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Die Entwicklung der organisatorischen Struktur

Die Entwicklung der organisatorischen Struktur

Kapitel 15

Die Entwicklung der organisatorischen Struktur

SEIT 1870, dem Jahr, in dem Charles Taze Russell und seine Gefährten begannen, die Bibel zu studieren, hat sich die Wirkungsweise der Organisation der Zeugen Jehovas bedeutend geändert. Die ersten Bibelforscher wiesen als kleine Gruppe kaum etwas auf, was Außenstehende als typische Merkmale einer Organisation betrachtet hätten. Heute dagegen sind Menschen in über 200 Ländern und Inselgebieten, wenn sie Jehovas Zeugen in ihren Versammlungen, auf ihren Kongressen und beim Predigen der guten Botschaft beobachten, erstaunt darüber, wie reibungslos die Organisation funktioniert. Wie ist das erreicht worden?

Die Bibelforscher waren nicht nur sehr daran interessiert, die Lehren der Bibel kennenzulernen, sondern wollten auch wissen, wie man gemäß der Bibel Gott dienen sollte. Sie erkannten, daß die Bibel weder eine Andeutung auf titeltragende Geistliche enthält noch einen Hinweis auf Laien, denen sie predigen. Bruder Russell war fest entschlossen, zu verhindern, daß es unter den Bibelforschern eine Geistlichkeit gab. a Die Leser des Wacht-Turms wurden häufig daran erinnert, daß Jesus seinen Nachfolgern erklärt hatte: „E i n e r ist euer Führer, der Christus“ und: „Ihr alle ... [seid] Brüder“ (Mat. 23:8, 10).

Die frühe Vereinigung der Bibelforscher

Leser des Wachtturms und verwandter Publikationen erkannten bald, daß sie, um Gott zu gefallen, jegliche Bindung zu einer Kirche lösen mußten, die sich ihm gegenüber als untreu erwies, indem sie Glaubensbekenntnisse und menschliche Überlieferungen über Gottes geschriebenes Wort stellte (2. Kor. 6:14-18). Wohin sollten sie aber gehen, nachdem sie die Kirchen der Christenheit verlassen hatten?

In einem Artikel, betitelt „Die Ekklesia [Versammlung]“ b, wies Bruder Russell darauf hin, daß die wahre Kirche, die Christenversammlung, keine Organisation sei, deren Mitglieder sich einem menschlichen Glaubensbekenntnis verschrieben hätten und ihren Namen in ein Kirchenregister hätten eintragen lassen. Sie bestehe vielmehr aus Personen, die ihre Zeit, ihre Talente und ihr Leben Gott „geweiht“ (oder hingegeben) hätten mit der Aussicht, zusammen mit Christus einmal am himmlischen Königreich teilzuhaben. Es seien Christen, die durch das Band christlicher Liebe und durch gemeinsame Interessen miteinander verbunden seien, Christen, die sich von Gottes Geist leiten ließen und sich der Leitung Christi als Haupt unterwerfen würden. Bruder Russell lag es fern, eine andere Einrichtung zu schaffen, und er lehnte es entschieden ab, irgendeinen Beitrag zum Sektierertum der nominellen Christen zu leisten.

Gleichzeitig war er sich jedoch völlig darüber im klaren, daß sich die Diener des Herrn im Einklang mit dem Rat aus Hebräer 10:23-25 versammeln mußten. Er unternahm deshalb Reisen, um Leser des Wacht-Turms zu besuchen, sie zu erbauen und sie mit Gleichgesinnten in ihrer Gegend in Verbindung zu bringen. Anfang 1881 bat er Personen, die regelmäßig Zusammenkünfte abhielten, dem Watch-Tower-Büro mitzuteilen, wo diese stattfanden. Er erkannte, wie wertvoll es war, miteinander in Verbindung zu bleiben.

Bruder Russell betonte allerdings, daß man nicht versuche, eine „irdische Organisation“ zu gründen. Er sagte: „Wir gehören nur der himmlischen Organisation an — ‚deren Namen im Himmel eingeschrieben sind‘ (Hebr. 12:23; Luk. 10:20).“ Wegen der unrühmlichen Geschichte der Christenheit erinnerte die Bezeichnung „Kirchenorganisation“ gewöhnlich an Sektierertum, an eine herrschende Geistlichkeit und an eine Mitgliedschaft, die auf der Annahme eines von einem Konzil formulierten Glaubensbekenntnisses beruhte. Deshalb hielt Bruder Russell den Begriff „Vereinigung“ als Selbstbezeichnung für besser.

Natürlich wußte er, daß Christi Apostel Versammlungen gegründet und in jeder dieser Versammlungen Älteste ernannt hatten. Doch er glaubte, daß Christus wieder gegenwärtig war — wenn auch unsichtbar — und selbst die abschließende Ernte derer leitete, die seine Miterben sein sollten. In Anbetracht der Umstände hielt Bruder Russell anfangs die Ältestenvorkehrung, die in der Christenversammlung des ersten Jahrhunderts bestanden hatte, in der Zeit der Ernte nicht für nötig.

Als die Bibelforscher allerdings an Zahl zunahmen, erkannte Bruder Russell, daß der Herr die Dinge anders lenkte, als er erwartet hatte. So mußte er seinen Standpunkt korrigieren. Doch gestützt worauf?

Für die anfänglichen Bedürfnisse der wachsenden Vereinigung gesorgt

Im Wacht-Turm vom 15. November 1895 (engl.) wurde fast ausschließlich das Thema „Anständig und in Ordnung“ behandelt. Bruder Russell gab darin freimütig zu: „Die Apostel hatten der Urkirche viel über Ordnung bei den Zusammenkünften der Heiligen zu sagen; und wir haben diesen weisen Rat offensichtlich ziemlich vernachlässigt, indem wir ihn für nicht allzu wichtig hielten, weil sich die Kirche so nahe am Ende ihres Laufes befindet und die Ernte eine Zeit der Trennung ist.“ Was war ausschlaggebend dafür, daß man diesen apostolischen Rat nun mit anderen Augen betrachtete?

In dem Artikel wurden vier Umstände angeführt: 1. Die einzelnen unterschieden sich in ihrer geistigen Entwicklung voneinander. Es gab Versuchungen, Prüfungen, Schwierigkeiten und Gefahren, und nicht alle waren gleich gerüstet, ihnen zu begegnen. Daher bestand ein Bedarf an weisen und besonnenen Aufsehern, erfahrenen und fähigen Männern, denen das geistige Wohl aller sehr am Herzen lag und die sie in der Wahrheit unterweisen konnten. 2. Man hatte beobachtet, daß die Herde vor ‘Wölfen in Schafskleidern’ geschützt werden mußte (Mat. 7:15). Die einzelnen mußten dadurch gestärkt werden, daß man ihnen half, eine genaue Erkenntnis der Wahrheit zu erlangen. 3. Wenn es keine Regelung gäbe, Älteste zu ernennen, die die Herde schützten, würden sich einige, wie die Erfahrung gezeigt hatte, diese Stellung anmaßen und die Herde als ihr Eigentum betrachten. 4. Ohne eine ordentliche Regelung würden Personen, die loyal zur Wahrheit standen, womöglich feststellen müssen, daß ihre Dienste unerwünscht waren, nur weil ein paar Einflußreiche eine andere Ansicht vertraten als sie.

Aus dieser Sicht hieß es im Wacht-Turm: „Ohne Zögern empfehlen wir den Kirchen c an jedem Ort — seien sie zahlenmäßig groß oder klein —, sich an den apostolischen Rat zu halten und in jeder Gruppe Älteste auszuwählen, die die Herde weiden und die Aufsicht übernehmen“ (Apg. 14:21-23; 20:17, 28). Die Ortsversammlungen befolgten diesen vernünftigen biblischen Rat. Das war ein wichtiger Schritt, den Aufbau der Versammlung so zu gestalten wie in den Tagen der Apostel.

Gemäß dem damaligen Verständnis erfolgte jedoch die Wahl der Ältesten und der sie unterstützenden Diakone durch die Versammlung. Alljährlich oder nötigenfalls öfter erwog man die Befähigung derer, die als Diener in Frage kamen, und gab dann seine Stimme ab. Im Grunde genommen handelte es sich um eine demokratische Verfahrensweise, der jedoch gewisse Grenzen gesetzt waren, die als Schutz dienen sollten. Alle in der Versammlung wurden ermahnt, die biblischen Anforderungen gewissenhaft durchzugehen, um durch die Wahl nicht ihrer eigenen Meinung Ausdruck zu geben, sondern dem, was nach ihrer Überzeugung der Wille des Herrn war. Wählen durften nur Personen, die „geweiht“ waren. Wenn daher ihre gemeinsame Wahl unter der Leitung des Wortes und Geistes des Herrn erfolgte, sah man das Ergebnis als den Willen des Herrn an. Bruder Russells Empfehlung, so vorzugehen, war möglicherweise nicht allein von seiner Entschlossenheit beeinflußt, alles zu vermeiden, was an eine höhergestellte Geistlichenklasse erinnerte, sondern auch von seiner persönlichen Erfahrung als Jugendlicher in der Kongregationalistenkirche, wenngleich er sich dessen vielleicht nicht völlig bewußt war.

Als in dem Buch Die neue Schöpfung (herausgegeben 1904), das zu der Bücherserie Millennium-Tagesanbruch gehörte, erneut ausführlich behandelt wurde, welche Rolle die Ältesten spielen und wie sie gewählt werden sollten, wurde die Aufmerksamkeit besonders auf Apostelgeschichte 14:23 gelenkt. Die von James Strong und Robert Young zusammengestellten Konkordanzen dienten als Stütze für die Ansicht, daß die Worte „ordneten ihnen hin und her Aeltesten“ (Lu, 1877) eigentlich bedeuteten, „sie ließen sie durch Handerheben Älteste wählen“. d In einigen Bibelübersetzungen heißt es sogar, die Ältesten seien ‘durch Wahl ernannt’ worden (Young, Literal Translation of the Holy Bible; Rotherham, Emphasised Bible). Aber wer sollte sie wählen?

Man vertrat den Standpunkt, die ganze Versammlung sollte wählen, doch das zeitigte nicht immer die erhofften Ergebnisse. Die Wählenden mußten zwar „Geweihte“ sein, und einige der Gewählten erfüllten auch wirklich die biblischen Erfordernisse und dienten demütig ihren Brüdern. Aber oftmals ließ die Wahl nicht auf Gottes Wort und Geist schließen, sondern auf eine persönliche Vorliebe. In Halle (Deutschland) dachten zum Beispiel einige, sie müßten Älteste sein, und verursachten schwere Auseinandersetzungen, als sie die gewünschte Stellung nicht erhielten. Unter den Kandidaten in Barmen (Deutschland) waren 1927 auch Männer, die sich gegen das Werk der Gesellschaft stellten, und so kam es während des Handerhebens bei der Wahl zu lauten Beschimpfungen, und man mußte zu einer geheimen Stimmabgabe übergehen.

Im Jahre 1916 — etliche Jahre vor jenen Begebenheiten — hatte Bruder Russell tief besorgt folgendes geschrieben: „In einigen Klassen herrschen schreckliche Verhältnisse, wenn gewählt werden soll. Die Diener der Kirche versuchen, sich als Herrscher, ja als Diktatoren aufzuspielen — mitunter führen sie sogar den Vorsitz bei der Zusammenkunft offensichtlich in der Absicht, sicherzustellen, daß sie und ihre speziellen Freunde zu Ältesten und Diakonen gewählt werden. ... Einige suchen die Klasse in unauffälliger Weise zu übervorteilen, indem sie die Wahl auf eine für sie und ihre Freunde besonders günstige Zeit festsetzen. Andere suchen alle ihre Freunde zur Zusammenkunft mitzubringen, sogar verhältnismäßig fremde Personen, die gar nicht daran denken, regelmäßig die Klasse zu besuchen, sondern lediglich aus Gefälligkeit kommen, um für einen ihrer Freunde zu stimmen.“

Ging es lediglich darum, zu lernen, wie man demokratische Wahlen reibungsloser durchführt, oder enthielt Gottes Wort Hinweise, die man noch nicht deutlich erkannt hatte?

Organisiert, damit die gute Botschaft gepredigt wird

Schon sehr früh war sich Bruder Russell darüber im klaren, daß das Evangelisieren zu den wichtigsten Aufgaben jedes Angehörigen der Christenversammlung zählte (1. Pet. 2:9). Im Wacht-Turm hieß es, daß nicht nur Jesus, sondern allen seinen geistgesalbten Nachfolgern die prophetischen Worte aus Jesaja 61:1 galten, nämlich: „Jehova [hat] mich gesalbt ..., um ... gute Botschaft kundzutun“ oder, wie die Lutherbibel Jesu Zitat dieses Textes wiedergibt: „Er [hat] mich gesalbt ..., zu verkündigen das Evangelium“ (Luk. 4:18).

