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Teil 4 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Teil 4 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Kapitel 22

Teil 4 — Zeugen bis zum entferntesten Teil der Erde

Während der Zweite Weltkrieg noch fortdauerte, machten Jehovas Zeugen Pläne für eine intensivere Tätigkeit in den Nachkriegsjahren. Der Bericht auf den Seiten 462 bis 501 bringt spannende Einzelheiten über das, was sich von 1945 bis 1975 zutrug, während sie an Zahl zunahmen, in viele weitere Länder gingen und Gottes Wort gründlicher als je zuvor predigten und lehrten.

DIE meisten der Westindischen Inseln waren bis 1945 irgendwie mit der Königreichsbotschaft in Berührung gekommen. Aber es mußte noch gründlicher Zeugnis abgelegt werden. Dabei sollten in der Gileadschule ausgebildete Missionare eine wichtige Rolle spielen.

Missionare verstärken das Predigtwerk in Westindien

Diese Missionare dienten 1960 auf 27 Inseln beziehungsweise Inselgruppen in der Karibik. In der Hälfte dieser Gebiete gab es, als sie ankamen, keine Versammlung der Zeugen Jehovas. Die Missionare begannen Heimbibelstudien mit interessierten Personen und organisierten regelmäßige Zusammenkünfte. Wo es schon Versammlungen gab, vermittelten sie den einheimischen Verkündigern wertvolle Schulung. Dadurch steigerte sich das Niveau der Zusammenkünfte, und der Predigtdienst wurde wirkungsvoller.

Auf Trinidad hatten die frühen Bibelforscher bereits vor dem Ersten Weltkrieg Zeugnis abgelegt, aber mit dem Eintreffen der Gileadmissionare im Jahre 1946 nahmen die Heimbibelstudien mit interessierten Personen immer mehr zu. Auf Jamaika war die gute Botschaft schon fast seit einem halben Jahrhundert gepredigt worden, und als der erste Missionar ankam, gab es dort rund tausend einheimische Zeugen; sie waren jedoch froh, daß sie Hilfe bekamen, damit auch die gebildeteren Menschen — besonders in den Randbezirken der Hauptstadt — erreicht würden. Dagegen war auf Aruba unter den englischsprachigen Bewohnern schon umfassend Zeugnis abgelegt worden, so daß sich die Missionare auf die einheimische Bevölkerung konzentrierten. Jeder sollte die gute Botschaft hören.

Damit auf allen Inseln dieser Region Menschen die Gelegenheit hätten, von Gottes Königreich zu erfahren, richtete die Watch Tower Society 1948 den 18 Meter langen Schoner Sibia als schwimmendes Missionarheim ein. Die Mannschaft sollte die Königreichsbotschaft zu allen Inseln von Westindien bringen, wo die gute Botschaft noch nicht gepredigt wurde. Der Kapitän war Gust Maki, und mit dabei waren Stanley Carter, Ronald Parkin und Arthur Worsley. Sie fingen mit den äußeren Inseln der Bahamas an und fuhren dann weiter in südöstlicher Richtung zu den Inseln über dem Winde. Was bewirkten ihre Aufenthalte dort? Auf Saint-Martin sagte ihnen ein Geschäftsmann: „Die Leute haben nie von der Bibel gesprochen, aber seit Sie hier sind, sprechen alle von der Bibel.“ Später wurde die Sibia durch ein größeres Schiff ersetzt — die Light. Auch war die Mannschaft anders zusammengesetzt. Innerhalb von zehn Jahren war das besondere Werk, das mit diesen Schiffen getan wurde, beendet, und Verkündiger der guten Botschaft, die auf den Inseln wohnten, machten weiter.

Zuerst in größeren Städten gepredigt

Wie in Westindien, so gab es auch in Mittel- und Südamerika in vielen Gegenden Leute, die schon Publikationen der Watch Tower Society erhalten hatten, bevor Gileadmissionare kamen. Allerdings war bessere Organisation nötig, um jedem die gute Botschaft überbringen zu können und aufrichtigen Menschen zu helfen, echte Jünger zu werden.

Als 1945 der Zweite Weltkrieg endete, gab es in Brasilien und Argentinien Hunderte von Zeugen Jehovas; in Mexiko rund dreitausend; einige sehr kleine Versammlungen in Britisch-Guayana (heute Guyana), Chile, Niederländisch-Guayana (heute Suriname), Paraguay und Uruguay und eine Handvoll Verkündiger in Kolumbien, Guatemala und Venezuela. In Bolivien, Ecuador, El Salvador, Honduras und Nicaragua waren dagegen noch keine Zeugen Jehovas ständig tätig, bevor Gileadmissionare ankamen.

Anfangs konzentrierten sich die Missionare auf dichtbevölkerte Zentren. Bemerkenswerterweise verrichtete der Apostel Paulus im ersten Jahrhundert einen Großteil seiner Predigttätigkeit in den Städten entlang den wichtigsten Verkehrsrouten Kleinasiens und Griechenlands. In Korinth, einer der bedeutendsten Städte des alten Griechenland, lehrte Paulus 18 Monate lang das Wort Gottes (Apg. 18:1-11). In Ephesus, einem Verkehrs- und Handelsknotenpunkt der Antike, verkündigte er mehr als zwei Jahre das Königreich Gottes (Apg. 19:8-10; 20:31).

Als Edward Michalec und Harold Morris, Absolventen der Gileadschule, 1945 nach Bolivien gingen, suchten sie sich nicht die Gegend mit dem angenehmsten Klima aus. Statt dessen konzentrierten sie sich zunächst auf die Hauptstadt La Paz, die 3 700 Meter hoch in den Anden liegt. Für Neuankömmlinge ist es eine Strapaze, in dieser Höhe die steilen Straßen zu ersteigen; oft jagt dabei ihr Puls. Aber die Missionare fanden viele Menschen, die an der biblischen Botschaft interessiert waren. Dort in der Hauptstadt hörte man oft die Äußerung: „Ich bin zwar römisch-katholisch, aber die Priester kann ich nicht leiden.“ Schon nach zwei Monaten hatten die beiden Missionare 41 Heimbibelstudien.

Da weitere Missionare kamen und die Zahl der einheimischen Zeugen anstieg, konzentrierte man sich in den folgenden zehn Jahren auf andere bolivianische Städte: Cochabamba, Oruro, Santa Cruz, Sucre, Potosí und Tarija. Danach konnten auch kleinere Städte und ländliche Gegenden gründlicher bearbeitet werden.

In Kolumbien begannen die Missionare 1945 ebenfalls in der Hauptstadt Bogotá mit dem organisierten Predigen und wandten sich im Jahr darauf der Küstenstadt Barranquilla zu. Danach konzentrierten sie sich nacheinander auf Cartagena, Santa Marta, Cali und Medellín. Dadurch, daß man die Großstädte zuerst bearbeitete, konnten in kurzer Zeit viele Leute erreicht werden. Und diejenigen, die dort die Wahrheit kennenlernten, sorgten dafür, daß die Botschaft bald in die umliegenden Gebiete gelangte.

Wenn in einer Stadt kaum Interesse vorzufinden war, wurden die Missionare woandershin geschickt. Als zum Beispiel in Ecuador Mitte der 50er Jahre nach drei Jahren Tätigkeit in dem fanatisch religiösen Cuenca kein einziger den Mut hatte, für die Wahrheit Stellung zu beziehen, wurde Carl Dochow nach Machala versetzt, einer Stadt mit unbeschwerten, aufgeschlossenen Bewohnern. Ungefähr zehn Jahre später erhielten die Einwohner Cuencas jedoch eine neue Chance. Nun herrschte ein anderer Geist, man überwand Hindernisse, und bis 1992 waren in Cuenca und Umgebung über 1 200 Menschen Zeugen Jehovas geworden, und es gab dort 25 Versammlungen.

Geduldige Suche nach schafähnlichen Menschen

Es erfordert viel Geduld, Menschen ausfindig zu machen, die wirklich wie Schafe sind. In Suriname haben Jehovas Zeugen, um solche Personen zu finden, Chinesen gepredigt, Indianern, Indonesiern, Juden, Libanesen, Nachkommen niederländischer Siedler und in Wäldern lebenden Buschnegerstämmen, deren Vorfahren entlaufene Sklaven waren. Unter ihnen sind Hunderte gefunden worden, die regelrecht nach der Wahrheit hungerten. Einige waren tief in Animismus und in spiritistische Bräuche verstrickt und mußten davon loskommen. Da war zum Beispiel Paitu, ein Medizinmann, der die Botschaft der Bibel in sein Herz eindringen ließ und daraufhin seine Götzen, Amulette und Elixiere in den Fluß warf. (Vergleiche 5. Mose 7:25; 18:9-14; Apostelgeschichte 19:19, 20.) 1975 gab er sich Jehova, dem wahren Gott, hin.

Eine Menge Peruaner leben in kleinen Dörfern, die in den Anden und in den Wäldern am Oberlauf des Amazonas verstreut liegen. Wie konnten sie erreicht werden? 1971 reisten die Leydigs aus den Vereinigten Staaten nach Peru, um ihren Sohn Joe, der dort als Missionar diente, zu besuchen. Als ihnen die große Zahl von Dörfern auffiel, die hier und da in den Bergtälern versteckt lagen, veranlaßte sie ihr Interesse an diesen Menschen, etwas für sie zu tun. Sie halfen mit, ein Wohnmobil anzuschaffen, dann noch zwei weitere und auch geländegängige Motorräder, damit ausgedehnte Predigttouren in diese abgelegenen Winkel gemacht werden konnten.

Trotz aller Anstrengungen hatte man vielerorts den Eindruck, daß sich nur sehr wenige für die biblische Botschaft interessierten. Man kann sich gut vorstellen, was die Gruppe von sechs jungen Missionaren in Barquisimeto (Venezuela) Anfang der 50er Jahre empfand, als sie nach einem ganzen Jahr fleißiger Predigttätigkeit kaum Fortschritte sah. Die Leute waren zwar recht freundlich, aber auch äußerst abergläubisch und betrachteten es schon als Sünde, einen Bibeltext zu lesen. Wer Interesse zeigte, wurde bald von Angehörigen oder Nachbarn entmutigt (Mat. 13:19-21). Doch in der Zuversicht, daß es in Barquisimeto einige schafähnliche Menschen geben mußte und daß Jehova sie zu der von ihm bestimmten Zeit einsammeln würde, sprachen die Missionare weiter von Haus zu Haus vor. So freute sich Penny Gavette von ganzem Herzen, als ihr eines Tages eine grauhaarige Frau zuhörte und dann sagte:

„Señorita, schon als junges Mädchen habe ich darauf gewartet, daß jemand an meine Tür kommt und mir das erklärt, was Sie mir gerade gesagt haben. Wissen Sie, als Mädchen habe ich das Haus des Priesters saubergemacht, und er hatte in seiner Bibliothek eine Bibel. Ich wußte zwar, daß wir sie nicht lesen durften, aber ich war so neugierig, den Grund dafür zu erfahren, daß ich sie eines Tages unbeobachtet mit nach Hause nahm und heimlich las. Was ich da las, machte mir bewußt, daß die katholische Kirche uns nicht die Wahrheit beigebracht hatte und deshalb nicht die wahre Religion sein konnte. Ich hatte Angst, mit jemandem darüber zu sprechen, aber ich war mir sicher, daß irgendwann Leute, die die wahre Religion lehrten, in unsere Stadt kommen würden. Als die Protestanten kamen, dachte ich zuerst, sie seien es, aber bald entdeckte ich bei ihnen viele der falschen Lehren, die die katholische Kirche auch vertrat. Aber was Sie mir gerade gesagt haben, ist genau das, was ich vor so vielen Jahren in der Bibel gelesen habe.“ Diese Frau war sofort bereit, die Bibel zu studieren, und wurde eine Zeugin Jehovas. Obwohl sie bei ihrer Familie auf Widerstand stieß, diente sie Jehova treu bis zu ihrem Tod.

Es kostete einige Mühe, solche schafähnlichen Menschen in Versammlungen zusammenzubringen und sie im Dienst Jehovas zu schulen. In Argentinien legte Rosendo Ojeda beispielsweise regelmäßig von General San Martín (Chaco) aus 60 Kilometer zurück, um im Haus Alejandro Sozoñiuks, eines interessierten Mannes, eine Zusammenkunft zu leiten. Die Reise dauerte oft zehn Stunden — teils fuhr er mit dem Fahrrad, teils ging er zu Fuß, und manchmal mußte er durch Wasser waten, das ihm bis zu den Achselhöhlen reichte. Er machte diese Reise über einen Zeitraum von fünf Jahren jeden Monat und blieb jeweils eine Woche, um in der Gegend Zeugnis abzulegen. War es die Mühe wert? Daran hat er keinen Zweifel, denn das Ergebnis war eine Versammlung von glücklichen Lobpreisern Jehovas.

Bildung gefördert, die zum Leben gereicht

In Mexiko richteten sich Jehovas Zeugen bei der Durchführung ihres Werkes nach den Bestimmungen für kulturelle Organisationen aus. Die Zeugen wollten nicht lediglich Zusammenkünfte organisieren, in denen Vorträge gehalten wurden. Sie hatten den Wunsch, daß die Menschen wie die Beröer zur Zeit des Apostels Paulus wären, die „in den Schriften sorgfältig forschten, ob sich diese Dinge [die man sie lehrte] so verhielten“ (Apg. 17:11). In Mexiko wie auch in vielen anderen Ländern war es dazu oft nötig, Menschen, die keine Schule besucht hatten, aber das inspirierte Wort Gottes selbst lesen wollten, spezielle Hilfe zu leisten.

Durch Leseunterricht, den Jehovas Zeugen in Mexiko geben, lernten Zehntausende Lesen und Schreiben. Das mexikanische Bildungsministerium schätzt diese Arbeit sehr, und so schrieb 1974 ein leitender Beamter der Abteilung für Erwachsenenbildung an La Torre del Vigía de México — eine gesetzlich eingetragene Vereinigung, deren sich Jehovas Zeugen bedienen: „Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, um Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch auszusprechen ... für die lobenswerte kooperative Arbeit, die Ihre Vereinigung Jahr für Jahr zum Nutzen unseres Volkes leistet.“

Durch die Bildung, die Jehovas Zeugen vermitteln, werden Menschen nicht nur auf ewiges Leben als Untertanen des Königreiches Gottes vorbereitet, sondern ihr Familienleben wird auch heute schon verbessert. Nachdem ein Richter in El Salto (Durango) mehrere Ehen von Zeugen Jehovas geschlossen hatte, erklärte er 1952: „Wir behaupten, Patrioten und gute Bürger zu sein, aber Jehovas Zeugen beschämen uns. Sie sind uns ein Vorbild, weil sie in ihrer Organisation absolut niemanden dulden, der in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, also nicht gesetzlich verheiratet ist. Und ihr Katholiken führt fast alle ein unmoralisches Leben und habt keine Eheschließung vollzogen.“

Durch dieses Bildungsprogramm lernen Menschen auch, friedlich zusammen zu leben und sich gegenseitig zu lieben, statt sich zu hassen und zu töten. Als ein Zeuge Jehovas in Venado (Guanajuato) zu predigen begann, stellte er fest, daß die Leute alle mit Gewehren und Pistolen bewaffnet waren. Durch Fehden wurden ganze Familien ausgelöscht. Aber die biblische Unterweisung brachte entscheidende Änderungen mit sich. Gewehre wurden verkauft, um Bibeln kaufen zu können. Es dauerte nicht lange, und in der Gegend gab es über 150 Zeugen Jehovas. Bildlich gesprochen, ‘schmiedeten sie ihre Schwerter zu Pflugscharen’ und schlugen den Weg des Friedens ein (Mi. 4:3).

