DUNKLE ZEITEN

Leider musste dieses kleine Land grauenhafte Gewalttaten erleben. In einem der schlimmsten Völkermorde der Neuzeit wurden Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder brutal hingemetzelt. Schockierende Bilder der entfesselten Grausamkeit gingen um die Welt und viele fragten sich fassungslos: Wie kann der Mensch derart unmenschlich sein?! (Pred. 8:9).

Wie ist es den treuen Dienern Jehovas in dieser schrecklichen Zeit und auch in den Jahren danach ergangen? Ganz wie das anfängliche Rinnsal aus dem Nyungwewald der sengenden afrikanischen Hitze und allen Hindernissen zum Trotz ein mächtiger Strom wird, so hat sich auch Jehovas Volk in Ruanda in seinem Dienst für ihn nicht aufhalten lassen. Sie haben die Hitze der Verfolgung und größte Schwierigkeiten überstanden und damit ihren Brüdern in aller Welt großen Mut gemacht und viel Kraft gegeben. Die Geschichte Ruandas muss man einfach lesen, sie berührt einen zutiefst. Die Liebe, der Glaube und die Treue unserer lieben Brüder und Schwestern gehen wirklich unter die Haut. Bestimmt fühlt sich jeder von uns am Ende mit Jehova noch inniger verbunden. Und auch die christliche Bruderschaft wird uns allen noch viel mehr bedeuten.

WIE ALLES ANFING

Über das Predigen in Ruanda finden wir zum allerersten Mal etwas im Jahrbuch 1971. Darin heißt es, dass im März 1970 zwei Sonderpioniere ins Land einreisen konnten und erstmals in der Hauptstadt Kigali predigten. Die Menschen waren herzlich und sehr offen für die Botschaft vom Königreich. Ein Interessierter fing bereits mit dem Predigtdienst an. Die Pioniere konnten bei den wenigen, die Suaheli sprachen, zehn Bibelstudien einrichten, gaben sich aber auch alle Mühe, Kinyaruanda zu lernen, um noch mehr Leute zu erreichen.

Die beiden Sonderpioniere waren Oden Mwaisoba und seine Frau Enea aus Tansania. Da sie anfangs noch kein Kinyaruanda konnten, konzentrierten sie sich zunächst auf die Suahelisprachigen, meist Kongolesen und Tansanier. Im Februar 1971 gab es schon vier Verkündiger. Veröffentlichungen in Kinyaruanda existierten allerdings keine und wegen der Sprachbarriere ging es noch nicht so richtig voran.

Stanley Makumba, ein unerschrockener Mann und Kreisaufseher in Kenia, besuchte Ruanda zum ersten Mal 1974. Er weiß noch genau: „Von der ugandisch-ruandischen Grenze fuhren nur ganz wenige Busse nach Ruhengeri. Also nahm uns ein Lkw mit. Ich musste völlig eingepfercht hinten auf der Ladefläche stehen. Meine Frau konnte vorn beim Fahrer sitzen. Als wir endlich ankamen, hat sie mich kaum wiedererkannt, so eingestaubt war ich. Und mein Rücken tat weh! In der Kongresswoche und auch auf dem kleinen Kreiskongress selbst musste ich meine Ansprachen im Sitzen halten. Und ich konnte den Brüdern nie sagen, wann sie mit unserem Besuch rechnen konnten, denn wir wussten ja nie genau, wie und womit wir zu ihnen kommen würden.“

ZURÜCK IN DIE HEIMAT

Ein gebürtiger Ruander namens Gaspard Rwakabubu arbeitete damals im Kongo als Mechaniker in den Kupferminen. Er erzählt: „1974 habe ich die Königreichsdienstschule in Kolwezi besucht. Michael Pottage war einer der Brüder, die uns unterrichteten. Wie er erwähnte, suchte das Zweigbüro in Kinshasa nach einem ruandischen Ältesten, der in sein Heimatland zurückkehren würde, um das Predigen dort zu unterstützen. Ob ich wohl dazu bereit wäre? Ich meinte, das müsse ich mit meiner Frau Melanie besprechen.

Der Chef des Minenunternehmens hatte mir gerade eine Weiterbildung in Deutschland in Aussicht gestellt, denn ich machte meine Arbeit gut und bekam sogar in regelmäßigen Abständen eine Gehaltserhöhung. Aber meine Frau und ich hatten uns schon nach ein paar Tagen entschieden. Ich teilte Bruder Pottage mit, dass wir nach Ruanda zurückgehen würden. Mein Chef konnte es nicht fassen. Ich könne doch auch hier ein Zeuge Jehovas sein, oder nicht? Wieso denn unbedingt Ruanda? Sogar einige Brüder wollten mich davon abhalten: ,Denk doch an deine vier Kinder!‘ Sie rieten mir, mal ganz in Ruhe Lukas 14:28-30 durchzulesen. Die Brüder meinten es zwar gut, aber wir ließen uns von unserem Entschluss nicht abbringen.

Mein Chef spendierte uns den gesamten Rückflug nach Ruanda. Als wir im Mai 1975 in Kigali ankamen, mieteten wir uns ein einfaches Lehmhaus. Das war natürlich nicht zu vergleichen mit dem komfortablen Haus, das uns das Minenunternehmen zur Verfügung gestellt hatte. Aber darauf waren wir eingestellt: Wir wollten das Beste aus allem machen und es schaffen.“

Die Sonderpioniere aus dem Ausland hatten sich ja meist in Suaheli verständigt, weshalb sie manch einer für Suaheli-Sprachlehrer hielt. Das änderte sich dann aber, als Familie Rwakabubu da war. Sie konnten den Menschen nämlich direkt aus der kinyaruandischen Bibel zeigen, was es mit dem Königreich auf sich hat.

Bruder Rwakabubu war außerdem damit beschäftigt, die 32-seitige Broschüre „Diese gute Botschaft vom Königreich“ ins Kinyaruanda zu übersetzen. 1976 kam sie dann heraus. Ob im Bus oder auf den Straßen, überall sah man die Leute darin lesen. Bald war nicht nur die Broschüre, sondern auch der Name Jehova in aller Munde.

DIE ERSTEN RUANDER KOMMEN ZUR WAHRHEIT

Damals gab es im ganzen Land nur 11 Verkündiger, fast alle aus dem Ausland. Justin Rwagatore war einer der ersten Ruander, die zur Wahrheit fanden. Mit diesem sympathischen, freundlichen Mann studierten Sonderpioniere aus Tansania, und zwar in Suaheli, denn sie konnten weder Französisch noch Kinyaruanda. 1976 ließ er sich taufen. Er wohnte in dem Dorf Save, wo der König von Ruanda im Jahr 1900 erstmals katholischen Missionaren die Gründung einer Mission erlaubt hatte. Wie Justin erzählt, wollten die Leute nur zu gern wissen, was die Bibel wirklich lehrt. Aber die Geistlichen! Ihnen passte das gar nicht. Sie verboten ihren Schäfchen, den Zeugen zuzuhören oder von ihnen etwas zum Lesen anzunehmen.

Dann war da noch Ferdinand Mugarura. 1969 hatte er, als er im Ostkongo lebte, das Buch Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Suaheli bekommen. Als dieser Mann, dem so schnell nichts zu viel war, später herausfand, wo es die nächsten Zeugen gab, machte er sich immer freitags mit zwei Freunden zusammen auf und marschierte 80 Kilometer weit, damit er die Bibel studieren und die Zusammenkünfte besuchen konnte. Montags ging es dann zu Fuß wieder heim. Ferdinand ließ sich 1975 taufen, und zwar zusammen mit einem seiner Bibelstudien. 1977 wurde er zum Sonderpionier in Ruanda ernannt. Ein Jahr zuvor, so erinnert er sich noch gut, fand im Wohnzimmer der Familie Rwakabubu ein Kreiskongress statt. 34 waren anwesend und 3 ließen sich taufen.

KEINE EINREISE FÜR MISSIONARE — ZUNÄCHST

Die leitende Körperschaft, die ja immer ein offenes Auge dafür hat, was weltweit gebraucht wird, hatte schon 1969 vier Absolventen der 47. Gileadklasse als Missionare nach Ruanda schicken wollen.

Dazu kann Nicholas Fone etwas erzählen: „Ende Januar überreichte uns Bruder Knorr die Mitteilung, wo wir hinkommen würden. Wir hörten, wie er zu Paul und Marilyn Evans sagte: ,Ihr kommt nach Ruanda‘, und dann zu meiner Frau und mir: ,Und ihr zwei auch!‘ Wir waren wie elektrisiert. Hinterher sind wir sofort in die Gileadbibliothek gerannt und haben in einem Weltatlas nachgesehen, wo genau Ruanda liegt. Später kam dann allerdings ein Absagebrief für Ruanda. Die Brüder hatten einfach keine Einreiseerlaubnis für uns bekommen. Wir waren zwar enttäuscht, gingen aber auch gern mit Paul und Marilyn in ein anderes Gebiet, den Kongo.“

1976 wurden dann zwei Ehepaare der 60. Klasse nach Ruanda geschickt. Die vier Missionare durften tatsächlich einreisen, mieteten ein Haus, machten sich beherzt ans Predigen und fingen an, Kinyaruanda zu lernen. Nach drei Monaten war ihr Visum jedoch abgelaufen. Die Einwanderungsbehörde weigerte sich, es zu verlängern, und so kamen die Missionare in den Ostkongo nach Bukavu.

„SIE WAREN WIRKLICH SEHR FLEISSIG“

Mitte der 70er-Jahre gingen die tansanischen und kongolesischen Sonderpioniere aus den verschiedensten Gründen wieder aus Ruanda weg. Inzwischen gab es aber auch ruandische Pioniere und sie predigten bald überall im ganzen Land. 1978 wurden dann zwei Traktate und das Wahrheits-Buch ins Kinyaruanda übersetzt, und der Wachtturm kam monatlich heraus. Das war eine große Hilfe für den Dienst und mehr und mehr entschieden sich für die Wahrheit. Manfred Tonak, selbst Missionar, weiß über die ruandischen Pioniere von damals zu erzählen: „Sie waren wirklich sehr fleißig und haben viel Zeit im Dienst verbracht. Die Neuen haben es ihnen dann nachgemacht.“

Gaspard Niyongira, der sich 1978 taufen ließ, schildert, mit welcher Dynamik sich die gute Botschaft damals verbreitete: „Die Geistlichen hatten es inzwischen mit der Angst zu tun bekommen, weil so viele Zeugen Jehovas wurden. Zu Hunderten strömten sie zu unseren Kongressen. Wir schwärmten ins Gebiet aus wie die Heuschrecken. Oft arbeiteten sich um die zwanzig Verkündiger von der Stadtmitte Kigalis aus zu Fuß nach Kanombe vor, das sind rund neun Kilometer. Nach einem kleinen Mittagessen ging es weiter nach Masaka, noch einmal sieben Kilometer. Abends fuhren sie alle mit dem Bus zurück in die Stadt. Woanders im Land machten es Verkündigergruppen genauso. Kein Wunder, dass die Leute das Gefühl hatten, Tausende von Zeugen würden überall predigen! Das war ihnen bald suspekt — mit ein Grund, weshalb uns die Behörden rechtlich nicht anerkennen wollten.“

Die Begeisterung für die Wahrheit schlug hohe Wellen und so wollten es sich die ruandischen Brüder auch nicht entgehen lassen, mit Glaubensbrüdern aus anderen Ländern zusammen zu sein. Im Dezember 1978 machten sich also 37 Brüder auf zum internationalen Kongress „Siegreicher Glaube“ in Nairobi (Kenia) — eine Strecke von rund 1 200 Kilometern, die sie zunächst durch Uganda führte. Das war eine lange und schwierige Reise. Auf Transportmittel war kein Verlass und man blieb oft liegen. Außerdem war die politische Lage in Uganda ziemlich instabil. Als unsere Brüder, darunter auch Kinder, endlich an der Grenze zu Kenia ankamen, wurden sie von ugandischen Grenzposten der Spionage beschuldigt und verhaftet. Man brachte sie zum Armeehauptquartier nach Kampala, wo sie vom damaligen Präsidenten Idi Amin höchstpersönlich verhört wurden. Was die Brüder ihm sagten, stellte ihn zufrieden und er ordnete an, sie freizulassen. Den ersten Kongresstag in Nairobi hatten sie zwar verpasst, aber an den restlichen Tagen genossen sie die friedliche Atmosphäre mit Tausenden von Brüdern aus anderen Ländern in vollen Zügen.

UM RECHTLICHE ANERKENNUNG BEMÜHT

Nicht jeder war davon angetan, dass die Zeugen die Wahrheit der Bibel und deren hohe Moral so in Ehren hielten. Vor allem die Geistlichen zeigten sich bestürzt über das große Echo im Land. Bruder Rwakabubu kann das nur bestätigen: „Praktizierende Katholiken, Protestanten und Adventisten reichten reihenweise ihren Kirchenaustritt ein. Oder wie ein anderer Bruder es ausdrückte, hat unser Predigen in den etablierten Kirchen einen Flächenbrand ausgelöst. Schon bald wurden bei den Zusammenkünften in Kigali über 200 Anwesende gezählt. Erst hat die Geistlichen das nicht weiter gestört, wir waren ja nur eine Handvoll. Aber dann wurden wir immer mehr und mit einem Mal warf man uns vor, eine Gefahr für das Land zu sein. Interessanterweise wurde genau zu dieser Zeit der katholische Erzbischof Vincent Nsengiyumva Mitglied im Zentralkomitee der Partei, die damals an der Macht war.

Bei diesem rasanten Zuwachs brauchten wir unbedingt einen rechtlichen Status, damit wir Missionare ins Land holen, Königreichssäle bauen und große Kongresse abhalten konnten. Das Zweigbüro in Kenia sorgte dafür, dass Ernest Heuse aus Belgien mit Regierungsbehörden Kontakt aufnahm und die rechtliche Anerkennung beantragte — doch seine Bemühungen blieben erfolglos. 1982 empfahl uns das kenianische Zweigbüro dann, einen Brief an den Justiz- und den Innenminister zu schreiben. Das Gesuch wurde von mir und zwei anderen Sonderpionieren unterschrieben. Aber man blieb uns eine Antwort schuldig.“

Mittlerweile wurde der Gegenwind immer stärker. Unser Bruder Antoine Rugwiza, der immer sehr viel Ruhe und Würde ausstrahlt, weiß noch, dass der Präsident einmal im Radio verkündete, er gedenke keinesfalls, diejenigen zu tolerieren, die den „Glauben von uns Ruandern“ in den Schmutz ziehen. Jeder wusste: Damit waren Jehovas Zeugen gemeint. Ein Versammlungsverbot für unsere Brüder folgte auf dem Fuß. Und die Gerüchteküche brodelte nur so von bevorstehenden Verhaftungen. Bruder Rwakabubu wurde zwei Mal zum Verhör vor den ruandischen Geheimdienst zitiert.

Im November 1982 fanden in Butare, Gisenyi und Kigali Kreiskongresse statt. Bruder Rwakabubu war der Vorsitzende und für die Kongresse kam aus Nairobi extra Bruder Kiala Mwango mit seiner Frau Elaine angereist. Der Kongress in Kigali war gerade zu Ende, da wurde Bruder Rwakabubu zum dritten Mal in das Amtsgebäude des Präsidenten beordert. Diesmal ließ man ihn allerdings nicht mehr laufen! Innerhalb von vier Tagen waren auch die beiden anderen Sonderpioniere verhaftet, die den Antrag auf rechtliche Anerkennung unterzeichnet hatten. Alle drei wurden ohne jede rechtliche Handhabe ins Gefängnis gesteckt. Weitere Verhaftungen folgten. Der Königreichssaal wurde geschlossen und verriegelt. In einem Rundschreiben des Justizministeriums setzte man die Präfekturen von dem Verbot der Zeugen Jehovas in Kenntnis.

Im Oktober 1983 wurden die drei Brüder schließlich vor Gericht gestellt. Die Anklage lautete: Betrug und Täuschung. Das war natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen. Während des gesamten Verfahrens konnte man weder mit einem einzigen Zeugen aufwarten noch mit irgendwelchem Beweismaterial. Dennoch erhielten unsere Brüder eine zweijährige Haftstrafe. Später wurden im Rahmen einer Amnestie sogar überführte Mörder auf freien Fuß gesetzt, nicht aber unsere treuen Brüder! Auch in Gisenyi kamen fünf Zeugen ohne ein ordentliches Verfahren oder einen gültigen Gerichtsbeschluss ins Gefängnis und mussten es dort fast zwei Jahre aushalten.

DAS LEBEN HINTER GITTERN

Im Gefängnis herrschten trostlose Verhältnisse. Zu essen gab es nur einmal am Tag, meist Bohnen und Maniok. Fleisch höchstens einmal im Monat. Die Betten waren verwanzt, aber es war sowieso alles überfüllt und viele schliefen auf dem Boden. Wasser zum Waschen war Mangelware. Die Brüder mussten zusammen mit gewaltbereiten Straftätern hausen. Die Gefängniswärter waren oft hart und unerbittlich — einer allerdings behandelte die Brüder gut, Jean Fataki. Er war sogar mit einem Bibelstudium einverstanden, ließ sich dann auch taufen, wurde Pionier und ist bis heute treu dabei.

Bruder Rwakabubu erzählt: „Einmal hielt der katholische Erzbischof im Gefängnis eine Messe und warnte alle vor den Zeugen Jehovas. Hinterher wurden wir dann von ein paar Katholiken gefragt, wieso. Schließlich konnten sie ja deutlich sehen, dass an uns nichts Gefährliches war.“

Inzwischen war aus Belgien das Ehepaar Roger und Noella Poels in Kigali angekommen, Roger mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche. Da die drei Brüder nach wie vor im Gefängnis saßen, bat Roger um ein Gespräch mit dem Justizminister. Er wollte ihm erklären, was wir so glauben, und fragte höflich nach, was die Regierung denn gegen Jehovas Zeugen habe. Der Minister schnitt ihm das Wort ab und sagte kurz und knapp: „Monsieur Poels, das reicht! Der nächste Flug nach Brüssel ist Ihrer. Hiermit sind Sie des Landes verwiesen.“

Weil unsere drei Brüder standhaft blieben und sich nicht einschüchtern ließen, mussten sie die kompletten zwei Jahre einsitzen. Immerhin wurden sie im zweiten Jahr in ein anderes Gefängnis verlegt, wo die Zustände viel besser waren. Im November 1984 kamen sie frei.

VERFOLGUNG WIRD HEFTIGER

Der Druck ließ nicht nach. In einer Radiosendung wurden Zeugen Jehovas als schlechte Menschen und Extremisten hingestellt. Im März 1986 gehörten Festnahmen schon zur Tagesordnung. Auch Augustin Murayi wurde verhaftet. Wegen seiner Neutralität als Christ hatte er seinen Posten als Generaldirektor des Ministeriums für Grundschulen und weiterführende Schulen verloren. In der Presse, vor allem aber im Rundfunk, ließ man kein gutes Haar an ihm.

