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‘Zuerst das Königreich suchen’

‘Zuerst das Königreich suchen’

Kapitel 18

‘Zuerst das Königreich suchen’

DAS Hauptthema der Bibel ist die Heiligung des Namens Jehovas durch das Königreich. Jesus Christus lehrte seine Nachfolger, zuerst das Königreich zu suchen und es anderen Interessen im Leben voranzustellen. Warum?

Wie im Wachtturm wiederholt erklärt worden ist, ist Jehova als Schöpfer der universelle Souverän. Er verdient es, daß ihm seine Geschöpfe die höchste Achtung erweisen (Offb. 4:11). Doch sehr früh in der Menschheitsgeschichte focht ein Geistsohn Gottes, der sich selbst zu Satan, dem Teufel, machte, die Souveränität Jehovas auf herausfordernde Weise an (1. Mo. 3:1-5). Außerdem unterstellte er allen, die Jehova dienten, selbstsüchtige Motive (Hiob 1:9-11; 2:4, 5; Offb. 12:10). So wurde der Frieden im Universum gestört.

Jehova hat dafür gesorgt, wie in den Wachtturm-Publikationen bereits seit Jahrzehnten gezeigt wird, daß die aufgeworfenen Streitfragen so geklärt werden, daß nicht nur seine Allmacht gepriesen wird, sondern auch seine große Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe. Dabei spielt das messianische Königreich Gottes eine wesentliche Rolle. Es gibt den Menschen reichlich Gelegenheit, die Wege der Gerechtigkeit kennenzulernen. Durch dieses Königreich werden die Bösen vernichtet, wird Jehovas Souveränität gerechtfertigt und sein Vorsatz verwirklicht, auf der Erde ein Paradies zu schaffen, das mit Menschen bevölkert ist, die Gott und auch einander wirklich lieben und mit Leben in Vollkommenheit gesegnet werden.

Wegen der Bedeutung des Königreiches gebot Jesus seinen Nachfolgern: „So fahrt denn fort, zuerst das Königreich ... zu suchen“ (Mat. 6:10, 33). Jehovas Zeugen haben in der Neuzeit zahlreiche Beweise dafür geliefert, daß sie diesem Gebot nachkommen.

Um des Königreiches willen alles aufgegeben

Schon früh befaßten sich die Bibelforscher mit der Frage, was es heißt, zuerst das Königreich zu suchen. Sie untersuchten Jesu Gleichnis, in dem er das Königreich mit einer Perle verglich, die von so hohem Wert war, daß ein Mann ‘sogleich alles verkaufte, was er hatte, und sie kaufte’ (Mat. 13:45, 46). Auch dachten sie über die Bedeutung der an einen reichen jungen Vorsteher gerichteten Worte Jesu nach, er solle alles verkaufen, den Erlös an die Armen verteilen und ihm nachfolgen (Mar. 10:17-30). a Sie erkannten, daß sie, wenn sie sich als würdig erweisen wollten, an Gottes Königreich teilzuhaben, dieses an die erste Stelle setzen mußten, indem sie ihr Leben, ihre Fähigkeiten und ihre Mittel gern in den Dienst des Königreiches stellten. Alles andere mußte in ihrem Leben zweitrangig sein.

Charles Taze Russell handelte im Einklang damit. Er verkaufte sein florierendes Herrenkonfektionsgeschäft, baute allmählich andere Geschäftsinteressen ab und gebrauchte dann alle seine irdischen Besitztümer, um Menschen in geistiger Hinsicht zu helfen. (Vergleiche Matthäus 6:19-21.) Das tat er nicht nur ein paar Jahre. Bis zu seinem Tod setzte er alle seine Güter — seine geistigen Fähigkeiten, seine Gesundheit und seine Besitztümer — dafür ein, die großartige Botschaft vom messianischen Königreich zu verkündigen. Bei Russells Bestattung sagte Joseph F. Rutherford, einer seiner Gefährten: „Charles Taze Russell war Gott treu, er war Christus Jesus treu und treu der Sache des messianischen Königreiches.“

Im April 1881 (als erst wenige hundert Personen die Zusammenkünfte der Bibelforscher besuchten) erschien in Englisch ein Wacht-Turm-Artikel, betitelt „1 000 Prediger gesucht“. Unter anderem wurden Männer und Frauen, die keine von ihnen abhängigen Familienangehörigen hatten, eingeladen, als Kolporteurverkündiger tätig zu sein. In der Sprache des Gleichnisses Jesu aus Matthäus 20:1-16 stellte der Wacht-Turm die Frage: „Wer hat den brennenden Wunsch, hinzugehen und im Weinberg zu arbeiten, und hat darum gebetet, daß der Herr die Möglichkeit dazu eröffne?“ Wer wenigstens die Hälfte seiner Zeit ausschließlich dem Werk des Herrn widmen konnte, wurde ermuntert, sich zu bewerben. Zion’s Watch Tower Tract Society versorgte die frühen Kolporteure mit biblischer Literatur, die sie verbreiten konnten. Um ihnen zu helfen, Reisekosten, Nahrung, Kleidung und Obdach zu bestreiten, setzte man einen bescheidenen Beitrag fest, der für die Literatur erbeten werden durfte, und bot den Kolporteuren an, einen Teil des Geldes zu behalten. Wer machte sich diese Vorkehrungen zunutze und nahm den Kolporteurdienst auf?

Im Jahre 1885 arbeiteten rund 300 Kolporteure mit der Gesellschaft zusammen. 1914 wurde schließlich die Zahl von 1 000 überschritten. Es war keine leichte Tätigkeit. Ein Kolporteur, der in vier kleineren Ortschaften Hausbesuche gemacht und dabei nur drei oder vier Personen angetroffen hatte, die mehr oder weniger Interesse zeigten, schrieb: „Ich muß sagen, daß ich mich ziemlich einsam gefühlt habe, nachdem ich so weit gereist war, so viele angetroffen hatte, aber auf so wenig Interesse an Gottes Plan und Kirche gestoßen war. Unterstütze mich bitte durch Deine Gebete, damit ich die Wahrheit richtig und furchtlos darlege und im Gutestun nicht müde werde.“

Sie boten sich willig dar

Jene Kolporteure waren Wegbereiter im wahrsten Sinne des Wortes. Sie drangen in die unzugänglichsten Winkel des Landes vor, und das zu einer Zeit, als die Beförderungsmittel noch sehr primitiv waren und die meisten Straßen einem ausgefahrenen Feldweg glichen. Schwester Early aus Neuseeland war ein solcher Wegbereiter. Sie hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Vollzeitdienst begonnen und bis 1943 — ihr Todesjahr — 34 Jahre in diesem Dienst verbracht. Einen Großteil des Landes bearbeitete sie mit dem Fahrrad. Und als sie an einer schweren Gelenkentzündung litt und nicht mehr radfahren konnte, benutzte sie das Fahrrad als Bücherträger und um sich darauf zu stützen, wenn sie im Geschäftsviertel von Christchurch tätig war. Sie konnte zwar Treppen steigen, mußte sie aber wegen ihrer Behinderung rückwärts hinuntergehen. Doch solange sie noch etwas Kraft hatte, setzte sie sie im Dienst Jehovas ein.

Diese Kolporteure nahmen ihre Tätigkeit nicht deshalb auf, weil sie recht selbstbewußt gewesen wären. Einige waren von Natur aus sehr schüchtern, aber sie liebten Jehova. Eine Schwester bat jedesmal, bevor sie im Geschäftsviertel tätig war, alle Bibelforscher in ihrer Gegend, für sie zu beten. Als sie im Laufe der Zeit Erfahrungen gesammelt hatte, war sie von dieser Tätigkeit sehr begeistert.

Malinda Keefer unterhielt sich 1907 mit Bruder Russell über ihren Wunsch, den Vollzeitdienst aufzunehmen, und meinte, sie müsse zuerst mehr Erkenntnis erlangen. Tatsächlich war sie erst im Jahr zuvor auf die Literatur der Bibelforscher gestoßen. Bruder Russell sagte: „Wenn du warten willst, bis du alles weißt, dann wirst du nie damit beginnen; gehst du aber voran, so wirst du immer mehr lernen.“ Sie hielt sich nicht zurück und begann in Ohio in den Vereinigten Staaten unverzüglich mit ihrem Dienst. Oft kam ihr Psalm 110:3 in den Sinn: „Dein Volk wird sich willig darbieten.“ Die nächsten 76 Jahre tat sie genau das. b Als sie begann, war sie ledig. 15 Jahre diente sie als Verheiratete. Und als ihr Mann starb, gab sie mit der Hilfe Jehovas nicht auf. Rückblickend sagte sie: „Wie dankbar bin ich, daß ich mich als junges Mädchen willig als Pionier zur Verfügung gestellt und den Königreichsinteressen stets den ersten Platz eingeräumt habe!“

In der Anfangszeit fanden bei allgemeinen Hauptversammlungen oft besondere Zusammenkünfte mit den Kolporteuren statt. Man beantwortete Fragen, neuere Kolporteure wurden geschult, und alle wurden ermuntert.

