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Prüfen und Sichten in den eigenen Reihen

Prüfen und Sichten in den eigenen Reihen

Kapitel 28

Prüfen und Sichten in den eigenen Reihen

ZU DER Entwicklung und dem Wachstum der neuzeitlichen Organisation der Zeugen Jehovas gehörten viele Situationen, in denen der Glaube des einzelnen auf eine harte Probe gestellt wurde. So, wie die Spreu vom Weizen durch Dreschen und Worfeln getrennt wird, dienten diese Situationen dazu, herauszufinden, wer ein wahrer Christ ist. (Vergleiche Lukas 3:17.) Alle, die mit der Organisation verbunden waren, mußten zeigen, was in ihrem Herzen war. Dienten sie aus reinem Eigennutz? Folgten sie lediglich einem unvollkommenen Menschen? Oder waren sie demütig, Jehova völlig ergeben und eifrig darauf bedacht, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun? (Vergleiche 2. Chronika 16:9.)

Der Glaube der Nachfolger Jesu Christi im ersten Jahrhundert wurde ebenfalls geprüft. Jesus sagte seinen Nachfolgern, sie würden, wenn sie treu blieben, mit ihm an seinem Königreich teilhaben (Mat. 5:3, 10; 7:21; 18:3; 19:28). Aber er sagte ihnen nicht, wann sie diesen Lohn erhalten würden. Würden sie trotz der allgemein gleichgültigen und sogar feindlichen Einstellung gegenüber ihrem Predigtwerk die Interessen dieses Königreiches weiterhin loyal an die erste Stelle in ihrem Leben setzen? Das war nicht bei jedem der Fall (2. Tim. 4:10).

Durch Jesu Lehrmethoden wurden einige auf die Probe gestellt. Die Pharisäer nahmen daran Anstoß, daß er ihre Überlieferungen rundweg verurteilte (Mat. 15:1-14). Sogar viele, die vorgaben, Jesu Jünger zu sein, stießen sich an seiner Art des Lehrens. Als er einmal darüber sprach, wie wichtig es ist, an den Wert seines geopferten Leibes und Blutes zu glauben, waren etliche seiner Jünger über seine bildhafte Sprache schockiert. Ohne eine weitere Erklärung abzuwarten, ‘wandten sie sich ab, den hinter ihnen liegenden Dingen zu, und gingen nicht mehr mit ihm’ (Joh. 6:48-66).

Aber nicht alle wandten sich ab. Simon Petrus erklärte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist“ (Joh. 6:67-69). Sie hatten genug gesehen und gehört, um davon überzeugt zu sein, daß Gott durch Jesus die Wahrheit über sich selbst und seinen Vorsatz offenbarte (Joh. 1:14; 14:6). Dennoch wurde ihr Glaube weiterhin geprüft.

Nach seinem Tod und seiner Auferstehung gebrauchte Jesus die Apostel und andere als Hirten für die Versammlung. Sie waren unvollkommen, und ihre Fehler waren für ihre Mitmenschen mitunter eine Prüfung. (Vergleiche Apostelgeschichte 15:36-41; Galater 2:11-14.) Andere Personen hingegen hegten übertriebene Bewunderung für angesehene Christen und sagten: „Ich gehöre zu Paulus“ oder: ‘Ich gehöre zu Apollos’ (1. Kor. 3:4). Sie alle mußten sich davor hüten, aus den Augen zu verlieren, was es bedeutete, ein Nachfolger Jesu Christi zu sein.

Der Apostel Paulus sagte weitere ernsthafte Schwierigkeiten voraus, indem er erklärte, daß sogar innerhalb der Christenversammlung „Männer aufstehen und verdrehte Dinge reden [würden], um die Jünger hinter sich her wegzuziehen“ (Apg. 20:29, 30). Zudem warnte der Apostel Petrus vor falschen Lehrern unter Gottes Dienern, die versuchen würden, andere mit „verfälschten Worten“ auszubeuten (2. Pet. 2:1-3). Offensichtlich sollten ihr Glaube und ihre Loyalität in Zukunft noch auf eine harte Probe gestellt werden.

Das Prüfen und Sichten in der neuzeitlichen Geschichte der Zeugen Jehovas kam daher nicht überraschend. Aber nicht wenige waren überrascht, wer alles strauchelte und worüber.

Wußten sie das Lösegeld wirklich zu schätzen?

Anfang der 1870er Jahre wuchs das Verständnis und die Wertschätzung Bruder Russells und seiner Gefährten im Hinblick auf den Vorsatz Gottes immer mehr. In dieser Zeit wurden sie geistig erfrischt. Doch dann wurden ihr Glaube und ihre Loyalität gegenüber dem Wort Gottes im Jahre 1878 auf eine schwere Probe gestellt. Der Prüfstein war der Opferwert des Leibes Jesu und seines Blutes — dieselbe Lehre, derentwegen viele Jünger Jesu im ersten Jahrhundert gestrauchelt waren.

Gerade zwei Jahre zuvor, also 1876, hatte sich C. T. Russell mit N. H. Barbour aus Rochester (New York) zusammengetan. Ihre Studiengruppen hatten sich zusammengeschlossen. Russell hatte Geld beigesteuert, so daß Barbours Zeitschrift Herald of the Morning wieder gedruckt werden konnte, wobei Barbour der Herausgeber und Russell der Mitherausgeber war. Außerdem hatten sie gemeinsam ein Buch veröffentlicht mit dem Titel Three Worlds, and the Harvest of This World (Drei Welten und die Ernte dieser Welt).

Dann platzte eine Bombe! In der Ausgabe des Herald of the Morning vom August 1878 schrieb Barbour einen Artikel, in dem er Schrifttexte wie 1. Petrus 3:18, Jesaja 53:5, 6 und Hebräer 9:22 vom Tisch fegte und erklärte, die Vorstellung, Christus habe durch seinen Tod für unsere Sünden gesühnt, sei widerlich. Russell schrieb später: „Zu unserer schmerzlichen Überraschung schrieb Barbour ... einen Artikel für den Herald, in dem er die Lehre von der Versöhnung leugnete — leugnete, daß der Tod Christi der Loskaufspreis Adams und seines Geschlechts sei, indem er behauptete, Christi Tod könne zur Bezahlung der Strafe für die Sünden der Menschen nicht mehr nützen, als das Durchstechen einer Fliege mit einer Nadel (wodurch sie leiden und sterben würde) von irdischen Eltern als eine gerechte Sühnung für Verfehlungen ihres Kindes betrachtet werden würde.“ a

Das war von entscheidender Bedeutung. Würde Bruder Russell loyal an dem festhalten, was die Bibel unmißverständlich über Gottes Vorkehrung zur Rettung der Menschheit sagte? Oder würde er menschlichen Philosophien zum Opfer fallen? Obwohl Russell damals erst 26 Jahre alt war und Barbour viel älter war, schrieb Russell gleich für die nächste Ausgabe des Herald mutig einen Artikel, in dem er den sündensühnenden Wert des Blutes Christi entschieden verteidigte und als „eine der wichtigsten Lehren des Wortes Gottes“ bezeichnete.

Als nächstes bat er J. H. Paton, den anderen Mitherausgeber des Herald, einen Artikel zu schreiben, der den Glauben an das Blut Christi als Grundlage für die Sühne von Sünden rechtfertigen sollte. Paton schrieb diesen Artikel, der dann in der Dezemberausgabe abgedruckt wurde. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, mit Barbour anhand der Bibel vernünftig über diesen Punkt zu reden, löste Russell schließlich die Verbindung mit ihm und unterstützte die Zeitschrift nicht mehr finanziell. Im Juli 1879 gab Russell eine neue Zeitschrift — Zions Wacht-Turm und Verkünder der Gegenwart Christi — heraus, die von Anfang an im besonderen für das Lösegeld eintrat. Aber damit war noch nicht alles ausgestanden.

Zwei Jahre später kehrte auch Paton, der damals als reisender Beauftragter des Wacht-Turms diente, der Organisation allmählich den Rücken und veröffentlichte danach ein Buch (sein zweites, das den Titel Day Dawn [Tagesanbruch] trug), in dem er den Glauben an den Sündenfall Adams und damit an die Notwendigkeit eines Erlösers zurückwies. Er schlußfolgerte, der Herr sei ein unvollkommener Mann gewesen, der anderen durch sein Leben lediglich demonstriert habe, wie man sündige Neigungen abtöten könne. Ein weiterer Gefährte, A. D. Jones, gab von 1881 an ein Blatt heraus (Zion’s Day Star [Zions Tagesstern]), das in die gleiche Richtung ging wie der Wacht-Turm, in dem aber einfachere Facetten des Vorsatzes Gottes besprochen werden sollten. Zuerst schien alles in Ordnung zu sein. Doch binnen eines Jahres verwarf Jones’ Blatt das Sühnopfer Christi und nach einem weiteren Jahr den Rest der Bibel. Was war mit diesen Männern geschehen? Sie ließen sich von eigenen Theorien und landläufigen Philosophien so sehr fesseln, daß sie vom Wort Gottes abschweiften. (Vergleiche Kolosser 2:8.) Das von A. D. Jones herausgegebene Blatt erschien daraufhin nur noch kurze Zeit, und schließlich wurde sein Erscheinen ganz eingestellt. J. H. Paton entschloß sich, eine Zeitschrift herauszugeben, in der er das Evangelium nach seinem Gutdünken auslegte, aber sie erreichte nur eine geringe Auflage.

Bruder Russell machte sich große Sorgen, wie sich all das auf die Leser des Wacht-Turms auswirken würde. Er erkannte, daß dadurch der Glaube jedes einzelnen geprüft wurde. Er wußte nur zu gut, daß manche ihm unterschoben, unbiblische Lehren nur aus einem Geist der Rivalität heraus zu kritisieren. Bruder Russell suchte jedoch keine Anhänger. Er schrieb über die Ereignisse: „Der Zweck dieser Prüfungen und Sichtungen liegt offensichtlich darin, alle herauszusuchen, deren innerste Beweggründe selbstlos sind, die völlig und rückhaltlos dem Herrn geweiht sind, denen es vor allem darum geht, daß des Herrn Wille geschehe, und deren Vertrauen in seine Weisheit, seine Wege und sein Wort so groß ist, daß sie sich durch die Sophistereien anderer oder durch eigene Pläne und Vorstellungen vom Worte des Herrn nicht abbringen lassen.“

Bediente sich Gott eines sichtbaren Kanals?

Es gibt natürlich viele Religionsgemeinschaften, und eine beträchtliche Anzahl Prediger verwendet die Bibel bis zu einem gewissen Grad. Gebrauchte Gott im besonderen Charles Taze Russell? Wenn ja, bediente sich Gott dann keines sichtbaren Kanals mehr, als Bruder Russell gestorben war? Das waren entscheidende Fragen, die weitere Prüfungen und Sichtungen nach sich zogen.

