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Bluttransfusionen — Wie sicher?

Bluttransfusionen — Wie sicher?

Bluttransfusionen — Wie sicher?

Bevor sich ein denkender Mensch einer ernsten medizinischen Behandlung unterzieht, informiert er sich darüber, welcher Nutzen und welche Risiken damit verbunden sind. Wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit Bluttransfusionen? In der Medizin sind sie heute ein gängiges Mittel. Viele Ärzte, die an ihren Patienten echt interessiert sind, werden kaum zögern, Blut zu verabreichen. Blut wird sogar als Lebensspender bezeichnet.

Millionen Menschen haben entweder Blut gespendet oder haben Blut übertragen bekommen. In den Jahren 1986/87 gab es in Kanada 1,3 Millionen Spender bei einer Bevölkerung von 25 Millionen. „[Im] letzten Jahr, für das Angaben zur Verfügung stehen, wurden allein in den Vereinigten Staaten zwischen 12 Millionen und 14 Millionen Einheiten Blut für Transfusionen verwendet“ (The New York Times, 18. Februar 1990).

„Blut hatte schon immer etwas ‚Magisches‘ an sich“, bemerkt Dr. Louise J. Keating. „In den ersten 46 Jahren hielten sowohl die Ärzte als auch die Öffentlichkeit die Blutversorgung für ungefährlicher, als sie es wirklich war“ (Cleveland Clinic Journal of Medicine, Mai 1989). Wie war die Situation damals, und wie ist sie heute?

Noch vor 30 Jahren wurde Pathologen und Angestellten von Blutbanken gesagt: „Blut ist wie Dynamit! Es kann viel Gutes bewirken oder großen Schaden anrichten. Die transfusionsbedingte Mortalität entspricht der einer Äthernarkose oder einer Blinddarmoperation. Es soll annähernd ein Todesfall auf 1 000 bis 3 000 oder vielleicht 5 000 Transfusionen kommen. Für den Bereich London ist ein Todesfall je 13 000 Einheiten transfundiertes Blut gemeldet worden“ (New York State Journal of Medicine, 15. Januar 1960).

Sind die Gefahren mittlerweile beseitigt worden, so daß die Transfusionen jetzt unbedenklich sind? Man kommt nicht umhin zu sagen, daß jedes Jahr bei Hunderttausenden ungünstige Nebenwirkungen nach der Verabreichung von Blut auftreten; und viele sterben. Angesichts des zuvor Gesagten denkt man vielleicht an Krankheiten, die durch Blut übertragen werden. Bevor wir darauf eingehen, sollen einige weniger bekannte Risiken betrachtet werden.

BLUT UND DAS IMMUNSYSTEM

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts haben Wissenschaftler das Verständnis über die bewundernswerte Komplexität des Blutes vertieft. Man fand heraus, daß es verschiedene Blutgruppen gibt. Bei Transfusionen ist es entscheidend festzustellen, ob sich das Blut des Spenders mit dem des Empfängers verträgt. Wenn jemand mit der Blutgruppe A Blut der Blutgruppe B erhält, kann eine folgenschwere hämolytische Reaktion auftreten. Dadurch können bei dem Betreffenden viele rote Blutkörperchen zerstört werden, und demzufolge kann schnell der Tod eintreten. Zwar wird routinemäßig die Blutgruppe bestimmt und die Kreuzprobe durchgeführt, aber Irrtümer kommen vor. Jedes Jahr sterben Menschen an hämolytischen Reaktionen.

Die Problematik der Unverträglichkeit geht weit über die verhältnismäßig wenigen Blutgruppen hinaus, die in den Krankenhäusern routinemäßig bestimmt werden. Wieso? Nun, in dem Artikel „Bluttransfusion: Gebrauch, Mißbrauch und Gefahren“ schreibt Dr. Douglas H. Posey jr.: „Vor fast 30 Jahren hat Sampson die Bluttransfusion als ein relativ gefährliches Verfahren beschrieben ... [Seither] sind mindestens 400 weitere Rote-Blutkörperchen-Antigene erkannt und charakterisiert worden. Ohne Zweifel wird die Zahl weiter zunehmen, da die Membran der roten Zellen außerordentlich komplex ist“ (Journal of the National Medical Association, Juli 1989).

