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Teil 1 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Teil 1 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Kapitel 22

Teil 1 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Dies ist der erste von fünf Teilen eines Kapitels, in dem berichtet wird, wie sich die Tätigkeit der Zeugen Jehovas über die ganze Erde ausgedehnt hat. Teil 1, der die Zeit von den 1870er Jahren bis 1914 behandelt, geht von Seite 404 bis 422. Die menschliche Gesellschaft hat sich nie von den Erschütterungen des Ersten Weltkrieges erholt, der 1914 begann. Dieses Jahr hatten die Bibelforscher schon lange mit dem Ende der Zeiten der Nationen gleichgesetzt.

EHE Jesus Christus zum Himmel auffuhr, gab er seinen Aposteln einen Auftrag. Er erklärte: „Ihr werdet Zeugen von mir sein ... bis zum entferntesten Teil der Erde“ (Apg. 1:8). Er hatte auch vorausgesagt: „Diese gute Botschaft vom Königreich wird auf der ganzen bewohnten Erde gepredigt werden, allen Nationen zu einem Zeugnis“ (Mat. 24:14). Dieses Werk wurde im ersten Jahrhundert nicht abgeschlossen. Ein Großteil ist in der Neuzeit getan worden. Und es ist wirklich begeisternd, zu lesen, was von den 1870er Jahren bis zur Gegenwart geleistet wurde.

Charles Taze Russell wurde durch seine weithin angekündigten biblischen Vorträge zwar zu einer bekannten Persönlichkeit, aber ihm war nicht lediglich an großen Zuhörerschaften gelegen, sondern an Menschen. Daher unternahm er bald nach 1879, dem Jahr, als er mit der Herausgabe des Wacht-Turms begann, ausgedehnte Reisen, um kleine Gruppen von Lesern der Zeitschrift zu besuchen und mit ihnen über biblische Gedanken zu sprechen.

C. T. Russell ermutigte diejenigen, die an die kostbaren Verheißungen aus Gottes Wort glaubten, sich daran zu beteiligen, sie anderen zu überbringen. Wer von dem Gelernten tief im Innersten berührt war, tat genau das mit echtem Eifer. Zur Förderung des Werkes wurden Druckerzeugnisse bereitgestellt. Anfang 1881 erschien eine Reihe von Traktaten. Material daraus wurde dann zusammen mit Zusatzinformationen in Form der umfangreicheren Publikation Speise für denkende Christen herausgegeben, von der 1 200 000 Exemplare zur Verbreitung hergestellt wurden. Aber wie könnte die kleine Schar Bibelforscher (damals an die 100) das alles verbreiten?

Kirchgänger angesprochen

Einen Teil gab man an Verwandte und Freunde weiter. Eine Anzahl Zeitungen erklärte sich bereit, allen ihren Abonnenten ein Exemplar zuzusenden. (Man konzentrierte sich auf wöchentlich und monatlich erscheinende Zeitungen, damit die Veröffentlichung Speise für denkende Christen vielen Bewohnern ländlicher Gegenden zukäme.) Aber zum größten Teil verbreitete man die Publikation an mehreren aufeinanderfolgenden Sonntagen vor Kirchen in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien. Da es nicht so viele Bibelforscher gab, daß sie alles allein bewältigen konnten, engagierte man Helfer.

Bruder Russell sandte zwei Mitarbeiter, J. C. Sunderlin und J. J. Bender, nach Großbritannien, damit sie sich dort um die Verteilung von 300 000 Exemplaren kümmerten. Bruder Sunderlin ging nach London, während Bruder Bender in den Norden, nach Schottland, reiste und von da aus in Richtung Süden arbeitete. Man konzentrierte sich auf Großstädte. Durch Zeitungsanzeigen wurden geeignete Männer ausfindig gemacht, die man damit beauftragen konnte, für die Verbreitung einer bestimmten Anzahl von Exemplaren genügend Helfer zu suchen. Allein in London wurden fast 500 Verteiler angeworben. Die Arbeit wurde rasch erledigt — an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen.

Im selben Jahr wurde dafür gesorgt, daß Bibelforscher, die in der Lage waren, die Hälfte ihrer Zeit oder mehr dem Werk des Herrn zu widmen, als Kolporteure dienen konnten, um Literatur für das Bibelstudium zu verbreiten. Diese Vorläufer der heutigen Pioniere leisteten im Hinaustragen der guten Botschaft wirklich Bemerkenswertes.

In den nächsten zehn Jahren verfaßte Bruder Russell verschiedene Traktate, mit denen es leicht war, anderen einige der herausragenden neugelernten Wahrheiten der Bibel zu vermitteln. Er schrieb auch mehrere Bände des Werkes Millennium-Tagesanbruch (später Schriftstudien genannt). Dann begab er sich persönlich auf Evangelisierungsreisen in andere Länder.

Russell reist ins Ausland

Im Jahre 1891 besuchte er Kanada, wo seit 1880 so viel Interesse geweckt worden war, daß nun in Toronto ein Kongreß mit 700 Teilnehmern stattfinden konnte. Er reiste 1891 auch nach Europa, um zu sehen, was dort für die Ausbreitung der Wahrheit getan werden könnte. Die Reise führte ihn nach Irland, Schottland, England, in viele Länder des europäischen Festlandes, nach Rußland (in das heutige Moldawien) und in den Nahen Osten.

Zu welchem Schluß kam er durch seine Kontakte auf dieser Reise? „In Rußland beobachteten wir keine Öffnung oder Bereitschaft für die Wahrheit ... Wir sahen nichts, was uns auf eine Ernte in Italien, der Türkei, in Österreich oder Deutschland hoffen lassen würde“, berichtete er. „Aber Norwegen, Schweden, Dänemark, die Schweiz und besonders England, Irland und Schottland sind Felder, die reif sind und auf die Ernte warten. Diese Felder scheinen zu rufen: ‚Komm herüber und hilf uns!‘ “ Es war eine Zeit, in der die katholische Kirche noch das Lesen der Bibel verbot, in der viele Protestanten ihre Kirche verließen und in der etliche, von ihrer Kirche enttäuscht, die Bibel ganz und gar verwarfen.

Um diesen geistig Hungernden zu helfen, unternahm man nach Bruder Russells Reise von 1891 größere Anstrengungen, Literatur in die Sprachen Europas zu übersetzen. Außerdem sorgte man dafür, daß in London Literatur gedruckt und gelagert wurde, damit sie in Großbritannien leichter zu erhalten wäre. Das britische Feld stellte sich tatsächlich als reif für die Ernte heraus. Im Jahre 1900 gab es dort bereits neun Versammlungen und insgesamt 138 Bibelforscher — darunter einige eifrige Kolporteure. Als Bruder Russell 1903 Großbritannien erneut besuchte und die Ansprache „Die Hoffnung und die Aussicht auf das Millennium“ hielt, versammelten sich 1 000 Zuhörer in Glasgow, 800 in London und 500 bis 600 in anderen Städten.