Sicherlich wäre nicht anzunehmen, daß Gott C. T. Russell gebrauchte, wenn dieser sich nicht loyal an Gottes Wort gehalten hätte (Jer. 23:28; 2. Tim. 3:16, 17). Gott hätte sich keines Mannes bedient, der aus lauter Furcht nicht das predigte, was in der Bibel eindeutig niedergeschrieben ist (Hes. 2:6-8). Und Gott hätte sich keiner Person bedient, die sich mit ihrem Bibelwissen nur selbst verherrlichen wollte (Joh. 5:44). Was zeigen also die Tatsachen?

Wenn Jehovas Zeugen heute auf die Tätigkeit Russells, auf das, was er lehrte, wie er es begründete, und auf das Ergebnis zurückblicken, haben sie keinen Zweifel, daß Charles Taze Russell wirklich von Gott zu einer bedeutsamen Zeit auf besondere Weise gebraucht wurde.

Diese Überzeugung beruht nicht nur darauf, daß Bruder Russell entschieden für das Lösegeld eintrat. Sie rührt auch daher, daß er Glaubensbekenntnisse, die einige grundlegende Glaubensansichten der Christenheit beinhalteten, unerschrocken verwarf, weil sie mit den inspirierten Schriften nicht harmonierten. Da war zum Beispiel die Dreieinigkeitslehre (die aus dem alten Babylon stammt und erst lange nach Vollendung der Niederschrift der Bibel von sogenannten Christen übernommen wurde) und die Lehre, daß die menschliche Seele von Natur aus unsterblich sei (diese Lehre wurde von Menschen übernommen, die von der Philosophie Platons fasziniert waren und dadurch für Vorstellungen wie die, daß die Seelen im Höllenfeuer ewig gequält würden, empfänglich wurden). Auch etliche Gelehrte der Christenheit wissen, daß diese Lehren unbiblisch sind, b aber im allgemeinen wird das von der Kanzel aus nicht so gepredigt. Im Gegensatz dazu unternahm Bruder Russell einen gründlichen Feldzug, durch den jeder, der wollte, erfahren konnte, was die Bibel in Wirklichkeit sagt.

Bemerkenswert ist außerdem, was Bruder Russell mit anderen hoch bedeutsamen Wahrheiten tat, die er aus dem Wort Gottes lernte. Er verstand, daß Christus als verherrlichte Geistperson für menschliche Augen unsichtbar wiederkommen würde. Bereits 1876 erkannte er, daß das Jahr 1914 das Ende der Zeiten der Nationen kennzeichnen würde (Luk. 21:24, EB). Andere Bibelgelehrte hatten ebenfalls einige dieser Punkte verstanden und vertreten. Aber Bruder Russell setzte wie keine andere Person oder Gruppe sein gesamtes Vermögen ein, um sie weltweit bekanntzumachen.

Er legte allen ans Herz, seine Schriften sorgfältig mit dem inspirierten Wort Gottes zu vergleichen, um sich davon zu überzeugen, daß alles, was sie lernten, völlig damit übereinstimmte. Als Antwort auf eine schriftliche Anfrage schrieb Bruder Russell: „Wenn es für die ersten Christen angebracht war, das zu prüfen, was sie von den Aposteln hörten, die, wie sie selbst sagten, inspiriert waren, wieviel wichtiger ist es dann für Sie, sich voll und ganz davon zu überzeugen, daß sich diese Lehren eng an das Lehrmuster der Apostel und des Herrn halten — zumal ihr Autor nicht beansprucht, inspiriert zu sein, sondern lediglich vom Herrn geleitet und gebraucht zu werden, um dessen Herde zu weiden.“

Bruder Russell behauptete nicht, übernatürliche Fähigkeiten oder göttliche Offenbarungen zu haben; noch wollte er die Ehre für das, was er lehrte, für sich in Anspruch nehmen. Er war ein hervorragender Erforscher der Bibel. Aber er erklärte, sein bemerkenswertes biblisches Verständnis sei „der einfachen Tatsache zu verdanken, daß Gottes rechte Zeit herbeigekommen“ sei. Er sagte: „Wenn ich nicht redete und kein anderer zu finden wäre, so würden sogar die Steine schreien.“ Er bezeichnete sich selbst lediglich als eine Art Zeigefinger, der auf das hinwies, was im Wort Gottes stand.

Charles Taze Russell suchte keine Ehre von Menschen. Um die Denkweise von Personen zu korrigieren, die dazu neigten, ihn über die Maßen zu verehren, schrieb Bruder Russell 1896: „Da wir dank der Gnade Gottes bis zu einem gewissen Grad im Dienst des Evangeliums gebraucht wurden, ist es hier vielleicht nicht fehl am Platz zu wiederholen, was wir schon oft privat und durch diese Zeilen gesagt haben: Wir wissen zwar die Liebe, die Zuneigung, das Vertrauen und die Gemeinschaft der Mitdiener und des gesamten Haushalts des Glaubens zu schätzen, doch wir möchten nicht, daß wir oder unsere Veröffentlichungen mit Ehre und Huldigung bedacht werden; noch wünschen wir, Ehrwürden oder Rabbi genannt zu werden. Auch wünschen wir nicht, daß sich irgend jemand nach unserem Namen nennt.“

Als sein Tod nahte, war er nicht der Ansicht, es gäbe nun nichts mehr zu lernen und nichts weiter zu tun. Er hatte oft davon gesprochen, einen siebten Band der Schriftstudien herauszubringen. Auf eine diesbezügliche Frage Menta Sturgeons, seines Reisegefährten, antwortete er: „Jemand anders kann ihn schreiben.“ In seinem Testament äußerte er den Wunsch, daß Der Wacht-Turm unter der Leitung eines Komitees, dessen Mitglieder dem Herrn völlig ergeben sind, weiterhin veröffentlicht werde. Er erklärte, die Männer, die in dieser Eigenschaft dienen würden, sollten „den Lehren der Heiligen Schrift völlig treu sein, besonders der Lehre vom Lösegeld, der Lehre, daß es keine Annahme bei Gott und keine Errettung zum ewigen Leben gibt, außer durch den Glauben an Christum und Gehorsam gegen sein Wort und den Geist desselben“.

Bruder Russell erkannte, daß es in Verbindung mit dem Predigen der guten Botschaft noch viel zu tun gab. Bei einer Frage-und-Antwort-Stunde in Vancouver (Britisch-Kolumbien, Kanada) im Jahre 1915 fragte man ihn, wann die damals lebenden geistgesalbten Nachfolger Christi damit rechnen könnten, ihren himmlischen Lohn zu empfangen. Er antwortete: „Das weiß ich nicht, doch es muß noch ein großes Werk durchgeführt werden. Und dazu werden wir Tausende von Brüdern und Geld in Millionenhöhe benötigen. Woher das alles kommen soll, weiß ich nicht — der Herr weiß, was er tut.“ Kurz bevor er 1916 seine letzte Vortragsreise antrat, auf der er starb, rief er A. H. Macmillan, der mit Verwaltungsaufgaben betraut war, in sein Büro. Bei dieser Gelegenheit sagte er: „Ich kann das Werk nicht mehr fortsetzen, und doch muß noch ein großes Werk durchgeführt werden.“ Die folgenden drei Stunden beschrieb er Bruder Macmillan das ausgedehnte Predigtwerk, das er gemäß der Bibel voraussah. Auf Bruder Macmillans Einwände entgegnete er: „Das ist kein Menschenwerk.“

Ein Wechsel in der Leitung führt zu Prüfungen

Viele Gefährten von Bruder Russell waren felsenfest davon überzeugt, daß der Herr alles überwachte. Auf der Beerdigung Bruder Russells erklärte W. E. Van Amburgh: „Gott hat viele Diener in der Vergangenheit gebraucht und wird es zweifellos auch in der Zukunft tun. Wir haben uns nicht einem Menschen oder dem Werk eines Menschen geweiht, sondern dazu, den Willen Gottes zu tun, wie er ihn uns durch sein Wort und durch seine göttliche Führung offenbaren wird. Gott steht noch am Steuer.“ An dieser Überzeugung hielt Bruder Van Amburgh bis zu seinem Tod fest.

Leider gab es auch Personen, die Russell angeblich sehr schätzten, aber eine ganz andere Einstellung verrieten. Demzufolge führte die veränderte Situation nach dem Tod Russells zu Prüfungen und Sichtungen. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Belfast (Irland), Kopenhagen (Dänemark), Vancouver und Victoria (Britisch-Kolumbien, Kanada) sowie an anderen Orten sagten sich abtrünnige Gruppen los. In Helsinki (Finnland) standen einige auf dem Standpunkt, daß es nach dem Tod Russells keinen Kanal für geistiges Licht mehr gäbe. Auf das Drängen einiger angesehener Persönlichkeiten hin verließen dort 164 Personen die Organisation. Wurde das von Gott gesegnet? Eine Zeitlang brachten sie ihre eigene Zeitschrift heraus und hielten ihre eigenen Zusammenkünfte ab. Mit der Zeit spaltete sich die Gruppe jedoch, schrumpfte und löste sich in nichts auf; viele kamen gern wieder zu den Zusammenkünften der Bibelforscher. Aber nicht alle kehrten zurück.

Der Tod von Bruder Russell und die darauffolgenden Entwicklungen waren auch für R. E. B. Nicholson, den Schriftführer des australischen Zweigbüros, ein Prüfstein, durch den sich zeigte, was wirklich in seinem Herzen war. Nach dem Tod Russells schrieb Nicholson: „Über ein Vierteljahrhundert habe ich ihn nicht nur wegen seiner Arbeit, sondern auch wegen seines wunderbaren Charakters geschätzt, mich an den Wahrheiten, die er als ‚Speise zur rechten Zeit‘ verkündet hat, und an seinem Rat erfreut und seine einfühlsame, freundliche, liebevolle Art bewundert, die auf so großartige Weise mit einer inneren Kraft und festen Entschlossenheit gepaart war, alles zu tun und zu wagen, um das, was er als den göttlichen Willen oder die Offenbarung Seines Wortes verstand, auszuführen. ... Zurück bleibt ein Gefühl der Einsamkeit, wenn einem bewußt wird, daß diese große Stütze nun nicht mehr unter uns weilt.“

Joseph F. Rutherford, der neue Präsident der Watch Tower Society, war nicht der Mann, den Nicholson gern in der Aufsichtsstellung gesehen hätte, die Bruder Russell innegehabt hatte. Nicholson kritisierte ganz offen die Direktheit, mit der in neuen Bibelstudienhilfsmitteln die falsche Religion verurteilt wurde. Bald darauf verließ er die Organisation, wobei er sich einen großen Teil des Eigentums der Gesellschaft aneignete (das er auf seinen Namen hatte eintragen lassen) und die Brüder in Melbourne mit sich riß, die ihrerseits zu ihm aufschauten. Wie konnte es dazu kommen? Offensichtlich war Nicholson einem Menschen nachgefolgt; als es diesen Menschen dann nicht mehr gab, verlor er seine Aufrichtigkeit, und sein Eifer im Dienst des Herrn kühlte ab. Kein einziger derjenigen, die sich damals lossagten, hatte Gelingen. Bemerkenswert ist allerdings, daß Jane Nicholson sich ihrem Mann in seinem abtrünnigen Lauf nicht anschloß, obwohl sie ein zartes Persönchen war. Sie war in erster Linie Jehova Gott ergeben und diente ihm bis zu ihrem Tod im Jahre 1951 als Vollzeitdienerin.

