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Teil 2 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Teil 2 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Kapitel 22

Teil 2 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Das Werk der Königreichsverkündigung von 1914 bis 1935 wird von Seite 423 bis 443 behandelt. Jehovas Zeugen verweisen auf 1914 als das Jahr, in dem Jesus Christus als himmlischer König inthronisiert wurde, der Gewalt über die Nationen hat. Während seines irdischen Daseins sagte Jesus vorher, das weltweite Predigen der Königreichsbotschaft, verbunden mit heftiger Verfolgung, sei ein Teil des Zeichens seiner Gegenwart in Königreichsmacht. Was geschah nun in den Jahren nach 1914?

EUROPA wurde 1914 in den Strudel des Ersten Weltkrieges gerissen. Dann weitete sich der Krieg so stark aus, daß die beteiligten Länder schätzungsweise 90 Prozent der Weltbevölkerung umfaßten. Wie wirkte sich das Kriegsgeschehen auf die Predigttätigkeit der Diener Jehovas aus?

Die trostlosen Jahre des Ersten Weltkrieges

Zu Beginn des Krieges wurden ihnen außer in Deutschland und Frankreich kaum Steine in den Weg gelegt. Vielerorts verteilten sie ungehindert Traktate, und das „Photo-Drama“ wurde weiterhin aufgeführt — nach 1914 allerdings bei weitem nicht mehr so oft. Während das Kriegsfieber heftiger wurde, brachte die Geistlichkeit auf den britischen Westindischen Inseln das Gerücht auf, E. J. Coward, der Vertreter der Watch Tower Society, sei ein deutscher Spion, woraufhin er ausgewiesen wurde. Als man von 1917 an das Buch Das vollendete Geheimnis verbreitete, nahm die Gegnerschaft zu.

Die Öffentlichkeit war darauf erpicht, dieses Buch zu besitzen. Die Anzahl, die von der Gesellschaft ursprünglich zum Drucken in Auftrag gegeben wurde, mußte in nur wenigen Monaten um mehr als das Zehnfache erhöht werden. Die Geistlichen der Christenheit waren indessen wütend über die Bloßstellung ihrer falschen Lehren. Sie nutzten die Kriegshysterie dazu aus, die Bibelforscher bei Regierungsvertretern zu denunzieren. Überall in den Vereinigten Staaten wurden Männer und Frauen, von denen man annahm, daß sie Veröffentlichungen der Bibelforscher verbreiteten, vom Pöbel angegriffen und geteert und gefedert. In Kanada wurden Wohnungen durchsucht, und wenn man bei jemandem bestimmte Veröffentlichungen der International Bible Students Association (Internationale Bibelforscher-Vereinigung) fand, erhielt er eine hohe Geldstrafe oder kam ins Gefängnis. Thomas J. Sullivan, der sich damals in Port Arthur (Ontario) aufhielt, berichtete jedoch, daß die Polizei in dieser Stadt, als er einmal über Nacht eingesperrt wurde, die verbotenen Publikationen für sich und ihre Freunde mit nach Hause nahm und so den gesamten Vorrat von 500 bis 600 Veröffentlichungen verteilte.

Auch das Hauptbüro der Watch Tower Society wurde zur Zielscheibe von Angriffen, und man verurteilte leitende Mitarbeiter zu langjährigen Gefängnisstrafen. Den Feinden der Bibelforscher schien es, als hätte man ihnen den Todesstoß versetzt. Ihre Zeugnistätigkeit in der Weise, daß weit und breit die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wurde, kam praktisch zum Stillstand.

Allerdings hatten inhaftierte Bibelforscher die Gelegenheit, mit anderen Häftlingen über Gottes Vorsatz zu sprechen. Als die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder der Gesellschaft und ihre vertrauten Mitarbeiter im Gefängnis von Atlanta (Georgia) ankamen, verbot man ihnen anfangs zu predigen. Aber sie sprachen im eigenen Kreis über die Bibel, und andere fühlten sich wegen ihres Verhaltens, ja wegen ihrer Lebensweise zu ihnen hingezogen. Nach ein paar Monaten übertrug ihnen der Gefängnisdirektor die Aufgabe, andere Gefangene religiös zu unterweisen. Es kamen immer mehr, bis ungefähr 90 Personen an dem Unterricht teilnahmen.

Auch andere treue Christen fanden Mittel und Wege, in diesen Kriegsjahren Zeugnis zu geben. Dadurch gelangte die Königreichsbotschaft mitunter in Länder, wo sie bis dahin noch nicht gepredigt worden war. Zum Beispiel schickte 1915 ein kolumbianischer Bibelforscher in New York einem Mann in Bogotá (Kolumbien) die spanische Ausgabe des Göttlichen Plans der Zeitalter. Nach etwa sechs Monaten kam ein Antwortschreiben von Ramón Salgar. Er hatte das Buch sorgfältig studiert, war davon sehr angetan und wünschte 200 Exemplare zum Verbreiten. Bruder J. L. Mayer aus Brooklyn (New York) verschickte viele Exemplare des Schriftforschers in Spanisch. Eine beträchtliche Anzahl wurde nach Spanien gesandt. Als Alfred Joseph, der damals auf Barbados war, einen Arbeitsvertrag für Sierra Leone (Westafrika) abschloß, nahm er Gelegenheiten wahr, dort über seine neugelernten biblischen Wahrheiten Zeugnis abzulegen.

Die Kolporteure hatten es oft schwerer, da es zu ihrem Dienst gehörte, in Wohnungen und Geschäften vorzusprechen. Doch mehrere gingen nach El Salvador, Honduras und Guatemala und waren 1916 damit beschäftigt, den dortigen Bewohnern lebengebende Wahrheiten zu vermitteln. In dieser Zeit unternahm Fanny Mackenzie, eine Kolporteurin britischer Nationalität, zwei Schiffsreisen nach Asien mit Aufenthalten in China, Japan und Korea, um biblische Literatur zu verbreiten, und später hielt sie vorgefundenes Interesse brieflich wach.

Allerdings ging nach vorhandenen Unterlagen die Zahl der Bibelforscher, die 1918 einen Anteil am Predigen der guten Botschaft hatten, im Vergleich zu dem Bericht für 1914 weltweit um 20 Prozent zurück. Würden sie unbeirrt mit ihrem Predigtdienst fortfahren, nachdem man sie in den Kriegsjahren so hart behandelt hatte?

Mit neuem Leben erfüllt

Am 26. März 1919 kamen der Präsident der Watch Tower Society und seine Gefährten aus ihrer ungerechtfertigten Haft frei. Rasch nahmen Pläne, die weltweite Verkündigung der guten Botschaft von Gottes Königreich voranzubringen, Gestalt an.

Auf einer allgemeinen Hauptversammlung in Cedar Point (Ohio), die im September desselben Jahres stattfand, betonte J. F. Rutherford, der damalige Präsident der Gesellschaft, in einem Vortrag, das Kommen des herrlichen messianischen Königreiches Gottes zu verkünden sei das wahrhaft wichtige Werk der Diener Jehovas.

Die Zahl derer, die sich tatsächlich an diesem Werk beteiligten, war allerdings gering. Manche, die sich 1918 aus Angst zurückgehalten hatten, setzten sich nun erneut ein, und einige weitere kamen hinzu. Aber aus den vorhandenen Aufzeichnungen geht hervor, daß 1919 nur ungefähr 5 700 Zeugen in 43 Ländern tätig waren. Jesus hatte jedoch vorhergesagt: „Diese gute Botschaft vom Königreich wird auf der ganzen bewohnten Erde gepredigt werden, allen Nationen zu einem Zeugnis“ (Mat. 24:14). Wie sollte das zu schaffen sein? Sie wußten es nicht und hatten auch keine Ahnung, wie lange das Zeugniswerk noch weitergehen würde. Dessenungeachtet verspürten die loyalen Diener Gottes den brennenden Wunsch, mit dem Werk fortzufahren. Sie waren zuversichtlich, daß Jehova die Geschehnisse seinem Willen gemäß lenken würde.

Voller Eifer machten sie sich an das Werk, das sie in Gottes Wort beschrieben fanden. Innerhalb von drei Jahren stieg die Zahl derer, die das Königreich Gottes öffentlich verkündigten, nach vorliegenden Berichten fast auf das Dreifache an, und 1922 predigten sie in 15 Ländern mehr als 1919.