Die Auswirkung transfundierten Blutes auf das Abwehr- oder Immunsystem des Körpers wird derzeit erforscht. Was könnte dies für einen selbst oder für einen Verwandten bedeuten, wenn eine Operation erforderlich wird?

Bei der Transplantation eines Herzens, einer Leber oder eines anderen Organs ist es möglich, daß das Immunsystem des Empfängers das fremde Gewebe erkennt und abstößt. Eine Transfusion ist jedoch nichts anderes als eine Gewebstransplantation. Sogar Blut der „richtigen“ Blutgruppe kann das Immunsystem schwächen. Pathologen haben auf einer Konferenz herausgestellt, daß in Hunderten von medizinischen Veröffentlichungen „auf einen Zusammenhang zwischen Bluttransfusionen und Immunreaktionen aufmerksam gemacht wird“ (“Case Builds Against Transfusions”, Medical World News, 11. Dezember 1989).

Eine vorrangige Aufgabe des Immunsystems ist es, bösartige Zellen oder Krebszellen aufzuspüren und zu zerstören. Könnte eine unterdrückte Immunität zu Krebs und somit zum Tod führen? Man beachte zwei Berichte.

Die Zeitschrift Cancer (15. Februar 1987) berichtete über Ergebnisse einer Studie aus den Niederlanden: „Bei Patienten mit Darmkrebs war eindeutig eine ungünstige Auswirkung der Transfusion auf die Langzeit-Überlebensrate zu beobachten. In dieser Gruppe betrug die kumulative 5-Jahres-Überlebensrate 48 % für Transfusionsempfänger und 74 % für Nichttransfundierte.“ Ärzte der Universität von Südkalifornien beobachteten den Gesundheitszustand von hundert Patienten, die an Krebs operiert worden waren. „Die Rückfallquote für alle Krebserkrankungen am Kehlkopf betrug 14 % bei denjenigen, die kein Blut, und 65 % bei denjenigen, die Blut erhalten hatten. Bei Krebserkrankungen der Mundhöhle, der Rachenhöhle und Nase oder der Nebenhöhlen betrug die Rückfallquote 31 %, wenn keine Transfusionen, und 71 %, wenn Transfusionen verabreicht wurden“ (Annals of Otology, Rhinology & Laryngology, März 1989).

Was besagen solche Studien im Hinblick auf Transfusionen? In dem Artikel „Bluttransfusionen und Krebsoperationen“ kommt Dr. John S. Spratt zu dem Schluß: „Der Krebschirurg muß eventuell Spezialist für blutlose Chirurgie werden“ (The American Journal of Surgery, September 1986).

Eine weitere vorrangige Aufgabe des Immunsystems ist die Infektionsabwehr. Daher ist es verständlich, daß gemäß einigen Studien Patienten, die Blut erhalten haben, infektionsanfälliger sind als andere. Dr. P. I. Tartter führte eine Untersuchung über Dickdarmoperationen durch. Von den Transfusionsempfängern zogen sich 25 Prozent Infektionen zu, verglichen mit 4 Prozent bei denjenigen, die keine Transfusionen erhalten hatten. Er berichtet: „Es konnte ein Zusammenhang zwischen Bluttransfusionen und Infektionskomplikationen hergestellt werden bei Transfusionen vor, während oder nach der Operation. ... Das postoperative Infektionsrisiko stieg mit der Zahl der verabreichten Bluteinheiten“ (The British Journal of Surgery, August 1988). Die Anwesenden bei dem 1989er Treffen der American Association of Blood Banks erfuhren folgendes: Während bei 23 Prozent derjenigen, denen beim Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks Fremdblut übertragen wurde, Infektionen auftraten, hatten diejenigen, die kein Blut erhielten, überhaupt keine Infektionen.

Über die Auswirkungen von Bluttransfusionen schrieb Dr. John A. Collins: „Es wäre in der Tat eine Ironie, wenn sich in bezug auf eine ‚Behandlung‘, für die kaum Beweise vorliegen, daß sie irgend etwas bewirkt, anschließend herausstellte, daß sie eines der hauptsächlichen Probleme solcher Patienten verstärken würde“ (World Journal of Surgery, Februar 1987).

FREI VON KRANKHEITEN ODER GEFAHRENTRÄCHTIG?