Von 1919 an gab es viele Diener Jehovas, die Gottes Königreich so hoch einschätzten, daß sie es wirklich zum Mittelpunkt ihres Lebens machten. Einige konnten ihre weltliche Beschäftigung aufgeben und sich uneingeschränkt dem Predigtdienst widmen.

Für materielle Bedürfnisse gesorgt

Wie sorgten sie für ihre materiellen Bedürfnisse? Anna Petersen (später Rømer), eine Vollzeitverkündigerin der guten Botschaft in Dänemark, erinnerte sich: „Die Literaturabgabe war uns eine Hilfe, die täglichen Ausgaben zu bestreiten, und wir hatten keine großen Bedürfnisse. Wenn größere Ausgaben entstanden, wurden sie immer auf irgendeine Weise gedeckt. Die Schwestern gaben uns gewöhnlich Kleidung — Kleider oder Mäntel, die wir sofort tragen konnten. So waren wir immer gut gekleidet. Manchmal nahm ich in Wintermonaten Arbeit in einem Büro an. ... Dadurch, daß ich einkaufte, wenn die Preise herabgesetzt waren, konnte ich mich immer für ein ganzes Jahr mit Kleidung eindecken. Es ging alles gut. Wir kannten keine Not.“ Materielle Dinge waren für sie Nebensache. Ihre Liebe zu Jehova und seinen Wegen brannte in ihnen wie ein Feuer; sie mußten einfach darüber reden.

Als Unterkunft konnten sie gewöhnlich ein bescheidenes Zimmer mieten, wenn sie in einer Gegend bei den Menschen vorsprachen. Einige hatten einen Wohnwagen — nichts besonders Komfortables, sondern nur eine Stätte zum Schlafen und Essen. Andere schliefen unterwegs in Zelten. An einigen Orten richteten Brüder „Pionierlager“ ein. Manchmal stellten Zeugen in einem Gebiet eine Wohnung zur Verfügung und übertrugen jemandem die Aufsicht. Die Pioniere, die in der betreffenden Gegend tätig waren, hatten so eine Unterkunft und bestritten gemeinsam die Kosten.

Bei jenen Vollzeitdienern kam es nicht vor, daß schafähnliche Menschen, die kein Geld hatten, deshalb keine Literatur bekommen konnten. Oft tauschten die Pioniere Erzeugnisse dafür ein wie Kartoffeln, Butter, Eier, frisches und eingemachtes Obst, Hühnchen, Seife und beinahe alles, was es sonst noch gab. Sie wurden dadurch zwar nicht reich, doch sie konnten aufrichtigen Menschen helfen, die Königreichsbotschaft kennenzulernen, und gleichzeitig erhielten sie das zum Leben Notwendige, so daß sie ihren Predigtdienst fortsetzen konnten. Sie vertrauten auf Jesu Zusicherung, daß ihnen, wenn sie fortfahren würden, „zuerst das Königreich und SEINE Gerechtigkeit zu suchen“, die nötige Nahrung und Bedeckung hinzugefügt würden (Mat. 6:33).

Bereit, dort zu dienen, wo Hilfe benötigt wurde

Der aufrichtige Wunsch, das Werk zu verrichten, das Jesus seinen Jüngern aufgetragen hatte, führte die Vollzeitdiener in neue Gebiete, ja sogar in neue Länder. Als Frank Rice 1931 gebeten wurde, Australien zu verlassen und auf Java (heute ein Teil Indonesiens) mit dem Predigen der guten Botschaft zu beginnen, hatte er schon zehn Jahre Erfahrung im Vollzeitdienst gesammelt. Doch nun galt es für ihn, sich neuen Bräuchen anzupassen und neue Sprachen zu lernen. Auf englisch konnte er einigen Leuten in den Geschäften und Büros Zeugnis geben, aber er wollte ja auch anderen predigen. Er lernte also fleißig und konnte nach drei Monaten genug Niederländisch, um von Haus zu Haus gehen zu können. Dann lernte er Malaysisch.

Frank war erst 26 Jahre, als er nach Java ging, und in den sechs Jahren, die er dort und auf Sumatra verbrachte, arbeitete er zumeist allein. (Ende 1931 kamen Clem Deschamp und Bill Hunter aus Australien, um bei der Arbeit mitzuhelfen. Die beiden unternahmen gemeinsam eine Predigttour ins Landesinnere, während Frank in der Hauptstadt von Java und ihrer Umgebung arbeitete. Später wurden Clem und Bill ebenfalls in unterschiedliche Gegenden gesandt.) Es gab keine Versammlungszusammenkünfte, die Frank besuchen konnte. Bisweilen fühlte er sich sehr einsam, und er kämpfte wiederholt mit dem Gedanken, aufzugeben und nach Australien zurückzukehren. Aber er machte weiter. Was half ihm dabei? Die geistige Speise aus dem Wachtturm stärkte ihn. 1937 trat er eine Zuteilung in Indochina an, wo er während der Ausschreitungen nach dem Zweiten Weltkrieg nur mit knapper Not mit dem Leben davonkam. Seine Bereitschaft zu dienen zeigte er auch noch in den 70er Jahren, als er schriftlich seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß seine ganze Familie Jehova diente, und mitteilte, daß er und seine Frau sich erneut darauf vorbereiteten, an einen Ort in Australien zu ziehen, wo Hilfe benötigt wurde.

‘Mit ihrem ganzen Herzen auf Jehova vertraut’

Claude Goodman war entschlossen, ‘mit seinem ganzen Herzen auf Jehova zu vertrauen und sich nicht auf seinen eigenen Verstand zu stützen’. Statt ein Geschäft zu gründen, entschied er sich für den Kolporteurdienst als christlicher Evangeliumsverkündiger (Spr. 3:5, 6). Zusammen mit Ronald Tippin, mit dessen Hilfe er die Wahrheit kennengelernt hatte, diente er über ein Jahr als Kolporteur in England. 1929 erklärten sich dann beide bereit, nach Indien zu gehen. c Da stand ihnen eine schwierige Aufgabe bevor!

In den darauffolgenden Jahren waren sie nicht nur zu Fuß unterwegs, im Personenzug und im Bus, sondern auch im Güterzug, auf Ochsenkarren, auf Kamelen, in Rikschas, im Sampan und sogar mit dem Flugzeug und in einem Privatzug. Mitunter breiteten sie ihr Bettzeug in Wartesälen aus, in einem Viehstall, auf Dschungelgras oder auf einem Hüttenboden aus Kuhmist; aber sie schliefen auch in Luxushotels und im Palast eines Radschas. Wie der Apostel Paulus lernten sie das Geheimnis kennen, zufrieden zu sein, ganz gleich, ob sie Mangel oder Überfluß hatten (Phil. 4:12, 13). Gewöhnlich hatten sie sehr wenig, was materiell wertvoll war, doch mangelte es ihnen niemals an dem, was sie wirklich benötigten. Sie erlebten persönlich die Erfüllung der Zusage Jesu, daß für die lebensnotwendigen Dinge gesorgt wäre, wenn sie zuerst das Königreich und Gottes Gerechtigkeit suchten.

Sie hatten schwere Denguefieberanfälle, erkrankten an Malaria und Typhus, doch andere Zeugen kümmerten sich liebevoll um sie. Sie verrichteten ihren Dienst in schmutzigen Städten wie Kalkutta und gaben auf den Teeplantagen in den Bergen Ceylons (heute Sri Lanka) Zeugnis. Um die geistigen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, boten sie Literatur an, spielten Schallplatten in den einheimischen Sprachen vor und hielten Vorträge. Als das Werk zunahm, lernte Claude, eine Druckmaschine zu bedienen und Arbeiten zu verrichten, die in den Zweigbüros der Gesellschaft anfallen.

Im 87. Lebensjahr konnte er auf ein erfahrungsreiches Leben im Dienst Jehovas in England, Indien, Pakistan, auf Ceylon, in Birma (heute Myanmar), Malaya, Thailand und Australien zurückblicken. Nicht nur als junger Mann, sondern auch als Ehemann und Vater gab er dem Königreich in seinem Leben stets den Vorrang. Weniger als zwei Jahre nach seiner Taufe hatte er den Vollzeitdienst aufgenommen, und er betrachtete ihn als seine Laufbahn auf Lebenszeit.

