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Kindesmißbrauch — Wer sind die Täter?

Kindesmißbrauch — Wer sind die Täter?

DIE meisten Eltern würden diese Frage nicht richtig beantworten. Beim Gedanken an sexuellen Mißbrauch stellt man sich meist einen unheimlichen Fremden vor, der sich entweder vor Kindern entblößt oder sie in ein Auto oder in ein Wäldchen lockt. Ferner ist es publik geworden, daß Gruppen darauf aus sind, Kinder wegzulocken, um sie zu Zwecken der Kinderpornographie oder Kinderprostitution auszubeuten. So etwas geschieht natürlich, doch der typische Sexualtäter, der sich an Kinder heranmacht, gehört einem ganz anderen Personenkreis an. Wer verübt denn gewöhnlich Sexualdelikte an Kindern?

Sue wurde von einem Mann mißbraucht, der eine kirchliche Gruppe leitete. Er stand einem Jugendklub vor, und alle hielten ihn für sehr freundlich. Doch Sue und andere Mädchen wurden von ihm sexuell mißbraucht. Ein anderes junges Mädchen schrieb an die Ratgeberspalte einer Zeitung, daß ihr Lieblingsonkel versucht habe, sie auf seinen Schoß zu ziehen und sie auf unschickliche Weise zu streicheln. Ein Mann erinnert sich daran, daß er als Junge ständig von dem erwachsenen Sohn eines guten Freundes der Familie mißbraucht wurde. Ein 11jähriger Junge wurde von seiner Tante belästigt, bei der er wohnte. Eine Frau aus New York berichtet, daß sie im Alter von sieben Jahren von ihrem Großvater mißbraucht worden sei. Ein 15jähriger Junge wurde von seinem Arzt bei einer medizinischen Untersuchung mißbraucht. Für Pam war es noch schlimmer. Über viele Jahre mißbrauchte sie ihr eigener Vater. Und Mary wurde von zweien ihrer älteren Brüder und einem älteren Cousin sexuell belästigt.

Genauer gesagt, gehen vermutlich weniger als ein Drittel der sexuellen Belästigungen von Kindern auf das Konto von Fremden. In der Regel ist der Täter dem Opfer nicht unbekannt. Der Sittlichkeitsverbrecher ist oft ein Verwandter. Daher werden Kinder in den meisten Fällen von Personen mißbraucht, die sie kennen und denen sie vertrauen, wodurch es viel schwieriger wird, die Kinder zu schützen.

Wie Sittlichkeitsverbrecher vorgehen

Eltern unterliegen oft einem weiteren Irrtum. Sie stellen sich vor, der Mißbrauch sei mit Gewaltakten verbunden, wobei das Kind kämpfen und um Gnade schreien würde. Das muß überhaupt nicht so sein, zumindest nicht zu Beginn. Anfänglich kann der sexuelle Mißbrauch durch Kontakt beim Spielen oder durch Liebkosungen getarnt sein, und dann kann er sich weiterentwickeln. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Sexualtäter das Kind überreden und bedrängen wird, indem er die Autorität nutzt, die er als ältere Person besitzt. Eltern können sich sicher noch an ihre Kindheit erinnern, als ihnen eingetrichtert wurde, Erwachsenen zu gehorchen, und zwar selbst dann, wenn diese etwas sagen würden, was ihnen nicht gefiele, wie zum Beispiel, sie sollten früh zu Bett gehen oder das Gemüse aufessen. Sittlichkeitsverbrecher machen sich diese Erziehung zunutze. Ein überführter Sittlichkeitsverbrecher erklärte: „Zeigt mir ein gehorsames Kind, und ich zeige euch ein leichtes Opfer.“

Ein kleines Mädchen erhielt obszöne Telefonanrufe. Als es gefragt wurde, warum es denn den Hörer nicht aufgelegt habe, erwiderte es, es habe gedacht, dies sei unhöflich, solange jemand noch spreche. Eine Frau im Alter von 30 Jahren erinnert sich daran, daß ihr Großvater sich an sie heranmachte, als sie fünf Jahre alt war. Er sagte zu ihr: „Brave Mädchen tun das für Opa und sagen der Mutti nichts.“ Wie viele Fünfjährige könnten wohl eine solche Täuschung durchschauen?