Die Verhaftungswelle überrollte das ganze Land, selbst Schwangere mit kleinen Kindern wurden nicht verschont. Gegen Ende 1986 verlegte man unsere Brüder und Schwestern ins Zentralgefängnis in Kigali, wo sie auf ihren Prozess warten sollten. Da sie weder patriotische Lieder sangen noch das Präsidentenabzeichen trugen, geschweige denn eine Parteimitgliedskarte kauften, glaubten die Leute, Zeugen Jehovas seien regierungsfeindlich und hätten Umsturzabsichten.

„Unter den Ersten, die verhaftet wurden, waren Brüder aus der Versammlung Nyabisindu“, erzählt Phocas Hakizumwami. „Uns war klar, dass es uns früher oder später auch treffen wird und unser Gebiet damit von draußen nach drinnen verlegt würde. Also beschlossen wir, unser ,Außengebiet‘ noch einmal so richtig durchzukämmen. Auf den Märkten brachten wir jede Menge Zeitschriften und Bücher unter die Leute. Wir beteten zu Jehova, uns zu helfen, unser Gebiet doch noch komplett zu bearbeiten. Und das machte er auch, denn am 1. Oktober 1985 hatten wir es durch! Eine Woche später kamen wir ins Gefängnis.“ Man sieht Bruder Hakizumwami beim Erzählen an, dass er sich so richtig darüber freute.

Im Jahr darauf wurden Palatin Nsanzurwimo und seine Frau Fatuma vom Geheimdienst verhaftet. Man verhörte die beiden 8 Stunden lang und durchwühlte ihr Haus, dann wurden sie mitsamt ihren drei Kindern abgeführt. Auf dem Weg zum Gefängnis konnte Palatins jüngerer Bruder, der ihnen dicht folgte, den fünfjährigen Sohn und die vierjährige Tochter an sich nehmen. Die Eltern wurden mit ihrem 14 Monate alten Töchterchen eingesperrt. Später verlegte man Fatuma in ein anderes Gefängnis und hielt sie dort 9 Monate fest.

Zur gleichen Zeit wurden Jean Tshiteyas vier Kinder von der Schule verwiesen. Etwas später musste Jean beim Heimkommen feststellen, dass man das Haus völlig auf den Kopf gestellt hatte und die Kinder ganz allein waren. Seine Frau hatte man mitgenommen. Kurz darauf wurde er selbst verhaftet und ins Gefängnis in Butare gesteckt, wo schon seine Frau und andere Brüder waren. Danach kamen alle inhaftierten Zeugen von dort ins Zentralgefängnis in Kigali. Brüder in Kigali kümmerten sich inzwischen um die vier Jungs.

Bruder Tshiteya erzählt: „Immer wenn neue Brüder und Schwestern aus anderen Gefängnissen des Landes bei uns ankamen, haben wir uns mit einem fröhlichen ,Komera!‘ begrüßt, was so viel heißt wie: ,Nur Mut!‘ Als ein Wärter das hörte, fauchte er: ,Ihr spinnt! Mut haben ... im Gefängnis! Das geht doch gar nicht.‘ “

Menschen mit einem guten Herzen ließen sich durch diese vielen Verhaftungen aber nicht abschrecken. Im Gegenteil! Dazu weiß Odette Mukandekezi, eine lebhafte Schwester, die man damals ebenfalls nicht verschont hatte, etwas Nettes zu erzählen: „Einmal trafen wir auf Josephine. Das Mädel hütete gerade Rinder. In ihrer Bibel hatte sie gelesen, dass man die ersten Christen schlechtgemacht und misshandelt hatte, dass sie verfolgt und in Gefängnisse geworfen worden waren. Und genau das wusste sie ja auch von den Zeugen. Damit war für sie klar: Das mussten die wahren Christen sein! Josephine bat um ein Bibelstudium und ist heute unsere Schwester.“

In der Verbotszeit war Gaspard Niyongira als Lkw-Fahrer viel unterwegs und kam auch oft nach Nairobi. Auf dem Rückweg schmuggelte er in einer Kiste, einer Spezialanfertigung für seinen Lkw, unsere Veröffentlichungen nach Ruanda. In die Kiste passten 6 Literaturkartons. Zur gleichen Zeit konnte Henry Ssenyonga aus Westuganda auf seinem Motorrad regelmäßig Zeitschriften über die Grenze schaffen.

Zusammenkommen konnten die Brüder immer nur in kleinen Gruppen. Sobald man den Verdacht hatte, Zeugen Jehovas würden irgendwo eine Versammlung abhalten, stand eine Hausdurchsuchung an. Bruder Niyongira erzählt: „Ich ließ mein Haus etwas vergrößern. In dem Anbau konnten wir heimlich unsere Zusammenkünfte abhalten. Die Literatur vergruben wir in Plastiksäcken im Boden und schütteten Kohlen drüber.“

Als es mit der Verfolgung losging, gelang es Jean-Marie Mutezintare, der gerade erst getauft war, den besonderen internationalen Kongress „Bewahrer der Lauterkeit“ in Nairobi zu besuchen; das war im Dezember 1985. Auf dem Rückweg besorgten er und Isaie Sibomana sich von Brüdern in Westuganda Zeitschriften, die sie mit nach Ruanda nehmen wollten. An der Grenze flogen sie jedoch auf. Sie wurden umgehend verhaftet und in Handschellen zum Verhör abgeführt; eine kalte Nacht in einer Gefängniszelle erwartete sie. Schon bald fanden sich die beiden im Zentralgefängnis in Kigali wieder. Dort freuten sich die rund 140 Brüder und Schwestern natürlich riesig, alles über den Kongress in Nairobi zu hören — und dann noch aus erster Hand. Aus alldem haben sie mit Sicherheit viel Kraft und Mut geschöpft!

Auch im Gefängnis ließen sich die Brüder ihre Zusammenkünfte nicht nehmen, außerdem machten sie sich systematisch ans Predigen. Sie brachten dem einen oder anderen Häftling sogar Lesen und Schreiben bei. Wer sich für die Wahrheit interessierte, bekam ein Bibelstudium, und vielen neuen Verkündigern konnte geholfen werden, so weit zu kommen, dass sie hätten getauft werden können. Einige hatten schon vor ihrer Verhaftung studiert, andere erst im Gefängnis damit angefangen.

EIN KREISAUFSEHER „KOMMT ZU BESUCH“

Ein Augenzeuge erzählt, wie es 1986 im Gefängnis in Kigali war: „Dort saßen wirklich viele Brüder in Haft. Wir haben uns irgendwann gemeinsam überlegt, was wir denn für unsere Brüder draußen tun könnten. Vielleicht wäre ja ein Brief eine gute Idee! Das würde sie bestimmt ermuntern. Wir schrieben ihnen, wir müssten nur noch unser Gebiet hier fertig bekommen, dann kämen wir wieder nach Hause. Wir predigten von Gefängnisbett zu Gefängnisbett und hatten viele Studien. Später bekamen wir dann mit, dass die Versammlungen draußen gerade den Kreisaufseher zu Besuch hatten. Wie gern hätten wir das auch gehabt! Und wir haben das Jehova oft im Gebet gesagt. Kurz danach wurde Bruder Rwakabubu, der damals Kreisaufseher war, zum zweiten Mal inhaftiert. Wir sollten eben auch unseren Besuch bekommen — so sahen wir das jedenfalls.“

Nur ein einziger Bruder ist unter der Verfolgung eingeknickt. Kaum hatte er sich das politische Abzeichen angesteckt, da traktierten ihn die anderen Häftlinge mit Fußtritten und Schlägen und schimpften ihn einen Feigling! Seine Frau, die die Bibel erst studierte, fragte ihn, warum er nicht treu geblieben war. Später schrieb er den Richtern, er habe einen Fehler gemacht und sei nach wie vor Zeuge Jehovas. Selbst das kenianische Zweigbüro erhielt von ihm einen Brief, in dem er sich entschuldigte. Er ist bis heute unser treuer Bruder.

AUCH DRAUSSEN GEHT DAS PREDIGEN WEITER

Bei den Brüdern, die man nicht verhaftet hatte, war der Eifer ungebrochen, was man auch an den 20 Stunden sieht, die sie monatlich im Schnitt predigten. Alfred Semali, dem die Haft erspart blieb, sagt rückblickend: „Im Gefängnis war ich zwar nie, aber ich habe immer damit gerechnet und war vorbereitet. Der Königreichssaal war geschlossen, also trafen wir uns nur grüppchenweise und predigten weiter. Meine Zeitschriften habe ich immer in einen braunen Umschlag gepackt und mich dann auf den Weg in die Stadt gemacht. Dadurch sah es so aus, als ob ich auf Arbeitssuche war. Doch in Wirklichkeit habe ich die Augen aufgehalten, wer sich für die Zeitschriften oder ein Gespräch über die Bibel interessieren könnte.

1986 waren ja viele unserer Brüder und auch Interessierte im Gefängnis gelandet, selbst die, die gerade erst mit dem Bibelstudium angefangen hatten. Einfach beeindruckend, wie standhaft sie blieben — auch die Neuen! In vielen Ländern setzten sich unsere Brüder hin und schrieben Protestbriefe an den Präsidenten. Jeden Tag erhielt er Hunderte von Briefen — das meldete sogar das Radio. Und es wirkte! 1987 kamen unsere Brüder und Schwestern und die Interessierten durch einen Präsidentenerlass wieder frei. Wir waren überglücklich.“ Kaum wieder in Freiheit, sorgten die Ältesten dafür, dass sich die Neuen in Kigali taufen lassen konnten: Es waren 36, und 34 (!) von ihnen starteten direkt mit dem Hilfspionierdienst.

Als die Verfolgung 1986 am heftigsten wütete, gab es durchschnittlich 435 Verkündiger. Davon waren ungefähr 140 Brüder und Schwestern im Gefängnis. Sie wurden in Ruanda zu Säulen der Organisation Jehovas. Bei ihnen konnte man wirklich von einer „geprüften Echtheit“ des Glaubens sprechen (Jak. 1:3).

Nach all den Turbulenzen der 80er-Jahre kamen unsere ruandischen Brüder jetzt endlich in etwas ruhigere Gewässer und erlebten ein schönes Wachstum. Wie würde es im Land weitergehen? Immer mehr Menschen fanden zur Wahrheit. Würden auch die Neuen sich als echte Jünger bewähren, die Feuer und Hitze standhalten könnten? (1. Kor. 3:10-15). Es sollte einiges auf sie zukommen. Wäre ihr Glaube dem allem gewachsen? Eine klare Antwort darauf sollten die nächsten Jahre bringen.

POLITISCHE UNRUHEN UND KRIEG

1990 zählte man in Ruanda schon fast 1 000 Verkündiger, doch wurde die politische Lage zusehends instabil. Im Oktober drangen Truppen der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) vom benachbarten Uganda aus in den Norden von Ruanda ein.

Ferdinand Mugarura, ein mutiger Bruder, der wegen seines Glaubens bereits zweimal im Gefängnis gewesen war, wohnte damals in Ruhengeri und erzählt von dieser Zeit: „Überall machten sich Hass und Stammesstolz breit. Doch wir als Zeugen Jehovas blieben neutral und ließen uns weder in politische Konflikte noch in ethnisches Denken hineinziehen. Da die Brüder von ihrer neutralen Haltung nicht abrückten, verloren manche ihre Arbeit oder mussten von zu Hause fliehen.“

Ein Beispiel dafür ist eine Witwe mit drei Kindern, die als Lehrerin tätig war. Sie weigerte sich, etwas für die Armee zu spenden. Die Schulleitung meldete das dem Militär und unsere Schwester musste dafür ins Gefängnis — für sie bereits das zweite Mal, man hatte sie in den 80er-Jahren schon einmal inhaftiert. Als die Invasionsarmee in den Ort einfiel, wurde das Gefängnis aufgebrochen und sämtliche Häftlinge suchten das Weite. Nur unsere Schwester nicht. Sie blieb. Beim Rückzug der Truppen kam sie erneut hinter Gitter und wurde ins Zentralgefängnis nach Kigali gebracht. Sie wusste nicht, an welchem Tag das Gedächtnismahl war, wollte es aber auf keinen Fall verpassen. Darum betete sie zu Jehova, sie das doch irgendwie wissen zu lassen. Und was geschah? Es war kaum zu fassen: Genau am Gedächtnismahltag kam sie frei! Sie hatte zwar ihr Heim und ihre Stelle als Lehrerin verloren, aber dafür engagierte sie sich von nun an voll im Pionierdienst.

Mit Unterstützung aus dem Ausland wurde die Invasion vorübergehend zurückgeschlagen. 1991 versuchte man ein Mehrparteiensystem einzuführen. Diverse größere und kleinere Parteien wurden gegründet, was sehr zu einem tribalistischen und regionalistischen Geist beitrug. Manche Parteien waren gemäßigt, andere extremistisch und militant. Zum ersten Mal wurde die Neutralität der Zeugen Jehovas mit Wohlwollen quittiert. Da sie sich weder in politische Querelen noch in Stammesfehden verwickeln ließen, hatte die Regierung und die Bevölkerung nun kein Feindbild mehr von ihnen.

Im September 1991 sprach eine internationale Delegation zusammen mit unseren ruandischen Brüdern Gaspard Rwakabubu und Tharcisse Seminega bei hochrangigen Ministern in Kigali vor. Der neue Justizminister zeigte sich sehr entgegenkommend. Die Brüder bedankten sich bei ihm für all das, was sich bereits getan hatte, und brachten ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass es nun in Richtung uneingeschränkte Religionsfreiheit weitergehen würde.

Bevor es so weit war, fand im Januar 1992 ein Bezirkskongress statt, an den sich Godfrey und Jennie Bint nur zu gut erinnern können: „Wir waren damals gerade in Uganda und staunten nicht schlecht, als wir vom kenianischen Zweigbüro einen Brief bekamen, in dem stand, dass wir für drei Wochen nach Ruanda gehen sollten, um bei der Dramaaufnahme zu helfen und den Kongress mit zu organisieren. Wir wurden lieb aufgenommen und richtig verwöhnt: Jeden Tag waren wir bei einer anderen Familie zum Essen eingeladen. Man hatte ein privates Fußballstadion gemietet und war mit den Vorbereitungen schon gut vorangekommen. Für die Dramaaufnahme war bereits alles geplant und trotz der begrenzten technischen Möglichkeiten klappte alles gut. Viele Brüder aus dem Norden Ruandas erhielten zwar keine Reisegenehmigung und die Grenzen nach Burundi und Uganda waren dicht, aber trotzdem waren wir am Sonntag 2 079 und 75 hatten sich taufen lassen.“

ENDLICH OFFIZIELL ANERKANNT!

Ein paar Monate danach, nämlich am 13. April 1992, war es dann endlich geschafft: Zum ersten Mal hatte unser Werk in Ruanda die rechtliche Anerkennung. Wie lange hatte man die gute Botschaft unter größten Schwierigkeiten trotz Verbot, Schikanen und Verhaftungen gepredigt! Das war nun vorüber! Eine neue Ära war eingeläutet, nun konnte es richtig aufwärtsgehen.

Die leitende Körperschaft reagierte sofort und schickte Missionare ins Land. Die ersten, die eine Aufenthaltsgenehmigung bekamen, waren Henk van Bussel (vorher in der Zentralafrikanischen Republik und im Tschad) und Godfrey und Jennie Bint (vorher im Kongo, damals Zaire, und in Uganda). Das Predigen organisieren sollte von da an ein Landeskomitee.

Bruder Bint erzählt, wie es den dreien gleich am Anfang erging: „Ein Missionarheim war schnell gefunden, sogar ganz nah beim Königreichssaal. Wir haben uns dann auch direkt drangemacht, Kinyaruanda zu lernen, und gemerkt, dass die Sprache es wirklich in sich hat. Das ging ja schon den ersten beiden Sonderpionieren 1970 so. In einem Lehrbuch hieß es: ,CW wird wie TSCHKW ausgesprochen.‘ Und die Schwester, die uns Unterricht gab, hat immer gesagt: ,Das „shy“ in „isi nshya“ [die neue Erde] bekommt ihr nie richtig heraus, wenn ihr nicht dabei lächelt.‘ “

Später im Jahr zählte man in Ruanda dann so viele Verkündiger wie noch nie zuvor: 1 665. Und im Januar 1993 fand in Kigali ein weiterer Bezirkskongress statt. Diesmal kamen 4 498 und 182 ließen sich taufen. Als Repräsentant des kenianischen Zweigbüros reiste Kiala Mwango an. Damals hätte niemand auch nur im Traum daran gedacht, dass auf dem Grundstück direkt gegenüber vom Kongressstadion im Jahr 2006 ein Zweigbüro gebaut werden würde.

Selbst eine weitere Invasion vom Norden her konnte das Predigen nicht drosseln. Der Invasionsarmee gelang es 1993, bis nur wenige Kilometer vor Kigali vorzustoßen. Jenseits der Hügel der Hauptstadt hörte man bereits starken Artilleriebeschuss. Die Grenze zu Uganda blieb geschlossen. Rund eine Million Menschen waren aus dem Norden Ruandas geflohen. Darunter auch 381 Brüder und Schwestern, die von Brüdern in Kigali und Umgebung aufgenommen wurden. Schließlich wurde in Arusha (Tansania) ein Abkommen unterzeichnet, nach dem eine Waffenruhe gelten sollte, eine Pufferzone eingerichtet werden und sich die Regierung mit den Invasoren und einer Reihe größerer und kleinerer Parteien die Macht teilen sollte.

EIN GANZ BESONDERER TAGESKONGRESS!

Im gleichen Jahr war im Regionalstadion von Kigali ein Tagessonderkongress geplant. Allerdings hatte man das Stadion gleich zweimal vergeben: Um 15 Uhr sollte dort auch ein Fußballspiel stattfinden. Am Vormittag lief noch alles gut, aber bevor es dann am Nachmittag weitergehen konnte, kamen schon die ersten Fußballfans ins Stadion und die Polizei konnte sie nicht aufhalten. Das Spiel würde wohl bis circa 18 Uhr dauern, so die Auskunft des Stadionmanagers. Was nun? Die Brüder räumten vorerst das Feld und kamen gegen 18 Uhr wieder zurück, um noch den Rest des Programms zu hören.

Nur, eigentlich herrschte ja Ausgangssperre! Das heißt: Nach 18 Uhr durfte kein Auto mehr fahren und nach 21 Uhr sich keiner mehr im Freien aufhalten. Außerdem war da die bange Frage, ob wohl am Abend auch die Stromversorgung gesichert war, damit das Stadion beleuchtet werden konnte. Doch man hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen! Gegen 19 Uhr wurde im Radio gemeldet, die Ausgangssperre gelte an diesem Abend erst ab 23 Uhr. Und da die Stadionverwaltung ja vertragsbrüchig geworden war, sorgte der Bürgermeister von Kigali persönlich dafür, dass die Stromversorgung im Stadion garantiert war. Und nicht nur das: Er stellte sicher, dass die Brüder nach dem Programm — das sie nun also wirklich nachholen konnten! — auch gut nach Hause kamen, und zwar kostenlos. Man kann sich denken, dass die Brüder große Augen gemacht haben, als sie am Schluss aus dem Stadion kamen und eine ganze Armada von Bussen auf sie wartete.

