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Namibias bewegliche Skulpturen

Namibias bewegliche Skulpturen

Namibias bewegliche Skulpturen

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN SÜDAFRIKA

DER Künstler wechselt ständig seinen Stil, und doch ist das Resultat ansprechend. Der Werkstoff ist Sand. Wer der Künstler ist? Der Wind. Er modelliert die markanten Formen der Wanderdünen. Vielleicht am bekanntesten ist das halbmondförmige Design. Die dem Wind ausgesetzte Seite der „Skulptur“ steigt sanft an. Der im Windschatten liegende Bereich dagegen ist steiler und kürzer. Rasiermesserscharf sieht die Linie des Dünenkamms aus, allerdings läßt sich das durch einen Tritt mit einem plumpen Stiefel leicht ändern.

Die Wüste Namib im südwestlichen Afrika ist hervorragend geeignet, wenn man sich solche beweglichen Skulpturen ansehen möchte. Dort gibt es einige der höchsten Dünen der Welt; sie erreichen eine Höhe von über 400 Metern. Flächenmäßig ist die Namib allerdings kleiner als die großen Wüsten der Erde. Sie erstreckt sich vom Atlantik maximal rund 150 Kilometer landeinwärts und ist keine 2 000 Kilometer lang.

Weitere Künstler am Werk

Der Wind ist nicht der einzige Künstler, der in dieser entlegenen „Kunstgalerie“ ausstellt. Bei einer näheren Untersuchung der Dünen tritt das unverwechselbare Design weiterer Künstler zutage. Zum Beispiel kann man im Sand etwas sehen, was aussieht wie eine lange, zarte Kette, die zickzackförmig daliegt. Wenn man lange genug wartet, kann man den Künstler vielleicht sogar bei der Arbeit beobachten. Die „Kette“ ist nichts anderes als Fußspuren von Käfern, die nachts über den Sand laufen. Gleich daneben ist eine reihenförmige, symmetrische Anordnung zu sehen — alles scheinbar kleine Löcher im Sand. Auch dabei handelt es sich um Fußspuren; ein Kurzohrrüsselspringer hat sie auf dem Weg zu seinem Ziel hinterlassen. Plötzlich merkt man, daß es in dieser entlegenen und scheinbar trostlos wirkenden Kunstgalerie nur so von Leben wimmelt.

Im Norden, entlang der Skelettküste, sind weitere Wüstenkünstler am Werk. Mit dem Sand gehen sie nicht gerade zimperlich um, und am Ende sieht alles durcheinandergewirbelt aus. Aufgepaßt! Da kommen sie über eine Düne herangestürmt! Eins ist sicher: Sie genießen ihre kreative Tätigkeit so richtig. Die großen Tiere laufen überraschend schnell die Düne hinunter und wirbeln dabei den Sand in sämtliche Richtungen auf. Laufen allein reicht ihnen allerdings nicht, sie rutschen auch noch den Hang hinunter, die Hinterbeine hinter sich herschleifend, und ziehen dabei Furchen in den Sand. Dann sausen sie zu einem nahen Wasserloch, springen hinein und tummeln sich darin wie unbeschwerte Kinder. Jeder Künstler wiegt rund 6 (!) Tonnen — es handelt sich nämlich um Afrikanische Elefanten.

Eine exzentrische Künstlerin, die sich ebenfalls seltsam, aber nicht so ungestüm benimmt, ist die Zwergpuffotter. Ihr graphisches Muster im Sand sieht aus wie eine Reihe krummer Stöcke. Die Schlange hinterläßt diese Abdrücke immer dann, wenn sie sich durch ihr eigentümliches Seitenwinden vorwärtsbewegt. Plötzlich hören die Spuren auf — nirgendwo eine Schlange zu sehen. Wo ist sie hin? Auf den zweiten Blick kann man ein Paar Augenschlitze erkennen, die einen aus dem Sand anstarren. Der Rest der Schlange ist vollständig mit Sand bedeckt. Derartig getarnt, wartet sie geduldig auf ihre Mahlzeit — in der Regel eine vorbeihuschende Eidechse.

Ein anderes Muster im Sand ist vielleicht ästhetisch nicht ganz so ansprechend. Breite Reifenspuren sind zu sehen, die von einem dreirädrigen Motorrad stammen, das speziell dafür ausgerüstet ist, dieses Gelände zu bewältigen. Der Mensch hinterläßt ebenfalls seine Spuren.

Ein launischer Künstler

Noch viele weitere Künstler „verewigen“ sich im Sand, man kann sie gar nicht alle aufzählen. Erwähnt seien Nashörner, Löwen, Giraffen und Schakale, die man im Wildpark an der Skelettküste sehen kann.

Doch der tonangebende Künstler ist der Wind. Er bestimmt im wesentlichen das Gesicht der Galerie und verändert die Formen ganz nach Belieben. Das geschieht kontinuierlich. Käme man in einem Jahr zu dieser Galerie zurück, würde man feststellen, daß manche Dünen in der Zwischenzeit bis zu 30 Meter weitergewandert sind. Das bringt der Wind in Namibia fertig.

[Karte auf Seite 27]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

AFRIKA

NAMIBIA

[Bild auf Seite 26]

Kurzohrrüsselspringer

[Bildnachweis auf Seite 26]

Des und Jen Bartlett