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Der Patient hat das Recht zu entscheiden

Der Patient hat das Recht zu entscheiden

Der Patient hat das Recht zu entscheiden

Eine gegenwärtig übliche medizinische Methode (die Nutzen-Risiko-Analyse) erleichtert Ärzten und Patienten die Zusammenarbeit, wenn bei einer Behandlung Bluttransfusionen vermieden werden sollen. Ärzte wägen Faktoren wie die Risiken eines bestimmten Medikaments oder einer Operation gegen den wahrscheinlichen Nutzen ab. Auch Patienten können an einer solchen Analyse mitwirken.

Betrachten wir ein Beispiel, das den Menschen vielerorts bekannt ist — eine chronische Mandelentzündung. Bei dieser Erkrankung würde man wahrscheinlich zum Arzt gehen. Vielleicht würde man sogar zwei Ärzte aufsuchen, da Mediziner oft empfehlen, sich noch eine zweite Meinung einzuholen. Der eine empfiehlt vielleicht eine Operation. Er erklärt, was sie zu bedeuten hätte: wie lange der Krankenhausaufenthalt wäre, wie groß die Schmerzen und wie hoch gegebenenfalls die Kosten wären. In bezug auf die Risiken erwähnt er, daß es normalerweise nicht zu starken Blutungen kommt und daß sehr selten jemand an einer solchen Operation stirbt. Doch der zweite befragte Arzt empfiehlt dringend eine Behandlung mit Antibiotika. Er erklärt die Art des Medikaments, die Erfolgschancen und nennt eventuelle Kosten. Über das Risiko sagt er, daß bei sehr wenigen Patienten lebensbedrohliche Reaktionen auf das Medikament eintreten.

Jeder der beiden sachkundigen Ärzte hat die Risiken und den Nutzen gegeneinander abgewogen, aber jetzt steht es bei einem persönlich, die Risiken und den möglichen Nutzen sowie andere Faktoren, mit denen man selbst am besten vertraut ist, gegeneinander abzuwägen. (Jeder ist selbst am besten in der Lage, Gesichtspunkte zu berücksichtigen wie die eigene gefühlsmäßige und geistige Stärke, die finanzielle Lage der Familie, die Auswirkung auf die Familie und die eigenen ethischen Grundsätze.) Dann wird eine Entscheidung gefällt. Möglicherweise willigt man nach hinreichender Aufklärung in die eine Art der Behandlung ein, lehnt aber die andere ab.

Das träfe auch auf Eltern zu, deren Kind an einer Mandelentzündung erkrankt ist. Der Arzt würde ihnen, den liebevollen Eltern, die davon unmittelbar berührt werden und auch dafür verantwortlich sind, mit den Folgen fertig zu werden, die Risiken, den Nutzen und die Behandlungsmethoden erklären. Nachdem alle Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind, können sich die Eltern nach hinreichender Aufklärung für die eine oder andere Methode entscheiden, wobei es um die Gesundheit oder sogar um das Leben ihres Kindes geht. Vielleicht stimmen sie der Operation zu und nehmen die Risiken in Kauf. Andere Eltern mögen sich für Antibiotika und die damit verbundenen Risiken entscheiden. So, wie Ärzte sich in bezug auf das, wozu sie raten, unterscheiden, so unterscheiden sich die Patienten oder Eltern im Hinblick auf das, was sie für das Beste halten. Das ist ein selbstverständliches Merkmal dieser Methode (Nutzen-Risiko-Analyse), sich nach hinreichender Aufklärung zu entscheiden.

Wie verhält es sich hier mit der Verwendung von Blut? Niemand, der die Tatsachen objektiv untersucht, kann bestreiten, daß Bluttransfusionen mit einem großen Risiko behaftet sind. Dr. Charles Huggins, Leiter des Transfusionsdienstes an dem großen allgemeinen Krankenhaus von Massachusetts, machte dies sehr deutlich: „Blut ist heute zwar sicherer denn je. Aber seine unvermeidbare Unsicherheit muß immer noch hingenommen werden. Es ist die gefährlichste Substanz, die wir in der Medizin verwenden“ (The Boston Globe Magazine, 4. Februar 1990).

Aus gutem Grund wurde Ärzten der Rat gegeben: „Es ist notwendig, auch die Risikoseite der Nutzen-Risiko-Relation für Bluttransfusionen neu zu bewerten und nach Alternativen zu suchen“ (Kursivschrift von uns) (Perioperative Red Cell Transfusion, Konferenz der Nationalen Gesundheitsinstitute, 27.—29. Juni 1988).