Ein faszinierendes Thema

Sie verkündigten eine sensationelle Botschaft: „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!“ Bruder Rutherford hatte 1918 einen Vortrag über dieses Thema gehalten. Es war auch der Titel einer 128seitigen Broschüre, die 1920 erschien. Von 1920 bis 1925 wurde das Thema weltweit in über 30 Sprachen bei öffentlichen Zusammenkünften in allen Gegenden, wo Redner zur Verfügung standen, immer und immer wieder behandelt. In diesem Vortrag wurde die biblisch begründete Hoffnung, daß gehorsame Menschen einmal ewig auf einer paradiesischen Erde leben werden, in den Vordergrund gestellt, und es hieß nicht — wie in der Christenheit —, alle guten Menschen kämen in den Himmel (Jes. 45:18; Offb. 21:1-5). Außerdem wurde darin die Überzeugung geäußert, die Zeit für die Verwirklichung dieser Hoffnung sei sehr nahe.

Die Ansprache wurde in Zeitungen und auf Reklametafeln angekündigt. Das Thema faszinierte die Leute. Am 26. Februar 1922 zählte man allein in Deutschland 70 000 Besucher an 121 Orten. Es kam nicht selten vor, daß sich an einem Ort Tausende von Zuhörern einfanden. In Kapstadt (Südafrika) waren zum Beispiel 2 000 Personen anwesend, als der Vortrag im Opernhaus gehalten wurde. In der norwegischen Hauptstadt waren im Hörsaal der Universität alle Plätze besetzt, und es konnten so viele nicht eingelassen werden, daß das Programm eineinhalb Stunden später wiederholt werden mußte — erneut in einem vollbesetzten Saal.

Im österreichischen Klagenfurt sagte Richard Heide zu seinem Vater: „Ich höre mir den Vortrag an, egal, was immer die Leute sagen mögen. Ich will wissen, ob das nur ein Bluff ist oder ob etwas Wahres daran ist.“ Er war von dem, was er hörte, tief berührt, und bald sprachen er, seine Eltern und seine Schwester mit anderen darüber.

Doch die biblische Botschaft war nicht bloß für Menschen bestimmt, die bereit waren, sich einen öffentlichen Vortrag anzuhören. Auch andere mußten davon unterrichtet werden. Nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch führende Politiker und Geistliche mußten sie hören. Wie konnte das erreicht werden?

Kraftvolle Erklärungen hinausgetragen

Durch Druckerzeugnisse wurden Millionen von Menschen erreicht, die die Bibelforscher und ihre Botschaft nur vom Hörensagen kannten. Von 1922 bis 1928 gab man durch sieben kraftvolle Erklärungen — Resolutionen, die auf den Jahreshauptversammlungen der Bibelforscher angenommen wurden — ein wirkungsvolles Zeugnis. Von den einzelnen Resolutionen wurden nach den Kongressen zumeist 45 bis 50 Millionen Exemplare verbreitet, was sicher eine erstaunliche Leistung für die damalige kleine Schar von Königreichsverkündigern war.

Die Resolution von 1922 war betitelt „Ein Aufruf an die Führer der Welt!“ — ja, sie waren aufgerufen, ihre Behauptung zu rechtfertigen, daß sie der Menschheit Frieden, Wohlfahrt und Glück sichern könnten, oder andernfalls zuzugeben, daß nur Gottes messianisches Königreich das erreichen kann. In Deutschland wurde diese Resolution per Einschreiben an den im Exil lebenden deutschen Kaiser, an den Reichspräsidenten und an alle Mitglieder des Reichstages gesandt, und etwa 4,5 Millionen Exemplare wurden in der Öffentlichkeit verteilt. In Südafrika bearbeitete Edwin Scott — die Literatur in einer Tasche auf dem Rücken und einen Stock in der Hand, um bissige Hunde abzuwehren — 64 Orte und verbreitete persönlich 50 000 Exemplare. Als darauf Geistliche der südafrikanischen Landeskirche bei ihren Gemeindemitgliedern an die Türen kamen, um Geld zu sammeln, hielten ihnen viele Leute die Resolution vor das Gesicht und sagten: „Das sollten Sie einmal lesen, dann würden Sie nicht mehr hier vorbeikommen, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen.“

Im Jahre 1924 stellte die Resolution „Offene Anklage gegen die Geistlichkeit“ die unbiblischen Lehren und Bräuche der Geistlichen bloß; sie zeigte, welche Rolle sie im Weltkrieg gespielt hatten, und forderte die Menschen auf, die Bibel zu studieren, damit sie die wunderbaren Vorkehrungen, die Gott zum Segen der Menschheit getroffen hat, selbst kennenlernten. In Italien mußten Drucker damals ihren Namen unter alles setzen, was sie produzierten, und waren für den Inhalt verantwortlich. Der Bibelforscher, der das Werk in Italien beaufsichtigte, legte die Resolution den Behörden vor, sie sahen sie durch und gaben dann ohne weiteres die Genehmigung zum Drucken und Verteilen. Auch die Druckerei war einverstanden, sie herauszubringen. Die Brüder in Italien verbreiteten 100 000 Exemplare. Sie achteten besonders darauf, daß der Papst und andere hohe Amtsträger des Vatikans die Resolution erhielten.

In Frankreich löste die Verbreitung der Resolution heftige und oft aggressive Reaktionen der Geistlichen aus. In Pommern reichte ein Pfarrer in seiner Verzweiflung eine Klage gegen die Gesellschaft und ihren Leiter ein, doch der Geistliche verlor den Prozeß, als das Gericht den gesamten Inhalt der Resolution hörte. Die Bibelforscher in der kanadischen Provinz Quebec ließen die Resolutionen in den frühen Morgenstunden ab drei Uhr an den Türen zurück, um in ihrem Werk nicht von Leuten behindert zu werden, die nicht wollten, daß andere die Wahrheit kennenlernten. Das war eine aufregende Zeit.

Dankbar für zufriedenstellende Antworten

Im Ersten Weltkrieg wurden viele Armenier unbarmherzig aus ihren Häusern und ihrem Geburtsland vertrieben. Nur zwei Jahrzehnte zuvor waren Hunderttausende von Armeniern niedergemetzelt worden, und andere waren geflohen, um ihr Leben zu retten. Einige wenige hatten in ihrer Heimat Publikationen der Watch Tower Society gelesen. Doch weit mehr von ihnen hörten in den Ländern, in die sie flüchteten, ein Zeugnis.

Viele machten sich nach ihren schlimmen Erlebnissen ernsthaft Gedanken, warum Gott das Böse zuläßt. Wie lange würde es noch so weitergehen? Wann gäbe es kein Leid mehr? Einige von ihnen waren dankbar, die zufriedenstellenden Antworten aus der Bibel kennenzulernen. Rasch entstanden in mehreren Städten des Nahen Ostens Gruppen armenischer Bibelforscher. Ihr Eifer für die biblische Wahrheit beeinflußte auch andere. In Äthiopien, Argentinien und den Vereinigten Staaten nahmen Armenier die gute Botschaft an und akzeptierten freudig die Verantwortung, mit anderen darüber zu sprechen. Zu ihnen gehörte Krikor Hatzakortzian, der Mitte der 30er Jahre als einsamer Pionier die Königreichsbotschaft in Äthiopien verbreitete. Als er einmal von Gegnern zu Unrecht angeklagt wurde, hatte er sogar die Gelegenheit, dem Kaiser, Haile Selassie, Zeugnis zu geben.

Kostbare Wahrheiten ins Geburtsland mit zurückgenommen

Der brennende Wunsch, anderen lebenswichtige biblische Wahrheiten zu überbringen, bewog viele, in ihre Heimat zurückzukehren, um sich dort am Evangelisieren zu beteiligen. Sie handelten ähnlich wie die Besucher aus vielen Ländern, die sich 33 u. Z. in Jerusalem aufhielten und gläubig wurden, als der heilige Geist die Apostel und ihre Gefährten veranlaßte, in vielen Zungen „über die großen Dinge Gottes“ zu reden (Apg. 2:1-11). Ebenso, wie diese Gläubigen des ersten Jahrhunderts die Wahrheit mit in ihre Heimat nahmen, taten das auch die erwähnten Jünger der heutigen Zeit.