Bereits 1881 erschien in Englisch der Wacht-Turm-Artikel „1 000 Prediger gesucht“. Darin wurde jeder in der Versammlung ermuntert, soviel Zeit wie möglich (eine halbe Stunde, eine, zwei oder drei Stunden) dafür einzusetzen, die biblische Wahrheit zu verbreiten. Männer und Frauen, die keine familiären Verpflichtungen hatten und die Hälfte ihrer Zeit oder mehr im Werk des Herrn verbringen konnten, wurden ermuntert, als Kolporteure das Evangelium zu verkündigen. Die Zahl schwankte von Jahr zu Jahr beträchtlich, doch 1885 waren bereits etwa 300 Kolporteure im Werk tätig. Auch einige andere beteiligten sich, allerdings in begrenztem Maße. Die Kolporteure erhielten Anregungen, wie sie vorgehen sollten. Aber das Feld war groß, und zumindest anfangs suchten sie sich ihr Gebiet selbst aus und zogen meist nach eigenem Ermessen von einem Ort zu einem anderen. Wenn sie sich auf Kongressen trafen, nahmen sie nötige Änderungen vor, um ihre Bemühungen aufeinander abzustimmen.

In dem Jahr, in dem der Kolporteurdienst begann, ließ Bruder Russell mehrere Traktate (oder Broschüren) zur kostenfreien Verbreitung drucken. Herausragend war die Publikation Speise für denkende Christen, von der in den ersten vier Monaten 1 200 000 Exemplare verbreitet wurden. Die mit dem Druck und der Verbreitung verbundene Arbeit war Anlaß zur Gründung von Zion’s Watch Tower Tract Society, die sich der erforderlichen Arbeiten im einzelnen annehmen sollte. Damit das Werk im Falle seines Todes nicht unterbrochen würde und um die Handhabung der für das Werk gedachten Spenden zu vereinfachen, beantragte Bruder Russell die gesetzliche Eintragung der Gesellschaft, die am 15. Dezember 1884 erfolgte. So entstand das erforderliche Rechtsinstrument.

Je nach Bedarf richtete man in anderen Ländern Zweigbüros der Watch Tower Society ein. Das erste wurde am 23. April 1900 in London (England) gegründet, ein weiteres 1902 in Elberfeld (Deutschland). Zwei Jahre danach wurde in Melbourne (Australien), auf der anderen Seite des Globus, ein Zweigbüro eröffnet. Zur Zeit der Abfassung dieses Buches gab es weltweit 99 Zweigstellen.

Die organisatorischen Einrichtungen, die zur Beschaffung großer Mengen biblischer Literatur benötigt wurden, nahmen zwar Formen an, doch anfangs blieb es den Versammlungen überlassen, über die Art der Verbreitung am Ort zu entscheiden. In einem Brief vom 16. März 1900 legte Bruder Russell seinen Standpunkt dazu dar. In diesem Brief an „Alexander M. Graham und die Kirche in Boston (Massachusetts)“ hieß es: „Wie Ihr alle wißt, ist es meine erklärte Absicht, es jeder Gruppe des Volkes des Herrn zu überlassen, ihre Angelegenheiten gemäß ihrem eigenen Urteilsvermögen zu regeln, und mich nicht einzumischen, sondern lediglich durch Anregungen zu beraten.“ Das betraf nicht nur die Zusammenkünfte, sondern auch die Art und Weise, wie der Predigtdienst verrichtet wurde. Wenn er den Brüdern einen praktischen Rat gab, schloß er mit den Worten: „Das ist lediglich eine Anregung.“

Bei einigen Tätigkeiten bedurfte es indessen genauerer Anweisungen der Gesellschaft. In Verbindung mit dem Vorführen des „Photo-Dramas der Schöpfung“ war es beispielsweise jeder Versammlung überlassen, zu entscheiden, ob sie für eine Vorstellung ein Kino oder einen anderen Raum am Ort mieten wollte oder konnte. Es mußten aber Ausrüstungsgegenstände dafür von einer Stadt zur anderen transportiert und bestimmte Termine eingehalten werden. Diesbezüglich erteilte die Gesellschaft daher bestimmte Anweisungen. Jede Versammlung wurde ermuntert, ein Drama-Komitee zu bilden, das die örtlichen Angelegenheiten regelte. Doch ein von der Gesellschaft ausgesandter Verantwortlicher kümmerte sich gewissenhaft um die Einzelheiten, damit alles reibungslos ablief.

Während die Jahre 1914 und 1915 verstrichen, warteten jene geistgezeugten Christen sehnsüchtig auf die Verwirklichung ihrer himmlischen Hoffnung. Gleichzeitig wurden sie ermuntert, ständig im Dienst des Herrn beschäftigt zu sein. Die Zeit, die ihnen im Fleische noch verblieb, war ihrer Ansicht nach zwar sehr kurz, doch wie sich herausstellte, war zu einer geordneten Fortsetzung des Predigens der guten Botschaft mehr Anleitung nötig als zu der Zeit, wo sie nur wenige Hunderte gezählt hatten. Kurz nachdem J. F. Rutherford der zweite Präsident der Watch Tower Society geworden war, nahm diese Anleitung neue Formen an. Im Wacht-Turm vom Juli 1917 (engl.: 1. März) wurde bekanntgegeben, daß die in den Versammlungen von Kolporteuren und Arbeitern im pastoralen Werk e zu bearbeitenden Gebiete vom Büro der Gesellschaft zugeteilt würden. Wenn sich in einer Stadt oder einem Kreis sowohl ansässige Arbeiter im pastoralen Werk als auch Kolporteure am Predigtdienst beteiligten, wurde das Gebiet von einem örtlich ernannten Distriktskomitee unter ihnen aufgeteilt. Diese Regelung trug 1917/18 innerhalb nur weniger Monate zu einer wahrhaft bemerkenswerten Verbreitung der englischen Ausgabe des Buches Das vollendete Geheimnis bei. Sie war auch ausschlaggebend für die schnelle Verbreitung von 10 000 000 Exemplaren eines Traktats mit dem Titel „Der Fall Babylons“, in dem die Christenheit nachdrücklich bloßgestellt wurde.

Kurze Zeit danach wurden Vorstandsmitglieder der Gesellschaft verhaftet und am 21. Juni 1918 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Predigen der guten Botschaft kam fast zum Erliegen. War es wenigstens jetzt an der Zeit, mit dem Herrn in himmlischer Herrlichkeit vereint zu werden?

Wenige Monate danach ging der Krieg zu Ende. Im Jahr darauf wurden die führenden Vertreter der Gesellschaft freigelassen. Sie befanden sich immer noch im Fleische. Ihre Erwartungen hatten sich nicht erfüllt. Daher schlußfolgerten sie, daß Gott für sie auf der Erde noch ein Werk zu tun haben mußte.

Sie hatten gerade schwere Glaubensprüfungen hinter sich, da wurden sie 1919 durch die anspornenden biblischen Studienartikel gestärkt, die im Wacht-Turm unter dem Thema „Glückselig sind die Furchtlosen“ erschienen. Dasselbe traf auf den Artikel „Gelegenheiten des Dienstes“ zu. Aber die Brüder hatten keine Vorstellung von den umfangreichen organisatorischen Entwicklungen, die in den folgenden Jahrzehnten eintreten würden.

Vorbild für die Herde

Damit das Werk weiterhin auf ordentliche und einheitliche Weise voranging, ungeachtet wie kurz die Zeit sein mochte, mußte der Herde, wie Bruder Rutherford erkannte, das rechte Beispiel gegeben werden. Jesus hatte seine Nachfolger als Schafe bezeichnet, und Schafe folgen ihrem Hirten. Natürlich ist Jesus selbst der vortreffliche Hirte, doch bedient er sich auch älterer Männer oder Ältester als Unterhirten seines Volkes (1. Pet. 5:1-3). Diese Ältesten müssen sich selbst an dem von Jesus angeordneten Werk beteiligen und auch andere dazu ermuntern. Sie müssen wirklich den Geist des Evangelisierens haben. Bei der Verbreitung des Buches Das vollendete Geheimnis machten allerdings manche Älteste nicht mit; einige von ihnen rieten anderen ziemlich offen davon ab.

Ein höchst bedeutsamer Schritt, diese Situation zu berichtigen, erfolgte 1919 mit der Herausgabe der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter in Englisch. Sie sollte ein wirksames Instrument sein, das Königreich Gottes als die einzige Lösung für die Probleme der Menschheit zu verkündigen. Jede Versammlung, die sich an dieser Tätigkeit beteiligen wollte, wurde gebeten, sich bei der Gesellschaft als „Dienstorganisation“ anzumelden. Dann wurde von der Gesellschaft ein sogenannter Erntewerksvorsteher oder Dienstleiter ernannt, der nicht der jährlichen Wahl unterworfen war. f Als örtlicher Vertreter der Gesellschaft sollte er das Werk organisieren, Gebiet zuteilen und die Versammlung ermuntern, sich am Predigtdienst zu beteiligen. So trat neben den demokratisch gewählten Ältesten und Diakonen eine andersartige organisatorische Einrichtung in Funktion. Durch diese Einrichtung wurde eine Befugnis zur Ernennung von Personen anerkannt, die außerhalb der Ortsversammlung lag, und das Predigen der guten Botschaft von Gottes Königreich stärker betont. g

Wie von einer unwiderstehlichen Kraft angetrieben, erhielt die Verkündigung des Königreiches in den nachfolgenden Jahren gewaltigen Auftrieb. Die Ereignisse im Jahre 1914 und danach machten deutlich, daß sich die große Prophezeiung des Herrn Jesus Christus über den Abschluß des alten Systems erfüllte. Deshalb wurde 1920 im Wacht-Turm darauf hingewiesen, daß es, wie gemäß Matthäus 24:14 vorausgesagt, an der Zeit war, die gute Botschaft von dem „Ende der alten Ordnung der Dinge“ und der „Aufrichtung des messianischen Königreiches“ zu verkündigen h (Mat. 24:3-14). Nach dem Kongreß der Bibelforscher in Cedar Point (Ohio) im Jahre 1922 klangen den Delegierten die Worte im Ohr: „Verkündet, verkündet, verkündet den König und sein Königreich.“ 1931 trat die Aufgabe wahrer Christen sogar noch deutlicher in den Mittelpunkt, als sie den Namen Jehovas Zeugen annahmen.

Offensichtlich hatte Jehova seinen Dienern ein Werk aufgetragen, an dem sich alle beteiligen konnten. Sie reagierten begeistert. Viele stellten ihr Leben grundlegend um, damit sie diesem Werk ihre volle Zeit widmen konnten. Selbst von denen, die weniger Zeit einsetzten, verbrachte an den Wochenenden eine beträchtliche Anzahl ganze Tage im Predigtdienst. Aufgrund der Ermunterungen, die 1938 und 1939 im Wachtturm und im Informator gegeben wurden, strengten sich viele Zeugen Jehovas damals gewissenhaft an, monatlich 60 Stunden im Predigtdienst einzusetzen.

Zu diesen eifrigen Zeugen zählten auch zahlreiche demütige und ergebene Diener Jehovas, die Älteste in den Versammlungen waren. An einigen Orten jedoch widersetzte man sich in den 20er Jahren und Anfang der 30er Jahre energisch der Vorstellung, daß sich jeder am Predigtdienst beteiligen sollte. Demokratisch gewählte Älteste brachten oft recht deutlich zum Ausdruck, daß sie mit der im Wacht-Turm erläuterten Verantwortung, den Menschen außerhalb der Versammlung zu predigen, nicht einiggingen. In ihren Gruppen wurde das Wirken des Geistes Gottes dadurch behindert, daß man nicht auf das hören wollte, was der Geist den Versammlungen in dieser Angelegenheit durch die Heilige Schrift zu sagen hatte (Offb. 2:5, 7).

Im Jahre 1932 unternahm man Schritte, diese Situation zu berichtigen. Entscheidend war dabei nicht die Frage, ob einige angesehene Älteste vielleicht gekränkt sein könnten oder ob sich möglicherweise einige der mit der Versammlung Verbundenen zurückziehen würden. Vielmehr lag den Brüdern daran, Jehova zu gefallen und seinen Willen zu tun. Deshalb wurde in den Wachtturm-Ausgaben vom 15. September und 1. Oktober die Aufmerksamkeit auf das Thema „Jehovas Organisation“ gelenkt.