Gottes Kraft in Schwachheit vollkommen gemacht

Auch Ben Brickell gehörte zu jenen eifrigen Zeugen. Er hatte dieselben Bedürfnisse und gesundheitlichen Probleme wie alle anderen Menschen, aber einen herausragenden Glauben. 1930 begann er in Neuseeland mit dem Kolporteurdienst und gab in Gebieten Zeugnis, die jahrzehntelang nicht wieder bearbeitet wurden. Zwei Jahre danach unternahm er in Australien eine fünfmonatige Predigtreise durch Wüstengebiet, wo noch nie Zeugnis gegeben worden war. Sein Fahrrad war mit Decken, Kleidung, Nahrung und gebundenen Büchern, die zum Verbreiten bestimmt waren, schwer beladen. Obwohl andere auf dem Weg durch dieses Gebiet umgekommen waren, machte er sich im Vertrauen auf Jehova auf die Reise. Anschließend diente er in Malaysia, wo sich bei ihm ernste Herzbeschwerden einstellten. Doch er gab nicht auf. Nach einer gewissen Erholungszeit setzte er den Vollzeitpredigtdienst in Australien fort. Etwa zehn Jahre später mußte er wegen eines schweren Leidens ins Krankenhaus, und bei seiner Entlassung sagte man ihm, er sei „zu 85 Prozent arbeitsunfähig“. Er konnte nicht einmal einkaufen gehen, ohne sich zwischendurch auszuruhen.

Aber Ben Brickell war fest entschlossen weiterzumachen, und das tat er, wobei er sich immer wieder ausruhte, wenn es nötig war. Schon bald gab er wieder im rauhen Innern Australiens Zeugnis. Er sorgte, so gut er konnte, für seine Gesundheit, doch der Dienst Jehovas war für ihn bis zu seinem Tod, 30 Jahre später, im Alter von etwa 65 Jahren, das Wichtigste in seinem Leben. d Er wußte, daß das, woran es ihm zufolge seiner Schwäche mangelte, durch die Kraft Jehovas ausgeglichen werden konnte. Bei einem Kongreß 1969 in Melbourne diente er am Pioniertisch und trug an seinem Revers ein großes Abzeichen mit der Aufschrift: „Wenn du etwas über den Pionierdienst wissen möchtest, frage mich“. (Vergleiche 2. Korinther 12:7-10.)

Dschungeldörfer und Bergwerkssiedlungen im Gebirge erreicht

Eifer für den Dienst Jehovas bewog nicht nur Männer, sondern auch Frauen, unberührte Gebiete zu bearbeiten. Die zierliche Freida Johnson, die zu den Gesalbten gehörte, war bereits über 50, als sie ganz allein Teile Mittelamerikas zu Pferd bearbeitete, wie zum Beispiel die honduranische Nordküste. Es erforderte Glauben, in diesem Gebiet allein tätig zu sein und die verstreuten Bananenplantagen aufzusuchen oder die Städte La Ceiba, Tela und Trujillo oder die noch weiter entfernten einsamen Karibendörfer. Dort gab sie 1930/31 Zeugnis, dann wieder 1934 und in den Jahren 1940/41. Sie verbreitete Tausende von Veröffentlichungen, die die biblische Wahrheit enthielten.

In jenen Jahren begann eine andere eifrige Erntearbeiterin ihre Laufbahn im Vollzeitdienst, nämlich Käthe Palm, die in Deutschland geboren war. Durch den Besuch des Kongresses in Columbus (Ohio) 1931, auf dem die Bibelforscher den Namen Jehovas Zeugen angenommen hatten, war sie zur Tat angespornt worden. Damals hatte sie sich entschlossen, zuerst das Königreich zu suchen, was sie 1992 im Alter von 89 Jahren immer noch tat.

Mit dem Pionierdienst begann sie in New York. In Süddakota hatte sie später einige Monate lang eine Partnerin, setzte aber dann ihren Dienst allein fort und legte die Wege zu Pferd zurück. Als sie eingeladen wurde, in Kolumbien zu dienen, war sie sofort dazu bereit und traf dort Ende 1934 ein. Wieder hatte sie eine Zeitlang eine Partnerin. Als sie erneut allein war, dachte sie nicht etwa daran aufzugeben.

Ein Ehepaar aus Chile lud sie ein, sich ihnen dort anzuschließen. Es war wiederum ein riesiges Gebiet — das Land erstreckt sich an der Westküste des südamerikanischen Kontinents über 4 265 Kilometer. Nachdem sie in den Bürohäusern der Hauptstadt gepredigt hatte, machte sie sich auf den Weg in den äußersten Norden. In jeder Bergwerksstadt oder -siedlung, ob klein oder groß, gab sie von Haus zu Haus Zeugnis. Die Arbeiter hoch oben in den Anden waren überrascht, daß eine Frau allein bei ihnen vorsprach, doch sie war entschlossen, niemand in dem Gebiet, das ihr zugeteilt war, zu übergehen. Später zog sie in den Süden um, wo es einige estancias (Schaffarmen) gab, die mitunter eine Größe von gut 100 000 Hektar hatten. Von den Leuten, die sich durch ihre Freundlichkeit und Gastlichkeit auszeichneten, wurde sie oft zu Mahlzeiten eingeladen. Auf diese und andere Weise sorgte Jehova dafür, daß sie das zum Leben Notwendige hatte.

Die gute Botschaft von Gottes Königreich zu predigen war für sie die Erfüllung im Leben. e Auf die Jahre ihres Dienstes zurückblickend, sagte sie: „Meines Erachtens habe ich ein sehr reiches Leben gehabt. Jedes Jahr, wenn ich einen größeren Kongreß des Volkes Jehovas besuche, durchströmt mich ein warmes Gefühl des Glücks beim Anblick der vielen Menschen, mit denen ich Bibelstudien hatte und die jetzt die gute Botschaft verkündigen und andere an das Wasser des Lebens führen.“ Sie hat die Freude gehabt, die Zahl der Lobpreiser Jehovas in Chile von 50 auf über 44 000 ansteigen zu sehen.

„Hier bin ich! Sende mich“

Nachdem Martin Pötzinger aus Deutschland einen Vortrag über Jehovas Einladung zum Dienst aus Jesaja 6:8 und die positive Reaktion des Propheten: „Hier bin ich! Sende mich“ gehört hatte, ließ er sich taufen. Zwei Jahre danach, 1930, nahm er in Bayern den Vollzeitpredigtdienst auf. f Bald darauf war das Predigen verboten, die Versammlungsräume der Zeugen wurden versiegelt, und man beschlagnahmte ihre Literatur. Die gefürchtete Gestapo trat auf den Plan. Aber diese Entwicklungen im Jahre 1933 veranlaßten Bruder Pötzinger nicht, seinen Dienst einzustellen.

Er erhielt die Einladung, in Bulgarien zu dienen. Dort benutzte man Zeugniskarten in der Landessprache, um biblische Literatur anzubieten. Aber viele Menschen waren Analphabeten. Bruder Pötzinger nahm daher Unterricht, um ihre Sprache zu lernen, die in kyrillischen Buchstaben geschrieben wird. Wenn man bei einer Familie Literatur zurückließ, mußten oft die Kinder ihren Eltern daraus vorlesen.

Im ersten Jahr war Bruder Pötzinger überwiegend allein. Er schrieb: „Beim Gedächtnismahl hielt ich selbst die Ansprache, betete selbst und schloß die Zusammenkunft auch selbst ab.“ 1934 wurden Ausländer abgeschoben. Er ging daher nach Ungarn. Dort mußte er wieder eine neue Sprache erlernen, damit er die gute Botschaft verkündigen konnte. Von Ungarn ging er in die Tschechoslowakei und nach Jugoslawien.

Er machte viele freudige Erfahrungen: Er fand wahrheitsliebende Menschen, während er mit der Literatur auf dem Rücken durch die Landgebiete und Dörfer zog; er verspürte die Fürsorge Jehovas, wenn ihm gastfreundliche Menschen Nahrung und sogar ein Bett für die Nacht anboten; bis spätabends sprach er mit Menschen, die ihn in seiner Unterkunft aufsuchten, um mehr über die tröstende Botschaft vom Königreich zu hören.

Es gab auch schwere Glaubensprüfungen. Als er außerhalb seines Heimatlandes diente — und über keinerlei Mittel verfügte —, erkrankte er schwer. Kein Arzt wollte ihn besuchen. Aber Jehova sorgte für ihn. Wie? Man setzte sich schließlich mit dem Chefarzt des Krankenhauses am Ort in Verbindung, der ein bibelgläubiger Mann war und sich Bruder Pötzingers wie eines Sohnes annahm, ohne etwas dafür zu berechnen. Der Arzt war sehr beeindruckt von dem Geist der Selbstaufopferung, der durch die Arbeit des jungen Mannes zum Ausdruck kam, und nahm einen Satz Bücher der Gesellschaft als Geschenk entgegen.