Ärzte können in bezug auf den Nutzen oder die Risiken der Verwendung von Blut unterschiedlicher Auffassung sein. Der eine verordnet zahlreiche Transfusionen und ist überzeugt, daß sie das Risiko wert sind. Der andere hält es vielleicht für ungerechtfertigt, die Risiken einzugehen, da er gute Ergebnisse mit blutloser Behandlung erzielt hat. Letztendlich muß man jedoch als Patient oder als Eltern selbst entscheiden. Warum? Weil es um des Patienten (oder seines Kindes) Körper, Leben, Ethik und um sein äußerst wichtiges Verhältnis zu Gott geht.

DAS RECHT DES PATIENTEN WIRD ANERKANNT

An vielen Orten hat heute der Patient das unverletzliche Recht, zu entscheiden, welcher Behandlung er zustimmen möchte. „Das Gesetz über eine Einwilligung nach hinreichender Aufklärung stützt sich auf zwei Voraussetzungen: erstens, daß ein Patient das Recht besitzt, hinreichend aufgeklärt zu werden, um seine Zustimmung zu einer Behandlung zu geben, die ihm empfohlen wurde; und zweitens, daß der Patient die Wahl hat, die Empfehlung des Arztes anzunehmen oder abzulehnen. ... Wenn den Patienten nicht das Recht zugestanden wird, entweder ja oder nein oder nur bedingt ja zu sagen, geht von dem Grundprinzip der Einwilligung nach hinreichender Aufklärung viel verloren“ (Informed Consent—Legal Theory and Clinical Practice [Einwilligung nach hinreichender Aufklärung — Rechtliche Theorie und klinische Praxis], 1987). *

Manche Patienten sind auf Widerstand gestoßen, wenn sie versucht haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, vielleicht bei einem Freund, der sich über eine operative Entfernung der Mandeln oder über Antibiotika erregt hat, oder bei einem Arzt, der von der Richtigkeit seines Rates überzeugt gewesen ist, oder sogar bei der Verwaltung eines Krankenhauses, die aufgrund rechtlicher oder finanzieller Interessen anderer Meinung gewesen ist.

„Viele Orthopäden ziehen es vor, Patienten [die Zeugen Jehovas sind] nicht zu operieren“, sagt Dr. Carl L. Nelson. „Wir sind der Auffassung, daß es dem Patienten zusteht, jede Art einer medizinischen Behandlung abzulehnen. Wenn es möglich ist, einen Eingriff sicher durchzuführen und dabei auf eine bestimmte Behandlung wie eine Transfusion zu verzichten, dann sollte diese Möglichkeit geboten werden“ (The Journal of Bone and Joint Surgery, März 1986).

Ein rücksichtsvoller Patient zwingt einen Arzt nicht zu einer Therapie, die dieser nicht beherrscht. Wie Dr. Nelson indes bemerkte, können sich viele Ärzte, die ihren Beruf ernst nehmen, auf die Glaubensansichten der Patienten einstellen. Ein Ministerialdirigent riet zu folgendem: „Der Arzt kann die Hilfeleistung ... nicht mit der Begründung ablehnen, daß er beim Zeugen Jehovas nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen könne. Seine Hilfeleistungspflicht besteht auch, wenn seine Hilfemöglichkeiten im Hinblick auf die Verweigerung der Bluttransfusion reduziert sind“ (Der Frauenarzt, Mai/Juni 1983). Ebenso sind Krankenhäuser nicht lediglich dazu da, sich finanziell zu tragen, sondern dazu, allen Menschen unterschiedslos Hilfe zu leisten. Der katholische Theologe Richard J. Devine sagt: „Obschon das Krankenhaus in medizinischer Hinsicht alles daransetzen muß, das Leben und die Gesundheit des Patienten zu bewahren, muß es dafür sorgen, daß die medizinische Betreuung das Gewissen [des Patienten] nicht verletzt. Außerdem muß es von allen Formen der Nötigung Abstand nehmen, angefangen davon, dem Patienten schmeichelnd zuzureden, bis zur Beantragung einer gerichtlichen Anordnung, eine Bluttransfusion zwangsweise zu verabreichen“ (Health Progress, Juni 1989).