Sowohl Männer als auch Frauen, die die Wahrheit im Ausland kennengelernt hatten, kehrten nach Italien zurück. Sie hatten in Amerika, Belgien oder Frankreich gelebt und verkündigten da, wo sie sich niederließen, eifrig die Königreichsbotschaft. Auch Kolporteure aus dem italienischsprachigen Schweizer Kanton Tessin zogen nach Italien und setzten dort ihr Werk fort. Das Ergebnis ihres vereinten Wirkens war, daß sie trotz ihrer geringen Zahl bald in allen bedeutenden Städten und vielen Dörfern Italiens gepredigt hatten. Sie zählten nicht die Stunden, die sie für dieses Werk einsetzten. In der Überzeugung, daß sie Wahrheiten predigten, von denen Gott wünschte, daß die Menschen sie kennenlernten, waren sie oft von morgens bis spätabends tätig, um so viele wie möglich zu erreichen.

Auch Griechen, die im nahe gelegenen Albanien und im fernen Amerika Bibelforscher geworden waren, schenkten ihrer Heimat Aufmerksamkeit. Sie freuten sich sehr, zu erfahren, daß der Ikonenkult unbiblisch ist (2. Mo. 20:4, 5; 1. Joh. 5:21), daß Sünder nicht im Höllenfeuer schmoren (Pred. 9:5, 10; Hes. 18:4; Offb. 21:8) und daß Gottes Königreich die wahre und einzige Hoffnung der Menschheit ist (Dan. 2:44; Mat. 6:9, 10). Sie brannten darauf, ihren Landsleuten diese Wahrheiten persönlich oder brieflich zu vermitteln. Daraufhin entstanden auf dem griechischen Festland und auf den Inseln Gruppen von Zeugen Jehovas.

Nach dem Ersten Weltkrieg kamen Tausende von Polen als Bergarbeiter nach Frankreich. Ihre fremde Sprache war für die französischen Versammlungen kein Grund, sie zu übergehen. Es gelang ihnen irgendwie, diesen Bergleuten und ihren Familien die biblischen Wahrheiten zu überbringen, und die Zahl derer, die günstig reagierten, war bald größer als die der französischen Zeugen. Als 1935 wegen einer Ausweisungsverfügung der Regierung 280 nach Polen zurückkehren mußten, diente das nur dazu, dort die Verbreitung der Königreichsbotschaft zu verstärken. 1935 waren 1 090 Königreichsverkündiger daran beteiligt, in Polen Zeugnis abzulegen.

Andere folgten der Einladung, ihre Heimat zu verlassen, um im Ausland den Dienst aufzunehmen.

Eifrige europäische Evangeliumsverkündiger helfen im Ausland

Durch internationale Zusammenarbeit erfuhren die Baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen) von den herzerfrischenden Wahrheiten über Gottes Königreich. In den 20er und 30er Jahren legten eifrige Brüder und Schwestern aus Dänemark, Deutschland, England und Finnland in dieser Region umfassend Zeugnis ab. Es wurde viel Literatur verbreitet, und Tausende hörten biblische Vorträge. Regelmäßige biblische Rundfunkprogramme in mehreren Sprachen, die in Estland gesendet wurden, konnte man sogar in der Sowjetunion empfangen.

Von Deutschland aus ließen sich in den 20er und 30er Jahren bereitwillige Verkündiger in Länder wie Belgien, Bulgarien, Frankreich, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Spanien und Tschechoslowakei senden. Zu ihnen gehörte Willy Unglaube. Nachdem er eine Zeitlang im Magdeburger Bethel gedient hatte, ging er als Vollzeitprediger nach Frankreich, Algerien, Spanien, Singapur, Malaysia und Thailand.

Als in den 30er Jahren von Frankreich ein Hilferuf ausging, war Kolporteuren aus Großbritannien ganz offensichtlich bewußt, daß der christliche Predigtauftrag nicht nur das Evangelisieren im eigenen Land verlangte, sondern auch in anderen Gebieten der Erde (Mar. 13:10). Einer der fleißigen Erntearbeiter, die dem Ruf nach Mazedonien folgten, war John Cooke. (Vergleiche Apostelgeschichte 16:9, 10.) Während der folgenden sechs Jahrzehnte nahm er Dienstaufgaben in Frankreich, Spanien, Irland, Portugal, Angola, Mosambik und Südafrika wahr. Sein Bruder Eric gab seine Stellung in Barclay’s Bank auf und schloß sich John im Vollzeitpredigtdienst in Frankreich an; danach diente auch er in Spanien und Irland und war außerdem in Südrhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika als Missionar tätig.

Im Mai 1926 nahmen George Wright und Edwin Skinner aus England die Einladung an, beim Aufbau des Königreichswerkes in Indien mitzuhelfen. Das war eine gewaltige Aufgabe. Das Gebiet umschloß ganz Afghanistan, Birma (heute Myanmar), Ceylon (heute Sri Lanka), Indien und Persien (heute Iran). Bei ihrer Ankunft in Bombay machten sie mit dem Monsunregen Bekanntschaft. Doch sie legten keinen übermäßigen Wert auf Komfort oder Bequemlichkeit und reisten bald in die entlegenen Winkel des Landes, um Bibelforscher, von deren Existenz man bereits wußte, ausfindig zu machen und sie zu ermuntern. Sie verbreiteten auch große Mengen Literatur, durch die bei anderen Interesse geweckt werden sollte. Das Werk wurde gründlich durchgeführt. 1928 arrangierten die 54 Königreichsverkündiger im südindischen Trawankur (heute Kerala) 550 öffentliche Zusammenkünfte, die von rund 40 000 Personen besucht wurden. 1929 zogen vier weitere Pioniere von Großbritannien nach Indien, um bei dem Werk mitzuhelfen. Und 1931 trafen erneut drei Helfer aus England in Bombay ein. Immer wieder suchten sie die verschiedenen Gegenden dieses riesigen Landes auf und verbreiteten nicht nur Literatur in Englisch, sondern auch in den indischen Sprachen.

Was trug sich unterdessen in Osteuropa zu?

Eine geistige Ernte

Vor dem Ersten Weltkrieg waren in Osteuropa Samenkörner biblischer Wahrheit ausgestreut worden, und einige waren aufgegangen. 1908 war Andrásné Benedek, eine einfache Ungarin, nach Österreich-Ungarn zurückgekehrt, um mit anderen über all das Gute, was sie gelernt hatte, zu sprechen. Zwei Jahre später waren außerdem Károly Szabó und József Kiss in dieses Land zurückgegangen, und sie verbreiteten die biblische Botschaft besonders in der Region der späteren Tschechoslowakei und Rumäniens. Trotz der heftigen Gegnerschaft zorniger Geistlicher bildeten sich Studiengruppen, und es wurde weit und breit Zeugnis abgelegt. Andere schlossen sich ihnen im öffentlichen Verkünden ihres Glaubens an, und bis 1935 war die Schar der Königreichsverkündiger in Ungarn auf 348 angewachsen.

Die Größe Rumäniens verdoppelte sich nahezu, als nach dem Ersten Weltkrieg die Grenzen Europas von den Siegermächten neu gezogen wurden. Laut Berichten gab es in diesem größer gewordenen Land 1920 ungefähr 150 Bibelforschergruppen, mit denen 1 700 Personen verbunden waren. Im darauffolgenden Jahr nahmen beim Abendmahl des Herrn fast 2 000 von den Gedächtnismahlsymbolen, wodurch sie sich als geistgesalbte Brüder Christi zu erkennen gaben. Diese Zahl nahm während der nächsten vier Jahre stark zu. 1925 waren beim Gedächtnismahl 4 185 anwesend, und wie es damals üblich war, nahmen zweifellos die meisten von den Symbolen. Allerdings sollte der Glaube all dieser Personen geprüft werden. Würden sie sich als echter „Weizen“ erweisen oder bloß als Scheinweizen? (Mat. 13:24-30, 36-43). Würden sie wirklich das Zeugniswerk verrichten, das Jesus seinen Nachfolgern aufgetragen hatte? Würden sie auch bei heftiger Gegnerschaft damit fortfahren? Wären sie treu, selbst wenn andere eine Haltung wie die des Judas Iskariot einnehmen würden?

Der Bericht für 1935 deutet darauf hin, daß nicht alle den Glauben hatten, der zum Ausharren befähigt. In jenem Jahr waren es nur 1 188, die einen gewissen Anteil daran hatten, in Rumänien Zeugnis abzulegen, obgleich damals mehr als doppelt so viele von den Gedächtnismahlsymbolen nahmen. Die Treuen hielten sich jedoch im Dienst des Herrn beschäftigt. Sie überbrachten anderen demütigen Menschen die biblischen Wahrheiten, die sie selbst als so herzerfreuend empfunden hatten. Dabei fiel besonders auf, wieviel Literatur sie verbreiteten. Von 1924 bis 1935 hatten sie bei interessierten Personen bereits mehr als 800 000 Bücher und Broschüren zurückgelassen und außerdem Traktate.