Gewissenhaften Ärzten und vielen Patienten bereitet es Sorgen, daß man durch Bluttransfusionen krank werden kann. Um welche Krankheit handelt es sich dabei? Es gibt nicht nur eine Krankheit; es gibt sogar viele.

Nachdem die bekannteren Krankheiten besprochen worden sind, wendet man sich in der Publikation Techniques of Blood Transfusion (1982) „anderen transfusionsbedingten Infektionskrankheiten zu“, wie Syphilis, Zytomegalie und Malaria. Dann heißt es: „Auch werden unter den Krankheiten, die durch Bluttransfusionen übertragen werden, verschiedene andere genannt, wie Herpesinfektionen, infektiöse Mononukleose (Epstein-Barr-Virus), Toxoplasmose, Trypanosomiasis [Afrikanische Schlafkrankheit und Chagas-Krankheit], Leishmaniose, Brucellose [undulierendes Fieber], Typhus, Filariose, Masern, Salmonellose und Colorado-Zeckenfieber.“

In der Tat wird die Liste solcher Krankheiten immer länger. Vielleicht sind einem Schlagzeilen aufgefallen wie „Lyme-Borreliose durch Transfusion? Unwahrscheinlich, aber Experten sind vorsichtig“. Wie unbedenklich ist das Blut eines Spenders, in dem Lyme-Borreliose nachzuweisen ist? Die Angehörigen eines Gesundheitsausschusses wurden gefragt, ob sie solches Blut akzeptieren würden. „Alle verneinten dies, obwohl keiner empfahl, Blut von solchen Spendern aus dem Verkehr zu ziehen.“ Wie sollte die Öffentlichkeit über Blutkonserven denken, die Fachleute ihrerseits nicht annehmen würden? (The New York Times, 18. Juli 1989).

Ein weiterer Grund zur Sorge ist, daß Blut, das in einem Land gesammelt wird, in dem eine bestimmte Krankheit verbreitet ist, weit entfernt davon verwendet wird, wo weder die Öffentlichkeit noch die Ärzte mit dieser Gefahr rechnen. Da heute immer mehr Menschen in ferne Länder reisen, darunter Flüchtlinge und Auswanderer, steigt das Risiko, daß ein Blutprodukt eine fremdartige Krankheit in sich birgt.

Überdies machte ein Facharzt für Infektionskrankheiten auf folgendes aufmerksam: „Die Blutvorräte müssen vielleicht untersucht werden, um die Übertragung verschiedener Krankheiten zu verhindern, die bisher nicht als ansteckend galten, wie Leukämie, Lymphom und die Alzheimersche Krankheit“ (Transfusion Medicine Reviews, Januar 1989).

Diese Risiken sind zwar beängstigend, aber andere sind noch viel beängstigender.

DIE AIDS-PANDEMIE

„Aids hat die Einstellung der Ärzte und Patienten gegenüber Blut für immer verändert. ‚Und das ist gar nicht so schlecht‘, sagten die Ärzte anläßlich einer Konferenz zum Thema Bluttransfusion, die von den National Institutes of Health durchgeführt wurde“ (Washington Post, 5. Juli 1988).

Die Aids-Pandemie (erworbene Immunschwäche) hat den Menschen mit aller Macht die Gefahr bewußtgemacht, daß man sich durch Blut Infektionskrankheiten zuziehen kann. Millionen sind heute infiziert. Aids gerät zusehends außer Kontrolle. Und es verläuft praktisch zu 100 Prozent tödlich.

Aids wird verursacht durch das humane Immunschwächevirus (HIV), das durch Blut übertragen werden kann. Die moderne Aidsseuche trat 1981 zutage. Schon im darauffolgenden Jahr wußten die Gesundheitsexperten, daß das Virus wahrscheinlich über Blutprodukte weitergegeben wird. Heute gibt man zu, daß Blutbanken und pharmazeutische Unternehmen saumselig reagiert haben, sogar noch nachdem Tests zur Verfügung gestanden haben, mit denen HIV-Antikörper im Blut nachzuweisen waren. Die Überprüfung von Spenderblut setzte schließlich 1985 ein, * aber selbst dann wurden keine Blutprodukte erfaßt, die bereits im Handel waren.