ETWAS ANDERES ALS DIE GERICHTE

Das Gericht ist nach Ansicht vieler nicht der richtige Ort, über persönliche medizinische Fragen zu entscheiden. Wie würde es dich als Patienten berühren, wenn jemand, nachdem du dich für eine Behandlung mit Antibiotika entschieden hast, das Gericht anriefe, damit er dir eine operative Entfernung der Mandeln aufzwingen könnte? Ein Arzt möchte vielleicht die nach seinem Empfinden beste Behandlung vornehmen, aber es ist nicht seine Aufgabe, sich bei Gericht die Erlaubnis dafür einzuholen, daß er die Grundrechte des Patienten mit Füßen treten kann. Und da in der Bibel das Sichenthalten von Blut moralisch auf die gleiche Stufe gestellt wird wie das Sichenthalten von Hurerei, wäre eine Bluttransfusion, die einem Christen aufgezwungen wird, dasselbe wie aufgezwungener Geschlechtsverkehr — Vergewaltigung (Apostelgeschichte 15:28, 29).

In dem Buch Informed Consent for Blood Transfusion (1989) wird jedoch berichtet, daß es manche Gerichte so stark stört, wenn ein Patient bereit ist, wegen seiner religiösen Rechte ein bestimmtes Risiko auf sich zu nehmen, „daß sie rechtliche Ausnahmeregelungen schaffen — sozusagen juristische Fiktionen —, um eine Transfusion zu ermöglichen“. Man versucht dies vielleicht damit zu entschuldigen, daß man sagt, es gehe um eine Schwangerschaft oder um Kinder, die betreut werden müßten. „Das sind juristische Fiktionen“, wie das Buch schreibt. „Entscheidungsfähige Erwachsene haben das Recht, eine Behandlung abzulehnen.“

Manche, die auf einer Bluttransfusion bestehen, übersehen die Tatsache, daß Jehovas Zeugen nicht alle Behandlungsmethoden ablehnen. Sie lehnen nur eine Behandlungsmethode ab, die Methode, die sogar in Fachkreisen als gefahrenträchtig gilt. Gewöhnlich kann ein medizinisches Problem auf verschiedene Weise angegangen werden. Die eine Methode ist mit diesem und die andere ist mit jenem Risiko behaftet. Darf ein Gericht oder ein Arzt den Patienten bevormunden, indem er entscheidet, was für ihn am ungefährlichsten ist? Darüber muß der Patient selbst entscheiden. Für Jehovas Zeugen steht eines fest: Sie möchten nicht, daß ihnen jemand anders die Entscheidung abnimmt; das ist ihre eigene Verpflichtung, die sie gegenüber Gott haben.

Wie würde es sich auf das Gewissen und den so wichtigen Lebenswillen auswirken, wenn ein Gericht dem Patienten eine Behandlung aufzwänge, die ihm zuwider wäre? Dr. Konrad Drebinger schrieb: „Es wäre sicher falsch verstandener medizinischer Ehrgeiz, eine bestimmte Behandlungsform einem Patienten aufzuzwingen, sich über sein Gewissen hinwegzusetzen, um den Körper richtig zu behandeln, die Psyche jedoch tödlich zu treffen“ (Der Praktische Arzt, Juli 1978).

LIEBEVOLLE FÜRSORGE FÜR KINDER

Bei Gerichtsfällen in Sachen Blut geht es meist um Kinder. Wenn liebevolle Eltern höflich darum gebeten haben, die Behandlung ohne Blut durchzuführen, haben sich einige Ärzte um gerichtlichen Rückhalt bemüht, um Blut verabreichen zu können. Natürlich begrüßen Christen die Gesetze oder die gerichtlichen Maßnahmen, die Kindesmißbrauch oder die Vernachlässigung von Kindern verhüten sollen. Wahrscheinlich haben viele von uns darüber gelesen, daß Eltern ihr Kind brutal mißhandelt oder ihm jegliche ärztliche Hilfe versagt haben. Das ist sehr tragisch. Natürlich kann und sollte der Staat eingreifen, um ein vernachlässigtes Kind zu schützen. Es ist aber ohne weiteres zu erkennen, daß es eine ganz andere Situation ist, wenn eine besorgte Mutter oder ein besorgter Vater um eine qualitativ gute medizinische Behandlung ohne Blut bittet.