Wie stand es mit der Tschechoslowakei, die 1918 nach dem Zusammenbruch des österreichisch-ungarischen Reiches zur Nation wurde? Hier trug ein noch gründlicheres Zeugnis zur geistigen Ernte bei. Es war schon früher in Ungarisch, Russisch, Rumänisch und Deutsch gepredigt worden. 1922 kehrten dann mehrere Bibelforscher aus Amerika dorthin zurück, um sich der slowakischsprechenden Bevölkerung zuzuwenden, und im Jahr darauf begann ein Ehepaar aus Deutschland, sich auf das tschechische Gebiet zu konzentrieren. Regelmäßige Kongresse wirkten sich — wenn sie auch klein waren — ermunternd und einigend aus. Nachdem die Versammlungen 1927 besser für das Evangelisieren von Haus zu Haus organisiert worden waren, wurde das Wachstum offenkundiger. 1932 erlebte das Werk einen starken Aufschwung, als ein internationaler Kongreß in Prag stattfand, dem ungefähr 1 500 Besucher aus der Tschechoslowakei und aus Nachbarländern beiwohnten. Außerdem sahen große Zuschauermengen eine vierstündige Version des „Photo-Dramas der Schöpfung“, das von einem Ende des Landes bis zum anderen aufgeführt wurde. Innerhalb von nur einem Jahrzehnt wurden mehr als 2 700 000 Publikationen unter den verschiedenen Sprachgruppen in diesem Land verbreitet. Das geistige Pflanzen, Bebauen und Bewässern führte zu einer Ernte, an der sich 1935 1 198 Königreichsverkündiger beteiligten.

Jugoslawien (zunächst das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) war durch die Veränderung der Europakarte nach dem Ersten Weltkrieg ins Dasein gekommen. Schon 1923 hieß es, daß eine Bibelforschergruppe in Belgrad Zeugnis ablegte. Später wurde das „Photo-Drama der Schöpfung“ im ganzen Land vor großen Besuchermengen gezeigt. Als man Jehovas Zeugen in Deutschland heftig verfolgte, wurde die Gruppe in Jugoslawien durch deutsche Pioniere verstärkt. Ohne sich über persönlichen Komfort Gedanken zu machen, drangen sie in die entlegensten Gegenden dieses gebirgigen Landes vor, um dort zu predigen. Andere deutsche Pioniere gingen nach Bulgarien. Auch unternahm man Anstrengungen, die gute Botschaft in Albanien zu predigen. In allen diesen Ländern wurde der Samen der Königreichswahrheit gesät. Einige Samenkörner keimten. Doch erst in späteren Jahren sollte dort eine größere Ernte eingebracht werden.

Weiter südlich, auf dem afrikanischen Kontinent, wurde die gute Botschaft ebenfalls von Personen verbreitet, die das Vorrecht, Zeugen des Allerhöchsten zu sein, von ganzem Herzen schätzten.

In Westafrika erstrahlt geistiges Licht

Etwa sieben Jahre nachdem ein Bibelforscher von Barbados mit einem Arbeitsvertrag nach Westafrika gegangen war, schrieb er an das Büro der Watch Tower Society in New York, daß sich ziemlich viele Leute für die Bibel interessierten. Ein paar Monate später, am 14. April 1923, kam W. R. Brown, der vorher auf Trinidad gedient hatte, auf Bruder Rutherfords Einladung hin mit seiner Familie nach Freetown in Sierra Leone.

Es wurde gleich dafür gesorgt, daß Bruder Brown einen Vortrag in der Wilberforce Memorial Hall hielt. Am 19. April waren rund 500 Zuhörer anwesend, darunter die meisten Geistlichen aus Freetown. Am darauffolgenden Sonntag hielt er wieder eine Ansprache. Er wählte ein Thema, über das C. T. Russell oft gesprochen hatte: „In die Hölle und zurück! Wer ist dort?“ Bruder Browns Vorträge waren stets mit Bibelzitaten durchsetzt, die er für die Anwesenden auf eine Leinwand projizierte. In seinen Ansprachen sagte er immer wieder: „Das sagt nicht Brown, sondern die Bibel.“ Deswegen wurde er als „Bibel-Brown“ bekannt. Und als Ergebnis seiner logischen biblischen Darlegungen traten einige angesehene Kirchenmitglieder aus der Kirche aus und nahmen den Dienst für Jehova auf.

Er unternahm weite Reisen, um das Königreichswerk in noch mehr Gebieten in Gang zu bringen. Deshalb hielt er auch zahlreiche biblische Vorträge, verbreitete große Mengen Literatur und ermutigte andere, es ihm gleichzutun. Sein Evangelisierungswerk führte ihn an die Goldküste (heute Ghana), nach Liberia, Gambia und Nigeria. Von Nigeria brachten andere die Königreichsbotschaft nach Benin (damals Dahomey) und Kamerun. Bruder Brown wußte, daß die Bevölkerung für die sogenannte „Religion des weißen Mannes“ nicht viel übrig hatte, und so sprach er in der Glover Memorial Hall in Lagos darüber, daß die Religion der Christenheit versagt hat. Nach der Zusammenkunft nahmen die begeisterten Zuhörer 3 900 Bücher entgegen, um sie selbst zu lesen und an andere weiterzugeben.

Als Bruder Brown nach Westafrika kam, hatten dort nur eine Handvoll Leute von der Königreichsbotschaft gehört. Doch als er 27 Jahre später wegging, gab es in diesem Gebiet weit über 11 000 eifrige Zeugen Jehovas. Religiöse Irrlehren wurden entlarvt; die wahre Anbetung hatte Fuß gefaßt und breitete sich rasch aus.

Die Ostküste Afrikas entlang

Schon ziemlich früh im 20. Jahrhundert waren einige Publikationen von C. T. Russell im Südosten Afrikas von Einzelpersonen in Umlauf gebracht worden, die ein paar Gedanken aus diesen Büchern übernommen, sie aber mit ihren eigenen Anschauungen vermischt hatten. Dadurch entstanden eine Reihe sogenannter Watchtower-Bewegungen, die überhaupt keine Verbindung zu Jehovas Zeugen hatten. Einige waren politisch orientiert und stifteten unter den Eingeborenen Unruhe. Viele Jahre lang wurde das Werk der Zeugen Jehovas durch den schlechten Ruf dieser Gruppen behindert.

Dennoch erkannten eine Reihe von Afrikanern den Unterschied zwischen Wahr und Falsch. Wanderarbeiter brachten die gute Botschaft von Gottes Königreich in Nachbarländer und verkündigten sie in den afrikanischen Sprachen. Die englischsprachige Bevölkerung in Südostafrika vernahm die Botschaft überwiegend durch Kontakte mit Südafrika. In manchen Ländern wurden allerdings europäische Zeugen durch heftige Gegnerschaft von offizieller Seite, angeheizt von der Geistlichkeit der Christenheit, am Predigen unter den afrikanischen Sprachgruppen gehindert. Dessenungeachtet breitete sich die Wahrheit aus, obwohl viele, die sich für die biblische Botschaft interessierten, Hilfe brauchten, um das Gelernte richtig in die Praxis umzusetzen.

Einige unvoreingenommene Beamte schenkten den boshaften Anschuldigungen, die die Geistlichkeit der Christenheit gegen Jehovas Zeugen vorbrachte, nicht ohne weiteres Glauben. So war es bei einem Polizeichef in Njassaland (heute Malawi), der sich verkleidete und die Zusammenkünfte der eingeborenen Zeugen besuchte, um selbst herauszufinden, was für Leute das waren. Sie machten einen guten Eindruck auf ihn. Als die Regierung genehmigte, daß ein ansässiger Europäer die Gesellschaft vertrat, wurden Bert McLuckie und dann sein Bruder Bill Mitte der 30er Jahre dorthin gesandt. Sie blieben mit der Polizei und den Distriktskommissaren in Kontakt, damit diese Beamten ein klares Bild von ihrer Tätigkeit hätten und Jehovas Zeugen nicht mit irgendeiner fälschlich so genannten Watchtower-Bewegung verwechselten. Gleichzeitig arbeiteten sie geduldig mit Gresham Kwazizirah, einem reifen einheimischen Zeugen, zusammen, um den Hunderten, die sich den Versammlungen anschließen wollten, bewußtzumachen, daß geschlechtliche Unmoral, der Mißbrauch alkoholischer Getränke und Aberglaube mit der Lebensweise eines Zeugen Jehovas nicht zu vereinbaren sind (1. Kor. 5:9-13; 2. Kor. 7:1; Offb. 22:15).