Danach wurde der Öffentlichkeit versichert: „Das Blut ist jetzt sicher.“ Später wurde jedoch enthüllt, daß es bei Aids eine „Scheingesundheitsperiode“ gibt. Nach der Infektion können Monate vergehen, bis sich nachweisbare Antikörper bilden. Jemand könnte, ohne zu wissen, daß er Virusträger ist, Blut spenden, auf das der Test nicht anspricht. Das ist bereits geschehen. Personen, denen solches Blut übertragen worden ist, sind an Aids erkrankt.

Das Bild wurde immer düsterer. Die Zeitschrift The New England Journal of Medicine (1. Juni 1989) berichtete über „schlummernde HIV-Infektionen“. Es wurde nachgewiesen, daß jemand jahrelang Aidsvirusträger sein kann, ohne daß das Virus durch die gegenwärtigen indirekten Nachweisverfahren aufzuspüren ist. Manche würden solch seltene Fälle gern herunterspielen, doch sie belegen, „daß das Risiko einer Aidsübertragung durch Blut oder Blutbestandteile nicht völlig zu beseitigen ist“ (Patient Care, 30. November 1989). Die bestürzende Schlußfolgerung: Ein negatives Testergebnis darf nicht als Gesundheitsattest gedeutet werden. Wie viele werden sich noch durch Blut mit Aids infizieren?

„DIE NÄCHSTE KATASTROPHE? ODER DROHEN VIELE KATASTROPHEN?“

Menschen in Erdbebengebieten wissen, welches Gefühl es ist, einer Katastrophe entronnen zu sein, doch damit rechnen zu müssen, daß irgendwann die nächste hereinbrechen könnte. In dem Dilemma um das Blut weiß niemand, wie viele „Beben“ sich noch ereignen werden.

Das Aidsvirus wurde HIV genannt, aber einige Experten bezeichnen es jetzt als HIV-1. Warum? Weil sie auf einen anderen Aidsvirustyp gestoßen sind: HIV-2. Es kann ebenfalls Aidssymptome hervorrufen und ist in manchen Gebieten weit verbreitet. Überdies wird es „nicht immer durch die Tests, die bei uns in Gebrauch sind, entdeckt“, meldet die New York Times (27. Juni 1989). „Die neuen Entdeckungen ... erschweren es den Blutbanken, sicher zu sein, daß eine Spende unbedenklich ist.“

Wie verhält es sich mit entfernten Verwandten des Aidsvirus? Ein US-Präsidialausschuß sagte, daß ein solches Virus „für die Ursache von T-Zell-Leukämie/Lymphom und einer schweren Nervenkrankheit gehalten wird“. Dieses Virus befindet sich bereits unter den Blutspendern und kann durch Blut verbreitet werden. Man fragt sich nur zu Recht: Wie wirkungsvoll sind die Untersuchungen der Blutbanken, was diese anderen Viren betrifft?

In Wirklichkeit bleibt es abzuwarten, wie viele durch Blut übertragbare Viren in den Blutkonserven lauern. „Die unbekannten können mehr Sorge bereiten als die bekannten“, schreibt Dr. Harold T. Meryman. „Übertragbare Viren mit Inkubationszeiten von vielen Jahren werden schwerlich mit Transfusionen in Zusammenhang gebracht werden können, und noch schwieriger wird es sein, sie nachzuweisen. Die HTLV-Gruppe ist bestimmt nur die erste, die ans Tageslicht gekommen ist“ (Transfusion Medicine Reviews, Juli 1989). „Eine Anzahl neu unterbreiteter oder beschriebener Transfusionsrisiken hat in den 80er Jahren die Aufmerksamkeit erregt ...; die Aidsepidemie allein wäre schon schlimm genug. Man braucht nicht viel Phantasie zu haben, um vorhersagen zu können, daß andere ernst zu nehmende Viruskrankheiten existieren und durch homologe Transfusionen übertragen werden“ (Limiting Homologous Exposure: Alternative Strategies, 1989).

Bislang haben sich so viele „Erdbeben“ ereignet, daß die Centers for Disease Control empfehlen, „generell vorsichtig zu sein“. Das bedeutet, Angestellte im medizinischen Bereich sollten damit rechnen, daß jeder Patient mit HIV und mit anderen im Blut befindlichen Krankheitserregern infiziert sein kann. Aus gutem Grund überdenken Angehörige des Gesundheitswesens und die Allgemeinheit ihre Ansicht über das Blut.