Was Italien betraf, bestätigten sich Bruder Russells Bedenken allerdings, denn nach seinem Besuch vergingen 17 Jahre, bis in Pinerolo die erste Versammlung der Bibelforscher in diesem Land gegründet wurde. Und wie stand es mit der Türkei? Ende der 1880er Jahre hatte Basil Stephanoff in Mazedonien gepredigt, das damals zum europäischen Teil der Türkei gehörte. Einige Leute schienen zwar Interesse zu haben, aber dann machten angebliche Brüder Falschaussagen, die zu seiner Inhaftierung führten. Erst 1909 hieß es in dem Brief eines Griechen aus Smyrna (heute Izmir) in der Türkei, daß dort eine Gruppe voller Wertschätzung die Wachtturm-Publikationen studierte. Nach Österreich kehrte Bruder Russell 1911 selbst zurück, um in Wien einen Vortrag zu halten, doch die Zusammenkunft wurde vom Pöbel gesprengt. Auch in Deutschland ließ eine positive Reaktion auf sich warten. Die Skandinavier hingegen waren sich ihrer geistigen Bedürfnisse anscheinend stärker bewußt.

Skandinavier helfen sich gegenseitig

Viele Schweden lebten in Amerika. 1883 sollte ein Probeexemplar des ins Schwedische übersetzten Wacht-Turms unter ihnen verbreitet werden. Die Ausgaben gelangten bald darauf mit der Post zu Freunden und Verwandten nach Schweden. Norwegische Literatur war bis dahin nicht hergestellt worden. Doch 1892, ein Jahr nach Bruder Russells Europareise, kehrte Knud Pederson Hammer, ein Norweger, der die Wahrheit in Amerika kennengelernt hatte, nach Norwegen zurück, um seinen Verwandten Zeugnis zu geben.

Im Jahre 1894, als Publikationen in Dänisch-Norwegisch herausgebracht wurden, sandte man Sophus Winter, einen 25jährigen Amerikaner dänischer Herkunft, nach Dänemark und gab ihm einen Literaturvorrat zum Verbreiten. Bis zum darauffolgenden Frühjahr hatte er 500 Bände der Serie Millennium-Tagesanbruch abgegeben. Innerhalb kurzer Zeit schlossen sich ihm einige andere, die die Veröffentlichungen gelesen hatten, in dem Werk an. Leider betrachtete er später sein kostbares Vorrecht mit Geringachtung, aber dafür ließen andere das Licht weiter leuchten.

Ehe Winter seinen Dienst aufgab, war er jedoch eine Zeitlang in Schweden als Kolporteur tätig. Bald darauf entdeckte August Lundborg, ein junger Heilsarmeehauptmann, als er bei einem Freund auf der Insel Sturkö zu Besuch war, zwei Bände des Werkes Millennium-Tagesanbruch. Er borgte sie sich, las sie begierig, trat aus der Kirche aus und sprach mit den Leuten über das Gelernte. Einem anderen jungen Mann, P. J. Johansson, gingen die Augen auf, nachdem er ein Traktat gelesen hatte, das auf einer Parkbank lag.

Als die schwedische Gruppe größer wurde, gingen einige nach Norwegen, um biblische Literatur zu verbreiten. Doch schon vorher hatten in Norwegen einzelne mit der Post Literatur von Angehörigen aus Amerika erhalten. So war es gekommen, daß Rasmus Blindheim den Dienst für Jehova aufgenommen hatte. Zu denen, die in diesen Anfangsjahren in Norwegen die Wahrheit annahmen, gehörte Theodor Simonsen, ein Prediger der Freien Mission. In seinen Ansprachen in der Freien Mission begann er, die Höllenfeuerlehre zu widerlegen. Seine Zuhörer sprangen vor Begeisterung über diese wunderbare Botschaft auf, aber als sich herausstellte, daß er mit der „Millennium-Tagesanbruch“-Bewegung in Berührung gekommen war, entließ ihn die Kirche. Dennoch sprach er unverdrossen weiter über seine erfreulichen neugelernten Kenntnisse. Ein anderer junger Mann, der einige Veröffentlichungen in die Hände bekam, war Andreas Øiseth. Als er überzeugt war, die Wahrheit gefunden zu haben, verließ er das elterliche Gut und nahm die Tätigkeit als Kolporteur auf. Er arbeitete systematisch in nördlicher Richtung und dann nach Süden entlang den Fjorden, wobei er keine Gemeinde ausließ. Im Winter lud er sein Gepäck, das aus Lebensmitteln, Kleidung und Literatur bestand, auf einen Tretschlitten, und gastfreundliche Leute boten ihm Schlafgelegenheiten an. Während einer achtjährigen Reise bearbeitete er fast das ganze Land mit der guten Botschaft.

Ebba, August Lundborgs Frau, ging 1906 von Schweden nach Finnland und war dort als Kolporteurin tätig. Ungefähr zur selben Zeit brachten Männer, die aus den Vereinigten Staaten zurückkehrten, Wachtturm-Publikationen mit und sprachen mit anderen über das Gelernte. So gelangte Emil Österman, der etwas Besseres suchte als das, was die Kirchen zu bieten hatten, schon nach wenigen Jahren in den Besitz des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter. Er zeigte es seinem Freund Kaarlo Harteva, der ebenfalls den richtigen Weg suchte. Als Harteva erkannte, wie wertvoll dieser Besitz war, übersetzte er das Buch ins Finnische und sorgte mit Östermans finanzieller Unterstützung dafür, daß es herausgebracht wurde. Sie machten sich gemeinsam daran, es zu verbreiten. Mit dem Elan echter Evangeliumsverkündiger redeten sie auf öffentlichen Plätzen mit den Leuten, gingen von Haus zu Haus und hielten in großen vollbesetzten Vortragssälen Ansprachen. Nachdem Bruder Harteva vor einer Zuhörerschaft in Helsinki die falschen Lehren der Christenheit entlarvt hatte, forderte er die Anwesenden auf, den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele biblisch zu stützen, falls sie dazu imstande wären. Die Augen aller richteten sich auf die Geistlichen im Publikum. Keiner ergriff das Wort; niemand konnte etwas auf die klare Aussage in Hesekiel 18:4 erwidern. Einige Anwesende sagten, daß sie nach dem, was sie gehört hatten, in der Nacht kaum Schlaf fanden.