Die Artikel machten deutlich, daß alle, die zur Organisation Jehovas gehörten, das Werk verrichten würden, das gemäß seinem Wort in dieser Zeit getan werden müßte. In den Artikeln wurde die Ansicht vertreten, die Stellung eines christlichen Ältesten sei kein Amt, in das man gewählt werden könne, sondern ein Zustand, der durch geistiges Wachstum erreicht werde. Besonders betont wurde, daß Jesus darum betete, daß seine Nachfolger „alle eins seien“ — in Gemeinschaft mit Gott und Christus und somit beim Tun des Willens Gottes vereint (Joh. 17:21). Und was ergab sich daraus? Der zweite Artikel enthielt die Antwort, daß „ein jeder des Überrestes für den Namen und das Königreich Jehovas Gottes Zeugnis geben muß“. Die Aufsicht sollte keinem anvertraut werden, der nicht tat, was er vernünftigerweise tun konnte, um sich am öffentlichen Zeugnisgeben zu beteiligen, oder sich weigerte, es zu tun.

Nach dem Studium dieser Artikel wurden die Versammlungen eingeladen, durch die Annahme einer Resolution ihre Zustimmung auszudrücken. So hörte man in den Versammlungen damit auf, jährlich Männer zu Ältesten und Diakonen zu wählen. In Belfast (Nordirland) und an anderen Orten verließen einige frühere „Wahlälteste“ zusammen mit Sympathisanten die Versammlung. Dadurch lichteten sich zwar die Reihen etwas, doch die Organisation als Ganzes wurde gestärkt. Übrig blieben diejenigen, die willig die christliche Verantwortung übernahmen, Zeugnis zu geben. Die Angehörigen der Versammlungen wählten — immer noch auf demokratische Weise — statt Älteste ein Dienstkomitee i, das aus geistig reifen Männern bestand, die sich am Zeugnisgeben in der Öffentlichkeit beteiligten. Auch wählten sie einen Vorsitzenden für ihre Zusammenkünfte sowie einen Sekretär und einen Schatzmeister. Bei ihnen allen handelte es sich um fleißige Zeugen für Jehova.

Mit der Aufsicht in den Versammlungen waren jetzt Männer betraut, denen nicht an einer persönlichen Stellung gelegen war, sondern daran, Gottes Werk zu verrichten — das heißt, über seinen Namen und sein Königreich Zeugnis abzulegen —, und die durch ihre Beteiligung ein gutes Beispiel gaben; daher ging das Werk reibungsloser voran. Sie wußten damals allerdings nicht, daß es noch viel zu tun gab, daß ein umfangreicheres Zeugnis als bis dahin gegeben würde und eine von ihnen nicht erwartete Einsammlung erfolgen sollte (Jes. 55:5). Offensichtlich bereitete Jehova sie darauf vor.

Es pflegten bereits einige derer, die ewig auf der Erde zu leben hofften, Gemeinschaft mit ihnen. j Aber die Bibel sagte die Einsammlung einer großen Volksmenge vorher, die in der bevorstehenden großen Drangsal bewahrt werden soll (Offb. 7:9-14). Um wen es sich bei der großen Volksmenge handelt, wurde 1935 geklärt. Aufgrund der Änderungen in der Auswahl der Aufseher in den 30er Jahren war die Organisation besser ausgerüstet, diese Menschen einzusammeln, zu belehren und zu schulen.

Die meisten Zeugen Jehovas waren über das sich ausdehnende Werk begeistert. Ihr Predigtdienst nahm eine neue Bedeutung an. Aber einige waren nicht darauf erpicht zu predigen. Sie legten die Hände in den Schoß und versuchten ihre Untätigkeit mit dem Hinweis zu rechtfertigen, erst nach Harmagedon werde eine große Volksmenge eingesammelt. Die allermeisten sahen jedoch darin eine weitere Gelegenheit, ihre Loyalität gegenüber Jehova und ihre Liebe zu ihrem Nächsten zu beweisen.

Wie fügten sich die Angehörigen der großen Volksmenge in die organisatorische Struktur ein? Sie erfuhren, welche Rolle Gottes Wort der „kleinen Herde“ Geistgesalbter zuschrieb, und wirkten freudig im Einklang mit dieser Einrichtung (Luk. 12:32-44). Auch erfuhren sie, daß sie — wie die Geistgesalbten — die Verantwortung hatten, die gute Botschaft anderen zu übermitteln (Offb. 22:17). Wenn sie Untertanen des Königreiches Gottes sein wollten, mußten sie dieses Königreich in ihrem Leben an die erste Stelle setzen und es eifrig bekanntmachen. Damit sie der biblischen Beschreibung derer entsprachen, die die große Drangsal überleben und in Gottes neue Welt gelangen, mußten sie „fortwährend mit lauter Stimme [rufen], indem sie sagen: ‚Die Rettung verdanken wir unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm‘ “ (Offb. 7:10, 14). Als ihre Zahl stieg und ihr Eifer für den Herrn offenbar wurde, lud man 1937 auch sie ein, die Last der Verantwortung beim Beaufsichtigen der Versammlung mitzutragen.

Sie wurden jedoch daran erinnert, daß es sich um die Organisation Jehovas handelte, nicht um die eines Menschen. Zwischen dem Überrest der Geistgesalbten und den Angehörigen der großen Volksmenge anderer Schafe sollte es keine Trennung geben. Sie sollten wie Brüder und Schwestern im Dienst Jehovas zusammenarbeiten. Denn Jesus hatte gesagt: „Ich habe andere Schafe, die nicht aus dieser Hürde sind; auch diese muß ich bringen, und sie werden auf meine Stimme hören, und sie werden e i n e Herde werden unter e i n e m Hirten“ (Joh. 10:16). Diese Tatsache zeigte sich immer deutlicher.

In verhältnismäßig kurzer Zeit waren erstaunliche Entwicklungen in der Organisation vor sich gegangen. Mußte aber noch mehr geschehen, damit die Angelegenheiten der Versammlungen in vollem Einklang mit den Wegen Jehovas geregelt würden, wie sie aus seinem Wort zu erkennen sind?

Theokratische Organisation

„Theokratie“ bedeutet „Gottesherrschaft“. Zeugte die Leitung der Versammlungen von dieser Art Herrschaft? Beteten sie Jehova nicht nur an, sondern ließen sie sich auch in Versammlungsangelegenheiten von ihm leiten? Paßten sie sich völlig dem an, was er über diese Angelegenheiten in seinem inspirierten Wort sagte? In dem zweiteiligen Artikel „Organisation“, der in den Wachtturm-Ausgaben vom 1. und 15. Juli 1938 erschien, hieß es: „Jehovas Organisation ist in keiner Weise demokratisch. Jehova ist der Höchste, und seine Herrschaft oder Organisation ist streng theokratisch.“ Aber in den Ortsversammlungen der Zeugen Jehovas wurden damals die meisten derer, die die Zusammenkünfte und den Predigtdienst beaufsichtigten, immer noch auf demokratische Weise gewählt. Weitere Änderungen waren angebracht.

Ging aber nicht aus Apostelgeschichte 14:23 hervor, daß Älteste in den Versammlungen durch ‘Ausstrecken der Hand’ wie bei einer Wahl für ihr Amt bestimmt werden sollten? Im ersten der erwähnten Wachtturm-Artikel, betitelt „Organisation“, wurde zugegeben, daß man diesen Text in der Vergangenheit falsch verstanden hatte. Nicht durch das ‘Ausstrecken der Hand’ aller in der Versammlung wurden in der Christenversammlung des ersten Jahrhunderts Ernennungen vorgenommen, sondern die Apostel und die von ihnen Bevollmächtigten ‘streckten ihre Hände aus’. Das geschah nicht dadurch, daß sie an einer Abstimmung der Versammlung teilnahmen, sondern indem sie geeigneten Personen die Hände auflegten. Es war ein Symbol der Bestätigung, Anerkennung oder Ernennung. k Die frühen Christenversammlungen empfahlen mitunter geeignete Männer, aber die endgültige Ernennung oder Anerkennung erfolgte durch die Apostel, die von Christus unmittelbar dazu beauftragt worden waren, oder durch die von den Aposteln Bevollmächtigten (Apg. 6:1-6). Im Wachtturm wurde darauf hingewiesen, daß Paulus nur in Briefen an verantwortliche Aufseher (Timotheus und Titus) unter der Leitung des heiligen Geistes die Anweisung erteilte, Aufseher zu ernennen (1. Tim. 3:1-13; 5:22; Tit. 1:5). Derartige Anweisungen waren in keinem inspirierten Brief an die Versammlungen enthalten.

Wie sollten demnach von da an Ernennungen zum Dienst in den Versammlungen vorgenommen werden? In der Analyse der theokratischen Organisation im Wachtturm wurde, gestützt auf die Heilige Schrift, dargelegt, daß Jehova Jesus Christus als „Haupt ... der Versammlung“ eingesetzt habe; daß Christus, als er als Herr wiedergekommen sei, seinem „treuen und verständigen Sklaven“ Verantwortung für „seine ganze Habe“ übertragen habe; daß dieser treue und verständige Sklave aus allen bestehe, die auf der Erde mit heiligem Geist zu Miterben mit Christus gesalbt worden seien und vereint unter seiner Leitung dienten, und daß Christus diese Sklavenklasse als sein Werkzeug gebrauche, um für die nötige Aufsicht der Versammlungen zu sorgen (Kol. 1:18; Mat. 24:45-47; 28:18). Es sei die Aufgabe der Sklavenklasse, die in Gottes inspiriertem Wort deutlich niedergelegten Anweisungen gebetsvoll zu befolgen und so festzustellen, wer sich für Dienststellungen eigne.

Da es sich bei dem von Christus gebrauchten sichtbaren Werkzeug um den treuen und verständigen Sklaven handle (und dieser „Sklave“, wie die bereits behandelten Tatsachen aus der neuzeitlichen Geschichte zeigten, die Watch Tower Society als Rechtsinstrument gebrauchte), würde es die theokratische Verfahrensweise erfordern, daß Ernennungen zum Dienst durch dieses Werkzeug erfolgten. Die Versammlungen im ersten Jahrhundert erkannten die leitende Körperschaft in Jerusalem an, und auch heute würden die Versammlungen ohne zentrale Aufsicht nicht geistig gedeihen (Apg. 15:2-30; 16:4, 5).

Damit man die Dinge im richtigen Verhältnis zueinander sah, wurde darauf hingewiesen, daß jedesmal, wenn im Wachtturm von der „Gesellschaft“ die Rede war, kein reines Rechtsinstrument gemeint war, sondern die Gruppe gesalbter Christen, die diese rechtliche Körperschaft gegründet hatte und sich ihrer bediente. Der Ausdruck stand somit für den treuen und verständigen Sklaven mit seiner leitenden Körperschaft.

Als die Versammlungen in London, New York, Chicago und Los Angeles so sehr gewachsen waren, daß es ratsam war, sie in kleinere Gruppen zu teilen, baten diese Versammlungen die Gesellschaft bereits, bevor 1938 die Wachtturm-Artikel, betitelt „Organisation“, erschienen, alle ihre Diener zu ernennen. In der Wachtturm-Ausgabe vom 15. Juli 1938 wurden alle anderen Versammlungen eingeladen, ebenso vorzugehen. Zu diesem Zweck wurde vorgeschlagen, folgende Resolution zu fassen:

„Wir, die Gruppe des Volkes Gottes, das für seinen Namen herausgenommen ist und sich nun in ... befindet, anerkennen, daß Gottes Regierung eine reine Gottesherrschaft ist, daß Christus Jesus sich im Tempel befindet und den vollen Befehl und die volle Gewalt über die sichtbare Organisation Jehovas wie auch über die unsichtbare innehat und daß ‚DIE GESELLSCHAFT‘ der sichtbare Vertreter des Herrn auf Erden ist. Daher stellen wir das Gesuch, daß ‚Die Gesellschaft‘ unsere Gruppe für den Dienst organisiere und deren verschiedene Diener bestelle, damit wir alle in Frieden, Gerechtigkeit, Eintracht und vollständiger Einheit zusammenwirken können. Wir legen hier die Namenliste derjenigen Personen unserer Gruppe bei, die uns als gereifter und darum am geeignetsten scheinen, die betreffenden Dienstposten auszufüllen.“ l

Praktisch alle Versammlungen der Zeugen Jehovas nahmen diese Resolution an. Die wenigen, die es nicht taten, hatten bald keinen Anteil mehr am Verkündigen des Königreiches und waren somit keine Zeugen Jehovas mehr.

Der Nutzen der theokratischen Leitung

Es liegt auf der Hand, daß die Organisation bald ihre Identität und Einheit eingebüßt hätte, wenn man über Lehren und Verhaltensmaßstäbe sowie über organisatorische Verfahrensweisen und Methoden des Zeugnisgebens jeweils örtlich hätte entscheiden dürfen. Aufgrund sozialer, kultureller und nationaler Unterschiede hätte es unter den Brüdern durchaus zu Spaltungen kommen können. Die theokratische Leitung dagegen gewährleistete, daß allen Versammlungen weltweit der Nutzen des geistigen Fortschritts ungehindert zuteil wurde. So kam echte Einheit zustande, um die Jesus für seine wahren Nachfolger gebetet hatte, und das Werk des Evangelisierens, das er geboten hatte, konnte in vollem Umfang durchgeführt werden (Joh. 17:20-22).