Eine weitere schwere Prüfung ergab sich für Bruder Pötzinger vier Monate nach seiner Heirat. Im Dezember 1936 wurde er verhaftet; man lieferte ihn in ein Konzentrationslager ein und verlegte ihn später in ein anderes, während sich seine Frau in noch einem anderen befand. Sie sahen sich neun Jahre nicht. Jehova verhinderte eine solch grausame Verfolgung zwar nicht, aber er stärkte Martin und Gertrud, wie er es auch mit Tausenden anderen tat, damit sie ausharren konnten.

Nachdem Bruder Pötzinger und seine Frau wieder frei waren, diente er viele Jahre als reisender Aufseher in Deutschland. Er besuchte begeisternde Kongresse, die in der Nachkriegszeit auf Hitlers früherem Paradeplatz in Nürnberg stattfanden. Doch nun waren große Scharen loyaler Unterstützer des Königreiches Gottes auf diesem Gelände versammelt. Er wohnte auch unvergeßlichen Kongressen im New Yorker Yankee-Stadion bei und freute sich sehr über die Schulung, die er in der Wachtturm-Bibelschule Gilead erhielt. 1977 wurde er in die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas berufen. Die Einstellung, die er bis zum Ende seines irdischen Laufes im Jahre 1988 bewahrte, läßt sich am besten in die Worte kleiden: „Für mich zählt nur eins: zuerst das Königreich zu suchen.“

Lernen, was es wirklich bedeutet

Der Geist der Selbstaufopferung ist für Jehovas Zeugen natürlich nichts Neues. Schon im ersten Band der Bücherserie Millennium-Tagesanbruch, der 1886 erschien, wurde das Thema Weihung (oder Hingabe, wie wir heute sagen würden) ausführlich behandelt. Es wurde, gestützt auf die Heilige Schrift, gezeigt, daß wahre Christen alles Gott „weihen“, auch ihre Fähigkeiten, ihre materiellen Besitztümer und ihr Leben. Sie werden so zu Verwaltern dessen, was Gott „geweiht“ worden ist, und als Verwalter müssen sie Rechenschaft ablegen — nicht Menschen, sondern Gott.

Immer mehr Bibelforscher widmeten sich ganz dem Dienst für Gott. Sie setzten all ihre Fähigkeiten und Besitztümer sowie ihre ganze Kraft ein, um seinen Willen zu tun. Es gab aber auch Personen, die dachten, am wichtigsten sei es, einen — wie sie es nannten — christlichen Charakter zu entwickeln, damit sie sich eignen würden, mit Christus am Königreich teilzuhaben.

Bruder Russell hatte zwar oftmals auf die Verpflichtung jedes wahren Christen hingewiesen, über Gottes Königreich Zeugnis abzulegen, aber nach dem Ersten Weltkrieg wurde noch größerer Nachdruck darauf gelegt. Der Artikel „Charakter oder Bund?“ im Wacht-Turm vom 1. Juni 1926 ist ein auffallendes Beispiel dafür. Offen wurden die verhängnisvollen Folgen der sogenannten Charakterentwicklung erörtert, und dann wurde die Wichtigkeit betont, die Verpflichtung Gott gegenüber durch Taten zu erfüllen.

Bereits im Wacht-Turm vom September 1920 war Jesu große Prophezeiung über ‘das Zeichen seiner Gegenwart und der Vollendung des Zeitalters’ untersucht worden (Mat. 24:3, EB). Die Aufmerksamkeit wurde auf das Predigtwerk gelenkt, das in Erfüllung von Matthäus 24:14 verrichtet werden muß, und es wurde gezeigt, welche Botschaft verkündigt werden sollte: „Die hier genannte gute Botschaft betrifft das Ende der alten Ordnung der Dinge und die Aufrichtung des messianischen Königreiches.“ Wie im Wacht-Turm erklärt wurde, muß dieses Werk aufgrund der Reihenfolge, in der Jesus es zusammen mit anderen Bestandteilen des Zeichens aufführte, „zwischen der Zeit des großen [Ersten] Weltkrieges und der Zeit der ‚großen Drangsal‘, die von dem Meister in Matthäus 24:21, 22 erwähnt wird“, getan werden. Dieses Werk war dringend. Wer würde es verrichten?

Die Verantwortung ruhte eindeutig auf den Gliedern der „Kirche“, der wahren Christenversammlung. 1932 wurden sie durch die Wachtturm-Ausgabe vom 1. September aufgefordert, die „Jonadab-Klasse“ zu ermutigen, sich im Sinne von Offenbarung 22:17 mit ihnen an dem Werk zu beteiligen. Die Jonadab-Klasse, die die Hoffnung auf ewiges Leben auf der paradiesischen Erde hat, reagierte entsprechend — viele ihrer Glieder mit großem Eifer.

Im Wacht-Turm wurde 1921 die überragende Bedeutung dieses Werkes betont, indem es hieß, „daß es geradeso wesentlich ist, am Dienste des Herrn teilzunehmen, wie es der Besuch einer Versammlung ist“. „Jeder muß ein Prediger des Evangeliums sein“, wurde 1922 erklärt. „Jehova hat das Predigen zur wichtigsten Arbeit gemacht, die jemand von uns in dieser Welt tun könnte“, war 1949 zu lesen. Häufig wurden die Worte des Apostels Paulus aus 1. Korinther 9:16 zitiert: „Eine Notwendigkeit ist mir auferlegt. Tatsächlich, wehe mir, wenn ich die gute Botschaft nicht verkündigte!“ Dieser Schrifttext wurde auf jeden Zeugen Jehovas angewandt.

Wie viele predigen? In welchem Umfang? Warum?

Sollte jemand gezwungen werden, gegen seinen Willen dieses Werk zu verrichten? „Nein“, lautete die Antwort im Wacht-Turm von Oktober/November 1919, „niemand ist gezwungen, irgend etwas zu tun. Es ist alles rein freiwilliger Dienst, der aus Liebe für den Herrn und seine Sache der Gerechtigkeit verrichtet wird. Jehova zwingt niemals irgend jemand.“ Was die Motivation für diesen Dienst angeht, wurde im Wacht-Turm vom 1. Juli 1923 (engl.: 1. September 1922) gesagt: „Jemand, dessen Herz wirklich von Dankgefühl durchdrungen ist, der es vollauf zu schätzen weiß, was Gott für ihn getan hat, wird das Verlangen haben, seine Erkenntlichkeit durch eine Gegenleistung zu beweisen, und je mehr seine Wertschätzung der ihm zuteil gewordenen Güte Gottes wächst, um so größer wird seine Liebe sein; und je größer seine Liebe ist, um so größer wird sein Wunsch sein, ihm zu dienen.“ Und Liebe zu Gott bekundet man dadurch, daß man, wie gezeigt wurde, seine Gebote hält, und eines dieser Gebote lautet, die frohe Nachricht vom Königreich Gottes zu predigen (Jes. 61:1, 2; 1. Joh. 5:3).

Wer diese Tätigkeit aufnahm, wurde nicht durch irgendwelche weltlichen Ambitionen dazu veranlaßt. Es wurde den Betreffenden offen gesagt, wenn sie von Haus zu Haus gehen oder an Straßenecken Literatur anbieten würden, würde man sie als „töricht, schwach und niedrig“ ansehen, sie würden „verachtet, verfolgt“ und „vom weltlichen Standpunkt als unbedeutend“ betrachtet werden. Aber sie wußten, daß man Jesus und seine ersten Jünger genauso behandelt hatte (Joh. 15:18-20; 1. Kor. 1:18-31).