Viele erkannten, daß sich durch die Ereignisse in den Jahren nach dem Tod Bruder Russells der Wille des Herrn erfüllte. Ein Diener Jehovas aus Kanada äußerte sich dahin gehend in einem Brief an Bruder Rutherford:

„Lieber Bruder, verstehe das, was ich Dir schreibe, jetzt nicht falsch. Deine Art unterscheidet sich von der Art unseres lieben Bruders Russell wie Tag und Nacht. Viele, ach, unsagbar viele mochten Bruder Russell wegen seiner Persönlichkeit, seiner Art und vieler anderer Dinge; kaum einer lehnte sich gegen ihn auf. So mancher nahm die Wahrheit nur an, weil Bruder Russell es sagte. ... Dann verehrten viele allmählich den Menschen. ... Du weißt bestimmt noch, daß Bruder Russell auf einem Kongreß ganz offen über diese Schwäche vieler wohlmeinender Brüder sprach und seinen Vortrag dabei auf die Begebenheit mit Johannes und dem Engel stützte (Offb. 22:8, 9). Wir wissen alle, was passierte, als er von uns ging.

Aber Deine Art, Bruder Rutherford, läßt sich mit der von Bruder Russell nicht vergleichen. Selbst Dein Aussehen ist anders. Dafür kannst Du nichts. ... Es wurde Dir in die Wiege gelegt, und Du hattest keine andere Wahl. ... Seitdem Du über die Angelegenheiten der Gesellschaft gesetzt bist, wurdest Du von den Brüdern ungerechtfertigterweise kritisiert und aufs böswilligste verleumdet. Trotz alledem bist Du bis jetzt loyal geblieben und dem Herrn und seinem Auftrag aus Jesaja 61:1-3 ergeben. Wußte der Herr, was er tat, als er Dich an die Spitze stellte? Auf alle Fälle. Früher neigten wir alle dazu, eher das Geschöpf als den Schöpfer zu verehren. Das blieb dem Herrn nicht verborgen. Deshalb setzte er jemand an die Spitze, das heißt, er übertrug jemand die Verantwortung für das Erntewerk, der eine ganz andere Art hatte. Ich weiß, daß Du von niemand verehrt werden möchtest. Aber Du möchtest sehr wohl, daß jeder, der diesen so kostbaren Glauben teilt, an dem Licht teilhat, das nun den Pfad der Gerechten gemäß dem Gutdünken des Herrn erhellt. Und genau das möchte der Herr.“

Die Frage nach dem „treuen und klugen Knecht“ klären

Viele, die damals ausgesiebt wurden, hatten sich darauf versteift, daß der von Jesus in Matthäus 24:45-47 (EB) vorhergesagte „treue und kluge Knecht“, der an den Haushalt des Glaubens geistige Speise verteile, eine Einzelperson sei, und zwar Charles Taze Russell. Diese Ansicht wurde insbesondere nach seinem Tod einige Jahre lang im Wacht-Turm geäußert. Sie schien damals aufgrund der führenden Rolle, die Bruder Russell gespielt hatte, berechtigt zu sein. Er selbst förderte diese Ansicht nicht, räumte aber ein, daß die Argumente derer, die dafür waren, einleuchtend klangen. c Allerdings betonte er auch, wer vom Herrn in dieser Weise gebraucht werde, müsse demütig und eifrig darum bemüht sein, den Herrn zu ehren, und wenn der vom Herrn Auserwählte versage, werde er durch einen anderen ersetzt.

Je mehr und je heller das Licht der Wahrheit jedoch nach dem Tod Bruder Russells schien und je weiter sich das Predigtwerk ausdehnte, das Jesus vorhergesagt hatte, desto offensichtlicher wurde, daß der „treue und kluge Knecht“ (EB) oder der „treue und verständige Sklave“ (NW) mit dem Tod Bruder Russells nicht von der Bildfläche verschwunden war. 1881 hatte Bruder Russell selbst erklärt, dieser „Knecht“ sei die gesamte Gruppe treuer geistgesalbter Christen. Er verstand darunter einen kollektiven Knecht, eine Klasse von Personen, die vereint den Willen Gottes taten. (Vergleiche Jesaja 43:10.) Dieses Verständnis wurde von den Bibelforschern 1927 erneut bekräftigt. Jehovas Zeugen heute betrachten die Zeitschrift Der Wachtturm und ähnliche Publikationen als das Mittel, das der treue und verständige Sklave benutzt, um geistige Speise auszuteilen. Sie behaupten nicht, diese Sklavenklasse sei unfehlbar, aber sie betrachten sie als den einen Kanal, dessen sich der Herr in den letzten Tagen dieses Systems der Dinge bedient.

Als Stolz zum Hindernis wurde

Es gab allerdings auch Zeiten, wo manch einer in verantwortlicher Stellung sich selbst als den Kanal für geistiges Licht betrachtete und sich gegen alles stellte, was von der Organisation kam. Einige gaben einfach ihrem Wunsch nach, größeren Einfluß zu haben. Sie wollten andere dazu bringen, ihnen nachzufolgen, oder, wie der Apostel Paulus es ausdrückte, ‘die Jünger hinter sich her wegziehen’ (Apg. 20:29, 30). Das stellte natürlich die Beweggründe und das geistige Standvermögen derer, die sie abspenstig machen wollten, auf die Probe. Hier einige Beispiele:

Die Bibelforscher in Allegheny (Pennsylvanien) wurden mit speziellen Briefen zu einer Zusammenkunft am 5. April 1894 eingeladen. Bruder und Schwester Russell wurden nicht eingeladen und kamen auch nicht, aber ungefähr 40 Personen waren anwesend. In dem von E. Bryan, S. D. Rogers, J. B. Adamson und O. von Zech unterzeichneten Brief hieß es, daß in der Zusammenkunft Dinge besprochen würden, die für ihr Wohl von „höchster Wichtigkeit“ seien. Die Zusammenkunft erwies sich als ein böswilliger Versuch, andere aufzuhetzen. Die Verschwörer brachten angebliche Ungereimtheiten in den Geschäften Bruder Russells zur Sprache (obwohl die Tatsachen das Gegenteil bewiesen), behaupteten, Bruder Russell hätte zuviel Einfluß (den sie gern selbst gehabt hätten), und beschwerten sich darüber, daß er auf die Verbreitung des Evangeliums durch Druckschriften und auf Bibelklassenzusammenkünfte mehr Wert legte als auf das Halten von Vorträgen (in denen sie sich besser über ihre persönlichen Ansichten hätten auslassen können). Die Versammlung war durch diese Ereignisse tief beunruhigt, und etliche nahmen Anstoß. Aber diejenigen, die sich abwandten, wurden dadurch weder stärker im Glauben, noch setzten sie sich mit größerem Eifer im Werk des Herrn ein.

Über 20 Jahre später, kurz vor seinem Tod, äußerte Bruder Russell die Absicht, Paul S. L. Johnson, einen brillanten Redner, nach Großbritannien zu senden, um die Bibelforscher dort zu stärken. Aus Respekt vor dem Wunsch Bruder Russells sandte die Gesellschaft Johnson im November 1916 nach Großbritannien. Sobald er jedoch dort war, entließ er zwei Brüder, die von der Gesellschaft mit Führungsaufgaben betraut worden waren. Da er sich selbst als eine wichtige Persönlichkeit betrachtete, behauptete er in Ansprachen und Briefen, seine Tätigkeit sei in der Bibel von Esra, Nehemia und Mordechai vorgeschattet worden. Er beanspruchte, der in Jesu Gleichnis aus Matthäus 20:8 erwähnte Verwalter (oder Beauftragte) zu sein. Er versuchte, die Verfügungsgewalt über das Geld der Gesellschaft zu bekommen, und strengte deshalb vor dem Hohen Gerichtshof in London einen Prozeß an.

Als dieser Versuch vereitelt wurde, ging er zurück nach New York. Dort buhlte er um die Unterstützung bestimmter Personen, die im Vorstand der Gesellschaft waren. Diejenigen, die er auf seine Seite ziehen konnte, versuchten durch eine Resolution durchzusetzen, daß die Geschäftsordnung der Gesellschaft, die den Präsidenten ermächtigte, alle Angelegenheiten zu regeln, außer Kraft gesetzt würde. Sie wollten, daß alle Entscheidungsgewalt bei ihnen liege. Bruder Rutherford unternahm rechtliche Schritte, um die Interessen der Gesellschaft zu schützen, und alle, die deren Tätigkeit behindern wollten, wurden aufgefordert, das Bethelheim zu verlassen. Als man auf der Jahresversammlung der Anteilseigner der Gesellschaft Anfang des darauffolgenden Jahres den Vorstand mit seiner Geschäftsführung für das kommende Jahr wählte, wurden die Unruhestifter mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Ein paar von ihnen fühlten sich vielleicht im Recht, aber die meisten ihrer Glaubensbrüder zeigten unmißverständlich, daß sie nicht auf der Seite der Unruhestifter standen. Würden diese die Zurechtweisung annehmen?

P. S. L. Johnson tauchte danach bei den Zusammenkünften der Bibelforscher auf und gab sich den Anschein, mit ihren Glaubensansichten und ihrer Tätigkeit übereinzustimmen. Nachdem er jedoch das Vertrauen einiger gewonnen hatte, säte er Zweifel. Wenn jemand davon sprach, mit der Gesellschaft zu brechen, riet er heuchlerisch davon ab — so lange, bis die Loyalität der Gruppe ganz und gar erschüttert war. Durch Briefe und sogar Reisen versuchte er, nicht nur die Brüder in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Kanada, Jamaika, Europa und Australien zu beeinflussen. Hatte er Erfolg?