Einige haben jedoch behauptet, J. F. Rutherford sei lediglich bemüht gewesen, durch diese organisatorische Veränderung größeren Einfluß auf die Zeugen auszuüben, und habe durch diesen Schritt seine Autorität geltend gemacht. War dem wirklich so? Bruder Rutherford war zweifellos ein Mann, der von seiner Sache fest überzeugt war. Er äußerte sich mit allem Nachdruck über das, was nach seiner Überzeugung die Wahrheit war, und machte dabei keine Zugeständnisse. Er konnte ziemlich barsch werden, wenn er in bestimmten Situationen feststellte, daß jemand mehr an sich selbst interessiert war als am Werk des Herrn. Aber vor Gott war er wirklich demütig. Karl Klein, der 1974 in die leitende Körperschaft berufen wurde, schrieb später: „Ich denke auch an Bruder Rutherfords Gebete, durch die er ... meine Zuneigung gewann. Er hatte zwar eine außerordentlich kraftvolle Stimme, doch wenn er sich im Gebet an Gott wandte, klangen seine Worte, als spräche ein kleiner Junge mit seinem Vater. Welch wunderbares Verhältnis zu Jehova dies offenbarte!“ Bruder Rutherford war von der Identität der sichtbaren Organisation Jehovas völlig überzeugt und wollte unbedingt sicherstellen, daß weder eine Einzelperson noch eine Gruppe die Brüder in den Versammlungen daran hindern konnte, aus der geistigen Speise und der Leitung, für die Jehova durch seine Diener sorgte, vollen Nutzen zu ziehen.

Bruder Rutherford diente zwar 25 Jahre als Präsident der Watch Tower Society und setzte all seine Kraft zur Förderung des Werkes der Organisation ein, aber er war nicht der Führer der Zeugen Jehovas und wollte es auch nicht sein. 1941, kurz vor seinem Tod, sprach er auf einem Kongreß in St. Louis (Missouri) über das Thema Führerschaft und sagte: „Ich möchte gern, daß alle Fremden hier erfahren, ob ihr einen Menschen für euren Führer haltet, so daß es ihnen unvergeßlich bleibt. Immer dann, wenn eine Bewegung aufkommt und wächst, ist von einem menschlichen Führer mit einer großen Gefolgschaft die Rede. Wenn es jemand unter den Anwesenden gibt, der denkt, ich — der Mann, der hier steht — sei der Führer der Zeugen Jehovas, dann sage er: ‚Ja.‘ “ Die Reaktion war eine eindrucksvolle Stille, die nur von einem nachdrücklichen „Nein“ einiger Zuhörer unterbrochen wurde. Der Redner fuhr fort: „Falls ihr hier der Ansicht seid, daß ich nur ein Diener des Herrn bin und wir Schulter an Schulter in Einheit zusammenarbeiten und Gott und Christus dienen, dann sagt bitte: ‚Ja.‘ “ Von den Zuhörern war ein einstimmiges und entschiedenes „Ja“ zu hören. Genauso reagierte im darauffolgenden Monat eine Zuhörerschaft in England.

In einigen Gegenden machten sich die Vorteile einer theokratischen Organisation schnell bemerkbar; andernorts dauerte es länger. Diejenigen, die sich nicht als reife, demütige Diener erwiesen, wurden schließlich entfernt, und andere wurden ernannt.

Jedenfalls wurden immer mehr theokratische Verfahrensweisen eingeführt, und Jehovas Zeugen freuten sich, das zu erleben, was in Jesaja 60:17 vorhergesagt worden war. Jehova schildert dort in sinnbildlichen Worten den verbesserten Zustand, der unter seinen Dienern herrschen würde, indem er sagt: „Statt des Kupfers werde ich Gold herbeibringen, und statt des Eisens werde ich Silber herbeibringen und statt des Holzes Kupfer und statt der Steine Eisen; und ich will den Frieden zu deinen Aufsehern einsetzen und die Gerechtigkeit zu deinen Arbeitszuteilern.“ Hier wird nicht beschrieben, was Menschen bewerkstelligen, sondern was Gott herbeiführt und welcher Nutzen sich für seine Diener ergäbe, wenn sie sich all dem unterordnen würden. Frieden sollte unter ihnen herrschen, und Liebe zur Gerechtigkeit sollte die Triebkraft ihres Dienstes sein.

Maud Yuille, die Frau des Zweigaufsehers in Brasilien, schrieb in einem Brief an Bruder Rutherford: „Die Artikel ‚Organisation‘ in den Wachttürmen vom 1. und 15. Juni [1938] drängen mich, Dir, dessen treuen Dienst Jehova gebraucht, in ein paar Worten zu schreiben, wie dankbar ich Jehova für die wunderbare Vorkehrung bin, die er für seine sichtbare Organisation getroffen hat, wie in den beiden Wachttürmen gezeigt wird. ... Welch eine Erleichterung, zu sehen, daß Schluß ist mit dem unabhängigen Schalten und Walten einschließlich der ‚Frauenrechte‘ und anderen unbiblischen Methoden, durch die einige Seelen der örtlich vorherrschenden Meinung und dem Urteil einzelner unterworfen wurden statt ... [Jehova Gott und Jesus Christus], wodurch Schmach auf den Namen Jehovas gekommen ist. Es stimmt zwar, erst ‚in jüngster Vergangenheit hat die Gesellschaft alle in der Organisation als „Diener“ bezeichnet‘, doch ich habe beobachtet, daß Du Dich schon viele Jahre lang in Deiner Korrespondenz mit Deinen Brüdern als ‚Euer Bruder und Diener durch Seine Gnade‘ bezeichnet hast.“

In bezug auf diese organisatorische Änderung berichtete der britische Zweig: „Es war recht erstaunlich, wie gut sie sich auswirkte. Die poetische und prophetische Beschreibung in Jesaja, Kapitel sechzig ist voller Schönheit, doch nicht übertrieben. Jeder, der in der Wahrheit war, sprach davon. Sie war das Hauptgesprächsthema. Man empfand eine allgemeine Belebung — die Bereitschaft, zielstrebig weiterzukämpfen. Während in der Welt die Spannungen zunahmen, war die Freude über die theokratische Herrschaft überströmend.“

Reisende Aufseher stärken die Versammlungen

Durch den Dienst reisender Aufseher wurden die organisatorischen Bande weiter gefestigt. Im ersten Jahrhundert leistete der Apostel Paulus darin hervorragende Arbeit. Bisweilen hatten auch Männer wie Barnabas, Timotheus und Titus daran teil (Apg. 15:36; Phil. 2:19, 20; Tit. 1:4, 5). Sie alle waren eifrige Evangeliumsverkündiger. Außerdem ermunterten sie die Versammlungen durch ihre Vorträge. Wenn Fragen auftauchten, die die Einheit der Versammlungen gefährden konnten, legte man sie der zentralen leitenden Körperschaft vor. Danach reisten die mit Verantwortung Betrauten „durch die Städte ... [und] überbrachten ... denen, die dort waren, die zu beachtenden Verordnungen, welche von den Aposteln und älteren Männern, die sich in Jerusalem befanden, beschlossen worden waren“. Was war das Ergebnis? „Die Versammlungen wurden ... im Glauben weiterhin befestigt und nahmen von Tag zu Tag an Zahl zu“ (Apg. 15:1 bis 16:5; 2. Kor. 11:28).

Bereits in den 1870er Jahren besuchte Bruder Russell die Bibelforschergruppen — Gruppen, die aus zwei, drei oder mehr Personen bestanden —, um sie im Glauben zu erbauen. In den 1880er Jahren machten auch einige andere Brüder solche Besuche. 1894 sorgte die Gesellschaft dafür, daß befähigte Redner die Bibelforscher regelmäßiger besuchten, um ihnen zu helfen, in der Erkenntnis und in der Wertschätzung für die Wahrheit zu wachsen, damit eine engere Verbindung unter ihnen hergestellt wurde.

Die Redner blieben möglichst einen oder vielleicht auch mehrere Tage bei der Gruppe, hielten einen oder zwei öffentliche Vorträge und besuchten dann kleinere Gruppen und Einzelpersonen, um mit ihnen einige tiefere Dinge des Wortes Gottes zu besprechen. Man war bemüht, daß jede Gruppe in den Vereinigten Staaten und in Kanada zweimal im Jahr besucht wurde, wenn auch gewöhnlich nicht von ein und demselben Bruder. Bei der Auswahl dieser reisenden Vortragsredner legte man Wert auf Sanftmut, Demut und ein klares Verständnis der Wahrheit sowie darauf, daß sie sich an die Wahrheit hielten und sie deutlich lehren konnten. Für ihren Dienst wurden sie selbstverständlich nicht bezahlt. Von den Brüdern am Ort erhielten sie lediglich Verpflegung und Unterkunft, und die Gesellschaft half ihnen nötigenfalls, die Reisekosten zu decken. Sie wurden als Pilgerbrüder bekannt.

Viele dieser reisenden Beauftragten der Gesellschaft wurden von den Brüdern, denen sie dienten, innig geliebt. A. H. Macmillan, ein Kanadier, ist als ein Pilgerbruder in Erinnerung geblieben, für den sich Gottes Wort „wie brennendes Feuer“ erwies (Jer. 20:9). Er mußte einfach darüber reden, und das tat er vor Zuhörerschaften in Kanada, in vielen Teilen der Vereinigten Staaten und noch weiteren Ländern. An William Hersee, einen anderen Pilgerbruder, erinnert man sich gern, weil er jungen Menschen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Von seinen Gebeten, die von tiefer Ergebenheit zeugten, waren Jung und Alt gleichermaßen beeindruckt.

Auf ihren Reisen hatten es die Pilgerbrüder damals nicht leicht. Edward Brenisen beispielsweise fuhr, um einer Gruppe in der Nähe von Klamath Falls (Oregon, USA) zu dienen, zuerst mit dem Zug, dann ging es in der Postkutsche die Nacht hindurch weiter, und auf dem letzten Stück des Weges zu einem Gehöft in den Bergen, wo die Zusammenkunft stattfinden sollte, wurde er auf einem vierrädrigen Holzwagen so durchgerüttelt, daß er alle Knochen spürte. Am Tag nach der Zusammenkunft stellte ihm ein Bruder in aller Frühe ein Pferd zur Verfügung, auf dem er etwa 100 Kilometer bis zur nächsten Eisenbahnstation ritt, damit er seinen nächsten Bestimmungsort erreichen konnte. Die Pilgerbrüder führten ein anstrengendes Leben, doch ihre Bemühungen zeitigten gute Ergebnisse. Jehovas Diener wurden gestärkt, im Verständnis des Wortes Gottes vereint und fühlten sich enger miteinander verbunden, obwohl sie weit verstreut lebten.

Ab 1926 führte Bruder Rutherford bei der Tätigkeit der Pilgerbrüder gewisse Neuerungen ein. Das hatte zur Folge, daß sie nicht lediglich reisende Vortragsredner waren, sondern reisende Aufseher, die den Predigtdienst der Versammlungen förderten. Um ihre neuen Verantwortlichkeiten zu betonen, nannte man sie 1928 Bezirksdienstleiter. Sie arbeiteten mit den Brüdern am Ort zusammen und unterwiesen sie persönlich im Predigtdienst. Damals war es ihnen in den Vereinigten Staaten und in einigen anderen Ländern möglich, jede Versammlung einmal im Jahr zu besuchen und auch mit Einzelpersonen und kleineren Gruppen, die noch nicht für den Dienst organisiert worden waren, die Verbindung aufrechtzuerhalten.

In den folgenden Jahren wurde die Tätigkeit der reisenden Aufseher mehrmals abgewandelt. a Größeren Nachdruck auf diese Tätigkeit legte man ab 1938, als alle Diener in den Versammlungen auf theokratische Weise ernannt wurden. In den ersten Jahren konnten die Versammlungen in regelmäßigen Abständen besucht werden, so daß es möglich war, jeden ernannten Diener persönlich zu schulen und allen vermehrt im Predigtdienst zu helfen. 1942 erhielten reisende Aufseher, bevor sie erneut zu den Versammlungen gesandt wurden, selbst eine intensive Schulung, was eine einheitlichere Tätigkeit zur Folge hatte. Ihre Besuche waren ziemlich kurz (ein bis drei Tage je nach Größe der Versammlung). In dieser Zeit überprüften sie die Versammlungsunterlagen, kamen mit allen Dienern zusammen, erteilten ihnen nötigen Rat, hielten ein oder zwei Vorträge in der Versammlung und übernahmen die Führung im Predigtdienst. 1946 wurden die Besuche auf eine Woche pro Versammlung ausgedehnt.