[Fußnote]

^ Abs. 27 Man kann nicht davon ausgehen, daß alles Blut getestet wird. Zum Beispiel unterstanden Anfang 1989 ungefähr 80 Prozent der brasilianischen Blutbanken weder der staatlichen Kontrolle, noch wurde auf Aids getestet.

[Kasten auf Seite 8]

„Annähernd 1 von 100 Transfusionen geht mit Fieber, Schüttelfrost oder Urtikaria [Nesselausschlag] einher. ... Annähernd 1 von 6 000 Erythrozytentransfusionen führt zu einer hämolytischen Transfusionsreaktion. Dabei handelt es sich um eine ernste Immunreaktion, die akut eintreten kann oder einige Tage nach der Transfusion; sie kann zu akutem Nierenversagen, zum Schock, zu intravaskulärer Koagulation und sogar zum Tod führen“ (Konferenz der National Institutes of Health [NIH], 1988).

[Kasten auf Seite 9]

Der dänische Wissenschaftler Niels Jerne war einer der Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 1984. Auf die Frage, warum er eine Bluttransfusion abgelehnt habe, sagte er: „Das Blut eines Menschen ist mit seinen Fingerabdrücken zu vergleichen — es gibt kein Blut, das einem anderen genau gleicht.“

[Kasten auf Seite 10]

BLUT, LEBERSCHÄDEN UND ...

„Ironischerweise ist durch Blut übertragenes Aids nie so gefährlich gewesen wie andere Krankheiten — zum Beispiel Hepatitis“, schrieb die Washington Post.

Ja, überaus viele sind an Hepatitis, für die es keine bestimmte Therapie gibt, schwer erkrankt und gestorben. Gemäß dem U.S.News & World Report (1. Mai 1989) ziehen sich in den USA etwa 5 Prozent derjenigen, die Blut erhalten, Hepatitis zu — 175 000 Menschen im Jahr. Ungefähr die Hälfte bleibt chronisch infiziert, und mindestens jeder 5. erkrankt an Leberzirrhose oder an Leberkrebs. Schätzungsweise 4 000 von ihnen sterben daran. Wenn ein Jumbo-Jet abstürzt und alle Passagiere ums Leben kommen, macht das große Schlagzeilen. Aber 4 000 Tote sind so viele, wie umkämen, wenn jeden Monat ein vollbesetzter Jumbo abstürzte.

Ärzten war schon lange bekannt, daß eine weniger gefährliche Hepatitis (Typ A) durch verunreinigte Nahrung und unsauberes Wasser verbreitet wird. Danach erkannten sie, daß eine schwerere Form durch Blut übertragen wird, und es gab keine Möglichkeit, das Blut daraufhin zu untersuchen. Schließlich fanden hervorragende Wissenschaftler heraus, wie die „Fingerabdrücke“ dieses Virus (Typ B) nachzuweisen sind. Anfang der 70er Jahre wurde das Blut in einigen Ländern daraufhin untersucht. Die Blutkonserven schienen nun unbedenklich zu sein und die Zukunft für das Blut ungetrübt. War es wirklich so?

Es dauerte nicht lange, bis man feststellte, daß Tausende, denen untersuchtes Blut gegeben wurde, immer noch an Hepatitis erkrankten. Viele stellten fest, daß ihre Leber nach schwächender Krankheit stark geschädigt war. Wie konnte dies geschehen, da doch das Blut untersucht worden war? Das Blut enthielt einen weiteren Erreger, den Erreger der Non-A-non-B-Hepatitis (NANB). Ein Jahrzehnt lang waren Transfusionen damit behaftet — 8 bis 17 Prozent der Transfusionsempfänger in Israel, Italien, Japan, Schweden, Spanien und in den USA wurden damit infiziert.

Dann verkündeten die Schlagzeilen: „Geheimnisvolles Hepatitis-Non-A-non-B-Virus endlich isoliert“; „Mysteriöser Erreger im Blut gefaßt“. Wiederum hieß es: „Der nicht faßbare Erreger ist jetzt gefunden“. Im April 1989 wurde die Öffentlichkeit darüber unterrichtet, daß ein Test für NANB, jetzt Hepatitis C genannt, zur Verfügung stehe.