Sind Jehovas Zeugen der Meinung, sie könnten sich durch ihre Predigttätigkeit die Rettung verdienen? Keineswegs. In dem Buch In der Anbetung des allein wahren Gottes vereint, durch das seit 1983 Studierenden geholfen worden ist, zur christlichen Reife zu gelangen, wird diese Frage behandelt. Es heißt darin: „Das Opfer Jesu hat uns auch die Gelegenheit eröffnet, ewiges Leben zu erlangen ... Dies ist keine Belohnung, die wir uns verdienen könnten. Ganz gleich, wieviel wir im Dienste Jehovas tun, können wir uns niemals ein solches Verdienst erwerben, daß Gott uns das Leben schulden würde. Das ewige Leben ist eine ‚Gabe ..., die Gott gibt, ... durch Christus Jesus, unseren Herrn‘ (Röm. 6:23; Eph. 2:8-10). Doch wenn wir an diese Gabe glauben und die Art und Weise, in der sie uns ermöglicht wurde, schätzen, werden wir dies zum Ausdruck bringen. Da wir erkennen, auf welch wunderbare Weise Jehova Jesus gebraucht hat, um seinen Willen durchzuführen, und wie wichtig es ist, daß wir alle den Fußstapfen Jesu genau nachfolgen, werden wir den christlichen Dienst zu einem der wichtigsten Dinge in unserem Leben machen.“

Kann man sagen, daß alle Zeugen Jehovas Verkündiger des Königreiches Gottes sind? Ja. Das versteht man unter einem Zeugen Jehovas. Vor mehr als fünfzig Jahren gab es einige, die dachten, sie hätten es nicht nötig, sich am Predigtdienst zu beteiligen, in die Öffentlichkeit und von Haus zu Haus zu gehen. Doch heute möchte kein Zeuge Jehovas aufgrund seiner Stellung in der Ortsversammlung oder in der weltweiten Organisation von diesem Dienst befreit werden. Männer und Frauen, Jung und Alt nehmen daran teil. Sie betrachten ihn als ein kostbares Vorrecht, als einen heiligen Dienst. Nicht wenige verrichten ihn trotz schwerer Gebrechen. Und wer körperlich einfach nicht in der Lage ist, von Haus zu Haus zu gehen, sucht andere Möglichkeiten, Menschen zu erreichen und ihnen persönlich Zeugnis zu geben.

Früher bestand bisweilen die Tendenz, daß man Neuen zu schnell erlaubte, sich am Predigtdienst zu beteiligen. Aber in den letzten Jahrzehnten hat man größeren Nachdruck darauf gelegt, daß sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, bevor sie dazu eingeladen werden. Was heißt das? Es bedeutet nicht, daß sie in der Lage sein müssen, alles in der Bibel zu erklären. Doch sollten sie, wie in dem Buch Organisiert, unseren Dienst durchzuführen gezeigt wird, die Grundlehren der Bibel kennen und daran glauben. Auch sollten sie im Einklang mit biblischen Maßstäben ein reines Leben führen. Jeder sollte wirklich ein Zeuge Jehovas sein wollen.

Es wird nicht erwartet, daß sich alle Zeugen Jehovas im gleichen Ausmaß am Predigen beteiligen. Die Verhältnisse der einzelnen sind unterschiedlich. Faktoren wie Alter, Gesundheit, familiäre Verpflichtungen und Tiefe der Wertschätzung spielen dabei eine Rolle. Darüber ist man sich immer im klaren gewesen. Das wurde auch in der Wachtturm-Ausgabe vom 1. April 1951 (engl.: 1. Dezember 1950) betont, wo der „gute Boden“ aus Jesu Gleichnis vom Sämann behandelt wurde, einem Gleichnis, das in Lukas 8:4-15 zu finden ist. In dem 1972 für die Ältesten veröffentlichten Buch Königreichsdienst-Schulkurs wurde das Erfordernis analysiert, ‘Jehova mit ganzer Seele zu lieben’, und erklärt, „daß nicht die Menge dessen, was jemand im Verhältnis zur Tätigkeit eines anderen tut, wesentlich ist, sondern daß man tut, was man kann“ (Mar. 14:6-8). Es wurde zu einer sachlichen Selbstprüfung ermuntert und in bezug auf diese Liebe gesagt, „daß jede Faser des Seins eines Menschen daran beteiligt ist, Gott liebevoll zu dienen; keine Funktion, keine Fähigkeit und kein Wunsch im Leben ist ausgenommen“. Wir müssen alle unsere Fähigkeiten einsetzen, unsere ganze Seele, um Gottes Willen zu tun. In dem Lehrbuch wurde betont: „Gott fordert nicht nur Beteiligung, sondern Dienst mit ganzer Seele“ (Mar. 12:30).

Leider neigen unvollkommene Menschen zu Extremen, indem sie das eine betonen und das andere vernachlässigen. So fand es Bruder Russell 1906 für notwendig, warnend darauf hinzuweisen, daß Selbstaufopferung nicht auf Kosten anderer gehen dürfe. Es bedeutet nicht, daß man nicht mehr auf vernünftige Weise für seine Frau, seine abhängigen Kinder oder seine betagten Eltern sorgt, damit man frei ist, anderen zu predigen. Seither sind in den Wachtturm-Publikationen immer wieder ähnliche Ermahnungen erschienen.

Die gesamte Organisation ist bestrebt gewesen — und mit der Hilfe des Wortes Gottes ist es ihr auch allmählich gelungen —, christliche Ausgeglichenheit zu erlangen, das heißt, Eifer für den Dienst Gottes zu offenbaren und gleichzeitig allem, was einen wahren Christen ausmacht, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Die „Charakterentwicklung“ beruhte zwar auf einem falschen Verständnis, doch wie im Wachtturm gezeigt wurde, sollte man die Früchte des Geistes und den christlichen Lebenswandel nicht geringschätzen. 1942 hieß es im Wachtturm sehr treffend: „Einige haben unklugerweise geschlußfolgert, wenn sie sich am Zeugniswerk von Haus zu Haus beteiligten, könnten sie straffrei alles tun, wonach es sie gelüsten würde. Man bedenke jedoch, daß nicht lediglich verlangt wird, sich am Zeugniswerk zu beteiligen“ (1. Kor. 9:27).

Prioritäten setzen

‘Zuerst das Königreich und Gottes Gerechtigkeit zu suchen’ bedeutet, wie Jehovas Zeugen erkannt haben, Prioritäten zu setzen. Dazu zählt unter anderem, dem persönlichen Studium des Wortes Gottes und dem regelmäßigen Besuch der Zusammenkünfte den rechten Platz im Leben einzuräumen und nicht zuzulassen, daß andere Aktivitäten den Vorzug erhalten. Es bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die den aufrichtigen Wunsch erkennen lassen, die in der Bibel enthaltenen Forderungen des Königreiches Gottes zu erfüllen. Das schließt ein, Entscheidungen, die das Familienleben, die Freizeitgestaltung, die Ausbildung, den Beruf, Geschäftspraktiken und das Verhältnis zum Nächsten betreffen, auf biblische Grundsätze zu stützen.

Zuerst das Königreich zu suchen heißt nicht nur, jeden Monat einen gewissen Anteil daran zu haben, anderen etwas über Gottes Vorsatz zu erzählen. Es bedeutet, den Königreichsinteressen im ganzen Leben den ersten Platz einzuräumen und andere biblische Verpflichtungen angemessen zu erfüllen.

Für ergebene Zeugen Jehovas gibt es viele Möglichkeiten, die Königreichsinteressen zu fördern.

Das Vorrecht des Betheldienstes

Einige dienen als Mitglieder der weltweiten Bethelfamilie. Dabei handelt es sich um Vollzeitdiener, die sich freiwillig bereit erklärt haben, jede Aufgabe zu erfüllen, die ihnen in Verbindung mit dem Verfassen und dem Veröffentlichen biblischer Literatur, dem Erledigen notwendiger Büroarbeiten und der Unterstützung dieser Tätigkeiten zugeteilt wird. Dadurch erlangen sie weder Berühmtheit noch materiellen Besitz. Sie möchten Jehova ehren und sind mit ihrer Nahrung und Unterkunft sowie ihrem bescheidenen Taschengeld zufrieden. Aufgrund der Lebensweise der Bethelfamilie betrachten zum Beispiel die staatlichen Behörden in den Vereinigten Staaten sie als Mitglieder eines religiösen Ordens, die ein Armutsgelübde abgelegt haben. Diejenigen, die im Bethel dienen, freuen sich, ihr Leben völlig in den Dienst Jehovas stellen zu können und eine Aufgabe zu erfüllen, die einer Vielzahl ihrer christlichen Brüder und neuinteressierter Personen zugute kommt — mitunter auch in anderen Ländern. Wie andere Zeugen Jehovas beteiligen auch sie sich regelmäßig am Predigtdienst.

Die erste Bethelfamilie (oder Bibelhausfamilie, wie man sie damals nannte) gab es in Allegheny (Pennsylvanien). 1896 hatte sie 12 Mitarbeiter. 1992 gab es über 12 900 Mitglieder der Bethelfamilie, die in 99 Ländern dienten. Zusätzlich sind täglich Hunderte weitere Freiwillige, weil es nicht genügend Wohnraum in den Gebäuden der Gesellschaft gab, zu den Bethelheimen und Druckereien gefahren, um bei der Arbeit mitzuhelfen. Sie sehen es als ein Vorrecht an, sich an dem Werk zu beteiligen. Je nach Bedarf erklären sich Tausende weitere Zeugen bereit, ihre weltliche Arbeit oder andere Tätigkeiten für eine gewisse Zeit auszusetzen und beim Bau von Gebäuden mitzuhelfen, die die Gesellschaft in Verbindung mit dem weltweiten Predigen der guten Botschaft von Gottes Königreich benötigt.