Viele gottesfürchtige Mexikaner haben sich das, was Jehovas Zeugen sie aus Gottes Wort gelehrt haben, zu Herzen genommen. Deshalb wurden aus den wenigen tausend Verkündigern in Mexiko, die es nach dem Zweiten Weltkrieg gab, bald 10 000, dann 20 000, 40 000, 80 000 und noch mehr, da Jehovas Zeugen den Menschen beibrachten, wie man den Rat aus Gottes Wort anwendet und anderen vermittelt.

Kongresse unter widrigen Umständen

Die Zahl der Zeugen Jehovas nahm zwar zu, doch in einem Land nach dem anderen mußten sie große Hindernisse überwinden, um Kongresse zur christlichen Unterweisung abhalten zu können. In Argentinien wurde ihr Werk 1950 von der Regierung verboten. Doch aus Gehorsam gegenüber Gott hörten sie nicht auf zu predigen und verzichteten auch nicht auf Kongresse. Obwohl sich die Planung als ziemlich kompliziert herausstellte, fanden Kongresse statt.

Zum Beispiel besuchten Bruder Knorr und Bruder Henschel Ende 1953 Argentinien, um landesweit auf Kongressen Ansprachen zu halten. Bruder Knorr reiste vom Westen aus in das Land, und Bruder Henschel begann seine Besuche im Süden. Sie sprachen zu Gruppen, die sich auf Gehöften versammelten, in einem Obstgarten, beim Picknick an einem Gebirgsfluß und in Privatwohnungen. Oft mußten sie von einer Gruppe zur nächsten weite Strecken zurücklegen. In Buenos Aires angekommen, wirkten die beiden an einem Tag an je neun Orten beim Programm mit und am nächsten Tag in elf Wohnungen. Insgesamt sprachen sie vor 56 Gruppen, und die Besucherzahl betrug zusammengerechnet 2 505. Es war eine Strapaze, aber sie waren glücklich, ihren Brüdern damit gedient zu haben.

Als die Zeugen in Kolumbien 1955 einen Kongreß vorbereiteten, schlossen sie einen Vertrag über die Benutzung eines Saales in Barranquilla ab. Auf Drängen des Bischofs schalteten sich jedoch der Bürgermeister und der Gouverneur ein, und der Vertrag wurde rückgängig gemacht. Obwohl die Brüder das erst einen Tag vorher erfuhren, schafften sie es noch, die Kongreßstätte auf das Gelände des Zweigbüros der Gesellschaft zu verlegen. Doch zu Beginn des ersten Abendprogramms kamen bewaffnete Polizisten, die beauftragt waren, den Kongreß aufzulösen. Die Brüder gaben nicht auf. Eine Beschwerde beim Bürgermeister am nächsten Morgen führte dazu, daß sein Sekretär sich entschuldigte, und am letzten Tag des Kongresses „Triumphierendes Königreich“ strömten fast 1 000 Besucher auf das Grundstück der Gesellschaft. Trotz der damaligen Verhältnisse erhielten die Brüder also die nötige geistige Stärkung und Anleitung.

Dort dienen, wo ein größerer Bedarf an Verkündigern besteht

Das Feld war riesig, und es bestand großer Bedarf an Erntearbeitern in Lateinamerika wie auch anderswo. 1957 wurden weltweit auf Kongressen reife Zeugen Jehovas — Alleinstehende und Familien — ermuntert, den Umzug in ein Gebiet zu erwägen, in dem größerer Bedarf an Verkündigern bestand. Auch danach wurde noch verschiedentlich dazu angeregt. Die Einladung war ähnlich wie die, die Gott an den Apostel Paulus ergehen ließ, als er in einer Vision einen Mann sah, der ihn dringend bat: „Komm herüber nach Mazedonien, und hilf uns!“ (Apg. 16:9, 10). Wie war die Reaktion auf die neuzeitliche Einladung? Die Diener Jehovas boten sich willig dar (Ps. 110:3).

Eine Familie mit kleinen Kindern braucht eine Menge Glauben, um alles aufzugeben, ja um Angehörige, ihr Zuhause und den Arbeitsplatz zu verlassen und in eine ganz ungewohnte Umgebung zu ziehen. Der Wechsel bringt womöglich mit sich, daß man sich an einen völlig anderen Lebensstandard gewöhnen muß, und in manchen Fällen ist es nötig, eine neue Sprache zu erlernen. Doch Tausende von alleinstehenden Zeugen Jehovas und Familien haben solche Umzüge auf sich genommen, um anderen zu helfen, von Jehovas liebevollen Vorkehrungen für ewiges Leben zu erfahren.

Eine Anzahl Zeugen Jehovas haben unverzüglich reagiert und sind Ende der 50er Jahre umgezogen; weitere sind in den 60er und 70er Jahren nachgefolgt. Auch gegenwärtig ziehen noch Zeugen in Gebiete, wo Hilfe dringender benötigt wird.

Von woher sind sie gekommen? Eine große Zahl aus Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten; viele aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien; eine Anzahl auch aus Belgien, Dänemark, Finnland, Italien, Japan, der Republik Korea, aus Norwegen, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien und anderen Ländern. Während die Zahl der Zeugen Jehovas in Argentinien, Brasilien, Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern zugenommen hat, sind dort ebenfalls Erntearbeiter bereit gewesen, in Ländern zu dienen, wo der Bedarf an Verkündigern größer ist. Auch in Afrika sind eifrige Erntearbeiter von einem Land in ein anderes gezogen, um beim Zeugnisgeben zu helfen.

In welche Gebiete sind sie gezogen? In Länder wie Afghanistan, Malaysia und Senegal und auf Inseln wie Réunion und St. Lucia. Ungefähr 1 000 zogen nach Irland, wo sie unterschiedlich lange dienten. Eine beachtliche Anzahl ging nach Island trotz der langen, dunklen Winter, und einige blieben dort, wurden zu Stützen der Versammlungen und leisteten Neuen liebevoll Hilfe. Besonders in Mittel- und Südamerika wurde viel Gutes bewirkt. Mehr als 1 000 Zeugen Jehovas zogen nach Kolumbien, über 870 nach Ecuador und mehr als 110 nach El Salvador.

Harold und Anne Zimmerman waren mit dabei. Sie hatten bereits in Äthiopien als Missionare und Lehrer gedient. Als sie jedoch 1959 die letzten Vorbereitungen für den Umzug von den Vereinigten Staaten nach Kolumbien trafen, um dort bei der Verbreitung der Königreichsbotschaft mitzuhelfen, hatten sie vier Kinder im Alter von fünf Monaten bis fünf Jahren. Harold fuhr voraus, um Arbeit zu suchen. Als er in dem Land ankam, beunruhigten ihn die lokalen Presseberichte. Ein nicht erklärter Bürgerkrieg war im Gange, und im Landesinnern kam es zu Massentötungen. „Soll ich meine Familie wirklich unter solchen Verhältnissen hier wohnen lassen?“ fragte er sich. Er versuchte, sich ein Beispiel oder einen Grundsatz aus der Bibel, der ihm als Richtschnur dienen würde, ins Gedächtnis zurückzurufen. Er erinnerte sich an den Bibelbericht über die furchtsamen Kundschafter, die dem israelitischen Lager einen schlechten Bericht über das Land der Verheißung brachten (4. Mo. 13:25 bis 14:4, 11). Da stand seine Entscheidung fest, er wollte nicht wie sie sein. Er ließ seine Familie gleich nachreisen. Erst als ihre Mittel auf drei Dollar zusammengeschrumpft waren, fand er den benötigten Arbeitsplatz, doch sie hatten immer das Lebensnotwendige. Im Laufe der Jahre mußte er für seine berufliche Tätigkeit unterschiedlich viel Zeit einsetzen, um seine Familie ernähren zu können, aber er bemühte sich immer, die Königreichsinteressen an die erste Stelle zu setzen. Als die Familie nach Kolumbien ging, gab es in dem Land rund 1 400 Zeugen. Seither haben sie wirklich ein erstaunliches Wachstum beobachtet.

Dort zu dienen, wo der Bedarf an Zeugen größer ist, muß nicht immer heißen, daß man in ein anderes Land geht. Tausende von alleinstehenden Zeugen und Familien sind innerhalb ihres eigenen Landes in eine andere Gegend gezogen. Eine Familie in Bahia (Brasilien) zog in die Stadt Prado, in der es keine Zeugen gab. Obwohl die Geistlichen dagegen waren, lebten und arbeiteten sie in dieser Stadt und Umgebung drei Jahre lang. Es wurde eine leerstehende Kirche gekauft und in einen Königreichssaal umgebaut. Bald gab es dort über hundert eifrige Zeugen. Und das war nur der Anfang.

Immer mehr gerechtigkeitsliebende Menschen in Lateinamerika folgen der Einladung aus Psalm 148: ‘Preiset Jah! Preist Jehova von der Erde her, all ihr Völkerschaften’ (V. 1, 7-11). Ja, 1975 gab es in jedem Land Lateinamerikas Lobpreiser Jehovas. Aus dem Bericht für jenes Jahr ist zu entnehmen, daß in Mexiko 80 481 tätig waren, die sich auf 2 998 Versammlungen verteilten. Außerdem verkündigten in Zentralamerika 24 703 Zeugen, die 462 Versammlungen angehörten, das Königtum Jehovas. Und in Südamerika gab es 206 457 öffentliche Lobpreiser Jehovas in 3 620 Versammlungen.

Hinaus zu den pazifischen Inseln

Während in Südamerika eine rapide Ausdehnung im Gange war, schenkten Jehovas Zeugen auch den Inseln des Pazifiks Aufmerksamkeit. Zwischen Australien und Amerika liegen Hunderte dieser Inseln, von denen viele kaum aus der Meeresoberfläche herausragen. Einige sind nur von wenigen Familien bewohnt, auf anderen leben Zehntausende von Menschen. Anfang der 50er Jahre waren die Behörden dermaßen voreingenommen, daß die Watch Tower Society auf viele dieser Inseln keine Missionare schicken konnte. Aber auch die Menschen dort mußten von Jehova und seinem Königreich erfahren. Das steht in Einklang mit der Prophezeiung aus Jesaja 42:10-12, wo es heißt: „Singt Jehova ein neues Lied, seinen Lobpreis vom äußersten Ende der Erde her ... Auf den Inseln mögen sie auch seinen Lobpreis verkünden.“ Deshalb wurden 1951 auf einem Kongreß in Sydney (Australien) Pioniere und Kreisaufseher, die gern bei der Verbreitung der Königreichsbotschaft auf den Inseln mithelfen wollten, zu einer Besprechung mit Bruder Knorr eingeladen. Damals meldeten sich ungefähr 30 Freiwillige für das Predigtwerk auf den tropischen Inseln.

Zum Beispiel kamen Tom und Rowena Kitto bald nach Papua, wo es zu diesem Zeitpunkt noch keine Zeugen gab. Sie fingen mit ihrer Tätigkeit unter den Europäern in Port Moresby an. Nicht lange danach verbrachten sie in Hanuabada, dem „großen Dorf“, ganze Abende mit einer Gruppe von 30 bis 40 Papuas, die nach der biblischen Wahrheit hungerten. Durch sie gelangte die Botschaft auch in andere Dörfer. Nach kurzer Zeit sandten die Kerama eine Abordnung zu den Brüdern mit der Bitte um ein Bibelstudium. Dann kam ein Häuptling aus Haima und bat: „Kommt doch bitte, und lehrt meine Leute die Wahrheit!“ Und so wurde die Wahrheit weit und breit bekannt.

Ein anderes Ehepaar, John und Ellen Hubler, ging nach Neukaledonien, um dort das Werk aufzubauen. Als sie 1954 ankamen, hatten sie nur Touristenvisa für einen Monat. Aber John fand einen Arbeitsplatz, und dadurch konnten sie eine Verlängerung erwirken. Mit der Zeit zogen noch andere Zeugen — insgesamt 31 — dorthin. Anfangs verrichteten sie ihren Dienst in den Außengebieten, um nicht zuviel Aufmerksamkeit zu erregen. Später predigten sie auch in Nouméa, der Hauptstadt. Es wurde eine Versammlung gegründet. 1959 erhielt dann ein Mitglied der Katholischen Aktion eine Schlüsselstellung in der Regierung. Von da an wurden die Visa für die Zeugen nicht mehr erneuert. Die Hublers mußten weggehen. Die Wachtturm-Publikationen wurden verboten. Doch die gute Botschaft vom Königreich hatte Fuß gefaßt, und die Zahl der Zeugen stieg weiter an.

Auf Tahiti hatten bei kurzen Besuchen von Brüdern viele Leute Interesse am Werk der Zeugen Jehovas gezeigt. Allerdings gab es 1957 keine einheimischen Zeugen, das Werk war verboten, und Wachtturm-Missionare erhielten keine Einreiseerlaubnis. Doch war Agnes Schenck, die von Tahiti stammte, aber damals in den Vereinigten Staaten lebte, eine Zeugin Jehovas geworden. Als sie von dem Bedarf an Königreichsverkündigern auf Tahiti erfuhr, schifften sie, ihr Mann und ihr Sohn sich im Mai 1958 in Kalifornien ein. Kurz darauf schlossen sich ihnen zwei Familien an, die allerdings nur Touristenvisa für drei Monate bekamen. Im Jahr darauf wurde in Papeete eine Versammlung gegründet. Und 1960 anerkannte die Regierung eine örtliche Vereinigung der Zeugen Jehovas.

Zwei Missionarinnen machten, als sie auf dem Rückweg in ihr Gebiet waren, auf der Insel Niue Zwischenstation, um eine Verwandte zu besuchen und die Königreichsbotschaft zu verbreiten. Ihre Tätigkeit während des Monats, den sie dort verbrachten, war sehr fruchtbar; sie fanden viel Interesse vor. Aber als das nächste Schiff, das zwischen den Inseln verkehrte, anlegte, mußten sie wieder gehen. Bald darauf schloß jedoch Seremaia Raibe, ein Fidschianer, einen Arbeitsvertrag mit dem Amt für öffentliche Bauvorhaben auf Niue ab und nutzte dann seine ganze Freizeit zum Predigen. Allerdings wurde auf Drängen der Geistlichen nach ein paar Monaten Bruder Raibes Aufenthaltsgenehmigung aufgehoben, und im September 1961 beschloß die gesetzgebende Versammlung, Jehovas Zeugen die Einreise nicht mehr zu gestatten. Dennoch wurde die gute Botschaft weiter gepredigt. Wie? Die einheimischen Zeugen waren zwar noch recht neu, doch sie setzten den Dienst für Jehova unbeirrt fort. Außerdem hatte man William Lovini, der von Niue stammte, aber in Neuseeland gelebt hatte, bereits eine Anstellung bei der Inselverwaltung zugesichert. Warum hatte er den dringenden Wunsch, nach Niue zurückzukehren? Weil er ein Zeuge Jehovas geworden war und in einem Gebiet dienen wollte, wo ein größerer Bedarf an Verkündigern bestand. 1964 war die Zahl der Zeugen dort auf 34 angestiegen.

David Wolfgramm, ein Tongaer, und seine Frau hatten 1973 mit ihren acht Kindern ein komfortables Zuhause in Neuseeland. Aber sie ließen alles zurück und zogen nach Tonga, um die Königreichsinteressen zu fördern. Von dort aus beteiligten sie sich daran, das Werk auf den Tongainseln, von denen ungefähr 30 bewohnt sind, weiter auszudehnen.