Diese Besuche in den Versammlungen wurden 1938 durch den Dienst des Bezirksdieners ergänzt, der eine neue Rolle übernahm. Er war in einem größeren Gebiet tätig und verbrachte regelmäßig eine Woche mit jedem Bruder, der in einer Zone (einem Kreis) reiste und dort die Versammlungen besuchte. Während seines Aufenthalts beteiligte sich der Bezirksdiener am Programm eines Kongresses, zu dem alle Versammlungen in dieser Zone zusammenkamen. b Diese Einrichtung spornte die Brüder sehr an und bot regelmäßig eine Gelegenheit, neue Jünger zu taufen.

„Jemand, der den Dienst liebt“

Zu denen, die 1936 diesen Dienst aufnahmen, gehörte John Booth, der 1974 in die leitende Körperschaft berufen wurde. Als man mit ihm über seinen künftigen Dienst als reisender Aufseher sprach, wurde ihm erklärt: „Wir benötigen keine redegewandten Sprecher, nur jemand, der den Dienst liebt und die Führung darin übernimmt und in den Zusammenkünften über den Dienst spricht.“ Bruder Booth hatte diese Liebe zum Dienst Jehovas durch seinen eifrigen Pionierdienst seit 1928 bewiesen, und er weckte durch sein Beispiel und seine Worte der Ermunterung bei anderen den Eifer zum Evangelisieren.

Die erste Versammlung, die er im März 1936 besuchte, war Easton (Pennsylvanien). Später schrieb er: „In der Regel traf ich an einem Ort rechtzeitig zum Predigtdienst am Morgen ein; am frühen Abend hatte ich dann eine Zusammenkunft mit den Dienern der Gruppe und danach eine weitere mit der ganzen Gruppe. Gewöhnlich verbrachte ich nur zwei Tage mit einer Gruppe und mit kleineren Gruppen nur einen Tag, so daß ich manchmal in einer Woche sechs Gruppen besuchte. Ich war ständig unterwegs.“

Zwei Jahre später, 1938, erhielt er die Aufgabe, sich als Bezirksdiener jede Woche einer Zonenversammlung (heute Kreiskongreß genannt) anzunehmen. Dadurch konnten die Brüder in einer Zeit, wo die Verfolgung in einigen Gegenden immer heftiger wurde, sehr gestärkt werden. Im Rückblick auf jene Zeit und seine verschiedenen Aufgaben sagte Bruder Booth: „In der gleichen Woche ... [in der ich Zeuge in einem Gerichtsfall war, bei dem es in Indianapolis (Indiana) um 60 Zeugen ging] war ich in einem anderen Fall in Joliet (Illinois) Angeklagter; in einem weiteren Fall in Madison (Indiana) war ich Bevollmächtigter für einen Bruder, und darüber hinaus war ich an jedem Wochenende für eine Zonenversammlung verantwortlich.“

Carey Barber wurde zwei Jahre nachdem die Zonenversammlungen (heute Kreiskongresse genannt) 1946 wieder stattfanden, zum Bezirksdiener ernannt. Er war bereits 25 Jahre ein Mitglied der Bethelfamilie in Brooklyn (New York) gewesen. Sein erster Bezirk schloß den gesamten Westen der Vereinigten Staaten ein. Anfangs mußte er jede Woche von einem Kongreß zum anderen etwa 1 600 Kilometer zurücklegen. Als die Versammlungen an Zahl und Größe zunahmen, schrumpften die Entfernungen, und nicht selten fanden in einer Großstadt mehrere Kreiskongresse statt. Nachdem Bruder Barber 29 Jahre Erfahrung als reisender Aufseher gesammelt hatte, wurde er 1977 eingeladen, als ein Mitglied der leitenden Körperschaft in die Weltzentrale zurückzukehren.

In Kriegszeiten und während heftiger Verfolgung setzten reisende Aufseher häufig ihre Freiheit und ihr Leben aufs Spiel, damit sie für das geistige Wohl ihrer Brüder sorgen konnten. Während der Besetzung Belgiens unter den Nationalsozialisten besuchte André Wozniak ununterbrochen die Versammlungen und half mit, sie mit Literatur zu versorgen. Die Gestapo war ihm zwar oftmals hart auf den Fersen, doch gelang es ihr nicht, ihn zu verhaften.

Ende der 70er Jahre lebten die Menschen in Rhodesien (heute Simbabwe) während einer Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen in großer Furcht. Die Reisemöglichkeiten waren stark eingeschränkt. Dennoch erwiesen sich reisende Aufseher der Zeugen Jehovas als liebevolle Hirten und Aufseher ihrer Brüder — „wie ein Bergungsort vor dem Wind“ (Jes. 32:2). Einige marschierten tagelang bergauf und bergab durch die Buschlandschaft, durchquerten gefährliche Flüsse und schliefen nachts im Freien — alles, um abgelegene Versammlungen und alleinstehende Verkündiger zu besuchen und sie zu ermuntern, im Glauben stark zu bleiben. Einer von ihnen war Isaiah Makore, der knapp mit dem Leben davonkam, als er in einen Feuerwechsel zwischen Regierungssoldaten und „Freiheitskämpfern“ geriet und die Kugeln über seinen Kopf hinwegpfiffen.

Andere reisende Aufseher haben der Organisation viele Jahre auf internationaler Ebene gedient. Die Präsidenten der Watch Tower Society sind häufig in andere Länder gereist, wo sie sich organisatorischer Bedürfnisse angenommen und auf Kongressen Ansprachen gehalten haben. Diese Besuche waren Jehovas Zeugen überall eine große Hilfe, sich ihrer internationalen Bruderschaft ständig bewußt zu sein. Besonders Bruder Knorr versah diesen Dienst regelmäßig und besuchte alle Zweigbüros und Missionarheime. Mit dem Anwachsen der Organisation teilte man die Erde in zehn Zonen ein, und ab 1. Januar 1956 halfen befähigte Brüder unter der Leitung des Präsidenten bei diesem Dienst mit, so daß er regelmäßig durchgeführt werden konnte. Diese Zonenbesuche, die heute unter der Leitung des Dienstkomitees der leitenden Körperschaft erfolgen, sind weiterhin für die weltweite Einheit und den Fortschritt der gesamten Organisation förderlich.

Noch andere bedeutsame Entwicklungen haben zur gegenwärtigen organisatorischen Struktur beigetragen.

Weiter theokratisch ausgerichtet

Am 8. Januar 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, starb Joseph F. Rutherford, und Nathan H. Knorr wurde der dritte Präsident der Watch Tower Society. In vielen Ländern stand die Organisation unter großem Druck, entweder durch Verbote ihres Werkes, durch Pöbelangriffe unter dem Deckmantel des Patriotismus oder durch Verhaftungen von Zeugen, die in ihrem Predigtdienst biblische Schriften verbreitet hatten. Würde in einer so kritischen Zeit ein Wechsel in der Leitung das Werk beeinträchtigen? Die verantwortlichen Brüder baten Jehova um seine Führung und seinen Segen. Diesem Wunsch nach göttlicher Leitung entsprechend überprüften sie erneut die organisatorische Struktur, um zu ermitteln, wo eine noch größere Anpassung an die Wege Jehovas möglich wäre.

1944 fand in Pittsburgh (Pennsylvanien) anläßlich der Jahresversammlung der Watch Tower Society eine Dienstversammlung statt. Vor jener Jahresversammlung wurde am 30. September in einer Reihe höchst bedeutsamer Vorträge gezeigt, was die Bibel über die Organisation der Diener Jehovas zu sagen hat. c Das Hauptaugenmerk galt der leitenden Körperschaft. Damals wurde betont, daß das theokratische Prinzip auf alle Einrichtungen angewandt werden muß, deren sich die Klasse des treuen und verständigen Sklaven bedient. Nicht alle vom „geweihten“ Volk Gottes gehörten, wie es hieß, zur gesetzlich eingetragenen Körperschaft. Diese vertrete sie lediglich, indem sie als ihr rechtliches Werkzeug handle. Da die Gesellschaft als Verlag für Jehovas Zeugen aber Literatur beschaffte, die geistiges Licht enthielt, war die leitende Körperschaft logischer- und notwendigerweise eng mit den geschäftsführenden und den anderen Vorstandsmitgliedern dieser rechtlichen Körperschaft verbunden. Wurden in allen ihren Angelegenheiten uneingeschränkt theokratische Grundsätze angewandt?

Die Statuten der Gesellschaft sahen die Ausgabe von Anteilscheinen vor. Mit einem Gesamtbetrag von 10 Dollar war ein Einzahler berechtigt, bei der Wahl der Vorstandsmitglieder und der Geschäftsführung der Gesellschaft eine Stimme abzugeben. Einige dachten vielleicht, solche Einzahlungen zeugten von aufrichtigem Interesse an dem Werk der Organisation. Diese Regelung bereitete jedoch Probleme. Bruder Knorr, der Präsident der Gesellschaft, erklärte: „Nach den Bestimmungen in den Statuten der Gesellschaft hätte es den Anschein, die Zugehörigkeit zur leitenden Körperschaft hinge von den Einzahlungen an die rechtliche Körperschaft ab. Das dürfte aber gemäß dem Willen Gottes unter seinem wahren auserwählten Volk nicht der Fall sein.“

Charles Taze Russell, der in den ersten 32 Jahren seit Gründung der Gesellschaft eine führende Rolle in der leitenden Körperschaft spielte, unterstützte die Gesellschaft in finanzieller, physischer und geistiger Hinsicht am meisten. Aber dafür, daß ihn der Herr gebrauchte, war kein finanzieller Beitrag ausschlaggebend. Seine uneingeschränkte Hingabe, sein unermüdlicher Eifer, seine kompromißlose Stellungnahme für Gottes Königreich sowie seine unverbrüchliche Loyalität und Treue kennzeichneten ihn in Gottes Augen für den Dienst als brauchbar. In bezug auf die theokratische Organisation gilt die Regel: „Gott [hat] die Glieder am Leib gesetzt, jedes von ihnen so, wie es ihm gefallen hat“ (1. Kor. 12:18). „Da jedoch die Statuten der Gesellschaft“, wie Bruder Knorr sagte, „vorsahen, Anteilscheine mit Stimmrecht an Personen auszugeben, die für das Werk der Gesellschaft Geld beisteuerten, verdunkelten sie eher dieses theokratische Prinzip in bezug auf die leitende Körperschaft, ja tasteten es sogar an und brachten für sie auch eine gewisse Gefährdung mit sich oder konnten ihr Hindernisse in den Weg legen.“

Am 2. Oktober 1944 wurde daher auf der Geschäftsversammlung aller stimmberechtigten Anteilseigner der Gesellschaft einstimmig beschlossen, die Statuten zu revidieren und sie enger an theokratische Grundsätze anzulehnen. Die Mitgliederzahl sollte nicht mehr unbegrenzt sein, sondern zwischen 300 und 500 betragen, und es sollte sich nur um Männer handeln, die vom Vorstand ausgewählt würden, nicht aufgrund finanzieller Beiträge, sondern weil sie reife, eifrige, treue Zeugen Jehovas waren, die ihre ganze Zeit im Werk der Organisation einsetzten oder eifrig in ihrer Versammlung dienten. Diese Mitglieder sollten den Vorstand wählen, und der Vorstand würde dann die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder bestimmen. Die neue Regelung trat im darauffolgenden Jahr, am 1. Oktober 1945, in Kraft. Das war bestimmt ein großer Schutz in einer Zeit, in der Firmen häufig durch die Manipulation geschäftlicher Vorgänge von feindlichen Elementen beherrscht und schließlich so umstrukturiert wurden, daß sie deren Zielen dienten.

Diese Schritte zur Anpassung an theokratische Grundsätze wurden offensichtlich von Jehova gesegnet. Obwohl die Organisation im Zweiten Weltkrieg außergewöhnlichem Druck ausgesetzt war, stieg die Zahl der Königreichsverkündiger ständig. Tatkräftig legten Jehovas Zeugen ununterbrochen Zeugnis von Gottes Königreich ab. Von 1939 bis 1946 erlebten sie eine erstaunliche Zunahme um 157 Prozent und dehnten das Predigtwerk auf sechs weitere Länder aus. In den folgenden 25 Jahren stieg die Zahl der eifrigen Zeugen noch um nahezu 800 Prozent, und aus 86 weiteren Ländern und Inselgebieten berichteten sie regelmäßig über ihre Tätigkeit.