Dieser Eindruck konnte vielleicht entstehen, als in einer Versammlung die meisten dafür stimmten, sich von der Gesellschaft zu trennen. Aber sie glichen einem vom Baum abgesägten Ast — eine Zeitlang grün, dann verdorrt und abgestorben. Auf einem Kongreß der Gegner im Jahre 1918 traten Meinungsverschiedenheiten auf, und es kam zu einem Bruch. Danach spalteten sie sich immer mehr. Einige schlossen sich zu kleinen Sekten zusammen, die eine Zeitlang aktiv waren und einen Führer hatten, zu dem sie aufschauten. Kein einziger von ihnen setzte sich in dem Werk ein, das Jesus seinen Nachfolgern aufgetragen hatte, nämlich auf der ganzen bewohnten Erde von Gottes Königreich Zeugnis abzulegen.

Während all dieser Ereignisse erinnerten sich die Brüder an das, was in 1. Petrus 4:12 aufgezeichnet ist: „Geliebte, laßt euch das, was unter euch brennt und was euch als Prüfung widerfährt, nicht befremden, als ob euch etwas Befremdendes zustoße.“

Die eben erwähnten Personen waren nicht die einzigen, die zuließen, daß Stolz ihren Glauben untergrub. Es gab auch noch andere, wie zum Beispiel Alexandre Freytag, der Leiter des Zweigbüros in Genf (Schweiz). Er stand gern im Mittelpunkt, ließ seine persönlichen Ansichten einfließen, wenn er die Publikationen der Gesellschaft ins Französische übersetzte, und benutzte sogar die Einrichtungen der Gesellschaft, um seine eigenen Schriften herauszubringen. In Kanada stimmte W. F. Salter, der im Zweigbüro der Gesellschaft mit Führungsaufgaben betraut war, im Laufe der Zeit nicht mehr mit den Publikationen der Gesellschaft überein und verkündete, er erwarte, der nächste Präsident der Watch Tower Society zu werden; nachdem er entlassen worden war, benutzte er unbefugterweise den Briefkopf der Gesellschaft, um Versammlungen innerhalb und außerhalb Kanadas anzuweisen, von ihm verfaßte Schriften zu studieren. In Nigeria gehörte G. M. Ukoli zu denen, die anfangs voller Eifer für die Wahrheit waren, sich dann aber durch sie materiell bereichern und sich Ansehen verschaffen wollten. Als seine Pläne vereitelt wurden, griff er treue Brüder in der Presse scharf an. Und es gab noch mehr solche Fälle.

Selbst in neuerer Zeit offenbarten einige Personen in führenden Stellungen eine ähnliche Einstellung.

Natürlich hatten diese Personen die Freiheit, sich auszusuchen, was sie glauben wollten. Aber wer öffentlich oder privat für Ansichten eintritt, die von dem abweichen, was in den Publikationen einer Organisation steht, die er zu vertreten behauptet, verursacht Spaltungen. Wie gingen Jehovas Zeugen in solchen Situationen vor?

Sie leiteten keine Verfolgungskampagne gegen solche Leute ein (obwohl die Unruhestifter ihre ehemaligen Glaubensbrüder oftmals beschimpften), noch suchten sie ihnen körperlichen Schaden zuzufügen (wie das die katholische Kirche zur Zeit der Inquisition tat). Vielmehr folgten sie dem inspirierten Rat des Apostels Paulus, der schrieb: „[Behaltet] die im Auge ..., die Spaltungen hervorrufen und Ursachen zum Straucheln geben entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie. Denn Menschen von dieser Art sind Sklaven, nicht unseres Herrn Christus, ... durch glatte Worte und schmeichelhafte Reden verführen sie das Herz der Arglosen“ (Röm. 16:17, 18).

Andere, die diese Ereignisse beobachteten, erhielten dadurch ebenfalls die Gelegenheit zu zeigen, was in ihrem Herzen war.

Lehrpunkte, die noch besser verstanden werden mußten

Jehovas Zeugen geben ohne weiteres zu, daß sie ihr Verständnis in bezug auf den Vorsatz Gottes im Laufe der Jahre öfter korrigiert haben. Da die Erkenntnis über den Vorsatz Gottes zunimmt, muß es Veränderungen geben. Das heißt nicht, daß sich der Vorsatz Gottes verändert, sondern daß seine Diener aufgrund der kontinuierlichen Belehrung, die er ihnen gewährt, ihren Standpunkt korrigieren müssen.

Die Zeugen weisen anhand der Bibel darauf hin, daß dasselbe auch auf Gottes treue Diener in der Vergangenheit zutraf. Abraham hatte ein enges Verhältnis zu Jehova; aber als er aus Ur wegzog, wußte dieser Mann des Glaubens nicht, in welches Land Gott ihn führen würde, und viele Jahre lang war er sich überhaupt nicht sicher, wie Gott seine Verheißung, aus ihm eine große Nation zu machen, erfüllen würde (1. Mo. 12:1-3; 15:3; 17:15-21; Heb. 11:8). Gott offenbarte den Propheten viele Wahrheiten, aber es gab so manches, was sie damals nicht verstanden (Dan. 12:8, 9; 1. Pet. 1:10-12). Ebenso erklärte Jesus seinen Aposteln viele Dinge, aber selbst gegen Ende seines irdischen Lebens sagte er ihnen, daß es für sie noch viel zu lernen gab (Joh. 16:12). Manche Punkte — wie der Vorsatz Gottes, Heiden in die Versammlung zu bringen — konnten die Apostel nicht verstehen, bis sie dann die Erfüllung der Prophezeiung beobachten konnten (Apg. 11:1-18).

Wie zu erwarten, war es für manchen eine Prüfung, wenn er wegen solcher Veränderungen liebgewordene Ansichten aufgeben mußte. Zudem wurde das Verständnis nicht immer direkt, in einem Zug berichtigt. Aufgrund der Unvollkommenheit neigt man manchmal dazu, von einem Extrem ins andere zu fallen, bevor man eine Sache richtig beurteilt. Das kostet unter Umständen Zeit. Diejenigen, die gern schnell kritisieren, haben daran Anstoß genommen. Hier ein Beispiel:

Bereits 1880 wurden in den Wachtturm-Publikationen verschiedene Einzelheiten in Verbindung mit dem abrahamischen Bund, dem Gesetzesbund und dem neuen Bund besprochen. Die Christenheit hatte die Verheißung Gottes, daß sich durch Abrahams Samen alle Familien der Erde bestimmt segnen würden, aus den Augen verloren (1. Mo. 22:18). Aber Bruder Russell war lebhaft daran interessiert, wie Gott das bewerkstelligen würde. Er meinte, in der biblischen Beschreibung des jüdischen Versöhnungstages Hinweise darauf gefunden zu haben, wie das in Verbindung mit dem neuen Bund erreicht werden könnte. Als dieselben Bündnisse 1907 erneut besprochen wurden, wobei besonders betont wurde, welche Rolle die Miterben Christi beim Herbeiführen der Segnungen des abrahamischen Bundes für die Menschheit spielten, widersprachen einige Bibelforscher energisch.

Damals stand einem klaren Verständnis manches im Weg. Die Bibelforscher verstanden noch nicht richtig, welche Rolle das natürliche Israel nun in Gottes Vorsatz spielte. Dieser Punkt war erst dann kein Hindernis mehr, als ganz klar wurde, daß die Juden, als Volk gesehen, nicht daran interessiert waren, von Gott gebraucht zu werden, um sein prophetisches Wort zu erfüllen. Des weiteren verstanden die Bibelforscher nicht richtig, wer die „große Volksmenge“ aus Offenbarung 7:9, 10 war. Das klärte sich erst auf, als sich die Prophezeiung erfüllte und die große Volksmenge in Erscheinung trat. Auch diejenigen, die Bruder Russell heftig kritisierten, hatten kein klares Verständnis in bezug auf diese Fragen.

Einige, die vorgaben, Glaubensbrüder zu sein, warfen dem Wacht-Turm fälschlicherweise vor, Jesu Rolle als Mittler zwischen Gott und Menschen geleugnet und das Lösegeld sowie die Notwendigkeit einer Sühnung verworfen zu haben. Nichts von alledem stimmte. Aber zu denen, die das verbreiteten, gehörten angesehene Persönlichkeiten, die andere als Jünger hinter sich herzogen. Sie mögen in manchen Punkten, die sie in Verbindung mit dem neuen Bund lehrten, recht gehabt haben, aber segnete der Herr ihre Handlungsweise? Eine Zeitlang hielten ein paar von ihnen Zusammenkünfte ab, aber dann lösten sich die Gruppen auf.

Im Gegensatz dazu predigten die Bibelforscher die gute Botschaft weiter, wie Jesus seinen Jüngern geboten hatte. Gleichzeitig studierten sie weiterhin Gottes Wort und behielten Entwicklungen im Auge, die auf dessen Bedeutung Licht werfen könnten. In den 30er Jahren waren schließlich die gröbsten Hindernisse zu einem klaren Verständnis der Bündnisse aus dem Weg geräumt, so daß Berichtigungen zu diesem Thema im Wachtturm und in verwandten Publikationen erschienen. d Wie sehr sich diejenigen, die geduldig gewartet hatten, darüber freuten!

Lagen sie mit ihren Erwartungen richtig?

Mitunter hegten die Bibelforscher Hoffnungen und Erwartungen, derentwegen sie von Kritikern verspottet wurden. Alle diese Hoffnungen und Erwartungen entsprangen jedoch dem lebhaften Wunsch dieser eifrigen Christen, die Erfüllung der unfehlbaren Verheißungen Gottes mitzuerleben.

Durch ihr Studium der inspirierten Schriften wußten sie, daß Jehova verheißen hatte, alle Nationen der Erde durch den Samen Abrahams zu segnen (1. Mo. 12:1-3; 22:15-18). Dem Wort Gottes entnahmen sie die Verheißung, daß der Menschensohn als himmlischer König über die ganze Erde regieren wird und eine kleine Herde treuer Menschen von der Erde genommen wird, um mit ihm an seinem Königreich teilzuhaben und als Könige tausend Jahre zu regieren (Dan. 7:13, 14; Luk. 12:32; Offb. 5:9, 10; 14:1-5; 20:6). Ihnen war die Verheißung Jesu bekannt, wiederzukommen und diejenigen zu sich zu nehmen, für die er im Himmel eine Stätte bereitet hätte (Joh. 14:1-3). Sie waren vertraut mit der Verheißung, daß der Messias außerdem einige seiner treuen Vorfahren dazu erwählen wird, als Fürsten auf der ganzen Erde zu dienen (Ps. 45:16). Sie erkannten, daß die Bibel das Ende des bösen alten Systems der Dinge vorhersagte und daß das mit Harmagedon, dem Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen, zusammenhing (Mat. 24:3; Offb. 16:14, 16). Und sie waren sehr beeindruckt von Bibeltexten, die zeigen, daß die Erde erschaffen wurde, um für immer bewohnt zu werden, daß deren Bewohner in wahrem Frieden leben sollten und daß alle, die an das vollkommene menschliche Opfer Jesu Glauben ausüben, ewig im Paradies leben können (Jes. 2:4; 45:18; Luk. 23:42, 43; Joh. 3:16).