Die Inseln zu erreichen hat viel Zeit, Mühe und Kosten erfordert. Doch Jehovas Zeugen betrachten das Leben ihrer Mitmenschen als wertvoll und scheuen keine Mühe, wenn es darum geht, den Menschen zu helfen, aus Jehovas liebevoller Vorkehrung für ewiges Leben in seiner neuen Welt Nutzen zu ziehen.

Eine Familie, die ihre Farm in Australien verkaufte und auf eine der pazifischen Inseln zog, faßte ihre Empfindungen wie folgt zusammen: „Was könnte es Schöneres geben, als ... diese Eingeborenen sagen zu hören, sie seien zu einer Erkenntnis Jehovas gekommen, und zu vernehmen, wie sie unsere Kinder ihre Kinder nennen, weil sie sie wegen der Wahrheit so liebgewonnen haben, ferner zu beobachten, wie die Königreichsinteressen gefördert und die Versammlungen immer besser besucht werden, und diese lieben Menschen sagen zu hören: ‚Meine Kinder werden nur im Herrn heiraten.‘ Dabei ist zu bedenken, daß sie jahrhundertealte Traditionen und orientalische Heiratsbräuche pflegten. Welche Freude ist es ferner, zu erfahren, wie sie ihre verwickelten Eheangelegenheiten in Ordnung bringen, ... wie sie nach mühseliger Arbeit in den Reisfeldern das Vieh entlang der Straße hüten und dabei studieren, wie sie sich im Dorfladen und an anderen Orten über die Verkehrtheit des Götzendienstes und die Schönheit des Namens Jehovas unterhalten, ferner zu hören, wie uns eine ältere Indermutter als Bruder und Schwester anspricht und uns fragt, ob sie nicht mit uns kommen dürfe, um den Menschen zu sagen, wer der wahre Gott ist ... All das ist der kostbare Lohn dafür, daß wir damals den Schritt taten und dem Ruf, der von den südpazifischen Inseln her kam, Folge leisteten.“

Aber nicht nur den Inselbewohnern des Pazifiks wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Von 1964 an erhielten erfahrene Pioniere, die auf den Philippinen dienten, den Auftrag, eifrige Missionare in Hongkong, Indonesien, der Republik Korea, Laos, Malaysia, Taiwan, Thailand und Vietnam zu unterstützen.

Trotz Widerstand von seiten der Familie und Gemeinde

Die Entscheidung, ein Zeuge Jehovas zu werden, wird von den Angehörigen und der Gemeinde nicht immer als rein persönliche Angelegenheit hingenommen (Mat. 10:34-36; 1. Pet. 4:4).

In Hongkong sind überwiegend junge Menschen Zeugen Jehovas geworden. Aber sie stehen unter enormem Druck in einem System, in dem eine Hochschulausbildung und ein gutbezahlter Beruf Vorrang haben. Die Eltern betrachten ihre Kinder als Kapitalanlage, die ihnen in späteren Jahren ein sorgenfreies Leben garantiert. Als daher die Eltern eines jungen Mannes aus Kwun Tong merkten, daß ihr Sohn wegen Bibelstudium, Versammlungsbesuch und Predigtdienst nicht mehr so viel Zeit zum Geldverdienen haben würde, leisteten sie ihm erbitterten Widerstand. Sein Vater jagte ihm mit einem Hackbeil nach; seine Mutter spuckte ihn in der Öffentlichkeit an. Sie beschimpften ihn monatelang fast ununterbrochen. Einmal fragte er seine Eltern: „Habt ihr mich denn nicht aus Liebe großgezogen?“ Sie antworteten: „Nein, damit du uns Geld einbringst!“ Trotzdem setzte der junge Mann die Anbetung Jehovas weiter an die erste Stelle; als er das Elternhaus verließ, fuhr er jedoch fort, seine Eltern, so gut er konnte, finanziell zu unterstützen, da er wußte, daß dies Jehova gefällt (Mat. 15:3-9; 19:19).

In Gemeinden mit festem Zusammenhalt sind es oft nicht nur die nächsten Angehörigen, die starken Druck ausüben. Das kann Fuaiupolu Pele von Westsamoa aus eigener Erfahrung bestätigen. Für die Bewohner war es undenkbar, daß ein Samoaner die Bräuche und die Religion seiner Vorväter verwarf, und Pele war klar, daß er zur Rechenschaft gezogen würde. Er studierte angestrengt und betete inständig zu Jehova. Als er von dem obersten Häuptling der Familie zu einer Versammlung in Faleasiu vorgeladen wurde, sah er sich sechs Häuptlingen, drei Rednern, zehn Pastoren, zwei Religionslehrern, dem obersten Häuptling, der den Vorsitz führte, und älteren Männern und Frauen der Familie gegenüber. Sie überhäuften ihn und einen seiner Verwandten, der sich für Jehovas Zeugen interessierte, mit Flüchen. Es kam zu einer Debatte, die bis 4 Uhr morgens dauerte. Einige Anwesende ärgerten sich darüber, daß Pele die Bibel gebrauchte, und schrien: „Laß die Bibel verschwinden! Weg mit der Bibel!“ Schließlich sagte der oberste Häuptling mit schwacher Stimme: „Du hast gewonnen, Pele.“ Doch Pele erwiderte: „Entschuldigen Sie bitte, Sir. Ich habe nicht gewonnen. Sie haben die ganze Nacht hindurch die Botschaft vom Königreich gehört. Ich hoffe in aller Aufrichtigkeit, daß Sie sie beachten werden.“

Bei heftiger Gegnerschaft von seiten Geistlicher

Die Missionare der Christenheit waren Anfang des 19. Jahrhunderts zu den pazifischen Inseln gelangt. An vielen Orten verlief ihre Ankunft friedlich, während sie anderswo militärisch unterstützt wurden. In einigen Regionen teilten sie die Inseln nach Absprache unter sich auf. Aber es kam auch zu Religionskriegen, bei denen Katholiken und Protestanten gegeneinander um die Vorherrschaft kämpften. Diesen religiösen „Hirten“, den Geistlichen, war jedes Mittel recht, um Jehovas Zeugen von dem Bereich fernzuhalten, den sie als ihr Herrschaftsgebiet betrachteten. Sie drängten manchmal Beamte, die Zeugen von bestimmten Inseln zu weisen. Bisweilen nahmen sie das Gesetz auch selbst in die Hand.

Auf der Insel Neubritannien zeigte in dem Dorf Vunabal eine Gruppe vom Stamm der Sulka reges Interesse an der biblischen Wahrheit. Doch an einem Sonntag im Jahre 1959, während John Davison mit ihnen die Bibel studierte, drangen aufgewiegelte Katholiken unter der Führung eines Katecheten in das Haus ein und sorgten durch ihre Schreie und Beschimpfungen dafür, daß das Studium abgebrochen werden mußte. Das wurde der Polizei in Kokopo gemeldet.

Die Zeugen ließen die Schafe aber nicht im Stich, sondern kamen in der Woche darauf wieder, um den empfänglichen Bewohnern Vunabals weiter in geistiger Hinsicht Hilfe zu leisten. Der katholische Pfarrer war auch da, obwohl ihn die Dorfbewohner nicht eingeladen hatten, und er hatte mehrere hundert Katholiken von einem anderen Stamm mitgebracht. Aufgehetzt von dem Pfarrer, verfluchten seine Gemeindemitglieder die Zeugen, spuckten sie an, drohten mit den Fäusten und zerrissen die Bibeln der Dorfbewohner, während der Pfarrer mit verschränkten Armen dabeistand und lächelte. Die Polizisten, die versuchten, die Lage in den Griff zu bekommen, waren sichtlich mitgenommen. Auch viele der Dorfbewohner fürchteten sich. Aber zumindest einer von ihnen war so mutig, für das, was er als die Wahrheit anerkannte, Stellung zu beziehen. Nun haben es ihm Hunderte auf der Insel gleichgetan.

Es hatten jedoch nicht alle kirchlichen Lehrer eine gegnerische Einstellung zu Jehovas Zeugen. Shem Irofa’alu von den Salomonen fühlte eine echte Verantwortung gegenüber den Leuten, die ihn als ihr religiöses Oberhaupt ansahen. Als er das Buch Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies gelesen hatte, erkannte er, daß er belogen worden war. Er und die Lehrer, die unter seiner Aufsicht standen, führten Gespräche mit Jehovas Zeugen, stellten Fragen und schlugen die Bibeltexte nach. Darauf waren sie sich einig, daß sie Zeugen Jehovas werden wollten, und wandelten die Kirchen in ihren 28 Dörfern in Königreichssäle um.

Ein mächtiger Strom der Wahrheit in Afrika

Besonders von Anfang der 20er Jahre an wurden große Anstrengungen unternommen, damit überall in Afrika Menschen die Gelegenheit hätten, Jehova, den wahren Gott, kennenzulernen und aus seinen liebevollen Vorkehrungen Nutzen zu ziehen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges waren auf dem afrikanischen Kontinent in 14 Ländern Zeugen Jehovas tätig. Die Königreichsbotschaft war noch in 14 anderen afrikanischen Ländern gepredigt worden, aber dort berichteten 1945 keine Zeugen über ihre Tätigkeit. In den folgenden 30 Jahren  bis 1975  gelangte die gute Botschaft in weitere 19 Länder Afrikas. In fast allen diesen Ländern und auf nahe gelegenen Inseln wurden Versammlungen gegründet — in manchen Ländern einige wenige, in Sambia über tausend und in Nigeria fast zweitausend. Wie ist das alles erreicht worden?

Die Verbreitung der Königreichsbotschaft glich einem mächtigen Strom. Wasser strömt größtenteils durch Flußbetten oder Kanäle, überflutet aber auch manchmal angrenzendes Land; und wenn es auf ein Hindernis trifft, sucht es sich entweder einen anderen Weg oder staut sich so lange an, bis es darüber hinwegstürzt.

Die Watch Tower Society bediente sich ihrer regulären organisatorischen Kanäle oder „Flußbetten“, als sie Vollzeitverkündiger — Pioniere, Sonderpioniere und Missionare — in Länder schickte, wo noch kaum oder gar nicht gepredigt worden war. Wohin sie auch immer gingen, luden sie die Menschen ein, „Wasser des Lebens kostenfrei“ zu nehmen (Offb. 22:17). In Nordafrika zum Beispiel überbrachten 1952 vier Sonderpioniere aus Frankreich diese Einladung den Bewohnern Algeriens. Bald reagierte dort eine Wahrsagerin positiv auf die Wahrheit; ihr wurde bewußt, daß sie ihren Beruf aufgeben müßte, um in der Gunst Jehovas zu stehen, und sie gab ihren früheren Kunden Zeugnis (5. Mo. 18:10-12). Die Pioniere setzten das Buch „Gott bleibt wahrhaftig“ wirkungsvoll ein, um aufrichtigen Personen den Unterschied zwischen der Heiligen Schrift und religiöser Tradition begreiflich zu machen. Das Buch hatte so große Macht, wenn es darum ging, Menschen von falschen religiösen Bräuchen zu befreien, daß ein Geistlicher es auf der Kanzel hochhielt und einen Fluch gegen das Buch und seine Verbreiter und Leser ausstieß.

Im Jahre 1954 wurde ein Missionar aus dem katholischen Spanien ausgewiesen, weil er ohne die Zustimmung der Geistlichkeit biblische Lehren verbreitete; daher begannen er und sein Pionierpartner im Jahr darauf, in Marokko zu predigen. Nicht lange danach schloß sich ihnen eine Familie von fünf Zeugen Jehovas an, die aus Tunesien ausgewiesen worden waren, wo ein großer Aufruhr entstanden war, als ein jüdisches Ehepaar Jesus als Messias anerkannte und gleich darauf mit anderen über seinen neuen Glauben sprach. Weiter südlich wurden 1962 Pioniere aus Ghana nach Mali geschickt. Später wurden außerdem französische Pioniere, die in Algerien dienten, gebeten, in Mali mitzuhelfen. Das bewirkte, daß dort eine beachtliche Zahl derer, die Zeugen Jehovas wurden, den Vollzeitdienst aufnahm. 1966 kamen acht Sonderpioniere aus Nigeria dem Auftrag nach, in Niger zu predigen, einem dünnbesiedelten Land, zu dem ein Teil der Sahara gehört. In Burundi bot sich 1963 die Gelegenheit, die Königreichsbotschaft zu hören, als zwei Sonderpioniere von Nordrhodesien (heute Sambia) dorthin gesandt wurden — gefolgt von vier Gileadmissionaren.

Anfang der 50er Jahre gab es auch in Äthiopien Missionare. Die äthiopische Regierung verlangte, daß sie eine richtige Missionsstation einrichteten und Schulunterricht gaben, was sie auch taten. Doch darüber hinaus lehrten sie auch fleißig Gottes Wort, und bald strömten ständig Leute zum Missionarheim — ja jeden Tag kamen Neue und baten darum, daß ihnen jemand helfe, die Bibel zu verstehen. In den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Hilfe von Gileadmissionaren 39 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent zugute.

Gleichzeitig wurden auch Gebiete, die in geistiger Hinsicht ausgetrocknet waren, von den Wassern der Wahrheit überflutet, und zwar, wenn Zeugen Jehovas durch ihre berufliche Tätigkeit mit anderen in Berührung kamen. Zeugen aus Ägypten, die 1950 beruflich nach Libyen gehen mußten, nutzten zum Beispiel ihre freien Stunden, um eifrig zu predigen. Im selben Jahr zog ein Zeuge Jehovas, der Wollhändler war, zusammen mit seiner Familie von Ägypten nach Khartum im Sudan. Er machte es sich zur Gewohnheit, Kunden Zeugnis zu geben, bevor er mit ihnen geschäftlich verhandelte. Einer der ersten Zeugen in Senegal (damals Teil von Französisch-Westafrika) kam 1951 als Firmenvertreter dorthin. Er war sich der Verantwortung bewußt, die er als Zeuge des Allerhöchsten hatte. 1959 ging ein Zeuge beruflich nach Fort-Lamy (heute N’Djamena) im jetzigen Tschad und ergriff die Gelegenheit, die Königreichsbotschaft in diesem Land zu verbreiten. In den Ländern, die an Niger grenzen, gab es Händler, die Zeugen Jehovas waren; während also von 1966 an Sonderpioniere in Niger tätig waren, predigten auch diese Händler Nigrern, mit denen sie geschäftlich zu tun hatten. Und zwei Zeuginnen, deren Männer 1966 aus beruflichen Gründen nach Mauretanien gingen, nutzten die Gelegenheit, in dem Gebiet Zeugnis zu geben.

Die Menschen, die durch das „Wasser des Lebens“ erfrischt wurden, gaben es auch an andere weiter. Beispielsweise zog 1947 ein Mann, der einige Zusammenkünfte besucht hatte, aber kein Zeuge Jehovas war, von Kamerun nach Oubangui-Chari (heute Zentralafrikanische Republik). Als er hörte, daß in Bangui jemand reges Interesse an der Bibel hatte, sorgte er freundlicherweise dafür, daß ihm das Büro der Watch Tower Society in der Schweiz ein Buch zuschickte. Der Empfänger, Etienne Nkounkou, war außer sich vor Freude über die gute geistige Speise, die es enthielt, und er las jede Woche einer Gruppe, die sich ebenfalls dafür interessierte, aus dem Buch vor. Sie nahmen Kontakt mit dem Hauptsitz der Gesellschaft auf. Als die Studiengruppe an Erkenntnis zunahm, fing sie auch an zu predigen. Obwohl die Regierung auf Drängen der Geistlichkeit die Wachtturm-Publikationen verbot, predigten diese neuen Zeugen weiter, wobei sie ausschließlich die Bibel gebrauchten. Die Bewohner dieses Landes hören sehr gern biblische Erörterungen, und so lag die Zahl der Zeugen 1957, als einige Publikationen der Gesellschaft wieder genehmigt wurden, bereits bei über 500.