Im Jahre 1930 gab es nur etwa hundert Zeugen Jehovas im Süden Afrikas. Doch sie hatten in etwa ganz Afrika südlich des Äquators und einige Gebiete, die sich nördlich davon erstreckten, zu bearbeiten. Die Königreichsbotschaft in einem so weiten Umkreis zu predigen erforderte echte Pioniere. Frank und Gray Smith waren von dieser Art.

Sie reisten mit dem Schiff von Kapstadt aus 4 800 Kilometer in nordöstlicher Richtung und fuhren dann noch vier Tage mit dem Auto über holprige Straßen, um nach Nairobi (Kenia, Britisch-Ostafrika) zu gelangen. In weniger als einem Monat gaben sie 40 Kartons biblische Literatur ab. Aber tragischerweise starb Frank auf der Rückreise an Malaria. Trotzdem gingen kurze Zeit später Robert Nisbet und David Norman auf die Reise — diesmal mit 200 Kartons Literatur —, um in Kenia und Uganda sowie in Tanganjika und auf Sansibar (heute beides Tansania) so viele Leute wie möglich zu erreichen. Bei ähnlichen Expeditionen gelangte die Königreichsbotschaft zu den Inseln Mauritius und Madagaskar im Indischen Ozean und St. Helena im Atlantik. Es wurde Wahrheitssamen ausgestreut, aber er ging nicht überall sofort auf.

Von Südafrika aus wurde bereits 1925 das Predigen der guten Botschaft auf Basutoland (heute Lesotho), Betschuanaland (heute Botsuana) und Swasiland ausgedehnt. Als ungefähr acht Jahre später erneut Pioniere in Swasiland predigten, bereitete ihnen König Sobhusa II. einen königlichen Empfang. Er versammelte seine Leibwache von hundert Kriegern, hörte sich ein gründliches Zeugnis an und nahm darauf alle Veröffentlichungen der Gesellschaft entgegen, die die Brüder bei sich hatten.

Allmählich wurde in diesem Teil des weltweiten Predigtgebietes die Zahl der Zeugen Jehovas größer. Den wenigen, die dem Werk in Afrika schon Anfang des 20. Jahrhunderts den Weg gebahnt hatten, schlossen sich andere an, und 1935 gab es auf dem afrikanischen Kontinent 1 407 Personen, die sich gemäß Berichten am Predigen des Königreiches Gottes beteiligt hatten. Eine beträchtliche Anzahl lebte in Südafrika und Nigeria. Weitere große Gruppen, die sich als Zeugen Jehovas zu erkennen gaben, befanden sich in Njassaland (heute Malawi), Nordrhodesien (heute Sambia) und Südrhodesien (heute Simbabwe).

In demselben Zeitraum schenkte man auch spanisch- und portugiesischsprachigen Gebieten Aufmerksamkeit.

Spanisch- und portugiesischsprachige Gebiete bearbeitet

Während der Erste Weltkrieg noch andauerte, kam Der Wachtturm in Spanisch heraus. In dieser Zeitschrift stand die Adresse eines Büros in Los Angeles (Kalifornien), das speziell für das spanischsprachige Gebiet eingerichtet worden war. Brüder, die in diesem Büro arbeiteten, waren sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Ländern südlich davon interessierten Personen eine große Hilfe.

Juan Muñiz, der 1917 ein Diener Jehovas geworden war, wurde 1920 von Bruder Rutherford ermutigt, die Vereinigten Staaten zu verlassen und nach Spanien, in sein Geburtsland, zurückzuziehen, um dort das Königreichspredigtwerk zu organisieren. Die Ergebnisse ließen allerdings zu wünschen übrig — nicht etwa, weil es ihm an Eifer gemangelt hätte, sondern weil die Polizei ständig hinter ihm her war; deshalb wurde er ein paar Jahre später nach Argentinien versetzt.

In Brasilien predigten bereits einige Anbeter Jehovas. Acht einfache Seeleute hatten die Wahrheit während ihres Landurlaubs kennengelernt, als ihr Schiff im New Yorker Hafen lag. Zurück in Brasilien, sprachen sie Anfang 1920 eifrig mit anderen über die Botschaft der Bibel.

Der Kanadier George Young wurde 1923 nach Brasilien gesandt. Er trug bestimmt dazu bei, das Werk zu beleben. In zahlreichen öffentlichen Vorträgen, die gedolmetscht wurden, zeigte er, was die Bibel über den Zustand der Toten sagt, entlarvte den Spiritismus als dämonisch und erklärte, daß es Gottes Vorsatz ist, alle Familien der Erde zu segnen. Was seine Ansprachen noch überzeugender machte, war, daß er manchmal die erörterten Bibeltexte auf eine Leinwand projizierte, damit die Anwesenden sie in ihrer eigenen Sprache lesen konnten. Während er sich in Brasilien aufhielt, hatten Bellona Ferguson aus São Paulo und vier ihrer Kinder endlich die Gelegenheit, sich taufen zu lassen. Sie hatte 25 Jahre darauf gewartet. Von denen, die die Wahrheit annahmen, boten dann einige ihre Dienste für das Übersetzen der Literatur ins Portugiesische an. Bald gab es eine beachtliche Zahl von Veröffentlichungen in dieser Sprache.

Bruder Young ging 1924 von Brasilien nach Argentinien und sorgte dafür, daß 300 000 spanischsprachige Publikationen in 25 der wichtigen Städte unentgeltlich verbreitet wurden. Noch im selben Jahr reiste er nach Chile, Peru und Bolivien, um Traktate zu verteilen.

Nicht lange danach war George Young auf dem Weg in ein neues Gebiet. Diesmal ging es nach Spanien und Portugal. Nachdem er vom britischen Botschafter Regierungsvertretern vorgestellt worden war, konnte er es arrangieren, daß Bruder Rutherford in Barcelona, Madrid und in der portugiesischen Hauptstadt Vorträge hielt. Nach diesen Ansprachen gaben insgesamt mehr als 2 350 Personen ihre Adresse ab mit der Bitte um weiteren Aufschluß. Dann druckte eine der großen Zeitungen Spaniens den Vortrag ab, und in Traktatform wurde er im ganzen Land Leuten mit der Post zugeschickt. In Portugal erschien er ebenfalls in der Zeitung.

Dadurch gelangte die Botschaft auch weit über die Grenzen Spaniens und Portugals hinaus. Ende 1925 war die gute Botschaft zu den Kapverdischen Inseln (heute Republik Kap Verde), nach Madeira, Portugiesisch-Ostafrika (heute Mosambik), Portugiesisch-Westafrika (heute Angola) und zu Inseln im Indischen Ozean vorgedrungen.

Im Jahr darauf bemühte man sich darum, daß die kraftvolle Resolution „Ein Zeugnis an die Herrscher der Welt“ in der spanischen Zeitung La Libertad abgedruckt wurde. Rundfunksendungen, die Verbreitung von Büchern, Broschüren und Traktaten sowie Aufführungen des „Photo-Dramas der Schöpfung“ trugen dazu bei, noch intensiver Zeugnis zu geben. 1932 folgten mehrere englische Pioniere der Einladung, in diesem Gebiet mitzuhelfen, und sie bearbeiteten systematisch große Teile des Landes mit biblischer Literatur, bis sie wegen des spanischen Bürgerkrieges ausreisen mußten.