So war es nur natürlich, daß sie sich fragten, wann und wie sich das alles abspielen würde. Gab es in den inspirierten Schriften irgendwelche Anhaltspunkte?

Aufgrund einer Auslegung der biblischen Chronologie von Christopher Bowen aus England dachten sie, die 6 000 Jahre Menschheitsgeschichte hätten 1873 geendet und man befinde sich nun in der siebten Tausendjahrperiode der Menschheitsgeschichte und damit sicherlich kurz vor dem Beginn des vorhergesagten Millenniums. In der von C. T. Russell verfaßten Bücherserie Millennium-Tagesanbruch (später Schriftstudien genannt) wurde auf dementsprechende Folgerungen, die die Bibelforscher ihrem damaligen Verständnis gemäß aus der Bibel zogen, aufmerksam gemacht.

Das alle fünfzig Jahre wiederkehrende Jubeljahr, ein Erlaßjahr, das Gott im alten Israel eingeführt hatte, betrachtete man als weiteren eventuellen Zeithinweis. Das Jubeljahr folgte auf sieben Siebenjahrperioden, von denen jede mit einem Sabbatjahr endete. Während des Jubeljahrs wurden hebräische Sklaven freigelassen und alle Landerbteile, die verkauft worden waren, zurückgegeben (3. Mo. 25:8-10). Berechnungen, die auf diesem Zyklus von sieben Siebenjahrperioden beruhten, entnahm man, daß vielleicht ein größeres Jubeljahr für die ganze Erde im Herbst 1874 begonnen hatte, daß der Herr in jenem Jahr anscheinend wiedergekommen und nun unsichtbar gegenwärtig war und daß die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge“ gekommen waren (Apg. 3:19-21, EB).

Gestützt auf die Vorstellung, daß die Ereignisse des ersten Jahrhunderts in späteren Ereignissen eine Entsprechung finden würden, schlußfolgerten sie außerdem: Falls Jesu Taufe und Salbung im Herbst des Jahres 29 u. Z. dem Beginn der unsichtbaren Gegenwart im Jahre 1874 entspräche, würde sein Einritt in Jerusalem als König im Frühjahr 33 u. Z. auf den Frühling 1878 als die Zeit hinweisen, in der er seine Macht als himmlischer König übernehmen würde. e Zu dieser Zeit würden sie dann, wie sie dachten, auch ihren himmlischen Lohn empfangen. Als dem nicht so war, schlußfolgerten sie, daß von diesem Zeitpunkt an für alle gesalbten Nachfolger Jesu, die im Tod entschlafen waren, die Auferstehung zu geistigem Leben begonnen habe, da sie ja mit ihm an seinem Königreich teilhaben sollten. Gleichzeitig dachte man, das Ende der besonderen Gunst, die Gott den fleischlichen Israeliten bis 36 u. Z. erwiesen hatte, könnte ein Hinweis darauf sein, daß die besondere Gelegenheit, ein Teil des geistigen Israel zu werden, im Jahre 1881 endete. f

In dem Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“, den J. F. Rutherford am 21. März 1920 im Hippodrom in New York hielt, wurde auf das Jahr 1925 aufmerksam gemacht. Aus welchem Grund dachte man, dieses Jahr sei bedeutend? Wie in einer Broschüre, die ebenfalls 1920 herauskam, gezeigt wurde, ergäbe sich ein Hinweis auf das Jahr 1925, wenn man von dem vermeintlichen Zeitpunkt des Einzugs der Israeliten in das Land der Verheißung an 70 volle Jubeljahre zählen würde (statt nach dem letzten Jubeljahr vor dem Babylonischen Exil zu beginnen und dann bis zum Beginn des letzten Jubeljahres im 50. Zyklus zu zählen). Aufgrund dessen, was in der Broschüre gesagt wurde, hofften viele, daß die Übriggebliebenen der kleinen Herde 1925 ihren himmlischen Lohn empfangen würden. Für dieses Jahr rechnete man auch mit der Auferstehung treuer vorchristlicher Diener Gottes, die als irdische fürstliche Vertreter des himmlischen Königreiches dienen sollten. Wenn sich das wirklich so ereignet hätte, hätte es bedeutet, daß für die Menschheit eine Zeit angebrochen wäre, in der der Tod nicht mehr Herr ist, und Millionen damals Lebender hätten die Hoffnung haben können, niemals sterben zu müssen. Was für eine herrliche Aussicht! Voller Eifer erzählten sie anderen von ihren — wenn auch irrtümlichen — Erwartungen in Verbindung mit diesem Jahr.

Zwischen 1935 und 1944 stellte sich bei einer Prüfung des gesamten Rahmenbaus der biblischen Chronologie heraus, daß man sich bei der Berechnung der Chronologie aufgrund einer schlechten Übersetzung von Apostelgeschichte 13:19, 20 in der King-James-Bibel g und aufgrund anderer Faktoren um mehr als ein Jahrhundert vertan hatte. h Dadurch entstand später die Vorstellung — die teils als Möglichkeit, teils auch nachdrücklicher formuliert wurde —, daß die mit dem Anfang der Millenniumsherrschaft Christi verbundenen Ereignisse eventuell von 1975 an eintreten würden, weil in jenem Jahr das siebte Jahrtausend der Menschheitsgeschichte anbreche.

Erwiesen sich die Glaubensansichten der Zeugen Jehovas in diesen Punkten als richtig? Sie hatten sicherlich nicht unrecht, wenn sie glaubten, daß Gott seine Verheißungen auf alle Fälle erfüllen würde. Doch einige ihrer Berechnungen und Erwartungen, die sie damit verknüpften, führten zu großen Enttäuschungen.

In manchen Versammlungen in Frankreich und der Schweiz ging der Besuch der Zusammenkünfte nach 1925 drastisch zurück. Ebenso herrschte 1975 erneut Enttäuschung, als sich die Erwartungen in bezug auf den Beginn des Millenniums nicht erfüllten. Demzufolge zogen sich einige von der Organisation zurück. Andere wurden ausgeschlossen, weil sie versuchten, den Glauben ihrer Gefährten zu untergraben. Ein Grund dafür war ohne Zweifel die Enttäuschung über das Datum, aber in manchen Fällen lag das Problem tiefer. Einige Personen vertraten die Ansicht, man brauche nicht von Haus zu Haus zu predigen. Andere wiederum beließen es nicht nur dabei, ihren Weg zu gehen; sie arbeiteten erbittert gegen die Organisation, mit der sie einst verbunden waren, und verbreiteten ihre Ansichten über Presse und Fernsehen. Trotz allem war die Zahl der Abtrünnigen relativ klein.

Obwohl diese Prüfungen zu einer Sichtung führten und einige wie die Spreu waren, die vom Weizen getrennt und weggeblasen wird, blieben andere standhaft. Wieso? Jules Feller erklärte über die Erfahrung, die er und andere 1925 machten: „Wer sein ganzes Vertrauen in Jehova gesetzt hatte, blieb standhaft und setzte seine Predigttätigkeit fort.“ Sie erkannten, daß ein Fehler gemacht worden war, aber daß Gottes Wort in keinem Fall gefehlt hatte und es somit auch keinen Grund gab, die Hoffnung zu verlieren oder in dem Werk nachzulassen, durch das die Menschen auf Gottes Königreich als die einzige Hoffnung der Menschheit hingewiesen werden.

Einige Erwartungen hatten sich nicht erfüllt, aber das hieß nicht, daß die biblische Chronologie wertlos war. Die von Daniel aufgezeichnete Prophezeiung über das Erscheinen des Messias 69 Wochen nach dem „Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und wieder zu bauen“, erfüllte sich pünktlich im Jahre 29 u. Z. i (Dan. 9:24-27). Das Jahr 1914 war ebenfalls durch die biblische Prophetie gekennzeichnet.

1914 — Erwartung und Wirklichkeit

Im Jahre 1876 schrieb C. T. Russell den ersten von vielen Artikeln, in denen er darauf hinwies, daß 1914 die von Jesus erwähnten Zeiten der Nationen endeten (Luk. 21:24, EB). In dem 1889 veröffentlichten zweiten Band der Serie Millennium-Tagesanbruch unterbreitete Bruder Russell auf logische Weise Einzelheiten, die es dem Leser ermöglichten, die biblische Grundlage dafür zu erkennen und selbst nachzuprüfen. Vor 1914 verbreiteten die Bibelforscher in einem Zeitraum von nahezu vier Jahrzehnten Millionen von Publikationen, die das Ende der Zeiten der Nationen in den Brennpunkt rückten. Zwar nahmen ein paar andere religiöse Blätter gleichfalls Notiz von der biblischen Chronologie, die auf das Jahr 1914 hinwies, aber welche andere Gruppe außer den Bibelforschern machte sie laufend weltweit bekannt und bewies durch die Art und Weise, wie sie lebte, ihren Glauben daran, daß die Zeiten der Nationen in jenem Jahr enden würden?

Je näher das Jahr 1914 rückte, um so größer wurden die Erwartungen. Was würde es bringen? Im Schriftforscher (Band VI, Nr. 1, herausgegeben in Englisch Anfang 1914) schrieb Bruder Russell: „Wenn das Datum und die Chronologie stimmen, werden die Zeiten der Nationen dieses Jahr — also 1914 — enden. Was bedeutet das? Wir wissen es nicht genau. Wir erwarten, daß die messianische Herrschaft ungefähr dann beginnen wird, wenn die Zeit für die Nationen, in der ihnen die Macht gewährt wurde, abläuft. Gemäß unseren Erwartungen — ob richtig oder falsch — werden wunderbare Kundgebungen des göttlichen Gerichts gegen jegliche Ungerechtigkeit stattfinden, und das wird die Zerstörung vieler, wenn nicht aller Einrichtungen unserer Tage bedeuten.“ Er betonte, daß er 1914 nicht das „Ende der Welt“ erwarte und daß die Erde für immer bestehe, daß aber die gegenwärtige Ordnung der Dinge, deren Herrscher Satan ist, vergehen müsse.