Viele Mitglieder der weltweiten Bethelfamilie haben ihre Arbeit zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Frederick W. Franz, der 1977 der vierte Präsident der Watch Tower Society wurde, hatte damals bereits 57 Jahre zur Bethelfamilie in New York gehört und diente bis zu seinem Tod 1992 noch weitere 15 Jahre im Bethel. Heinrich Dwenger begann seinen Betheldienst 1911 in Deutschland und diente anschließend bescheiden überall dort, wohin er zugeteilt wurde; in seinem Todesjahr, 1983, erfreute er sich immer noch als ein Mitglied der Bethelfamilie in Thun (Schweiz) an seinem Dienst. George Phillips aus Schottland nahm 1924 eine Zuteilung im Zweigbüro in Südafrika an (als von dort aus das Predigtwerk von Kapstadt bis Kenia beaufsichtigt wurde) und diente ununterbrochen in Südafrika bis zu seinem Tod 1982 (als es in jenem Gebiet sieben Zweigbüros der Gesellschaft gab und etwa 160 000 Zeugen tätig waren). Auch Glaubensschwestern wie Kathryn Bogard, Grace DeCecca, Irma Friend, Alice Berner und Mary Hannan widmeten ihr ganzes Leben als Erwachsene bis zu ihrem Tod dem Betheldienst. Viele weitere dienen ebenfalls schon 10, 30, 50, 70 und mehr Jahre als Mitglieder der Bethelfamilie. g

Opferbereite reisende Aufseher

Weltweit gibt es etwa 3 900 Kreis- und Bezirksaufseher, die in Begleitung ihrer Frauen überall dort ihre Aufgabe erfüllen, wo sie benötigt werden, gewöhnlich in ihrem Heimatland. Viele von ihnen haben ihr Zuhause aufgegeben und ziehen jetzt jede Woche oder alle paar Wochen um, damit sie allen ihnen zugeteilten Versammlungen dienen können. Sie werden dafür nicht bezahlt, sondern sind dankbar, eine bescheidene Zuwendung für persönliche Ausgaben zu erhalten und dort, wo sie dienen, Verpflegung und Unterkunft. In den Vereinigten Staaten, wo 1992 insgesamt 499 Kreis- und Bezirksaufseher dienten, sind diese reisenden Ältesten im Durchschnitt 54 Jahre alt, und einige von ihnen haben 30, 40 oder mehr Jahre in dieser Stellung gedient. In mehreren Ländern reisen diese Aufseher mit dem Auto. Wenn sie die Inselgebiete im Pazifischen Ozean besuchen, müssen sie häufig mit dem Flugzeug oder dem Schiff reisen. In manchen Regionen besuchen Kreisaufseher abgelegene Versammlungen zu Pferd oder zu Fuß.

Pioniere decken einen dringenden Bedarf

Damit die gute Botschaft an Orten gepredigt wird, wo es keine Zeugen gibt, oder damit in einem Gebiet dringend benötigte Hilfe geboten werden kann, mag die leitende Körperschaft dafür sorgen, daß Sonderpioniere eingesetzt werden. Das sind Vollzeitverkündiger des Evangeliums, die monatlich mindestens 140 Stunden im Predigtdienst verbringen. Sie stellen sich zur Verfügung, überall dort zu dienen, wo sie in ihrem Land oder in einigen Fällen in Nachbarländern gebraucht werden. Die Anforderungen ihres Dienstes lassen ihnen wenig oder gar keine Zeit, durch eine weltliche Arbeit für ihre materiellen Bedürfnisse zu sorgen. Deshalb erhalten sie eine bescheidene Zuwendung. 1992 gab es weltweit über 14 500 Sonderpioniere.

Als 1937 die ersten Sonderpioniere ausgesandt wurden, gingen sie bahnbrechend darin voran, Wohnungsinhabern an der Tür biblische Schallplattenvorträge vorzuspielen und diese auch als Grundlage für biblische Gespräche bei Rückbesuchen zu verwenden. Diese Tätigkeit wurde in Großstädten verrichtet, wo bereits Versammlungen bestanden. Einige Jahre danach wurden die Sonderpioniere besonders in die Gebiete gesandt, wo es entweder noch keine Versammlungen gab oder solche, die dringend Hilfe benötigten. Als Ergebnis ihrer erfolgreichen Arbeit wurden Hunderte von neuen Versammlungen gegründet.

Statt nach dem Durcharbeiten eines Gebiets in ein anderes zu gehen, bearbeiteten sie es wiederholt, gingen jedem vorgefundenen Interesse nach und führten Bibelstudien durch. Für interessierte Personen wurden Zusammenkünfte organisiert. So lud ein Sonderpionier in Lesotho (Südafrika) in der ersten Woche seines Aufenthalts in seiner neuen Zuteilung jeden, den er antraf, ein, sich einmal anzusehen, wie Jehovas Zeugen die Theokratische Predigtdienstschule durchführen. Er und seine Familie bestritten das gesamte Programm. Dann lud er alle zum Wachtturm-Studium ein. Nachdem die anfängliche Neugierde befriedigt war, wurde das Wachtturm-Studium weiterhin von 30 Personen besucht und die Schule von durchschnittlich 20. In Ländern, wo in der Gileadschule ausgebildete Missionare viel dazu beitrugen, das Predigen der guten Botschaft in Gang zu bringen, stellte sich mitunter ein schnelleres Wachstum ein, nachdem sich einheimische Zeugen für den Sonderpionierdienst eigneten, denn sie konnten unter den Einheimischen meist sogar noch wirkungsvoller tätig sein.

Außer diesen eifrigen Erntearbeitern gibt es Hunderttausende weitere Zeugen Jehovas, die die Königreichsinteressen tatkräftig fördern. Zu ihnen gehören jüngere und ältere, männliche und weibliche, verheiratete und ledige Personen. Allgemeine Pioniere setzen jeden Monat mindestens 90 Stunden für den Predigtdienst ein, Hilfspioniere wenigstens 60 Stunden. Sie entscheiden selbst, wo sie predigen möchten. Die meisten von ihnen arbeiten mit Versammlungen zusammen; einige ziehen in abgelegene Gebiete. Sie sorgen selbst für ihre materiellen Bedürfnisse, indem sie einer weltlichen Arbeit nachgehen, oder vielleicht helfen ihre Angehörigen mit, den Lebensunterhalt zu bestreiten. 1992 dienten 914 500 entweder als allgemeine Pioniere oder zumindest einen Teil des Jahres als Hilfspioniere.

Schulen mit bestimmten Zielen

Durch besondere Schulung werden Freiwillige für bestimmte Dienstarten ausgerüstet. In der Gileadschule sind seit 1943 Tausende von erfahrenen Verkündigern für den Missionardienst ausgebildet worden, und die Absolventen wurden in alle Teile der Erde gesandt. 1987 wurde die Schule zur dienstamtlichen Weiterbildung eröffnet, um besonderen Bedürfnissen abzuhelfen, einschließlich der Betreuung von Versammlungen und der Übernahme anderer Verantwortlichkeiten. Da die Schule an mehreren Orten stattfindet, haben die Studenten keinen allzu weiten Weg (bis zu dem zentral gelegenen Ort, an dem sie abgehalten wird) und brauchen keine andere Sprache zu erlernen, um aus der Schulung Nutzen zu ziehen. Bei allen, die zum Besuch dieser Schule eingeladen werden, handelt es sich um Älteste oder Dienstamtgehilfen, die bewiesen haben, daß sie wirklich zuerst das Königreich suchen. Viele haben sich für den Dienst in anderen Ländern bereit erklärt. Sie sind ebenso eingestellt wie der Prophet Jesaja, der sagte: „Hier bin ich! Sende mich“ (Jes. 6:8).