Günter Reschke erinnert sich noch an seinen Besuch in Ruanda Ende September 1993. „Das Zweigbüro in Kenia hatte mich nach Kigali geschickt, um dort zusammen mit Bruder Rwakabubu in der Königreichsdienstschule zu unterrichten. Damals gab es im Land nur 63 Älteste, und das bei mittlerweile 1 881 Verkündigern! Man spürte bereits, dass sich im Land Schlimmes zusammenbraute, und wir hörten Gerüchte von Kämpfen im Norden. Natürlich konnte niemand auch nur ahnen, wie schrecklich es letztendlich wurde. Aber die Schule kam genau zur richtigen Zeit. Sie stärkte die Ältesten im Glauben und rüstete sie für ihre Arbeit als Hirten aus. Das war genau das, was sie jetzt brauchten, zumal über Ruanda ja schon dunkle Kriegswolken aufzogen.“

PLÄNE FÜR EIN BÜROGEBÄUDE

Ende März 1994 kamen Leonard Ellis und seine Frau Nancy aus Nairobi nach Ruanda. Sie sollten dort eine Reihe Tagessonderkongresse und das Übersetzungsbüro unterstützen. Das kenianische Zweigbüro hatte empfohlen, das Übersetzungsbüro und das Missionarheim zusammenzulegen. Und so saß am Montag, den 4. April abends beim Wachtturm-Studium eine größere Gruppe zusammen: das (inzwischen vergrößerte) Übersetzungsteam, die Brüder vom Landeskomitee, die Missionare und Ehepaar Ellis. Es sah so aus, als ob das Werk wieder einen großen Sprung nach vorn machen würde; alle waren schon ganz aufgeregt.

Sowie alles geregelt war, nahmen Bruder und Schwester Ellis den vorerst letzten Passagierflug von Kigali. Allerdings wusste das damals noch keiner. Am Nachmittag danach erhielt das Missionarheim einen Anruf von Bruder Rwakabubu: Die russische Botschaft habe ihren Anspruch auf das Grundstück zurückgezogen, das wir auch schon für den Bau eines Bürogebäudes ins Visier genommen hatten. Wir könnten es jetzt haben und sollten deshalb am nächsten Tag vormittags zu einem Gespräch kommen. Zu diesem Treffen — am Donnerstag, den 7. April — ist es jedoch nie gekommen!

DER VÖLKERMORD BEGINNT

Am Mittwoch, den 6. April wurde abends in der Nähe von Kigali ein Flugzeug abgeschossen. Mit an Bord saßen der Präsident von Ruanda und der Präsident von Burundi. Das Flugzeug ging in Flammen auf und alle Passagiere starben. Nur wenige hatten an jenem Abend etwas von dem Anschlag mitbekommen; der staatliche Radiosender schwieg sich aus.

Die Tage danach werden unsere drei Missionare (Ehepaar Bint und Henk van Bussel) wohl nie vergessen. Bruder Bint erzählt: „Am 7. April wurden wir in aller Frühe aus dem Schlaf gerissen, weil überall geschossen wurde und Handgranaten explodierten. Das war nicht ganz ungewöhnlich, denn die politische Situation im Land spitzte sich ja seit Monaten bedrohlich zu. Doch dann — wir waren gerade dabei, Frühstück zu machen — bekamen wir einen Anruf. Es war Emmanuel Ngirente aus dem Übersetzungsbüro, der uns erzählte, der lokale Rundfunk habe gerade den Flugzeugabsturz der beiden Präsidenten gemeldet und der Verteidigungsminister warne alle Einwohner Kigalis davor, das Haus zu verlassen.

Gegen 9 Uhr hörten wir Plünderer ins Nachbarhaus eindringen. Sie ermordeten die Mutter der Familie und schnappten sich das Auto.

Kurz danach standen sie auch vor unserem Grundstück, klingelten Sturm und hämmerten wie wild gegen das Metalltor. Wir machten keinen Mucks und rührten uns nicht. Aus irgendeinem Grund haben die Plünderer und Soldaten das Tor dann nicht aufgebrochen, sondern sind weitergezogen. Überall hörte man Explosionen und das Rattern der Gewehre. Keine Chance zu fliehen! Neben uns dröhnten die Schüsse, also hasteten wir in den Flur in der Mitte des Hauses, um bei dem Kugelhagel vor Irrläufern geschützt zu sein. Wir überlegten uns, unser Essen jetzt am besten zu rationieren und uns von nun an nur noch eine Mahlzeit am Tag zu teilen, denn uns war klar, dass das noch eine ganze Weile dauern würde. Am nächsten Tag — wir waren gerade fertig mit Essen und hörten im ausländischen Sender noch Nachrichten — schrie Henk: ‚Die steigen über unseren Zaun!‘

Was nun? Wir mussten sofort handeln. Wir rannten ins Badezimmer und schlossen uns dort ein. Dann beteten wir zusammen und flehten Jehova an, uns zu helfen, alles tragen zu können, was immer auch passieren würde. Wir hatten noch nicht einmal zu Ende gebetet, da hörten wir schon die Miliz und Plünderer Fenster und Türen einschlagen. Minuten später stürmten sie johlend ins Haus und stellten alles auf den Kopf. Es müssen so 40 Plünderer gewesen sein: Männer, Frauen und Kinder! Dazu noch die Miliz-Soldaten. Wir hörten, wie sie sich wegen unserer Sachen in die Wolle gerieten und dabei sogar Schüsse fielen.

Nach einiger Zeit — uns kam es wie eine Ewigkeit vor, aber dazwischen lag wohl nicht einmal eine Dreiviertelstunde — versuchten sie, ins Bad reinzukommen. Doch da das nicht ging, fingen sie an, die Tür einzuschlagen. Uns wurde klar, dass wir jetzt wohl besser rausgehen und uns zeigen sollten. Die Männer waren unter Drogen und der Wahnsinn stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie bedrohten uns mit Macheten und Messern. Jennie schrie laut heulend zu Jehova. Einer von ihnen holte mit der Machete aus und haute Henk mit der stumpfen Seite ins Genick. Er fiel in die Badewanne. Irgendwie schaffte ich es, an unser Geld zu kommen. Als ich es ihnen in die Hand drückte, zankten sie sich sofort darum.

Auf einmal merkten wir, dass uns ein junger Mann die ganze Zeit anstarrte. Wir kannten ihn nicht. Aber er uns. Bestimmt vom Predigtdienst! Er packte uns, schob uns zurück ins Badezimmer und sagte, wir sollten die Tür schließen. Er würde uns retten.

Etwa eine halbe Stunde lang hörten wir noch, wie die Plünderer wüteten. Dann wurde es ruhig. Nach einer Weile tauchte der junge Mann wieder auf und sagte uns, wir könnten jetzt rauskommen, aber es müsste ganz schnell gehen. So wie wir waren, gingen wir mit ihm mit, ohne noch irgendetwas im Haus zu holen. Draußen sahen wir einige unserer Nachbarn auf dem Boden liegen — man hatte sie umgebracht. Es war ein Bild des Grauens. Zwei Mitglieder der Präsidentengarde eskortierten uns zum Haus eines Offiziers in der Nähe. Der Offizier brachte uns dann zum Hôtel des Mille Collines, in das sich viele Leute geflüchtet hatten. Am 11. April wurden wir schließlich und endlich nach Kenia evakuiert — nach vielen angstvollen Stunden und einer nervenaufreibenden Militäraktion, in der wir auf einem Umweg aus der Stadt zum hinteren Teil des Flughafens verfrachtet wurden. Völlig zerzaust und abgerissen standen wir schließlich in der Anmeldung im Bethel in Nairobi. Einige Stunden später tauchte auch Henk wieder auf, der während der Evakuierung von uns getrennt worden war. Die Bethelfamilie überschlug sich fast, um uns zu helfen, und fing uns mit viel Liebe auf.“

GERETTET — WEIL EIN KLEINES MÄDCHEN BETETE

Einen Tag nach dem Flugzeugabsturz, bei dem die beiden Präsidenten umkamen, tauchten sechs Regierungssoldaten bei Bruder Gaspard Rwakabubu zu Hause auf. Ihre Augen waren blutunterlaufen, sie hatten eine starke Alkoholfahne und an ihrem ganzen Verhalten war zu sehen, dass sie unter Drogen standen. Sie wollten Waffen. Bruder Rwakabubu erklärte ihnen, dass er und seine Familie Zeugen Jehovas seien und deshalb keine Waffen hätten.

Zeugen Jehovas? Soweit die Soldaten wussten, waren das die Leute, die die Regierung nicht unterstützten und nichts für die Armee spendeten, weil sie neutral bleiben wollten. Das brachte sie erst richtig in Rage. Gaspard und seine Frau Melanie waren zwar keine Tutsi, aber die Hutu-Miliz „Interahamwe“ tötete nicht nur Tutsi, sondern auch gemäßigte Hutu, vor allem wenn es so aussah, als ob sie mit den Tutsi oder der Invasionsarmee sympathisierten.

Die Soldaten schlugen auf die beiden mit Stöcken ein und drängten sie dann mitsamt ihren fünf Kindern ins Schlafzimmer. Bettlaken wurden heruntergerissen und die Männer fingen an, sie um sie zu wickeln. Ein paar von ihnen hielten Granaten in der Hand. Es war klar, was sie vorhatten. Gaspard fragte, ob sie noch ein Gebet sprechen dürften.

Einer der Soldaten schnaubte verächtlich und fuhr ihm über den Mund. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel zwischen den Soldaten und nach etwas Hin und Her erlaubten sie der Familie widerstrebend dann doch, zu beten: „In Ordnung, zwei Minuten.“

Alle beteten still zu Jehova, nur Deborah, ihr sechsjähriges Töchterchen, betete laut: „Jehova, sie wollen uns jetzt umbringen, aber wie sollen wir denn dann die Leute wieder besuchen, denen Papa und ich gepredigt haben und bei denen ich fünf Zeitschriften abgegeben habe? Sie warten doch auf uns und müssen unbedingt noch mehr über die Wahrheit wissen. Ich verspreche dir, wenn uns nichts passiert, werde ich Verkündigerin, lasse mich taufen und gehe in den Pionierdienst! Jehova, bitte! Rette uns!“

Die Soldaten sahen sie groß an und verwunderten sich nur. Schließlich meinte einer von ihnen: „Okay, wegen der Kleinen hier und ihrem Gebet lassen wir euch am Leben. Falls noch andere von uns herkommen, sagt ihnen, dass wir schon da waren.“ *

ALLES KOMMT NOCH SCHLIMMER

Je stärker die Invasionsarmee (die Ruandische Patriotische Front oder RPF) die Hauptstadt Kigali bedrängte, umso brutaler wurde der Krieg. Die Interahamwe-Miliz geriet immer mehr unter Druck und richtete ein immer schlimmeres Blutbad an.

In der ganzen Stadt und an allen Kreuzungen wurden Straßensperren errichtet und mit Soldaten, bewaffneten Interahamwe-Milizionären und Anwohnern besetzt. Alle diensttauglichen Männer wurden gezwungen, zusammen mit der Interahamwe an den Straßenblockaden Tag und Nacht Wache zu stehen. Ziel der Blockaden? Tutsi ausfindig zu machen und zu ermorden.

Hunderttausende Ruander flohen, als sich das Morden auf das ganze Land ausweitete. Viele von ihnen, darunter auch Zeugen Jehovas, flüchteten sich in den Kongo und nach Tansania.

AUGE IN AUGE MIT KRIEG UND TOD

Einige unserer Brüder und Schwestern erzählen jetzt ein wenig, wie es war, als die Welt um sie herum in Stücke brach. Dabei ist zu bedenken, dass unsere ruandischen Brüder ja schon in den 80er- Jahren viele Feuerproben zu bestehen hatten — Feuerproben, die ihren Glauben und ihren Mut nur noch stärker gemacht und noch mehr veredelt haben. Weil sie so einen festen Glauben hatten, schafften sie es, „kein Teil der Welt“ zu bleiben: Sie beteiligten sich nicht an Wahlen, mischten nicht in der Politik mit und schlossen sich nicht den Bürgerwehren an (Joh. 15:19). Ihr Mut hat ihnen geholfen, die Folgen zu ertragen: Verachtung, Gefängnis, Verfolgung, Tod. Dieser feuererprobten inneren Haltung und ihrer Liebe zu Gott und zum Nächsten ist es zu verdanken, dass sich Jehovas Zeugen am Genozid nicht beteiligt haben. Mehr noch: Sie haben ihr Leben füreinander riskiert.

Viele Erlebnisse werden hier gar nicht geschildert. Die meisten Brüder möchten all die schrecklichen Einzelheiten am liebsten einfach vergessen, zumal ihnen nichts an Rache liegt. Die Geschichte ihres Glaubens wird bestimmt in unseren Herzen etwas entzünden. Sie wird in jedem von uns den Wunsch anfachen, noch viel mehr das zu praktizieren, was wahre Nachfolger Jesu Christi ausmacht: Liebe (Joh. 13:34, 35).

JEAN UND CHANTAL

Jean de Dieu Mugabo ist ein warmherziger und fröhlicher Bruder. Er fing 1982 mit seinem Bibelstudium an und musste schon vor seiner Taufe im Jahr 1984 drei Mal ins Gefängnis, weil er sich zur Wahrheit bekannte. 1987 heiratete er seine Chantal, die ebenfalls seit 1984 getauft war. Als der Genozid losging, hatten die beiden drei Kinder im Alter von 5 Jahren, 2 Jahren und 6 Monaten — alles Mädchen. Die zwei Großen wohnten bei den Großeltern außerhalb der Stadt; nur das Baby war bei den Eltern.

Vom ersten Tag des Völkermords an (7. April 1994) war kein Haus, in dem Tutsi wohnten, vor den Soldaten und der Interahamwe sicher. Auch Jean wurde festgenommen und mit Knüppeln verprügelt; er konnte jedoch entkommen und flüchtete sich zusammen mit einem anderen Bruder in einen Königreichssaal in der Nähe. Inzwischen versuchte Chantal, die nicht wusste, was mit ihrem Mann passiert war, panisch, mit ihrem Baby aus der Stadt zu kommen — zu ihren beiden anderen Töchtern.

Jean erzählt, wie es bei ihm weiterging: „Der Königreichssaal war früher eine Bäckerei gewesen, deshalb gab es da einen großen Kaminschacht. Eine Woche lang konnten wir uns einfach im Saal verstecken, und eine Hutu-Schwester brachte uns, wann immer es sicher genug war, etwas zu essen. Doch dann mussten wir uns im Dach verstecken — genau gesagt zwischen der Decke und den Wellblechplatten. Da sind wir in der brütenden Hitze fast vergangen. Es war zum Verzweifeln! Wir mussten unbedingt ein besseres Versteck finden. Vielleicht im Schornstein. Mit viel Mühe klopften wir ein paar Ziegel heraus und kletterten in den Kamin. Dort mussten wir dann zusammengekauert über einen Monat lang hocken.

Nicht weit von uns befand sich eine Straßensperre und die Männer von der Interahamwe kamen oft in den Saal herein zum Reden oder wenn es draußen regnete. Wir konnten sie da unten immer hören. Die Schwester versorgte uns weiter mit Essen, wann immer es ging. Manchmal dachte ich, ich könnte das alles nicht mehr länger aushalten. Aber wir beteten ununterbrochen um die Kraft zum Durchhalten. Am 16. Mai erfuhren wir dann von unserer Schwester, dass die Ruandische Patriotische Front die Kontrolle über diesen Stadtteil übernommen hatte und wir aus unserem Versteck endlich herauskommen konnten.“

Wie erging es in der Zwischenzeit seiner Frau Chantal? Sie erzählt: „Irgendwie schaffte ich es, am 8. April mit unserem Baby von zu Hause zu entkommen. Unterwegs begegnete ich zwei Schwestern. Die eine hieß Immaculée und war Hutu (das stand auch in ihrem Ausweis), die andere hieß Suzanne und war Tutsi. Eigentlich wollten wir zusammen nach Bugesera gehen, wo meine Eltern und meine anderen beiden Kinder wohnten. Bis dahin waren es etwa 50 Kilometer. Doch dann hörten wir, dass man auf allen Straßen, die aus der Stadt führten, Blockaden aufgestellt hatte. Also flüchteten wir nur bis zu einem Dorf am Stadtrand von Kigali, wo Immaculée einen Verwandten hatte, der ebenfalls in der Wahrheit war. Gahizi war Hutu und nahm uns lieb auf, und obwohl ihn die Nachbarn rundum bedrohten, tat er alles, um uns Tutsi zu helfen. Als die Regierungssoldaten und die Interahamwe jedoch davon Wind bekamen, erschossen sie ihn.

Danach wollten sie uns auch ermorden und führten uns runter zum Fluss. Wir waren in Todesangst und warteten darauf, dass sie abdrückten, da hörten wir sie mit einem Mal heftig streiten. ‚Nicht die Frauen töten! Das bringt uns nur Unglück‘, rief einer von ihnen. ‚Lieber nur die Männer töten!‘ André Twahirwa, der sich erst in der Woche zuvor hatte taufen lassen und uns gefolgt war, schaffte es dann irgendwie, uns von dort wegzuholen und zu sich nach Hause zu nehmen — trotz heftiger Proteste seiner Nachbarn. Am nächsten Tag ging er mit uns zurück nach Kigali in der Hoffnung, dort einen Ort zu finden, wo wir sicher waren. Er schleuste uns durch mehrere Straßensperren, die unser sicherer Tod gewesen wären. Die ganze Zeit über trug Immaculée mein Baby — für den Fall, dass man uns anhielt. So würde vielleicht wenigstens dem Baby nichts passieren. Suzanne und ich hatten unsere Ausweise zerrissen, damit man uns nicht nachweisen konnte, dass wir Tutsi waren.

An einer Straßensperre wurden wir schließlich von Interahamwe-Leuten angehalten. Sie herrschten Immaculée an: ‚Warum bist du mit diesen Tutsi unterwegs?‘, und wurden ihr gegenüber rabiat. Suzanne und ich durften nicht passieren. Immaculée und André gingen allein weiter zur Familie Rwakabubu. Dann kam André mit zwei anderen Brüdern, Simon und Mathias, wieder zurück. Unter Einsatz ihres Lebens halfen sie uns durch die letzte Straßensperre hindurch. Suzanne schlüpfte danach bei einer ihrer Verwandten unter und mich nahmen sie mit zu Rwakabubus.

