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Was man mit bloßem Auge nicht sehen kann

Was man mit bloßem Auge nicht sehen kann

Was man mit bloßem Auge nicht sehen kann

WINZIGE Staubteilchen schweben unsichtbar in der Luft. Doch dann scheint die Sonne durchs Fenster, und Unsichtbares wird plötzlich sichtbar. Die eindringenden Lichtstrahlen bewirken, daß die Staubteilchen jetzt für das menschliche Auge erkennbar sind.

Man denke auch an das sichtbare Licht, das dem bloßen Auge weiß oder farblos erscheint. Was geschieht, wenn Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel durch Wassertröpfchen hindurchscheint? Das Wasser wirkt wie ein Prisma und erzeugt einen wunderschönen bunten Regenbogen.

In Wirklichkeit reflektieren die Gegenstände um uns herum Licht verschiedener Wellenlängen, das unser Auge als Farbe wahrnimmt. Grünes Gras erzeugt zum Beispiel nicht selbst grünes Licht, sondern es verschluckt alles außer dem grünen Anteil des Lichts. Das Gras wirft grünes Licht zurück und sieht daher für uns grün aus.

Mit von Menschen entwickelten Instrumenten ausgestattet

In den vergangenen Jahren ist durch Erfindungen vieles sichtbar geworden. Sieht man sich unter einem Lichtmikroskop einen scheinbar unbelebten Wassertropfen an, beobachtet man darin ein Gewimmel aller möglichen Tierchen. Und Haare, deren Oberfläche glatt erscheint, sehen nun sehr rauh aus. Mit leistungsfähigen Mikroskopen können 1 000 000fache Vergrößerungen erzielt werden; eine Briefmarke wäre dann so groß wie ein kleines Land.

Der Einsatz noch stärkerer Mikroskope liefert Forschern heute ein Bild von der Struktur der Oberfläche im atomaren Maßstab. Dadurch erhalten sie Einblick in Bereiche, die dem Menschen bis vor kurzem noch verschlossen waren.

Andererseits mögen wir abends zum Himmel schauen und viele Sterne sehen. Wie viele? Mit bloßem Auge sind es höchstens einige Tausend. Seit der Erfindung des Teleskops vor fast 400 Jahren erkennt man jedoch viel mehr Sterne. In den 1920er Jahren fand man am Mount Wilson Observatory mit Hilfe eines starken Teleskops heraus, daß jenseits unserer Galaxis andere Galaxien mit zahllosen Sternen existieren. Heute schätzen Wissenschaftler, die über hochentwickelte Weltraumbeobachtungsinstrumente verfügen, die Zahl der Galaxien auf zigmilliarden, und viele dieser Galaxien bestehen aus Hunderten von Milliarden Sternen.

Wie mit Teleskopen erstaunlicherweise festgestellt wurde, sind Milliarden von Sternen, die wie eine Milchstraße aussehen, weil sie so nah beieinander zu liegen scheinen, in Wirklichkeit unvorstellbar weit voneinander entfernt. Gleichermaßen haben starke Mikroskope es ermöglicht, mit dem Auge zu erkennen, daß Objekte, die massiv aussehen, in Wirklichkeit aus Atomen aufgebaut sind, die hauptsächlich aus leerem Raum bestehen.

Das unendlich Kleine

Das kleinste Pünktchen, das man unter einem herkömmlichen Lichtmikroskop sehen kann, besteht aus etwa zehn Milliarden Atomen. 1897 wurde entdeckt, daß das Atom winzige, kreisende Teilchen besitzt: die Elektronen. Mit der Zeit wurde nachgewiesen, daß der Kern, um den die Elektronen kreisen, aus größeren Teilchen besteht: den Neutronen und Protonen. Die verschiedenen Atome der 88 Elemente, die natürlich auf der Erde vorkommen, sind im Grunde genommen gleich groß, unterscheiden sich aber durch ihr Gewicht, weil jedes unterschiedlich viele dieser Grundbausteine besitzt.

Die Elektronen — beim Wasserstoff ist es ein einzelnes Elektron — rasen in jeder Millionstelsekunde Milliarden von Malen durch den Raum um den Kern des Atoms und verleihen dadurch dem Atom eine Form, die es als fest erscheinen läßt. Um ein Proton oder ein Neutron mit Elektronen aufzuwiegen, brauchte man etwa 1 840 Elektronen. Das Proton und das Neutron sind 100 000mal kleiner als das gesamte Atom.

Um eine gewisse Vorstellung davon zu erhalten, wie leer ein Atom ist, wollen wir uns den Kern eines Wasserstoffatoms und das Elektron, das ihn umkreist, vergrößert vorstellen. Wäre der Kern, der aus einem einzigen Proton besteht, so groß wie ein Tennisball, würde ihn das Elektron in etwa 3 Kilometer Entfernung umkreisen.

In einem Bericht über die Feiern anläßlich der Entdeckung des Elektrons vor hundert Jahren hieß es: „Kaum jemand stört es, etwas zu feiern, was keiner je gesehen hat, was keine erkennbare Größe, aber ein meßbares Gewicht besitzt sowie eine elektrische Ladung — und sich dreht wie ein Kreisel. ... Heute bezweifelt niemand mehr, daß Dinge, die nie zu sehen sein werden, dennoch existieren.“

Noch winzigere Objekte

Teilchenbeschleuniger, mit deren Hilfe man Materieteilchen aufeinanderprallen läßt, gewähren Wissenschaftlern heute einen Einblick in das Innere des Atomkerns. Demzufolge ist über viele Teilchen mit fremdartig klingenden Namen zu lesen wie Positronen, Photonen, Mesonen, Quarks und Gluonen, um nur einige anzuführen. Sie alle sind selbst mit den stärksten Mikroskopen nicht zu sehen. Aber mit Geräten wie Nebelkammern und Blasenkammern und Szintillationszählern werden Spuren ihrer Existenz beobachtet.

Forscher sehen heute, was zuvor unsichtbar war. Dabei erfassen sie die Bedeutung dessen, was sie für die vier Fundamentalkräfte halten: die Gravitation, die elektromagnetische Kraft und die zwei subnuklearen Kräfte, die als die schwache Kraft und als die starke Kraft bezeichnet werden. Einige Wissenschaftler sind auf der Suche nach einer „Theorie für alles“, von der sie sich eine umfassende Erklärung des Universums erhoffen — vom Makrokosmos bis zum Mikrokosmos.

Welche Lehre kann man daraus ziehen, daß man etwas sehen kann, was dem bloßen Auge verborgen bleibt? Und welche Schlüsse haben viele aus dem, was sie hinzugelernt haben, gezogen? In den folgenden Artikeln wird die Antwort gegeben.

[Bilder auf Seite 3]

Bilder von Nickelatomen (oben) und von Platinatomen

[Bildnachweis]

Mit frdl. Gen.: IBM Corporation, Research Division, Almaden Research Center