Ein einfacher Gärtner predigt in Europa

Unterdessen verließ Adolf Weber auf Anraten eines mit ihm befreundeten älteren Wiedertäufers die Schweiz und ging auf der Suche nach einem besseren Verständnis der Heiligen Schrift in die Vereinigten Staaten. Dort wurde er auf eine Anzeige hin Gärtner für Bruder Russell. Durch das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter (das es damals schon in Deutsch gab) und die von Bruder Russell geleiteten Zusammenkünfte erlangte er die biblische Erkenntnis, die er gesucht hatte, und ließ sich 1890 taufen. Die ‘Augen seines Herzens waren erleuchtet’, so daß er für die großartige Gelegenheit, die sich ihm eröffnete, von Herzen dankbar war (Eph. 1:18). Nachdem er eine Zeitlang in den Vereinigten Staaten eifrig Zeugnis abgelegt hatte, kehrte er in sein Geburtsland zurück, um dort die Arbeit „im Weinberg des Herrn“ aufzunehmen. So war er Mitte der 1890er Jahre wieder in der Schweiz und sprach mit Menschen, die ein empfängliches Herz hatten, über die biblische Wahrheit.

Adolf Weber verdiente seinen Lebensunterhalt als Gärtner und Förster, doch sein Hauptinteresse galt dem Evangelisieren. Er gab den Leuten, mit denen er arbeitete, und den Bewohnern der umliegenden schweizerischen Dörfer und Städte Zeugnis. Er beherrschte mehrere Sprachen und nutzte seine Kenntnisse, um die Publikationen der Gesellschaft ins Französische zu übersetzen. Zur Winterszeit packte er biblische Literatur in seinen Rucksack und ging zu Fuß nach Frankreich, und manchmal reiste er in nordwestlicher Richtung nach Belgien oder in den Süden, nach Italien.

Um Menschen zu erreichen, mit denen er nicht persönlich sprechen konnte, ließ er in Zeitungen und Zeitschriften Anzeigen setzen, die auf Literatur für das Bibelstudium aufmerksam machten. Elie Thérond aus Mittelfrankreich antwortete auf eine der Anzeigen, erkannte bei dem, was er las, den Klang der Wahrheit und verbreitete die Botschaft bald selbst. In Belgien entdeckte Jean-Baptiste Tilmant sen. 1901 eine dieser Anzeigen und erhielt zwei Bände der Serie Millennium-Tagesanbruch. Er war begeistert, die biblische Wahrheit so klar dargelegt zu sehen. Er mußte unbedingt mit seinen Freunden darüber sprechen. Im darauffolgenden Jahr versammelte sich regelmäßig eine Studiengruppe in seiner Wohnung. Bald trug die Tätigkeit dieser kleinen Gruppe sogar in Nordfrankreich Früchte. Bruder Weber blieb mit ihr in Kontakt, ja, er besuchte die verschiedenen Gruppen, die sich bildeten, in regelmäßigen Abständen, erbaute sie im Glauben und gab ihnen Anleitung, wie sie die gute Botschaft anderen überbringen könnten.

Die gute Botschaft erreicht Deutschland

Kurz nachdem Mitte der 1880er Jahre einige Publikationen in Deutsch erschienen waren, schickten Deutschamerikaner, die sie zu schätzen wußten, Exemplare davon an Verwandte in ihrem Geburtsland. Eine Krankenschwester gab in dem Hamburger Krankenhaus, wo sie arbeitete, einige Bände der Serie Millennium-Tagesanbruch an andere weiter. 1896 ließ Adolf Weber in der Schweiz Anzeigen in deutschsprachige Zeitungen setzen und sandte mit der Post Traktate nach Deutschland. Im Jahr darauf wurde in Deutschland ein Literaturdepot eingerichtet, um die Verbreitung des Wacht-Turms zu erleichtern, aber die Ergebnisse ließen auf sich warten. 1902 zog jedoch Margarethe Demut, die in der Schweiz die Wahrheit kennengelernt hatte, nach Tailfingen, östlich des Schwarzwaldes. Ihre eifrige Zeugnistätigkeit trug zur Gründung einer der frühen Bibelforschergruppen in Deutschland bei. Samuel Lauper aus der Schweiz zog ins Bergische Land, nordöstlich von Köln, um in dieser Gegend die gute Botschaft zu verbreiten. 1904 wurden in Wermelskirchen Zusammenkünfte abgehalten. Zu den Besuchern gehörte ein 80jähriger Mann mit Namen Gottlieb Paas, der die Wahrheit gesucht hatte. Nicht lange nachdem diese Zusammenkünfte eingeführt worden waren, starb Paas, aber auf dem Sterbebett hielt er noch einmal den Wacht-Turm hoch und sagte: „Das ist die Wahrheit, daran müßt ihr festhalten.“

Die Zahl derer, die sich für die biblischen Wahrheiten interessierten, nahm allmählich zu. Obwohl es teuer war, sorgte man dafür, daß deutschen Zeitungen kostenlose Probeexemplare des Wacht-Turms beigefügt wurden. Aus einem 1905 veröffentlichen Bericht geht hervor, daß über 1 500 000 dieser Wacht-Turm-Muster verbreitet wurden. Das war eine große Leistung für eine Handvoll Leute.

Eine Anzahl Bibelforscher war nicht der Meinung, es sei damit getan, Menschen in der näheren Umgebung zu erreichen. Schon 1907 unternahm Bruder Erler aus Deutschland Reisen nach Böhmen (später Teil der Tschechoslowakei) im damaligen Österreich-Ungarn. Er verbreitete Literatur, die vor Harmagedon warnte und von den Segnungen handelte, die der Menschheit danach zukommen würden. 1912 hatte ein anderer Bibelforscher bereits biblische Literatur im Memelgebiet (heute Litauen) verbreitet. Viele reagierten begeistert auf die Botschaft, und es bildeten sich rasch mehrere ziemlich große Bibelforschergruppen. Aber als sie erfuhren, daß wahre Christen auch Zeugen sein müssen, ging ihre Zahl allmählich zurück. Einige erwiesen sich jedoch als echte Nachahmer Christi, des ‘treuen und wahrhaftigen Zeugen’ (Offb. 3:14).

Als Nikolaus von Tornow, ein deutscher Baron mit großen Besitztümern in Rußland, um 1907 in der Schweiz war, gab man ihm ein Traktat der Watch Tower Society. Zwei Jahre später erschien er in seiner besten Garderobe und in Begleitung seines persönlichen Dieners in der Versammlung Berlin. Es dauerte eine Zeit, bis er erkannte, warum Gott solch einfachen Leuten kostbare Wahrheiten anvertraute, aber es war ihm eine Hilfe, die Worte aus 1. Korinther 1:26-29 zu lesen: „Ihr seht eure Berufung, Brüder, daß nicht viele, die dem Fleische nach Weise sind, berufen wurden, nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Geburt ..., damit sich vor Gott kein Fleisch rühme.“ Überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben, verkaufte von Tornow seine Besitztümer in Rußland und setzte seine Kräfte und Geldmittel ein, um die Interessen der reinen Anbetung zu fördern.