Spezielle Schulung der Aufseher

Manche Beobachter waren der Ansicht, es sei unumgänglich, daß die Organisation bei zunehmender Größe ihre Maßstäbe lockere. Die Bibel hatte dagegen vorausgesagt, daß unter Jehovas Dienern Frieden und Gerechtigkeit herrschen würden (Jes. 60:17). Das erforderte eine gewissenhafte und fortlaufende Schulung verantwortlicher Aufseher, gestützt auf Gottes Wort, sowie ein deutliches Verständnis seiner Rechtsmaßstäbe und ihre konsequente Anwendung. Für diese Schulung wurde gesorgt. Der Wachtturm bot fortlaufend die Möglichkeit, sich eingehend mit Gottes gerechten Anforderungen zu befassen. Dieser Stoff wurde von allen Versammlungen der Zeugen Jehovas auf der ganzen Erde systematisch studiert. Doch Aufseher der Herde empfingen darüber hinaus noch viel zusätzliche Unterweisung.

Anläßlich internationaler Kongresse wurden Aufseher, die in der Zweigorganisation der Gesellschaft eine führende Stellung einnahmen, zu einer besonderen Schulung zusammengerufen. Von 1961 bis 1965 veranstaltete man in New York speziell für sie acht- bis zehnmonatige Schulungskurse. Von 1977 bis 1980 fanden wiederum spezielle fünfwöchige Schulungskurse für sie statt. Diese Schulung schloß Vers-für-Vers-Betrachtungen aller Bibelbücher ein, und es wurden organisatorische Einzelheiten und Möglichkeiten erörtert, das Predigen der guten Botschaft zu fördern. Unter Jehovas Zeugen gibt es keine nationalen Schranken. Ganz gleich, wo sie leben, sie halten sich an dieselben hohen biblischen Maßstäbe und glauben und lehren ein und dasselbe.

Auch Kreis- und Bezirksaufseher wurden besonders geschult. Viele von ihnen haben die Wachtturm-Bibelschule Gilead oder eine ihrer Außenstellen besucht. Regelmäßig werden sie in die Zweigbüros der Gesellschaft oder an andere geeignete Orte zu mehrtägigen oder einwöchigen Seminaren eingeladen.

Im Jahre 1959 wurde eine andere hervorragende Einrichtung geschaffen, nämlich die Königreichsdienstschule, zu der Kreis- und Bezirksaufseher sowie Versammlungsaufseher eingeladen wurden. Anfangs dauerte der Kurs einen ganzen Monat. Nachdem er in den Vereinigten Staaten ein Jahr lang durchgeführt worden war, wurde der Stoff in andere Sprachen übersetzt und nach und nach auf der ganzen Erde verwendet. Da es nicht allen Aufsehern möglich war, einen ganzen Monat von ihrer Arbeitsstelle freizubekommen, wurde 1966 ein zweiwöchiger Kurs eingeführt.

Bei dieser Schule handelte es sich nicht um ein Theologieseminar, in dem Männer als Vorbereitung auf die Ordination ausgebildet wurden. Die Teilnehmer des Kurses waren bereits ordinierte Diener Gottes. Viele von ihnen hatten schon jahrzehntelang als Aufseher und Hirten der Herde gedient. Der Studienkurs bot ihnen Gelegenheit, sich eingehend mit den für ihre Arbeit geltenden Anweisungen aus Gottes Wort zu befassen. Großer Nachdruck wurde auf den Predigtdienst gelegt und darauf, wie man ihn wirkungsvoll gestaltet. Wegen der sich wandelnden sittlichen Normen in der Welt wurde auch viel Zeit darauf verwendet, die Wahrung der biblischen Sittenmaßstäbe zu erörtern. In letzter Zeit ist man dazu übergegangen, alle zwei oder drei Jahre Seminare zu veranstalten, und reisende Aufseher führen mehrmals im Jahr hilfreiche Zusammenkünfte mit den Versammlungsältesten durch. So kann den jeweiligen Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diese Zusammenkünfte helfen mit, ein Abweichen von biblischen Maßstäben zu verhindern, und tragen dazu bei, daß in bestimmten Situationen in allen Versammlungen einheitlich vorgegangen wird.

Jehovas Zeugen nehmen sich die Worte aus 1. Korinther 1:10 zu Herzen: „Nun ermahne ich euch, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß ihr alle übereinstimmend redet und daß keine Spaltungen unter euch seien, sondern daß ihr in demselben Sinn und in demselben Gedankengang fest vereint sein mögt.“ Diese Übereinstimmung ist nicht erzwungen. Sie ergibt sich aus der Erziehung in Gottes Wegen, die in der Bibel aufgezeichnet sind. Jehovas Zeugen freuen sich über Gottes Wege und seinen Vorsatz. Wem es nicht mehr gefällt, nach biblischen Maßstäben zu leben, dem steht es frei, die Organisation zu verlassen. Wenn aber jemand anfängt, andere Glaubensansichten zu predigen oder die biblischen Sittenmaßstäbe zu mißachten, dann treten die Aufseher in Aktion, um die Herde zu schützen. Die Organisation hält sich an den biblischen Rat: „[Behaltet] die im Auge ..., die Spaltungen hervorrufen und Ursachen zum Straucheln geben entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie“ (Röm. 16:17; 1. Kor. 5:9-13).

Wie in der Bibel vorhergesagt worden ist, würde Gott unter seinen Dienern für genau diesen Zustand sorgen, für einen Zustand, in dem Gerechtigkeit herrscht und friedsame Früchte hervorgebracht werden (Jes. 32:1, 2, 17, 18). Solche Verhältnisse sprechen Menschen, die das Rechte lieben, besonders an.

Wie viele solch gerechtigkeitsliebende Menschen werden vor dem Ende des alten Systems eingesammelt werden? Das wissen Jehovas Zeugen nicht. Aber Jehova weiß, was für sein Werk benötigt wird, und er sorgt zu seiner Zeit und auf seine Weise dafür, so daß seine Organisation dazu ausgerüstet ist.

Vorbereitung auf explosionsartiges Wachstum

Bei den Nachforschungen unter der Aufsicht der leitenden Körperschaft für die Zusammenstellung des Nachschlagewerks Hilfe zum Verständnis der Bibel wurde man erneut darauf aufmerksam, wie die Christenversammlung des ersten Jahrhunderts organisiert war. Man studierte sorgfältig biblische Begriffe wie „älterer Mann“, „Aufseher“ und „Diener Gottes“. Konnte sich die neuzeitliche Organisation der Zeugen Jehovas noch enger an das Vorbild halten, das in der Bibel als Richtschnur überliefert worden war?

Jehovas Diener waren entschlossen, sich weiterhin der Führung Gottes zu unterstellen. Auf Kongressen des Jahres 1971 wurde die Aufmerksamkeit auf die Leitung der frühen Christenversammlung gelenkt. Wie erklärt wurde, beschränkte sich die Bezeichnung presbýteros (älterer Mann, Ältester) nach biblischem Gebrauch nicht auf ältere Personen, sie bezog sich aber auch nicht auf alle geistig Reifen in der Versammlung. Sie wurde besonders als offizielle Bezeichnung für Versammlungsaufseher gebraucht (Apg. 11:30; 1. Tim. 5:17; 1. Pet. 5:1-3). Diese gelangten in ihre Stellung, indem man sie im Einklang mit den Erfordernissen ernannte, die in die inspirierten Schriften aufgenommen wurden (Apg. 14:23; 1. Tim. 3:1-7; Tit. 1:5-9). Wenn genügend befähigte Männer da waren, gab es in einer Versammlung mehrere Älteste (Apg. 20:17; Phil. 1:1). Sie bildeten die „Körperschaft der älteren Männer“, die alle das gleiche Amt innehatten; keiner von ihnen war der Prominenteste oder Einflußreichste in der Versammlung (1. Tim. 4:14). Zur Unterstützung der Ältesten gab es im Einklang mit den vom Apostel Paulus erwähnten Erfordernissen, wie erklärt wurde, auch ernannte „Dienstamtgehilfen“ (1. Tim. 3:8-10, 12, 13).

Unverzüglich wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, die Organisation dem biblischen Muster besser anzugleichen. Man begann bei der leitenden Körperschaft selbst. Ihre Mitgliederzahl wurde über die sieben hinaus erhöht, die bereits in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglieder der Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania als leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas gedient hatten. Man setzte für die leitende Körperschaft keine bestimmte Mitgliederzahl fest. 1971 waren es 11; mehrere Jahre lang gab es sogar 18; 1992 waren es 12. Bei ihnen allen handelt es sich um Männer, die von Gott zu Miterben mit Jesus Christus gesalbt worden sind. Die 12, die 1992 als Mitglieder der leitenden Körperschaft dienten, hatten damals insgesamt 728 Jahre als Diener Jehovas im Vollzeitdienst verbracht.

Am 6. September 1971 wurde beschlossen, daß der Vorsitz bei den Zusammenkünften der leitenden Körperschaft jährlich wechseln sollte, und zwar gemäß der alphabetischen Reihenfolge der Namen ihrer Mitglieder. Diese Regelung trat am 1. Oktober in Kraft. Die Mitglieder der leitenden Körperschaft wechselten sich auch wöchentlich im Vorsitz bei der morgendlichen Anbetung und beim Wachtturm-Studium der Mitarbeiter der Zentrale ab. d Damit begann man am 13. September 1971, als Frederick W. Franz das Programm der morgendlichen Anbetung in der Zentrale der Gesellschaft in Brooklyn (New York) leitete.

Im Jahr darauf wurden Änderungen in der Aufsicht der Versammlungen vorbereitet. Es sollte nicht nur e i n e n Versammlungsdiener geben, der von einer bestimmten Anzahl anderer Diener unterstützt würde. Männer, die die biblischen Erfordernisse erfüllten, sollten eingesetzt werden, als Älteste zu dienen. Andere, die die biblischen Erfordernisse erfüllten, sollten als Dienstamtgehilfen ernannt werden. Das eröffnete mehreren die Möglichkeit, sich der Verantwortlichkeiten in der Versammlung anzunehmen und so wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Kein Zeuge Jehovas hätte sich damals träumen lassen, daß in den folgenden 21 Jahren die Zahl der Versammlungen um 156 Prozent ansteigen würde, nämlich auf insgesamt 69 558 im Jahre 1992. Aber der Herr Jesus Christus, das Haupt der Versammlung, traf offensichtlich Vorbereitungen für das, was noch kommen sollte.

In den 70er Jahren wurde eine weitere Reorganisation der leitenden Körperschaft sorgfältig erwogen. Seit Gründung der Watch Tower Society (1884) stand die Herausgabe von Literatur, die Beaufsichtigung des weltweiten Evangelisierungswerkes, die Einrichtung von Schulen und die Veranstaltung von Kongressen unter der Leitung des Büros des Präsidenten der Watch Tower Bible and Tract Society. Doch nach monatelanger sorgfältiger Prüfung und eingehenden Besprechungen stimmte man am 4. Dezember 1975 einmütig einer neuen Regelung zu. Man bildete sechs Komitees der leitenden Körperschaft.

Das Komitee des Vorsitzenden (bestehend aus dem gerade amtierenden, dem vorherigen und dem nächsten Vorsitzenden der leitenden Körperschaft) erhält Berichte über besondere Notfälle, Katastrophen und Verfolgungskampagnen und sorgt dafür, daß sich die leitende Körperschaft unverzüglich dieser Angelegenheiten annimmt. Das Schreibkomitee beaufsichtigt die Herstellung der geistigen Speise in gedruckter Form sowie als Audio- und Videoaufzeichnungen für Jehovas Zeugen und zum Verbreiten in der Öffentlichkeit, und es beaufsichtigt außerdem die Übersetzung in Hunderte von Sprachen. Das Lehrkomitee hat die Verantwortung, die Schulen und kleineren Kongresse, Bezirkskongresse und internationalen Kongresse der Zeugen Jehovas zu beaufsichtigen sowie die Unterweisung der Bethelfamilie und die Zusammenstellung des für diese Zwecke vorgesehenen Stoffes. Das Dienstkomitee beaufsichtigt alle Gebiete des Evangelisierungswerkes, wie zum Beispiel die Tätigkeit der Versammlungen und der reisenden Aufseher. Der Druck, die Herausgabe und der Versand der Literatur werden vom Verlagskomitee beaufsichtigt; dieses Komitee ist somit für die Druckereien zuständig sowie für die Rechts- und Geschäftsangelegenheiten. Und das Personalkomitee beaufsichtigt die Vorkehrungen, die zur persönlichen und geistigen Betreuung der Mitglieder der Bethelfamilien getroffen werden, und es ist verantwortlich dafür, weitere zum Dienst als Mitglieder der Bethelfamilien einzuladen, die es auf der ganzen Erde gibt.

Weitere Komitees haben die Aufgabe, bei der Beaufsichtigung der mit der Weltzentrale verbundenen Druckereien, Bethelheime und Farmen mitzuhelfen. Bei diesen Komitees bedient sich die leitende Körperschaft uneingeschränkt der Fähigkeiten von Angehörigen der „großen Volksmenge“ (Offb. 7:9, 15).