Doch da konnte ich nicht bleiben. Das war viel zu gefährlich. Deshalb versuchten die Brüder, mich heimlich in einen Königreichssaal zu schaffen, wo sich schon andere Brüder und Schwestern, darunter zehn Tutsi, versteckt hielten. Es war ein schwieriges Unterfangen. Die ganze Zeit über blieb Immaculée treu an meiner Seite. Sie war einfach nicht davon abzuhalten. ‚Falls sie dich töten und ich überlebe‘, so sagte sie immer, ‚dann werde ich schauen, dass deinem Baby nichts passiert.‘ “  *

Nicht weit weg wohnte Védaste Bimenyimana. Er hatte seine Frau, die Tutsi war, und seine Kinder gerade noch in Sicherheit bringen können und war nun wieder da, weil er noch den Brüdern im Königreichssaal helfen wollte, an einen sicheren Ort zu kommen. Tatsächlich haben alle überlebt! Was für ein Geschenk!

Nach dem Genozid erfuhren Jean und Chantal, dass man ihre Eltern und ihre beiden Mädchen ermordet hatte. Dazu ungefähr 100 weitere Verwandte. Ein Verlust, bei dem einem fast die Worte versagen. Wie haben sie all das nur verkraftet? „Am Anfang war es kaum zu ertragen“, sagt Chantal. „Wir waren wie betäubt. So viele Menschen waren gestorben! Es war einfach unfassbar! Wir konnten es nur in die Hand Jehovas legen und uns daran aufrichten, dass wir unsere Kinder in der Auferstehung wiedersehen.“

75 (!) TAGE VERSTECKT

Tharcisse Seminega hatte sich 1983 im Kongo taufen lassen und lebte in der Zeit des Genozids gerade in der ruandischen Stadt Butare, circa 120 Kilometer von Kigali. „Nach dem Flugzeugattentat in Kigali sickerte zu uns durch, dass alle Tutsi getötet werden sollten“, erzählt er. „Zwei Brüder überlegten hin und her, wie sie uns über Burundi zur Flucht verhelfen konnten, aber sämtliche Straßen und Wege wurden von der Interahamwe bewacht.

Auch unser Haus wurde von vier Soldaten bewacht. Einer hatte in etwa 200 Meter Entfernung ein Maschinengewehr postiert. Wir saßen fest und wussten nicht, wohin. Ich schrie zu Jehova Gott im Gebet: ‚Jehova, wir wissen nicht mehr ein und aus. Nur du kannst uns jetzt noch retten!‘ Am Abend kam ein Bruder zu unserem Haus gerannt. Er hatte Angst, wir seien schon alle tot. Die Soldaten erlaubten ihm, für ein paar Minuten ins Haus zu gehen und nachzuschauen. Er war so froh, dass wir alle noch lebten, und irgendwie brachte er es fertig, zwei unserer Kinder mit zu sich nach Hause zu nehmen. Dann erzählte er Bruder Justin Rwagatore und Joseph Nduwayezu, dass wir im Haus festsaßen und Hilfe brauchten. Sie reagierten sofort. Noch in derselben Nacht holten sie uns heraus, obwohl es wirklich gefährlich und schwierig war, und Justin nahm uns erst einmal mit zu sich nach Hause.

Wir konnten aber nicht lange bei ihm bleiben, denn schon am nächsten Tag hatte sich herumgesprochen, dass wir uns dort versteckten. Noch am selben Tag ließ uns ein gewisser Vincent wissen, die Interahamwe wolle uns umbringen und würde jeden Moment zuschlagen. Vincent hatte früher einmal mit Justin die Bibel studiert, sich aber nicht für die Wahrheit durchringen können. Er schlug vor, dass wir uns vorläufig im Gestrüpp in der Nähe von Justins Haus versteckten. Als es dann dunkel war, führte er uns zu sich und versteckte uns in einer runden, fensterlosen Lehmhütte mit Strohdach, die als Unterstand für die Ziegen diente.

Viele lange Tage und Nächte vergingen. Die Hütte stand in der Nähe einer Kreuzung, nur ein paar Meter entfernt vom belebtesten Markt der ganzen Region! Immer wieder bekamen wir Gesprächsfetzen mit: Die Leute erzählten sich, was sie den Tag über gemacht hatten — auch, wen sie schon alles umgebracht hatten und was sie noch für entsetzliche Gräueltaten vorhatten. Das machte uns nur noch mehr Angst und wir beteten um unser Leben.

Vincent tat alles, was er konnte, um für uns zu sorgen. Einen ganzen Monat lang blieben wir in seiner Hütte, doch Ende Mai wurde es dort zu gefährlich. Mittlerweile war nämlich die Interahamwe aus Kigali hierher nach Butare geflohen. Deshalb sollten wir nun besser bei einem Bruder untergebracht werden, der unter seinem Haus eine Art Keller hatte, wo er schon drei andere Zeugen versteckt hielt. Mitten in der Nacht ging es los. Es war eine gefährliche Aktion. Viereinhalb Stunden waren wir zu Fuß unterwegs, bis wir bei dem Bruder ankamen. Die ganze Zeit über regnete es in Strömen. Doch das war ein Glück, denn so konnten uns die Mörder nicht so leicht entdecken.

Unser neues Versteck war eine Grube circa 1,5 Meter unter der Erde. Eine Holzdiele diente als Klapptür. Danach mussten wir eine Leiter hinunterklettern und durch einen engen Tunnel kriechen, bis wir in dem rund 4 Quadratmeter großen ‚Keller‘ waren. Es roch nach Schimmel und bis auf einen winzigen Lichtschimmer, der durch einen Riss zu uns durchdrang, war es stockdunkel. Wir wagten nicht, eine Kerze anzuzünden, das hätte uns verraten können. Dieses Loch, in dem man wirklich Platzangst bekam, teilten meine Frau Chantal, unsere fünf Kinder und ich uns mit den drei anderen Brüdern — 6 Wochen lang! Doch bei all dem, was wir durchmachten, haben wir immer wieder Jehovas Hand gespürt. Brüder riskierten ihr Leben, um uns Essen, Medikamente und liebe Worte zukommen zu lassen. Ab und zu konnten wir tagsüber dann doch eine Kerze anzünden, damit wir gemeinsam in der Bibel, im Wachtturm oder den Tagestext lesen konnten.

Jede Geschichte hat ein Ende. Auch unsere. Am 5. Juli 1994 hörten wir von Vincent, dass Butare jetzt in den Händen der Invasionsarmee war. Wir konnten also aus dem Keller herauskommen. Als die Leute uns sahen, wollten sie gar nicht glauben, dass wir Ruander waren. Wir waren ganz bleich geworden, weil wir ja all die Wochen keinerlei Tageslicht zu sehen bekommen hatten. Eine ganze Weile lang konnten wir auch nicht laut reden, sondern nur flüstern. Es dauerte einige Wochen, bis wir uns etwas erholt hatten.

Meine Frau war danach wie verwandelt. Zehn Jahre lang hatte sie sich dagegen gewehrt, mit Jehovas Zeugen die Bibel zu studieren. Doch jetzt hielt sie nichts mehr auf. Wenn man sie fragte, warum, sagte sie immer: ‚Es hat mich tief berührt, mit wie viel Liebe die Brüder für uns da waren und was sie alles auf sich genommen haben, um uns zu retten. Außerdem habe ich gespürt, dass Jehova wirklich mächtig ist und seine Hand über uns gehalten hat. Er hat uns vor den Macheten der Mörder gerettet.‘ Sie gab sich Jehova hin und ließ sich gleich auf dem ersten Kongress nach dem Krieg taufen.

Wir können gar nicht sagen, wie unendlich dankbar wir all den Brüdern und Schwestern sind, die mitgeholfen haben, dass wir überleben konnten — ob durch ihre Taten oder durch ihre innigen Gebete. Wir haben ihre tiefe und ehrliche Liebe zu spüren bekommen — eine Liebe, für die es keine ethnischen Schranken gibt.“

EIN HELFER BRAUCHT SELBST HILFE

Einige Jahre nach der Rettungsaktion von Familie Seminega brauchte Justin Rwagatore selbst Hilfe. Er wurde nämlich zusammen mit anderen Brüdern verhaftet, weil sie politisch neutral geblieben waren. Deswegen war er 1986 unter der damaligen Regierung schon einmal verhaftet worden. Eine Abordnung Brüder sollte nun unseren politisch neutralen Standpunkt klarstellen. Mit dabei war auch Bruder Seminega. Er erzählte den Behörden, dass er und seine Familie nicht mehr am Leben wären, wenn Justin ihnen nicht geholfen hätte. Daraufhin wurden die Brüder alle freigelassen.

Viele nahmen die Wahrheit an, weil sie gesehen hatten, wie sich die Brüder beim Genozid verhielten. Zum Beispiel Suzanne Lizinde, die sich im Januar 1998 taufen ließ: Sie hatte mit eigenen Augen beobachtet, wie ihre Kirche — die katholische Kirche — beim Genozid mitgemacht hatte, und war sehr angetan davon, wie sich im Gegensatz dazu die Zeugen in ihrer Gegend verhalten hatten und wie viel Liebe sie zueinander hatten. Sie bewegte sich schnell in Richtung Taufe und versäumte keine einzige Zusammenkunft, obwohl sie dazu 5 Kilometer weit durch hügeliges Gelände marschieren musste, und das mit ihren 65 Jahren. Auch ihre Familie fand durch sie zur Wahrheit. Heute ist einer ihrer Söhne Ältester und einer ihrer Enkel Dienstamtgehilfe.

HUNDERTTAUSENDE FLIEHEN

Gehen wir kurz zurück zu Henk van Bussel, den man ja 1992 als Missionar nach Ruanda geschickt hatte. Nachdem er im April 1994 nach Kenia evakuiert worden war, reiste er mehrmals in den Ostkongo nach Goma, um dort die Hilfsaktionen für die ruandischen Flüchtlinge zu unterstützen. An den Grenzübergängen liefen die Brüder auf kongolesischer Seite auf und ab, hielten die Publikationen hoch und sangen oder pfiffen Königreichslieder, damit die Zeugen, die aus Ruanda flohen, sie auch gleich finden würden.

Damals herrschte große Panik. Hunderttausende flohen in den Kongo und nach Tansania, während der Krieg zwischen den Regierungstruppen und der Ruandischen Patriotischen Front tobte. Sammelstelle für die Brüder, die nach Goma flohen, war der Königreichssaal. Später wurde kurz vor der Stadt ein Flüchtlingslager für gut 2 000 Personen eingerichtet, und zwar ausschließlich für Zeugen Jehovas, deren Kinder und Interessierte. Ähnliche Lager kamen in anderen Gegenden des Ostkongos dazu.

Bei den meisten Flüchtlingen, die keine Zeugen Jehovas waren, handelte es sich um Hutu, die Angst vor Repressalien hatten. Bei unseren Brüdern flohen hingegen Hutu und Tutsi gemeinsam. Tutsi über die Grenze nach Goma hineinzubekommen war sehr gefährlich, denn nach wie vor wurde Jagd auf sie gemacht. Um unsere Brüder, die Tutsi waren, aus dem Land zu schleusen, musste man zeitweise pro Kopf 100 Dollar bezahlen.

Im Kongo wollten die Brüder dann unbedingt zusammenbleiben und nichts mit der Interahamwe zu tun haben, die in den Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen aktiv war. Außerdem waren die meisten Flüchtlinge, die keine Zeugen waren, für die bisherige Regierung und konnten Jehovas Zeugen nicht leiden. Und schon gar nicht gemocht wurden sie von der Interahamwe, denn sie waren ja nicht auf ihrer Seite gewesen. Darum wollten sich die Brüder von all diesen Leuten fernhalten — auch um ihre Glaubensbrüder, die Tutsi waren, zu schützen.

Da unsere Brüder ja ihr ganzes Hab und Gut in Ruanda zurückgelassen hatten, brauchten sie Hilfe. Deshalb schickten Jehovas Zeugen aus Belgien, Frankreich, Kenia, dem Kongo und der Schweiz sowohl Geld, Medikamente, Lebensmittel und Kleidung als auch medizinisches Fachpersonal. Unter den ersten Hilfsgütern, die eingeflogen wurden, befanden sich viele kleine Zelte, die das Bethel in Frankreich geschickt hatte. Später lieferte das belgische Bethel noch Bungalowzelte, in denen ganze Familien Platz hatten. Auch Feldbetten und Luftmatratzen wurden eingeflogen. Und der kenianische Zweig schickte über zwei Tonnen Kleidung und mehr als 2 000 Decken.

CHOLERA BRICHT AUS

Über 1 000 Zeugen und Interessierte hatten im Königreichssaal in Goma und auf dem angrenzenden Gelände Schutz gesucht. Doch dann brach in der Stadt wegen der ungeheuren Menge an Flüchtlingen zu allem Unglück noch Cholera aus. Das kongolesische Zweigbüro schickte umgehend Medikamente, damit man die Epidemie bekämpfen konnte. Bruder van Bussel flog von Nairobi mit 60 Kartons Medikamenten nach Goma. Der Königreichssaal wurde vorübergehend in ein Krankenhaus umfunktioniert und man versuchte, die Cholerakranken von den anderen zu trennen. Loic Domalain und ein anderer Bruder, beide Ärzte, sowie Aimable Habimana, ein medizinischer Assistent aus Ruanda, setzten sich unermüdlich und aufopferungsvoll ein. Eine große Hilfe in der Zeit waren auch Bruder Hamel aus Frankreich und viele andere Brüder und Schwestern, die ihre medizinischen Kenntnisse einbrachten und sich um die Kranken kümmerten.

Trotz der intensiven Versuche, die Cholera einzudämmen, erkrankten doch über 150 Brüder und Interessierte daran; um die 40 starben, bevor man der Krankheit Herr werden konnte. Etwas später mietete man ein großes Stück Land und richtete darauf ein Flüchtlingslager für Jehovas Zeugen ein. Hier wurden Hunderte von kleinen Zelten aufgestellt, außerdem schickte Kenia ein riesiges Zelt, das als Krankenhaus diente. Als amerikanische Gesundheitshelfer das Lager besuchten, waren sie sehr beeindruckt, wie ordentlich und sauber alles war.

Anfang August 1994 sorgte das Hilfskomitee in Goma für mittlerweile 2 274 Flüchtlinge (Zeugen, Kinder, Interessierte). Viele Brüder waren auch nach Bukavu und Uvira (ebenfalls im Ostkongo) und nach Burundi geflüchtet. 230 weitere Brüder lebten in einem Flüchtlingslager in Tansania.

Als die Brüder vom Übersetzungsbüro in Kigali nach Goma fliehen mussten, mieteten sie dort ein Haus, um weiter übersetzen zu können. Das ging nur, weil sie es geschafft hatten, einen Computer und einen Generator mit nach Goma zu retten — und das mitten im Krieg!

Weder die Post noch das Telefon funktionierte in Goma, und wenn, konnte man sich nicht darauf verlassen. Doch es gab einige Brüder, die auf dem Flughafen arbeiteten. Und da zwischen Goma und Nairobi eine wöchentliche Flugverbindung bestand, konnte das übersetzte Material und andere Post mithilfe dieser Brüder nach Nairobi geschickt werden. Auf demselben Weg kam auch Post aus Nairobi.

Emmanuel Ngirente und zwei weitere Übersetzer taten, was sie konnten, um alles zu übersetzen, aber manche Wachtturm-Artikel mussten sie auslassen, weil es der Krieg und die Umstände einfach nicht möglich machten. Diese Artikel wurden später aber noch nachübersetzt, dann als spezielle Broschüren veröffentlicht und von den Brüdern im Versammlungsbuchstudium studiert.

DAS LEBEN IN DEN FLÜCHTLINGSLAGERN

Der Flüchtlingsstrom aus Kigali war noch immer nicht abgerissen, als Francine in eins der Lager der Brüder gebracht wurde. Sie war nach der Ermordung ihres Ehemanns Ananie nach Goma geflüchtet. Wie sah das Leben im Lager aus? Sie erzählt: „Jeden Tag waren einige Brüder und Schwestern dazu eingeteilt, für das Essen zu sorgen. Meistens machten wir zum Frühstück etwas ganz Einfaches wie Hirse- oder Maisgrütze. Dann kümmerten wir uns noch um das Mittagessen und wenn wir alles fertig hatten, konnten wir in den Dienst gehen. Meist predigten wir Familienangehörigen, die mit uns im Lager lebten, aber keine Zeugen waren, und den Menschen, die außerhalb des Lagers lebten. Die Interahamwe in den anderen Lagern war allerdings gar nicht davon erbaut, dass wir Zeugen uns in gesonderten Lagern aufhielten, und nach einer gewissen Zeit wurde es brenzlig.“

Im November 1994 hatte sich die Situation in Ruanda so weit beruhigt, dass die Brüder dorthin zurückkehren konnten. Das war sogar ratsam, denn in den anderen Lagern, die nicht von Jehovas Zeugen unterhalten wurden, war die Lage sehr instabil. Allerdings hoffte die Interahamwe, sich noch einmal neu zu formieren und Ruanda erneut anzugreifen, und betrachtete deshalb jeden, der vom Kongo nach Ruanda zurückging, als Verräter. Der Weg zurück war also mit großen Hindernissen gepflastert.

Die Brüder informierten die Regierung in Ruanda darüber, dass Jehovas Zeugen, die ja im Krieg neutral und in den Völkermord an den Tutsi in keiner Weise verstrickt gewesen waren, wieder heimkehren wollten. Die Regierung verwies sie an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), da es dafür die nötigen Fahrzeuge hatte. Doch war klar, dass die Interahamwe auf der kongolesischen Seite alle aufgehalten hätte, also mussten sich die Brüder etwas einfallen lassen.

Und so gaben sie bekannt, in Goma würde ein Tagessonderkongress stattfinden, und fertigten dafür sogar Kongressplakate an. Unter der Hand ließen sie die Brüder jedoch wissen, dass sie an diesem Tag zurück nach Ruanda gebracht werden würden. Damit die Aktion keinen Verdacht erregte, wurden alle gebeten, ihre Habseligkeiten im Lager zu lassen und nur ihre Bibeln und ihre Liederbücher mitzunehmen — als ob sie eben zu einem Kongress gingen.

Francine erinnert sich noch lebhaft daran: Sie mussten erst einige Stunden zu Fuß gehen, bis dann an einer Stelle endlich eine Reihe Lkws auf sie warteten und sie zur Grenze brachten. Auf der ruandischen Seite standen schon Fahrzeuge des UNHCR bereit, die sie dann nach Kigali und von da aus in ihre Heimatregionen fuhren. So konnten im Dezember 1994 tatsächlich die meisten Brüder mitsamt ihren Familien und Interessierten wieder nach Ruanda zurückgeführt werden. In der belgischen Zeitung Le Soir vom 3. Dezember 1994 war zu lesen: „1 500 Flüchtlinge haben beschlossen, aus Zaire [Kongo] nach Ruanda zurückzukehren, weil sie das Gefühl haben, dort nicht mehr sicher genug zu sein. Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Zeugen Jehovas, die oberhalb vom Flüchtlingslager Katale ein eigenes Lager eingerichtet haben. Jehovas Zeugen sind von der vorherigen Regierung besonders verfolgt worden, weil sie sich weigerten, Waffen zu tragen und sich an politischen Kundgebungen zu beteiligen.“

Nach ihrer Rückkehr nach Ruanda konnte Francine einen Bezirkskongress in Nairobi besuchen. Das Zusammensein mit den Brüdern und Schwestern baute sie sehr auf und sie kam langsam über den Tod ihres Mannes hinweg. Sie kehrte in das Übersetzungsbüro zurück, das man mittlerweile in Kigali wieder eingerichtet hatte, und heiratete später Emmanuel Ngirente. Die beiden sind bis heute treu im Bethel.