Inzwischen hatte Bruder Muñiz gleich nach seiner Ankunft in Argentinien angefangen zu predigen. Mit Uhrreparaturen sorgte er für seinen Lebensunterhalt. Abgesehen von seiner Tätigkeit in Argentinien, kümmerte er sich auch noch um Chile, Paraguay und Uruguay. Auf seine Bitte hin kamen einige Brüder aus Europa, um den deutschsprachigen Einwohnern Zeugnis zu geben. Viele Jahre später erzählte Carlos Ott, daß sie ihren Dienst um vier Uhr morgens begannen, indem sie in einem bestimmten Gebiet unter jeder Haustür ein Traktat zurückließen. Sie kamen dann noch am selben Tag wieder, um zusätzlich Zeugnis zu geben und interessierten Wohnungsinhabern weitere biblische Literatur anzubieten. Von Buenos Aires aus durchzogen die Vollzeitprediger das ganze Land — zunächst entlang den Eisenbahnlinien, die sich von der Hauptstadt aus wie die gespreizten Finger einer Hand Hunderte von Kilometern ins Land erstreckten, und dann mit allen möglichen Transportmitteln, je nachdem, was sich gerade anbot. Sie hatten kaum materielle Güter und machten viel durch, aber geistig gesehen waren sie reich.

Zu denen, die in Argentinien eifrig tätig waren, gehörte der Grieche Nicolás Argyrós. Als er Anfang 1930 einige Veröffentlichungen der Watch Tower Society erhielt, war er besonders von einer Broschüre mit dem Thema Die Hölle beeindruckt und von den Fragen auf der Titelseite: „Was ist sie? Wer ist dort? Können sie herauskommen?“ Er war erstaunt, festzustellen, daß diese Broschüre nicht beschrieb, wie Sünder geröstet würden. Zu seiner großen Überraschung erkannte er, daß die Lehre vom Höllenfeuer eine religiöse Lüge war, erfunden, um den Leuten angst zu machen, so wie sie ihm Angst eingejagt hatte. Er machte sich prompt daran, über die Wahrheit zu sprechen — zuerst mit Griechen und dann, als sich sein Spanisch verbesserte, auch mit anderen. Jeden Monat setzte er 200 bis 300 Stunden dafür ein, anderen die gute Botschaft zu überbringen. Zu Fuß und mit irgendwelchen vorhandenen Beförderungsmitteln brachte er die biblischen Wahrheiten in 14 der 22 Provinzen Argentiniens. Während er von Ort zu Ort zog, konnte er in Betten schlafen, wenn sie ihm von gastfreundlichen Leuten angeboten wurden, oft aber übernachtete er im Freien und einmal sogar in einem Stall, wo ihm ein Esel als Wecker diente.

Auch Richard Traub, der die Wahrheit in Buenos Aires kennengelernt hatte, besaß den Geist eines echten Pioniers. Ihm lag viel daran, den Menschen jenseits der Anden die gute Botschaft zu bringen. 1930, fünf Jahre nach seiner Taufe, kam er in Chile an — der einzige Zeuge Jehovas in einem Land mit 4 000 000 Einwohnern. Anfangs hatte er nur eine Bibel, mit der er arbeiten konnte, aber er begann, von Haus zu Haus zu predigen. Es gab keine Versammlungszusammenkünfte, die er besuchen konnte, und so ging er sonntags zu der Zeit, wo sie normalerweise stattfanden, zum Berg San Christóbal, setzte sich in den Schatten eines Baumes und vertiefte sich in sein Studium und ins Gebet. Nachdem er eine Wohnung gemietet hatte, lud er andere zu Zusammenkünften dorthin ein. Der einzige, der zur ersten Zusammenkunft erschien, war Juan Flores; er fragte: „Und die anderen, wann werden sie kommen?“ Bruder Traub antwortete einfach: „Sie werden kommen.“ Und sie kamen. In weniger als einem Jahr wurden 13 Personen getaufte Diener Jehovas.

Vier Jahre später taten sich zwei Zeuginnen zusammen, die sich nie zuvor begegnet waren, um die gute Botschaft in Kolumbien zu predigen. Nach einem produktiven Jahr dort mußte Hilma Sjoberg in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Käthe Palm dagegen fuhr mit dem Schiff nach Chile und nutzte die 17 Tage auf See, um sowohl der Mannschaft als auch den Passagieren Zeugnis zu geben. Während des folgenden Jahrzehnts predigte sie von Arica, dem nördlichsten Hafen Chiles, bis nach Feuerland im äußersten Süden. Sie sprach in Geschäftshäusern vor und gab Regierungsvertretern Zeugnis. Beladen mit einer Satteltasche voll Literatur, die sie auf den Schultern trug, und einigen unentbehrlichen Gütern wie einer Decke zum Schlafen, suchte sie die abgelegensten Bergarbeitersiedlungen und Schaffarmen auf. Sie führte das Leben eines echten Pioniers. Und es gab noch andere, die denselben Geist hatten — Ledige, Verheiratete, Jüngere und Ältere.

Im Jahre 1932 bemühte man sich besonders, die Königreichsbotschaft in lateinamerikanischen Ländern zu verkündigen, in denen bis dahin kaum gepredigt worden war. In diesem Jahr wurde von der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt eine beachtliche Anzahl verbreitet. Diese Broschüre enthielt einen Vortrag, der schon in einer internationalen Rundfunksendung ausgestrahlt worden war. Nun wurden in Chile rund 40 000 Exemplare dieser gedruckten Ansprache verbreitet, 25 000 in Bolivien, 25 000 in Peru, 15 000 in Ecuador, 20 000 in Kolumbien, 10 000 in Santo Domingo (heute Dominikanische Republik) und weitere 10 000 in Puerto Rico. Ja, die Königreichsbotschaft wurde verkündigt, und das sehr gründlich.

Im Jahre 1935 gab es in Südamerika nur 247 Personen, die vereint verkündigten, daß nur Gottes Königreich der Menschheit wahres Glück bringen wird. Aber sie gaben ein gewaltiges Zeugnis.

Menschen in noch abgelegeneren Regionen erreicht

Jehovas Zeugen vertraten keinesfalls den Standpunkt, sie kämen ihrer Verantwortung gegenüber Gott nach, wenn sie einfach mit den wenigen sprächen, die zufällig in ihrer Nähe wohnten. Sie bemühten sich, allen die gute Botschaft zu überbringen.

Menschen, die in Gegenden lebten, wohin die Zeugen nicht persönlich reisen konnten, wurden auf andere Weise erreicht. Ende der 20er Jahre zum Beispiel versandten die Zeugen in Kapstadt (Südafrika) 50 000 Broschüren an alle Farmer, Leuchtturmwärter, Förster und an andere, die abgelegen wohnten. Man beschaffte sich auch ein neues Adreßbuch von ganz Südwestafrika (heute Namibia) und schickte jedem, dessen Name darin stand, die Broschüre Des Volkes Freund zu.

Im Jahre 1929 wurde F. J. Franske mit der Verantwortung für den Schoner Morton, der der Watch Tower Society gehörte, betraut und erhielt die Aufgabe, zusammen mit Jimmy James Menschen in Labrador und allen Fischersiedlungen von Neufundland zu besuchen. Im Winter bereiste Bruder Franske die Küste mit einem Hundegespann. Die Eskimos und Neufundländer, bei denen er biblische Literatur zurückließ, gaben ihm Lederwaren, Fische oder ähnliches, um die Kosten dafür zu decken. Ein paar Jahre später machte er sich auf zu den Bergarbeitern, Holzfällern, Pelztierjägern, Viehzüchtern und Indianern in dem rauhen Karibugebiet von Britisch-Kolumbien. Während er unterwegs war, jagte er, um sich Fleisch zu beschaffen, pflückte wilde Beeren und backte sein Brot in einer Bratpfanne über einem offenen Lagerfeuer. Danach benutzte er zusammen mit einem Partner ein Lachsfangboot als Transportmittel, und sie brachten die Königreichsbotschaft zu jeder Insel, jeder Bucht, in jedes Holzfällerlager, zu jedem Leuchtturm und in jede Siedlung an der Westküste Kanadas. Er war nur einer von vielen, die einiges auf sich nahmen, um die Menschen in den entlegenen Winkeln der Erde zu erreichen.

Ende der 20er Jahre reiste Frank Day in Richtung Norden durch die Dörfer Alaskas, predigte, verbreitete Literatur und verkaufte nebenbei Brillen, um für sich sorgen zu können. Obwohl er wegen eines künstlichen Beines humpelte, bearbeitete er das Gebiet von Ketchikan bis Nome — eine Entfernung von ungefähr 1 900 Kilometern. Schon 1897 hatte ein Goldgräber in Kalifornien Exemplare der Serie Millennium-Tagesanbruch und des Wachtturms erhalten und geplant, sie mit zurück nach Alaska zu nehmen. Und 1910 hatte ein gewisser Kapitän Beams Literatur in den Häfen von Alaska zurückgelassen, die er mit seinem Walfangschiff anlief. Aber die Predigttätigkeit begann sich dadurch auszudehnen, daß Bruder Day über 12 Jahre lang jeden Sommer nach Alaska reiste.