Wenn Hindernisse auftraten

Wenn das lebengebende Wasser wegen Hindernissen nicht weiterfließen konnte, suchte es sich rasch einen anderen Weg. Ayité Sessi, ein Pionier aus Dahomey (heute Benin), hatte 1949 erst kurze Zeit in Französisch-Togo (heute Togo) gepredigt, als ihn die Regierung des Landes verwies. Doch im Jahr darauf kehrte Akakpo Agbetor, ein ehemaliger Boxer, der aus Togo stammte, mit seinem Bruder in seine Heimat zurück. Da es sein Geburtsland war, konnte er einigermaßen ungehindert Zeugnis ablegen und sogar Zusammenkünfte organisieren. Pioniere, die um 1950 nach Fernando Póo (heute Teil von Äquatorialguinea) gesandt worden waren, wurden nach kurzer Zeit aufgrund von religiöser Intoleranz ausgewiesen, aber später schlossen andere Zeugen dort Arbeitsverträge. Und im Einklang mit dem Gebot Jesu predigten sie natürlich (Mar. 13:10).

Emmanuel Mama, ein Kreisaufseher aus Ghana, wurde 1959 für ein paar Wochen nach Obervolta (heute Burkina Faso) geschickt und konnte in Wagadugu, der Hauptstadt, umfassend Zeugnis ablegen. Allerdings lebten in dem Land keine Zeugen. Vier Jahre danach zogen sieben Zeugen, die aus Togo, Dahomey (heute Benin) und dem Kongo stammten, nach Wagadugu und suchten sich Arbeit, um in diesem Gebiet dienen zu können. Ein paar Monate später schlossen sich ihnen mehrere Sonderpioniere aus Ghana an. Die Geistlichkeit übte jedoch Druck auf die Behörden aus, und so wurden die Zeugen 1964, nachdem sie noch nicht einmal ein Jahr im Land gewesen waren, verhaftet, 13 Tage festgehalten und dann ausgewiesen. Hatten sich ihre Anstrengungen gelohnt? Emmanuel Johnson, ein Einheimischer, hatte erfahren, wo man die biblische Wahrheit finden konnte. Er setzte sein Studium mit Jehovas Zeugen brieflich fort und ließ sich 1969 taufen. Das Königreichswerk hatte in einem weiteren Land Fuß gefaßt.

Als für Gileadmissionare Visa beantragt wurden, damit sie an der Elfenbeinküste (heute Côte d’Ivoire) dienen könnten, gaben die französischen Behörden keine Genehmigung. Deshalb wurde 1950 Alfred Shooter von der Goldküste (heute Ghana) als Pionier in die Hauptstadt der Elfenbeinküste geschickt. Als er sich dort fest niedergelassen hatte, reiste seine Frau ihm nach; und ein paar Monate später kamen Gabriel und Florence Paterson — ein Missionarehepaar. Es entstanden Probleme. Eines Tages wurde ihre Literatur beschlagnahmt, weil sie nicht von der Regierung genehmigt worden sei, und die Brüder erhielten eine Geldstrafe. Allerdings entdeckten sie die Bücher später auf dem Markt, wo sie zum Verkauf angeboten wurden, worauf sie sie zurückkauften und gut nutzten.

Unterdessen sprachen die Brüder bei etlichen Regierungsbeamten vor, um ein Dauervisum zu erhalten. Monsieur Houphouët-Boigny, der später Präsident der Elfenbeinküste wurde, bot seine Hilfe an. „Die Wahrheit“, erklärte er, „kennt keine Grenzen. Sie ist wie ein mächtiger Strom; dämmt man ihn ein, so wird er den Damm überfluten.“ Als sich ein katholischer Priester und ein methodistischer Prediger einmischen wollten, sagte Ouezzin Coulibaly, ein Abgeordneter der Regierung: „Ich vertrete das Volk dieses Landes. Wir sind das Volk, und wir mögen Jehovas Zeugen. Wir wollen daher, daß sie hier im Land bleiben.“

Jünger, die ein richtiges Verständnis haben

Als Jesus den Auftrag gab, „Jünger aus Menschen aller Nationen“ zu machen, ordnete er auch an, daß die künftigen Jünger — diejenigen, die an Christi Lehren glauben und danach leben würden — getauft werden sollten (Mat. 28:19, 20). Deshalb gibt es auf den Kongressen der Zeugen Jehovas, die regelmäßig stattfinden, die Möglichkeit, daß neue Jünger getauft werden. Die Zahl der Täuflinge auf einem Kongreß kann relativ niedrig sein. Doch 1970 ließen sich auf einem Kongreß in Nigeria 3 775 neue Zeugen untertauchen. Hohe Zahlen sind allerdings nicht das, worauf es ankommt.

Als sich 1956 herausstellte, daß an der Goldküste einige, die sich taufen ließen, ihren Glauben nicht auf einer ausreichenden Grundlage aufgebaut hatten, wurde dort eine Überprüfung der Taufanwärter eingeführt. Den Versammlungsaufsehern an der Goldküste wurde die Verantwortung übertragen, jeden Taufanwärter persönlich zu überprüfen, um sicherzustellen, daß er die grundlegenden biblischen Wahrheiten richtig verstand, daß er nach den biblischen Normen lebte und daß er sich darüber im klaren war, welche Pflichten ein Gott hingegebener, getaufter Zeuge Jehovas hat. Mit der Zeit wurde in der ganzen Welt ein ähnliches Verfahren eingeführt. 1967 erschien in dem Buch „Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuß“ ein ausführliches Programm, das dazu diente, biblische Grundlehren mit Taufanwärtern zu besprechen. Nach jahrelanger Erfahrung wurde das Programm noch einmal überarbeitet und 1983 in dem Buch Organisiert, unseren Dienst durchzuführen abgedruckt.

Wurde bei diesem Verfahren den Bedürfnissen von Personen Rechnung getragen, die wenig oder gar keine Schulbildung hatten?

Das Problem des Analphabetentums angegangen

Im Jahre 1957 errechnete die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, annähernd 44 Prozent der Weltbevölkerung im Alter von 15 Jahren und darüber könnten weder lesen noch schreiben. Es hieß, daß in 42 Staaten Afrikas, in 2 Ländern des amerikanischen Kontinents, in 28 asiatischen Ländern und in 4 Staaten Ozeaniens 75 Prozent der Erwachsenen Analphabeten seien. Aber auch sie mußten Gelegenheit erhalten, das Gesetz Gottes kennenzulernen, damit sie sich darauf vorbereiten konnten, Untertanen seines Königreiches zu werden. Etliche, die nicht lesen konnten, hatten eine gute Auffassungsgabe und behielten vieles, was sie hörten, im Gedächtnis, aber sie konnten das kostbare Wort Gottes nicht selbst lesen und zogen aus den gedruckten Bibelstudienhilfsmitteln keinen Nutzen.

Jahrelang hatten einzelne Zeugen Personen, die lesen lernen wollten, individuell geholfen. Doch 1949 und 1950 führten Jehovas Zeugen in vielen afrikanischen Ländern in jeder Versammlung Lese- und Schreibunterricht ein. Die Kurse fanden meistens in Königreichssälen statt, und manchenorts waren ganze Dörfer eingeladen, an dem Programm teilzunehmen.

Wenn in einem Land Lese- und Schreibunterricht von der Regierung gefördert wurde, waren Jehovas Zeugen gern zur Zusammenarbeit bereit. In vielen Gegenden mußten die Zeugen allerdings ihr Unterrichtsmaterial selbst ausarbeiten. Durch diese von Jehovas Zeugen geleiteten Kurse haben Zehntausende — darunter Tausende von Frauen und betagten Menschen — lesen und schreiben gelernt. Außerdem war der Unterricht so aufgebaut, daß sie gleichzeitig grundlegende Wahrheiten aus Gottes heiligem Wort kennenlernten. Dadurch wurden sie in die Lage versetzt, sich an dem von Jesus gebotenen Werk des Jüngermachens zu beteiligen. Der Wunsch, dabei wirkungsvoll vorzugehen, hat viele motiviert, sich ernstlich anzustrengen, lesen zu lernen.

Als ein neuer Zeuge in Dahomey (heute Benin) in Westafrika an einer Tür abgewiesen wurde, weil er nicht lesen konnte, entschloß er sich, das Problem zu überwinden. Abgesehen davon, daß er dem Lese- und Schreibunterricht beiwohnte, lernte er auch zu Hause fleißig. Sechs Wochen später sprach er an derselben Tür wieder vor; der Wohnungsinhaber war so erstaunt, den Mann, der noch vor kurzem ein Analphabet gewesen war, aus der Bibel vorlesen zu hören, daß er sich für das, was der Zeuge lehrte, interessierte. Einige, die an diesen Kursen teilnahmen, wurden später reisende Aufseher und unterwiesen eine Reihe von Versammlungen. Das traf zum Beispiel auf Ezekiel Ovbiagele aus Nigeria zu.

Durch Filme und Diavorführungen Bildung vermittelt

Im Jahre 1954 wurde ein Film herausgebracht, durch den das Ausmaß der sichtbaren Organisation Jehovas den Personen, die sich für die Bibel interessierten, vor Augen geführt wurde. Dieser Film — Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit — trug auch dazu bei, Vorurteile ganzer Gemeinden abzubauen.

Im heutigen Sambia brauchte man oft einen tragbaren Generator, um den Film vorführen zu können. Ein weißes festes Tuch, das zwischen zwei Bäumen aufgespannt wurde, diente als Leinwand. In Barotseland sah sich der Oberhäuptling den Film mit seiner königlichen Familie an und hatte dann den Wunsch, daß er auch der Öffentlichkeit gezeigt werde. So sahen ihn am Abend darauf 2 500 Personen. In einem Zeitraum von 17 Jahren schauten sich in Sambia insgesamt über eine Million den Film an. Er gefiel dem Publikum sehr. Aus dem benachbarten Tanganjika (heute Teil von Tansania) wurde berichtet, daß nach der Aufführung überall aus der Menge der Ruf „Ndaka, ndaka“ (Danke, danke) zu hören war.

Auf den Film Die Neue-Welt-Gesellschaft in Tätigkeit folgten noch weitere: Die glückliche Neue-Welt-Gesellschaft, Eine „ewige gute Botschaft“ geht rund um die Welt, Gott kann nicht lügen und Heritage (Das Erbe). Es gab auch Diavorträge über den praktischen Wert der Bibel in der heutigen Zeit, über den heidnischen Ursprung der Lehren und Bräuche der Christenheit und über die Bedeutung der Weltverhältnisse im Licht der biblischen Prophezeiungen sowie Diavorträge über Jehovas Zeugen als Organisation, in denen ihre Weltzentrale vorgestellt wurde, begeisternde Kongresse in Ländern gezeigt wurden, wo sie früher verboten waren, und ein Überblick über ihre neuzeitliche Geschichte gegeben wurde. Durch all das wurde den Menschen vor Augen geführt, daß Jehova tatsächlich ein Volk auf der Erde hat und daß die Bibel sein inspiriertes Wort ist.

Die wahren Schafe kenntlich gemacht

In manchen Ländern gaben sich Leute, die lediglich ein paar Wachtturm-Publikationen besaßen, als Zeugen Jehovas aus oder gebrauchten den Namen Watch Tower. Hatten sie aber ihre Glaubensansichten und ihre Lebensweise nach den biblischen Normen ausgerichtet? Würden sie sich, wenn sie die nötige Unterweisung erhielten, wirklich als schafähnliche Menschen erweisen, die auf die Stimme ihres Herrn, Jesus Christus, hören? (Joh. 10:4, 5).

Im südafrikanischen Zweigbüro der Watch Tower Society ging 1954 eine alarmierende Nachricht ein von einer Gruppe Afrikaner aus Baía dos Tigres, einer Strafkolonie im Süden Angolas. Der Schreiber, João Mancoca, berichtete: „Die Gruppe der Zeugen Jehovas in Angola besteht aus 1 000 Mitgliedern. Ihr Führer ist Simão Gonçalves Toco.“ Wer war dieser Toco? Waren seine Anhänger wirklich Zeugen Jehovas?

Es wurde dafür gesorgt, daß John Cooke, ein Missionar, der Portugiesisch sprach, nach Angola reiste. Nach einer langen Unterredung mit einem Kolonialbeamten durfte Bruder Cooke Mancoca besuchen. Bruder Cooke erfuhr, daß Toco in den 40er Jahren, als er mit einer Baptistenmission in Belgisch-Kongo (heute Zaire) verbunden war, einige Wachtturm-Publikationen erhalten und mit Freunden über das Gelernte gesprochen hatte. Aber dann wurde die Gruppe von Spiritisten beeinflußt, und nach einiger Zeit griff Toco überhaupt nicht mehr zu den Wachtturm-Publikationen und der Bibel. Statt dessen suchte er bei spiritistischen Medien Anleitung. Seine Anhänger wurden von der Regierung nach Angola zurückgeführt und dann in verschiedene Gegenden des Landes zerstreut.

Obwohl er ein Gefährte Tocos gewesen war, versuchte Mancoca, anderen klarzumachen, daß sie den Spiritismus aufgeben und sich an die Bibel halten müßten. Einigen Anhängern Tocos paßte das gar nicht, und sie brachten bei den portugiesischen Behörden falsche Anschuldigungen gegen Mancoca vor. Daraufhin wurden Mancoca und mehrere, die seine Ansichten teilten, in eine Strafkolonie deportiert. Dort kam er mit der Watch Tower Society in Kontakt und erhielt mehr biblische Literatur. Er war demütig, geistig gesinnt und sehr darauf bedacht, eng mit der Organisation zusammenzuarbeiten, durch die er die Wahrheit kennengelernt hatte. Nachdem Bruder Cooke mit dieser Gruppe stundenlang biblische Wahrheiten besprochen hatte, bestand für ihn kein Zweifel mehr daran, daß João Mancoca zu den Schafen des Herrn gehörte. Das hat Bruder Mancoca inzwischen viele Jahre lang unter den schwierigsten Bedingungen bewiesen.

Auch mit Toco und einer Reihe seiner Anhänger wurden Gespräche geführt. Bis auf einige wenige Ausnahmen waren bei ihnen allerdings nicht die schafähnlichen Eigenschaften der Nachfolger Christi zu erkennen. Somit gab es damals nicht 1 000 Zeugen Jehovas in Angola, sondern nur etwa 25.

Unterdessen war es in Belgisch-Kongo, dem heutigen Zaire, ebenfalls zu einer Verwechslung gekommen. Es gab dort eine religiös-politische Bewegung — die Kitawala —, die bisweilen auch den Namen Watch Tower gebrauchte. Bei einigen ihrer Mitglieder wurden zu Hause Publikationen der Zeugen Jehovas gefunden, die sie mit der Post erhalten hatten. Doch die Ansichten und Bräuche der Kitawala (Rassismus, subversive Betätigung, um politische oder soziale Änderungen herbeizuführen, und ungeheuerliche sexuelle Unmoral im Namen der Religion) entsprachen in keiner Weise denen der Zeugen Jehovas. In einigen veröffentlichten Berichten wurde allerdings versucht, einen Zusammenhang zwischen der Watch Tower Society der Zeugen Jehovas und der Kitawala herzustellen.