Im Jahre 1911, als ein junges deutsches Paar — die Herkendells — heiratete, erbat die Braut von ihrem Vater statt einer Aussteuer Geld für eine ungewöhnliche Hochzeitsreise. Sie und ihr Mann hatten eine anstrengende Reise vor, die viele Monate dauern würde. Ihre Hochzeitsreise war eine Predigttour durch Rußland, auf der sie die dortige deutschsprachige Bevölkerung erreichen wollten. So vermittelten die unterschiedlichsten Menschen auf die verschiedenste Art und Weise anderen, was sie über Gottes liebevollen Vorsatz gelernt hatten.

Wachstum in Großbritannien

Nachdem 1881 in Großbritannien große Mengen Literatur verbreitet worden waren, sahen einige Kirchgänger ein, daß sie das Gelernte in ihrem Leben anwenden müßten. Zum Beispiel war Tom Hart aus Islington (London) von dem biblischen Rat des Wacht-Turms tief berührt: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk“ — das hieß, aus den babylonischen Kirchen der Christenheit hinauszugehen und sich an die Lehre der Bibel zu halten (Offb. 18:4). 1884 trat er aus der Kirche aus, und eine Reihe anderer folgte seinem Beispiel.

Aus vielen, die mit den Studiengruppen verbunden waren, wurden erfolgreiche Evangeliumsverkündiger. Manche boten in den Parks von London und an anderen Orten, wo sich die Leute entspannten, biblische Literatur an. Andere konzentrierten sich auf Geschäftshäuser. Üblicher war es jedoch, Besuche von Haus zu Haus zu machen.

Sarah Ferrie, eine Wacht-Turm-Abonnentin aus Glasgow, schrieb an Bruder Russell, sie und ein paar Freunde aus der Stadt würden sich gern als Freiwillige an der Traktatverbreitung beteiligen. Wie überrascht sie doch war, als vor ihrer Tür ein Lastwagen mit 30 000 Druckschriften hielt, die alle kostenlos abgegeben werden sollten! Die Gruppe machte sich an die Arbeit. Minnie Greenlees und ihre drei minderjährigen Söhne zogen mit einem Einspänner als Transportmittel durch das schottische Landgebiet, um dort biblische Literatur zu verbreiten. Später fuhren Alfred Greenlees und Alexander MacGillivray mit Fahrrädern durch weite Teile Schottlands und verteilten Traktate. Jetzt brauchte man nicht mehr dafür zu bezahlen, daß andere die Literatur verbreiteten, sondern diese Arbeit wurde von Gott hingegebenen Freiwilligen verrichtet.

Von ihrem Herzen angetrieben

In einem seiner Gleichnisse sagte Jesus, daß Menschen, die ‘das Wort Gottes mit einem edlen und guten Herzen hörten’, Frucht tragen würden. Aufrichtige Dankbarkeit für Gottes liebevolle Vorkehrungen würde sie veranlassen, anderen die gute Botschaft von Gottes Königreich zu überbringen (Luk. 8:8, 11, 15). Sie würden ungeachtet ihrer Lebensumstände einen Weg finden, das zu tun.

Ein argentinischer Reisender erhielt beispielsweise von einem italienischen Seemann einen Teil der Publikation Speise für denkende Christen. Während das Schiff in Peru vor Anker lag, bestellte der Reisende brieflich weitere Schriften, und 1885 schrieb er von Argentinien aus mit gesteigertem Interesse erneut an den Herausgeber des Wacht-Turms und bat um Literatur. Im selben Jahr nahm ein Angehöriger der britischen Marine, der mit seiner Einheit nach Singapur gesandt wurde, den Wacht-Turm mit. Hoch erfreut über das, was er aus der Zeitschrift lernte, gebrauchte er sie freimütig, um die biblische Ansicht über Themen bekanntzumachen, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. 1910 machte ein Schiff, mit dem zwei Christinnen reisten, im Hafen von Colombo auf Ceylon (heute Sri Lanka) Zwischenstation. Sie ergriffen die Gelegenheit, Herrn Van Twest, dem Seemannsamtsleiter des Hafens, Zeugnis zu geben. Sie sprachen eindringlich mit ihm über die erfreulichen Kenntnisse, die sie aus dem Buch Der göttliche Plan der Zeitalter gewonnen hatten. Daraufhin wurde Herr Van Twest ein Bibelforscher, und auf Sri Lanka kam das Predigen der guten Botschaft in Gang.

Auch diejenigen, die keine Reisen unternehmen konnten, suchten Mittel und Wege, Menschen in anderen Ländern die herzerfrischenden biblischen Wahrheiten zu vermitteln. Wie aus einem Dankschreiben hervorgeht, das 1905 veröffentlicht wurde, hatte jemand aus den Vereinigten Staaten das Buch Der göttliche Plan der Zeitalter einem Mann auf St. Thomas im damaligen Dänisch-Westindien geschickt. Als der Empfänger es durchgelesen hatte, fiel er auf die Knie und brachte den aufrichtigen Wunsch zum Ausdruck, von Gott gebraucht zu werden, um dessen Willen zu tun. 1911 führte Bellona Ferguson aus Brasilien ihren Fall an als „eindeutigen, greifbaren Beweis dafür, daß niemand zu weit weg ist“, um von den Wassern der Wahrheit erreicht zu werden. Sie hatte die Veröffentlichungen der Gesellschaft offenbar von 1899 an mit der Post erhalten. Noch vor dem Ersten Weltkrieg fand ein deutscher Emigrant, der in Paraguay lebte, in seinem Briefkasten ein Traktat der Gesellschaft. Er bestellte weitere Literatur und löste bald darauf seine Verbindungen zu den Kirchen der Christenheit. Er und sein Schwager beschlossen, sich gegenseitig zu taufen, da es in dem Land niemanden gab, der das sonst hätte tun können. Ja, in den entfernten Teilen der Erde wurde Zeugnis abgelegt, und diese Tätigkeit trug Früchte.

Andere Bibelforscher fühlten sich gedrängt, zu ihrem Geburtsort oder dem ihrer Eltern zu reisen, um Bekannten und Verwandten zu erzählen, was für einen wunderbaren Vorsatz Jehova hat und wie sie daraus Nutzen ziehen könnten. So kehrte zum Beispiel 1895 Bruder Oleszynski mit der guten Botschaft über „das Lösegeld, die Wiederherstellung und die Berufung nach oben“ nach Polen zurück, aber leider harrte er im Dienst nicht aus. 1898 ging ein emeritierter ungarischer Professor von Kanada weg, um die dringliche Botschaft der Bibel in seiner Heimat zu verbreiten. 1905 kehrte ein Grieche, der in Amerika Bibelforscher geworden war, zum Zeugnisgeben nach Griechenland zurück. Und 1913 brachte ein junger Mann Samen der biblischen Wahrheit von New York nach Ram Allah, dem Heimatort seiner Angehörigen, unweit Jerusalems.