Im Jahre 1977 wurde mit der Pionierdienstschule begonnen, damit diejenigen, die bereits als allgemeine Pioniere und als Sonderpioniere dienten, noch erfolgreicher tätig sein konnten. Die Schule wurde weltweit möglichst in jedem Kreis eingerichtet. Alle Pioniere wurden eingeladen, aus dem zweiwöchigen Kurs Nutzen zu ziehen. Seither wird diese Schulung allen zuteil, die das erste Jahr des Pionierdienstes vollendet haben. In den Vereinigten Staaten allein sind bis 1992 etwa 100 000 Pioniere geschult worden, und jährlich kommen mehr als 10 000 hinzu. Weitere 55 000 wurden in Japan geschult, 38 000 in Mexiko, 25 000 in Brasilien und 25 000 in Italien. Die Pioniere besuchen nicht nur diese Schule, sondern ziehen auch Nutzen aus den regelmäßigen besonderen Zusammenkünften mit dem Kreisaufseher bei seinen halbjährlichen Besuchen in der Versammlung und aus einer speziellen Unterweisung durch den Kreis- und den Bezirksaufseher anläßlich des jährlichen Kreiskongresses. Die Königreichsverkündiger, die das große Heer der Pioniere bilden, sind somit nicht nur willige Arbeiter, sondern auch gut geschulte Diener Gottes.

Dort dienen, wo mehr Hilfe benötigt wird

Viele Tausende von Zeugen Jehovas — eine Anzahl davon sind Pioniere — sind nicht nur bereit, an ihrem Heimatort zu dienen, sondern stellen sich auch für Gegenden zur Verfügung, wo ein größerer Bedarf an Verkündigern der guten Botschaft besteht. Jedes Jahr verbringen Tausende mehrere Wochen oder Monate, je nachdem, wie sie es einrichten können, in einer von ihrer Heimat oft ziemlich weit entfernten Gegend und geben Menschen Zeugnis, die nicht regelmäßig von Zeugen Jehovas besucht werden. Tausende haben ihre Zelte abgebrochen und sind umgezogen, damit sie über eine längere Zeit mithelfen können. Vielfach handelt es sich dabei um Ehepaare oder Familien. Oft ist es kein Umzug an einen allzuweit entfernten Ort gewesen, doch einige haben im Laufe der Jahre mehrmals den Wohnort gewechselt. Viele dieser eifrigen Zeugen führen ihren Dienst sogar im Ausland durch — einige für ein paar Jahre, andere auf Dauer. Sie nehmen irgendeine Arbeit an, die ihnen hilft, für ihre Bedürfnisse zu sorgen, und bezahlen den Umzug aus eigener Tasche. Sie haben nur den einen Wunsch, im größtmöglichen Ausmaß die Königreichsbotschaft zu verkündigen.

Ein Familienvater, der kein Zeuge Jehovas ist, zieht vielleicht mit seiner Familie wegen einer anderen Arbeit um. Das können die Familienmitglieder, die Zeugen sind, als eine Gelegenheit ansehen, die Königreichsbotschaft zu verbreiten. So verhielt es sich mit zwei Zeugen aus den Vereinigten Staaten, die sich Ende der 70er Jahre in einer Baustellensiedlung im Dschungel von Suriname befanden. An zwei Tagen in der Woche standen sie um 4 Uhr morgens auf, fuhren eine Stunde mit einem Bus der Baufirma auf einer holprigen Straße zu einem Dorf und predigten dort den ganzen Tag. Schon bald führten sie mit Menschen, die nach der Wahrheit hungerten, wöchentlich 30 Bibelstudien durch. Heute gibt es in diesem früher unberührten Teil des Regenwaldes eine Versammlung.

Jede passende Gelegenheit ergreifen, Zeugnis zu geben

Selbstverständlich wandern nicht alle Zeugen Jehovas in andere Länder aus oder ziehen in andere Städte, um ihren Dienst dort fortzusetzen. Ihre persönlichen Verhältnisse mögen es nicht zulassen, Pionier zu sein. Dennoch sind sich die Zeugen der biblischen Ermahnung bewußt, ‘all ihr ernsthaftes Bemühen beizutragen’ und ‘allezeit reichlich beschäftigt zu sein im Werk des Herrn’ (2. Pet. 1:5-8; 1. Kor. 15:58). Sie zeigen, daß sie zuerst das Königreich suchen, indem sie seine Interessen der weltlichen Arbeit und der Entspannung voranstellen. Alle, die ein Herz voller Wertschätzung für das Königreich haben, beteiligen sich regelmäßig in dem Ausmaß am Predigtdienst, wie es ihre Verhältnisse zulassen, und viele nehmen entsprechende Änderungen vor, damit sie einen größeren Anteil daran haben können. Zudem halten sie ständig nach passenden Gelegenheiten Ausschau, Zeugnis über das Königreich abzulegen.

John Furgala, der in Guayaquil (Ecuador) eine Eisenwarenhandlung hatte, stellte zum Beispiel in seinem Geschäft auf ansprechende Weise biblische Literatur aus. Während sein Gehilfe den Auftrag eines Kunden erledigte, gab er dem betreffenden Kunden Zeugnis.

Ein eifriger Zeuge aus Nigeria, der durch seine Arbeit als Elektriker für seine Familie sorgte, war ebenfalls fest entschlossen, seine geschäftlichen Kontakte zu nutzen, um Zeugnis zu geben. Als Geschäftsinhaber teilte er die Zeit ein. Jeden Morgen vor Arbeitsbeginn versammelte er seine Frau, seine Kinder, seine Angestellten und Lehrlinge zu einer Besprechung des Tagestextes, bei der auch Erfahrungen aus dem Jahrbuch der Zeugen Jehovas gelesen wurden. Zu Beginn jeden Jahres gab er seinen Kunden gewöhnlich einen Kalender der Watch Tower Society und zwei Zeitschriften. Das alles hat dazu geführt, daß sich ihm einige seiner Angestellten und Kunden in der Anbetung Jehovas angeschlossen haben.

Es gibt viele Zeugen Jehovas, die genauso eingestellt sind. Ganz gleich, was sie tun, halten sie ständig nach Gelegenheiten Ausschau, mit anderen über die gute Botschaft zu sprechen.

Ein großes Heer glücklicher Vollzeitverkündiger

Im Laufe der Jahre hat der Eifer der Zeugen Jehovas für das Predigen der guten Botschaft nicht nachgelassen. Wenn ihnen auch zahlreiche Wohnungsinhaber ziemlich nachdrücklich erklären, sie seien nicht interessiert, gibt es doch viele, die dankbar dafür sind, daß ihnen die Zeugen helfen, die Bibel zu verstehen. Jehovas Zeugen sind entschlossen, so lange weiterzupredigen, bis Jehova selbst unmißverständlich zu erkennen gibt, daß dieses Werk vollendet ist.

Statt nachzulassen, hat die weltweite Gemeinschaft der Zeugen Jehovas ihre Predigttätigkeit intensiviert. Wie aus dem weltweiten Bericht für 1982 hervorgeht, wurden damals 384 856 662 Stunden für den Predigtdienst eingesetzt. Zehn Jahre später (1992) widmete man diesem Werk 1 024 910 434 Stunden. Worauf war dieser Anstieg zurückzuführen?

Es stimmt, daß Jehovas Zeugen zahlenmäßig zugenommen hatten, doch nicht in diesem Ausmaß. Während ihre Zahl in der betreffenden Zeitspanne um 80 Prozent zunahm, kletterte die Zahl der Pioniere um 250 Prozent in die Höhe. Durchschnittlich stand weltweit jeden Monat fast 1 von 7 Zeugen Jehovas in irgendeinem Zweig des Vollzeitpredigtdienstes.

Wer zählte zu diesen Pionieren? In der Republik Korea zum Beispiel sind ein Großteil der Zeugen Hausfrauen. Familienpflichten gestatten nicht allen von ihnen, ständig als Pionier zu dienen, doch nicht wenige haben die langen Schulferien im Winter für den Hilfspionierdienst genutzt. So kam es, daß im Januar 1990 53 Prozent aller Zeugen in der Republik Korea in irgendeinem Zweig des Vollzeitdienstes standen.