Im Wacht-Turm vom Dezember 1913 hieß es: „Wir sagen, daß nach der besten chronologischen Berechnung, deren wir fähig sind, es sich um annähernd diese Zeit handelt — Oktober 1914 oder später. Ohne dogmatisieren zu wollen, erwarten wir gewisse Ereignisse: 1. das Aufhören der Zeiten der Nationen — der Oberherrschaft der Nationen in der Welt — und 2. die Aufrichtung des messianischen Königreiches in der Welt.“

Wie würde das geschehen? Damals schien es den Bibelforschern einleuchtend, daß das die Verherrlichung der von Gott Auserwählten einschloß, die mit Christus am himmlischen Königreich teilhaben sollten und noch auf der Erde waren. Aber was dachten sie, als dem 1914 nicht so war? Im Wacht-Turm vom 15. April 1916 (engl.) wurde gesagt: „Wir denken, daß sich die Daten als richtig erwiesen haben. Wir glauben, daß die Zeiten der Nationen abgelaufen sind.“ Dann wurde jedoch offen gesagt: „Der Herr sagte nicht, daß die gesamte Kirche 1914 verherrlicht würde. Wir schlußfolgerten das nur und irrten uns offensichtlich.“

In gewisser Hinsicht ähnelten sie den Aposteln Jesu. Die Apostel hatten die Prophezeiungen über Gottes Königreich gekannt und auch an sie geglaubt. Aber sie hegten wiederholt falsche Erwartungen, wenn es darum ging, inwiefern und wann sie sich erfüllen würden. Das führte bei einigen zu Enttäuschungen (Luk. 19:11; 24:19-24; Apg. 1:6).

Als der Oktober 1914 verstrich, ohne daß die erwartete Verwandlung zu himmlischem Leben stattfand, wußte Bruder Russell, daß die Herzen nun einer schweren Prüfung unterzogen würden. Im Wacht-Turm vom Februar 1915 (engl.: 1. November 1914) schrieb er: „Laßt uns uns stets daran erinnern, daß wir in der Prüfungsstunde stehen! Die Apostel hatten eine besonders schwere Prüfungsstunde in der Zeit zwischen den Tagen des Todes des Herrn und den Pfingsttagen. Nachdem der Herr ihnen nach seiner Auferstehung einigemal erschienen war, sahen sie ihn während vieler Tage nicht mehr. Sie wurden nach und nach entmutigt und sagten schließlich: ‚Es hat keinen Zweck, daß wir noch warten.‘ Einer sagte: ‚Ich gehe hin fischen!‘, und andere sagten zu ihm: ‚Auch wir gehen mit dir!‘ Sie waren entschlossen, das Werk des Menschenfischens wieder aufzugeben und ihren Fischereibetrieb wiederaufzunehmen. Sie befanden sich damals in einer besonderen Prüfungszeit. Ähnlich ist es auch heute. Wenn jemand sich aus irgendeinem Grunde bewogen fühlt, den Herrn und die Wahrheit zu verlassen und dem Herrn keine Opfer mehr darzubringen, so ist nicht die Liebe Gottes allein in seinem Herzen wirksam gewesen, sondern auch etwas anderes — vielleicht der Gedanke, daß die Zeit nur kurz sei und seine Weihung nur für eine bestimmte Zeit gelte.“

Das schien auf einige zuzutreffen. Ihre Gedanken und Wünsche hatten sich hauptsächlich um die Aussicht auf die Verwandlung zu himmlischem Leben gedreht. Als das zum erwarteten Zeitpunkt nicht geschah, wollten sie von der Bedeutung der erstaunlichen Dinge, die 1914 vor sich gingen, nichts mehr wissen. Sie verloren all die kostbaren Wahrheiten, die sie aus Gottes Wort gelernt hatten, aus den Augen und verspotteten diejenigen, die ihnen diese Wahrheiten nähergebracht hatten.

Demütig prüften die Bibelforscher die Bibel aufs neue, um ihren Standpunkt vom Wort Gottes korrigieren zu lassen. An ihrer Überzeugung, daß die Zeiten der Nationen 1914 abgelaufen waren, änderte sich nichts. Allmählich begriffen sie, wie das messianische Königreich seinen Anfang genommen hatte — daß es im Himmel aufgerichtet wurde, als Jehova seinen Sohn, Jesus Christus, mit Macht bekleidete, und daß dem nicht die Auferweckung der Miterben Jesu zu himmlischem Leben vorausgehen mußte, sondern daß sie später mit ihm verherrlicht würden. Außerdem erkannten sie, daß es zur Ausdehnung des Einflußbereichs des Königreiches nicht nötig war, zuerst die treuen Propheten der alten Zeit aufzuerwecken, sondern daß der König jetzt lebende loyale Christen als seine Vertreter gebrauchte, um Menschen aus allen Nationen die Gelegenheit zu geben, als irdische Untertanen dieses Königreiches ewig zu leben.

Weitere Prüfungen und Sichtungen folgten, als diese großartige Vision immer deutlicher wurde. Aber diejenigen, die Jehova wirklich liebten und ihm freudig dienten, waren für die Vorrechte des Dienstes, die sich ihnen nun eröffneten, ungemein dankbar (Offb. 3:7, 8).

Zu ihnen gehörte A. H. Macmillan. Er schrieb später: „Obwohl sich unsere Erwartung, im Jahre 1914 in den Himmel genommen zu werden, nicht erfüllte, liefen die Zeiten der Nationen ... in jenem Jahr ab. ... Wir ließen uns dadurch, daß sich unsere Erwartungen nur zum Teil erfüllten, nicht allzusehr beunruhigen, denn wir hatten mit dem Photo-Drama-Werk und mit der Lösung der durch den Krieg entstandenen Probleme alle Hände voll zu tun.“ Er setzte sich im Dienst Jehovas eifrig ein und beobachtete mit Begeisterung, wie die Zahl der Königreichsverkündiger zu seinen Lebzeiten auf gut über eine Million anstieg.

Rückblickend sagte er über das, was er mit der Organisation in 66 Jahren erlebt hatte: „Ich habe viele der schweren Prüfungen miterlebt, die über die Organisation kamen und durch die der Glaube ihrer Glieder erprobt wurde. Mit der Hilfe des Geistes Gottes hielt sie diesen Prüfungen jedoch stand und gedieh weiter.“ Über zwischenzeitliche Verbesserungen des Verständnisses sagte er: „Die biblischen Grundwahrheiten, die wir kennengelernt hatten, blieben unverändert. Ich erkannte, daß wir unsere Fehler zugeben und fortfahren sollten, Gottes Wort zu erforschen, um es noch besser zu verstehen. Irgendwelche Änderungen unserer Ansichten änderten nichts an der barmherzigen Loskaufsvorkehrung und an Gottes Verheißung des ewigen Lebens.“

In seinem Leben hatte Bruder Macmillan gesehen, daß die Bereitschaft zu predigen und die Wertschätzung für die theokratische Organisation zwei Punkte waren, die Glaubensprüfungen mit sich brachten und offenbarten, was wirklich im Herzen des einzelnen war. Inwiefern?

Predigtdienst und Organisation werden zu strittigen Fragen

Von der ersten Ausgabe von Zions Wacht-Turm an wurde jeder einzelne wahre Christ mit zunehmendem Nachdruck aufgefordert, anderen die Wahrheit zu verkündigen. Danach wurden die Leser des Wacht-Turms häufig ermuntert, sich des Vorrechts und der Verantwortung, anderen die gute Botschaft zu verkündigen, bewußt zu sein. Viele hatten einen begrenzten Anteil daran, aber relativ wenige gingen im Werk führend voran und predigten von Haus zu Haus, um jedem die Gelegenheit zu geben, die Königreichsbotschaft zu hören.

Vom Jahre 1919 an wurde die Beteiligung am Predigtdienst jedoch stärker in den Vordergrund gerückt. Bruder Rutherford legte darauf in jenem Jahr in einem Vortrag in Cedar Point (Ohio) größtes Gewicht. In jeder Versammlung, die von der Gesellschaft für den Dienst organisiert werden wollte, ernannte die Gesellschaft einen Dienstleiter, der sich um das Werk kümmern sollte. Er sollte die Führung übernehmen und dafür sorgen, daß die Versammlung das nötige Rüstzeug hatte.

Im englischen Wacht-Turm erschien 1922 ein Artikel mit dem Thema „Dienst unbedingt erforderlich“. Darin wurde darauf hingewiesen, daß die Menschen die gute Botschaft dringend hören mußten, und die Aufmerksamkeit wurde auf Jesu prophetischen Auftrag in Matthäus 24:14 gelenkt, wobei den Ältesten in den Versammlungen erklärt wurde: „Niemand sollte denken, nur weil er Ältester der Klasse ist, sein gesamter Dienst bestünde lediglich aus mündlichen Predigten. Wenn er die Gelegenheit hat, zu den Menschen zu gehen und ihnen die Botschaft in gedruckter Form in die Hand zu legen, so ist das ein großes Vorrecht und oft noch wirkungsvoller als irgendeine andere Art des Predigens.“ In dem Artikel wurde dann die Frage gestellt: „Kann jemand, der dem Herrn wirklich geweiht ist, zu einer solchen Zeit mit Recht untätig sein?“

Manche zögerten. Sie erhoben alle möglichen Einwände. Sie hielten es nicht für angebracht, „Bücher zu verkaufen“, obgleich das Werk nicht profitbringend war und sie durch ebendiese Publikationen die Wahrheit über Gottes Königreich kennengelernt hatten. Als von 1926 an dazu ermuntert wurde, am Sonntag mit den Büchern von Haus zu Haus zu predigen, sprachen sich einige dagegen aus, obwohl viele Menschen den Sonntag in der Regel für religiöse Dinge freihielten. Das Grundproblem war, daß sie meinten, es sei unter ihrer Würde, von Haus zu Haus zu predigen. Die Bibel sagt jedoch unmißverständlich, daß Jesus seine Jünger zum Predigen zu den Häusern der Menschen sandte, und der Apostel Paulus predigte „öffentlich und von Haus zu Haus“ (Apg. 20:20; Mat. 10:5-14).

Je stärker Nachdruck auf den Predigtdienst gelegt wurde, desto mehr zogen sich diejenigen zurück, deren Herz sie nicht drängte, Jesus und die Apostel als Zeugen nachzuahmen. Die Versammlung in Skive (Dänemark) und einige andere Versammlungen schrumpften auf etwa die Hälfte zusammen. Von den ungefähr hundert Personen, die mit der Versammlung in Dublin (Irland) verbunden waren, blieben nur vier übrig. In den Vereinigten Staaten, in Kanada, Norwegen und anderen Ländern kam es zu ähnlichen Prüfungen und Sichtungen. Dadurch wurden die Versammlungen gereinigt.

Alle, die den Sohn Gottes wirklich nachahmen wollten, sprachen auf die biblische Aufforderung gut an. Ihre Bereitwilligkeit machte es allerdings nicht unbedingt leicht für sie, von Haus zu Haus zu gehen. Manchen fiel der Anfang sehr schwer. Aber durch Vorkehrungen wie das gruppenweise Zeugnisgeben oder besondere Dienstversammlungen wurden sie angespornt. Zwei Schwestern im Norden Jütlands (Dänemark) erinnerten sich noch lange an ihren ersten Tag im Predigtdienst. Sie versammelten sich mit der Gruppe, hörten die Anweisungen und machten sich auf den Weg in ihr Gebiet, doch dann fingen sie an zu weinen. Zwei Brüder beobachteten das und luden die Schwestern ein, sie zu begleiten. Bald strahlten sie wieder. Nachdem alle ein wenig gepredigt hatten, sprudelten die meisten vor Freude über und wollten voller Begeisterung weiterpredigen.