Jehovas Zeugen bemühten sich wiederholt, geschulte Aufseher in das Land zu schicken, aber sie erhielten von den belgischen Behörden stets Absagen. Die katholischen und die protestantischen Gruppen freuten sich darüber. Besonders von 1949 an wurden grausame Repressalien gegen die Bewohner von Belgisch-Kongo ergriffen, die mit Hilfe von Wachtturm-Publikationen die Bibel studieren wollten. Aber es war so, wie einer der treuen Zeugen dort sagte: „Wir sind wie ein Sack Mais. Wohin man uns auch bringt, fällt das Wort Körnchen für Körnchen zu Boden, bis der Regen kommt und man uns überall sprießen sieht.“ Und so kam es, daß von 1949 bis 1960 trotz schwieriger Bedingungen die Zahl der Zeugen Jehovas, die über ihre Tätigkeit berichteten, von 48 auf 1 528 anstieg.

Den Beamten wurde nach und nach klar, daß Jehovas Zeugen ganz anders sind als die Kitawala. Als man den Zeugen ein gewisses Maß an Versammlungsfreiheit gewährte, äußerten sich Beobachter von der Regierung oft über ihr gutes Benehmen und ihre Ordentlichkeit. Kam es zu Protestdemonstrationen für politische Unabhängigkeit, dann wußten die Leute, daß Jehovas Zeugen sich nicht beteiligten. 1961 erhielt endlich ein befähigter Aufseher aus Belgien, Ernest Heuse jr., eine Einreiseerlaubnis. Mit unermüdlichen Anstrengungen konnte den Brüdern allmählich geholfen werden, ihre Versammlungen und ihr persönliches Leben besser auf Gottes Wort abzustimmen. Es gab viel zu lernen, und man brauchte große Geduld.

In einigen Gegenden verschickte die Kitawala — in der Meinung, sie könnte dadurch ihren Status heben — lange Listen, auf denen Mitglieder von ihr aufgeführt waren, die als Zeugen Jehovas anerkannt werden wollten. Bruder Heuse schickte klugerweise befähigte Brüder in diese Gegenden, die feststellen sollten, was für Leute das waren. Statt große Gruppen aufzunehmen, studierte man mit Einzelpersonen die Bibel.

Mit der Zeit stellte sich heraus, wer zu den wahren Schafen gehörte, die wirklich Jesus Christus als ihren Hirten ansahen. Und davon gab es viele. Sie belehrten wiederum andere. Im Laufe der Jahre kamen etliche Wachtturm-Missionare aus dem Ausland, um mit ihnen zusammenzuarbeiten, ihnen zu einer genaueren Erkenntnis des Wortes Gottes zu verhelfen und ihnen die nötige Schulung zu vermitteln. 1975 gab es in Zaire 17 477 Zeugen Jehovas, die sich auf 526 Versammlungen verteilten und fleißig Gottes Wort predigten und lehrten.

Die Macht des Fetischs gebrochen

Westlich von Nigeria liegt das Land Benin (früher Dahomey) mit einer Bevölkerung, die in 60 Volksgruppen unterteilt ist und rund 50 Sprachen und Dialekte spricht. Dort ist wie überhaupt in einem Großteil Afrikas der Animismus die traditionelle Religion, verbunden mit dem Ahnenkult. In diesem religiösen Umfeld wird das Leben der Menschen von Aberglauben und Angst überschattet. Viele, die sich als Christen bezeichnen, praktizieren außerdem den Animismus.

Vom Ende der 20er bis in die 40er Jahre streuten Zeugen Jehovas aus Nigeria in Dahomey viele Samenkörner biblischer Wahrheit aus, als sie gelegentliche Besuche machten, um biblische Literatur zu verbreiten. Viele dieser Samenkörner brauchten nur ein wenig bewässert zu werden, damit sie aufgingen. Dafür wurde 1948 gesorgt, als Nouru Akintoundé, der aus Dahomey gebürtig war und in Nigeria gelebt hatte, in sein Geburtsland zurückkehrte, um dort Pionier zu sein. Innerhalb von vier Monaten nahmen 300 Personen unverzüglich die Wahrheit an und beteiligten sich mit ihm am Predigtdienst. Diese Reaktion übertraf alle Erwartungen.

Ihre Tätigkeit führte dazu, daß nicht nur die Geistlichen der Christenheit, sondern auch die Animisten für Unruhe sorgten. Als sich die Sekretärin des Fetischklosters in Porto Novo für die Wahrheit interessierte, verkündete der Fetischchef, sie werde innerhalb von sieben Tagen sterben. Doch die Exsekretärin des Klosters erklärte entschieden: „Wenn es der Fetisch ist, der Jehova gemacht hat, werde ich sterben; aber wenn Jehova der höchste Gott ist, dann wird er den Fetisch besiegen.“ (Vergleiche 5. Mose 4:35; Johannes 17:3.) Damit sich seine Vorhersage bewahrheitete, griff der Fetischchef am Abend des sechsten Tages zu allen möglichen Zaubereien und verkündete dann, die Exsekretärin des Klosters sei tot. Am Tag darauf waren die Fetischisten allerdings äußerst bestürzt, als sie quicklebendig auf dem Markt in Cotonou erschien. Später mietete ein Bruder ein Auto und fuhr sie durch Porto Novo, damit alle mit eigenen Augen sehen konnten, daß sie lebte. Daraufhin traten viele weitere Fetischisten entschieden für die Wahrheit ein. (Vergleiche Jeremia 10:5.)

Bald führte heftiger religiöser Druck dazu, daß die Wachtturm-Publikationen in Dahomey verboten wurden. Aber die Zeugen predigten aus Gehorsam gegenüber Jehova Gott weiter — oft verwendeten sie ausschließlich die Bibel. Manchmal gingen sie mit allen möglichen Waren als „Händler“ von Tür zu Tür. Wenn das Gespräch einen guten Verlauf nahm, lenkten sie die Aufmerksamkeit auf die Bibel und zogen vielleicht sogar aus einer großen Innentasche ihrer Kleidung eine wertvolle biblische Veröffentlichung hervor.

Wenn ihnen die Polizei in den Städten große Schwierigkeiten machte, predigten sie in ländlichen Gebieten. (Vergleiche Matthäus 10:23.) Und wenn sie ins Gefängnis gesperrt wurden, predigten sie dort. 1955 fanden inhaftierte Zeugen in Abomey mindestens 18 interessierte Personen unter den Häftlingen und Gefängnisbeamten.

Nur zehn Jahre nachdem der dahomeyische Pionier zum Predigen in seine Heimat zurückgekehrt war, beteiligten sich 1 426 am Predigtdienst — und das, obwohl ihr Werk gesetzlich verboten war.

Mehr Arbeiter beteiligen sich an der Ernte

Daß in ganz Afrika viele nach der Wahrheit hungerten, lag auf der Hand. Die Ernte war groß, aber der Arbeiter waren wenige. Deshalb war es für die Brüder ermutigend zu sehen, wie der Herr der Ernte, Jesus Christus, ihre Gebete um mehr Helfer bei der geistigen Einsammlung erhörte (Mat. 9:37, 38).

In den 30er Jahren hatten reisende Pioniere in Kenia viel Literatur verbreitet, waren dem vorgefundenen Interesse aber kaum nachgegangen. 1949 wanderte jedoch Mary Whittington mit ihren drei kleinen Kindern aus Großbritannien aus, um bei ihrem Mann zu leben, der in Nairobi beschäftigt war. Schwester Whittington war kaum ein Jahr getauft, aber sie hatte den Geist eines Pioniers. Obwohl sie in Kenia keine Zeugen kannte, nahm sie sich vor, in diesem großen Gebiet anderen die Wahrheit näherzubringen. Trotz Hindernissen gab sie nicht auf. Es kamen weitere Zeugen — aus Australien, Großbritannien, Kanada, Sambia, Schweden, Südafrika und den Vereinigten Staaten —, die aus eigener Initiative dort hinzogen, um den Menschen die Hoffnung auf das Königreich zu vermitteln.

Außerdem wurden Missionarehepaare als Erntehelfer in das Land gesandt. Die Männer waren zunächst gezwungen, einer weltlichen Arbeit nachzugehen, um im Land bleiben zu dürfen, so daß die Zeit, die sie für den Predigtdienst einsetzen konnten, begrenzt war. Doch ihre Frauen konnten ungehindert als Pioniere dienen. Im Laufe der Zeit gingen weit über hundert Gileadmissionare nach Kenia. Als die Unabhängigkeit nahte und die von der britischen Kolonialherrschaft verfolgte Rassentrennungspolitik endete, lernten die europäischen Zeugen Suaheli und dehnten ihre Tätigkeit unverzüglich auf die Eingeborenen aus. Die Zahl der Zeugen in diesem Gebiet stieg rapide an.

Im Jahre 1972 erhielt auch Botsuana Hilfe bei der geistigen Ernte, als Zeugen aus Großbritannien, Kenia und Südafrika in die Großstädte des Landes zogen. Drei Jahre später kamen außerdem Gileadmissionare. Ein Großteil der Bevölkerung lebt allerdings verstreut in kleinen Dörfern. Um diese Menschen zu erreichen, sind Zeugen aus Südafrika durch die trockene Kalahari gereist. In isolierten Gemeinwesen haben sie Dorfhäuptlingen, Schullehrern und oft Gruppen von 10 bis 20 dankbaren Zuhörern Zeugnis gegeben. Ein älterer Mann sagte: „Sie sind von so weit her gekommen, um mit uns über diese Dinge zu sprechen? Das ist sehr liebenswürdig.“

In den 20er Jahren hatte „Bibel-Brown“ in Liberia kraftvolle biblische Vorträge gehalten, aber dem Werk wurde beträchtlicher Widerstand entgegengesetzt. Die geistige Ernte machte dort keine richtigen Fortschritte, bis Missionare ankamen, die die Gileadschule absolviert hatten. Harry Behannan, der 1946 eintraf, war der erste. In den Jahren darauf kamen viele weitere hinzu. Nach und nach schlossen sich ihnen Liberianer in dem Werk an, und 1975 war die Zahl der Lobpreiser Jehovas auf über tausend angestiegen.

In Nigeria hatte „Bibel-Brown“ noch mehr gepredigt. Diese Nation war in zahlreiche Königreiche, Stadtstaaten und Gesellschaftssysteme aufgespalten, und es gab mehr als 250 Sprachen und Dialekte. Ein weiterer entzweiender Faktor war die Religion. Nicht gerade taktvoll, aber mit kraftvollen biblischen Argumenten stellten die frühen Zeugen die Geistlichkeit und ihre falschen Lehren bloß. Im Zweiten Weltkrieg, als ihre Literatur verboten war, gebrauchten die Brüder beim Predigen ausschließlich die Bibel. Wahrheitsliebende Menschen reagierten empfänglich. Sie traten aus der Kirche aus, gaben dann die Polygamie auf und trennten sich von ihren Fetischen, die die Kirchen geduldet hatten. 1950 beteiligten sich in Nigeria 8 370 Zeugen Jehovas am Verkündigen der Königreichsbotschaft. 1970 waren es mehr als zehnmal so viele.

In Südrhodesien (heute Simbabwe) mußten hartnäckige gesetzliche Hindernisse überwunden werden, damit interessierten Personen auf religiösem Gebiet geholfen werden konnte. Schon Mitte der 20er Jahre hatte man sich um rechtliche Anerkennung bemüht. 1932 wurden Pioniere aus Südafrika aufgefordert, das Land zu verlassen, und es wurde ihnen einfach gesagt, sie könnten keinen Einspruch dagegen erheben. Sie legten aber dennoch Einspruch ein. Die Anschuldigung, daß die Wachtturm-Publikationen aufrührerisch seien, mußte gerichtlich untersucht werden. Anfang der 40er Jahre saßen Brüder wegen der Verbreitung bibelerklärender Veröffentlichungen im Gefängnis. Erst 1966 erhielten Jehovas Zeugen in Simbabwe die volle rechtliche Anerkennung als religiöse Organisation. Über 40 Jahre lang war die geistige Erntearbeit unter beträchtlichen Schwierigkeiten verrichtet worden, doch während jener Zeit hatten mutige Erntearbeiter mehr als 11 000 Personen geholfen, Diener Jehovas zu werden.

Vor Statthaltern und Königen Zeugnis abgelegt

Jesus wußte, daß seine Jünger in ihrem Predigtdienst auf Widerstand stoßen würden. Er sagte ihnen, man werde sie an „örtliche Gerichte“ ausliefern, ja sogar vor „Statthalter und Könige“ bringen, und das werde „ihnen und den Nationen zu einem Zeugnis“ gereichen (Mat. 10:17, 18). Jehovas Zeugen haben genau das erlebt, was Jesus vorhersagte, und im Einklang mit seinen Worten sind sie darauf bedacht gewesen, solche Gelegenheiten zu nutzen, um Zeugnis abzulegen.

Manche Beamte haben sich aus Angst davon abhalten lassen, Christi Nachfolgern Gutes zu tun (Joh. 12:42, 43). Das stellte Llewelyn Phillips fest, als er 1948 mit einer Reihe von Regierungsvertretern in Belgisch-Kongo private Unterredungen hatte, um den verfolgten Zeugen dort die Situation zu erleichtern. Er erklärte diesen Männern die Glaubensansichten und Tätigkeiten der Zeugen Jehovas. Doch während der Unterredung fragte ihn der Generalgouverneur nachdenklich: „Und was wird mit mir geschehen, wenn ich Ihnen helfe?“ Er wußte, daß die katholische Kirche in diesem Land großen Einfluß besaß.

Dagegen gab der Oberhäuptling von Swasiland, König Sobhusa II., nicht viel auf die Meinung der Geistlichkeit. Er hatte schon oft mit Zeugen Jehovas gesprochen, besaß viele Veröffentlichungen von ihnen und war ihnen wohlgesinnt. Jedes Jahr am sogenannten Karfreitag lud er die afrikanischen Geistlichen in seinen königlichen Kral ein. Er erteilte ihnen das Wort, forderte aber auch einen Zeugen Jehovas auf zu sprechen. 1956 sprach der Zeuge über die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und über Ehrentitel von Kirchenmännern. Als er fertig war, fragte der Oberhäuptling die Geistlichen: „Ist das, was Jehovas Zeugen hier sagen, wahr oder falsch? Wenn es falsch ist, dann erklären Sie, wieso.“ Sie konnten es nicht widerlegen. Einmal mußte der Oberhäuptling sogar laut darüber lachen, wie bestürzt die Geistlichen auf die Worte eines Zeugen reagierten.

Oft war die Polizei damit beauftragt, von Jehovas Zeugen zu verlangen, ihre Tätigkeit zu rechtfertigen. Zeugen von der Versammlung in Tanger (Marokko) fuhren regelmäßig nach Ceuta, einer Hafenstadt an der marokkanischen Küste, die aber unter spanischer Hoheit steht. Als mehrere Zeugen 1967 einmal von der Polizei angehalten wurden, verhörte man sie zwei Stunden lang, und sie konnten in dieser Zeit ein hervorragendes Zeugnis geben. Im Verlauf des Verhörs fragten zwei Polizeikommissare, ob Jehovas Zeugen an die „ Jungfrau Maria“ glaubten. Als sie erfuhren, daß Maria gemäß den Evangelien nach der Jungfrauengeburt noch weitere Kinder bekam und daß diese Jesu Halbbrüder und Halbschwestern waren, holten sie erstaunt Luft und sagten, das stünde nie und nimmer in der Bibel. Die Zeugen zeigten ihnen Johannes 7:3-5, und der eine Beamte sah sich die Passage eingehend an, ohne einen Ton von sich zu geben, worauf der andere sagte: „Gib mir die Bibel. Ich erkläre den Text.“ Der erste Beamte erwiderte: „Bemüh dich nicht. Der Text ist einfach zu klar.“ In einer entspannten Atmosphäre stellten sie viele weitere Fragen, die ihnen beantwortet wurden. Danach wurden die Zeugen in diesem Gebiet kaum noch von den Behörden in ihrer Predigttätigkeit behindert.