Eifer und Pioniergeist ermöglichten den ersten philippinischen Zeugen, auf Hunderten von bewohnten Inseln der Philippinen die Königreichsbotschaft zu predigen. Dieser Eifer ist seither noch deutlicher hervorgetreten. 1992 verrichteten auf den Philippinen jeden Monat durchschnittlich 22 205 Verkündiger ihren Predigtdienst als Pionier. Zu ihnen gehörten zahlreiche Jugendliche, die sich dafür entschieden hatten, ‘ihres Schöpfers zu gedenken’ und ihre Jugendkraft in seinen Dienst zu stellen (Pred. 12:1). Ein Bruder, der als Jugendlicher den Pionierdienst aufgenommen hatte, sagte nach zehn Jahren: „Ich habe gelernt, geduldig zu sein, ein einfaches Leben zu führen, mich auf Jehova zu verlassen und demütig zu sein. Es stimmt, ich habe auch Härten und Entmutigung erlebt, aber all das ist nichts im Vergleich zu den Segnungen, die der Pionierdienst mit sich gebracht hat.“

Im April und Mai 1989 brachte Der Wachtturm eine Bloßstellung Babylons der Großen, das heißt der falschen Religion auf der ganzen Erde in ihren zahlreichen Formen. Die Artikel wurden simultan in 39 Sprachen veröffentlicht und weithin verbreitet. In Japan, wo oftmals über 40 Prozent der Zeugen im Pionierdienst stehen, ließen sich 41 055 Verkündiger als Hilfspioniere eintragen — eine neue Höchstzahl —, um das Werk im April jenes Jahres besonders zu unterstützen. Von den 77 getauften Verkündigern der Versammlung Otsuka in der Stadt Takatsuki (Präfektur Osaka) verrichteten in jenem Monat 73 irgendeine Art des Pionierdienstes. Am 8. April, nachdem alle Verkündiger in Japan ermuntert worden waren, sich an der Verbreitung dieser wichtigen Botschaft zu beteiligen, verrichteten Hunderte von Versammlungen wie die Versammlung Ushioda in Yokohama von 7 bis 20 Uhr einen ganzen Tag Straßen- und Haus-zu-Haus-Dienst, um möglichst jeden im Gebiet zu erreichen.

Wie überall, so sorgen Jehovas Zeugen auch in Mexiko durch eine Arbeit für ihre materiellen Bedürfnisse. Dennoch haben 1992 jeden Monat durchschnittlich 50 095 von ihnen für den Pionierdienst Raum geschaffen, um wahrheitshungrigen Menschen zu helfen, etwas über Gottes Königreich zu erfahren. Oft arbeiten alle in einer Familie zusammen, damit die ganze Familie oder zumindest einige Angehörige im Pionierdienst stehen können. Sie verrichten einen erfolgreichen Dienst. 1992 führten Jehovas Zeugen in Mexiko mit Einzelpersonen und ganzen Familien regelmäßig insgesamt 502 017 Bibelstudien durch.

Die Ältesten, die sich der Bedürfnisse der Versammlungen der Zeugen Jehovas annehmen, tragen eine schwere Verantwortung. In Nigeria haben wie in vielen anderen Ländern die meisten Ältesten eine Familie. Außer daß sie sich darauf vorbereiten, Versammlungszusammenkünfte zu leiten oder sich daran zu beteiligen, fällt ihnen auch die Aufgabe zu, die Herde Gottes zu hüten, und einige dieser Männer dienen darüber hinaus noch als Pionier. Wie ist ihnen das möglich? Gewissenhafte Zeiteinteilung und gute Zusammenarbeit in der Familie spielen meist eine bedeutende Rolle.

Es steht einwandfrei fest, daß sich Jehovas Zeugen auf der ganzen Erde die Ermahnung Jesu zu Herzen nehmen, ‘zuerst das Königreich zu suchen’ (Mat. 6:33). Was sie tun, ist ein von Herzen kommender Ausdruck ihrer Liebe zu Jehova und ihrer Wertschätzung für seine Souveränität. Wie der Psalmist David sagen sie: „Ich will dich erheben, o mein Gott und König, und ich will deinen Namen segnen auf unabsehbare Zeit, ja für immer“ (Ps. 145:1).

[Fußnoten]

a Wacht-Turm, 15. August 1906 (engl.), Seite 267—271.

b Siehe Wachtturm, 1. Mai 1967, Seite 284—288.

c Siehe Wachtturm, 15. März 1974, Seite 184—189.

d Siehe Wachtturm, 1. Dezember 1972, Seite 725—729.

e Der Wachtturm, 1. Februar 1964, Seite 92—94.

f Siehe Wachtturm, 1. März 1970, Seite 153—156; 15. September 1988, Seite 31.

g Siehe Wachtturm, 1. Mai 1987, Seite 22 bis 30; 1. Juni 1964, Seite 348—351; 1. März 1957, Seite 136—143; 15. November 1970, Seite 699—702; 1. Dezember 1960, Seite 729—733; 15. September 1968, Seite 570—573; 1. Juli 1968, Seite 409 bis 414; 15. September 1959, Seite 565—568.

[Herausgestellter Text auf Seite 292]

Der Verantwortung, Zeugnis zu geben, wurde vermehrt Nachdruck verliehen

[Herausgestellter Text auf Seite 293]

Sie betrachten das Zeugnisgeben von Haus zu Haus als ein kostbares Vorrecht

[Herausgestellter Text auf Seite 294]

Das Verständnis darüber, was Dienst mit ganzer Seele ist

[Herausgestellter Text auf Seite 295]

Was es wirklich bedeutet, ‘zuerst das Königreich zu suchen’

[Herausgestellter Text auf Seite 301]

Eifrige Zeugen stellen die Königreichsinteressen der weltlichen Arbeit und der Entspannung voran

[Kasten/Bild auf Seite 288]

„Wo sind die neun?“

Bei der Feier zum Gedenken an den Tod Christi wurde 1928 allen Anwesenden ein Traktat mit dem Titel „Wo sind die neun?“ überreicht. Es enthielt eine Besprechung von Lukas 17:11-19, die Claude Goodman im Innersten berührte und ihn bewog, den Dienst als Kolporteur oder Pionier aufzunehmen und darin auszuharren.

[Kasten/Bilder auf Seite 296, 297]

Der Betheldienst

1992 gab es in 99 Ländern 12 974 Bethelmitarbeiter

[Bilder]

Für Mitglieder der Bethelfamilie ist das persönliche Studium wichtig

Spanien

In jedem Bethelheim beginnt der Tag mit der Besprechung eines Bibeltextes

Finnland

Wie Jehovas Zeugen überall beteiligen sich auch die Mitglieder der Bethelfamilie am Predigtdienst

Schweiz

An jedem Montagabend studiert die Bethelfamilie gemeinsam den „Wachtturm“

Italien

Es gibt unterschiedliche Arbeiten, aber alle dienen der Verkündigung des Königreiches Gottes

Frankreich

Papua-Neuguinea

Vereinigte Staaten

Deutschland

Philippinen

Mexiko

Großbritannien

Nigeria

Niederlande

Brasilien

Japan

Südafrika

[Kasten/Bilder auf Seite 298]

Einige langjährige Bethelmitarbeiter

F. W. Franz — Vereinigte Staaten (1920—1992)

Heinrich Dwenger — Deutschland (etwa 15 Jahre in der Zeit von 1911 bis 1933), Ungarn (1933—1935), Tschechoslowakei (1936—1939), Schweiz (1939—1983)

George Phillips — Südafrika (1924—1966, 1976—1982)

Leibliche Schwestern (Kathryn Bogard und Grace DeCecca), die zusammen insgesamt 136 Jahre im Betheldienst standen — Vereinigte Staaten

[Übersicht auf Seite 303]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Die Pioniere nehmen zu!

Pioniere

Verkündiger

Zunahme in Prozenten Seit 1982

250 %

200 %

150 %

100 %

50 %

1982 1984 1986 1988 1990 1992

[Bild auf Seite 284]

Schwester Early bereiste einen großen Teil Neuseelands mit dem Fahrrad, um die Königreichsbotschaft zu verkündigen

[Bild auf Seite 285]

76 Jahre verbrachte Malinda Keefer — als Ledige, als Ehefrau und schließlich als Witwe — im Vollzeitpredigtdienst

[Bilder auf Seite 286]

Einfache Wohnmobile boten einigen der ersten Pioniere Unterkunft, wenn sie von Ort zu Ort zogen

Kanada

Indien

[Bild auf Seite 287]

Frank Rice (rechts, stehend), Clem Deschamp (vor Frank sitzend, neben ihnen Clems Frau Jean) und eine Gruppe von Java, die aus Zeugen und Neuinteressierten bestand

[Bilder auf Seite 288]

Claude Goodman verbrachte sein Leben im Vollzeitpredigtdienst in Indien und sieben anderen Ländern

[Bild auf Seite 289]

Als sich Ben Brickell guter Gesundheit erfreute, setzte er sie im Dienst Jehovas ein; ernste gesundheitliche Probleme in späteren Jahren konnten ihn nicht zum Aufgeben bewegen

[Bild auf Seite 290]

Käthe Palm gab in Chile in allen möglichen Gebieten Zeugnis — vom Großstadt-Bürohaus bis zur entlegensten Bergwerkssiedlung und Schaffarm

[Bild auf Seite 291]

Die Entschlossenheit von Martin und Gertrud Pötzinger läßt sich in den Worten ausdrücken: „Für mich zählt nur eins: zuerst das Königreich zu suchen“

[Bild auf Seite 300]

Die Pionierdienstschule (wie hier in Japan) hat Zehntausenden von eifrigen Erntearbeitern eine besondere Schulung geboten