Dann erschien 1932 im Wachtturm ein zweiteiliger Artikel mit dem Titel „Jehovas Organisation“ (in den Ausgaben vom 15. September und 1. Oktober). Darin wurde gezeigt, daß es unbiblisch sei, die Ältesten der Versammlungen in ihr Amt zu wählen. Die Versammlungen wurden aufgefordert, nur solche Männer in verantwortliche Stellungen einzusetzen, die im Predigtdienst tätig waren und damit der im Namen Jehovas Zeugen zum Ausdruck kommenden Verantwortung gemäß lebten. Diese Männer sollten ein Dienstkomitee bilden. Einer von ihnen wurde auf Empfehlung der Versammlung von der Gesellschaft zum Dienstleiter ernannt. In Belfast (Irland) wurden auf diese Weise noch mehr Personen ausgesiebt, denen es eher um persönliches Ansehen als um demütigen Dienst ging.

Bis Anfang der 30er Jahre hatten sich in Deutschland die meisten derer, die vom Predigtdienst abrieten, von den Versammlungen abgewandt. Einige andere zogen sich ängstlich zurück, als das Werk 1933 in vielen Ländern Deutschlands verboten wurde. Aber Tausende standen diese Glaubensprüfungen durch und waren bereit, ungeachtet der damit verbundenen Gefahren zu predigen.

Auf der ganzen Erde nahm die Verkündigung des Königreiches an Schwung zu. Der Predigtdienst wurde ein wichtiger Bestandteil im Leben der Zeugen Jehovas. Die Versammlung in Oslo (Norwegen) beispielsweise mietete am Wochenende Busse, die die Verkündiger in die umliegenden Städte brachten. Sie trafen sich frühmorgens, waren gegen neun oder zehn Uhr im Gebiet, predigten sieben bis acht Stunden und machten sich dann wieder gemeinsam auf den Heimweg. Andere fuhren mit dem Fahrrad aufs Land, die Büchertaschen und Kartons vollgepackt mit Literatur. Jehovas Zeugen taten voller Freude und Eifer vereint den Willen Gottes.

Als man 1938 der Ernennung verantwortlicher Männer in den Versammlungen j erneut Aufmerksamkeit schenkte, wurde es allgemein begrüßt, daß die Diener nun endgültig ihr Amt nicht mehr durch örtliche Wahlen erhielten. Die Versammlungen nahmen gern Resolutionen an, in denen Wertschätzung für die theokratische Organisation zum Ausdruck gebracht und „die Gesellschaft“ (darunter verstanden sie den gesalbten Überrest oder den treuen und verständigen Sklaven) gebeten wurde, die Versammlungen für den Dienst zu organisieren und alle Diener zu ernennen. Danach nahm die sichtbare leitende Körperschaft die nötigen Ernennungen vor und organisierte die Versammlungen, damit sie vereint und produktiv tätig sein konnten. Lediglich ein paar Gruppen stimmten damals nicht zu und zogen sich von der Organisation zurück.

Sich ausschließlich der Verbreitung der Königreichsbotschaft widmen

Die Organisation muß sich ausschließlich dem Werk widmen, das die Bibel für unsere Zeit gebietet, wenn sie weiterhin Jehovas Wohlgefallen haben möchte. Dieses Werk besteht im Predigen der guten Botschaft von Gottes Königreich (Mat. 24:14). Es gab einige wenige Personen, die zwar unermüdlich mit der Organisation zusammenarbeiteten, durch sie aber auch gleichzeitig Projekte fördern wollten, die ihre Gefährten von dieser Tätigkeit ablenken konnten. Als sie deswegen zurechtgewiesen wurden, war das für sie eine echte Prüfung, vor allem wenn sie meinten, edle Beweggründe gehabt zu haben.

Das geschah in Finnland im Jahre 1915, als einige Brüder eine Genossenschaft mit dem Namen Ararat gründeten und die Leser der finnischen Ausgabe des Wacht-Turms aufforderten, sich dieser wirtschaftlichen Vereinigung anzuschließen. Der Bruder, der diese Sache in Finnland angekurbelt hatte, reagierte demütig, als er von Bruder Russell darauf hingewiesen wurde, daß er und seine Gefährten „von dem wichtigen Werk des Evangelisierens abgelenkt worden waren“. Stolz hinderte hingegen einen anderen Bruder, der über ein Jahrzehnt lang in Norwegen im Dienst Jehovas tätig gewesen war, diesen Rat anzunehmen.

Während der 30er Jahre entstand in den Vereinigten Staaten ein ähnliches Problem. Eine Reihe Versammlungen gaben ihre eigenen monatlichen Dienstanweisungsblätter heraus, in denen sowohl Hinweise aus dem Bulletin der Gesellschaft als auch Erfahrungen und das Programm für Dienstvorkehrungen am Ort zu finden waren. In einem dieser Blätter, veröffentlicht in Baltimore (Maryland), wurde voller Begeisterung die Predigttätigkeit unterstützt, doch wurden auch bestimmte Geschäftsunternehmen gefördert. Bei einigen Blättern nahm Bruder Rutherford das anfangs stillschweigend hin. Als aber ersichtlich wurde, wozu die Verwicklung in solche Geschäfte führen konnte, hieß es im Wachtturm, daß die Gesellschaft derartiges nicht gutheiße. Das war für Anton Koerber eine echte Prüfung, denn er hatte in der Absicht gehandelt, den Brüdern dadurch finanziell unter die Arme zu greifen. Mit der Zeit setzte er jedoch all seine Fähigkeiten wieder für die Förderung des Predigtwerkes der Zeugen Jehovas ein.

Von 1938 an tauchte in Australien ein vergleichbares Problem auf, das sich noch verschärfte, als die Gesellschaft verboten war (von Januar 1941 bis Juni 1943). Das Zweigbüro der Gesellschaft ließ sich auf verschiedene kommerzielle Unternehmungen ein, um Bedürfnissen abzuhelfen, was damals berechtigt schien. Damit machte man einen großen Fehler. Man besaß Sägemühlen, über 20 „Königreichsfarmen“, ein Ingenieurbüro, eine Bäckerei und andere Unternehmen. In zwei kommerziellen Druckereien wurden während des Verbots unbemerkt die Publikationen der Gesellschaft weiter hergestellt. Aber durch einige wirtschaftliche Unternehmungen, die unter dem Vorwand geführt wurden, dadurch Geldmittel verfügbar zu haben und die Pioniere in der Verbotszeit zu unterstützen, wurde die christliche Neutralität verletzt. Manche hatten heftige Gewissensbisse. Die meisten blieben zwar in der Organisation, aber das Königreichspredigtwerk im allgemeinen stagnierte auf einmal. Was hielt den Segen Jehovas zurück?

Als das Verbot des Werkes im Juni 1943 aufgehoben wurde, wurde den Brüdern im Zweigbüro klar, daß diese Unternehmen aufgelöst werden mußten und man sich statt dessen auf das überaus wichtige Königreichspredigtwerk konzentrieren sollte. Das erreichte man innerhalb von drei Jahren, und die Bethelfamilie wurde auf eine normale Größe reduziert. Dennoch mußte die Sache noch vollends bereinigt werden, um das Vertrauen zur Organisation völlig wiederherzustellen.

Nathan H. Knorr, der Präsident der Gesellschaft, und sein Sekretär M. G. Henschel kamen 1947 speziell nach Australien, um diese Situation zu klären. In einem Bericht über diese geschäftlichen Betätigungen hieß es im Wachtturm vom 1. September 1947: „Es handelte sich dabei nicht um die weltliche Tagesarbeit von Geschwistern, die ihr Leben verdienen, sondern darum, daß sich das Zweigbüro der Gesellschaft mit verschiedenen Industriezweigen befaßte und Verkündiger aus allen Teilen des Landes herbeirief, besonders Pioniere, damit sie in diesen Industrien statt im Predigtdienste des Evangeliums arbeiteten.“ Dadurch waren sie indirekt sogar in Kriegsanstrengungen verwickelt. Bruder Knorr sprach mit den Brüdern auf den Kongressen in jeder Provinzhauptstadt in aller Deutlichkeit über diese Sache. Auf jedem Kongreß wurde eine Resolution angenommen, in der die australischen Brüder ihren Fehler eingestanden und Jehova durch Jesus Christus um Barmherzigkeit und Vergebung baten. Die Organisation mußte, um weiterhin im Verbreiten der Botschaft vom Königreich Gottes völlig aufgehen zu können, manche Prüfungen bestehen und wachsam sein.

Wenn Jehovas Zeugen auf ihre neuzeitliche Geschichte zurückblicken, sehen sie deutlich, daß Jehova sein Volk wirklich geläutert hat (Mal. 3:1-3). Falsche Standpunkte, Glaubensansichten und Praktiken wurden nach und nach aufgegeben, und wer unbedingt daran festhalten wollte, verschwand mit ihnen. Die übrigen sind nicht bereit gewesen, in bezug auf die biblische Wahrheit zugunsten menschlicher Philosophien Kompromisse einzugehen. Sie folgen nicht Menschen nach, sondern sind ergebene Diener Jehovas. Sie folgen gern der Führung der Organisation, weil sie klar erkannt haben, daß es sich um Jehovas Organisation handelt. Sie freuen sich über das fortschreitende Licht der Wahrheit (Spr. 4:18). Jeder einzelne betrachtet es als ein großartiges Vorrecht, ein eifriger Zeuge Jehovas und Verkündiger des Königreiches Gottes zu sein.