Wie ist Francine in der schlimmen Kriegszeit mit ihren Gefühlen klargekommen? Sie sagt: „Wir hatten damals nur eins im Sinn: Wir müssen bis zum Schluss durchhalten. Und wir hatten uns fest vorgenommen, uns in das entsetzliche Grauen nicht zu sehr hineinzudenken. Ich weiß noch, dass mir Habakuk 3:17-19 viel Mut gemacht hat. Da steht nämlich, wie man in schwierigen Situationen Freude finden kann. Und auch meine Brüder und Schwestern haben mich oft aufgemuntert. Einige haben mir geschrieben. All das hat mir geholfen, mich fest an Jehova zu halten und nach vorn zu sehen. Ich hab mir immer in Erinnerung gerufen, dass Satan viele, viele Tricks hat. Konzentrieren wir uns zu sehr auf e i n e Problematik, kann er uns womöglich mit einer anderen eine Falle stellen. Wir können auf die eine oder andere Weise schwach werden und müssen darum immer aufpassen.“

WIEDER IN RUANDA

Bruder van Bussel war für die Heimkehrer eine große Stütze. Er erzählt: „Wir führten ein Hilfsprogramm für den ‚Neuanfang‘ ein, damit die Brüder nach dem Krieg wieder Fuß fassen konnten — auch die, die in Ruanda geblieben waren und praktisch alles verloren hatten. Einige Brüder wurden gebeten, die Versammlungen zu besuchen und herauszufinden, was gebraucht wurde. Je nach Bedarf erhielten Familien und Einzelpersonen ein Hilfspaket. So war es den Brüdern möglich, die ersten drei Monate zu überbrücken, bis sie dann wieder selbst für sich sorgen konnten.“

Ganz wichtig war natürlich, die Brüder mit geistiger Speise zu versorgen. Und so zog das Übersetzungsteam 1994 wieder in das alte Büro in Kigali ein. Das Haus war vom Kugelhagel regelrecht durchlöchert, so erinnert sich Bruder van Bussel. Aber die Literatur war fast noch komplett da. Über Monate hinweg fanden die Brüder in den Bücherkartons immer wieder Gewehrkugeln. Einer der Übersetzer entdeckte im Garten sogar eine Handgranate! Um den Oktober 1995 herum zog das Übersetzungsteam in ein erheblich größeres und praktischeres Gebäude, das man am anderen Ende der Stadt gemietet hatte. Es diente bis zum Bau des neuen Zweigbüros im Jahr 2006 als Büro und Wohngebäude.

„ES WAR, ALS HÄTTE DIE AUFERSTEHUNG ANGEFANGEN!“

Bis Dezember 1994 waren die meisten Brüder aus dem Kongo heimgekehrt. Gerade rechtzeitig, um in Kigali zum Bezirkskongress „Gottesfurcht“ zusammenzukommen — ein Motto, das wirklich passte. Auch Brüder aus Frankreich, Kenia und Uganda reisten an. Auf dem Königreichssaalgelände, wo der Kongress stattfinden sollte, herrschte schon Freitagvormittag ein richtiges Gewusel von Brüdern. Eine Schwester sieht diesen Tag noch im Geist vor sich: „Es war wirklich ergreifend: Alle lagen sich in den Armen und ihnen liefen Tränen übers Gesicht. Sie sahen sich seit dem Krieg zum ersten Mal wieder und entdeckten liebe Freunde, die sie schon tot geglaubt hatten.“ Eine andere Schwester hat das so empfunden: „Es war, als hätte die Auferstehung angefangen!“

Mit dabei war auch Günter Reschke aus Kenia. Er erzählt: „Nach dieser schlimmen Zeit wieder beieinander zu sein und all die Lieben zu sehen, die überlebt hatten, war eine reine Freude! Doch dann passierte es: Die große Menschenansammlung beunruhigte die Behörden, und so marschierten am frühen Nachmittag bewaffnete Soldaten auf und untersagten den Kongress aus Sicherheitsgründen. Alle hatten das Gelände umgehend zu räumen. Wir konnten uns danach zwar noch etwas Zeit für unsere Brüder nehmen, aber irgendwann mussten wir nach Nairobi zurück. Es tat uns für sie sehr leid, dass das mit dem Kongress nicht geklappt hatte. Aber so schade das auch war, wenigstens hatten wir unser Möglichstes tun können, um sie im persönlichen Gespräch zu ermutigen, weiter im Glauben stark zu bleiben — und wir fuhren mit dem guten Gefühl ab, dass sie genau das fest vorhatten.“

Da im Land etwas Ruhe eingekehrt war, beschlossen viele andere, die ruandische Wurzeln hatten, aber im Ausland lebten, in ihre Heimat zu gehen. Darunter waren einige, deren Eltern während der ethnischen und politischen Konflikte Ende der 50er- und in den 60er- Jahren geflohen und die nicht in Ruanda geboren worden waren. So mancher dieser Rückwanderer hatte im Ausland zur Wahrheit gefunden, wie zum Beispiel James Munyaburanga und seine Familie in der Zentralafrikanischen Republik. Die neue ruandische Regierung wollte Exilanten zurück ins Land holen und bot ihnen daher Regierungsposten an — so auch Bruder Munyaburanga. Doch wegen seiner christlichen Prinzipien setzten ihm seine neuen Arbeitskollegen und seine Angehörigen sehr zu und machten sich über ihn lustig. Nach einer Weile reichte er vorzeitig seine Rente ein und wurde allgemeiner Pionier. Außerdem vertritt er nun die Organisation in rechtlichen Fragen.

Ngirabakunzi Mashariki lernte die Wahrheit im Ostkongo kennen. Was hat er zu erzählen? „Als Tutsi musste ich jahrelang Diskriminierung ertragen. Dann lernte ich Jehovas Zeugen kennen und dachte, ich sei auf einem anderen Planeten! Es war ein echtes Wunder: Hier war ich mit Menschen zusammen, die ihren Glauben richtig ernst nahmen und ihn auch wirklich lebten. Ihre große Liebe zeigte sich ganz besonders in der Zeit des Völkermords an den Tutsi 1994. Brüder versteckten unsere Familie und schützten uns. 1998 kam ich nach Ruanda ins Bethel — wo ich noch heute bin, zusammen mit meiner Frau Emerance. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich schon auf die neue Welt freue, wenn es mit den Vorurteilen und Diskriminierungen ein für allemal vorbei sein wird und es auf der Erde nur noch Menschen gibt, die Jehovas Namen hochhalten und in Harmonie miteinander leben.“

EIN NEUER START

Im März 1994, also direkt vor dem Krieg, gab es in Ruanda um die 2 500 Verkündiger. Doch bis Mai 1995 stieg die Zahl auf 2 807 — und das, obwohl so viele dem Genozid zum Opfer gefallen waren. Viele interessierten sich ernsthaft für Jehova und strömten zu seiner Organisation. Eine Sonderpionierin hatte zum Beispiel 22 Bibelstudien und musste sogar schon eine Warteliste führen! Ein Kreisaufseher stellte fest: „Durch den Krieg war den Leuten aufgegangen, dass sich ein Leben für Geld und Wohlstand nicht lohnt.“

Dann kam der Bezirkskongress „Freudige Lobpreiser“ im Januar 1996. Das war ein Freudenfest! Da der Kongress ein gutes Jahr zuvor ja abgeblasen werden musste, war dieser Bezirkskongress nun der erste nach dem Krieg. „Wo man hinsah, umarmten sich die Brüder und flossen die Tränen. Besonders beeindruckend war zu sehen, wie sich Hutu und Tutsi in die Arme schlossen“, erzählte einer, der dabei war. Auch Bruder Reschke hat viele schöne Erinnerungen an diesen Kongress, auf dem man 4 424 Anwesende zählte und sich 285 taufen ließen: „Ein sehr bewegender Moment war, als die Täuflinge bei den beiden Tauffragen aus voller Kehle ‚Yego!‘ (Ja!) riefen. Als sie danach auf dem Spielfeld standen und warteten, bis sie an der Reihe waren, zog auf einmal ein Gewitter auf und sie wurden klatschnass. Doch sie meinten nur: ‚Das macht doch nichts. Wir werden ja sowieso gleich nass!‘ “

Günter Reschke wurde schließlich ganz nach Ruanda geschickt, nachdem er ja schon eine Zeit lang mitgeholfen hatte, das Werk im Land wieder anzukurbeln. Auch Henk van Bussel kam zurück und nicht lange danach das Ehepaar Godfrey und Jennie Bint.

SIE HATTEN IHREN JUNGEN WIEDER!

In den Jahren nach dem Krieg gab es für manche Familienangehörige ein freudiges Wiedersehen. Denn als die Gefechte zwischen den beiden kämpfenden Parteien 1994 immer heftiger wurden, kam es ja zu einer Massenflucht und viele Familien wurden in der Panik auseinandergerissen. Wie zum Beispiel Oreste Murinda von seiner Frau. Er floh mit seinem zweieinhalb Jahre alten Sohn nach Gitarama. Als er dort versuchte, etwas zu essen zu besorgen, entflammten die Kämpfe erneut und in dem Gewirr verlor er dann auch noch seinen Sohn aus den Augen.

Nach dem Krieg fanden sich zwar Oreste und seine Frau wieder, aber von ihrem Sohn gab es keine Spur. Die beiden gingen davon aus, dass man ihn umgebracht hatte. Über zwei Jahre später kam ein Mann aus einer Landgegend nach Kigali, um dort zu arbeiten. Im Gespräch mit Brüdern kam zufällig heraus, dass seine Nachbarn in Gisenyi im Krieg ihre Kinder verloren hatten, sich aber um einen Waisenjungen kümmerten, der noch den Namen seines Papas wusste und erzählte, seine Eltern seien Zeugen Jehovas. Bei dem Namen wurden die Brüder sofort hellhörig und verständigten die Eltern — die dem Mann daraufhin Fotos von ihrem Sohn zeigten. Ob das der Junge sei? Ja! Das war er! Oreste machte sich sofort auf den Weg, um seinen Sohn nach Hause zu holen. Nach zweieinhalb Jahren waren sie endlich wieder vereint! Der kleine Junge ist heute unser Bruder!

Noch etwas ist sehr beeindruckend: Keins der Kinder von Zeugen Jehovas, die ihre Eltern verloren hatten, kam ins Waisenhaus. Sie wurden alle von Brüdern aufgenommen! Manchmal sorgten die Brüder auch für die verwaisten Kinder von Angehörigen oder Nachbarn. Ein Ehepaar, das selbst schon 10 Kinder hatte, nahm 10 Waisen bei sich auf.

IM NORDEN WIRD DIE SITUATION WIEDER BRENZLIG

Ende 1996 wurde es durch den Bürgerkrieg im Kongo immer schwieriger, in den Flüchtlingslagern, wo sich noch über eine Million Ruander aufhielten, die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Im November mussten die Flüchtlinge entweder nach Ruanda zurückkehren oder sich noch tiefer in die Regenwälder des Kongo flüchten. Die meisten entschieden sich fürs Heimkehren, darunter auch die verbliebenen Brüder, die im Dezember 1994 nicht mitgekommen waren. Es war ein unvergessliches Bild, als Ströme von Flüchtlingen, Alt und Jung, mit ihren Bündeln auf dem Kopf durch die Straßen von Kigali zogen, eingestaubt von der afrikanischen Erde. Alle mussten in ihre Heimatregion zurück, um sich dort erneut registrieren zu lassen. Eine Zeit lang herrschte höchste Sicherheitsstufe.

Leider kam mit den Flüchtlingen auch so mancher, den man lieber nicht wiedergesehen hätte, wie zum Beispiel einige der Interahamwe-Milizionäre, die nun im Nordwesten des Landes weiter für Unruhe sorgten. Um die Sicherheit wiederherzustellen, wurde die Armee in diese Region entsandt. Hier lebten auch viele Brüder, und wegen der Neutralitätsfrage hatten sie es wirklich nicht leicht. Über 100 Verkündiger verloren 1997/1998 ihr Leben — meist, weil sie an ihrer neutralen Haltung treu festhielten. Auch der Kreisaufseher konnte nicht immer in dieses Gebiet reisen, weil es einfach zu gefährlich war.

EIN MUTIGES PÄRCHEN

Einer der wenigen Kreisaufseher, die es schafften, diese unsichere Region zu besuchen, war Théobald Munyampundu — zusammen mit seiner Frau Berancille. Gefahr war für die beiden nichts Neues. Théobald hatte sich 1984 taufen lassen und war einer der vielen, die bei der Verhaftungswelle zwei Jahre später ins Gefängnis kamen, wo er brutal geschlagen wurde. Während des Völkermords haben er und seine Frau so manchen versteckt und damit ihr Leben riskiert. Einmal retteten sie einen Jugendlichen, dessen Mutter umgebracht worden war, und schafften es, ihn nach Tansania zu bringen. Dort schaute Théobald nach den Brüdern in den Flüchtlingslagern in Benaco und Karagwe und sprach ihnen Mut zu. Dabei war der Weg von einem Lager zum anderen extrem gefährlich, denn überall lauerten Banditen.

In Ruanda riskierten die beiden nun erneut ihr Leben für die Brüder, als sie sich zu ihnen in die Unruhezone wagten. „Manche Versammlungen waren ziemlich abgelegen“, sagt Théobald, „und es war viel zu gefährlich, bei den Brüdern über Nacht zu bleiben. Ich weiß noch, dass wir während einer Dienstwoche in der Regenzeit jeden Tag im strömenden Regen vier Stunden zu Fuß unterwegs waren, damit wir die Brüder besuchen konnten. Und abends hieß es dann, den gleichen Fußmarsch wieder zurück in unsere Unterkunft.“

Dann erzählt er von Jean-Pierre, einem blinden Bruder, den er in einer der abgelegenen Gruppen kennengelernt hat: „Er hatte die Bibellesung in der Theokratischen Predigtdienstschule. Und was soll ich sagen? Er trug die ganze Lesung absolut fehlerlos aus dem Gedächtnis vor. Sogar die Satzzeichen hatte er sich fest eingeprägt! Ich war völlig verblüfft. Er hatte einen Bruder, der gut lesen konnte, vorher gebeten, ihm die Passage vorzulesen, damit er sie auswendig lernen konnte. Seine Zielstrebigkeit hat mich ungemein beeindruckt.“

Über sein ausgefülltes und mitunter gefährliches Leben meint Théobald: „Wann immer wir schwere Zeiten durchzustehen hatten, haben wir fest auf Jehova vertraut und über den Text aus Hebräer 13:6 nachgedacht: ‚Jehova ist mein Helfer; ich will mich nicht fürchten. Was kann mir ein Mensch antun?‘ “ Er und seine Frau waren viele Jahre treu im Kreis- und Bezirksdienst und sind heute trotz ihrer nachlassenden Gesundheit noch immer im Sonderdienst.

BAUPROJEKT KONGRESSSAAL

Als mehr und mehr zur Organisation dazukamen, gestaltete es sich immer schwieriger, in Kigali einen passenden Ort für Bezirkskongresse zu finden. Der Bezirkskongress „Boten des göttlichen Friedens“ im Dezember 1996 wurde den Brüdern zum Beispiel völlig verleidet, weil aus einem Abwasserkanal eines Gefängnisses neben dem Stadion eine schmutzige Brühe floss, die einen unerträglichen Gestank verbreitete. Die Eltern hatten sogar Angst um die Gesundheit ihrer Kinder. Also beschloss das Landeskomitee einhellig: „Dieses Stadion hat uns hier zum letzten Mal gesehen!“ Nur, was für Alternativen gab es denn?

Eine Möglichkeit tat sich auf, als eine der Versammlungen in Kigali für den Bau eines Königreichssaals ein sehr großes Grundstück bewilligt bekam. Der Punkt war: Hätten die Brüder nur den Bauplan für den Königreichssaal eingereicht, wäre ein Teil des eigentlich viel zu großen Grundstücks wahrscheinlich abgetrennt und jemand anders zugewiesen worden. Im Vertrauen auf Jehova reichten sie daher sowohl einen Bauplan für einen Königreichssaal ein als auch für einen einfachen Kongresssaal. Die Pläne hielten außerdem die Möglichkeit offen, später noch einen zweiten Königreichssaal zu bauen. Alles wurde genehmigt.

Die Brüder säuberten das Grundstück und zogen einen Zaun darum. Hunderte von freiwilligen Helfern befreiten es von allem Gestrüpp und hoben tiefe Latrinen aus. Das wunderschöne, leicht abschüssige Gelände eignete sich geradezu ideal für Kongresse!

In den folgenden Monaten fanden dort unter freiem Himmel zwei Kongresse und eine besondere Zusammenkunft statt. Allerdings: Wenn es anfing, zu stürmen und zu regnen, mussten alle in Deckung gehen und sich unter Planen und Schirmen zusammendrängen. Deshalb fragte man bei der leitenden Körperschaft an, ob ein einfacher, seitlich offener Kongresssaal gebaut werden dürfe.

Die Genehmigung dafür kam im März 1998. Sofort fing man mit den Vorarbeiten an. Ganze Familien halfen mit, die Schächte für die Fundamente der tragenden Teile des Saals auszuheben. Alle arbeiteten Hand in Hand und so entstand ein schöner neuer Saal, der am 6. März 1999 eingeweiht wurde. Die Ansprache hielt Jean- Jules Guilloud aus dem Schweizer Zweigbüro.

Bis dahin war die Sicherheit im ganzen Land auch allmählich wiederhergestellt. Im Februar bekam das Landesbüro in Ruanda Zuwachs durch die Missionare Ralph und Jennifer Jones. Damit zählte man im Bethel jetzt 21 Mitarbeiter.

Zwei ruandische Brüder hatten in Kinshasa (Kongo) die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung besucht (heute: Bibelschule für ledige Brüder). Doch da mittlerweile im Kongo Krieg herrschte, wurde es für ruandische Brüder immer schwieriger, bis nach Kinshasa zu reisen — immerhin rund 1 600 Kilometer. Darum genehmigte die leitende Körperschaft, dass die Schule von nun an in Kigali abgehalten wurde. Und so feierten 28 Studenten aus Burundi, dem Kongo und Ruanda im Dezember 2000 als erste Klasse ihren Abschluss.