Erschließung des karibischen Raums

Während die Zahl der Evangeliumsverkündiger in den Vereinigten Staaten, in Kanada und in Europa zunahm, begann die biblische Wahrheit auch in Panama, Costa Rica, Niederländisch-Guayana (heute Suriname) und Britisch-Guayana (heute Guyana) Fuß zu fassen. Joseph Brathwaite wurde in Britisch-Guayana geholfen, den Vorsatz Gottes zu verstehen, worauf er 1905 nach Barbados ging und seine ganze Zeit dafür einsetzte, die dortigen Bewohner darin zu unterweisen. Louis Facey und H. P. Clarke hörten die gute Botschaft, als sie in Costa Rica arbeiteten, und kehrten 1897 nach Jamaika zurück, um mit ihrem eigenen Volk über den neugefundenen Glauben zu sprechen. Diejenigen, die dort die Wahrheit annahmen, waren eifrig tätig. Allein 1906 verbreitete die Gruppe auf Jamaika rund 1 200 000 Traktate und andere Veröffentlichungen. Ein anderer Wanderarbeiter, der die Wahrheit in Panama kennenlernte, nahm die biblische Botschaft der Hoffnung mit zurück nach Grenada.

Die Revolution in Mexiko von 1910/11 war ein weiterer Faktor, der dazu beitrug, daß wahrheitshungrigen Menschen die Botschaft von Gottes Königreich überbracht wurde. Viele flohen nach Norden, in die Vereinigten Staaten. Dort kamen einige mit den Bibelforschern in Berührung, erfuhren von Jehovas Vorsatz, der Menschheit bleibenden Frieden zu bringen, und schickten Literatur nach Mexiko. Das war jedoch nicht das erstemal, daß diese Botschaft nach Mexiko gelangte. Bereits 1893 veröffentlichte der Wacht-Turm einen Brief von F. de P. Stephenson aus Mexiko, der einige Publikationen der Watch Tower Society gelesen hatte und weitere wünschte, da er sie auch seinen Freunden in Mexiko und in Europa zukommen lassen wollte.

Um den karibischen Raum noch weiter für das Predigen der biblischen Wahrheit zu erschließen und regelmäßige Zusammenkünfte für das Bibelstudium zu organisieren, sandte Bruder Russell 1911 E. J. Coward nach Panama und dann auf die Inseln. Bruder Cowards Ansprachen waren eindringlich und farbig, und oft strömten Hunderte herbei, um seine Vorträge zu hören, in denen er die Lehren vom Höllenfeuer und von der Unsterblichkeit der Menschenseele widerlegte und von der herrlichen Zukunft der Erde sprach. Er zog von Ort zu Ort und von Insel zu Insel — St. Lucia, Dominica, St. Kitts, Barbados, Grenada und Trinidad — und sprach mit so vielen Menschen wie nur möglich. Er hielt auch in Britisch-Guayana Ansprachen. In Panama lernte er W. R. Brown kennen, einen eifrigen jungen Bruder von Jamaika, der dann mit ihm zusammen auf einer Reihe von karibischen Inseln diente. Später half Bruder Brown noch bei der Erschließung weiterer Gebiete.

Im Jahre 1913 hielt Bruder Russell Vorträge in Panama, in Kuba und auf Jamaika. Bei einem öffentlichen Vortrag in Kingston auf Jamaika waren zwei Vortragssäle voll besetzt, und ungefähr 2 000 Personen konnten nicht mehr eingelassen werden. Die Presse nahm zur Kenntnis, daß der Redner nichts über Geld sagte und daß es keine Kollekte gab.

Das Licht der Wahrheit dringt nach Afrika

In dieser Zeit drang das Licht der Wahrheit auch nach Afrika durch. In einem Brief aus Liberia von 1884 hieß es, daß ein Bibelleser dort in den Besitz der Publikation Speise für denkende Christen gelangt war und mehr Veröffentlichungen wünschte, um sie auch anderen zu geben. Ein paar Jahre später wurde berichtet, daß ein Geistlicher in Liberia die Kanzel verlassen hatte, damit er ungehindert die biblischen Wahrheiten lehren konnte, die er durch den Wacht-Turm kennenlernte, und daß in dem Land eine Gruppe von Bibelforschern regelmäßig Zusammenkünfte abhielt.

Ein Geistlicher der Niederländisch-Reformierten Kirche nahm aus Holland einige Veröffentlichungen von C. T. Russell mit, als er 1902 nach Südafrika gesandt wurde. Ihm selbst brachten sie zwar keinen langfristigen Nutzen, wohl aber Frans Ebersohn und Stoffel Fourie, die sie in seiner Büchersammlung sahen. Ein paar Jahre später, als zwei eifrige Bibelforscher von Schottland nach Durban in Südafrika auswanderten, erhielt die Gruppe in diesem Gebiet Verstärkung.

Leider ließen einige wenige, die Literatur von Bruder Russell in die Hände bekamen und anderen etwas aus deren Inhalt vermittelten — zum Beispiel Joseph Booth und Elliott Kamwana —, ihre eigenen Gedanken einfließen, um zu sozialen Veränderungen aufzuwiegeln. Manche Außenstehende in Südafrika und Njassaland (heute Malawi) konnten daraufhin nicht richtig auseinanderhalten, wer die echten Bibelforscher waren. Dennoch hörten viele die Botschaft, die die Aufmerksamkeit auf Gottes Königreich als Lösung für die Probleme der Menschheit hinlenkte, und zeigten Wertschätzung dafür.

Eine ausgedehnte Predigttätigkeit in Afrika lag allerdings noch in der Zukunft.