Im Mittelpunkt dieser Gerichtsfälle steht gewöhnlich ein Kind, das sich im Krankenhaus befindet. Wie ist es dorthin gekommen, und warum? In fast allen Fällen haben die besorgten Eltern ihr Kind dorthin gebracht, damit es eine fachgerechte medizinische Behandlung erhält. So, wie Jesus an Kindern interessiert war, sind es auch christliche Eltern. Die Bibel spricht von ‘einer nährenden Mutter, die ihre Kinder hegt und pflegt’. Eine solch tiefe Liebe haben auch Jehovas Zeugen zu ihren Kindern (1. Thessalonicher 2:7; Matthäus 7:11; 19:13-15).

Natürlich treffen alle Eltern Entscheidungen, die sich auf die Sicherheit und das Leben ihrer Kinder auswirken: Soll die Familie ihr Haus mit Gas oder mit Heizöl beheizen? Sollen die Eltern ihr Kind auf eine lange Fahrt mitnehmen? Darf es schwimmen gehen? Solche Angelegenheiten sind mit Risiken verbunden, sogar mit solchen, bei denen es um Leben oder Tod geht. Aber die Gesellschaft anerkennt die Befugnis der Eltern, so daß sie ihnen in fast allen Fragen in bezug auf ihre Kinder das Entscheidungsrecht einräumt.

Im Jahre 1979 sagte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten eindeutig: „Die gesetzliche Auffassung von der Familie beruht darauf, daß Eltern die Reife, die Erfahrung und die nötige Urteilsfähigkeit für die schwierigen Entscheidungen des Lebens besitzen, die einem Kind fehlen. ... Nur weil die Entscheidung eines Elternteils [in einer medizinischen Angelegenheit] Risiken einschließt, wird die Befugnis, diese Entscheidung zu treffen, nicht automatisch von den Eltern auf eine bestimmte staatliche Stelle oder einen Beamten übertragen“ (Parham v. J.R.).

Im gleichen Jahr verfügte das New Yorker Berufungsgericht: „Der bedeutendste Faktor bei der Entscheidung, ob einem Kind eine angemessene medizinische Betreuung vorenthalten wird ..., ist, ob die Eltern unter Berücksichtigung aller Begleitumstände für ihr Kind eine annehmbare medizinische Behandlung in die Wege geleitet haben. Die Frage darf nicht lauten, ob die Eltern eine ‚richtige‘ oder eine ‚falsche‘ Entscheidung getroffen haben, denn der gegenwärtige Stand der medizinischen Praxis erlaubt trotz der großen Fortschritte nur sehr selten solch endgültige Schlußfolgerungen. Ein Gericht kann auch nicht die Rolle von Ersatzeltern annehmen“ (In re Hofbauer).

Man denke an das Beispiel der Eltern, die vor der Wahl stehen: Operation oder Antibiotika? Jede Behandlungsform hätte ihre eigenen Risiken. Liebevolle Eltern tragen die Verantwortung, die Risiken, den Nutzen und andere Faktoren gegeneinander abzuwägen und dann eine Entscheidung zu treffen. In diesem Zusammenhang empfahl Dr. Jon Samuels (Anesthesiology News, Oktober 1989), die Veröffentlichung Guides to the Judge in Medical Orders Affecting Children nachzulesen, in der folgender Standpunkt eingenommen wird:

„Der medizinische Wissensstand ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß ein Arzt einigermaßen sicher vorhersagen kann, ob sein Patient leben oder sterben wird ... Wenn es eine Wahl zwischen Behandlungsmethoden gibt — wenn zum Beispiel der Arzt eine Methode empfiehlt, die eine Erfolgschance von 80 Prozent hat, die aber die Eltern ablehnen, und die Eltern haben nichts gegen eine Methode einzuwenden, die nur eine Erfolgschance von 40 Prozent hat —, muß der Arzt den medizinisch riskanteren Weg beschreiten, gegen den die Eltern nichts einzuwenden haben.“

Angesichts der vielen tödlichen Gefahren, die bei der medizinischen Verwendung von Blut zutage getreten sind, und angesichts wirkungsvoller Alternativen fragt es sich, ob es nicht sogar weniger riskant ist, kein Blut zu verwenden.