Regierungsmitglieder haben sich mit Jehovas Zeugen und ihrem Predigtwerk gründlich auseinandergesetzt. Einige anerkennen, daß sich das Werk der Zeugen auf die Menschen positiv auswirkt. Als Ende 1959 Vorbereitungen für die Unabhängigkeit Nigerias getroffen wurden, bat Dr. Nnamdi Azikiwe, der Generalgouverneur, darum, W. R. Brown als Vertreter der Zeugen Jehovas einzuladen. Er sagte dem Ministerrat: „Wenn alle Religionsgemeinschaften wären wie Jehovas Zeugen, dann gäbe es keine Mordfälle, keine Einbrüche, keine Jugendkriminalität, keine Gefangenen und auch keine Atombomben. Dann brauchten die Türen Tag und Nacht nicht verschlossen zu werden.“

In Afrika wurde wirklich eine große geistige Ernte eingebracht. 1975 predigten auf dem afrikanischen Kontinent 312 754 Zeugen die gute Botschaft in 44 Ländern. In neun dieser Länder waren es weniger als 50, die für die biblische Wahrheit eintraten und beim Evangelisierungswerk mitwirkten. Doch für die Zeugen ist das Leben jedes einzelnen kostbar. In 19 Ländern gab es Tausende, die sich als Zeugen Jehovas am Predigtdienst von Haus zu Haus beteiligten. Aus einigen Gebieten wurden enorme Zunahmen gemeldet. In Angola zum Beispiel stieg die Zahl der Zeugen zwischen 1970 und 1975 von 355 auf 3 055. In Nigeria gab es 1975 112 164 Zeugen Jehovas. Es handelte sich nicht lediglich um Personen, die gern Wachtturm-Publikationen lasen oder nur gelegentlich Zusammenkünfte in einem Königreichssaal besuchten. Sie alle waren eifrige Verkündiger des Königreiches Gottes.

Immer mehr Lobpreiser Jehovas in Asien

Die Tätigkeit der Zeugen Jehovas auf den Philippinen dehnte sich wie auch in vielen anderen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg rapide aus. Als Joseph Dos Santos am 13. März 1945 aus dem Gefängnis freigelassen wurde, setzte er sich so schnell wie möglich mit dem New Yorker Büro der Watch Tower Society in Verbindung. Er bat um alle Bibelstudienhilfsmittel und organisatorischen Anweisungen, die die Brüder auf den Philippinen während des Krieges entbehren mußten. Dann besuchte er persönlich Versammlungen, um ihre Einheit zu fördern und sie zu stärken. Im selben Jahr fand in Lingayen (Pangasinan) ein Landeskongreß statt, auf dem Anweisungen gegeben wurden, wie wahrheitshungrige Menschen durch Heimbibelstudien unterwiesen werden können. In den Jahren darauf übersetzte und veröffentlichte man mit vereinten Kräften mehr Literatur — und zwar in den einheimischen Sprachen Tagalog, Iloko und Cebuano. Man legte die Grundlage für eine Ausdehnung, die sich auch rasch einstellte.

Innerhalb von zehn Jahren nach Kriegsende stieg die Zahl der Zeugen auf den Philippinen von rund 2 000 auf über 24 000 an. Und nach weiteren 20 Jahren gab es dort weit über 78 000 Lobpreiser Jehovas.

Zu den ersten Ländern Asiens, in die Gileadmissionare gesandt wurden, gehörte China. Harold King und Stanley Jones kamen 1947 in Schanghai an, Lew Ti Himm traf 1949 ein. Sie wurden von den drei deutschen Pionieren, die dort seit 1939 tätig waren, willkommen geheißen. Die Einheimischen waren überwiegend Buddhisten und ließen sich nicht ohne weiteres auf ein biblisches Gespräch ein. Sie hatten in ihren Häusern Schreine und Altäre. Mit Spiegeln über Eingängen versuchten sie, böse Geister zu verjagen. Glückssprüche und furchterregende Bilder von buddhistischen Göttern auf rotem Untergrund schmückten die Tore. Doch es war eine Zeit großer Veränderungen in China. Unter der kommunistischen Herrschaft wurde von allen gefordert, sich mit den Gedanken Mao Tse-tungs zu befassen. Nach Arbeitsschluß mußte jeder langen Sitzungen beiwohnen, in denen der Kommunismus erläutert wurde. Trotz alldem predigten die Brüder weiter fleißig die gute Botschaft von Gottes Königreich.

Viele, die bereit waren, mit Jehovas Zeugen zu studieren, waren zuvor schon durch die Kirchen der Christenheit mit der Bibel in Berührung gekommen. Beispielsweise war Nancy Yuen, die für die Kirche arbeitete und Hausfrau war, dankbar für das, was die Zeugen ihr aus der Bibel beibrachten. Bald beteiligte sie sich eifrig an der Tätigkeit von Haus zu Haus und leitete selbst Bibelstudien. Andere, denen sie predigten, waren als typische Chinesen vom Buddhismus geprägt und wußten nichts von der Bibel. 1956 erreichte man erstmals die Zahl von 57 Verkündigern. Doch im selben Jahr wurde Nancy Yuen, nachdem sie sechsmal wegen Predigens festgenommen worden war, im Gefängnis behalten. Andere wurden entweder verhaftet oder des Landes verwiesen. Am 14. Oktober 1958 wurden Stanley Jones und Harold King inhaftiert. Bis zu ihrer Verhandlung wurden sie zwei Jahre festgehalten und in dieser Zeit ständig verhört. Als sie 1960 schließlich vor Gericht kamen, erhielten sie hohe Gefängnisstrafen. So wurde im Oktober 1958 die öffentliche Tätigkeit der Zeugen Jehovas in China gewaltsam zum Stillstand gebracht. Aber ihr Predigtwerk wurde nie völlig eingestellt. Selbst in Gefängnissen und Arbeitslagern gab es Möglichkeiten zum Zeugnisgeben. Könnte in diesem riesigen Land künftig mehr getan werden? Das würde sich zu seiner Zeit herausstellen.

Was ereignete sich mittlerweile in Japan? Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten dort nur etwa hundert Zeugen Jehovas gepredigt. Viele gaben ihren Glauben auf, als in den Kriegsjahren brutale Repressalien gegen sie ergriffen wurden. Wenn auch einige wenige an ihrer Lauterkeit festhielten, so schlief doch die organisierte öffentliche Predigttätigkeit ein. Die Verkündigung des Königreiches Jehovas kam in diesem Land jedoch erneut in Gang, als Don Haslett, ein Gileadmissionar, im Januar 1949 in Tokio eintraf. Zwei Monate später konnte ihm seine Frau Mabel dorthin nachreisen. In dem Gebiet hungerten viele nach der Wahrheit. Der Kaiser hatte seinen Göttlichkeitsanspruch aufgegeben. Schintoismus, Buddhismus, Katholizismus und Kyodan (bestehend aus mehreren protestantischen Gruppen in Japan) hatten alle ihr Prestige beim Volk eingebüßt, weil sie die Kriegsanstrengungen Japans unterstützt hatten, die in einer Niederlage geendet hatten.

Ende 1949 waren 13 Gileadmissionare in Japan tätig. Weitere folgten — insgesamt mehr als 160. Es gab nur sehr wenig Literatur für den Predigtdienst. Einige der Missionare hatten auf Hawaii ein veraltetes Japanisch gesprochen und mußten nun die moderne Sprache lernen. Die übrigen hatten sich ein paar Grundkenntnisse angeeignet, mußten aber häufig zu ihren japanisch-englischen Wörterbüchern greifen, bis sie mit der neuen Sprache einigermaßen vertraut waren. Bald nahmen die Familien Ishii und Miura, die in den Kriegsjahren ihren Glauben nicht aufgegeben hatten, mit der Organisation Kontakt auf und beteiligten sich wieder am öffentlichen Predigtdienst.

Nach und nach wurden in Kōbe, Nagoya, Osaka, Yokohama, Kioto und Sendai Missionarheime eröffnet. Von 1949 bis 1957 bemühte man sich hauptsächlich, dem Königreichswerk in den Großstädten auf der japanischen Hauptinsel festen Bestand zu geben. Dann zogen die Erntearbeiter in andere Städte. Das Feld war groß. Es lag auf der Hand, daß viele Pionierverkündiger benötigt wurden, wenn in ganz Japan gründlich Zeugnis abgelegt werden sollte. Darauf wurde Nachdruck gelegt; viele meldeten sich, und die Reaktion, die auf die vereinten Anstrengungen dieser fleißigen Verkündiger folgte, war wirklich wunderbar. In den ersten zehn Jahren kamen 1 390 Lobpreiser Jehovas hinzu. Mitte der 70er Jahre gab es über ganz Japan verteilt 33 480 eifrige Lobpreiser Jehovas. Und die Einsammlung ging immer schneller voran.

In demselben Jahr, als Don Haslett in Japan eintraf, nämlich 1949, erhielt auch das Königreichswerk in der Republik Korea starken Auftrieb. Korea war während des Weltkrieges unter japanischer Herrschaft gewesen, und man hatte die Zeugen grausam verfolgt. Nach dem Krieg kam zwar eine kleine Gruppe zum Studieren zusammen, aber der Kontakt zur internationalen Organisation wurde erst wiederhergestellt, nachdem Choi Young-won 1948 in der amerikanischen Armeezeitung Stars and Stripes einen Bericht über Jehovas Zeugen entdeckt hatte. Im Jahr darauf wurde in Seoul eine Versammlung mit 12 Verkündigern gegründet. Noch im selben Jahr kamen die ersten Gileadmissionare — Don und Earlene Steele. Sieben Monate später folgten sechs weitere Missionare.

Sie erzielten hervorragende Ergebnisse: Jeder hatte durchschnittlich 20 Bibelstudien, und bis zu 336 Besucher kamen zu den Zusammenkünften. Dann brach der Koreakrieg aus. Die letzte Gruppe von Missionaren war kaum mehr als drei Monate da, als sie schon wieder nach Japan evakuiert wurden. Über ein Jahr verstrich, ehe Don Steele nach Seoul zurückkehren konnte, und es dauerte ein weiteres Jahr, bis Earlene in der Lage war, ihm nachzureisen. Unterdessen waren die koreanischen Brüder standhaft geblieben und hatten eifrig gepredigt, obwohl viele ihr Zuhause verloren hatten und Flüchtlinge waren. Aber jetzt, wo die Kämpfe vorbei waren, war man darauf bedacht, mehr Literatur in Koreanisch herzustellen. Kongresse und der Zustrom weiterer Missionare brachten das Werk in Schwung. 1975 gab es 32 693 Zeugen Jehovas in der Republik Korea — fast so viele wie in Japan —, und es bestand Aussicht auf großes Wachstum, da über 32 000 Heimbibelstudien durchgeführt wurden.

Wie war die Lage in Europa?

Das Ende des Zweiten Weltkrieges führte in Europa nicht dazu, daß Jehovas Zeugen ihr biblisches Lehrwerk in völliger Freiheit und ohne Widerstand fortsetzen konnten. Manchenorts wurden sie von Beamten wegen ihrer unerschütterlichen Haltung während des Krieges geachtet. Aber in anderen Gegenden führten gewaltige Wogen des Nationalismus und religiöser Feindseligkeit dazu, daß die Verfolgung weiterging.

Einige Zeugen aus Deutschland waren nach Belgien gegangen, um sich dort am Predigen der guten Botschaft zu beteiligen. Weil sie das NS-Regime nicht unterstützt hatten, waren sie von der Gestapo gejagt worden. Aber nun beschuldigten belgische Beamte einige dieser Zeugen, Nationalsozialisten zu sein, und sie ließen sie verhaften und dann ausweisen. Trotzdem stieg die Zahl der Zeugen, die in Belgien predigten, in den fünf Jahren nach dem Krieg auf mehr als das Dreifache an.

Wer steckte oft hinter der Verfolgung? Die katholische Kirche. Wo sie genügend Macht hatte, kämpfte sie unerbittlich, um Jehovas Zeugen auszumerzen. Da die katholischen Geistlichen wußten, daß in der westlichen Welt viele den Kommunismus fürchteten, stachelten sie 1948 in der irischen Stadt Cork zu Anfeindungen gegen Jehovas Zeugen auf, indem sie sie ständig als „kommunistische Teufel“ bezeichneten. Daraufhin wurde Fred Metcalfe im Predigtdienst von einer aufgewiegelten Menge angegriffen, die ihn schlug und trat und seine biblische Literatur auf die Straße warf. Glücklicherweise kam gerade ein Polizist vorbei und trieb den Pöbel auseinander. Trotz alldem harrten die Zeugen aus. Nicht alle Iren waren mit den Ausschreitungen einverstanden. Einigen tat es später sogar leid, daß sie sich daran beteiligt hatten. Die meisten Katholiken in Irland hatten noch nie eine Bibel gesehen. Doch mit liebevoller Geduld konnte einer Anzahl geholfen werden, die Wahrheit, die die Menschen frei macht, anzunehmen (Joh. 8:32).

In Italien waren 1946 nur rund hundert Zeugen tätig, doch drei Jahre später gab es 64 Versammlungen, die zwar klein, aber fleißig waren. Die Geistlichkeit war beunruhigt. Da die katholischen Geistlichen die von Jehovas Zeugen gepredigten Wahrheiten nicht widerlegen konnten, drängten sie die Regierung, gegen sie einzuschreiten. So wurden im Jahre 1949 Missionare der Zeugen Jehovas des Landes verwiesen.

Die katholische Geistlichkeit versuchte wiederholt, die Kongresse der Zeugen in Italien zu verhindern oder zu stören. 1948 setzte sie Zwischenrufer ein, um einen Kreiskongreß in Sulmona zu stören. 1950 drängte sie in Mailand den Polizeipräsidenten, die Genehmigung für einen Bezirkskongreß im Teatro dell’Arte rückgängig zu machen. Und 1951 brachte sie die Polizei so weit, daß sie die Genehmigung für einen Kreiskongreß in Cerignola zurückzog. Als die Polizei dagegen 1957 anordnete, einen Bezirkskongreß der Zeugen in Mailand abzubrechen, protestierte die italienische Presse, und im Parlament wurden dazu Fragen aufgeworfen. Die römische Wochenzeitung Il Mondo zögerte nicht, in der Ausgabe vom 30. Juli 1957 zu erklären, daß man zu der Aktion geschritten war, „um den Erzbischof zufriedenzustellen“ — und zwar Giovanni Battista Montini, der später Papst Paul VI. wurde. Es war allgemein bekannt, daß die katholische Kirche jahrhundertelang verboten hatte, die Bibel in den Sprachen des Volkes in Umlauf zu bringen. Aber Jehovas Zeugen legten Wert darauf, daß sich aufrichtige Katholiken selbst davon überzeugten, was die Bibel sagt. Der Gegensatz zwischen der Bibel und den kirchlichen Dogmen war auffallend. Tausende traten aus der Kirche aus, obwohl sich die katholische Kirche sehr bemühte, das zu verhindern, und so gab es 1975 in Italien 51 248 Zeugen Jehovas. Sie alle waren eifrige Evangeliumsverkündiger, und ihre Zahl nahm rapide zu.