Im Mai 2000 wurde Ruanda ein eigenständiger Zweig. Kurz danach entdeckten die Brüder ein Grundstück, das sich gut für ein größeres Zweigbüro eignen würde. Das war nämlich dringend nötig, weil es in Ruanda nun wirklich mit großen Schritten vorwärtsging. Im April 2001 wurde der Kauf des zwei Hektar großen Grundstücks besiegelt. Viele Brüder in Kigali wissen nur zu gut, was für eine Knochenarbeit es war, das seit Jahren herrenlose Gelände von allem Gestrüpp und Unterholz zu befreien.

VULKANAUSBRUCH IM OSTKONGO

Von Goma sind es nicht einmal 20 Kilometer bis zum Vulkan Nyiragongo. Am 17. Januar 2002 fing er an, Feuer zu speien, und die Bevölkerung ringsherum musste zum großen Teil fliehen. Viele der 1 600 Verkündiger flüchteten sich mit ihren Kindern und Interessierten über die Grenze in die ruandische Nachbarstadt Gisenyi, wo sie in den umliegenden Königreichssälen versorgt wurden.

Schon am Tag danach beluden die Brüder im Zweigbüro von Ruanda einen Dreitonner mit den wichtigsten Hilfsgütern — wie Lebensmittel, Decken und Medikamente — und brachten alles auf dem schnellsten Weg zu den sechs Königreichssälen entlang der Grenze zum Kongo.

Die ruandische Regierung hatte jedoch Bedenken, so viele kongolesische Bürger in den Königreichssälen wohnen zu lassen, und wollte sie aus Sicherheitsgründen in Flüchtlingslager überführen. Daraufhin trafen sich in Goma einige Brüder vom ruandischen Zweigkomitee mit Ältesten aus den umliegenden Versammlungen und zwei Brüdern vom kongolesischen Zweigkomitee, um sich miteinander zu beraten. Die Brüder im Kongo wollten keinesfalls, dass ihre Glaubensbrüder in ruandische Flüchtlingslager mussten. „1994 haben wir uns ja auch um mehr als 2 000 ruandische Brüder mit ihren Familien und Interessierten gekümmert“, meinten sie. „Unsere kongolesischen Brüder sollen nicht in Lagern leben müssen, sondern lieber zu uns nach Goma zurückkommen. Wir werden für sie genauso sorgen wie damals für unsere ruandischen Brüder.“

Dass die kongolesischen Zeugen ihre Brüder lieber zu sich nehmen wollten, als sie in fremden Lagern leben zu lassen, war ein echter Liebesbeweis. Also kamen alle mit ihren Familien nach Goma zurück und wurden dort bei den verschiedensten Brüdern untergebracht, bis man für sie neue Häuser bauen konnte. Belgien, Frankreich und die Schweiz schickten neben Plastikplanen noch viele weitere Hilfsgüter, um den Brüdern dort zur Seite zu stehen.

EIN MEILENSTEIN NACH DEM ANDEREN

Die Pläne für den Bau des neuen Bethels zeichnete das regionale Planungsbüro in Südafrika; für den Bau selbst wurde ein Unternehmer vor Ort unter Vertrag genommen. International Volunteers unterstützten das Projekt, und viele einheimische Zeugen legten bei den Feinarbeiten mit Hand an und halfen mit, das ganze Gelände schön zu gestalten. Es gab zwar auch so manche Rückschläge und Hindernisse, doch im März 2006 konnte die Bethelfamilie in ein hübsches neues Zweigbüro einziehen. Am 2. Dezember kam Guy Pierce von der leitenden Körperschaft zusammen mit seiner Frau zur Bestimmungsübergabe des Bethels. 553 Brüder und Schwestern — darunter 112 Besucher aus 15 Ländern — erlebten dieses besondere Programm mit.

Bei dem Bauprojekt hatten auch Jim und Rachel Holmes aus Kanada mitgeholfen. Sie beherrschten die Amerikanische Gebärdensprache und boten an, am Montagabend nach dem Bethel-Wachtturm-Studium darin Unterricht zu geben. Sechs Betheliten interessierten sich dafür und machten so schnelle Fortschritte, dass schon sehr bald eine Gruppe in Gebärdensprache gegründet werden konnte.

Noch mehr Verstärkung für das Gebärdensprachgebiet kam dann ab Juni 2007 mit einigen Missionaren: zuerst mit Kevin Rupp, der in der Schweiz die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung besucht hatte, und dann mit einem Ehepaar aus Kanada, das ebenfalls Erfahrung in diesem Predigtgebiet hatte. Und so entstand im Juli 2008 eine Gebärdensprachversammlung. Mittlerweile sind noch einige Gruppen dazugekommen.

Auf einem der Bezirkskongresse war die Freude besonders groß. Das war im Jahr 2007, als bekannt gegeben wurde, dass die Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften nun auch ins Kinyaruanda übersetzt worden war! Dank des Weltbunds der Bibelgesellschaften gab es seit 1956 eine vollständige Bibel in Kinyaruanda, bei der man sich wirklich bemüht hatte, Gottes Wort in die einheimische Sprache zu übertragen. Sie enthielt in den Hebräischen Schriften sogar sieben Mal den Namen YEHOVA! Doch unsere Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften ist allen leichter zugänglich, vor allem denen, die sich eine Bibel normalerweise nicht leisten können. Sie ist von unseren Übersetzern in Zusammenarbeit mit dem Übersetzungshilfsdienst in New York (Translation Services) mit viel Sorgfalt sehr genau übersetzt worden und lässt sich wunderbar leicht lesen. Es ist so goldig, zu sehen, wie die meisten Kinder im Königreichssaal ihre eigene Bibel in der Hand halten und sich voller Begeisterung melden, wenn es darum geht, einen Text daraus vorzulesen!

UND WIEDER DIE NEUTRALITÄTSFRAGE

Seit der rechtlichen Anerkennung im Jahr 1992 genießen Jehovas Zeugen im Land zwar Religionsfreiheit, doch die Neutralitätsfrage ist nach wie vor aktuell. In den letzten 15 Jahren sind Hunderte Brüder verhaftet worden, weil sie nicht an den Nachtpatrouillen teilnahmen, die der Aufsicht des Militärs unterliegen. Doch nach einigen Gesprächen mit den zuständigen Ministern wurde den Brüdern schließlich zugestanden, stattdessen andere Dienste zu leisten.

In den letzten Jahren haben 215 Lehrer ihre Stelle verloren, da sie nicht an einem politisch orientierten Seminar teilnehmen wollten. Einige Zeit danach wurden 118 Kinder von den Schulen verwiesen, weil sie die Nationalhymne nicht mitsangen. Beauftragte des Zweigbüros suchten das Gespräch mit den Behörden und nach etlichen Monaten durften die meisten Kinder wieder zur Schule zurück. Mit Blick auf die Geschichte der Zeugen Jehovas in Ruanda erklärten die Brüder den Behörden, dass man sie 1986 wegen ihrer Neutralität ins Gefängnis gesteckt hatte, dass aber gerade diese Neutralität 1994 mit ein Hauptgrund dafür war, warum sie sich nicht am Genozid beteiligten (Joh. 17:16).

Jehovas Zeugen sind gesetzestreue Bürger und politisch neutral, ganz gleich, welche Regierung an der Macht ist. Das lässt sich schön an der Geschichte von François-Xavier Hakizimana festmachen. Er wurde 1986 wegen der Neutralitätsfrage 18 Monate ins Gefängnis gesperrt. Dann kam der Genozid und der Regierungswechsel. Trotzdem wurde er 1997/1998 erneut inhaftiert — und zwar wieder aus demselben Grund! Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass Jehovas Zeugen grundsätzlich neutral bleiben und nie gegen die Regierung arbeiten, egal welche an der Macht ist. Ihre Neutralität als Christen ist fest in der Bibel verankert.

Ansonsten lässt man den Brüdern freie Hand. Sie können sich ungehindert jede Woche versammeln, Kongresse abhalten und sogar in Gefängnissen predigen und dort Zusammenkünfte organisieren — mit dem Ergebnis, dass schon eine ganze Reihe Häftlinge die Wahrheit angenommen haben. Außerdem gingen im Dienstjahr 2009 sechs Gerichtsfälle zu unseren Gunsten aus.

DIE ZUKUNFT SIEHT GUT AUS!

Der Bericht über Ruanda wäre nicht vollständig, würde man nicht auch noch kurz das Königreichssaal-Bauprogramm streifen. Seit im Jahr 1999 das besondere Bauprogramm für finanziell ärmere Länder ins Leben gerufen wurde, haben in Ruanda viele fleißige Hände 290 einfache, aber hübsche Königreichssäle gebaut. Wirklich erstaunlich!

Die meisten dieser Säle werden dank der begeisterten Mithilfe der Brüder vor Ort in nur drei Monaten gebaut. Das macht die Menschen neugierig, zumal im Land nun ein Königreichssaal nach dem anderen entsteht, und so ergeben sich viele schöne Möglichkeiten, ihnen von Jehova zu erzählen. Außer dem Kongresssaal in Kigali wurden noch zehn weitere seitlich offene Säle gebaut, wenn auch nicht ganz so groß und etwas einfacher. Jetzt brauchen die Verkündiger nicht mehr gar so weite Strecken über Berg und Tal zurückzulegen, wenn sie einen Kongress besuchen möchten. Im Übrigen wurden noch vier Königreichssäle gebaut, die sich zu Kongresssälen erweitern lassen.

Noch etwas: In den ersten Monaten eines Kalenderjahrs unterstützen die Versammlungen immer mit Feuereifer die Predigtaktionen in nichtzugeteilten oder selten bearbeiteten Gebieten. Dazu müssen die Brüder und Schwestern mitunter weite Wege zurücklegen — und das auf eigene Kosten! In Gebiete, die richtig weitab liegen, werden für drei Monate Sonderpioniere auf Zeit geschickt. So konnten schon einige Gruppen gegründet werden. Das lässt auf neue Versammlungen hoffen. Während der Kampagne im Jahr 2010 (Januar bis März) wurden Hunderte von Bibelstudien angefangen und 9 neue Gruppen gebildet. Und in den gleichen Monaten konnten 30 Sonderpioniere auf Zeit noch 15 andere Gruppen gründen.

UND NOCH EIN MEILENSTEIN!

Auf dem Bezirkskongress „Wacht beständig!“ im Jahr 2009 konnten es die Brüder vor Freude kaum fassen, als sie erfuhren, dass es ein neues Liederbuch geben würde, und sie auch gleich eine Kostprobe der neuen Lieder zu hören bekamen — gesungen von einem Chor in Kinyaruanda! Das Schöne war, dass das neue Liederbuch nicht nur sofort ins Kinyaruanda übersetzt wurde, sondern auch alle Versammlungen die Liederbücher rechtzeitig bis Januar 2010 erhielten. So konnten sie gemeinsam mit ihren Brüdern auf der ganzen Welt damit anfangen, in den Zusammenkünften die neuen Lieder zu singen.

Natürlich fragte sich jeder, wann denn wohl die ganze Bibel in Kinyaruanda herauskommen würde. Der Bezirkskongress 2010 stand vor der Tür und für den Kongress in Kigali im August, der im Stadion direkt gegenüber vom Bethel stattfinden sollte, hatte sich Besuch von der leitenden Körperschaft angekündigt: Guy Pierce. Spannung lag in der Luft — und dann kam am Freitagvormittag tatsächlich der große Moment: Bruder Pierce präsentierte die vollständige Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift in Kinyaruanda! Alle 7 149 Anwesenden erhielten ihre eigene Bibel — genauso wie die vielen anderen Brüder, die bis Sonntag aus weiteren Bezirken Ruandas nach Kigali strömten. Am Ende zählte man 11 355 Anwesende! Sogar die Soldaten, die beim Stadion zu Marschübungen angetreten waren, fragten nach der neuen Bibel und bekamen 180 Exemplare. Und auch der Bürgermeister von Kigali, der Polizeichef und Verantwortliche des Sportministeriums ließen sich gern eine geben.

Werfen wir noch einmal kurz einen Blick zurück: Das Predigtwerk in Ruanda fing im Jahr 1970 mit 3 Verkündigern an. Heute gibt es hier rund 20 000 Verkündiger, die jeden Monat gut und gern 50 000 Bibelstudien leiten. 87 010 kamen im April 2011 zum Gedächtnismahl. Unsere Brüder in Ruanda sind seit Jahrzehnten für ihren großen Eifer bekannt: Rund ein Viertel der Verkündiger sind in irgendeiner Weise im Vollzeitdienst und alle anderen berichten im Monat durchschnittlich 20 Stunden! Unermüdlich bearbeiten unsere Brüder und Schwestern ihr fruchtbares „Feld“, immer mit dem Blick nach oben auf den „Herrn der Ernte“. Und sie haben ganz und gar nicht die Absicht, langsamer zu machen. Bestimmt wird Jehova ihre Arbeit auch in Zukunft sehr segnen und bewirken, dass noch mehr Menschen zu ihm finden und ihn so anbeten, wie er es möchte. Und so darf man gespannt sein, wie viele noch zu Jehovas Berg strömen werden — hier im „Land der tausend Hügel“ (Mat. 9:38; Mi. 4:1, 2).

[Fußnoten]

^ Abs. 2 Landläufig Kongo oder Kongo (Kinshasa) genannt, um es nicht mit dem Nachbarland Kongo (Brazzaville) zu verwechseln. Wir sprechen von nun an einfach nur vom Kongo.

^ Abs. 95 Deborah hat ihr Versprechen gehalten: Sie wurde Verkündigerin, ließ sich mit 10 taufen und ist heute mit ihrer Mutter zusammen allgemeiner Pionier.

^ Abs. 111 Das Baby ist heute unsere Schwester.

[Herausgestellter Text auf Seite 178]

Er warnte alle vor den Zeugen Jehovas

[Herausgestellter Text auf Seite 181]

Wir begrüßten uns mit einem fröhlichen „Komera!“, was so viel heißt wie: „Nur Mut!“

[Herausgestellter Text auf Seite 218]

„Jehova, wir wissen nicht mehr ein und aus. Nur du kannst uns jetzt noch retten!“

[Kasten/Bild auf Seite 166]

Kurzinformation zu Ruanda

Landesnatur:

Ruanda ist von Nord nach Süd gerade einmal 180 Kilometer lang und von Ost nach West circa 230 Kilometer breit. Das Land hat gut 11 Millionen Einwohner und ist damit das am dichtesten besiedelte Land Afrikas. Die Hauptstadt heißt Kigali.

Bevölkerung:

Hier leben Hutu, Tutsi und Twa, aber auch eine Anzahl Asiaten und Europäer. Über die Hälfte ist katholisch, mehr als ein Viertel evangelisch (darunter viele evangelikale Adventisten). Der Rest zählt sich zu den Moslems und zu traditionellen oder anderen Glaubensrichtungen.

Landessprache:

Amtssprachen sind Kinyaruanda, Englisch und Französisch. Als Verkehrssprache mit den Nachbarländern wird Suaheli verwendet.

Wirtschaft:

Die meisten Ruander leben von der Landwirtschaft. Da der Boden aber nicht überall besonders fruchtbar ist, reicht es oft nur für den eigenen Bedarf. Der Hauptexportartikel des Landes ist Kaffee. Angebaut werden außerdem Tee und Pflanzen, aus denen das Insektizid Pyrethrum gewonnen wird.

Typische Kost:

Kartoffeln, Bananen, Bohnen.

Klima:

Trotz der Äquatornähe herrscht ein recht mildes Klima. In den Höhenlagen im Landesinnern misst man im Durchschnitt 21 Grad und im Jahr fallen um die 110 Zentimeter Niederschlag.

[Kasten/Bild auf Seite 185]

„Nicht dass wir es noch mit Jehova zu tun bekommen!“

EMMANUEL NGIRENTE

GEBURTSJAHR: 1955

TAUFE: 1982

KURZPORTRÄT: Ist Aufseher der Übersetzungsabteilung und im ruandischen Zweigkomitee

▪ ES WAR gegen Ende 1989. Als Pionier predigte ich gerade im Osten von Ruanda, da bekam ich die Nachricht: Von nun an würde ich im Übersetzungsbüro arbeiten. Mich traf fast der Schlag, denn ich hatte ja keinerlei Erfahrung mit Übersetzen. Trotzdem nahm ich drei Publikationen in Angriff. Wir mieteten ein Haus und besorgten uns Wörterbücher. Manchmal arbeitete ich die ganze Nacht durch und hielt mich dabei mit Kaffee wach.

Als die Invasionsarmee im Oktober 1990 angriff, verdächtigten gewisse Leute uns Zeugen Jehovas, mit der Invasionsarmee gemeinsame Sache zu machen. Das rief die Sicherheitsbeamten auf den Plan: Man wollte natürlich zu gern wissen, was ich, der ja wohl arbeitslos sein musste, denn zu Hause immer zu tun hätte. Da half wohl nur eine überraschende Hausdurchsuchung. Es war morgens um fünf, ich hatte die ganze Nacht durch getippt und versuchte gerade ein bisschen zu schlafen, als plötzlich der Aufruf zur üblichen gemeinnützigen Arbeit für mich kam.

Sobald ich fort war, stellte man das Haus auf den Kopf. Meine Nachbarn erzählten mir hinterher, dass ein Polizist und jemand von der Stadtverwaltung eine Stunde lang in meinen Übersetzungsmanuskripten gelesen hatten. Darin war ja immer wieder von Jehova die Rede und am Schluss hielten die Beamten es für ratsamer, zu gehen: „Nicht dass wir es noch mit Jehova zu tun bekommen!“

[Kasten/Bild auf Seite 194]

In 100 Tagen starben eine Million Menschen

„Der Völkermord in Ruanda 1994 ist einer der klarsten Genozid-Fälle der modernen Geschichte. In diesem kleinen Land im Herzen Afrikas wurden von Anfang April bis Mitte Juli Angehörige der Tutsi-Minderheit systematisch abgeschlachtet, und zwar von Angehörigen der Hutu-Mehrheit. Aus Angst vor einem Machtverlust angesichts demokratischer Bestrebungen und eines Bürgerkrieges fasste ein extremistisches Hutu-Regime den Plan, alle zu eliminieren, die es als Bedrohung für seine Macht wahrnahm — gemäßigte Hutu genauso wie Tutsi. Das Gemetzel endete erst, als eine Rebellenarmee — hauptsächlich Tutsi — das Land besetzte und das Völkermordregime ins Exil jagte. In gerade einmal 100 Tagen verloren nicht weniger als eine Million Menschen durch den Genozid und den Krieg ihr Leben. Damit gehört das Massaker in Ruanda zu einem der schlimmsten Massenmorde der Geschichte“ (Encyclopedia of Genocide and Crimes Against Humanity).

In dem Genozid wurden auch um die 400 Zeugen Jehovas umgebracht, darunter Hutu, die ihre Glaubensbrüder, die Tutsi waren, schützen wollten. Kein Zeuge starb durch die Hand eines Glaubensbruders.