Zwei andere Zeugen fuhren mit dem 12 Meter langen Motorboot Esther die norwegische Küste entlang bis weit in die Arktis hinein. Sie gaben auf den Inseln Zeugnis, suchten Leuchttürme auf, predigten in Küstendörfern und besuchten abgelegene Orte tief in den Bergen. Viele Leute nahmen sie freundlich in Empfang, und im Laufe eines Jahres konnten sie 10 000 bis 15 000 Bücher und Broschüren verbreiten, in denen Gottes Vorsatz in bezug auf die Menschheit erklärt wurde.

Inseln hören die Lobpreisung Jehovas

Nicht nur auf Inseln in der Nähe von Festlandküsten wurde Zeugnis abgelegt. Anfang der 30er Jahre reiste Sydney Shepherd zwei Jahre lang mitten im Pazifik, um auf den Cookinseln und auf Tahiti zu predigen. Weiter westlich predigte George Winton die gute Botschaft auf den Neuen Hebriden (heute Vanuatu).

Etwa um die gleiche Zeit machte sich auch Joseph Dos Santos, ein Amerikaner portugiesischer Abstammung, auf den Weg in unberührtes Gebiet. Zunächst gab er auf den äußeren Inseln Hawaiis Zeugnis; dann ging er auf eine Predigtreise rund um die Welt. Als er jedoch auf den Philippinen ankam, erhielt er einen Brief von Bruder Rutherford, in dem er gebeten wurde, dort zu bleiben, um das Königreichspredigtwerk in Gang zu bringen und zu organisieren. Er blieb 15 Jahre lang.

Zu dieser Zeit wandte das australische Zweigbüro der Gesellschaft dem Werk im Südpazifik seine Aufmerksamkeit zu. Zwei Pioniere, die von dort ausgesandt wurden, gaben 1930/31 auf Fidschi ein umfassendes Zeugnis. Samoa hörte die Botschaft 1931. Auf Neukaledonien wurde 1932 gepredigt. Ein Pionierehepaar aus Australien nahm 1933 sogar den Dienst in China auf und legte in den folgenden paar Jahren in 13 bedeutenden chinesischen Städten Zeugnis ab.

Den Brüdern in Australien wurde klar, daß mehr erreicht werden könnte, wenn ihnen ein Schiff zur Verfügung stünde. Bald rüsteten sie einen 16 Meter langen Zweimaster aus, den sie Lightbearer nannten, und er diente von Anfang 1935 an einer Gruppe eifriger Brüder mehrere Jahre als Ausgangspunkt für ihre Tätigkeit, während sie in Niederländisch-Indien (heute Indonesien), Singapur und Malaya Zeugnis gaben. Die Ankunft des Schiffes erregte immer viel Aufsehen, und dadurch bot sich den Brüdern oft Gelegenheit, zu predigen und eine Menge Literatur abzugeben.

Unterdessen beschlossen 1935 auf der anderen Seite der Erdkugel zwei Pionierinnen aus Dänemark, eine Urlaubsreise zu den Färöern im Nordatlantik zu machen. Aber ihnen war nicht nur an der schönen Landschaft gelegen. Sie waren mit Tausenden von Publikationen ausgerüstet und machten guten Gebrauch davon. Wind und Regen und die Feindseligkeit der Geistlichen konnten ihnen nichts anhaben, und sie bearbeiteten die bewohnten Inseln, soweit es ihnen während ihres Aufenthalts möglich war.

Weiter westlich übernahm Georg Lindal, ein Kanadier isländischer Herkunft, eine Aufgabe, die viel mehr Zeit in Anspruch nahm. Auf die Anregung Bruder Rutherfords hin zog er 1929 als Pionier nach Island. Er hatte eine erstaunliche Ausdauer. In den folgenden 18 Jahren diente er dort überwiegend allein. Immer wieder besuchte er die Dörfer und Städte. Er verbreitete Zehntausende von Veröffentlichungen, doch damals schloß sich ihm kein einziger Isländer im Dienst für Jehova an. Bis 1947, als zwei Gileadmissionare eintrafen, gab es mit Ausnahme eines einzigen Jahres keine Zeugen, mit denen er Gemeinschaft pflegen konnte.

Wenn Menschen etwas untersagen, was Gott gebietet

In ihrem öffentlichen Predigtdienst — besonders von den 20er bis zu den 40er Jahren — stießen Jehovas Zeugen nicht selten auf Anfeindungen, hinter denen meistens Geistliche und mitunter auch Regierungsvertreter steckten.

In einem ländlichen Gebiet nördlich von Wien sahen sich die Zeugen einer vom Dorfgeistlichen mit Unterstützung der Gendarmerie aufgehetzten Menge gegenüber. Die Geistlichen wollten unbedingt verhindern, daß Jehovas Zeugen in ihren Dörfern predigten. Die Zeugen hingegen waren entschlossen, ihren göttlichen Auftrag auszuführen; sie kehrten an einem anderen Tag zurück und änderten ihre Methode, indem sie auf Umwegen in die Ortschaften gingen.

Ganz gleich, womit Menschen ihnen drohten oder was sie von ihnen forderten, es war Jehovas Zeugen klar, daß sie vor Gott verpflichtet waren, sein Königreich zu verkündigen. Sie entschieden sich dafür, Gott, dem Herrscher, mehr zu gehorchen als den Menschen (Apg. 5:29). Wenn örtliche Behörden den Zeugen Jehovas keine Religionsfreiheit zuerkennen wollten, brachten die Zeugen einfach Verstärkung herbei.

Nachdem es 1929 in einem Bezirk Bayerns wiederholt zu Verhaftungen gekommen war, setzte man zwei Sonderzüge ein — der eine fuhr in Berlin ab, der andere in Dresden. Sie wurden in Reichenbach gekoppelt, und um zwei Uhr morgens erreichte der Zug die Gegend um Regensburg mit 1 200 Passagieren, die darauf brannten, sich am Zeugnisgeben zu beteiligen. Das Reisen war teuer, und alle hatten ihr Fahrgeld selbst bezahlt. An jedem Bahnhof stiegen einige aus. Mehrere hatten Fahrräder mitgebracht, so daß sie aufs Land hinausfahren konnten. Der ganze Bezirk wurde an einem einzigen Tag bearbeitet. Als sie die Ergebnisse ihrer vereinten Anstrengungen sahen, kam ihnen unwillkürlich in den Sinn, was Gott seinen Dienern verheißen hatte: „Welche Waffe es auch immer sei, die gegen dich gebildet sein wird, sie wird keinen Erfolg haben“ (Jes. 54:17).

Die Zeugen in Deutschland waren so eifrig, daß sie nach einer Schätzung zwischen 1919 und 1933 mindestens 125 000 000 Bücher, Broschüren und Zeitschriften sowie Millionen von Traktaten verbreiteten. Es gab damals jedoch nur rund 15 000 000 Familien in Deutschland. In dieser Zeit wurde in Deutschland von allen Ländern der Erde mit am gründlichsten Zeugnis abgelegt. Dort gab es mit die größte Konzentration von Personen, die sich zu den geistgesalbten Nachfolgern Christi rechneten. Doch in den folgenden Jahren machten sie sehr harte Prüfungen ihrer Lauterkeit durch (Offb. 14:12).

Im Jahre 1933 nahm der Widerstand der Regierung gegen das Werk der Zeugen Jehovas in Deutschland stark zu. Die Wohnungen von Zeugen und das Zweigbüro der Gesellschaft wurden wiederholt von der Gestapo durchsucht. In den meisten deutschen Ländern wurde die Tätigkeit der Zeugen Jehovas verboten, und es kam zu Verhaftungen. Viele Tonnen Bibeln und biblische Literatur von ihnen wurden öffentlich verbrannt. Am 1. April 1935 wurde ein allgemeines Reichsverbot gegen die Ernsten Bibelforscher erlassen, und man machte systematische Anstrengungen, ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen. Die Zeugen wiederum versammelten sich jetzt nur noch in kleinen Gruppen, vervielfältigten ihr Bibelstudienmaterial auf eine Art und Weise, die von der Gestapo nicht ohne weiteres entdeckt werden konnte, und gingen zu weniger auffälligen Predigtmethoden über.