Die Frage erhebt sich, ob diese Entwarnung verfrüht ist. Tatsächlich haben italienische Forscher über ein anderes Hepatitisvirus berichtet, einen Mutanten, der für ein Drittel der Fälle verantwortlich sein könnte. „Einige Autoritäten befürchten“, hieß es im Health Letter der Medizinischen Fakultät der Harvarduniversität (November 1989), „daß A, B, C und D nicht die letzten Buchstaben im Alphabet der Hepatitisviren sind; es können noch andere zutage treten.“ In der New York Times (13. Februar 1990) war zu lesen: „Experten haben den starken Verdacht, daß weitere Viren Hepatitis auslösen können; wenn sie entdeckt werden, werden sie als E-Virus und so weiter bezeichnet werden.“

Steht den Blutbanken eine weitere lange Suche nach Tests bevor, um das Blut sicher zu machen? Mit Bezug auf das Kostenproblem machte ein Leiter des Amerikanischen Roten Kreuzes folgende beunruhigende Äußerung: „Wir können einfach nicht einen Test nach dem anderen für jeden Infektionserreger, der übertragen werden könnte, hinzufügen“ (Medical World News, 8. Mai 1989).

Selbst der Hepatitis-B-Test kann versagen; viele ziehen sich die Krankheit immer noch durch Blut zu. Werden überdies die Menschen mit dem angekündigten Hepatitis-C-Test zufrieden sein? The Journal of the American Medical Association (5. Januar 1990) zeigte, daß Antikörper gegen diese Krankheit eventuell erst nach einem Jahr durch den Test nachweisbar sind. In der Zwischenzeit ziehen sich Personen, denen Blut transfundiert wird, vielleicht Leberschäden zu und sterben.

[Kasten/Bild auf Seite 11]

Die Chagas-Krankheit ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Krankheiten zu weit entfernt lebenden Menschen gelangen. Die Zeitung „The Medical Post“ (16. Januar 1990) berichtet, daß 10 bis 12 Millionen Menschen in Lateinamerika chronisch infiziert sind. Die Krankheit wird als „eine der bedeutendsten Transfusionsgefahren in Südamerika“ bezeichnet. Eine Raubwanze beißt einem schlafenden Opfer ins Gesicht, saugt Blut auf, und infektiöser Kot gelangt in die Wunde. Das Opfer kann jahrelang Träger der Chagas-Krankheit sein (und in der Zwischenzeit Blut gespendet haben), bevor sich tödliche Herzerkrankungen einstellen.

Warum sollte man auf entfernten Kontinenten darüber besorgt sein? In der „New York Times“ (23. Mai 1989) berichtete Dr. L. K. Altman über Patienten mit transfusionsbedingter Chagas-Krankheit, an der einer gestorben war. Dr. Altman fügte hinzu: „Weitere Fälle sind vielleicht unbemerkt geblieben, weil ... [die Ärzte hier] mit der Chagas-Krankheit nicht vertraut sind und sich auch nicht bewußt sind, daß sie durch Transfusionen übertragen werden kann.“ Ja, Blut kann ein Transportmittel sein, mit dem Krankheiten große Entfernungen zurücklegen.

[Kasten auf Seite 12]

Dr. Knud Lund-Olesen schrieb: „Da ... bestimmte Angehörige von Risikogruppen freiwillig Blut spenden, weil sie dann automatisch auf Aids untersucht werden, meine ich, ist es begründet, in bezug auf die Einwilligung in eine Bluttransfusion Zurückhaltung zu üben. Jehovas Zeugen verweigern dies seit Jahren. Haben sie in die Zukunft gesehen?“ („Ugeskrift for Læger“ [Ärztliche Wochenschrift], 26. September 1988).

[Bild auf Seite 9]

Der Papst überlebte die auf ihn abgefeuerten Schüsse. Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, wurde er erneut für zwei Monate aufgenommen „und litt sehr schwer“. Der Grund: eine möglicherweise tödlich verlaufende Zytomegalieinfektion durch das Blut, das ihm übertragen worden war.

[Bildnachweis]

UPI/Bettmann Newsphotos

[Bild auf Seite 12]

Aidsvirus

[Bildnachweis]

CDC, Atlanta, Ga.