Natürlich wägen Christen vieles gegeneinander ab, wenn ihr Kind operiert werden muß. Jede Operation, ob mit oder ohne Blut, hat Risiken. Welcher Chirurg kann Garantien geben? Die Eltern wissen vielleicht, daß erfahrene Ärzte bei blutlosen Operationen an Kindern von Zeugen Jehovas gute Erfolge erzielt haben. Wäre es nicht vernünftig, wenn Ärzte oder die Krankenhausverwaltung, selbst wenn sie eine andere Lösung vorziehen, mit den Eltern zusammenarbeiten würden, statt einen aufreibenden und zeitaufwendigen Rechtsstreit heraufzubeschwören? Oder die Eltern mögen ihr Kind in ein anderes Krankenhaus bringen, wo man in solchen Fällen Erfahrung hat und zur Behandlung bereit ist. Im Grunde genommen ist die Behandlung ohne Blut eher die kunstgerechte Behandlung, denn wie bereits erwähnt wurde, trägt sie dazu bei, daß die Familie „legitime medizinische und nichtmedizinische Ziele“ erreichen kann.

[Fußnote]

^ Abs. 10 Siehe den medizinischen Artikel „Blut: Wessen Entscheidung und wessen Gewissen?“, Nachdruck im Anhang auf Seite 30, 31.

[Kasten auf Seite 18]

RECHTLICHE BEDENKEN AUSRÄUMEN

Man könnte sich fragen: „Warum sind manche Ärzte und Krankenhäuser schnell dabei, eine gerichtliche Verfügung zu erwirken, um Blut verabreichen zu können?“ An manchen Orten ist ein häufiger Grund die Angst vor der Haftung.

Wenn es sich um Zeugen Jehovas handelt, die eine blutlose Behandlung wünschen, sind solche Bedenken unbegründet. Ein Arzt am Albert Einstein College of Medicine (USA) schreibt: „Die meisten [Zeugen] unterzeichnen bereitwillig das Formular der American Medical Association, wodurch Ärzte und Krankenhäuser von der Haftung befreit werden, und viele haben eine Karte ‚Dokument zur ärztlichen Versorgung‘ bei sich. Ein ordnungsgemäß mit Unterschrift und Datum versehenes Formular ‚Verweigerung der Annahme von Blutprodukten‘ ist eine vertragliche Übereinkunft und ist rechtsgültig“ (Anesthesiology News, Oktober 1989).

Ja, Zeugen Jehovas sind zur Zusammenarbeit bereit und geben die rechtliche Zusicherung, daß einem Arzt oder einem Krankenhaus keine Haftung daraus erwächst, daß die gewünschte blutlose Behandlungsform angewendet wird. Gemäß der Empfehlung medizinischer Fachleute trägt jeder Zeuge Jehovas eine als „Dokument zur ärztlichen Versorgung“ bezeichnete Karte bei sich. Dieses Dokument wird von der Person unterschrieben und von Zeugen bestätigt. Es wird in passenden Zeiträumen erneuert oder durch erneute Unterschrift bestätigt.

Im März 1990 bekräftigte der Oberste Gerichtshof von Ontario ein Urteil, in dem über ein solches Dokument anerkennend gesagt wurde: „Die Karte ist eine schriftliche Erklärung der begründeten Haltung, die der Inhaber der Karte rechtmäßig einnehmen kann, den Vertrag mit dem Arzt schriftlich einzuschränken.“ In Medicinsk Etik (1985) schrieb Professor Daniel Andersen: „Wenn es eine unzweideutige schriftliche Erklärung des Patienten gibt, in der es heißt, daß er ein Zeuge Jehovas ist und unter keinen Umständen Blut wünscht, dann verlangt die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, daß sein Wunsch so respektiert wird, als hätte er ihn mündlich geäußert.“

Zeugen Jehovas sind auch bereit, im Krankenhaus eine Einverständniserklärung zu unterschreiben. Auf einem Formular, das ein Krankenhaus in Freiburg verwendet, kann der Arzt beschreiben, worüber er den Patienten in Verbindung mit der Behandlung aufgeklärt hat. Oberhalb der Unterschriften des Arztes und des Patienten heißt es auf dem Formular: „Als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas lehne ich die Verwendung von Fremdblut sowie Fremdblutteilen grundsätzlich bei meiner Operation ab. Mir ist bekannt, daß der geplante, notwendige Eingriff hierdurch mit einem höheren Behandlungsrisiko durch Blutungskomplikationen belastet ist. Nach eingehender besonders darauf gerichteter Aufklärung bitte ich, die bei mir notwendige Operation ohne Verwendung von Fremdblut oder Teilen davon durchzuführen“ (Herz/Kreislauf, August 1987).