Als im katholischen Spanien 1946 die organisierte Tätigkeit der Zeugen Jehovas allmählich wiederbelebt wurde, überraschte es nicht, daß die Geistlichkeit auch dort weltliche Beamte drängte, ihnen Einhalt zu gebieten. Versammlungszusammenkünfte der Zeugen Jehovas wurden gestört. Man wies Missionare aus. Zeugen wurden inhaftiert, nur weil sie die Bibel oder biblische Literatur besaßen. Oft wurden sie bis zu drei Tage lang in schmutzigen Gefängnissen festgehalten und dann wieder freigelassen — nur um erneut verhaftet, verhört und ins Gefängnis geworfen zu werden. Viele mußten Gefängnisstrafen von einem Monat oder mehr verbüßen. Die Priester drängten weltliche Behörden, jeden aufzuspüren, der mit Jehovas Zeugen die Bibel studierte. Selbst nachdem 1967 ein Gesetz über Religionsfreiheit verabschiedet worden war, änderte sich die Situation nur langsam. Als Jehovas Zeugen 1970 endlich rechtlich anerkannt wurden, zählten sie in Spanien dennoch bereits über 11 000. Und fünf Jahre später gab es mehr als 30 000 eifrige Evangeliumsverkündiger.

Und wie stand es mit Portugal? Auch dort wurden Missionare des Landes verwiesen. Auf Betreiben der katholischen Geistlichkeit machte die Polizei Haussuchungen bei Zeugen Jehovas, beschlagnahmte ihre Literatur und störte ihre Zusammenkünfte. Im Januar 1963 erließ der Leiter der Sicherheitspolizei von Caldas da Rainha sogar eine schriftliche Anordnung, nach der ihnen das Bibellesen verboten war. Aber die Zeugen gaben ihren Dienst für Gott nicht auf. Als sie 1974 in Portugal rechtlich anerkannt wurden, zählten sie über 13 000.

In anderen Ländern Europas behinderten die Behörden das Predigen der guten Botschaft, indem sie die Verbreitung biblischer Literatur als kommerzielle Tätigkeit einordneten, die dem Handelsgesetz unterliegt. In einer Reihe von Schweizer Kantonen wandte man das Hausiergesetz darauf an, daß Jehovas Zeugen gegen freiwillige Beiträge Literatur verbreiteten. Da die Zeugen mit ihrer Tätigkeit fortfuhren, kam es zu zahlreichen Festnahmen und Prozessen. Einige Gerichte kamen jedoch zu dem Schluß, die Tätigkeit der Zeugen Jehovas könne nicht zu Recht als Hausieren betrachtet werden — so zum Beispiel das Obergericht des Kantons Waadt im Jahre 1953. Unterdessen wollte man in Dänemark die Zeit, zu der die Zeugen Literatur anbieten dürften, auf die gesetzlichen Öffnungszeiten der Geschäfte beschränken. Auch das mußte vor Gericht geklärt werden. Trotz Hindernissen fuhren Jehovas Zeugen fort, Gottes Königreich als einzige Hoffnung der Menschheit zu verkündigen.

Ein weiteres strittiges Problem, vor dem Jehovas Zeugen in Europa und auch anderswo standen, war die christliche Neutralität. Da sie es als Christen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, sich in Konflikte zwischen gegnerischen Seiten der Welt hineinziehen zu lassen, wurden sie in einem Land nach dem anderen zu Freiheitsstrafen verurteilt (Jes. 2:2-4). Dadurch wurde jungen Männern die Möglichkeit genommen, sich am regulären Predigtdienst von Haus zu Haus zu beteiligen. Eine positive Auswirkung bestand jedoch darin, daß Anwälten, Richtern, Offizieren und Gefängniswärtern ein gründliches Zeugnis gegeben wurde. Selbst im Gefängnis gab es Möglichkeiten zu predigen. In manchen Strafanstalten wurden sie brutal behandelt, doch die Zeugen im Gefängnis Santa Catalina in Cádiz (Spanien) konnten einen Teil ihrer Zeit zum brieflichen Zeugnisgeben nutzen. Und in Schweden erlangten Rechtsfälle, bei denen es um die Neutralität von Zeugen Jehovas ging, große Publizität. So wurde den Menschen auf vielerlei Weise bewußtgemacht, daß Jehova tatsächlich Zeugen auf der Erde hat und daß sie sich fest an biblische Grundsätze halten.

Noch etwas anderes verschaffte den Zeugen Publizität. Es hatte auch eine starke belebende Wirkung auf ihr Evangelisierungswerk.

Durch Kongresse Zeugnis gegeben

Als Jehovas Zeugen 1955 einen internationalen Kongreß in Paris hatten, erhielt ganz Frankreich durch die Fernsehnachrichten einen Eindruck von dem Geschehen. 1969 fand ein weiterer Kongreß in der Nähe von Paris statt, und man konnte sehen, daß der Predigtdienst der Zeugen reiche Früchte getragen hatte. Die Zahl der Täuflinge auf dem Kongreß betrug 3 619, etwa 10 Prozent der durchschnittlichen Besucherzahl. Darüber schrieb die populäre Pariser Abendzeitung France-Soir in ihrer Ausgabe vom 6. August 1969: „Was den Geistlichen anderer Konfessionen Sorgen bereitet, ist nicht die spektakuläre Verbreitung der Publikationen der Zeugen Jehovas, sondern sind vielmehr ihre Bekehrungen. Jeder Zeuge Jehovas hat die Verpflichtung, Zeugnis zu geben oder seinen Glauben zu verkündigen, indem er mit der Bibel von Haus zu Haus arbeitet.“

Im Sommer 1969 wurden in Europa innerhalb von drei Wochen noch vier weitere große internationale Kongresse abgehalten — in London, Kopenhagen, Rom und Nürnberg. Zu dem Kongreß in Nürnberg kamen 150 645 Besucher aus 78 Ländern. Außer Flugzeugen und Schiffen waren rund 20 000 Autos, 250 Busse und 40 Sonderzüge erforderlich, um die Delegierten zu diesem Kongreß zu bringen.

Die Kongresse verliehen den Zeugen Jehovas nicht nur Kraft und Rüstzeug für ihren Predigtdienst, sondern gaben der Öffentlichkeit auch die Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, was für Menschen Jehovas Zeugen sind. Als für 1965 ein internationaler Kongreß in Dublin (Irland) geplant war, versuchten religiöse Kreise, ihn mit aller Macht zu verhindern. Aber der Kongreß fand statt, und viele Bewohner Dublins nahmen Delegierte bei sich auf. Was war das Ergebnis? „Man hat uns nicht die Wahrheit über euch erzählt“, sagten einige Vermieterinnen nach dem Kongreß. „Die Priester haben uns angelogen, aber da wir euch jetzt kennen, könnt ihr jederzeit gerne wiederkommen.“

Mit anderen Sprachen konfrontiert

In den letzten Jahrzehnten haben Jehovas Zeugen in Europa festgestellt, daß die Kommunikation mit Personen anderer Nationalität eine besondere Herausforderung ist. Viele Menschen sind wegen besserer beruflicher Möglichkeiten von einem Land in ein anderes gezogen. Einige europäische Städte sind Sitz großer internationaler Institutionen, deren Mitarbeiter nicht alle die Landessprache sprechen.

Freilich werden in manchen Ländern seit Jahrhunderten viele Sprachen gesprochen. In Indien gibt es zum Beispiel 14 Hauptsprachen und an die 1 000 kleinere Sprachgruppen und Dialekte. Papua-Neuguinea hat über 700 Sprachen. Die Zeugen in Luxemburg stellten dagegen besonders in den 60er und 70er Jahren fest, daß in ihrem Gebiet Menschen aus über 30 verschiedenen Staaten lebten — und danach kamen noch mindestens 70 weitere Nationalitäten hinzu. Aus Schweden, wo früher nur eine Sprache gesprochen wurde, wird berichtet, daß es dort heute 100 verschiedene Sprachen gibt. Wie haben Jehovas Zeugen dieses Problem angepackt?

Zunächst bemühten sie sich oft einfach, herauszufinden, welche Sprache der Wohnungsinhaber sprach, und dann versuchten sie, Literatur zu besorgen, die er lesen konnte. In Dänemark wurden Tonbandaufnahmen in Türkisch gemacht, damit aufrichtige Türken die Botschaft in ihrer eigenen Sprache hören konnten. In der Schweiz waren Gastarbeiter aus Italien und Spanien stark vertreten. Was Rudolf Wiederkehr erlebte, als er einigen von ihnen half, ist ein typisches Beispiel für die Anfänge. Er versuchte, einem Italiener Zeugnis zu geben, doch sie konnten sich nicht richtig miteinander verständigen. Was blieb da zu tun? Der Bruder ließ ihm einen italienischen Wachtturm zurück. Trotz des Sprachproblems ging Bruder Wiederkehr erneut hin. Mit dem Mann, seiner Frau und dem 12jährigen Sohn wurde ein Bibelstudium begonnen. Bruder Wiederkehr benutzte für das Studium ein deutsches Buch, beschaffte für die Familie aber italienische Exemplare. Wenn Worte nicht weiterhalfen, ging man zu Gesten über. Manchmal diente der Junge als Übersetzer, denn er hatte in der Schule Deutschunterricht. Die ganze Familie nahm die Wahrheit an und überbrachte sie auch bald anderen.

Buchstäblich Millionen von Arbeitern aus Griechenland, Italien, Jugoslawien, Portugal, Spanien und der Türkei zogen nach Deutschland und in andere Länder. In ihrer eigenen Sprache könnte ihnen auf geistigem Gebiet wirkungsvoller geholfen werden. Bald lernten eine Anzahl einheimischer Zeugen die Sprachen der Gastarbeiter. In Deutschland sorgte das Zweigbüro sogar für türkischen Sprachunterricht. Zeugen in anderen Ländern, die die notwendigen Sprachkenntnisse hatten, wurden eingeladen, in Gegenden zu ziehen, wo Hilfe dringend nötig war.

Einige der ausländischen Arbeiter waren noch nie mit Jehovas Zeugen in Berührung gekommen und hatten wirklich geistigen Hunger. Sie waren dankbar für die Anstrengungen, die unternommen wurden, um ihnen zu helfen. Es wurden viele fremdsprachige Versammlungen gegründet. Im Laufe der Zeit kehrten eine Reihe dieser Gastarbeiter in ihre Heimat zurück, um den Predigtdienst in Gegenden aufzunehmen, in denen bis dahin noch nicht gründlich über Gottes Königreich Zeugnis abgelegt worden war.

Reiche Ernte trotz Hindernissen

Jehovas Zeugen haben auf der ganzen Erde die gleichen Predigtmethoden. In Nordamerika predigen sie seit über einem Jahrhundert eifrig das Evangelium. Daher überrascht es nicht, daß dort eine reiche geistige Ernte eingebracht worden ist. 1975 waren auf dem Festland der Vereinigten Staaten und in Kanada 624 097 Zeugen Jehovas tätig. Das heißt allerdings nicht, daß man ihrem Predigtwerk in Nordamerika keinen Widerstand entgegengebracht hätte.

Die kanadische Regierung hatte zwar 1945 das Verbot der Zeugen Jehovas und ihrer rechtlichen Körperschaften aufgehoben, doch in der Provinz Quebec brachte diese Entscheidung nicht gleich Vorteile. Im September 1945 hatten Zeugen Jehovas in Châteauguay und Lachine unter Pöbelangriffen von Katholiken zu leiden. Man verhaftete Zeugen und beschuldigte sie der Aufwiegelung, weil die katholische Kirche in der Literatur, die sie verbreiteten, kritisiert wurde. Mehrere kamen ins Gefängnis, weil sie biblische Veröffentlichungen verbreiteten, die der Polizeichef nicht genehmigt hatte. 1947 waren in Quebec 1 700 Verfahren gegen die Zeugen anhängig.

Während Musterprozesse durchgefochten wurden, wurde den Zeugen geraten, das Evangelium mündlich zu verbreiten und nur die Bibel zu verwenden — wenn möglich, die katholische Douay-Bibel. Vollzeitverkündiger aus anderen Gegenden Kanadas lernten von sich aus Französisch und zogen nach Quebec, um sich dort an der Förderung der wahren Anbetung zu beteiligen.

Viele aufrichtige Katholiken ließen die Zeugen in ihre Wohnung und stellten Fragen, erklärten allerdings oft: „Ich bin katholisch, und das bleibe ich auch.“ Doch Zehntausende änderten sich trotzdem, nachdem sie sich selbst davon überzeugt hatten, was die Bibel sagt — weil sie die Wahrheit liebten und Gott gefallen wollten.

Auch in den Vereinigten Staaten war es notwendig, vor Gericht zu gehen, um das Recht der Zeugen Jehovas auf öffentliches Predigen und den Dienst von Haus zu Haus durchzusetzen. Von 1937 bis 1953 wurden 59 solcher Fälle bis vor das Oberste Bundesgericht in Washington (D. C.) gebracht.

Nichtzugeteilten Gebieten Aufmerksamkeit geschenkt

Jehovas Zeugen geht es nicht nur darum, überhaupt die gute Botschaft zu predigen, sondern ihr Ziel ist es, möglichst jedem die Königreichsbotschaft zu überbringen. Deshalb hat die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas jedem Zweigbüro die Verantwortung für einen bestimmten Teil des weltweiten Predigtgebietes übertragen. Den Versammlungen, die innerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines Zweigbüros gegründet werden, wird ein Teil dieses Gebietes zum Predigen zugeteilt. Die Versammlung unterteilt das Gebiet dann in Abschnitte, die Gruppen oder einzelnen Versammlungsverkündigern zugewiesen werden können. Diese bemühen sich, jeden Haushalt regelmäßig zu erreichen. Wie steht es aber mit Gegenden, die noch keiner Versammlung zugeteilt sind?

Im Jahre 1951 wurde eine Liste von allen Verwaltungsbezirken in den Vereinigten Staaten erstellt, um herauszufinden, wo Jehovas Zeugen noch nicht regelmäßig tätig waren. Damals wurden fast 50 Prozent gar nicht oder nur teilweise bearbeitet. Man sorgte dafür, daß Zeugen in den Sommermonaten oder zu anderen günstigen Zeiten in diesen Gegenden predigten, damit dort Versammlungen gegründet würden. Wo niemand zu Hause war, wurde manchmal eine gedruckte Nachricht zusammen mit einer biblischen Veröffentlichung zurückgelassen. Bibelstudien führte man brieflich durch. Später wurden in solche Gebiete Sonderpioniere gesandt, die dem vorgefundenen Interesse nachgingen.

Diese Vorgehensweise beschränkte sich nicht auf die 50er Jahre. Weltweit werden in Ländern, wo zwar in den Großstädten gepredigt wird, es aber nichtzugeteilte Gebiete gibt, weiterhin gewissenhaft Anstrengungen unternommen, Menschen zu erreichen, die noch nicht regelmäßig besucht werden. In Alaska lebten in den 70er Jahren ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung in abgelegenen Dörfern. Viele von ihnen waren am besten im Winter anzutreffen, wenn der Fischfang fast eingestellt wird. Aber das ist auch die Zeit, in der schlimme Vereisungen und Schneestürme das Fliegen gefährlich machen. Dennoch mußten die Eskimos, Indianer und Aleuten die Gelegenheit erhalten, von der Vorkehrung ewigen Lebens unter Gottes Königreich zu erfahren. Um sie zu erreichen, flog eine Gruppe von 11 Zeugen in einem Zeitraum von zwei Jahren mit kleinen Flugzeugen zu etwa 200 Dörfern, die sich auf ein Gebiet von 844 000 Quadratkilometern verteilten. Finanziert wurde das Ganze durch freiwillige Spenden der einheimischen Zeugen.

Abgesehen davon, daß solche Predigttouren unternommen wurden, ermunterte man auch reife Zeugen, den Umzug in eine Gegend innerhalb des eigenen Landes zu erwägen, wo der Bedarf an Königreichsverkündigern größer ist. Tausende sind darauf eingegangen. In den Vereinigten Staaten zogen zum Beispiel Eugene und Delia Shuster 1958 von Illinois weg, um in Hope (Arkansas) zu dienen. Sie sind dort mehr als drei Jahrzehnte geblieben, haben interessierte Personen ausfindig gemacht, eine Versammlung gegründet und Neuen geholfen, zu christlicher Reife heranzuwachsen.