Nach Asien und zu den Inseln des Pazifiks

Bald nachdem biblische Publikationen von C. T. Russell zum erstenmal in Großbritannien verbreitet worden waren, gelangten sie auch nach Asien. 1883 erhielt Fräulein C. B. Downing, eine Missionarin der Presbyterianer im chinesischen Chefoo (heute Yantai), ein Exemplar des Wacht-Turms. Sie schätzte das, was sie über die Wiederherstellung lernte, und gab an andere Missionare — darunter Horace Randle, der mit der Missionsgesellschaft der Baptisten verbunden war — Publikationen weiter. Später wurde sein Interesse durch eine Anzeige für das Werk Millennium-Tagesanbruch in der Londoner Times weiter angeregt, und dann erhielt er die Bücher selbst — eines von Fräulein Downing und ein anderes mit der Post von seiner Mutter aus England. Am Anfang schockierte ihn das, was er las. Aber als er davon überzeugt war, daß die Dreieinigkeit nicht in der Bibel gelehrt wird, trat er aus der Baptistenkirche aus und ging dazu über, mit anderen Missionaren über das Gelernte zu sprechen. Im Jahre 1900 berichtete er, daß er 2 324 Briefe und etwa 5 000 Traktate an Missionare in China, Japan, Korea und Siam (heute Thailand) geschickt hatte. Damals gab man in Asien hauptsächlich den Missionaren der Christenheit Zeugnis.

Im gleichen Zeitraum wurde auch in Australien und Neuseeland Samen der Wahrheit ausgestreut. Das erste „Samenkorn“ ist möglicherweise 1884 oder kurz darauf nach Australien gelangt, und zwar durch einen Mann, der in England in einem Park zum erstenmal von einem Bibelforscher angesprochen wurde. Weitere „Samenkörner“ trafen per Post von Freunden und Verwandten aus Übersee ein.

Wenige Jahre nachdem 1901 der Australische Bund gebildet worden war, gab es Hunderte von Wacht-Turm-Abonnenten. Die Tätigkeit derer, die es als Vorrecht betrachteten, anderen die Wahrheit näherzubringen, führte dazu, daß Tausende von Traktaten an Leute versandt wurden, deren Namen man den Wählerlisten entnahm. Weitere wurden auf den Straßen verteilt, und man warf aus fahrenden Zügen Bündel von Traktaten Arbeitern an der Eisenbahnlinie zu sowie Landbewohnern, die dort einsam und abgelegen wohnten. Die Leute wurden von dem nahenden Ende der Zeiten der Nationen, die 1914 ablaufen würden, in Kenntnis gesetzt. Arthur Williams sen. sprach in seinem Laden in Westaustralien mit allen Kunden darüber und lud Leute, die Interesse zeigten, zu weiteren Gesprächen in sein Haus ein.

Wer als erster die biblische Wahrheit nach Neuseeland brachte, weiß man heute nicht mehr. Doch 1898 hatte Andrew Anderson, ein Einwohner Neuseelands, so viel in den Wachtturm-Publikationen gelesen, daß er sich bewogen fühlte, dort als Kolporteur die Wahrheit zu verbreiten. Seine Bemühungen wurden 1904 durch weitere Kolporteure unterstützt, die aus Amerika und von dem australischen Zweigbüro der Gesellschaft kamen, das im selben Jahr gegründet worden war. Die Frau von Thomas Barry aus Christchurch nahm von einem der Kolporteure sechs Bände der Schriftstudien entgegen. Ihr Sohn Bill las sie 1909 während einer sechswöchigen Schiffsreise nach England und erkannte, daß ihr Inhalt der Wahrheit entsprach. Jahre später wurde sein Sohn Lloyd in die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas aufgenommen.

Zu denen, die in jenen Anfangsjahren eifrig tätig waren, gehörte Ed Nelson, der zwar nicht gerade taktvoll war, aber immerhin 50 Jahre lang seine ganze Zeit dafür einsetzte, die Königreichsbotschaft von der Nordspitze Neuseelands bis in den Süden zu verbreiten. Nach ein paar Jahren schloß sich ihm Frank Grove an, der als Ausgleich für seine schwache Sehkraft sein Gedächtnis trainierte und bis zu seinem Tod ebenfalls über 50 Jahre als Pionier diente.

Weltreise zur Förderung des Predigens der guten Botschaft

Auch 1911/12 bemühte man sich intensiv, den Einwohnern Asiens zu helfen. Die International Bible Students Association (Internationale Bibelforscher-Vereinigung) sandte ein aus sieben Männern bestehendes Komitee aus, das, angeführt von C. T. Russell, die Verhältnisse an Ort und Stelle erkunden sollte. Überall, wohin sie gingen, sprachen sie über Gottes Vorsatz, die Menschheit durch das messianische Königreich zu segnen. Manchmal hatten sie nur eine kleine Zuhörerschaft, doch auf den Philippinen und in Indien hörten ihnen Tausende zu. Sie unterstützten nicht die Kampagne, die damals in der Christenheit populär war, nämlich Gelder für eine Weltbekehrung zu sammeln. Sie beobachteten, daß die Missionare der Christenheit ihre Mühe hauptsächlich dafür aufwendeten, die Schulbildung zu fördern. Doch nach Bruder Russells Überzeugung war das, was die Menschen wirklich brauchten, „das Evangelium von Gottes liebevoller Vorkehrung des künftigen messianischen Königreiches“. Die Bibelforscher rechneten nicht damit, die Welt zu bekehren, aber sie ersahen aus der Bibel, daß ihre damalige Aufgabe darin bestand, Zeugnis abzulegen, und daß dadurch „eine Minderheit von Auserwählten aus allen Nationen, Völkern, Stämmen und Sprachen als Glieder der Brautklasse [Braut Christi]“ eingesammelt würde, „um während der tausend Jahre mit ihm auf seinem Thron zu sitzen und bei der Aufgabe mitzuwirken, das Menschengeschlecht als Ganzes zu vervollkommnen“ a (Offb. 5:9, 10; 14:1-5).

Nachdem die Mitglieder des Komitees unter anderem in Japan, China und auf den Philippinen gewesen waren, legten sie in Indien weitere 6 400 Kilometer zurück. Dort lasen schon 1887 Einzelpersonen die Literatur der Gesellschaft und schrieben Briefe, in denen sie ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck brachten. Außerdem gab von 1905 an ein junger Mann, der als Student in Amerika Bruder Russell begegnet war und die Wahrheit kennengelernt hatte, unter der tamilsprachigen Bevölkerung Zeugnis. Dieser junge Mann half bei der Gründung von ungefähr 40 Bibelstudiengruppen im Süden Indiens mit. Doch nachdem er anderen gepredigt hatte, erwies er sich selbst als unbewährt, da er sich über christliche Normen hinwegsetzte. (Vergleiche 1. Korinther 9:26, 27.)