Änderungen erfolgten auch in der Aufsicht über die Zweigbüros der Gesellschaft. Seit 1. Februar 1976 wird jeder Zweig von einem Zweigkomitee beaufsichtigt, das je nach den Bedürfnissen und der Größe des Zweiges aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Diese nehmen sich unter der Leitung der leitenden Körperschaft des Königreichswerkes in ihrem Gebiet an.

Im Jahre 1992 wurde dafür gesorgt, daß die leitende Körperschaft zusätzlichen Beistand erhielt, indem mehrere Gehilfen, die hauptsächlich aus den Reihen der großen Volksmenge kommen, beauftragt wurden, den Zusammenkünften des Schreib-, Lehr-, Dienst-, Verlags- und Personalkomitees beizuwohnen und sich an ihrer Arbeit zu beteiligen. e

Die Verteilung der Verantwortung hat sich als sehr nützlich erwiesen. Sie hat zusammen mit den bereits erfolgten Änderungen in den Versammlungen dazu beigetragen, alles zu beseitigen, was jemand daran hindern könnte, zu erkennen, daß Christus das Haupt der Versammlung ist. Es hat sich als äußerst vorteilhaft erwiesen, daß sich mehrere Brüder über Angelegenheiten beraten, die das Königreichswerk berühren. Durch diese Reorganisation ist es auch möglich gewesen, in den vielen Gebieten während einer Zeit wahrhaft explosionsartigen Wachstums der Organisation die dringend benötigte Aufsicht auszuüben. Vor langem hatte Jehova durch den Propheten Jesaja vorausgesagt: „Der Kleine selbst wird zu einem Tausend werden und der Geringe zu einer mächtigen Nation. Ich selbst, Jehova, werde es beschleunigen zu seiner eigenen Zeit“ (Jes. 60:22). Er hat es nicht nur beschleunigt, sondern auch für die nötige Leitung gesorgt, damit sich seine sichtbare Organisation dieser Mehrung annehmen konnte.

Jehovas Zeugen sind in erster Linie an dem Werk interessiert, das Jehova ihnen für die letzten Tage der alten Welt aufgetragen hat, und sie sind gut organisiert, es zu verrichten. Für sie gibt es unmißverständliche Beweise dafür, daß es sich bei der Organisation nicht um eine menschliche, sondern um Gottes Organisation handelt und daß sie von Gottes Sohn, Jesus Christus, geleitet wird. Als herrschender König wird Jesus seine treuen Untertanen in der bevorstehenden großen Drangsal bewahren und dafür sorgen, daß sie wirkungsvoll organisiert sind, damit sie im kommenden Millennium den Willen Gottes ausführen können.

[Fußnoten]

a 1894 sorgte Bruder Russell dafür, daß Zion’s Watch Tower Tract Society befähigte Brüder als Redner aussandte. Sie erhielten unterschriebene Bescheinigungen, mit denen sie sich den örtlichen Gruppen vorstellen konnten. Diese Bescheinigungen verliehen ihnen weder die Autorität, zu predigen, noch bedeuteten sie, daß die Äußerungen des Betreffenden ohne entsprechende Prüfung im Lichte des Wortes Gottes zu akzeptieren waren. Da jedoch einige Personen den Zweck der Bescheinigungen mißverstanden, ließ Bruder Russell sie innerhalb eines Jahres wieder einziehen. Er vermied gewissenhaft alles, was Beobachter auch nur entfernt an eine Geistlichenklasse erinnert hätte.

b Zions Wacht-Turm von Oktober/November 1881 (engl.), Seite 8, 9.

c Zuweilen bezeichnete man die örtlichen Gruppen als „Kirchen“, was der Ausdrucksweise in der King-James-Bibel entsprach. In Anlehnung an den im griechischen Text der Bibel gebrauchten Ausdruck nannte man sie auch „Ekklesias“. Die Bezeichnung „Klassen“ oder „Bibelklassen“ war ebenfalls gebräuchlich, da es sich praktisch um Gruppen von Studierenden handelte, die regelmäßig zum Studium zusammenkamen. Wie ihre spätere im englischen Sprachraum gebräuchliche Bezeichnung „Company“ (Kompanie) erkennen ließ, war ihnen bewußt, daß sie in einem geistigen Kriegszug standen. (Siehe Psalm 68:11, KJ, Randbemerkung.) Nach der Herausgabe der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift im Jahre 1950 in Englisch wurde in den meisten Ländern allgemein der neuzeitliche biblische Ausdruck „Versammlung“ gebraucht.

d Buchstäblich bedeutet das im griechischen Text der Bibel gebrauchte Wort (cheirotonéō) „die Hand ausstrecken“ und im erweiterten Sinne auch „durch Aufheben der Hand abstimmen, erwählen“, und zwar „für bestimmte Ämter u. Aufgaben“ (W. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch, 3. Auflage, 1954; W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6. Auflage, 1988).

e Näheres ist in Kapitel 25 zu finden („Öffentlich und von Haus zu Haus predigen“).

f Über den Dienstleiter sollte ab 1919 wöchentlich der Predigtdienst aller mit der Versammlung oder Klasse Verbundenen der Gesellschaft berichtet werden.

g Wie in dem Faltblatt Organization Method erklärt wurde, sollte damals jede Versammlung einen stellvertretenden Dienstleiter und einen Lagerverwalter wählen. Diese bildeten zusammen mit dem von der Gesellschaft ernannten Dienstleiter das örtliche Dienstkomitee.

h Der Wacht-Turm, September 1920, Seite 138—142.

i Zum Dienstkomitee gehörten damals bis zu zehn Männer. Einer war der Dienstleiter, der nicht am Ort gewählt, sondern von der Gesellschaft ernannt worden war. Die anderen arbeiteten beim Organisieren und bei der Durchführung des Zeugniswerkes mit ihm zusammen.

j Ab 1932 bezeichnete man sie mehrere Jahre lang als Jonadabe.

k Wenn für das griechische Verb cheirotonéō nur die Bedeutung ‘durch Ausstrecken der Hand wählen’ angegeben wird, läßt man eine spätere Bedeutung des Wortes außer acht. In dem Werk A Greek-English Lexicon von Liddell und Scott, herausgegeben von Jones und McKenzie (Neuauflage 1968), wird folgende Bedeutung des Wortes genannt: „... die Hand ausstrecken zu dem Zweck, seine Stimme in der Versammlung abzugeben ... II. in Verbindung mit einer Person als Akkusativobjekt: wählen, richtigerweise durch Zeigen der Hände ... b. später, im allgemeinen, ernennen ... innerhalb der Kirche in ein Amt einsetzen, [presbyterous] Apostelgeschichte 14:23.“ Dieser spätere Gebrauch war in den Tagen der Apostel üblich; Josephus, der jüdische Historiker des ersten Jahrhunderts, verwendet den Ausdruck in diesem Sinne in seinem Werk Jüdische Altertümer, Buch VI, Kapitel 4, Absatz 2 und Kapitel 13, Absatz 9. Der grammatische Aufbau von Apostelgeschichte 14:23 in der griechischen Ursprache zeigt an sich schon, daß Paulus und Barnabas die beschriebene Handlung ausführten.

l Später in jenem Jahr, 1938, wurden die Organisations-Anweisungen als 4seitiges Faltblatt mit weiteren Erläuterungen herausgegeben. Darin hieß es, die Ortsversammlung solle ein Komitee einsetzen, das an ihrer Stelle handlungsberechtigt sei. Dieses Komitee sollte die Brüder im Lichte der in der Heiligen Schrift festgesetzten Anforderungen betrachten und der Gesellschaft Empfehlungen unterbreiten. Als reisende Beauftragte der Gesellschaft die Versammlungen besuchten, überprüften sie, ob die Brüder am Ort befähigt waren und treu ihre Aufgaben erfüllten. Ihre Empfehlungen wurden von der Gesellschaft bei den Ernennungen ebenfalls berücksichtigt.

a Von 1894 bis 1927 bezeichnete man die von der Gesellschaft ausgesandten reisenden Vortragsredner zunächst als Beauftragte der Watch Tower Tract Society, dann als Pilgerbrüder. Als von 1928 bis 1936 vermehrt Nachdruck auf den Predigtdienst gelegt wurde, nannte man sie Bezirksdienstleiter. Um ihr richtiges Verhältnis zu den Brüdern am Ort zu betonen, erhielten sie im Juli 1936 die Bezeichnung Bezirksdiener. In den Jahren 1938 bis 1941 wurden Zonendiener beauftragt, mit einer begrenzten Anzahl Versammlungen in einem gewissen Turnus zusammenzuarbeiten, so daß sie in regelmäßigen Abständen dieselben Gruppen wieder besuchten. Nach einer etwa einjährigen Unterbrechung wurde dieser Dienst 1942 wiederbelebt, und zwar mit den Dienern für die Brüder. Diese nannte man 1948 Kreisdiener, heute heißen sie Kreisaufseher.

Von 1938 bis 1941 dienten Bezirksdiener in einer neuen Rolle regelmäßig auf regionalen Kongressen, zu denen Zeugen aus einem bestimmten Gebiet (einer Zone) zusammenkamen und bei denen ein besonderes Programm geboten wurde. Als diese Tätigkeit 1946 wiederbelebt wurde, bezeichnete man diese reisenden Aufseher als Bezirksdiener, heute heißen sie Bezirksaufseher.

b Diese Regelung trat am 1. Oktober 1938 in Kraft. In den Kriegsjahren wurde es immer schwieriger, Kongresse zu veranstalten. Daher veranstaltete man ab Ende 1941 keine „Zonenversammlungen“ mehr. Die Einrichtung wurde jedoch 1946 durch die sogenannten Kreisversammlungen (Kreiskongresse) wiederbelebt, zu denen jeweils mehrere Versammlungen zusammenkamen, um besondere Unterweisung zu empfangen.

c Das Wesentliche dieser Vorträge ist in der Wachtturm-Ausgabe vom Oktober 1945 (engl.: 15. Oktober und 1. November 1944) zu finden.

d Später wählten sie weitere Mitglieder der Bethelfamilie dazu aus, sich ebenfalls dieser Aufgaben anzunehmen.

e Der Wachtturm, 15. April 1992, Seite 7—17, 31.

[Herausgestellter Text auf Seite 204]

Eine Geistlichenklasse hatte unter ihnen keinen Platz

[Herausgestellter Text auf Seite 205]

Kein Versuch, eine „irdische Organisation“ zu gründen

[Herausgestellter Text auf Seite 206]

Wie wurden Älteste gewählt?

[Herausgestellter Text auf Seite 212]

Ein von der Gesellschaft ernannter Dienstleiter

[Herausgestellter Text auf Seite 213]

Einige Älteste wollten keinen Außenstehenden predigen

[Herausgestellter Text auf Seite 214]

Es lichteten sich zwar die Reihen, doch die Organisation wurde gestärkt

[Herausgestellter Text auf Seite 218]

Wie sollten Ernennungen vorgenommen werden?

[Herausgestellter Text auf Seite 220]

War Rutherford lediglich bemüht, größeren Einfluß auszuüben?

[Herausgestellter Text auf Seite 222]

Die Verbindung zu Gruppen, die aus zwei, drei oder mehr Personen bestanden, wurde aufrechterhalten

[Herausgestellter Text auf Seite 223]

Neue Aufgaben für reisende Aufseher

[Herausgestellter Text auf Seite 234]

Eine erweiterte leitende Körperschaft mit einem turnusgemäß wechselnden Vorsitzenden

[Herausgestellter Text auf Seite 235]

Die nötige Aufsicht in einer Zeit explosionsartigen Wachstums

[Kasten auf Seite 207]

Warum die Änderung?

Als C. T. Russell gefragt wurde, warum er seine Ansicht über die Wahl der Ältesten in den verschiedenen Gruppen des Volkes des Herrn geändert habe, antwortete er wie folgt:

„Zuallererst möchte ich versichern, daß ich niemals Unfehlbarkeit beansprucht habe. ... Wir leugnen nicht ab, daß wir in der Erkenntnis wachsen und den Willen des Herrn in bezug auf die Ältesten oder Leiter in den kleinen Gruppen seines Volkes heute in etwas anderem Licht sehen. Unser Fehler war, zuviel von den lieben Brüdern zu erwarten, die, nachdem sie früh in die Wahrheit gekommen waren, ganz automatisch die Leiter dieser kleinen Gruppen wurden. Unsere zu optimistische Idealvorstellung von ihnen lief darauf hinaus, daß die Erkenntnis der Wahrheit sie äußerst demütig stimmen und ihnen helfen würde, ihre eigene Bedeutungslosigkeit zu erkennen und sich in allem, was sie wußten und anderen vermitteln konnten, als ein von Gott benutztes Sprachrohr zu verstehen. Wir hatten den Idealfall angenommen, daß sie im wahrsten Sinne des Wortes Vorbilder für die Herde wären und daß — falls durch des Herrn Vorsehung ein oder mehr Brüder in die kleine Gruppe kämen, die ebenso befähigt oder noch befähigter wären, die Wahrheit darzulegen — der Geist der Liebe sie anleiten würde, einander Ehre zu erweisen und auf diese Weise sich gegenseitig beizustehen und einander anzuspornen, sich am Dienst der Kirche, des Leibes Christi, zu beteiligen.