[Bild]

Ruandische Flüchtlinge

[Kasten/Bild auf Seite 197]

„Todeskammern“

„Die Drahtzieher des Genozids nutzten den Umstand aus, dass Kirchen als respektierte Zufluchtsorte galten, und ließen diese vermeintlich sicheren Sanktuarien für Zehntausende von Tutsi zu Todesfallen werden. Die Unglücklichen, die in Kirchen und Schulen Zuflucht gesucht hatten, wurden von Hutu-Milizen und Soldaten systematisch abgeschlachtet: Erst feuerte man wahllos auf die Menschen und warf Handgranaten in die Menge, dann wurden die Überlebenden gezielt mit Macheten, Hacken und Messern niedergemetzelt. ... Die Rolle der Kirchen ging jedoch weit über ein passives Überlassen der Gebäude als Todeskammern hinaus. Mancherorts lieferten Geistliche, Katechisten und andere Kirchenmitarbeiter, die sich in ihrer Gemeinde ja gut auskannten, Tutsi an ihre Schlächter aus. In anderen Fällen beteiligten sie sich selbst aktiv am Morden“ (Christianity and Genocide in Rwanda).

„Der [katholischen] Kirche wird im Wesentlichen zum Vorwurf gemacht, ihre Loyalität gegenüber der Tutsi-Elite zugunsten einer von Hutu herbeigeführten Revolution aufgegeben und so den Machtaufstieg Habyarimanas in einem Hutu-Mehrheitsstaat unterstützt zu haben. Was den Genozid an sich betrifft, so sprechen Kritiker erneut der Kirche die direkte Verantwortung dafür zu, Hass geschürt, Mördern Deckung gegeben und Zufluchtsuchenden den Schutz in ihren Mauern verwehrt zu haben. Es gibt auch Stimmen, die sagen, die Kirche — als religiöse Institution, zu der die Mehrheit der ruandischen Bevölkerung aufschaute — sei moralisch dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um dem Morden Einhalt zu gebieten“ (Encyclopedia of Genocide and Crimes Against Humanity).

[Kasten/Bilder auf Seite 201-203]

„Wie soll man denn jemand umbringen, für den jeder um Gnade bettelt!“

JEAN-MARIE MUTEZINTARE

GEBURTSJAHR: 1959

TAUFE: 1985

KURZPORTRÄT: Jean-Marie, ein treuer Bruder mit gewinnendem Lächeln, ist vom Baufach. 1986 war er als Neugetaufter 8 Monate im Gefängnis. 1993 heiratete er Jeanne. Heute ist er in Kigali der Vorsitzende des Kongresssaalkomitees

▪ AM 7. April wurden Jeanne und ich und unser vier Wochen altes Töchterchen Jemima durch den Lärm von Schüssen gewaltsam aus dem Schlaf gerissen. Erst dachten wir, das wäre nur eine politische Auseinandersetzung, doch schon bald hörten wir, dass die Interahamwe-Miliz damit begonnen hatte, alle Tutsi systematisch umzubringen. Als Tutsi wagten wir uns deshalb nicht mehr vor die Tür. Wir beteten inbrünstig zu Jehova, uns doch zu zeigen, was wir tun sollten. Drei mutige Hutu-Brüder — Athanase, Charles und Emmanuel — setzten ihr Leben aufs Spiel, um uns etwas zu essen zu bringen.

Ungefähr einen Monat lang mussten wir uns bei verschiedenen Brüdern verborgen halten. Als die Jagd auf Tutsi eskalierte, sah ich, wie Milizionäre mit Messern, Speeren und Macheten auf mein Versteck zukamen. Ich rannte, so schnell ich nur konnte, irgendwo ins Gebüsch. Doch sie spürten mich auf und ich sah mich umringt von lauter Männern mit Waffen in der Hand. Ich beschwor sie, mir nichts zu tun, ich sei doch ein Zeuge Jehovas. Aber sie meinten: „Ein Rebell bist du!“, und stießen mich zu Boden. Mit Gewehrkolben und Knüppeln schlugen sie auf mich ein. Inzwischen waren jede Menge Menschen zusammengelaufen und ein Mann, dem ich schon gepredigt hatte, schrie mutig: „Habt doch Erbarmen mit ihm!“ Dann kam Charles, einer der Hutu-Brüder, dazu. Als seine Frau und seine Kinder mich blutüberströmt liegen sahen, fingen sie an zu schluchzen. Die mordende Truppe ließ entnervt von mir ab und meinte: „Wie soll man denn jemand umbringen, für den jeder um Gnade bettelt!“ Charles nahm mich wieder heim zu sich, um meine Wunden zu versorgen. Die Milizionäre drohten, dass er an meiner Stelle dran wäre, wenn ich fliehen würde.

Jeanne und das Baby waren inzwischen von mir getrennt worden. Bei einem schaudererregenden Angriff hatte man auch sie geschlagen und sie war dem Tod nur ganz knapp entkommen. Später hatten ihr die Leute gesagt, dass ich nicht mehr am Leben sei. Sie sagten ihr sogar, sie solle Laken zusammensuchen und dann kommen, um meine Leiche darin einzuwickeln.

Als Jeanne und ich uns in Athanases Haus wiederfanden, weinten wir vor Erleichterung. Doch uns war klar, dass es noch nicht ausgestanden war und wir schon am nächsten Tag tot sein könnten. Es war ein weiterer Tag voller Angst und Schrecken, ein Albtraum, in dem wir von einem Versteck zum nächsten fliehen mussten. Ich weiß noch, wie ich Jehova angefleht habe: „Gestern hast du uns geholfen. Bitte! Hilf uns wieder. Wir möchten doch unser Baby aufziehen und dir weiter dienen.“ Gegen Abend gelang es drei Hutu-Brüdern unter fürchterlichen Gefahren, uns — insgesamt fast 30 Tutsi — durch die unheilvollen Straßensperren hindurch in Sicherheit zu bringen. Sechs aus dieser Gruppe sind in die Wahrheit gekommen.

Später erfuhren wir, dass Charles und die anderen Brüder weiter halfen, wo sie nur konnten. Doch die Wut der Interahamwe-Milizionäre war groß, als sie entdeckten, dass die Brüder Dutzenden von Tutsi zur Flucht verholfen hatten. Schließlich erwischten sie Charles und einen anderen Hutu, einen Verkündiger namens Leonard. Charles’ Frau hörte, wie sie sagten: „Ihr müsst sterben, denn ihr habt den Tutsi geholfen, zu entkommen.“ Dann ermordeten sie die beiden. Dabei kommt einem unweigerlich in den Sinn, dass Jesus sagte: „Niemand hat größere Liebe als die, dass einer seine Seele zugunsten seiner Freunde hingebe“ (Joh. 15:13).

Vor dem Krieg, als Jeanne und ich Heiratspläne schmiedeten, hatten wir beschlossen, dass einer von uns Pionier werden sollte. Nach dem Krieg nahmen wir dann allerdings zusätzlich zu unseren beiden eigenen Kindern noch sechs Waisen bei uns auf, weil so viele unserer Verwandten umgebracht worden waren. Dennoch: Jeanne hat es geschafft, nach dem Krieg mit dem Pionierdienst zu beginnen, und ist jetzt schon 12 Jahre Pionier. Unsere sechs Waisen — deren Eltern keine Zeugen Jehovas waren — sind alle getauft. Die drei Jungs sind Dienstamtgehilfen und eins der Mädchen ist zusammen mit ihrem Mann im Bethel. Von unseren vier eigenen Kindern, die wir inzwischen haben, sind die beiden ältesten Töchter ebenfalls getaufte Diener Jehovas.

[Bild]

Bruder und Schwester Mutezintare mit zwei ihrer Kinder und fünf der Waisen, die sie aufnahmen

[Kasten/Bild auf Seite 204, 205]

„Nur dank der Wahrheit wurden wir nicht aus der Bahn geworfen“

Valerie Musabyimana und Angeline Musabwe sind Geschwister. Die beiden kommen aus einer sehr katholischen Familie, ihr Vater war sogar Vorsitzender im Pfarrgemeinderat. Valerie, die Nonne werden wollte, studierte vier Jahre lang, gab ihr Studium dann aber 1974 auf. Zu sehr hatte sie das Verhalten eines Priesters enttäuscht. Später studierten Zeugen Jehovas mit ihr die Bibel. Sie ließ sich taufen und wurde 1979 Pionier. Auch ihre Schwester Angeline studierte die Bibel und wurde eine Zeugin. Bis heute konnten die beiden Schwestern gemeinsam im Sonderpionierdienst schon vielen Menschen helfen, zur Wahrheit zu finden.

Zur Zeit des Genozids hielten Valerie und Angeline in ihrem Haus in Kigali neun Personen versteckt — darunter zwei Schwangere. Den Mann der einen Frau hatte man erst kurz vorher umgebracht. Nach einiger Zeit setzten bei ihr die Wehen ein. Da es viel zu gefährlich war, das Haus zu verlassen, halfen die beiden Schwestern der Frau, ihr Kind zur Welt zu bringen. Als die Nachbarn das hörten, brachten sie ihnen Essen und Wasser vorbei.

Die Interahamwe bekam Wind davon, dass Angeline und Valerie Tutsi versteckten. „Wir sind gekommen, um die Zeugen-Jehovas-Tutsi zu töten!“, so die Killer. Doch sie wagten sich nicht hinein, da die Schwestern das Haus von einem Armeeoffizier gemietet hatten. * Alle in dem Haus überlebten.

Letztendlich wurden die Kämpfe so heftig, dass Angeline und Valerie nicht mehr in der Gegend bleiben konnten. Um dem ständigen Kugelregen zu entkommen, flüchteten sie sich zusammen mit anderen Zeugen nach Goma. Dort wurden sie von ihren kongolesischen Brüdern mit offenen Armen aufgenommen. Die beiden predigten weiter und hatten viele Bibelstudien.

Wie haben sie den Genozid verkraftet? Traurig sagte Valerie: „Ich habe viele geistige Kinder verloren, darunter auch Eugène Ntabana und seine Familie. Nur dank der Wahrheit wurden wir nicht aus der Bahn geworfen. Jehova wird Übeltäter richten, das wissen wir genau.“

[Fußnote]

^ Abs. 265 Nach dem Krieg begann der Hausbesitzer mit einem Bibelstudium, starb dann aber. Seine Frau und seine beiden Kinder sind zur Wahrheit gekommen.

[Kasten/Bild auf Seite 206, 207]

Sie wären für uns gestorben!

ALFRED SEMALI

GEBURTSJAHR: 1964

TAUFE: 1981

KURZPORTRÄT: Lebte mit seiner Frau Georgette im Großraum Kigali. Alfred, ein liebevoller Ehemann und Vater, ist heute im Krankenhaus-Verbindungskomitee in Kigali tätig

▪ „SIE bringen alle Tutsi um. Euch werden sie auch töten.“ Diese Nachricht bekamen wir von unserem Glaubensbruder Athanase, einem Hutu, der ganz in unserer Nähe wohnte. Athanase bestand darauf, dass wir zu ihm in sein Haus kommen. Er hatte dort vor dem Krieg in ungefähr dreieinhalb Meter Tiefe eine Kammer gegraben. Da würde er uns verstecken. Er hatte extra eine Leiter zusammengezimmert und ich kletterte als Erster nach unten. Athanase ließ Matratzen und Essen zu uns hinunter. Überall um uns herum ging das Morden inzwischen weiter.

Die Nachbarn ahnten, dass wir dort untergekrochen waren, und drohten Athanase und seiner Familie, das Haus anzuzünden. Aber sie hielten uns weiter versteckt. Sie wären für uns gestorben!

Nach drei Tagen wurde in unserer Gegend derart erbittert gekämpft, dass Athanase mit seiner Familie zu uns herunterkam. Jetzt waren wir zu sechzehnt in dem Loch. Es war stockduster, denn wir wagten nicht, auch nur irgendwie Licht zu machen. Jeder von uns bekam pro Tag einen Löffel voll rohen, in Zuckerwasser eingeweichten Reis zu essen. Nach 10 Tagen war selbst das aufgebraucht. Am 13. Tag waren wir dermaßen hungrig, dass wir irgendetwas tun mussten. Bloß was? Von ganz oben auf der Leiter war es gerade so eben möglich, einen Blick nach draußen zu werfen. Das Blatt hatte sich gewendet, nun liefen Soldaten in anderen Uniformen umher, das konnten wir erkennen. Athanases Familie hatte mich unter großen Opfern beschützt, jetzt war meiner Meinung nach ich an der Reihe, ein Opfer zu bringen. Ich beschloss, mich gemeinsam mit einem halbwüchsigen Sohn von Athanase hinauszuwagen, um etwas Essbares aufzutreiben. Erst beteten wir aber alle noch.

Nach etwa einer halben Stunde kehrten wir mit der Nachricht zurück, dass nun die Ruandische Patriotische Front das Gebiet kontrollierte. Einige Soldaten waren mitgekommen und ich zeigte ihnen unser Versteck. Sie wollten mir nicht glauben und trauten ihren Augen kaum, als die Brüder und Schwestern einer nach dem anderen langsam aus dem Loch auftauchten. Georgette wird diesen Moment niemals vergessen: „Völlig schmutzig kamen wir da raus; fast drei Wochen lang konnten wir weder unsere Sachen noch uns selbst waschen.“

Die Soldaten waren verblüfft, dass in dem Loch Angehörige beider ethnischer Gruppen zusammen ausgeharrt hatten. Ich erklärte ihnen, dass wir Zeugen Jehovas sind und keinerlei Rassendiskriminierung kennen. Das erstaunte sie noch mehr und sie riefen: „Hier, bringt diesen Leuten aus dem Loch Essen und Zucker!“ Danach brachten sie uns zu einem Haus, in dem man um die hundert Menschen vorübergehend untergebracht hatte. Später ließ es sich eine Schwester nicht nehmen, uns sechzehn allesamt bei sich zu Hause aufzunehmen.

Wir sind sehr dankbar, mit dem Leben davongekommen zu sein. Meinen Bruder und meine Schwester und deren Angehörige (alles Zeugen Jehovas) hat man jedoch umgebracht — wie so viele andere um uns herum auch. Sie fehlen uns sehr, aber wir wissen, dass „Zeit und unvorhergesehenes Geschehen“ uns alle trifft. Georgette drückt unsere Gefühle so aus: „So viele Brüder und Schwestern haben wir verloren, und andere mussten auf ihrer Flucht und in den Verstecken Grauenhaftes durchmachen. Aber wir haben uns nur umso enger im Gebet an Jehova gehalten und seine mächtige Hand gespürt. Er hat uns getröstet, denn genau zur richtigen Zeit kam Hilfe durch seine Organisation, und wir sind sehr dankbar. Jehova hat uns über die Maßen gesegnet“ (Pred. 9:11).

[Kasten/Bilder auf Seite 208, 209]

Jehova hat uns durch diese grauenvolle Zeit hindurch geholfen

ALBERT BAHATI

GEBURTSJAHR: 1958

TAUFE: 1980

KURZPORTRÄT: Ältester und Vater von drei Kindern. Seine Frau und seine älteste Tochter sind allgemeine Pioniere, sein Sohn ist Dienstamtgehilfe. Als unser ruhiger Bruder Albert, ein Hutu, 1977 zu den Zusammenkünften kam, gab es nur etwa 70 Verkündiger im Land. 1988 wurde er ins Gefängnis gesteckt und geschlagen. Da Albert sich weigerte, das Parteiabzeichen anzustecken, drückte ihm ein Nachbar, ein ehemaliger Soldat, die Nadel ins nackte Fleisch und meinte höhnisch: „So, jetzt trägst du eins!“

▪ NACH dem Tod des Präsidenten flüchteten sich Glaubensbrüder, Verwandte und Nachbarn in mein Haus. Wo aber blieben nur Goretti und Suzanne, zwei Tutsi-Schwestern? Ich hatte große Angst um sie und machte mich auf die Suche, auch wenn das extrem gefährlich war. Überall flohen die Menschen. Da entdeckte ich Goretti und ihre Kinder. Ich nahm sie mit nach Hause, denn ich wusste, dass dort, wo sie gerade hinwollten, eine Straßensperre auf sie wartete — und damit ihr sicherer Tod.

Einige Tage später hatte sich auch Suzanne zusammen mit ein paar anderen zu uns durchgeschlagen. Damit waren wir über zwanzig Personen im Haus — und alle in großer Gefahr.

Die Interahamwe kam — mindestens drei Mal. Einmal sahen sie meine Frau Vestine durchs Fenster und riefen sie heraus. Vestine ist Tutsi. Ich stellte mich zwischen die Killer und meine Frau und sagte: „Nur über meine Leiche!“ Nach einigem Hin und Her schickten sie sie ins Haus zurück. Einer meinte: „Ich bringe keine Frauen um, ich will einen Mann umbringen.“ Damit nahmen sie Vestines Bruder ins Visier. Als die Männer ihn rausführten, warf ich mich zwischen sie und meinen jungen Schwager und flehte sie an, doch auch an Gott zu denken und ihn laufen zu lassen.

Einer stieß mich mit dem Ellbogen zur Seite und fauchte: „Gott? Für den arbeite ich nicht.“ Aber er gab nach und meinte nur: „Na mach schon, nimm ihn mit!“ So kam Vestines Bruder mit dem Leben davon.

Ungefähr einen Monat danach kamen zwei Brüder und fragten nach etwas zu essen. Ich hatte noch Bohnen und gab ihnen welche ab. Als ich ihnen dann einen sicheren Pfad zurück zeigen wollte, hörte ich einen Knall und verlor das Bewusstsein. Ein Querschläger hatte mich am Auge erwischt. Mit der Hilfe eines Nachbarn schaffte ich es ins Krankenhaus, doch mein Augenlicht war nicht mehr zu retten, ich war auf einem Auge blind. Aber noch schlimmer: Ich konnte nicht mehr zurück nach Hause. Die Kämpfe wurden immer heftiger, und so wurde es inzwischen auch für alle bei mir daheim zu gefährlich. Sie flüchteten sich allesamt zu Glaubensbrüdern und wurden von ihnen unter größter Lebensgefahr bis zum Juni 1994 versteckt. Erst im Oktober konnte ich meine Familie wieder in die Arme schließen. Ich danke Jehova dafür, dass er uns allen durch diese grauenvolle Zeit hindurch geholfen hat.

[Bild]

Albert Bahati mit seiner Familie und anderen, die er versteckt hielt

[Kasten/Bild auf Seite 210-212]

„Dies ist der Weg“

GASPARD NIYONGIRA

GEBURTSJAHR: 1954

TAUFE: 1978

KURZPORTRÄT: Ein unerschrockener Kämpfer für die Wahrheit und ein sehr positiver Mensch, dem die Liebenswürdigkeit ins Gesicht geschrieben ist. Gaspard ist verheiratet, hat 3 Töchter und gehört zum ruandischen Zweigkomitee

▪ FÜNFZEHN Tutsi-Häuser brannten lichterloh, zwei davon gehörten unseren Glaubensbrüdern. Wäre unser Haus das nächste? Es war der 7. April und die Schießereien waren schon frühmorgens losgegangen. Meine Frau ist Tutsi und ich bin halb wahnsinnig geworden vor Angst, was man ihr und unseren beiden Kindern antun könnte.