Etwa zur gleichen Zeit erhielt jedoch A. J. Joseph aus Trawankur (heute Kerala) als Antwort auf eine briefliche Anfrage an einen bekannten Adventisten mit der Post einen Band der Schriftstudien. Darin fand er zufriedenstellende biblische Antworten auf seine Fragen über die Dreieinigkeitslehre. Bald darauf gingen er und Angehörige von ihm hinaus zu den Reisfeldern und Kokosnußplantagen Südindiens und sprachen über ihren neugefundenen Glauben. Nach dem Besuch Bruder Russells im Jahre 1912 nahm Bruder Joseph den Vollzeitdienst auf. Er fuhr mit der Eisenbahn, dem Ochsenkarren und dem Flußboot oder ging zu Fuß, um biblische Literatur zu verbreiten. Seine öffentlichen Vorträge wurden oft von Geistlichen und ihren Anhängern unterbrochen. Als in Kundara ein „christlicher“ Pfarrer seine Gemeindeglieder anstachelte, eine Zusammenkunft zu stören und Bruder Joseph mit Dung zu bewerfen, kam ein einflußreicher, vornehmer Hindu und erkundigte sich nach der Ursache des Lärms. Er fragte den Geistlichen, ob Christus den Christen ein solches Beispiel gegeben habe oder ob sein Verhalten nicht eher dem der Pharisäer zu Jesu Zeiten entspreche. Darauf verschwand der Pfarrer.

Ehe die viermonatige Weltreise des IBSA-Komitees zu Ende war, setzte Bruder Russell R. R. Hollister in Asien als Vertreter der Gesellschaft ein, der dafür Sorge tragen sollte, daß die Botschaft von Gottes liebevoller Vorkehrung des messianischen Königreiches unter den dortigen Völkern verbreitet wurde. Es wurden in zehn Sprachen spezielle Traktate hergestellt, die in Indien, China, Japan und Korea von Einheimischen zu Millionen verbreitet wurden. Dann übersetzte man Bücher in vier dieser Sprachen, um für Menschen, die Interesse zeigten, mehr geistige Speise zu beschaffen. Man hatte dort ein riesiges Gebiet vor sich, und es blieb noch viel zu tun. Doch was man bis dahin erreicht hatte, war wirklich erstaunlich.

Ein beeindruckendes Zeugnis gegeben

Bevor der Erste Weltkrieg große Verwüstungen anrichtete, war weltweit ein umfassendes Zeugnis gegeben worden. Bruder Russell hatte in den Vereinigten Staaten und in Kanada Vortragsreisen in Hunderte von Städten unternommen, er war wiederholt nach Europa gereist und hatte in Panama, Jamaika und Kuba sowie in bedeutenden Städten Asiens Ansprachen gehalten. Zehntausende hatten persönlich seine mitreißenden biblischen Vorträge gehört und miterlebt, wie er vor der Öffentlichkeit anhand der Bibel Fragen von Freund und Feind beantwortete. Dadurch wurde viel Interesse geweckt, und in Amerika, Europa, Südafrika und Australien druckten Tausende von Zeitungen regelmäßig die Predigten Bruder Russells ab. Die Bibelforscher hatten Millionen von Büchern und Hunderte von Millionen Traktate und andere Veröffentlichungen in 35 Sprachen verbreitet.

Trotz seiner herausragenden Rolle war Bruder Russell nicht der einzige, der predigte. Über die ganze Erde verstreut, erhoben auch andere ihre Stimme als Zeugen für Jehova und seinen Sohn, Jesus Christus. Die Beteiligten waren nicht alle Vortragsredner. Sie kamen aus allen Schichten der Bevölkerung und gebrauchten jedes verfügbare Mittel, um die gute Botschaft zu verbreiten.

Im Januar 1914, als das Ende der Zeiten der Nationen weniger als ein Jahr entfernt war, wurde noch auf andere Weise ein gründliches Zeugnis gegeben. Gemeint ist das „Photo-Drama der Schöpfung“, durch das Gottes Vorsatz in Verbindung mit der Erde einmal ganz anders hervorgehoben wurde. Das erreichte man durch schöne handkolorierte Lichtbilder und Filme, die mit Ton synchronisiert waren. In den Vereinigten Staaten meldete die Presse, daß es landesweit wöchentlich von insgesamt Hunderttausenden gesehen wurde. Am Ende des ersten Jahres hatte die Gesamtzahl der Zuschauer in den Vereinigten Staaten und in Kanada fast acht Millionen erreicht. In England waren das Opernhaus und die Royal Albert Hall in London zum Bersten voll mit Leuten, die die vierteilige Aufführung von je zwei Stunden Dauer sehen wollten. In einem halben Jahr wurden in 98 Städten auf den Britischen Inseln 1 226 000 Besucher verzeichnet. In Deutschland und in der Schweiz waren die Säle voll besetzt. Auch in Skandinavien und im Südpazifik sahen viele Zuschauer die Darbietung.

Während dieser ersten Jahrzehnte in der neuzeitlichen Geschichte der Zeugen Jehovas wurde bestimmt ein beachtliches, gründliches, weltweites Zeugnis gegeben. Aber eigentlich begann das Werk gerade erst.

Anfang der 1880er Jahre beteiligten sich nur ein paar Hundert rege an der Verbreitung der biblischen Wahrheit. 1914 nahmen nach vorhandenen Berichten ungefähr 5 100 an diesem Werk teil. Andere verbreiteten möglicherweise gelegentlich Traktate. Es waren relativ wenige tätig.

Diese kleine Schar von Evangeliumsverkündigern hatte in der zweiten Hälfte des Jahres 1914 auf verschiedene Weise die Verkündigung des Königreiches Gottes bereits auf 68 Länder ausgedehnt. Und ihr Werk als Prediger und Lehrer des Wortes Gottes wurde in 30 dieser Länder ziemlich beständig durchgeführt.

Ehe die Zeiten der Nationen endeten, waren Millionen von Büchern und Hunderte von Millionen Traktate verbreitet worden. Außerdem druckten 1913 2 000 Zeitungen regelmäßig Predigten C. T. Russells ab, und im Jahre 1914 sahen auf drei Kontinenten insgesamt über 9 000 000 Menschen das „Photo-Drama der Schöpfung“.

Man hatte wirklich ein erstaunliches Zeugnis gegeben. Aber es sollte noch viel mehr folgen.

[Fußnote]

a Ein ausführlicher Bericht über diese Weltreise ist im Wacht-Turm vom 15. April 1912 (engl.) erschienen.