Mit diesem Gedanken im Sinn schlußfolgerten wir, daß es sich aufgrund des für heute vorgesehenen und von des Herrn geweihtem Volk geschätzten größeren Maßes an Gnade und Wahrheit erübrigt, der von den Aposteln aufgezeigten Methode der Urkirche zu folgen. Unser Fehler bestand darin, nicht zu erkennen, daß die von den Aposteln unter göttlicher Aufsicht umrissenen Vorkehrungen all dem weit überlegen waren, was andere formulieren konnten, und daß die ganze Kirche die von den Aposteln eingeführten Verordnungen so lange benötigt, bis wir alle durch die Umwandlung in der Auferstehung vollkommen gemacht worden sind und uns unmittelbar in Gemeinschaft mit dem Herrn befinden.

Unser Fehler wurde uns allmählich bewußt, als wir unter lieben Brüdern einen gewissen Konkurrenzgeist feststellten und sich bei vielen der Wunsch zeigte, an der Leitung der Zusammenkünfte als an einem Amt statt einem Dienst festzuhalten und andere Brüder mit den gleichen natürlichen Fähigkeiten und derselben Erkenntnis der Wahrheit und Geschicklichkeit, das Schwert des Geistes zu schwingen, davon auszuschließen und daran zu hindern, Führungseigenschaften zu entwickeln“ („Zions Wacht-Turm“, 15. März 1906, engl., S. 90).

[Kasten/Bilder auf Seite 208, 209]

Gebäude, die die Gesellschaft vor etwa 100 Jahren im Raum Pittsburgh benutzte

Das Bibelhaus, das hier zu sehen ist, diente 19 Jahre als Hauptbüro — von 1890 bis 1909 f

Hier betrieb Bruder Russell seine Studien

Mitglieder der Familie des Bibelhauses, die 1902 hier dienten

In dem Gebäude befanden sich die Setzerei (oben rechts), eine Versandabteilung (unten rechts), ein Literaturlager, Wohnräume für die Mitarbeiter sowie ein Versammlungssaal für etwa 300 Personen

[Fußnote]

f Im Jahre 1879 befand sich die Zentrale in der Fifth Avenue 101, Pittsburgh (Pennsylvanien). Die Büros wurden 1884 nach Allegheny (ein nördlicher Stadtteil von Pittsburgh) in die Federal Street 44 verlegt und später in demselben Jahr in die Federal Street 40 (1887 als Robinson Street 151 bezeichnet). Als mehr Platz benötigt wurde, ließ Bruder Russell 1889 in der Arch Street 56-60 in Allegheny das Bibelhaus (links) bauen. (Später wurde es umnumeriert in Arch Street 610-614.) Für eine kurze Zeit — 1918/19 — war die Zentrale dann wieder im 3. Stock der Federal Street 119 in Pittsburgh.

[Kasten auf Seite 211]

Wessen Werk ist es?

Gegen Ende seines irdischen Lebens schrieb Charles Taze Russell: „Zu oft vergißt Gottes Volk, daß der Herr als Haupt selbst seinem Werk vorsteht. Zu oft denkt man: Wir verrichten ein Werk und machen Gott zum Mitarbeiter in unserem Werk. Wir sollten in dieser Sache zu der richtigen Ansicht gelangen und erfassen, daß sich Gott ein großes Werk vorgenommen hat und es ausführt; daß es völlig unabhängig von uns und unseren Anstrengungen erfolgreich getan wird; daß Gottes Volk das großartige Vorrecht gewährt worden ist, mit seinem Erschaffer zusammenzuarbeiten, während er seine Pläne, Vorsätze und Verheißungen auf seine Weise verwirklicht. Wenn wir die Angelegenheit von diesem Standpunkt aus betrachten, sollten sich unsere Gebete und Beobachtungen darum drehen, den Willen des Herrn zu erkennen und zu tun, zufrieden mit jeglicher Rolle, die uns übertragen wird, denn geleitet werden wir von unserem Gott. Die Watch Tower Bible and Tract Society ist bestrebt, sich an diese Ordnung zu halten“ („Der Wacht-Turm“, 1. Mai 1915, engl.).

[Kasten/Bild auf Seite 215]

V.-D.-M.-Fragen

Die Buchstaben V. D. M. stehen für die lateinischen Wörter „Verbi Dei Minister“ oder Diener des Wortes Gottes.

1916 stellte die Gesellschaft einen Fragebogen zu biblischen Themen zusammen. Alle, die die Gesellschaft als Vortragsredner vertreten sollten, wurden gebeten, jede Frage schriftlich zu beantworten. Dadurch war es der Gesellschaft möglich, herauszufinden, wie die Brüder dachten und empfanden und wie es um ihr Verständnis grundlegender biblischer Wahrheiten stand. Die schriftlichen Antworten wurden von einem Prüfungsausschuß im Büro der Gesellschaft sorgfältig durchgesehen. Wer als befähigter Redner anerkannt wurde, mußte mindestens 85 Prozent der Fragen richtig beantwortet haben.

Später baten viele Älteste, Diakone und andere Bibelforscher um einen Fragebogen. Schließlich stellte man fest, daß es nützlich wäre, wenn die Bibelklassen als ihre Vertreter nur Personen auswählten, die sich als befähigte V. D. M. erwiesen.

Wenn die Gesellschaft jemandem die Bezeichnung „Diener des Wortes Gottes“ verlieh, hieß das nicht, daß sie den Betreffenden ordinierte. Es besagte lediglich, daß sich der Prüfungsausschuß im Büro der Gesellschaft sowohl über sein Verständnis der biblischen Lehren als auch in vernünftigem Maße über seinen Ruf informiert hatte und zu dem Schluß gekommen war, daß der Betreffende würdig war, ein Diener des Wortes Gottes genannt zu werden.

Die V.-D.-M.-Fragen lauteten wie folgt:

1. Was war die erste schöpferische Tätigkeit Gottes?

2. Was bedeutet das Wort „Logos“ in Verbindung mit dem Sohne Gottes, und was bezeichnen die Worte Vater und Sohn?

3. Wann und wie kam die Sünde in die Welt?

4. Welches ist die göttliche Strafe der Sünde für die Sünder, und wer sind die Sünder?

5. Warum war es nötig, daß der „Logos“ Fleisch ward, und war er eine „Inkarnation“?

6. Welche Natur hatte der Mensch Christus Jesus von seiner Kindheit an bis zu seinem Tode?

7. Welche Natur hat Jesus seit seiner Auferstehung, und welches ist sein Amt bei Jehova?

8. Welches ist das Werk Jesu während des Evangelium-Zeitalters, während der Zeit von Pfingsten bis jetzt?

9. Was ist bis jetzt für die Welt von seiten Jehovas Gottes und was von seiten Jesu geschehen?

10. Welches ist der göttliche Vorsatz hinsichtlich der Kirche, wenn sie vollendet ist?

11. Welches ist der göttliche Vorsatz hinsichtlich der Welt?

12. Was wird mit den schließlich Unverbesserlichen geschehen?

13. Welches wird die Belohnung oder Segnung für die Welt für Gehorsam im Königreiche des Messias sein?

14. Durch welche Schritte kann ein Sünder zu Christo und zu dem himmlischen Vater gelangen?

15. Welchen Weg schreibt das Wort Gottes einem Christen vor, der die Zeugung aus dem Heiligen Geiste empfangen hat?

16. Hast Du Dich von der Sünde abgewandt, um dem lebendigen Gott zu dienen?

17. Hast Du Dein Leben, all Deine Kräfte und Talente dem Herrn und seinem Dienste geweiht?

18. Hast Du diese Weihung durch die Wassertaufe symbolisiert?

19. Hast Du das Gelübde der Heiligkeit des Lebens von der Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher auf Dich genommen?

20. Hast Du die sechs Bände Schriftstudien vollständig und sorgfältig gelesen?

21. Hast Du dadurch viel Erleuchtung und Nutzen empfangen?

22. Glaubst Du, so viel und gründliche Kenntnis der Bibel zu haben, daß sie Dich während des Restes Deines Lebens mehr geeignet macht, ein Diener Gottes zu sein, als es vorher sein konnte?

[Kasten/Bilder auf Seite 216, 217]

Gebäude aus der Anfangszeit in Brooklyn

Bethelheim

Columbia Heights 122-124

Speisesaal im Bethelheim

„Tabernacle“

Büros, Literaturlager, Versandabteilung, Setzereieinrichtung und ein Versammlungssaal mit 800 Sitzplätzen — all das befand sich hier in der Hicks Street 17 (von 1909 bis 1918)

Der Versammlungssaal

Druckereien aus der Anfangszeit

Mitglieder der Bethelfamilie, die 1920 in der Druckerei in der Myrtle Avenue arbeiteten (rechts)

Myrtle Avenue 35 (1920 bis 1922)

Concord Street 18 (1922—1927)

Adams Street 117 (seit 1927)

[Kasten/Bilder auf Seite 224, 225]

Reisende Aufseher — Einige von Tausenden

Kanada, 1905—1933

England, 1920—1932

Finnland, 1921 bis 1926, 1947 bis 1970

Vereinigte Staaten, 1907—1915

Reisen von einer Versammlung zur anderen

Grönland

Venezuela

Lesotho

Mexiko

Peru

Sierra Leone

Bewegliche Unterkünfte in Namibia

Beteiligung am Predigtdienst mit ortsansässigen Zeugen in Japan

Bei einer Ältestenbesprechung in Deutschland

Pionieren auf Hawaii wird praktischer Rat erteilt

Unterweisung einer Versammlung in Frankreich

[Kasten/Bild auf Seite 229]

Die ersten rechtlichen Körperschaften

Zion’s Watch Tower Tract Society. Gegründet 1881 und gesetzlich eingetragen am 15. Dezember 1884 im Staat Pennsylvanien. 1896 wurde ihr Name auf Watch Tower Bible and Tract Society abgeändert. Seit 1955 ist sie als Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania bekannt.

Peoples Pulpit Association. Gegründet 1909 in Verbindung mit der Verlegung des Hauptsitzes der Gesellschaft nach Brooklyn (New York). 1939 wurde der Name auf Watchtower Bible and Tract Society, Inc. abgeändert. Seit 1956 ist sie als Watchtower Bible and Tract Society of New York, Inc. bekannt.

International Bible Students Association. Eingetragen am 30. Juni 1914 in London (England).

Jehovas Zeugen haben in vielen Gemeinwesen und Ländern weitere Körperschaften gegründet, um gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Sie sind jedoch nicht in nationale oder regionale Organisationen unterteilt, sondern bilden eine geeinte weltweite Bruderschaft.

[Kasten auf Seite 234]

Wie die Urchristengemeinde

In der religiösen Publikation „Interpretation“ hieß es im Juli 1956: „In ihrer Organisation und ihrem Zeugniswerk kommen sie [Jehovas Zeugen] der Urchristengemeinde so nahe wie keine andere Gruppe. ... Wenige Gruppen machen in ihren Botschaften so ausgiebig Gebrauch von der Bibel wie sie, und zwar in Wort und Schrift.“

[Bild auf Seite 210]

Zum Zweck einer umfassenderen Aufsicht wurden Zweigbüros gegründet. Das erste befand sich in diesem Gebäude in London (England).

[Bild auf Seite 221]

J. F. Rutherford 1941; die Zeugen wußten, daß er nicht ihr Führer war

[Bild auf Seite 226]

John Booth, reisender Aufseher in den USA von 1936 bis 1941

[Bild auf Seite 227]

Carey Barber, dessen Bezirk einen großen Teil der Vereinigten Staaten einschloß

[Bild auf Seite 228]

Bruder Knorr besuchte regelmäßig jeden Zweig und jedes Missionarheim

[Bild auf Seite 230]

Aufseher, die in der Zweigorganisation der Gesellschaft eine führende Stellung einnahmen, wurden zu besonderen Schulungen zusammengerufen (New York, 1958)

[Bilder auf Seite 231]

In der Königreichsdienstschule wird Aufsehern auf der ganzen Erde wertvolle Unterweisung erteilt

Die Königreichsdienstschule in einem Flüchtlingslager in Thailand 1978; auf den Philippinen 1966 (oben links)

[Bilder auf Seite 232]

Ständig wurden Organisationsanweisungen herausgegeben (zunächst in Englisch, dann in anderen Sprachen), um die Tätigkeit der Zeugen zu koordinieren und alle über die Vorkehrungen zu unterrichten, die als Hilfe für ihren Predigtdienst getroffen wurden