Schon davor, nämlich von 1925 an, hatten die Brüder in Italien unter einer faschistischen Diktatur gelebt, und 1929 war ein Konkordat zwischen der katholischen Kirche und dem faschistischen Staat unterzeichnet worden. Wahre Christen wurden erbarmungslos verfolgt. Sie trafen sich zum Teil in Scheunen und auf Heuböden, um Verhaftungen zu entgehen. Es gab damals nur sehr wenige Zeugen Jehovas in Italien; 1932 erhielten sie jedoch Verstärkung beim Verbreiten der Königreichsbotschaft, als 20 Zeugen Jehovas aus der Schweiz nach Italien gingen und in einer Blitzaktion 300 000 Exemplare der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt verbreiteten.

Auch im Fernen Osten nahm der Druck zu. In Japan wurden einzelne Zeugen Jehovas festgenommen. Beamte in Seoul (in der heutigen Republik Korea) und in Pjöngjang (in der heutigen Demokratischen Volksrepublik Korea) vernichteten große Mengen biblische Literatur.

Mitten in diesen sich zusammenbrauenden Schwierigkeiten erlangten Jehovas Zeugen 1935 ein klares Verständnis darüber, wer die „große Schar“ oder „große Volksmenge“ (Lu; NW) aus Offenbarung 7:9-17 ist. Durch dieses Verständnis wurde ihnen bewußt, daß ein unvorhergesehenes und dringendes Werk vor ihnen lag (Jes. 55:5). Jetzt vertraten sie nicht mehr die Ansicht, daß alle, die nicht zur „kleinen Herde“ von Erben des himmlischen Königreiches gehörten, irgendwann in der Zukunft die Gelegenheit hätten, ihr Leben nach den Anforderungen Jehovas auszurichten (Luk. 12:32). Sie erkannten, daß nun die Zeit da war, aus solchen Menschen Jünger zu machen, damit sie überleben und in Gottes neue Welt gelangen könnten. Wie lange die Einsammlung dieser großen Volksmenge aus allen Nationen andauern würde, wußten sie nicht, obwohl sie meinten, das Ende des bösen Systems müsse sehr nahe sein. Sie waren sich nicht sicher, wie das Werk unter der Verfolgung, die sich ausweitete und immer heftiger wurde, im einzelnen durchzuführen wäre. Doch eines stand für sie fest: Jehova würde ihnen den Weg ebnen, damit sie seinen Willen tun könnten, denn „die Hand Jehovas ist nicht zu kurz“ (Jes. 59:1).

Im Jahre 1935 gab es relativ wenige Zeugen Jehovas — nur 56 153 weltweit.

Sie predigten damals in 115 Ländern; allerdings gab es in fast der Hälfte dieser Länder weniger als zehn Zeugen. Nur in zwei Ländern waren 10 000 oder mehr Zeugen Jehovas tätig (in den Vereinigten Staaten 23 808 und in Deutschland schätzungsweise 10 000 von den 19 268, die zwei Jahre vorher in der Lage gewesen waren, über ihre Tätigkeit zu berichten). In sieben anderen Ländern (Australien, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Polen, Rumänien und Tschechoslowakei) verzeichneten sie jeweils mehr als 1 000, aber weniger als 6 000 Zeugen. Nach Unterlagen aus 21 weiteren Ländern gab es dort jeweils zwischen 100 und 1 000 Zeugen. Doch in jenem Jahr setzte diese Schar eifriger Zeugen weltweit 8 161 424 Stunden ein, um Gottes Königreich als einzige Hoffnung für die Menschheit zu verkündigen.

Außer den Ländern, in denen 1935 gepredigt wurde, hatten vorher schon weitere die gute Botschaft vom Königreich gehört, so daß sie bis dahin in 149 Ländern und Inselgebieten gepredigt worden war.

[Herausgestellter Text auf Seite 424]

Auch in Haft hatten sie die Gelegenheit zu predigen

[Herausgestellter Text auf Seite 425]

Sie verspürten den brennenden Wunsch, mit dem Werk fortzufahren

[Herausgestellter Text auf Seite 441]

Wind, Regen und die Feindseligkeit der Geistlichen konnten ihnen nichts anhaben

[Herausgestellter Text auf Seite 442]

Bevor die „Ernsten Bibelforscher“ in Deutschland verboten wurden, war hier ein Zeugnis von enormem Ausmaß gegeben worden

[Karte/Bilder auf Seite 423]

Während die Welt Krieg führte, waren R. R. Hollister und Fanny Mackenzie damit beschäftigt, den Menschen in China, Japan und Korea eine Friedensbotschaft zu überbringen

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

KOREA

JAPAN

CHINA

PAZIFISCHER OZEAN

[Karte auf Seite 428]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Als Emigranten aus den Ländern, die auf dieser Karte aufgeführt sind, von Gottes wunderbarem Vorsatz erfuhren, die Menschheit zu segnen, fühlten sie sich gedrängt, diese Botschaft mit zurück in ihre Heimat zu nehmen

AMERIKA

ÖSTERREICH

BULGARIEN

ZYPERN

TSCHECHOSLOWAKEI

DÄNEMARK

FINNLAND

DEUTSCHLAND

GRIECHENLAND

UNGARN

ITALIEN

NIEDERLANDE

NORWEGEN

POLEN

PORTUGAL

RUMÄNIEN

SPANIEN

SCHWEDEN

SCHWEIZ

TÜRKEI

JUGOSLAWIEN

[Karte auf Seite 432]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

In den 20er und 30er Jahren zogen Evangeliumsverkündiger von Deutschland in viele Länder, um Zeugnis abzulegen

Deutschland

SÜDAMERIKA

NORDAFRIKA

ASIEN

[Karte/Bilder auf Seite 435]

Eifrige Pioniere wie Frank Smith und sein Bruder Gray (oben abgebildet) verbreiteten die gute Botschaft entlang der Ostküste Afrikas

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

UGANDA

KENIA

TANSANIA

SÜDAFRIKA

[Karte/Bild auf Seite 439]

1928 wurde diese Broschüre Menschen in ganz Südwestafrika (heute Namibia) mit der Post geschickt

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

NAMIBIA

[Karte/Bilder auf Seite 440]

Mit dem Zweimaster „Lightbearer“ verbreiteten eifrige Pioniere die Königreichsbotschaft in Südostasien

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

MALAYA

BORNEO

CELEBES

SUMATRA

JAVA

TIMOR

NEUGUINEA

AUSTRALIEN

PAZIFISCHER OZEAN

[Bilder auf Seite 426]

In vielen Ländern lockte der Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben“ eine Menge von Zuhörern an

[Bilder auf Seite 427]

In Südafrika verbreitete Edwin Scott persönlich 50 000 Exemplare der Resolution „Ein Aufruf an die Führer der Welt!“

[Bild auf Seite 429]

Willy Unglaube folgte dem Ruf nach Evangeliumsverkündigern und diente in Europa, Afrika und Asien

[Bilder auf Seite 430]

1992 waren sowohl Eric Cooke als auch sein Bruder John (sitzend) über 60 Jahre im Vollzeitdienst; sie hatten spannende Erlebnisse in Europa und Afrika hinter sich

[Bild auf Seite 431]

Als Edwin Skinner 1926 nach Indien ging, hatte er einen Auftrag, der sich auf fünf Länder erstreckte; 64 Jahre lang predigte er dort treu

[Bild auf Seite 433]

Alfred und Frieda Tuc̆ek, ausgerüstet mit lebensnotwendigen Gütern und Literatur zum Zeugnisgeben, dienten in Jugoslawien als Pioniere

[Bilder auf Seite 434]

In ganz Westafrika beteiligte sich „Bibel-Brown“ tatkräftig daran, die falsche Anbetung bloßzustellen

[Bild auf Seite 436]

George Young beteiligte sich an der ausgedehnten Verkündigung des Königreiches Gottes in Südamerika, Spanien und Portugal

[Bild auf Seite 437]

Juan Muñiz (links), der von 1924 an in Südamerika gepredigt hatte, hieß N. H. Knorr willkommen, als dieser über 20 Jahre später zum erstenmal Argentinien besuchte

[Bild auf Seite 438]

Nicolás Argyrós verbreitete die biblische Befreiungsbotschaft in 14 argentinischen Provinzen

[Bilder auf Seite 439]

F. J. Franske reiste auf Land- und Seewegen, um die biblische Wahrheit in abgelegene Siedlungen zu bringen