Und können sich Erwachsene nicht daran erinnern, wie sehr es ihnen als Kindern gefiel, wenn ihnen jemand etwas schenkte oder etwas spendierte? Sittlichkeitsverbrecher nutzen diese Neigung der Kinder aus, um sich an sie heranzumachen. Eltern könnten sich fragen, wie ihr Kind reagieren würde, wenn z. B. der Hausmeister der Schule zu ihm sagen würde: „Komm nach dem Unterricht zu mir in mein Büro. Ich möchte dir gern etwas Taschengeld geben.“ Oder was wäre, wenn der Babysitter sagen würde: „Wenn du für mich etwas Bestimmtes tust, darfst du länger aufbleiben und fernsehen.“?

Sie wurde von einem Geistlichen belästigt

Gelegentlich nutzen Sexualtäter die Vorliebe der Kinder für Geheimnisse aus. War es für uns, als wir jung waren, nicht etwas Aufregendes, ein Geheimnis zu haben? Ein kleines Mädchen hütete ein Geheimnis, das sie ihren Eltern nicht verriet. Doch eines Tages beobachteten die Eltern bei ihr ein frühreifes sexuelles Verhalten. Als sie ihre kleine Tochter fragten, wo sie so etwas gelernt habe, erwiderte sie: „Das ist ein Geheimnis.“ Ihr Vater erklärte ihr, daß manche Dinge nicht geheimgehalten werden sollten, woraufhin das kleine Mädchen das Geheimnis preisgab. Ein 40jähriger Mann, der selbst Kinder hatte und mit der Familie eng verwandt war, hatte sie zu Boden gedrückt und sich sexuell an ihr vergangen.

Schließlich mögen die Täter auch zu Drohungen greifen — raffinierten Drohungen, die auf das Sicherheitsgefühl des Kindes abzielen. Eine Frau erzählte, sie sei als Kind von ihrem Stiefvater mißbraucht worden. Sie erklärte, er habe damit begonnen, als sie sechs Jahre alt gewesen sei, und er habe das vier Jahre lang getan. Warum erzählte sie ihrer Mutter nichts davon? „Er sagte mir, die Polizei würde ihn abholen und meine Mutter verlöre ihre Anstellung, wenn ich jemals irgend jemandem etwas davon erzählen würde. Unsere ganze Familie müßte dann hungern und alles wäre nur meine Schuld.“

Die Autorin Gail Sheehy spricht mehrere dieser Punkte an, indem sie folgendes bemerkt: „Wir vergessen, wie allmächtig uns Erwachsene erschienen, als wir selbst Kinder waren.“ Sie fügt hinzu: „Für Eltern oder einen Babysitter ist es sehr einfach, sexuelle Handlungen durch normale Vorgänge wie Baden und Körperpflege zu tarnen. Das Kind merkt nur dann, daß etwas verkehrt ist, wenn es zur Geheimhaltung aufgefordert wird: ‚Erzähl deiner Mutti nichts von dem, was wir getan haben‘ — und zur Einschüchterung genügt eine einzige Drohung —, ‚sonst hat sie dich nicht mehr lieb.‘“ Welches Kind wäre in der Lage, sich gegen diese Art psychologischer Erpressung zur Wehr zu setzen?

Der beste Schutz für die Kinder

Wie man sieht, kann es sich bei Sexualtätern um Personen handeln, von denen man so etwas nicht erwartet hätte, und gerade diese können ausgeklügelte und listige Taktiken anwenden. Vermutlich werden Kinder schon beinahe so lange mißhandelt, wie es Menschen gibt. Die Gefahr wird aber zusehends größer, da immer mehr ‘Menschen eigenliebig sind, keine natürliche Zuneigung und keine Selbstbeherrschung haben’ (2. Timotheus 3:1-3). Kinder haben jedoch einen sehr großen Schutz. Worum handelt es sich? Um ihre Eltern. Niemand anders als sie ist besser in der Lage, sie vor Erwachsenen zu schützen, die darauf aus sind, Kinder zu belästigen. Wir wollen sehen, wie das möglich ist.