Angeregt von ihrem Kreisaufseher, zogen Alexander B. Green und seine Frau 1957 von Dayton (Ohio) weg, um in Mississippi zu dienen. Als erstes wurden sie nach Jackson gesandt und zwei Jahre später nach Clarksdale. Im Laufe der Zeit diente Bruder Green noch an fünf anderen Orten. Überall dort gab es kleine Versammlungen, die Hilfe brauchten. Um für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, reinigte er unter anderem Büros, machte Gartenarbeiten, arbeitete Möbel auf und reparierte Autos. Doch vor allem konzentrierte er sich auf das Predigen der guten Botschaft. Er half den dortigen Zeugen, im Glauben zu wachsen, arbeitete mit ihnen zusammen, um die Menschen in dem Gebiet zu erreichen, und half ihnen oft, einen Königreichssaal zu bauen, bevor er weiterzog.

Als Gerald Cain 1967 im Westen der Vereinigten Staaten ein Zeuge Jehovas wurde, war ihm und seiner Familie die Dringlichkeit des Evangelisierungswerkes deutlich bewußt. Noch bevor sie sich taufen ließen, planten sie, in einer Gegend zu dienen, wo größerer Bedarf an Verkündigern bestand. Vier Jahre lang arbeiteten sie mit der Versammlung in Needles (Kalifornien) zusammen, deren Gebiet Teile von drei Bundesstaaten im Westen der Vereinigten Staaten umfaßte. Als sie aus gesundheitlichen Gründen wegziehen mußten, suchten sie sich wieder einen Ort aus, wo Hilfe dringend nötig war, und funktionierten dort einen Teil ihres Zuhauses zu einem Königreichssaal um. Es folgten noch weitere Umzüge, aber in ihren Überlegungen spielte es immer eine wichtige Rolle, dorthin zu ziehen, wo sie beim Zeugnisgeben die größtmögliche Hilfe leisten könnten.

Während die Zahl der Versammlungen zunahm, war in manchen Gegenden ein dringender Bedarf an befähigten Ältesten zu verspüren. Um dem abzuhelfen, haben sich Tausende von Ältesten bereit erklärt, auf eigene Kosten Versammlungen außerhalb ihrer Wohngegend zu unterstützen. Sie fahren in der Woche drei-, vier-, fünfmal oder noch öfter dorthin, um an den Zusammenkünften der Versammlung und am Predigtdienst teilzunehmen und auch um die Herde zu hüten. Das ist nicht nur in den Vereinigten Staaten so gewesen, sondern auch in El Salvador, Japan, den Niederlanden, Spanien und vielen anderen Ländern. In manchen Fällen sind die Ältesten mit ihrer Familie umgezogen, um dem Bedarf abzuhelfen.

Was ist dadurch erreicht worden? Betrachten wir nur ein Land. Als 1951 zum erstenmal Pläne angekündigt wurden, nichtzugeteiltes Gebiet zu bearbeiten, gab es in den Vereinigten Staaten rund 3 000 Versammlungen mit durchschnittlich 45 Verkündigern. 1975 gab es 7 117 Versammlungen, und die Durchschnittszahl der tätigen Zeugen je Versammlung war auf fast 80 angestiegen.

Das Zeugnis, das von 1945 bis 1975 für den Namen und das Königreich Jehovas gegeben wurde, stellte alles, was bis dahin erreicht worden war, in den Schatten.

Die Zahl der Zeugen stieg von weltweit 156 299 im Jahre 1945 auf 2 179 256 im Jahre 1975 an. Jeder einzelne tat seinen Teil, um das Königreich Gottes öffentlich zu verkündigen.

Im Jahre 1975 waren Jehovas Zeugen in 212 Ländern und Inselgebieten tätig (wenn man von den Landesgrenzen Anfang der 90er Jahre ausgeht). Auf dem Festland der Vereinigten Staaten und in Kanada predigten 624 097 von ihnen. Des weiteren gab es in Europa — die Sowjetunion nicht mitgerechnet — 614 826 Zeugen. Die Bevölkerung Afrikas hörte die biblische Botschaft der Wahrheit von den 312 754 Zeugen, die sich dort an dem Werk beteiligten. In Mexiko und Zentral- und Südamerika dienten 311 641 Zeugen, in Asien 161 598, in Australien und auf den vielen Inseln weltweit 131 707.

In den 30 Jahren bis 1975 wandten Jehovas Zeugen 4 635 265 939 Stunden für das öffentliche Predigen und Lehren auf. Außerdem ließen sie 3 914 971 158 Bücher, Broschüren und Zeitschriften bei interessierten Personen zurück, um ihnen verstehen zu helfen, wie sie aus dem liebevollen Vorsatz Jehovas Nutzen ziehen könnten. Im Einklang mit dem Auftrag Jesu, Jünger zu machen, machten sie 1 788 147 329 Rückbesuche bei interessierten Personen, und 1975 führten sie durchschnittlich 1 411 256 kostenlose Heimbibelstudien mit Einzelpersonen und ganzen Familien durch.

Bis 1975 hatte die gute Botschaft tatsächlich bereits 225 Länder und Inselgebiete erreicht. In über 80 Ländern, in denen 1945 zwar schon die gute Botschaft gepredigt worden war, es aber damals noch keine Versammlungen gab, waren eifrige, blühende Versammlungen entstanden. Dazu gehörte die Republik Korea mit 470 Versammlungen, Spanien mit 513, Zaire mit 526, Japan mit 787 und Italien mit 1 031 Versammlungen.

Zwischen 1945 und 1975 zählten sich die meisten, die Zeugen Jehovas wurden, nicht zu denen, die durch Gottes Geist gesalbt wurden und Aussicht auf himmlisches Leben hatten. Im Frühjahr 1935 nahmen 93 Prozent derer, die sich am Predigtdienst beteiligten, beim Abendmahl von den Symbolen. (Noch im selben Jahr wurde klar, daß die in Offenbarung 7:9 erwähnte „große Volksmenge“ aus Personen besteht, die für immer auf der Erde leben werden.) Bis 1945 war die Zahl der Zeugen, die die Aussicht auf ewiges Leben auf einer paradiesischen Erde haben, so stark angestiegen, daß sie 86 Prozent derer ausmachte, die sich am Predigen der guten Botschaft beteiligten. 1975 betrug die Zahl der geistgesalbten Christen weniger als ein halbes Prozent der gesamten weltweiten Organisation der Zeugen Jehovas. Diese Gesalbten lebten damals zwar in etwa 115 Ländern verstreut, dienten aber weiterhin wie „e i n Leib“ unter Jesus Christus.

[Herausgestellter Text auf Seite 463]

„Seit Sie hier sind, sprechen alle von der Bibel“

[Herausgestellter Text auf Seite 466]

„Was Sie mir gerade gesagt haben, ist genau das, was ich vor so vielen Jahren in der Bibel gelesen habe“

[Herausgestellter Text auf Seite 470]

Tausende zogen innerhalb ihres eigenen Landes in eine Gegend, wo größerer Bedarf an Zeugen bestand

[Herausgestellter Text auf Seite 472]

„Der kostbare Lohn“

[Herausgestellter Text auf Seite 475]

Befähigte Zeugen wurden in Länder gesandt, wo Hilfe dringend nötig war

[Herausgestellter Text auf Seite 486]

Mit kraftvollen biblischen Argumenten stellten die frühen Zeugen in Nigeria die Geistlichkeit und ihre falschen Lehren bloß

[Herausgestellter Text auf Seite 497]

Wenn Worte nicht weiterhalfen, ging man zu Gesten über

[Herausgestellter Text auf Seite 499]

Ihr Ziel? Möglichst jedem die Königreichsbotschaft zu überbringen.

[Kasten/Bild auf Seite 489]

Es wurden große Anstrengungen unternommen, der Bevölkerung Chinas die gute Botschaft von Jehovas Königreich zu überbringen

Von Chefoo aus wurden zwischen 1891 und 1900 Tausende von Briefen, Traktaten und Büchern verschickt

C. T. Russell sprach 1912 in Schanghai zur Öffentlichkeit und besuchte 15 Städte und Ortschaften

Kolporteure verbreiteten von 1912 bis 1918 entlang der chinesischen Küste und bei Reisen ins Inland viel Literatur

Japanische Kolporteure dienten hier 1930/31

Von Schanghai, Peking und Tientsin aus wurden in den 30er Jahren Rundfunksendungen in Chinesisch ausgestrahlt; daraufhin kamen aus vielen Teilen Chinas Briefe, in denen um Literatur gebeten wurde

Pioniere aus Australien und Europa predigten während der 30er und 40er Jahre in Schanghai, Peking, Tientsin, Tsingtau, Peitaiho, Chefoo, Weihai, Kanton, Swatow, Xiamen, Fuzhou, Hankou und Nanking. Andere kamen über die Birmastraße ins Land und predigten in Paoschan, Chungking und Chengdu. In Schensi und Ningbo dienten einheimische Pioniere.

[Bild]

In der Gileadschule ausgebildete Missionare, wie zum Beispiel Stanley Jones (links) und Harold King (rechts), dienten hier von 1947 bis 1958 an der Seite eifriger einheimischer Zeugen

[Karte]

CHINA

[Karte/Bilder auf Seite 462]

Die „Sibia“ diente in Westindien als schwimmendes Missionarheim

G. Maki

St. Carter

R. Parkin

A. Worsley

[Karte]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

BAHAMAS

JUNGFERN-INSELN (USA)

JUNGFERN-INSELN (BRITISCH)

INSELN ÜBER DEM WINDE

LEEWARD-ISLANDS

WINDWARD ISLANDS

[Karte auf Seite 477]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

In Afrika floß lebengebendes Wasser der Wahrheit über Landesgrenzen hinweg in viele Richtungen

SÜDAFRIKA

GHANA

KENIA

MALAWI

NIGERIA

SIERRA LEONE

SAMBIA

[Bilder auf Seite 464]

Als Missionare in Bolivien predigten Edward Michalec (links) und Harold Morris (rechts) zuerst hier in La Paz

[Bild auf Seite 465]

Das von Zeugen in Peru gebaute Schiff „El Refugio“ wurde benutzt, um den Menschen im oberen Amazonasgebiet die gute Botschaft zu überbringen

[Bild auf Seite 467]

Durch Leseunterricht, den Jehovas Zeugen in Mexiko geben, wurden Zehntausende in die Lage versetzt, Gottes Wort zu lesen

[Bild auf Seite 468]

Als man Jehovas Zeugen in Argentinien die Freiheit verwehrte, öffentliche Kongresse abzuhalten, kam Bruder Knorr (vorn rechts) mit ihnen auf kleinen Kongressen zusammen, die auf Gehöften und in den Bergen stattfanden

[Bild auf Seite 469]

Zu den Tausenden von Zeugen, die umzogen, um in einem Land zu dienen, wo größerer Bedarf an Verkündigern bestand, gehörten auch Familien wie Harold und Anne Zimmerman mit ihren vier kleinen Kindern (Kolumbien)

[Bild auf Seite 471]

Als ein Aufruf nach Freiwilligen erging, zogen Tom und Rowena Kitto nach Papua, um dort die biblische Wahrheit zu lehren

[Bild auf Seite 471]

John und Ellen Hubler zogen nach Neukaledonien, und 31 weitere Zeugen folgten. Bevor sie weggehen mußten, gab es dort eine fest gegründete Versammlung.

[Bild auf Seite 473]

Fuaiupolu Pele von Westsamoa wurde als junger Mann, als er beschloß, ein Zeuge Jehovas zu werden, von seinen Angehörigen und der Gemeinde heftig unter Druck gesetzt

[Bild auf Seite 474]

Nachdem Shem Irofa’alu und seine Mitgläubigen davon überzeugt waren, daß Jehovas Zeugen wirklich die Wahrheit lehren, wurden in 28 Dörfern auf den Salomonen Kirchen in Königreichssäle umgewandelt

[Bilder auf Seite 476]

Um Anfang der 50er Jahre in Äthiopien predigen zu können, mußten die Zeugen eine Missionsstation einrichten und Schulunterricht geben

[Bild auf Seite 478]

Als Gabriel Paterson (hier abgebildet) die Ausweisung drohte, versicherte ihm ein wichtiger Beamter: „Die Wahrheit ... ist wie ein mächtiger Strom; dämmt man ihn ein, so wird er den Damm überfluten“

[Bilder auf Seite 479]

1970 wurden auf einem Kongreß in Nigeria 3 775 neue Zeugen untergetaucht; man achtete gewissenhaft darauf, daß jeder einzelne wirklich die Voraussetzungen erfüllte

[Bilder auf Seite 481]

Filmvorführungen (in Afrika und in anderen Erdteilen) vermittelten den Zuschauern einen Eindruck von dem Ausmaß der sichtbaren Organisation Jehovas

[Bild auf Seite 482]

João Mancoca (hier mit Mary, seiner Frau) hat Jehova jahrzehntelang unter sehr schwierigen Bedingungen gedient

[Bild auf Seite 483]

1961 konnte Ernest Heuse jr. mit seiner Familie nach Zaire (damals Kongo) einreisen; er half mit, diejenigen, die Jehova wirklich dienen wollten, religiös zu unterweisen

[Bilder auf Seite 485]

Obwohl Mary Whittington erst ein Jahr getauft war und in Kenia keine Zeugen kannte, nahm sie sich vor, anderen die Wahrheit näherzubringen

[Bild auf Seite 487]

Mary Nisbet (vorn Mitte) mit ihren Söhnen Robert und George, die in den 30er Jahren in Ostafrika als Pioniere dienten, und ihrem Sohn William mit seiner Frau Muriel (im Hintergrund), die von 1956 bis 1973 in Ostafrika dienten

[Bilder auf Seite 488]

Auf den Philippinen wurden 1945 auf einem Kongreß Anweisungen gegeben, wie man durch Heimbibelstudien andere unterweisen kann

[Bilder auf Seite 490]

Don und Mabel Haslett, die ersten Missionare der Nachkriegszeit in Japan, im Straßendienst

[Bild auf Seite 491]

25 Jahre lang diente Lloyd Barry (rechts) in Japan — zuerst als Missionar, dann als Zweigaufseher

[Bild auf Seite 491]

Don und Earlene Steele, die ersten von vielen Missionaren, die in der Republik Korea dienten

[Bild auf Seite 492]

Früher wurde Fred Metcalfe manchmal vom Pöbel gejagt, wenn er in Irland die biblische Botschaft verkündigte; als sich die Menschen aber Zeit nahmen und zuhörten, wurden Tausende Zeugen Jehovas

[Bild auf Seite 493]

Trotz des Widerstandes der Geistlichkeit strömten Tausende zu den Kongressen der Zeugen in Italien (Rom, 1969)

[Bild auf Seite 494]

Unter Verbot wurden die Versammlungszusammenkünfte oft im Freien in Form eines Picknicks abgehalten wie hier in Portugal

[Bilder auf Seite 495]

Zeugen im Gefängnis in Cádiz (Spanien) fuhren fort zu predigen, indem sie Briefe schrieben

[Bilder auf Seite 496]

Durch große Kongresse konnte die Öffentlichkeit selbst herausfinden, was für Menschen Jehovas Zeugen sind

Paris (1955)

Nürnberg (1955)

[Bilder auf Seite 498]

Um in Luxemburg jedem die gute Botschaft überbringen zu können, mußten Jehovas Zeugen dort bisher Publikationen in wenigstens 100 Sprachen verwenden