Ich wusste nicht, was wir jetzt tun sollten. Es kursierten alle möglichen Gerüchte und Lügenberichte. Alles war so verwirrend und es herrschte Panik. Ich hielt meine Frau und die Kinder im Haus eines Bruders in der Nähe für am besten aufgehoben und brachte sie dorthin, ich wollte dann später nachkommen. Als es für mich sicher genug war, zu ihnen zu gehen, musste ich feststellen, dass man sie gezwungen hatte, sich in einen großen Schulkomplex zu flüchten. Am Nachmittag kam ein Nachbar zu mir und sagte: „Alle Tutsi in dieser Schule werden massakriert!“ Ich rannte sofort los, suchte nach meiner Frau und meinen Kindern, trommelte um die 20 Brüder, Schwestern und andere zusammen und schickte sie heim. Wir waren noch nicht ganz weg, da sahen wir, wie die Milizionäre die Leute zu einem Platz außerhalb der Stadt führten — dort ermordeten sie über 2 000 Tutsi.

Inzwischen hatte die Frau eines anderen Nachbarn in dieser Schule ihr Baby bekommen. Als die Interahamwe eine Granate in das Gebäude warf, schnappte sich ihr Mann das Neugeborene und floh. Die Mutter flüchtete in der Panik in eine andere Richtung. Der Vater schaffte es, durch die Straßensperren durchzukommen, weil er das Baby in den Armen hielt. Er stürzte auf unser Haus zu. Ob ich irgendwie Milch für das Baby beschaffen könne? Als ich mich hinauswagte, geriet ich in eine von Milizen bewachte Straßensperre. Sie hielten mich für einen Tutsi-Freund. Schließlich wollte ich ja für ein Tutsi-Baby Milch besorgen. „Den bringen wir um!“, hörte ich sie rufen. Ein Soldat schlug mir mit dem Gewehrkolben ins Gesicht, das Blut lief nur so und ich verlor das Bewusstsein. Sie hielten mich für tot und zogen mich hinter ein Haus.

Ein Nachbar erkannte mich und sagte: „Du musst hier weg, sonst kommen sie zurück und erledigen dich vollends.“ Er half mir, heimzukommen.

Dieser Vorfall, so schmerzlich er auch war, erwies sich am nächsten Tag als meine Rettung. Ich war ja als Fahrer bekannt und so tauchten fünf Männer auf, die mich zwingen wollten, einen Militärchef zu fahren. Als sie sahen, wie ich zugerichtet war, bestanden sie weder auf meinen Fahrdiensten, noch versuchten sie, mich für den Patrouillendienst der Interahamwe zu rekrutieren.

Die nächsten Tage waren beherrscht von Angst, Ungewissheit und Hunger. Einmal kam eine Tutsi mit ihren beiden Kleinen in mein Haus gelaufen. Schnell versteckten wir sie in einem Küchenschrank und steckten ihre Kinder zusammen mit meinen in einen anderen Raum. Die RPF (also die Invasionsarmee) kam immer näher und wir hörten gerüchteweise, dass die Interahamwe mit einer letzten Säuberungsaktion begonnen hatte: Sie wollte alle Hutu umbringen, die mit einer Tutsi verheiratet waren. Schnell machten wir uns als ganze Familie erneut für die Flucht fertig. Doch die RPF hatte bereits die Kontrolle über unser Gebiet erlangt, Tutsi waren also außer Gefahr. Jetzt war ich in Lebensgefahr!

Ich machte mich dann mit einigen Nachbarn zu der Straßensperre auf, die nun von den RPF-Leuten bewacht wurde. Als sie mich, einen Hutu, mit bandagiertem Kopf sahen, hielten sie mich für einen von der Miliz. Sie schrien meine Nachbarn an: „Unter euch sind Killer und Plünderer, und da kommt ihr und wollt Hilfe? Wer von euch hat Tutsi versteckt oder beschützt?“ Ich zeigte auf die Frau und die Kinder, die ich versteckt hatte. Sie nahmen die Kleinen zur Seite und fragten: „Wer ist der Mann da mit dem verbundenen Kopf?“ „Das ist keiner von der Interahamwe“, sagten sie, „der ist ein Zeuge Jehovas, das ist ein guter Mann.“ Ich hatte einer Tutsi und ihren beiden Kindern das Leben gerettet, jetzt retteten sie meins!

Die Soldaten glaubten den Kindern und nahmen uns mit in ein Lager rund 20 Kilometer von Kigali entfernt, wo um die 16 000 Überlebende beisammen waren. Dort trafen wir mit ungefähr 60 Brüdern und Schwestern aus 14 Versammlungen zusammen. Wir organisierten Zusammenkünfte und bei der ersten waren 96 dabei! Schlimm war halt, als wir von Freunden hörten, die man umgebracht hatte, und von Schwestern, die vergewaltigt worden waren. Ich war der einzige Älteste und so viele meiner Brüder und Schwestern brauchten Trost und Zuspruch aus der Bibel. Ich hörte zu, wenn sie mir ihre herzzerreißenden Geschichten erzählten, und konnte ihnen nur immer wieder versichern, dass Jehova sie liebt und ihren Schmerz mitfühlt.

Am 10. Juli konnten wir schließlich wieder heim — nach vielen Wochen voller Angst und Schrecken. Ich weiß noch, wie oft mir während dieser Zeit das Lied „Dies ist der Weg“ durch den Kopf ging. Der Text hat mir großen Halt gegeben: „Nach rechts oder links niemals führt unsre Bahn, auf Gottes Weg schreiten wir mutig voran.“

[Kasten/Bilder auf Seite 223, 224]

Da hörte ich plötzlich meinen Namen

HENK VAN BUSSEL

GEBURTSJAHR: 1957

TAUFE: 1976

KURZPORTRÄT: Ging 1984 vom niederländischen Bethel aus nach Gilead. Seine Missionargebiete: die Zentralafrikanische Republik, der Tschad und ab September 1992 Ruanda. Dort ist er jetzt mit seiner Frau Berthe im Zweigbüro

▪ KIGALI-SÜD war die erste Versammlung in Ruanda, die ich unterstützen sollte. Eine Versammlung mit einer Menge Kinder! Die Brüder und Schwestern waren herzlich und gastfrei. Damals, 1992, gab es im Land nicht viele Versammlungen und nur etwas mehr als 1 500 Verkündiger. Von behördlicher Seite traute man uns immer noch nicht so recht über den Weg, sodass wir im Predigtdienst mitunter angehalten wurden und unsere Papiere vorzeigen mussten.

Als der Völkermord begann, war ich gezwungen, das Land zu verlassen. Doch kurz danach wurde ich gebeten, den Flüchtlingen im Osten vom Kongo zu helfen. Von Nairobi machte ich mich auf die Reise nach Goma, einer Stadt an der Grenze zu Ruanda. Ich war zum allerersten Mal in der Gegend und mir war nur der Name eines Ältesten mitgegeben worden; ich fragte mich, wie ich ausgerechnet diesen Ältesten finden sollte. Aber in Goma angekommen, fragte ich dann einfach meinen Taxifahrer, ob er mir weiterhelfen könne. Der wiederum beriet sich mit anderen Fahrern und innerhalb einer halben Stunde stand ich vor der Tür des Ältesten. Zwei Brüdern vom ruandischen Landeskomitee war es gelungen, über die Grenze nach Goma zu kommen, und ich übergab ihnen das Geld, das vom kenianischen Zweig für die Brüder in Ruanda vorgesehen war.

Das zweite Mal, als ich von Nairobi nach Goma reiste, bin ich zu Fuß zur Grenze nach Ruanda gegangen. Eigentlich nur eine kurze Strecke, aber ich brauchte ewig. Mir entgegen wälzte sich nämlich ein ungeheurer Strom ruandischer Flüchtlinge über die Grenze.

Da hörte ich plötzlich meinen Namen: „Ndugu Henk! Ndugu Henk!“, rief eine Stimme. Ndugu ist Suaheli für Bruder. Wo kam die Stimme bloß her? Ich schaute mich suchend um und blickte geradewegs in die Augen von Alphonsine. Das vierzehnjährige Mädel war aus meiner ehemaligen Versammlung in Kigali und man hatte sie und ihre Mutter voneinander getrennt. Ganz dicht blieben wir in dem riesigen Gewühl von Menschen zusammen und ich brachte sie zu einem Königreichssaal, in dem sich viele andere flüchtende Brüder und Schwestern vorübergehend sammelten. Eine kongolesische Familie nahm Alphonsine erst einmal unter ihre Fittiche. Dann kümmerte sich eine ruandische Schwester aus ihrer Heimatversammlung weiter um sie. Mutter und Tochter konnten später in Kigali wieder zusammengeführt werden.

[Bild]

Henk und seine Frau Berthe

[Kasten/Bild auf Seite 235, 236]

Jehova hat wirklich Großes bewirkt!

GÜNTER RESCHKE

GEBURTSJAHR: 1937

TAUFE: 1953

KURZPORTRÄT: Hat 1958 mit dem Pionierdienst begonnen und ist Absolvent der 43. Gileadklasse. Ab 1967 war er dann in Gabun, in der Zentralafrikanischen Republik und in Kenia eingesetzt. Besuchte viele weitere Nachbarländer im Reisedienst und ist derzeit im ruandischen Zweigkomitee

▪ IN Ruanda war ich zum ersten Mal im Jahr 1980. Der Zweig in Kenia hatte mich als Bezirksaufseher dorthin geschickt. Damals gab es hier nur 7 Versammlungen mit 127 Verkündigern. Außerdem war ich einer der Unterweiser der ersten Pionierdienstschule im Land. Viele der 22 Pioniere sind immer noch im Vollzeitdienst. Schon damals hat mich sehr beeindruckt, mit welchem Eifer die ruandischen Brüder in den Dienst gingen und wie viel ihnen die Wahrheit bedeutete. Als ich wieder in Kenia war, dachte ich oft und gern daran zurück.

1996 kam dann ein Brief vom kenianischen Zweigbüro: Ich wurde nach Ruanda versetzt. 18 Jahre hatte ich in Kenia verbracht und mir gefiel es dort sehr. In Ruanda war die Lage noch immer unsicher und wir wurden nachts oft von Schießereien wach. Doch schon bald machte mir mein neues Gebiet Freude, zumal ich sehen konnte, wie sehr Jehova das Werk dort segnete.

Die Kongresse wurden unter den einfachsten Bedingungen abgehalten. Oft mussten die Brüder auf Steinen oder auf dem Boden sitzen, aber niemand beschwerte sich darüber. Und das Taufbecken? Das war einfach ein großes, mit Zeltplane ausgelegtes Loch. Im Landesinnern sieht es auf den Kongressgeländen an vielen Orten immer noch so aus, aber inzwischen haben wir auch schon einige einfache, seitlich offene Kongresssäle gebaut sowie ein paar erweiterbare Königreichssäle.

Die Brüder waren eifrige Verkündiger der guten Botschaft. Die Versammlungen in Kigali legten ihre Versammlungszeiten am Wochenende auf den frühen Vormittag, damit man danach gleich in den Predigtdienst gehen konnte — und zwar bis es dunkel wurde.

Ich habe mir immer gern Zeit für die Kinder und Jugendlichen in den Versammlungen genommen. Das waren schließlich die Verkündiger von morgen, die dann später auch mehr Verantwortung übernehmen konnten. Wie schön zu beobachten, dass viele furchtlos Stellung für Jehova bezogen haben! Daran konnte man sehen, dass sie schon ein eigenes Verhältnis zu Jehova hatten, auch wenn sie noch recht jung waren.

Da war zum Beispiel der 11-jährige Luc aus dem Süden Ruandas. Einmal sollte er im Klassenzimmer die Nationalhymne vorsingen. Höflich fragte er, ob er nicht stattdessen ein Königreichslied singen könnte. Der Lehrer hatte nichts dagegen und als Luc damit fertig war, da klatschten alle. Dass unser Luc nicht nur die Melodie, sondern auch den Text des Liedes kannte, zeigt, wie viel ihm daran gelegen war, seinen Schöpfer zu preisen. Erlebnisse wie diese geben mir immer wieder Auftrieb. Ein anderes Beispiel ist der Sohn einer Schwester. Sie war vor einigen Jahren wegen des Predigens der guten Botschaft ins Gefängnis geworfen worden. Dort kam dann ihr Junge zur Welt. Sie gab ihm den Namen Shikama Hodari. Das ist Suaheli und heißt so viel wie: Bleib standhaft! Shikama hat seinem Namen alle Ehre gemacht. Erst vor Kurzem besuchte er die Bibelschule für ledige Brüder; er ist Dienstamtgehilfe und Sonderpionier.

Mit meinen ruandischen Brüdern zusammenzuarbeiten ist für mich etwas ganz Besonderes. In all den Jahren, in denen sie so extrem Schweres durchgemacht haben — ob Verbotszeit, Bürgerkrieg oder Genozid —, haben mich ihr Eifer im Dienst und ihre Treue immer sehr berührt. Auch durfte ich den Segen und den Schutz Jehovas spüren, und das hat mich ihm nur noch näher gebracht. Jehova hat wirklich Großes bewirkt! (Ps. 136:4).

[Übersicht/Bilder auf Seite 254, 255]

WICHTIGE ETAPPEN — Ruanda

1970

1970 Die ersten Verkündiger berichten

1975 Erste ruandische Familie zurück aus dem Kongo

1976 „Diese gute Botschaft vom Königreich“ erscheint in Kinyaruanda

1978 Der Wachtturm erscheint monatlich in Kinyaruanda

1980

1982 Das Werk wird verboten, verantwortliche Brüder kommen ins Gefängnis

1986 Ein Drittel der Verkündiger ist inhaftiert

1990

1990 Im Norden bricht Krieg aus

1992 Erster Bezirkskongress für ganz Ruanda

Werk rechtlich anerkannt

Missionare treffen ein

1994 Völkermord an den Tutsi

1996 Missionare kommen zurück

Neu in Ruanda: eine Dienstabteilung

1998 Wachtturm in Kinyaruanda zeitgleich mit dem englischen

1999 Kongresssaal in Kigali wird eingeweiht

2000

2000 Ruanda wird eigenständiger Zweig

Neu in Ruanda: der Bereich Königreichssaalbau

2001 Grundstück für neues Zweigbüro gekauft

2006 Neues Zweigbüro eingeweiht

2007 Neue-Welt-Übersetzung der Christlichen Griechischen Schriften erscheint in Kinyaruanda

2010

2010 Vollständige Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift in Kinyaruanda

[Übersicht/Bild auf Seite 234]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Verkündiger

Pioniere

20 000

15 000

10 000

5 000

1985 1990 1995 2000 2005 2010

[Karten auf Seite 167]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

UGANDA

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

Vulkan Nyiragongo

Goma

Bukavu

BURUNDI

TANSANIA

RUANDA

KIGALI

VIRUNGABERGE

Vulkan Karisimbi

Ruhengeri (jetzt Musanze)

Gisenyi (jetzt Rubavu)

Kiwusee

Kanombe

Masaka

Gitarama (jetzt Muhanga)

Bugesera

Nyabisindu (jetzt Nyanza)

Save

Butare (jetzt Huye)

Äquator

[Bild auf Seite 164, 165]

Fischer auf dem Kiwusee

[Bilder auf Seite 169]

Oden und Enea Mwaisoba

[Bild auf Seite 170]

Gaspard Rwakabubu mit seiner Tochter Deborah und seiner Frau Melanie

[Bild auf Seite 171]

„‚Diese gute Botschaft vom Königreich‘“ in Kinyaruanda

[Bild auf Seite 172]

Justin Rwagatore

[Bild auf Seite 172]

Ferdinand Mugarura

[Bild auf Seite 173]

Die drei, die 1976 getauft wurden: Leopold Harerimana, Pierre Twagirayezu und Emmanuel Bazatsinda

[Bild auf Seite 174]

Publikationen in Kinyaruanda

[Bild auf Seite 179]

Phocas Hakizumwami

[Bild auf Seite 180]

Palatin Nsanzurwimo mit seiner Frau (rechts) und den Kindern

[Bild auf Seite 181]

Odette Mukandekezi

[Bild auf Seite 182]

Henry Ssenyonga auf seinem Motorrad

[Bild auf Seite 188]

Urkunde der Registrierung am 13. April 1992

[Bild auf Seite 190]

Brüder bauen die Bühne ab, damit das Fußballspiel stattfinden kann

[Bild auf Seite 192]

Leonard und Nancy Ellis (Mitte) mit Familie Rwakabubu und Ehepaar Sombe

[Bild auf Seite 193]

Das Flugzeugwrack nach dem Anschlag bei Kigali

[Bilder auf Seite 199]

„Uns fehlte Brüderlichkeit“ liest man auf einem Schild an einer katholischen Kirche in Kibuye (jetzt Karongi)

[Bild auf Seite 214]

Von links nach rechts: (hinten) André Twahirwa, Jean de Dieu, Immaculée, Chantal (mit Baby), Suzanne; (vorn) Jean-Luc und Agapé (Kinder von Mugabos)

[Bild auf Seite 216]

Beim Bibelstudium mit Védaste Bimenyimana

[Bild auf Seite 217]

Tharcisse Seminega und seine Frau Chantal

[Bild auf Seite 218]

Tharcisse und Justin neben der Hütte, in der Tharcisse und seine Familie einen Monat versteckt waren

[Bilder auf Seite 226]

Oben: Flüchtlingslager für Zeugen aus Ruanda; Unten: Flüchtlingslager für Zeugen und andere

Goma (Kongo)

Benaco (Tansania)

[Bilder auf Seite 229]

Der Königreichssaal wurde in ein Krankenhaus umfunktioniert

[Bild auf Seite 238]

Oreste mit seiner Familie (1996)

[Bild auf Seite 240]

Théobald und Berancille Munyampundu

[Bilder auf Seite 241]

Tutsi und Hutu räumen Seite an Seite das Grundstück für den neuen Kongresssaal frei

[Bild auf Seite 242]

Seitlich offener Kongresssaal in Kigali (2006)

[Bild auf Seite 243]

Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung in Kigali (2008)

[Bild auf Seite 246]

Gebärdensprachbereich auf einem Tagessonderkongress in Gisenyi (2011)

[Bild auf Seite 248]

François-Xavier Hakizimana

[Bilder auf Seite 252, 253]

Unermüdlich bearbeiten unsere ruandischen Brüder und Schwestern ihr fruchtbares „Feld“, immer mit dem Blick nach oben auf den „Herrn der Ernte“. Und sie haben ganz und gar nicht die Absicht, langsamer zu machen