In Wirklichkeit kann die blutlose Behandlung geringere Risiken haben als eine Behandlung mit Blut. Aber hier geht es darum, daß Patienten, die Zeugen Jehovas sind, gern alle unnötigen Bedenken ausräumen möchten, damit Ärzte ungehindert das tun können, was sie als ihre Pflicht ansehen, nämlich den Menschen zu helfen, gesund zu werden. Diese Zusammenarbeit kommt allen zugute, wie Dr. Angelos A. Kambouris in dem Artikel „Größere Unterleibsoperationen an Zeugen Jehovas“ zeigt:

„Der Chirurg sollte die präoperative Zustimmung als verbindlich betrachten und sich ungeachtet der Probleme, die während und nach der Operation auftreten mögen, daran halten. ... [Das] orientiert die Patienten positiv auf ihre chirurgische Behandlung und lenkt die Aufmerksamkeit des Chirurgen von den rechtlichen und philosophischen Erwägungen ab, so daß er sich ganz den chirurgischen und technischen Fragen widmen kann, was ihm erlaubt, optimal zu arbeiten und seinem Patienten wirksame Hilfe zu leisten“ (The American Surgeon, Juni 1987).

[Kasten auf Seite 19]

„Der übersteigerte Einsatz medizinischer Technologie ist zum großen Teil für die gegenwärtige Kostenexplosion im Gesundheitswesen verantwortlich. ... Bluttransfusionen sind wegen ihrer Kosten und ihres hohen Risikopotentials von besonderer Bedeutung. Demzufolge wurden Bluttransfusionen von der American Joint Commission on Accreditation of Hospitals als ‚aufwendig, risikoreich und fehleranfällig‘ eingestuft“ („Transfusion“, Juli/August 1989).

[Kasten auf Seite 20]

Bundesrepublik Deutschland: „Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten rangiert vor dem Hilfeleistungs- und Lebenserhaltungsprinzip. Daraus folgt: keine Bluttransfusion gegen den Willen des Patienten“ („Herz/Kreislauf“, August 1987).

Frankreich: „Die persönlichen Glaubensansichten des Patienten müssen respektiert werden. Zum Beispiel kann einer Patientin die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch nicht einfach aufgezwungen werden, wenn wir meinen, dies sei ‚gut‘ für die Familie und die Volksgesundheit“ („La Croix“, 17. März 1988).

Niederlande: „Ist ein Arzt tatsächlich verpflichtet, eine solche Verweigerung [von Blut] zu respektieren? Nach Meinung von Fachleuten auf dem Gebiet des Gesundheitsrechts besteht darüber kein Zweifel. [Prof. Dr. H. J. J.] Leenen weist darauf hin, daß das Selbstbestimmungsrecht der Ausgangspunkt der Patientenrechte ist ... ‚Nur der Patient hat das Recht, über sein Leben zu entscheiden‘ “ („Actuele Zaken“, August/September 1988).

[Kasten auf Seite 21]

„Ich habe festgestellt, daß in den Familien [der Zeugen Jehovas] Liebe und enge Verbundenheit herrschen“, berichtet Dr. Lawrence S. Frankel. „Die Kinder sind gut erzogen, hilfsbereit und anständig ... Es hat sogar den Anschein, als hielten sie sich vielleicht strenger an medizinische Anordnungen, was ein Bemühen darstellen könnte, medizinisches Eingreifen in dem Ausmaß anzunehmen, wie es ihnen ihre Glaubensansichten gestatten“ (Abteilung für Kinderheilkunde am M. D. Anderson Hospital and Tumor Institute, Houston [USA], 1985).

[Kasten auf Seite 22]

„Ich befürchte, daß es nicht unüblich ist“, bemerkt Dr. James L. Fletcher jr., „daß berufsständische Selbstherrlichkeit gesundes medizinisches Urteilsvermögen verdrängt. Behandlungsmethoden, die als ‚die besten von heute‘ gelten, werden morgen verändert oder verworfen. Was ist gefährlicher: ‚religiöse Eltern‘ oder ein überheblicher Arzt, der seine Behandlung für absolut unerläßlich hält?“ („Pediatrics“, Oktober 1988).