[Fußnoten]

a Zions Wacht-Turm und Verkünder der Gegenwart Christi, Sonderausgabe vom 25. April 1894 (engl.), Seite 102—104.

b Zur Dreieinigkeit siehe die New Catholic Encyclopedia, 1967, Band XIV, Seite 299; Dictionary of the Bible von J. L. McKenzie, S. J., 1965, Seite 899; The New International Dictionary of New Testament Theology, 1976, Band 2, Seite 84. Zur Seele siehe die New Catholic Encyclopedia, 1967, Band XIII, Seite 449, 450, 452, 454; The New Westminster Dictionary of the Bible, herausgegeben von H. S. Gehman, 1970, Seite 901; The Interpreter’s Bible, 1952, Band I, Seite 230; Peake’s Commentary on the Bible, herausgegeben von M. Black und H. H. Rowley, 1962, Seite 416.

c Wie Bruder Russell erklärte, wandte seine Frau, die ihn später verließ, als erste Matthäus 24:45-47 auf ihn an. Siehe Wacht-Turm vom April 1907, Seite 50, 51; 1. März 1896 (engl.), Seite 47 und 15. Juni 1896 (engl.), Seite 139, 140.

d Rechtfertigung, Band 2, Seite 258—260, 268, 269; Der Wachtturm, 1. Mai 1934, Seite 131 bis 139; 15. Mai 1934, Seite 147—154; 1. September 1935, Seite 259—269.

e Daß das Jahr 1878 ein bedeutsames Jahr wäre, schien durch den Hinweis auf Jeremia 16:18 (‘Jakobs Zwiefaches’, EB) und durch Berechnungen bekräftigt zu werden, die zeigten, daß zwischen Jakobs Tod und dem Jahr 33 u. Z., in dem das fleischliche Israel verworfen wurde, offensichtlich 1 845 Jahre verstrichen und daß sich das Doppel dieser Zeit (‘Zwiefache’) von 33 u. Z. bis 1878 erstreckte.

f Man zog die Parallele noch weiter und erklärte, daß die Verwüstung Jerusalems im Jahre 70 u. Z. (37 Jahre nachdem Jesu Jünger ihm bei seinem Einritt in Jerusalem als König zujubelten) möglicherweise auf das Jahr 1915 hindeute (37 Jahre nach 1878), in dem anarchistische Aufstände, die Gott, wie man meinte, zulassen werde, um den bestehenden Einrichtungen der Welt ein Ende zu machen, ihren Höhepunkt finden würden. Diese Jahreszahl erschien in den Neuauflagen der Schriftstudien. (Siehe Band 2, Seite 99—101, 171, 221, 232, 246, 247 in Englisch; vergleiche die Neuauflage von 1914 mit älteren Auflagen, wie der Auflage der Serie Millennium-Tagesanbruch von 1902.) Das paßte allem Anschein nach gut mit dem zusammen, was bis dahin über das Jahr 1914 veröffentlicht worden war, das das Ende der Zeiten der Nationen kennzeichnete.

g Vergleiche die Wiedergabe in der Emphasised Bible, einer Übersetzung von J. B. Rotherham; siehe auch die Fußnote zu Apostelgeschichte 13:20 in der Neuen-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen.

h Siehe „Die Wahrheit wird euch frei machen“, Kapitel 11; „Das Königreich ist herbeigekommen“, Seite 164—171; außerdem das Goldene Zeitalter vom 27. März 1935 (engl.), Seite 391, 412. Aus diesen korrigierten Aufstellungen der biblischen Chronologie war klar ersichtlich, daß die genannten Daten, 1873 und 1878, sowie andere damit zusammenhängende Daten, die aufgrund von Parallelen zu Ereignissen im ersten Jahrhundert davon abgeleitet worden waren, auf Mißverständnissen beruhten.

j Siehe Kapitel 15: „Die Entwicklung der organisatorischen Struktur“.

[Herausgestellter Text auf Seite 619]

Das Prüfen und Sichten kam nicht überraschend

[Herausgestellter Text auf Seite 621]

Sie lassen sich „vom Worte des Herrn nicht abbringen“

[Herausgestellter Text auf Seite 623]

„Wir möchten nicht, daß wir oder unsere Veröffentlichungen mit Ehre und Huldigung bedacht werden“

[Herausgestellter Text auf Seite 624]

„Gott steht noch am Steuer“

[Herausgestellter Text auf Seite 626]

Der „treue und kluge Knecht“ war mit dem Tod Bruder Russells nicht von der Bildfläche verschwunden

[Herausgestellter Text auf Seite 627]

Ein böswilliger Versuch, andere aufzuhetzen

[Herausgestellter Text auf Seite 628]

Einige ließen zu, daß Stolz ihren Glauben untergrub

[Herausgestellter Text auf Seite 629]

‘Behaltet die im Auge, die Spaltungen hervorrufen, und meidet sie’

[Herausgestellter Text auf Seite 630]

Einige warfen dem „Wacht-Turm“ fälschlicherweise vor, das Lösegeld verworfen zu haben

[Herausgestellter Text auf Seite 635]

„Wir schlußfolgerten das nur und irrten uns offensichtlich“

[Herausgestellter Text auf Seite 636]

Diejenigen, die Jehova wirklich liebten, waren für die Vorrechte des Dienstes, die sich ihnen nun eröffneten, dankbar

[Herausgestellter Text auf Seite 638]

Kann jemand, der dem Herrn wirklich geweiht ist, zu einer solchen Zeit mit Recht untätig sein?“

[Herausgestellter Text auf Seite 641]

Falsche Standpunkte, Glaubensansichten und Praktiken wurden nach und nach aufgegeben

[Kasten/Bild auf Seite 622]

W. E. Van Amburgh

W. E. Van Amburgh erklärte 1916: „Dieses große, weltweite Werk ist nicht das einer Person. ... Es ist Gottes Werk.“ Obwohl er miterlebte, wie andere sich abwandten, hielt er an dieser Überzeugung fest, bis er 1947 im Alter von 83 Jahren starb.

[Kasten/Bild auf Seite 633]

Jules Feller

Als junger Mann erlebte Jules Feller schwere Glaubensprüfungen mit. Manche Versammlungen in der Schweiz schrumpften auf die Hälfte und noch weniger zusammen. Er schrieb jedoch später: „Wer sein ganzes Vertrauen in Jehova gesetzt hatte, blieb standhaft und setzte seine Predigttätigkeit fort.“ Bruder Feller war entschlossen, das ebenfalls zu tun, und stand im Jahre 1992 bereits 68 Jahre im Betheldienst.

[Kasten/Bild auf Seite 634]

C. J. Woodworth

C. J. Woodworth schrieb an jemanden, der den Dienst Jehovas aufgab, weil die gesalbten Nachfolger Jesu Christi 1914 nicht in den Himmel kamen, das folgende:

„Vor zwanzig Jahren glaubten wir beide an die Kindtaufe; an das göttliche Recht der Geistlichkeit, diese Taufe vorzunehmen; daran, daß die Taufe erforderlich ist, um der ewigen Qual zu entgehen; daß Gott Liebe ist; daß Milliarden Geschöpfe von Gott in seinem Bildnis erschaffen wurden und weiterhin erschaffen werden, die sich bis in alle Ewigkeit in den beißenden Schwaden brennenden Schwefels befinden werden und vergeblich um einen Tropfen Wasser betteln, um ihre Qualen zu lindern ...

Wir glaubten, daß ein Mensch nach dem Tod lebt; wir glaubten, daß Jesus Christus nie starb; daß er nicht sterben konnte; daß niemals ein Lösegeld bezahlt wurde oder bezahlt wird; daß Jehova Gott und sein Sohn, Jesus Christus, ein und dieselbe Person sind; daß Christus sein eigener Vater war; daß Jesus sein eigener Sohn war; daß der heilige Geist eine Person ist; daß eins plus eins plus eins eins ergibt; daß Jesus, als er am Kreuz hing und sagte: ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘, lediglich mit sich selbst redete; ... daß heutige Reiche zum Königreich Christi gehören; daß sich der Teufel irgendwo weit weg in einer unauffindbaren Hölle befindet, statt die Reiche dieser Erde zu beherrschen ...

Ich danke Gott für den Tag, an dem die ,gegenwärtige Wahrheit‘ in mein Haus kam. Sie war so heilsam, so erfrischend für Herz und Sinn, daß ich den Humbug und das Gewäsch der Vergangenheit schnell hinter mir ließ und von Gott gebraucht wurde, um auch Dir die blinden Augen zu öffnen. Wir freuten uns gemeinsam an der Wahrheit und arbeiteten fünfzehn Jahre lang Seite an Seite zusammen. Der Herr hat Dir die Ehre gegeben, als Sprachrohr zu dienen; ich kenne keinen, der die Torheiten Babylons so unsinnig erscheinen lassen konnte wie Du. In Deinem Brief fragst Du: ‚Was geschieht jetzt?‘ Ach, das ist das traurigste an der ganzen Sache. Jetzt geschieht, daß Du Deinem Herzen erlaubst, Dich gegen denjenigen zu verbittern, auf dem der Segen von oben ruht und dessen liebevolle, harte Arbeit die Wahrheit in unser beider Herzen brachte. Du gingst fort und hast einige Schafe mitgenommen. ...

Wahrscheinlich findest Du mich lächerlich, weil ich am 1. Oktober 1914 nicht in den Himmel kam, aber ich finde Dich nicht lächerlich — o nein!

In einer Zeit, in der sich zehn der mächtigsten Nationen der Erde in Todesqualen winden, scheint es mir völlig fehl am Platz, den Mann verspotten zu wollen, der als einziger vierzig Jahre lang gelehrt hat, daß die Zeiten der Nationen 1914 enden.“

Der Glaube von Bruder Woodworth wurde nicht erschüttert, als die Ereignisse im Jahre 1914 nicht wie erwartet abliefen. Ihm wurde lediglich klar, daß es noch viel zu lernen gab. Wegen seiner festen Überzeugung in Verbindung mit dem Vorsatz Gottes verbrachte er von 1918 bis 1919 neun Monate im Gefängnis. Später diente er als verantwortlicher Redakteur der Zeitschriften „Das Goldene Zeitalter“ und „Trost“. Er blieb treu im Glauben und hielt loyal zur Organisation Jehovas, bis er 1951 im Alter von 81 Jahren starb.

[Kasten/Bild auf Seite 637]

A. H. Macmillan

„Ich habe gelernt, daß es besser ist, geduldig zu warten, bis uns Jehova gewisse Dinge in der Bibel erkennen läßt, als sich wegen eines neuen Gedankens beunruhigen zu lassen. Wir erwarteten bisweilen von einem bestimmten Datum mehr, als uns die Bibel zu erwarten berechtigte. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht, aber das änderte nichts an Gottes Vorhaben.“

[Bilder auf Seite 620]

Ein entscheidender Prüfstein war der Glaube an den sündensühnenden Wert des Opfers Jesu

[Bilder auf Seite 625]

Einige, die Russell sehr schätzten, verrieten durch ihre Reaktion auf Rutherfords Wesensart, wem sie wirklich dienten

[Bilder auf Seite 639]

Als mehr Nachdruck auf den Predigtdienst gelegt wurde, zogen sich viele zurück; andere zeigten noch größeren Eifer

„Der Wacht-Turm“, 1. April 1928 (engl.)

„Der Wacht-Turm“, 15. Juni 1927 (engl.)

„Der Wacht-Turm“, 15. August 1922 (engl.)

[Bilder auf Seite 640]

Als die theokratische Organisation in den Vordergrund gerückt wurde, wurden diejenigen ausgesiebt, die nach persönlichem Ansehen strebten