[Karte/Bild auf Seite 405]

C. T. Russell hielt in Nordamerika und im karibischen Raum in über 300 Städten (durch Punkte gekennzeichnet) biblische Ansprachen — in vielen 10- bis 15mal

[Karte]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

[Karte auf Seite 407]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

Russells Predigtreisen nach Europa, zumeist über England

1891

1903

1908

1909

1910 (zweimal)

1911 (zweimal)

1912 (zweimal)

1913

1914

[Karte/Bild auf Seite 408]

Als Andreas Øiseth überzeugt war, die Wahrheit gefunden zu haben, verbreitete er in fast jeder Gegend Norwegens eifrig biblische Literatur

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

NORWEGEN

Nördlicher Polarkreis

[Karte/Bild auf Seite 409]

Adolf Weber, ein einfacher Gärtner, trug die gute Botschaft von der Schweiz in andere Länder Europas

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

BELGIEN

DEUTSCHLAND

SCHWEIZ

ITALIEN

FRANKREICH

[Karte/Bild auf Seite 413]

Bellona Ferguson aus Brasilien sagte, niemand sei zu weit weg, um erreicht zu werden

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

BRASILIEN

[Karte auf Seite 415]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

ALASKA

KANADA

GRÖNLAND

ST. PIERRE UND MIQUELON

VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

BERMUDAS

BAHAMAS

TURKS- UND CAICOSINSELN

KUBA

MEXIKO

BELIZE

JAMAIKA

HAITI

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

PUERTO RICO

CAYMAN ISLANDS

GUATEMALA

EL SALVADOR

HONDURAS

NICARAGUA

COSTA RICA

PANAMA

VENEZUELA

GUYANA

SURINAME

FRANZÖSISCH-GUAYANA

KOLUMBIEN

ECUADOR

PERU

BRASILIEN

BOLIVIEN

PARAGUAY

CHILE

ARGENTINIEN

URUGUAY

FALKLANDINSELN

JUNGFERNINSELN (USA)

JUNGFERNINSELN (BRITISCH)

ANGUILLA

ST. MAARTEN

SABA

ST. EUSTATIUS

ST. KITTS

NEVIS

ANTIGUA

MONTSERRAT

GUADELOUPE

DOMINICA

MARTINIQUE

ST. LUCIA

ST. VINCENT

BARBADOS

GRENADA

TRINIDAD

ARUBA

BONAIRE

CURAÇAO

ATLANTISCHER OZEAN

KARIBISCHES MEER

PAZIFISCHER OZEAN

[Karte auf Seite 416, 417]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

GRÖNLAND

SCHWEDEN

ISLAND

NORWEGEN

FÄRÖER

FINNLAND

RUSSLAND

ESTLAND

LETTLAND

LITAUEN

WEISSRUSSLAND

UKRAINE

MOLDAWIEN

GEORGIEN

ARMENIEN

ASERBAIDSCHAN

TURKMENISTAN

USBEKISTAN

KASACHSTAN

TADSCHIKISTAN

KIRGISTAN

POLEN

DEUTSCHLAND

NIEDERLANDE

DÄNEMARK

GROSSBRITANNIEN

IRLAND

BELGIEN

LUXEMBURG

LIECHTENSTEIN

SCHWEIZ

ANDORRA

TSCHECHOSLOWAKEI

ÖSTERREICH

UNGARN

RUMÄNIEN

JUGOSLAWIEN

SLOWENIEN

KROATIEN

BOSNIEN U. HERZEGOWINA

BULGARIEN

ALBANIEN

ITALIEN

SAN MARINO

GIBRALTAR

SPANIEN

PORTUGAL

AZOREN

MADEIRA

MAROKKO

WESTSAHARA

SENEGAL

KAP VERDE

ALGERIEN

LIBYEN

ÄGYPTEN

LIBANON

ISRAEL

ZYPERN

SYRIEN

TÜRKEI

IRAK

IRAN

BAHRAIN

KUWAIT

JORDANIEN

SAUDI-ARABIEN

KATAR

VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE

OMAN

JEMEN

DSCHIBUTI

SOMALIA

ÄTHIOPIEN

SUDAN

TSCHAD

NIGER

MALI

MAURETANIEN

GAMBIA

GUINEA-BISSAU

SIERRA LEONE

LIBERIA

CÔTE D’IVOIRE

GHANA

TOGO

BENIN

ÄQUATORIALGUINEA

ST. HELENA

GUINEA

BURKINA FASO

NIGERIA

ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK

KAMERUN

SÃO TOMÉ

KONGO

GABUN

ZAIRE

ANGOLA

SAMBIA

NAMIBIA

BOTSUANA

SÜDAFRIKA

LESOTHO

SWASILAND

MOSAMBIK

MADAGASKAR

RÉUNION

MAURITIUS

RODRIGUEZ

SIMBABWE

MAYOTTE

KOMOREN

SESCHELLEN

MALAWI

TANSANIA

BURUNDI

RUANDA

UGANDA

FRANKREICH

PAKISTAN

AFGHANISTAN

NEPAL

BHUTAN

MYANMAR

BANGLADESCH

INDIEN

SRI LANKA

GRIECHENLAND

MALTA

TUNESIEN

KENIA

ATLANTISCHER OZEAN

INDISCHER OZEAN

ALASKA

MONGOLEI

DEMOKRATISCHE VOLKSREPUBLIK KOREA

JAPAN

REPUBLIK KOREA

CHINA

MACAU

TAIWAN

HONGKONG

LAOS

THAILAND

VIETNAM

KAMBODSCHA

PHILIPPINEN

BRUNEI

MALAYSIA

SINGAPUR

INDONESIEN

SAIPAN

ROTA

GUAM

YAP

PALAU

TRUK

POHNPEI

KOSRAE

MARSHALLINSELN

NAURU

PAPUA-NEUGUINEA

AUSTRALIEN

NEUSEELAND

NORFOLK-INSEL

NEUKALEDONIEN

WALLIS UND FUTUNA

VANUATU

TUVALU

FIDSCHI

KIRIBATI

TOKELAUINSELN

HAWAII

MARQUESASINSELN

WESTSAMOA

AMERIKANISCH-SAMOA

NIUE

TONGA

COOKINSELN

TAHITI

SALOMONEN

PAZIFISCHER OZEAN

INDISCHER OZEAN

[Karte/Bild auf Seite 421]

A. J. Joseph aus Indien mit seiner Tochter Gracie, die als Gileadmissionarin diente

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

INDIEN

[Bild auf Seite 411]

Hermann Herkendell ging mit seiner Braut auf eine monatelange Hochzeitsreise, auf der sie deutschsprachigen Bewohnern Rußlands predigten

[Bilder auf Seite 412]

Kolporteure in England und Schottland bemühten sich, jedem die Gelegenheit zu geben, ein Zeugnis zu erhalten; sogar ihre Kinder halfen beim Verteilen von Traktaten mit

[Bild auf Seite 414]

E. J. Coward verbreitete eifrig die biblische Wahrheit im karibischen Raum

[Bild auf Seite 418]

Frank Grove (links) und Ed Nelson (mit ihren Frauen abgebildet) setzten beide über 50 Jahre ihre ganze Zeit dafür ein, die Königreichsbotschaft überall in Neuseeland zu verbreiten

[Bilder auf Seite 420]

C. T. Russell machte 1911/12 mit sechs Gefährten eine Weltreise, um das Predigen der guten Botschaft zu fördern